In seinem Begleittext zu „London“ als unserem neuesten “Spiel des Monats” hatte Walter geschrieben: „Es gilt, in Bescheidenheit und ölologischer Vernunft seine Kartenfreiheit zu nutzen“. Aaron, der die Übersetzung ins Englische besorgt und schon häufiger über Walters Schreibfehler gestolpert ist, hat rückgefragt, ob “ölologische Vernunft” ein Wortspiel ist oder “ökonomische Vernunft” heißen soll. Eigentlich hatte Walter „ökologisch“ gemeint, aber dies ließ Aaron nicht gelten. Dieser Begriff war ihm einfach zu neu und zu deutlich auf den Umweltschutz des 20. bzw. 21. Jahrhunderts gemünzt.
Frage an die Londoner Experten: Ist das Vorgehen, dass man für ein erfolgreiches Vorgehen in „London“ benötigt jetzt “ökologische Vernunft” oder “ökonomische Vernunft”?
1. “Pantheon”
Seine schlechte Wertung für „Pantheon“ (pures „Chaos“) hat Aaron nicht schlafen lassen. Die ganzen Osterfeiertage über hat er Abläufe und Schwachstellen unserer ersten Begegnung vom 20. April analysiert und wollte seine Ergebnisse heute am lebenden Objekt nochmals verifizieren.
Wie gehabt ziehen wir in sechs Runden unsere Trampelpfade vom Zentral-Tempel zu verschiedenen Markern und hinterlassen unsere Duftmarken in Form von Füßen und Gebetstrommeln. Nach jeder Runde sammeln wir unsere Füße wieder ein, die Trommeln bleiben stehen und liefern uns am Ende nach einer quasi quadratischen Formel einen riesigen Batzen Siegpunkt-Einkommen. „Riesig“ ist das Einkommen zumindest für den, der in der Quadrat-Formel auf der Trommel-Abszisse gewisse Schwellwerte überschritten hat. Wer hier nur gekleckert hat, wird in der Schlußwertung auch entsprechend klecklich behandelt.
Auch die Götzenstrategie hat ihren Charme. Wir verschaffen uns damit fortlaufend Vorteile für unsere künftigen Spielzüge: größere Reichweite, größeres Einkommen, linear anwachsende Siegpunktprämien und gegebenenfalls die Erlaubnis für Doppelzüge, mit denen wir – mit ein bißchen Glück – in der letzen Runde ebenfalls gewaltige Siegpunkt-Summen einstreichen können.
Die explosionsartig anwachsende Siegpunkten-Flut, die über uns Spieler hereinbricht, ist im Design von „Pantheon“ sicherlich etwas außer Balance geraten. Ganz kleine Effekte, wie z.B. der Aufbau einer einzigen weiteren Gebetstrommel oder eine einzige, mehr oder weniger zufällig passende Aktionskarte zum Erwerb des letzten Götzenbildes, das dann in einer Kettenreaktion ganze Siegpunkt-Lawinen über uns herunterkommen läßt, machen eine seriöse Planung sehr fragil. Aber vielleicht ist das auch das Schöne daran: Kaum hat man sich mit den Mechanismen angefreundet und schmiedet Pläne für reiche Siegpunkternten, da ist mit einem rasanten Knalleffekt das Spiel auch schon zu Ende.
Heute lief alles ganz anders als beim letzten Mal. Trotzdem konnte sich auch diesmal wieder die Trommelstrategie (im Tie-Break) vor der reinen Götzenstrategie durchsetzen. Beide Strategien wurden jeweils durch das individuelle Privileg zur Startaufstellung (1 Bewegungsschritt mehr bzw. 1 Aktionskarte mehr) nahegelegt. Der Startspieler, für den kein solches richtungsweisendes Privileg mehr übrig war, büßte notgedrungen einen Milligramm Strategie-Konsequenz ein und hatte so keine Chance mehr auf einen der vorderen Plätze.
In einer Stunde waren wir durch. Daraus folgerte Aaron einen deutlich gestiegenen Wiederspielreiz. Seine Gleichsetzung von „Pantheon“ mit „7 Wonders“ konnte Walter allerdings nicht unwidersprochen hinnehmen: Freilich lebt „Pantheon“ auch von Karten, doch der Freiheitsgrad beim Ziehen der Karten und den daraus resultierenden möglichen Aktionen ist in „Pantheon“ um ein Mehrfaches größer. Freilich bringen auch in „Pantheon“ die gezogenen Aktionskarten einen deutlichen Zufallseinfluß mit sich. Doch hier sind noch wesentlich mehr Zufallseinflüsse gegeben, aber alle fein, wohlabgestimmt und spielerisch in den Gesamtablauf integriert. Für mich!
WPG-Wertung: Aaron: 7 („kurzweilig“, 2 Punkte mehr), Günther und Walter blieben bei ihren 8 Punken: .
2. “Die Burgen von Burgund”
In einem (gemäß Regelheft) „außergewöhnlichen Aufbauspiel um Weiden, Waren und Würfel“ sollen wir unsere hexagonalen „Ländereien durch überlegten Handel und Wandel aufblühen lassen.“
Zunächst einmal würfeln wir, jeder mit zwei Würfeln. Der Würfel bestimmt, welches der offen ausliegenden Landschaftsplättchen wir in unseren Vorrat, und welches Plättchen wir vom Vorrat auf welches Feld in unseren Ländereien legen dürfen. Passt uns das Würfelergebnis nicht, dürfen wir uns für einen Würfel zwei Arbeiter zulegen, die es uns erlauben, beim nächsten Wurf die geworfene Augenzahl nach oben oder unten zu verschieben. So ganz stupide sind wir dem Würfel also nicht ausgeliefert. Ein bißchen aber schon.
