05.02.2025: Fischen auf den Hebriden

1. “Tiny Epic Game of Thrones”

Ein Ausbreitungs- und Kampfspiel für Clans in einer sehr gedrängten Geographie, die einem  schlanken Britannien nachempfunden ist. A la Trump mit Geld oder a la Putin via Invasion müssen uns ausbreiten, mit neutralen Clans Allianzen schmieden, gegen Mitspielerclans und deren Allianzen kämpfen und über diese oder jene Entwicklung Siegpunkte einheimsen. Selbst der Tod unseres Häuptlings bringt uns noch Siegpunkte ein.

Eigentlich ganz einfach, denn jedem Spieler stehen in insgesamt sechs Runden nur je zwei Aktionen zur Verfügung. „Vermehrung“ ist eine solche Aktion, im Nu abgewickelt, „Bewegen“ bzw. „Verschiffen“ sind zwei weitere Aktionen, über die man ebenfalls nicht viel Denkschmalz verschwenden muss. Noch schneller geht das „Eintauschen“ von Eventkarten in Geld. „Allianzen Schließen“ ist etwas komplizierter, aber auch noch zu schaffen.

Das Komplizierteste sind die hunderttausend verschiedenen Eventkarten, von denen jeder Spieler quasi jederzeit vier Stück auf der Hand hat und über der Aktion „Event“ realisieren kann. Ihre Effekte bewegen sich im gleichen Aktionsrahmen, nur kombiniert, etwas umfangreicher und perfider.

Die möglichen Aktionen sind hier so locker hingeschrieben, sie sind aber nicht frei wählbar. Eine wird per Platzierungsbrett entschieden, wo außer für den Startspieler einer Runde schnell die besten bzw. benötigsten Aktionen belegt sind. Die andere Aktion wird per Würfel entschieden, wobei sogar selbst der Startspieler äußerst limitiert sein kann, auch wenn hier ein paar Weichmacher eingebaut sind.

Aaron war hoch im Norden der britischen Insel angesiedelt und konnte mangels passender Aktionsauswahl kaum einen Schritt weg von den Hebriden ins Gelobte Land tun. Günther und Walter werkelten ganz im Süden links und rechts von Cornwall und bemühten sich redlich und abgesprochen, sich gegenseitig nicht ins Gehege zu kommen, was sich in dem sehr beschränkten Raum gegen Schluss des Spiels aber nicht mehr aufrechterhalten ließ. Unser Matador Moritz startete in Midlands, ließ sich vorsätzlich etwas zurückfallen, um in der ersten Wertungsrunde den Ultimus-Bonus einzustreichen, und rupfte nur hier und da gezielt unserem zweiten Matador Günther ein paar Federn aus. Doch sein Rückstand war zu groß, er konnte sich in den verbleibenden Runden nicht mehr nach vorne und aufs Treppchen schwingen.

Günther baute Runde für Runde seinen Vorsprung aus und war schon fast dabei, seine Mitspieler zu überrunden, da trafen ihn in der letzten Runde drei Schicksalsschläge, geschlagen von seinen drei Mitstreitern, und er wäre fast wieder bei den Leuten gewesen. Nur einen Punkt hinter ihm (fast so gut wie vor ihm) landete Walter, der von solchen Kriegsspielen ja überhaupt nichts versteht. Lag das an seinem Startpunkt Cornwall, an der sehr dichten Grundbesiedelung, die a priori keine hochfliegenden Pläne und Planungen aufkommen lässt, an der zähen Aktionsauswahl oder daran, dass die Wölfe vom Westpark keine Schafe reißen?

WPG-Wertung: Aaron: 5 (der Würfelmechanismus gefällt mir gar nicht, damit verliert man noch mehr Flexibilität, die ohnehin schon sehr begrenzt ist), Günther: 6 (es gibt eine Reihe von strategischen und taktischen Möglichkeiten), Moritz: 7 (in der tollen kleinen Spieleschachtel ist ein vollwertiges Brettspiel drin), Walter: 6 (selbst das dolce Vita in Cornwall kann Lorbeeren tragen).

2. “Fischen”

Ein Stichkartenspiel. Offiziell soll es etwas mit Deckbuilding zu tun haben. Richtig daran ist: jeder hat 8 (in späteren Runden 9, 10, 11 oder 12) Karten in der Hand, und spielt jeweils eine davon zu einem Stich aus. Man muss bedienen und die höchste Karte bzw. der höchste Trumpf macht den Stich. Soweit Stichkartenspiel.

Die Karten eines Stiches zählen a) als Siegpunkte und b) sind sie es, mit der man die nächste Runde bestreiten muss. Wer hohe Karten in seinen Stichen einkassieren konnte, hat für die nächste Runde einen gewissen Vorteil. Aber nur bedingt. Denn wer nicht genügend Karten stechen konnte, darf seine nächsten Karten vom Nachziehstapel ziehen, und dort gibt es via gewolltem Design deutlich stärkere Karten. Es geht für jeden Spieler also um das Abwägen, ob er einen Stich und damit sofort ein paar Punkte macht, oder ob er lieber auf einen Stich verzichtet, um später über die Karten vom Nachziehstapel seinen Reibach zu machen. – Sofern ihm die Chance für diese Alternative überhaupt geboten ist. Deckbuilding gleich Null.

