Schnell noch vor Essen hat uns der kleine tschechische Spieleverlag Czech Games Edition mit zwei Spielen eingedeckt, die wir ausprobieren und bewerten sollten. Peter ist gegenüber solchen Muß-Spielen äußerst skeptisch, er fürchtet, daß wir uns dann allein aus Verpflichtung gegenüber Autor und Verlag stundenlang durch ein Spiel quälen, das keinem mehr gefällt.
Seine letzte einschlägige Erfahrung liegt ziemlich genau 5 Jahre zurück. Damals fühlten wir uns aus Rücksicht vor dem freundlichen Mike Lasher gemüßigt, mehrere Abende mit seinem “Globopolis” zu verbringen, einem Spiel das in seinem Regelwerk auf halbem Wege stehen geblieben ist.
Als Alternative schlug Peter schon im Vorfeld ein “Manila” vor. Der besondere Grund: dessen Autor Dr. Franz-Benno Delonge, Autor auch von vielen anderen gelungenen Spielen, ist vorgestern in München zu Grabe getragen worden. Aus Pietät vor dem Meister sollte nochmal sein Werk aufgelegt werden.
In unserer üblichen Rundum-Koordination per EMail einigten wir uns auf ein Sowohl-als-Auch. Die tschechischen Spiele zu Beginn und nur solange sie uns gefallen, und hinterher den Delonge, als sichere Krönung des Abends. Nach den angegebenen offiziellen Spielzeiten sollte es für alle Spiele reichen. Meine Ungarin würde dazu sagen: “A kecske is jól lakott és a káposzta is megmaradt”.
1. “Galaxy Trucker”
Aaron und Walter hatten die Spielregeln aus dem Internet heruntergeladen und sich einverleibt. Walter erhielt von Peter das übliche Redeverbot; seine Rolle als Partner-Echo mit strategischen Zwischenrufen stößt bei den Linearkonsumenten auf keine Gegenliebe. Aaron durfte alleine das Regelwerk vortragen, von Peter mit Zwischenrufen wie “nett” oder “toller Mechanismus” unterbrochen.
Die Spieler bauen sich Raumschiffe und gondeln damit durch die Galaxis. Unterwegs laden sie Waren auf, die sie am Ziel für bare Siegpunkte verscherbeln. Auf ihrer intergalatischen Reise fahren sie durch Meteoritenschwärme, die Bauteile aus dem Raumschiff herausschlagen; sie müssen Kämpfe gegen Weltraumpiraten bestehen, und diese entweder besiegen oder die eigene Besatzung in die Sklaverei geben. Wer nach drei Runden die ertragreichsten und verlustärmsten Weltraumtransporte durchgeführt hat, ist Sieger.
Die Raumschiffe werden aus Einzelstücken (Plättchen) zusammengestellt, die verdeckt auf dem Tisch liegen. Es gibt Kanonen zum Abwehren von Meteoriten und Piraten, Laderäume zum Aufnehmen von Waren, Motoren zur Vorwärtsbewegung, Mannschaftsräume zum Aufnehmen der Weltraumpiloten, Batterien zum Antreiben von Sonderaggregaten und ähnliche Bauteile. Die Bauteile liegen zunächst verdeckt auf den Tisch. Alle Spieler langen gleichzeitig zu, nehmen ein Bauplättchen auf, probieren, ob es in ihren Bauplan paßt und legen es bei Nichtgefallen offen auf den gemeinsamen Haufen zurück.
Als wir in der Vorbereitung diese Regel gelesen hatten, haben wie befürchtet, das diese Phase bei uns in ein Chaos ausarten könnte. Jeder drängt sich vor, jeder greift gierig und rücksichtslos zu den besten Stücken auf dem Tisch und haut dem Konkurrenten auf die Finger; am Ende haben wir alle blutende Finger und die Bauteile sind verbogen. War aber nicht so. Ganz diszipliniert griffen die Spieler zu, prüften die Paßbarkeit und legten die Teile wieder zurück. Da man das Vorgehen der einzelnen Spieler ohnehin nicht kontrollieren kann (oder will), sollte hier sogar mehr Freiheit geboten werden. Jeder sollte die Teile zu seinem Raumschiff an beliebiger Stelle ablegen und die Teile auf seinem Bauplan beliebig verschieben dürfen. Zuviel eingeheimste und nicht-passende Teile werden am Ende ohnehin bestraft.
Jedenfalls verlief die Bauphase in allen Runden sehr konstruktiv und friedlich. Was man von der anschließenden Transportphase nicht sagen kann. Da waren aber nicht die Mitspieler die bösen Buben, sondern die Spielregeln, die uns Meteoriten und Piraten nur so in Kontor hageln ließen. Man muß verinnerlicht haben, daß nur ein Bruchteil des Raumschiffes und nur ein Bruchteil der Ladung sein Ziel erreichen wird, dann kann man die unausweichlichen Verluste viel leichter ertragen.