Mit jedem Plättchen in unseren Länderreien gewinnen wir Vorteile: die Erlaubnis, noch ein weiteres Plättchen legen, ein paar Arbeiter für die Würfelaugen-Modifikation, Geld (zum Erwerb von Landschaftsplättchen völlig am Würfelergebnis vorbei), oder Siegpunkte. Alle Rädchen wirken ineinander und alle Aufbauleistung wird belohnt. Allerdings riecht alles unweigerlich nach Schweiß, der von der Stirne tropfen muß, damit das Werk den Meister loben kann. Würfel-Modifier durchrechnen, die Erreichbarkeit von Plättchenauslagen abschätzen, die Ambitionen der Mitspieler vorhersehen und sich dagegen vorsehen, das ist alles ziemlich anspruchsvoll. Aaron und Walter fanden hier sogleich Ähnlichkeiten zu „Agricola“. Wer dieses Spiel liebt, wird auch an den „Burgen von Burgund“ seine Freude haben. Und wenn die Jury von „Spiel des Jahres“ wieder einen Sonderpreis für das „komplexeste Spiel des Jahres“ vergeben will, dann sind die „Burgen“ ein heißer Anwärter.
Doch für Spielen im eigentlichen Sinn des Wortes fehlen deutlich spielerische Elemente. Und die Interaktion beschränkt sich auf den Wettlauf um die Prämienplätze bei den vielfältigen Etappenzielen. Und das Thema? Der Rioja auf dem Tisch hat mehr Assoziationen mit Burgund aufkommen lassen als die Masse der 240 Spielelemente.
WPG-Wertung: Aaron: 6 („der Spannungsbogen fehlt, 5 Runden lang der gleiche Ablauf“), Günther: 8 („für Freaks, komplexes Aufbauspiel mit zahlreichen Entfaltungsmöglichkeiten, objektiv ein Highlight des Jahres 2011, subjektiv vielleicht nicht“), Walter: 6 („ein Hoch für den Schweiß, den der Autor bei der Spielentwicklung vergossen hat, kein Hoch für den Schweiß, den die Spieler beim Spielablauf vergießen müssen“).
5 Gedanken zu „27.04.2011: Götzenbilder in Burgund“
Kommentare sind geschlossen.
Es ist richtig … Eine Menge Schweiss ist nötig … So was muss man mögen! Auch entstehen durchaus größere Wartezeiten zwischen den Zügen.
Mag man dies, so benötigt man aber schon mehrere Partien, um alle Möglichkeiten zu erleben. Durch das Hinarbeiten auf bestimmte langfristige Ziele, das Nutzen von immer mehr Sonderfähigkeiten ergibt sich auch eine Steigerung zum Spielende hin. Es ist kein kleiner Imbiss für Zwischendurch oder für die lockere Familienrunde, sondern etwas für Freaks, die diese Art von Intensität (mancher mag das “Arbeit” nennen) auch mögen!
Nach fünf/sechs Partien ist das aber wirklich keine “Arbeit” mehr. Ich würde inzwischen dBvB auch als lockeren längeren Absacker gerne spielen
Na, Klaus, wenn Du Dir drei Stunden für einen Absacker gönnst, dann musst Du ja schon einen Tag vorher mit Deinem Hauptgang beginnen!
Für mich sollte ein Absacker eine gewisse spielerische Leichtigkeit und eine gute Portion Interaktion besitzen und dazu nicht länger als 30 Minuten dauern. Keine der drei Bedingungen sehe ich bei dBvB erfüllt: fummelige Optimierungsarbeit (7 Kaufmärkte, ein Verkaufsmarkt und das eigene Lager wollen auf den optimalen Zug hin überprüft werden und Denken wenn man nicht dran ist geht vermutlich gerade mal im 2er-Spiel), die Interaktion beschränkt sich auf das Wegnehmen von Plättchen, die ein anderer Spieler dringend benötigt (und damit müssten nochmal die 7 Verkaufsmärkte mit den Tableaus der anderen Spieler abgeglichen werden – wer will das schon?) und letztendlich haben wir in einer 3er-Runde 2 Stunden reine Spielzeit gehabt. Also nicht wirklich ein Absacker…
Vielleicht sehe ich ja ein taktisches Potenzial bei dBvB, das es in Wahrheit gar nicht gibt und man sollte einfach nur drauflos spielen (sprich, das erstbeste Plättchen nehmen oder legen). Dann könnten 3 Spieler das in 30 Minuten schaffen. Aber dann macht das ganze Spiel keinen Sinn mehr.
Mich schrecken diese fummeligen Optimierungsspiele ab, siehe auch meine mittelmäßige Bewertung von Agricola. Das erinnert mich alles zu sehr an meinen ehemaligen Job. Hat vielleicht tatsächlich auch etwas mit dem Alter zu tun, denn neulich habe ich noch mal Civilization IV auf dem PC gespielt, dessen erste Version in den frühen 90ern mich nächtelang gefesselt hat: diesmal war ich es nach einer Stunde leid…
Ganz anders Pantheon: das kann ich mir als Absacker durchaus vorstellen – meine 3 Anforderungen sehe ich fast (Spieldauer etwas zu lang) erfüllt.
Ein “Absacker” ist BvB sicherlich nicht. Aber wenn man es kennt, dann kann man es zu viert schon in ca. 1,5 Stunden spielen, und zwar ohne übermäßig gedrängt zu werden. 3h haben wir noch nie benötigt.