Unsere Spielabende dauern in der Regel bis gegen 1 Uhr Nachts. Dann setze ich mich an meinen Computer und schreibe noch schnell das Session-Tagebuch. Damit die Eindrücke des gemeinsamen Spielens ganz frisch und ungefiltert festgehalten werden. Und wenn die anderen morgens aufstehen, können sie gleich lesen, wie der letzte Abend verlaufen ist.
Gestern hat mein Computer den Geist aufgegeben. Ventilator oder Graphikkarte oder Netzteil. Jedenfalls wurde der Bildschirm schlagartig schwarz und auf keinen Knopfdruck wollte der Aparillo noch mal eine Lebenszeichen von sich geben.
In einem modernen Haushalt hat natürlich jedes Familienmitglied einen eigenen Rechner. Glücklicherweise kann ich jetzt auf dem Rechner meiner Frau meine nächtlichen Schreiberein erledigen. Sie liegt um diese Zeit ja schon längst im Bett und schläft den Schlaf der Gerechten. Vorsorglich habe ich die beste aller Ehefrauen auf meine Situation aufmerksam gemacht und ihr mitgeteilt, daß ich heute auf ihrem Rechner schreiben werde.
Jetzt ist der Spielabend vorbei. 1 Uhr ist auch längst vorbei. Aber was macht meine Beste? Sie sitzt vor ihrem Rechner und macht Datensicherung! Ihr Computer könnte ja auch mal den Geist aufgeben. Es wurde höchste Zeit!
1. “Sechsstädtebund”
Das Spiel wird erst nächsten Monat in Essen der Welt vorgestellt, aber die Proberunden haben uns so gut gefallen, daß wir das Hauptprogramm von letzter Woche gleich einem erweiterten Teilnehmerkreis vorstellen wollten.
Die Spielmechanisman sind unbestritten vorzüglich. Die Spieler bieten um die beste Stadt, suchen sich dort das optimale Angebot an Waren, Geld oder Pferden aus und machen damit Siegpunkte.
Das geilste Regel-Element ist der Verdrängungswettbewerb in den Städten. Jeder Spieler geht zu einer beliebigen Stadt auf dem Spielbrett. Ist die Zielstadt noch unbesetzt, so platziert man sich dort und fertig ist der Zug. Steht dort aber bereits ein Spieler, so muß man ihm Geld bezahlen, wenn man ihn von dort verdrängen will. Der Platzhirsch kann aber auf seiner Stadt beharren und dort bleiben wollen; dann muß er seinerseits dem Bedränger Geld anbieten, damit dieser weiterzieht. Diese Geldangebote können beliebig wiederholt werden, sie nehmen immer höhere Werte an, bis einem Spieler die Luft oder die Lust ausgeht. Er streicht dann die Verdrängungsprämie ein und kann sein Glück beim nächsten Mitspieler versuchen. Die gebotenen Geldsummen gehen also nicht an die Bank, sondern bleiben unter den Spielern.
Die Bewegungen von Stadt zu Stadt kosten ebenfalls Geld, so daß der Verdrängte von der gerade eingeheimsten Prämie gleich wieder etwas ausgeben muß. Diesmal muß man aber an die Bank zahlen. So werden die liquiden Mittel immer weniger und irgendwann gibt ein jeder Ruhe und benügt sich mit der Stadt, die seiner finanziellen Potenz entspricht.
Im “Sechsstädtbund” heißt das Geld “Knappen”. Damit soll ein mittelalterliches Kolorit hineingebracht werden, obwohl richtige Münzen hier sicherlich funktioneller wären. Aaron führte bei seiner Regelerklärung dieses Zahlungsmittel ganz im Sinne seiner Anwendung mit “Geh-Punkte” ein. Hier hakte Moritz sofort ein und fragte: “G-Punkte?”
Birgit wollte noch wissen, woher man die bekommt, doch Aaron ersparte es sich, ihr zu sagen, daß diese zur Grundausstattung gehören.
WPG-Wertung: Aaron bleibt bei seinen 8 Punkte, Birgit und Moritz vergaben je 7, und Walter machte aus seinem 7 Minus ein 7 Plus.
Aaron hat schon eine Rezension schreiben.
2. “Manila”
In memoriam von Franz-Benno Delonge legten wir nach langer Zeit mal wieder sein “Manila” auf. Aaron hatte das Spiel mitgebracht, obwohl er es gar nicht mehr so gut findet wie früher. Er konnte gar nicht verstehen, was Peter hieran so gut gefällt. Dabei hat Peter es noch gar nicht gespielt, sondern leidet hier immer noch unter dem weißen Fleck auf seinem Spieleglobus.
Walter kämpfte in alter Gewohnheit um den Hafenmeister. In der ersten Runde konnte er ihn schon für 11 Rupien ersteigern, und die Preise zogen nur langsam an. Aaron bekam dadurch oft genug die undankbare Position des Letzten in der Zugreihenfolge. Zuerst stachelte er seine Mitspieler auf, die Hafenmeisterrolle doch nicht so billig herzuschenken, dann verlegte er sich aufs Lamentieren über seine unglückliche Sitzposition. Schließlich gingen die Preise in die Höhe, und es wurden auch schon mal stolze 36 Rupien für diese Rolle hingeblättert.
Am Ende gewann aber nicht Walter, der am häufigsten den Hafenmeister gespielt hatte (und sogar als Pirat zweimal erfolgreich war), auch nicht Moritz, der den Hafenmeister am teuersten ersteigert hatte (das war ja eher seine Tragik), sondern an – AARON!
Doch der Sieg konnte seine Vorbehalte nicht ausräumen. Während sich Birgit mit 8 Punkten im guten WPG-Durchschnitt positionierte, trotzte Aaron: “Ich gebe ihm nur noch Sex”. Oder war das etwa kein Trotz?
3. “Feuerteufel”
Die Kontroverse um den Charakter dieses Spiels ist entschieden: Allen Unkenrufen zum Trotz ist es nur zu 20 Prozent ein Glücksspiel, aber zu 80 Prozent ein Spiel, in dem der Beste und Erfahrenste gewinnt.
Birgit wurde als Neuling gleich mal mit der Loser-Rolle bedacht. Sie behielt auch wirklich im ersten Spiel den Teufelsstich, schaffte es aber bereits im zweiten Spiel auf Plus-Minus 0 Punkte und hatte nach dem dritten Spiel bereits den Anschluß an das Hauptfeld gefunden.
Als Spielende hatten wir ein niedriges Absacker-Limit von 100 Punkten festgesetzt. Nach 5 Spielen war Moritz der sichere Sieger, doch Birgit hatte sich auf den zweiten Platz vorgearbeitet und die Experten Aaron und Walter weit hinter sich gelassen.
Ist der Flaschenteufel doch nur ein Glücksspiel? Was ist die Alternative zu dieser Schlußfolgerung? – Birgit ist eine geniale Spielerin! Ganz einfach, oder?
WPG-Wertung: Aaron: 8 (ein Punkt mehr), Birgit: 8, Moritz: 9 (zwei Punkte mehr!), Walter: 8 (ein Punkt mehr)
Walter hat schon eine Rezension geschrieben.