Zum ersten Mal in diesem Jahr konnten wir den Spielabend draußen auf der Terrasse am Westpark abhalten. Ein laues Sommerlüftchen lockte ins Freie und das Wetterleuchten in ungefährdender Entfernung bot die ideale Hintergrundkulisse.
Auch ohne seinen Pelzmantel hätte Peter problemlos die Stunden bis Mitternacht ausgehalten. Allerdings hatte er sich in noch wärmere Gefilde zurückgezogen. Wie heiß es zwischen Europa und Afrika wirklich hergegangen ist, wird er uns das nächste Mal persönlich erzählen. Wenn es nicht mehr jugendfrei ist, wird schlupp! die Sache zugemacht!
1. “Peloponnes”
Bernd Eisenstein (“Maya”) arbeitet an einem neuen Spiel, das er bis Essen 2009 herausbringen will. Uns hat er jetzt einen Prototypen zum Ausprobieren geschickt. Es ist ein anspruchsvolles Spiel, das gerade in Vielspieler-Reihen gut ankommen sollte.
Walter hatte sich in die Spielregeln eingearbeitet. Allein deshalb durfte er heute die Regeln erklären. Sein didaktisches Geschick wird ja sonst nur außerhalb der eigenen vier Wände anerkannt. Im eigenen Lande gilt der Prophet nix. Kritisch wurde jedes Regeldetail abgeklopft. Schon mitten in seinem Vortrag wanderte die Spielregel von Hand zu Hand, um zu verifizieren, was er da mit sicheren, klaren Sätzen zum Besten gab. Niemals wurden schon im Vorfeld die möglichen Gewinnstrategien so ausgiebig diskutiert wie heute. Eigentlich wünsche ich mir solche Einleitungen bei allen neuen Spielen, aber offensichtlich kann das nur für Prototypen gehandhabt werden, weil dann jeder noch heimlich dem Autor etwas am Zeug flicken zu können vermeint. Doch “Peloponnes” hat schon einen sehr ausgereiften Zustand, die Mechanismen sind gut aufeinander abgestimmt und das Regelwerk ist bereits wasserdicht formuliert. Wenn wir bei der Erarbeitung von “1830” genauso gründlich vorgegangen wären, dann hätten wir wahrscheinlich einen ganzen Abend opfern müssen, um die Entfaltung der Gesellschaften und ihrer Strecken entsprechend ausführlich darzulegen. Bei “Peloponnes” waren wir in einer guten Stunde durch.
Die Spieler repräsentieren archaische Zivilisationen auf der griechischen Halbinsel und müssen ihren Marktwert gegen die unvermeidlichen Naturkatastrophen vorwärts bringen. Es geht um Rohstoffe, Geld und Bevölkerung. Die einzelnen Vorwärtsschritte erfolgen mittels offen ausliegender Plättchen, die von den Spielern ersteigert werden. Auktionen sind ja grundsätzlich kein neuartiges Spielelement, hier aber erhalten sie einiges pfiffige Beiwerk. Warum sollte man für ein Objekt mehr bieten als unbedingt notwendig? In “Peloponnes” gibt es gewichtige Gründe dafür. Nicht nur denjenigen, daß der Bieter mit dem höchsten Gebot als erstes ziehen darf! Aaron fluchte in den ersten Runden auch noch aus einem anderen Grund und nannte in regelmäßigen Abständen alle seine Mitspieler reihum mit dem bekannten Wort aus 4 oder 5 Buchstaben! Ich habe mich extra vergewissert, daß mich meine Ohren nicht getäuscht haben und daß ich es hier protokollieren darf:”X [X = “Günther” | “Hans” | “Walter”, Du bist ein Arsch!” kam bei jeder Bietaktion über seine Lippen, weil er seine reichlich vorhandenen Kröten geizig im Beutel verwahrte hatte, statt sich gemäß dem Prinzip “keep fully invested” bei den Objekten seiner Begierde zu engagieren. Doch mit diesen selbst im Bayernland anfechtbaren Ausdruck war unsere Stimmung keinesfalls gekennzeichnet. Günther flocht hier seine Lebenserfahrung ein: “Einer ist immer der Arsch!”
Die in zufälligen, aber kalkulierbaren Abständen hereinbrechenden Katastrophen lösten natürlich keine überschäumenden Begeisterungsstürme aus. Doch auf der Peloponnes lernt man hier schnell den Sokratesschen Gleichmut zu bewahren. Und als Günther verzweifelt fragte: „Wie werde ich meine Leute los“, tröstete ihn Hans mit der Hoffnung auf die Pest. Am Ende fühlte sich jeder im Katastrophenchaos erst richtig wohl.
Dafür gab es Heulen und Zähneklappern, als einige Spieler schon vor den letzten Runden ihr Geld leichtfertig verpulvert hatten und nun mit neidischen Gesichtern auf ihre potenten Mitspieler schielen mußten, die ihre Sparstrümpfe jetzt erst öffneten und sich die letzten dicken Fische aus dem Landschaftsgarten herausangelten. Kein Wunder, daß der knauserige Culus-Creator schließlich als Sieger hervorging. Die anderen wußten alle nur zu erklären, warum sie NICHT gewonnen hatten.
100 Minuten dauerte unser Spiel, aber nur weil wir jeden Zug ausgiebig kommentierten und uns immer mal wieder über das zutreffende Regelverständnis zusammenraufen mußten. Aber eigentlich muß diese Begleiterscheinung auf der Habenseite verbucht werden. Man kann ein Spiel sicherlich auch in der Hälfte der Zeit über die Runden bringen, aber warum? Jede Minute war kurzweilig und hinterher diskutierten wir noch eine weitere Stunde lang relativ kontrovers über die Verteilung von Können, Glück, Chaos und Planbarkeit auf der Peloponnes. Am schärfsten plädierte Aaron für die Unwägbarkeiten zum Sieg. Als ob er wieder verdrängen wollte, warum er gewonnen hatte.
Beim nächsten Mal werden wir uns am Anfang ganz fest um die besten Einnahme-Quellen schlagen und erst in den letzten 3 Runden auf Bevölkerungswachstum ausgehen. Das, was dazwischen passiert, die Zuwächse an Rohstoffen und Luxusgütern überlassen wir dann mehr oder weniger der spielerischen Opportunität. Ein neuer Kampf um die Siegpunkte auf der Peloponnes wird in jedem Fall nochmals stattfinden.
WPG-Wertung: Das Spiel ist ja noch nicht fertig, aber in seiner jetzigen Fassung würde es zwischen 7 oder 8 WPG-Punkten angesiedelt werden.
2. “Ausgerechnete Buxtehude”
Ein Spiel nach den Prinzipien von “Anno Domini”: Anstatt die zeitliche Reihenfolge von Ereignissen der Weltgeschichte zu bestimmen oder zu erraten, müssen die Spieler die relative geographische Position von Städten in Deutschland richtig einordnen. Liegt Westerland jetzt südlicher oder nördlicher von Kiel? Wenn noch genügend Freiheiten gegeben sind, kann man es wenigstens westlicher davon einordnen. Oder wird das etwa bezweifelt?
Anzweifeln ist erlaubt und bringt oder kostet einen Siegpunkt. In zwei Zwischenwertungen und einer Endwertung kann man nochmals raten, wie viele auf den beiden geographischen Achsen ausliegenden Städte insgesamt falsch eingeordnet sind. Hier sind weitere Siegpunkte zu ergattern.
Kurz und bündig! Ein gelungener Absacker, der heute sogar unserem “Bluff” die letzten Minuten rauben konnte.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7, Walter: 7