Spieleautoren gibt es fast so viele wie Komponisten. Und sie kämpfen wahrscheinlich einen ähnlichen Kampf um die Veröffentlichung ihrer Werke. Moritz ist Komponist und Spielautor zugleich, und bei ihm ist es gerade umgekehrt. Schon seit vielen Jahren ist sein musikalisches Schaffen weit in die Zukunft hinaus ausgebucht und selbst für seine erste Brettspiel-Kreation hat er bereits einen Verlag, bevor sie überhaupt das Licht der Welt erblickt hat. Seit 6 Monaten feilt er an seiner Spielidee mit der gleichen Leidenschaft und Schaffenskraft wie an seinen Opern. Im trauten Kreise hat er damit schon einige Testrunden absolviert, heute tauchte er erstmals im Kreis der Westpark-Gamers damit auf.
1. “Moritz’s Arbeitstitel bleibt noch verdeckt”
Sein Ziel war ein “Eurogame mit Thema”. Damit drückt sich seine Beobachtung aus, daß Eurogames oft abstrakte Spielmechanismen ohne viel Thema aufweisen, aber funktionieren, und im Gegensatz dazu amerikanische Spiele oft tolle Themen untergeschoben bekommen, spielerisch aber zurückbleiben. Moritz wollte die Vorzüge beider Prinzipien verbinden und die Nachteile dabei vermeiden.
Im Vorfeld schon hatte er seine 19 Seiten Spielanleitung verschickt und die Druckfahnen für die einhundert verschiedenen Aktionskarten, die das Spiel in Bewegung halten. Alle Teilnehmer hatten sich das Material reingezogen; Moritz konnte seine Erklärungen kurz halten, auch wenn es bei den Masse der Regeln natürlich nicht unter einer halben Stunde abging, und wir (alle) immer wieder Rückfragen zu Detailabläufen stellen mußten.
Der erste Regelverstoß unterlief uns gleich zu Beginn, als wir den Startspieler per WPG-Würfel ermittelten, obwohl nach der Spielregel der älteste Spieler dafür vorgesehen ist. Der Zufall verzieh uns diesen Lapsus und machte Walter zum Startspieler.
Als Hausaspekt wählte der sich “Religion”, weil er sich gerade mit ketzerischer Literatur beschäftigt. Thomas wählte “Politik”, er ist halt noch jung und eindrucksfähig. Aaron nahm sich selbstverständlich der Wissenschaften an, und Moritz stand im Dilemma zwischen Militär und Kultur. Wer hätte gedacht, daß hier das Militär den Kürzeren zog?
Wir agieren auf einer Jahrhundertskala, beeinflussen Aktionen und Ereignisse in der gesamten damals bekannten Welt und versuchen die Errungenschaften unserer Aspekte auf ein Top-Niveau zu bringen. Konzentriertes Engagement in einzelnen Erdteilen ist hierbei genauso notwendig wie eine gewisse Diversifizierung, weil häufiger genossene Früchte immer teurer werden.
Kriege sind unvermeidlich, in ihren Auswirkungen aber nicht so kraß, wie wir das von den üblichen Kampfspielen gewohnt sind. Sie werden unter den historisch-zutreffenden Ländern, aber nicht unter den Spielern ausgetragen. Die Mitspieler können sich auf eine beliebigen Seite der Kampfparteien schlagen und im Falle des Sieges ihren Einflußbereich erweitern; die Verlierer verlieren nur ihre eingesetzten Einflußpunkte. Bemerkenswert ist hier als dritte Kraft die Diplomatie, mit der die Folgen von Sieg- und Niederlage eines Krieges ganz aufgehoben werden können.
Von vielen Spielzügen eines Spieler profitieren alle Mitspieler, manche Spielzüge schädigen dagegen genau einen. Aaron traf es gleich am Anfang mehrmals ganz hart und blitzschnell hatte er alle seine Einflußmarker (=Geldmittel) verloren. Sein Dasein als arme Kirchenmaus lastete er natürlich dem Regelwerk an, und Moritz war als Autor sogleich in der Defensive. Um so befriedigter konnte er notieren, wie sich Aaron im Mittelspiel auch mit begrenztem Einfluß an die Spitze setzen konnte. Nach einen gelungenen Forschungsprojekt fiel sogar ein solch gewaltiger Geldsegen über ihn herunter, das er ihn bis zum Spielende nicht mehr loswerden konnte. In unserer Spielrunde brach dann jedesmal ein homerisches Gelächter aus, wenn unser Kirchenmaus-Krösus neue Kohle machte.
Aaron durfte auf Grund von Privilegien eine Aktionskarte aus Thomas Kartenhand bestimmen, die dieser als nächstes ausspielen mußte. “Diese Karte muß offen ausgelegt werden” stellte der Spielautor fest. Doch Thomas wußte es besser, die Karte blieb verdeckt. Das ist das berühmt-berüchtigte altbairische Besserwissen, manche nennen das auch Sturheit. Die Franken trugen es mit Fassung.
Nach 3 Stunden Spielzeit hatten wir die Hälfte der Spielrunden absolviert und mußten aufhören. Moritz war die Manöverkritik wichtiger als der Endsieg. Fazit: Das Spiel funktioniert schon sehr gut. Die regionalen Aktionen sind stimmig und ausgewogen. Es steckte eine Menge intelligenter Forschungsarbeit dahinter, die vielen Rädchen und Schräubchen der verschiedenen Spielmechanismen historisch getreu und spielerisch konstruktiv anzubringen. Hier hat Moritz schon eine lange erfolgreiche Strecke zurückgelegt. Jetzt gilt es noch ein bißchen zu straffen, Details wegzulassen, die zwar mit Liebe und Fachkenntnis austariert sind, aber zu wenig Einfluß auf das Spielgeschehen besitzen, und Möglichkeiten zur Verkürzung auf eine abendfüllende Spielzeit auszureizen. Dann kann Moritz auch auf diese Komposition stolz sein. Sie trägt jetzt schon die Handschrift des Könners.