In das Tagebuch von Moritz und Walter:
“Seht doch, wie unsere Seele [das Brettspiel,] dieses läppische Amüsement zu einer Haupt- und Staatsaktion aufbläht! Welche Leidenschaften treiben uns dabei nicht um: Verärgerung und Zorn, Ungeduld und Haß, sowie der unbändige Ehrgeiz zu gewinnen – in einer Sache, bei der es verzeihlicher wäre, wenn man ihn dareinsetze zu verlieren; denn in niedrigen Dingen sich besonders hervortun tun wollen steht einem Mann von Ehre schlecht an.”
Schon vor 450 Jahren schrieb das Michel de Montaigne, ein großer, aufgeklärter Nonkonformist.
Seine heutigen Nachfahren bringen das auf der Internetseite von “Tric-Trac” etwas vereinfacht auf die profane Formel:
[glowred]”L'important n'est pas de gagner, mais de partir pisser.”[/glowred]
1) “Notre Dame”
Es war eine lockere Runde. Peter schwärmte noch von dem neuesten Enkel aus dem Hause Thurn & Taxis, das er mit Autoren-Ehepaar Seyfarth bei Hans im Glück gespielt hat. Da stand er dann “Notre Dame” etwas reserviert gegenüber, soll hier doch die Interaktion etwas auf der Strecke bleiben. Doch die Spiele, das die meisten noch nicht kannten, bestimmte den heutigen Fahrplan.
Mit lockeren Gesprächen über Ehrengerichte und ihre seltsamen Urteile, über einen bestraften “Wixxer” und einen unbestraften “Hurensohn”, über Bestechungen im Großen und Freundschafts-Geschenke im Kleinen kam immer wieder der Spielfluß ins Stocken, so daß am Ende doch fast 2 Stunden verflossen waren, bis die Fünferrunde das Spiel über die Bühne gebracht hatte.
Die Spieler müssen ihre Ressourcen (Pöppel, Geld, Siegpunkt-Quellen, Reichweite) entwickeln und dürfen sich dabei keine Mangelerscheinungen an Pöppeln, Geld und Rattenbekämpfung leisten, sonst hemmt das den Fortschritt. Es gibt viele Wege zu Siegen, und das ist einer der Vorzüge vom Spiel. Schwerpunkte-Setzen heißt der Schlüssel zum Erfolg, und dabei ist die Richtung fast zweitrangig. Doch die teils zufällig gezogenen, teils von den Mitspielern zugeschusterte Aktionskarten haben einen erheblichen Einfluß auf den Weg, den man letztendlich einschlägt.
Für Peter waren im Mittelspiel die Einscheidungen zu einfach: “Ich bekomme drei Karten auf die Hand und sofort ist mir klar, welche davon ich weitergebe!” Bei ihm paart sich halt Handwerk mit Genie. Andere müssen erst das Spielende abwarten, bevor ihnen die Erleuchtung kommt, was sie demnächst besser machen werden. Und manchen brauchen noch länger.
In jedem Fall ist das Spiel eine sehr gelungene Mischung von Glück und Können: der Zufall bestimmt die Reihenfolge der Spielzüge, die jeder machen darf, doch die daraus folgende optimale Gesamt-Planung muß sich ein jeder selber zurechtlegen.
WPG-Wertung: Die hohen Noten des ersten Eindrucks konnten sich nicht halten. Aaron nahm einen Punkt zurück und Peter und Loredana waren mit je 6 Punkten noch knauseriger.
2. “Colosseum”
Während wir eifrig unsere Kärtchen ersteigerten, erhandelten und erklauten, um damit die großartigste Zirkus-Vorstellung mit den wildesten Löwen, den schärfsten Gladiatoren und goldkehligsten Heldentenören im größten Stadion der Welt auszustatten, was die Stimmung war schon leicht ins Dödeln geraten.
Günther nannte den Tempel konstant eine Brücke, das Gitter wurde nur zusammen mit seinem “Modern-Art”-Vornamen “Karl” unter die Leute gebracht und der Arena-Ausbau hieß “Schwanzverlängerung” nach einem ähnlichen Spielzug in “Evo”.
Während Aaron und Günther die feinen Unterschiede zwischen “Siegpunkten” und “Siechpunkten” klärten, versuchte Peter die geheimnisvollen Colosseum-Würfel zu entziffern: Weiße Römische Ziffern auf weißem Holz. Vielleicht war dem Kaiser Vespasian bei Finanzieren seines kolossalen Colosseums gerade der Purpur ausgegangen.
Diesmal paßte jeder auf, nicht in Führung zu geraten, weil man dann pro Runde an den Letzten ein Kärtchen abgeben muß. Oft verzichteten wir deshalb auf hohen Besuch und zogen es vor, die Adelsriege über fremde Arenen hinweg zu würfeln.
Peter mußte zur letzten U-Bahn, bevor wir gerade die Schlußrunde eingeläutet hatten. Aber er war Startspieler und hatte seine Manege schon zielgerichtet verlängert und eine geile Künstlertruppe zusammengestellt, so daß das Spiel auch ohne sein persönliches Eingreifen beendet werden konnte. Loredana als Letzte in der Zugreihenfolge überreichte uns noch ihre Abschlußwürfel mit der Direktive, damit optimal umzugehen, dann zischten beide ab.
Günther legte ihr in absentia freiwillig einen Kaiser ins Nest – damit sich Walter nicht daran vergreifen konnte – und verhalf ihr damit zum sicheren Sieg. Sogar auf den Kaiser hätte sie verzichten können (, wenn er dabei nur nicht in die falschen Hände geraten wäre). Peter führte die Punktwertung nur bis zu seinem virtuellen Zug an, dann wurde er von einem nach dem anderen noch überholt.
“L'important n'est pas de jouer, mais de partir a metro.”
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 8, Loredana: 8, Peter: 7, Walter: 8, Wolfgang: 9
3. “Bluff”
Nein, diesmal kein “Bluff” mehr mit echten Würfeln. Als Peter und Loredana schon in der U-Bahn saßen und Aaron bereits von seiner morgigen Telefonkonferenz mit Finnland träumte, saßen Günther und Walter noch zusammen und diskutierten die Alternativen von Wahrheit und Lüge für die A1-Strategie des Anfangsspielers im 1:1 Enspiel und vor allem die optimale, universelle B1-Gegenstrategie. Die größte Herausforderung für B ist beim heutigen Stand der Analyse ein ganz kluger Konter gegen die verschiedensten Immer-1-Varianten von A.
Vielleicht kommt hier doch noch mal ein WPG-Artikel zustande.