Aus einer französischen Spieleseite:
A vaincre sans péril, on triomphe sans gloire. (Ein Sieg ohne Gefahr ist ein Triumpf ohne Glanz.)
1. “Bora Bora”
Bora Bora gilt als die schönste Insel der Welt. Der (Session-Report-) Autor war schon da und hat dort bei einem Abendessen auf der Klippe den schönsten Sonnenuntergang seines Lebens genossen. Außerdem mit einer „magyar banda“ ein gelungen aufgemotzes touristisches Gourmet-Event in Marlon Brandos Lieblingsrestaurant. Und Du (entschuldige das Duzen), lieber Stefan Feld, was hast Du auf Bora Bora erlebt? Oder warst Du nur mit dem Finger auf der Landkarte dort?
Sein „Bora Bora“ verteilt sich gleich auf fünf Inseln, auf denen wir unsere Hütten errichten und dafür irdisches Baumaterial oder göttliches Manna bekommen. Ist es im richtigen Leben nicht umgekehrt? Wir heuern eingeborene Männer und Frauen an und nehmen deren Dienstleistungen in vielerlei Formen in Anspruch: von Tätowierungen über Transportservice bis hin zu ihrem multiplen Muschi-Angebot.
Eine gigantische Menge Spielmaterial fällt über uns her. Eine Überschlagsrechung in Excel liefert 445 Einzelteile, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, Sand, Steine und Holz, Männer, Frauen und Priester, Aufgaben und Aktionen, Hauptgötter, Untergötter und Opfergaben, und noch vieles mehr.
Alles steht in einer vorzüglich konzipierten Abhängigkeit zueinander. Männer bringen Frauen, Frauen bringen uns hinüber und die Götter geben nach Empfang der obligatorischen Opfergaben den Segen dazu.
Mit Würfeln fängt es an. Drei Stück davon hat jeder. Hohe Würfel tragen hohe Früchte, kleine Würfel tragen kleine Früchte; dafür dürfen sich die Kleinen auch noch in Nischen drängen, wenn für die Großen schon kein Platz mehr frei ist. Doch mit Hilfe der Götter können sich auch große Würfel in die Nischen drängen und kleine Würfel die hohen Früchte erlangen. Es gibt keine harten Barrieren, keine unüberwindlichen Engpässe, nicht nur die Götter machen es möglich. Bayrisch ausgedrückt: „A bisserl wos geht ollawei“.
Reichlich sprudeln die Siegpunkt-Quellen. Anschwellend und abschwellend je Phasenkonzept des (Spiele-)Autors. Sie finden sich in den vielfältigen Aufgabenstellungen (zum Sammeln von Göttern, Gräbern und Gelehrten), beim Bauen, beim Priestern, beim Schmuckeln, beim Fischeln und beim Statusschritteln. Verbesserte und additive Quellen liefern bessere Männer, Frauen und Götter.
Alles ist perfekt designed, alles läuft rund. Im Schweiße seines Angesichts hat Stefan Feld sicherlich viele Monate, wenn nicht Jahre, gehobelt und geschliffen, damit die Spieler nicht mehr über Ecken und Kanten stolpern. Sie selber brauchen beim Spielen, beim Planen und Werkeln, keinen Schweiß mehr zu vergießen. Obwohl das nicht geschadet hätte. Welcher Freak fühlt sich schon wohl, wenn er keine echte Herausforderung zu bestehen hat. Und vor allem, wenn er in einem mehrstündigen Planspiel seinen Gegnern nicht an den Wagen fahren kann. Interaktion wird klein geschrieben. Konstruktive Solos mit marginaler Konkurrenz bestimmen das Spiel. Bora et labora! Mit großem „Bora“ und kleinem „labora“.
Der Zufall hat ebenfalls seine wohlverdiente Dosis zugeteilt bekommen. Die Würfel bestimmen immerhin Qualität und Quantität der erlaubten Züge. Und die angebotene Auswahl an Männlein und Weiblein, an Aufgaben und Schmuck trägt einen erheblichen Teil an zufälliger Punkteausbeute bei. Zudem gibt es Siegpunkt-Prämien, die a priori nicht zu erfüllen sind, beispielsweise die Sonderprämie für die maximal sechs möglichen Schmuckstücke, wenn mangels Masse schon in der ersten Runde kein Schmuckstück erworben werden konnte. Ein bißchen Toleranz hätte hier etwas mehr Freude aufkommen lassen.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (elendes Rumgewürge ohne Spannungsbogen, das Thema ist nur übergestülpt, weniger wäre mehr gewesen), Günther: 5 (schöne karibische Farben [AbN: „Bora Bora liegt nicht in der Karibik!“, lockere Siegpunkt-Sammlung, keine Steigerung, kein dynamischer Aufbau], Walter: 5 (für den Schweiß des Spielers; für den Schweiß des Autor während seiner Spielentwicklung gibt es 10 Punkte; aber diese werden hier leider nicht extra ausgewiesen.)
2. “Yunnan”
Leicht schüchtern fragte Aaron nach, ob er sein Yunnan nochmals auf den Tisch bringen dürfe. Der Verlag hat im Feinschliff noch diesen oder jenen Splitter gefunden, mal sehen, wie das in einer Dreierrunde ankommen könnte. Keine Frage, dass Aarons schüchteres Ansinnen sofort auf fruchtbaren Boden fiel. Auch für alte Hasen ist die rasante Entwicklung in Yunnan immer wieder eine geistig-spielerische Herausforderung. Mit welchen Entwicklungsschritten kann man sich in die entscheidende Position manövrieren, um dann möglichst unvermutet loszulegen und für den Endspurt einen verteidigbaren Vorsprung herauszuarbeiten.
Günther investierte als Startspieler in Tempel und Kontore. Doppelt gemoppelt. Nach drei (von fünf) Runden hatte er sich hoffnungslos ins Abseits manövriert. Spricht das jetzt gegen die geistige Herausforderung von Yunnan. Nein, es spricht nur dafür, dass die Balance in einer Vierrrunde und nach den Regeln von gestern nicht identisch ist zur Balance in einer Dreierrunde mit den Regeln von morgen. Günther hatte schlichtweg auf das gestrige Pferd gesetzt.
Walter legte sich in der ersten Runde einen Händler zu, sorgte in den folgenden Runden dafür, dass dieser sich auch vor den Fäusten seiner Gegner nicht mehr zu fürchten brauchte, und begann ab der dritten Runde, konsequent seine Einnahmen in Siegpunkte zu verwandeln, so dass die Mitspieler unter Druck gerieten und mehr oder weniger fluchtartig die Ausbildung ihrer Pferdejungen in den Wind schreiben mußten.
Aaron war’s zufrieden. Argentum darf es auch sein. Die Dreierrunde hat gegenüber eine Vierrunde noch den psychologischen Vorteil, dass es für jedes böse Verdrängen auf den verschiedenen Entwicklungsachsen immer noch ein Trostpflästerchen gibt. Bayrisch ausgedrückt: „Oans geht oiwei no“.
Hinterher diskutierten wir noch ausgiebig die Möglichkeiten für Yunnan als Zwei-Personen-Spiel. Auch dafür gibt es sehr erfolgsversprechende Ansätze. Doch wahrscheinlich kommt das erst in der ersten oder zweiten Expansion.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.