Natürlich wäre es vielleicht spiel-psychologisch erfreulicher, wenn man beim Transport immer reicher würde. In “Galaxy Trucker” wird man immer ärmer: man verliert durch Beschädigung, Verbrauch oder Kampf immer mehr von seinen Leuten, seinen Kanonen, Motoren, Schutzschilden oder Energiervorräten und darf froh über jedes Überbleibsel sein, das man am Ziel in Siegpunkte verwandeln kann.
Doch das Spiel funktioniert. Es ist eine gelungene Mischung aus gekonnter Bau-Kombinatorik unter Zeitdruck mit anschließender Bewährung gegenüber zufallsgesteuerten Belastungsproben. Sehr positiv fällt auf, daß es keinerlei Totzeiten gibt, wo man das Ende der Denkprozesse von Mitspielern abwarten muß. Gebaut wird gleichzeitig und die Schicksalsschläge treffen so zielgerichtet und unbarmherzig ein, daß keiner überlegen muß, wie er sich dagegen wehrt. Er kann es nicht!
Peter fand noch die geistige Verwandtschaft mit “Sternschiff Catan” und “Ubongo”. Doch die jetzt angebotene Mischung ist in der Summe sehr viel besser.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Loredana: 7, Peter: 7 (leicht gezögert), Walter: 7
Aaron schreibt eine Rezension
2. “Sechststädtebund”
Das wäre das zweite Spiel der Czech Games Edition gewesen. Doch es war schon 23 Uhr: 1 Stunde Erklärung und 2 Stunden Spiel und Diskussion im Weltraum waren vergangen. Mit Aarons Feststellung: “Das zweite ist auch nur ein 1 Stunden Spiel” waren die Tschechen und war auch Herr Delonge vom Tisch. (Verzeiht mir die despektierlicher Formulierung!) Anmerkung für die Ungarn: Die Ziege ist zwar satt geworden, aber der Kohlkopf ist dabei darauf gegangen.
Jetzt ging es nur noch darum, einen gut angefangenen Spielabend auch gut abzurunden.
3. “Tichu”
Eines von Peters Lieblings-Kartenspielen. Beim Einführen von Neulingen (diesmal war das Aaron) erzählt er immer die Story, wie er es zum ersten Mal im Spiellokal der Münchener Spuiratzn spielte und sein Adrenalinspiegel den ganzen Abend lang durch den ständig wiederkehrenden Aufschrei “Bombe” (eine besondere potente Kartenkombination) in die Höhe geschnellt wurde.
Nach Peter Ansicht ist dieser berühmte Münchener Spielclub ohnehin nur ein verkappter “Tichu-Verein mit angeschlossener Brettspiel-Abteilung”. Günther darf dementieren, wenn er aus seinem Urlaub zurück ist.
WPG-Wertung: Aaron war von “Tichu” nicht hingerissen, durfte aber keine Erste-Eindrucksnote vergeben um den den WPG-Durchschnitt von guten 8,3 Punkten nicht zu gefährden.
4. “Bluff”
Peter war mit 2 Würfeln im Endspiel gegen Aarons und Walters je einen Würfel. Er hatte eine Zwei und eine Drei unter dem Würfelbecher. Was sollte er vorgeben?
1 mal die Eins? Das verschiebt sein Problem nur auf sein nächstes Gebot.
1 mal die Zwei oder 1 mal die Drei? Dann hat er bei seinem nächsten Gebot ebenfalls keine Chance mehr.
Er packte den Stier bei den Hörnern und bot 1 mal die Fünf. Aaron hatte keine Fünf unter seinem Becher und zweifelte an. Peter deckte seine Luschen auf, die Spannung stieg, doch Walter hatte eine tragische Fünf geworfen! Nach der Standard-Non-Warumduscher-Regel waren die beiden Armhälse ausgeschieden. Peter pochte darauf, diese seine grandiose Bluff-Leistung morgen im Spielbericht zu lesen!
Doch dann darf ich auch vom nächsten Spiel berichten:
Aaron gab mit drei Würfeln 3 mal die Vier vor. Walter hatte unser seinen beiden Würfeln auch eine Vier und erhöhte auf 4 mal die Vier. Peter hatte mit drei Würfeln eine Zwei, eine Drei und eine Fünf. Absolut uncool ging er auf 4 mal die Fünf. Das kostete ihn alle seine restlichen Würfel, denn seine Fünf war die einzige unter den acht Würfeln des Endspiels. Den Rest konnte Aaron für sich entscheiden.
Wo ist hier eigentlich die Loredana geblieben? Sie hatte jedesmal bereits beim Vorspiel alles hingeben müssen!