Spiele der 18xx-Familie sind anders. Das fängt schon damit an, daß bei uns dafür gesondert eingeladen wird, damit die Ketzer, die hierfür nur 8 oder gar weniger Punkte vergeben, erst einmal wissen, was die Glocke geschlagen hat. Dann wird für 19 anstatt für 20 Uhr zusammengerufen, um der Hektik entgegen zu wirken, die ansonsten bei länger andauernden Planungsphasen der Gleisbauingenieure unweigerlich aufkommt.
Wenn dann noch ein Neuling dabei ist, wird er extra ein halbe Stunde vorher zitiert, damit er privatissime sed gratis vor dem eigentlichen Beginn der Auseinandersetzungen noch einen kleinen Überblick darüber bekommt, was ihn in den nächsten 4 bis 5 Stunden erwartet.
Diesmal trafen sich vier Zehn-Punktige und ein Neuling zum brandneuen “1861” über die Entwicklung der Eisenbahnen im russischen Zarenreich.
1. “1861”
Neben ein paar Regel-Modifikationen, die in jedem 18xx-Spiel verwendet werden könnten, besitzt “1861”, wie jedes andere geniale Kind dieser Spielefamilie, natürlich auch ein paar ganz eigene Elemente, die ihm ein unverwechselbares Gepräge geben.
Zwischen den 5 Privatgesellschaften und den 8 öffentlichen Gesellschaften gibt es 16 Minor Companies, die zuerst betrieben werden müssen und das Spielgeschehen der Aufbauphase bestimmen. Sie werden vom handelnden Spieler versteigert und können hinterher nicht mehr verkauft werden. Ihr Auktionspreis ergibt das Startkapital; ansonsten leben und arbeiten sie wie wir das bei jeder 18xx-Eisenbahnlinie gewohnt sind.
Der Aufbau der öffentlichen Gesellschaften dominiert den Mittelteil des Spiels. Die Gesellschaften sind alle gleichwertig, besitzen keine regionale Zuordnung und können an jeder Stelle der Landkarte beginnen. Sie können über den Aktienmarkt gestartet werden, doch gehen sie meist durch Umwandlung oder Verschmelzung aus den Minor Companies hervor.
Später gibt es noch die Russische Staatsbahn, die neutral von der Bank betrieben wird. Sie kauft Züge, wann immer sie kann und erzwingt so einen ständigen technischen Fortschritt. In der Staatsbahn geht alles auf, was zwischenzeitlich den Geist aufgegeben hat.
Sechs Stunden lang spielten und kämpften wir ums Überleben, um das Dolce Vita und um die Hegemonie auf den Gleisen. Für 1 Uhr hatten wir uns ein Zeitlimit gesetzt, da wurde gerade die Endphase eingeleitet. Wir brachen das Spiel ab, ohne unseren aktuellen Entwicklungsstand in eine theoretische Siegerreihenfolge zu extrapolieren. Jeder konnte plausible Gründe vorbringen, warum er selber zum Sieger zu küren sei.
Günther hätte in den Schlußrunden die weitaus höchsten Einnahmen verbuchen können, Wolfgang hatte die meisten Gesellschaftsanteile mit durchaus guten Entwicklungschancen und Walter thronte auf den höchstwertigen Aktien, die er in den Spitzenpositionen hätte halten können. Nur Arpad war etwas abgeschlagen, er hatte sich in der Anfangsphase mit manipulativen Lok-Verkäufen innerhalb seiner Gesellschaften zu sehr selbst von der Ader gelassen.
Es war keine Sekunde langweilig gewesen, auch wenn man schon mal Denkpausen und Erklärungseinschübe über sich ergehen mußte. Den Einstieg in “1861” haben wir geschafft. Das nächste Mal werden wir wohl einen ruhigen Sonntagsnachmittag im Winter für den Start einer neuen Herausforderung um die Eisenbahnen in Russland ansetzen müssen.
WPG-Wertung: Arpad.9, Günther: 9, Wolfgang 9, Walter 10
Walter schreibt eine Rezension.