Es kommt aber noch schlimmer. Im Kartenspiel sind Sonderkarten enthalten, die man jederzeit zugeben darf, auch wenn man eine ausgespielte Farbe bedienen müsste. Damit ist erstens das planmäßige Kalkulierten vom Abspielen einer Kartenhand unmöglich gemacht, und anstelle eines Stiches erhält man z.B. nur Dreiviertel davon, noch dazu das schlechtere, denn die beste Karte wird sich der Sonderkartenspieler natürlich selber aneignen. Damit gerät das Deckbuilding sogar noch unter Null. Mit einer Sonderkarte kann man sogar das Ausspielrecht zum nächsten Stich sichern; damit wird die Planbarkeit der Kartenhand noch weiter ausgehebelt.

Diese böse Kritik schreibe ich jetzt als Bridgespieler. Der anerkannte Spieleautor Friedemann Friese möge es mir verzeihen. „Fischen“ ist nicht für unsereiner gedacht, sondern als „„Bier- und Bretzelspiel“, ein Spiel mit wenigen Regeln und Strategien sowie einem hohen Maß an Zufall und einem lockeren Thema. Die KI definiert diesen Begriff als: „ein Spiel, das leicht zugänglich und vor allem auf Spaß und Geselligkeit ausgerichtet ist. Es eignet sich besonders gut für zwanglose Spielabende mit Freunden, bei denen weniger die strategische Tiefe oder komplexe Spielmechaniken im Vordergrund stehen, sondern vielmehr der gemeinsame Spaß am Spielen, die lockere Atmosphäre für entspannte Abende mit Gummibärchen und Chips.“

Meine persönliche Abneigung gegenüber chaotischen Kartenspielen nur zum Zeitvertreib möchte ich mit einer (Ab-)Qualifikation von Schopenhauer unterstreichen: „Das Bier- und Bretzelspiel ist eine Form der Zeitverschwendung und Ausdruck geistiger Trägheit. Menschen, die sich diesem Kartenspiel hingeben, neigen dazu, ihre wertvolle Lebenszeit mit bloßer Zerstreuung zu vergeuden, anstatt sich mit sinnvollen Tätigkeiten wie philosophischem Nachdenken, Bildung oder kreativen Tätigkeiten zu beschäftigen. Weil sie keine Gedanken auszutauschen haben, tauschen sie Karten aus. O, klägliches Geschlecht!“

WPG-Wertung: Aaron: 7 (für das, was es ist: einfaches Stichspiel mit Chaos), Günther: 6 (als Chaos-Spielchen), Moritz: 7 (originell, ich würde es noch einmal spielen), Walter: 3 (für meine Restlebenszeit muss ich mit Zeitvertreibern vorsichtig umgehen).

3. “Wer macht jetzt Schluss?”

Aaron hat von einer seiner Spieleautorenreisen die fast fertigen Regeln eines neuen Kartenspiels mitgebracht. Es strotz voller origineller Ideen. Wo man hinschaut sitzt alles. Fraglich ist allein, ob man der Willkür eines Spielers oder dem Zufall das Herbeiführen des Spielendes überlassen soll. Na ja, auch an der Punktewertung darf man noch ein bisschen drehen, das hat unsere Begeisterung für die zahlreichen gelungenen Mechanismen aber nicht geschmälert.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2 Gedanken zu „05.02.2025: Fischen auf den Hebriden“

  1. Ich hatte am Mittwoch ja den Motor des Spiels, die Würfel-Aktionswahl, kritisiert weil er mMn unnötig einschränkend ist. Nachdem ich Walters Spielbericht gelesen habe und dort noch einmal geschrieben steht, dass man im ganzen Spiel nur 12 Aktionen hat, habe ich jetzt die Regeln geschaut. Und siehe da:

    Nachdem der aktive Spieler seine beiden Aktionen durchgeführt hat, dürfen die anderen Spieler die Aktion des Würfels des aktiven Spielers ebenfalls ausführen. Man hat also bis zu 5 Aktionen pro Runde oder bis zu 30 im gesamten Spiel. Das sieht dann schon ganz anders aus (ich hätte dadurch bestimmt die ein oder andere March Aktion mehr machen können).

    Wenn wir korrekt gespielt hätten, wäre aber vermutlich das Spiel noch chaotischer oder deutlich länger, geworden weil die Aktionsauswahl noch mehr Optimierungspotenzial bietet.

  2. Ujj, tatsächlich! Ja, dann wird die Freiheit für die Aktionen deutlich besser! Und bei mehr Aktionen sowie dem großen Gedränge gerät unweigerlich das Kriegerische in den Fokus. Das dürfte das Irgendwie-Schläfrige unser aller Aktionen auflösen – und den Spielabend bis weit nach Mitternacht ausdehnen. Viel Aktion in so einer kleinen Schachte.

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