Aarons war jetzt erstmals als Spieleerfinder auf der Spielemesse in Nürnberg. Seine Erkenntnis:
“Spieleautoren hatten es schon immer schwer, mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen. Zu viele Spielideen treffen auf zu wenige Verlage in einem gesättigten Markt. Leider verschlechtert sich die Situation zusätzlich, denn in den großen Verlagen gibt es in den oberen Etagen immer weniger Leute, die aus der Spieleszene kommen und immer mehr “Jungspunde”, die reine Manager sind. Noch dazu gibt es leider genug Autoren, die auch noch die schlechtesten Verträge unterschreiben, nur damit ihr Spiel überhaupt veröffentlicht wird.”
Moritz konstatierte eine entsprechende Tendenz auch in der Musik:
„Ja, auch in der Musikszene gibt es Leute, die für einen Appel und einen Ei (oder umsonst) Musik für Ensembles und Orchester schreiben, nur damit sie überhaupt aufgeführt werden. Es gilt aber auch bei uns [Musikschaffenden] das Gesetz, dass die, die sich nicht anbiedern und Geld verlangen, eher als begehrt gelten, das ist dann meistens die bessere Taktik.“
1. “Pandora und Titania”
Mit Pandora verknüpfen Freunde der griechischen Mythologie gewöhnlich eine Frau, aus deren Dose allerlei böse Plagen auf uns Menschen herausgekommen sind. Titania hingegen ist für Schöngeister die verwirrte Ehefrau des Elfenkönigs Oberon, für unpathetische Naturwissenschaftler ein chemisches Element, für pathetische Radfahrer das Leichtmetall, aus dem die geilsten Fahrradrahmen der Welt hergestellt werden, und für Brettspieler der dreijährige Sprössling von Rüdiger Dorn, erschienen bei Hans-im-Glück.
Der Doppelname dieser beiden Frauengestalten (bzw. Frauen & Metall-Gestalten) ist der Arbeitstitel von Bernd Eisensteins neuester Schöpfung, das er in diesem Jahr auf seinem Stand in Essen seinem Spielensemble von „Peloponnes“, „Pergamemnon“, „Pax“ und „Porto Carthago“ hinzufügen will. (Hallo Bernd, liegt in der konsequenten Verwendung des Anfangsbuchstabens „P“ eine Methode?) Wir am Westpark durften einen schon recht weit gediehenen Prototyp unter die Lupe nehmen.
In einem Workerplacement-Spiel lassen wir unsere Gefolgsleute auf zehn verschiedenen Aktionsfeldern des Spielbretts werkeln. Zwei grundsätzlich verschiedene Schienen werden angeboten. Auf der friedlichen Schiene erwerben wir Waren, verscherbeln sie an Händler oder Reeder und machen damit Siegpunkte. Auf der kriegerischen Schiene schwängern wir unsere Mannschaft mit Siegpunkt-Embryos, und schicken sie mit einem reichlichen Vorrat an Titanium (was immer das ist, im Plural heißt es wohl „Titania“) in den Geschlechterkampf. Mit Titanium lassen sich auch Pandoras Plagen, die wir gezielt oder frivol über die Menschheit hereinbrechen lassen, heil überstehen, ja sogar in Siegpunkte ummünzen.
Unabdingbar ist die Stärkung unserer Leute für den Konkurrenzkampf durch Brot und Muckies.
Walter hatte sich gut vorbereitet und durfte eine Stunde lang in den Spielablauf einführen. Die vielen verschiedenartigen, vielleicht sogar gewöhnungsbedürftigen, Spielelemente, ihre Sinnhaftigkeit und gegenseitigen Abhängigkeiten machen es nicht kürzer. Gut zwei Stunden lang verlustifizierten wir uns damit, Pandora und Titania unterzukriegen. Es war ein kurzweiliges Vergnügen, auch wenn am Ende mit Bedauern festgestellt wurde, dass die Mengen an Titan, die jeder auf seiner Seite angescheffelt hatte, keinen Pfifferling mehr wert waren.
WPG-Wertung (prophylaktisch für ein noch reifendes Spiel): Günther: 7 (wenn die Kampf-Mechanismen noch befriedigend geklärt werden), Horst: 6 (die Auswirkungen der Kämpfe – selbst wenn der Mechanismus funktioniert – sind zu krass), Melanie: 5 (die „Pandora“ ist ein unbefriedigendes Element), Walter: 7 (Vorschußlorbeeren bezüglich letzter Klärungen).
