1. “Silk Road”
Spielmaterial und Spielbrett lassen zunächst einen Eindruck von “Yspahan light” aufkommen. Kamele und Holzklötzchen dominieren das Bild. Doch das Spiel ist eher zäh. In einer Art “Asienreise” muß man vom Start bis zum Ziel 13 Städte durchlaufen und in jeder Stadt darf man genau eine Aktion tun:
1) Waren nach einer progressiven Preisskala kaufen
2) Waren nach einer degressiven Preisskala verkaufen
3) Beliebige verschiedene Waren im Verhältnis 1:1 umtauschen
4) Gezielte Warenarten im Verhältnis 2:1 umtauschen
5) Ein Warenklötzchen von einem Mitspieler wegnehmen (O-Gott-o-Gott!)
6) Eine Warenart bewerten lassen: Wer die meisten Klötzchen davon hat, bekommt eine Prämie.
Nicht alle diese Aktionen stehen zur Auswahl, sondern pro Stadt nur jeweils drei; davon darf sich der Startspieler zuerst eine aussuchen, bleiben für den nächsten nur noch zwei, dem dritten noch eine und der vierte geht leer aus (und darf dafür in der nächsten Runde den Karawanenführer spielen). Summa Summarum macht jeder Spieler pro Runde eigentlich nur 75% eines Zuges; in 13 Runden sind das knapp 10 Spielzüge. Und die Freiheitsgrade für jedem Zug sind in der Größe von 0. Teilnehmen ist wichtiger als spielen!
In diesem (fast) Nullzügespiel hat der Startspieler natürlich einen gewissen Vorteil. Er darf den Weg der Karawane zur nächste Stadt bestimmen (Freiheitsgrad 0 bis 1) und sich dort die erste Aktion aussuchen. Diese Rolle wird pro Runde versteigert. Der aktuelle Karawanenführer kann das höchste Gebot annehmen und die entsprechende Summe einstreichen, oder er muß die gleiche Summe hinblättern um Startspieler bleiben.
Ein Gag in “Silk Road” ist noch, daß die weitere Zugreihenfolge nicht rechtsherum oder linksherum oder radial-diametrisch abgehandelt wird, sondern daß der Startspieler nach freier Willkür den Spieler für den nächsten Zug bestimmen kann. Das kostet ihn nix und das bringt ihm nix. Außer bin bißchen Ärger und Anfeindung von der Mehrheit der Mitspielern, die nicht ausgewählt wurden. Viel Feind, viel Ehr!
Walter hat grundsätzlich seine Tochter Sabina als Nachfolger gewählt. Sie saß nicht nur zu seiner Linken, es war auch Dankbarkeit für ihre ehemalige Familien-Unterstützung im letzten Jahrtausend bei den “1830”-Runden gegen Aaron. Sabina ihrerseits mußte in ihrer Nachfolge zwischen der Skylla Aaron und der Charibdys Günther wählen. Tapfer versuchte sie zwischen beiden einen alternierenden Ausgleich, doch 13 Spielrunden sind zu kurz, um den guten Willen unter Beweis zu stellen.
Nach Anleitung darf man für “Silk Road” insgesamt 90 Minuten brauchen. Einschließlich dem üblichen Start-Palaver bei den Westpark-Gamers, der Spielaufstellung und dem Erarbeiten der Spielregeln waren wir in 60 Minuten durch. Sicherlich nicht nur deshalb, weil keine Denker unter uns waren.
WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther: 4 (Kampf mit der 3), Sabina: 4 (mußte erst aufgeklärt werden, wie schlecht wirkliche 3 Punkte-Spiele sind), Walter: 4
Aaron wird wohl eine Good-Will-Rezension schreiben. Schließlich hat er das Spiel 2006 in Essen vom Z-Man-Games Verleger persönlich in die Hand gedrückt bekommen.
2. “Yspahan”
Die Wogen um die beste Spieldurchführung sind noch lange nicht verebbt. Auch Rüdiger Dorn, der Erfinder von “Goa” hat sich in unsere theoretische Diskussion eingeschaltet. Allerdings hält er unsere “Strategien” eher für “Schienen”. Theoretische Frage: Wann ist eine Strategie eine Strategie und wielange ist sie eine Schiene? Erst wenn jedes Milligramm mathematisch haargenau berechnet ist? Wikipedia ist da etwas großzügiger: “Eine Strategie ist ein längerfristig ausgerichtetes planvolles Anstreben einer vorteilhaften Lage oder eines Ziels.” Und eine “Schiene” ist eine “ausgewählte Vorgehensweise”. Das liegt doch ziemlich dicht beieinander, oder?
Das Anstreben der vorteilhaftesten Lage ist jedenfalls abhängig von der Startspielerposition. Wer hier mit dem ersten Wurf schon mal einen Stall voller Kamele einheimsen konnte, tut sich mit allen auswählbaren Vorgehensweisen leicht. Wer als letzter aber erst mal mit Einzelwürfeln auf Sack und Tonne starten muß, tut sich hart, hier eine blühende Karawanenstrategie hinzulegen.
Günther kam in den ersten beiden Runden durch gekonnte Würfel-Würfe zu seinem Hoist und brauchte sich dann nur noch um Souks zu kümmern. Dabei überließ er dann Sabina oft genug einen reichlichen Überfluß an Gold- und Kamel-Würfeln, mit denen sie erfolgreich ihre Weichen auf der Karawanenschiene stellen konnte. Aaron und Walter mußten zwar nicht direkt den Zusammenbruch ihrer strategischen Träume erleben, doch irgendwie waren die anderen immer einen winzigen Schritt voraus.
Günther konnte wieder einen Sieg in die Scheuer einfahren, doch es war knapp: das absolute Yspahan-Kücken Sabina landete, sehr zum Stolze ihres Erzeugers, nur wenige Punkte dahinter.
Sabina senkte mit ihren 8 guten Punkten den bisherigen WPG-Schnitt von 9,1 auf 9,0 Punkte.
3. “Bluff”
Ein Triumpf der Immer-4-Strategie. Aaron zweifelte frei nach Günther’s Manier von letzter Woche aus einem 2:4 Handicap heraus Walters Vorgabe von 1 mal die Vier an. Zum Glück kostete ihn das nur einen Würfel. (Oder haben wir da vor lauter Überraschung eine Trivial-Regel falsch angewendet? Hätte ihn das nicht gleich zwei Würfel kosten müssen?)
Günther stand mit 1:4 gegen Walter im Endspiel. Die obliatorische 1 mal die Vier-Vorgabe drehte er auf 1 mal die Fünf. Walter setzte auf 1 mal den Stern und Günther ging auf 2 mal die Fünf. Was weiß man jetzt von ihm? Sollte er nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Fünf haben? Walter hob auf 3 mal die Fünf und Günther ging in sich. Er hatte wirklich eine Fünf. Was hättet ihr jetzt an seiner Stelle gesetzt? Es gibt noch eine Chance zum Sieg, bzw. wenigstens zu einer Verkürzung auf 1:3!
Günther hob auf 2 mal den Stern. Nach seinen bisherigen Reaktionen war das ganz abwegig. Doch Walter hatte mit einem Stern und zwei Fünfen unter seinem Becher keine Schwierigkeiten, mit 4 mal die Fünf den Sack zu zumachen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.