2. “El Paso”
In einem hübschen kleinen Würfel-Zockerspiel sind wir Banditen und plündern Wild-West-Städte von Abilene bis El Paso. Plündern heißt: Jeder spielt eine Karte für das Objekt seiner Begierde aus, sei es in Bank, Saloon, Goldmine, Rinderweide, Hotel oder Pferdekoppel. Erbeutet wird, solange der Vorrat reicht. Dann würfeln wir – zu Beginn mit fünf, später mit immer weniger Würfeln – darum, ob Rinderweide und Saloon überhaupt betreten werden dürfen, und ob nicht Sheriffs auftauchen, vor denen wir rechtzeitig geflohen sein sollten.
Wenn auch der letzte Würfel einen Sheriff zeigt, muss eine Stadt geräumt sein. Wer das versäumt hat, muss seine komplette bis dahin gemachte Beute stehen und liegen lassen und mit leeren Händen in die nächste Stadt ziehen.
Solange die Sheriffs nicht zugeschlagen haben, darf jeder seine Beutestücke in Goldnuggets (sprich: Siegpunkte) umtauschen und / oder eine bestimmte Anzahl davon mit in die nächste Stadt nehmen. Die Umtauschrate steigt von Ort zu Ort, allerdings sind die Taschen sehr klein: wer als erster eine Stadt verläßt, kann nur ein einziges Beutestück mitnehmen, der zweite kann zwei mitnehmen, und so weiter.
Das Zocken besteht also darin, in einer Stadt solange auszuharren, bis der Erwartungswert für zusätzliche Beute und dem Verlust der gesamten Beute kleiner als Null ist. Wer nichts zu verlieren hat, der bleibt. Wer ohnehin Letzter ist, oder wer Zweiter ist und unbedingt noch Erster werden will (und kann), der bleibt auch. Schnell und schmerzlos.
WPG-Wertung: Günther: 5, Horst: 6 (Der Spannungsbogen ist nicht so groß wie erwartet), Melanie: 6 (macht Spaß, ist locker und gibt Raum für ein bißchen taktische Überlegungen, Abstriche für das Design: die Bonus- und Malus-Kategorien in den verschiedenen Städten sind nur schwer zu erkennen), Walter: 6 (stimmiges Würfelspiel, doch die Steigerung der Siegpunkt-Ausbeute in der letzten Stadt ist selbst für ein Zockerspiel zu krass.)
3. “Bluff”
Aufgrund des dringenden Bedürfnisses unseres charmanten Gastes Melanie erfanden wir eine weibliche Bluff-Variante: Man darf die Würfel-Vorgaben des Vorgängers beliebig erhöhen oder ERNIEDRIGEN.
Günther brachte ein weiteres Regelkuriosum zur Diskussion: Darf der Startspieler einige Würfel rauslegen und nachwürfeln, bevor er seinen allerersten Tip abgibt? Mir kommt das vor wie die Erweiterung der natürlichen Zahlen bis zur Null. Für einen Mathematiker ist das eine triviale natürliche Extrapolation, Pythagoras hätte sich der Magen umgedreht.
WPG-Wertung: Unsere super Bluff-Noten verwässerte Melanie mit einer 7.
Zu den Bluff-Varianten:
Man darf erhöhen und erniedrigen: damit verliert das Spiel seine gesamte Spannung und wird gleichzeitig endlos (wenn ich mich nicht traue zu erhöhen, erniedrige ich eben). Oder hast Du da ein wesentliches Detail dieser variante vergessen?
Startspieler darf rauslegen und nachwürfeln: solange der Startspieler seinen Tipp abgibt, bevor er das nachgewürfelte Ergebnis anschaut, sehe ich da kein Problem und sehe das sogar als erlaubte Regel bei unserer jetzigen Spielweise gesehen. Aber es wäre ein Witz, wenn man sich vor dem Tippabgeben noch den nachgewürfelten Wurf anschauen darf. Und dann stellt sich gleich die Frage: wieso darf das dann nur der Startspieler?
Erniedrigen: Glaubst Du immer noch an die Logik des Weibes?
Humor ist, wenn man trotzdem lacht!