Diese Woche hat man versucht, den Zugang zu unserer Internet-Seite zu knacken. Glücklicherweise erfolglos. Von unserem Provider erhielten wir die Mitteilung:
3 ungültige Anmeldeversuche von IP: 178.35.177.242
Letzter Anmeldeversuch erfolgte mit dem Benutzernamen: walter
IP wurde gesperrt für 20 Minuten.
Das gleiche auch noch ein paar Stunden später unter dem Benutzernamen „günther“.
Nachforschungen über www.utrace.de ergaben, dass der Betrugsversuch aus Kolumbien kam. Was wollten die Betrüger? Unsere Informationen über Spiele und Spielen zerstören? Pornos oder Schleichwerbung unterbringen? Wer weiß!
Ist das Internet tatsächlich so schutzlos Verbrechern ausgeliefert? Kann der Gesetzgeber nicht vorschreiben, dass jeder Provider eine Identifikation für alle Sender in seinem Netz bereithalten muss? Und gegebenenfalls verantwortlich ist für alles, was seine Kunden tun? Gibt es keine internationale Zusammenarbeit für die Bekämpfung solcher Machenschaften? Können die öffentlichen Behörden keine Kriminal-Zentrale einrichten, an die sich die wehrlosen Bürger wenden können, wenn sie von solchen Verbrechern geschädigt wurden?
Ich könnte solchen Leuten glatt den Hals rumdrehen. Aber vorher noch die Gesetzgebung der Scharia anwenden! Hat Mohammed nicht schon verordnet, dass Einbrecher in fremde Portale mit 100 Stockhieben auf die nackten Fußsohlen zu bestrafen sind …
1. “Madeira”
Im Vorfeld gab es schon Positionskämpfe darum, ob wir das von Moritz mündlich protegierte „Cuba Libre“ oder das von Horst schriftlich gewünschte „Madeira“ auflegen sollen. Bei einer im Internet prognostizierten Spieldauer von je 3 bis 6 (sechs) Stunden konnte heute nur eines davon aufgelegt werden. Die Schrift gewann.
Ach Gott, was soll ich jetzt über das Spiel schreiben? Ein riesiges Räderwerk von Würfeln, Pöppeln, Schiffen, Zählscheiben, Waren, Feldern, Ernten, Städten, Gilden, Charakterplättchen, Aufträgen, Belohnungen und Piraten. Alles hängt zusammen, alles wird für alles benötigt, alles bringt alles als Ertrag hervor.
- Aus Würfel + Pöppel + Arbeiter + Felder + Ernte mache Holz, Getreide, Zuckerrohr oder Wein.
- Aus Würfel + Pöppel + Ware mache Gilden.
- Aus Getreide + Windmühle mache Brot zur Ernährung deiner Pöppel.
- Aus Würfel + Pöppel + Holz + Kommandant mache Schiffe und Geld und – früher oder später – Waren und Siegpunkte.
- Aus Aufträgen + Geld v Gilden v Schiffe v Mehrheiten mache Siegpunkte.
- und vieles mehr
Aaron hatte vorgeschlagen, die Spielanleitung nicht komplett vorzutragen, sondern nach einer kurzen Einführung in Material und Spielbrett das Spiel einfach zu beginnen. Jeder solle dann irgendeinen erlaubten Zug machen, die Querwirkungen würden wir ohnehin auf Anhieb nicht (alle) verstehen. Der Vorschlag wurde angenommen. Aber schon bein ersten Zug tauchte unweigerlich die Frage auf: Soll ich jetzt irgendeinen Scheißzug machen, oder soll mein Zug eine vernünftige Weichenstellung bewerkstelligen? Was ist mit „to have a plan“? Zurück zum Regelheft!
(Das wäre für Walter aber nicht notwendig gewesen. Er hat ohnehin die vielen Rädchen des Spiels nicht begriffen. Bis jetzt nicht. Das Spiel lief total an ihm vorbei. Der Satz im Live-Ticker der Sportschau: „Die Hamburger kommen überhaupt nicht an den Ball“ traf genau auch seine eigene mentale Situation.)
Nach knapp zwei Stunden (Madeira-)Spielzeit hatte Robben gerade das 3:0 für den FC Bayern geschossen, wir hingegen hatten erst zwei von fünf Madeira-Runden absolviert. Und es war kein Land in Sicht. Walter war zu einem Abbruch bereit, Aaron stand einem solchen neutral gegenüber, Horst hätte gerne noch die dritte Runde angehängt. Nur Moritz wollte das Spiel bis zu bitteren Neige auskosten: „Ich möchte schon wissen, wie am Ende die dicken Punkte verteilt werden!“
Wir kämpften uns noch durch eine weitere Spielrunde, dann wurde dreimal das Handtuch geworfen und Moritz fügte sich, erst noch zögerlich, später dann aber auch mit Überzeugung.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel hat kein Thema – im Gegensatz zu Kohle & Kolonie; eine gute Balance aber kein Spielspaß, es würde 7 Punkte bekommen, wenn es jetzt – nach der dritten Runde – zu Ende wäre), Horst: 5 (noch eine Spur konstruierter als K&K, dabei kommt jeglicher Spielspaß abhanden), Moritz: 5 (der Würfel-Aussuchen-Mechanismus ist sehr gut gelungen, ansonsten fehlt eine Steigerung), Walter: 6 (4 Punkte für den Spielespaß, 8 Punkte für die Ingenieursleistung).
Horst versteht die Freak-Spieler nicht: je komplexer desto hyper! Das kann doch nicht das einzige Kriterium für die Güte eines Spieles sein! „Es sollten pro Spiel eine A- und eine B-Note vergeben werden, für Technik und Ausstrahlung.“ … „Wie bei Frauen!“ „Technik allein macht es nicht.“ „Aber auch Technik für sich hat eine gewisse Ausstrahlung.“ „Doch ohne Ausstahlung zählt selbst die beste Technik nicht!“ Jeder der Westparker hatte hier eine eigene Weisheit zum Besten gegeben. (Die einzelnen Sprecher werden nicht aufgeschlüsselt.)
Über unsere anschließend ausgetauschten Eindrücke von den Liebedienerinnen auf den verschiedenen Kontinenten dieser Erde schweigt des Sängers Höflichkeit.
“Cub Libre”
Moritz trauerte immer noch seinem verschmähten Spielvorschlag nach. Was wäre „Cuba Libre“ gegenüber einem „Madeira“ gewesen! Soviel wie ein Bankraub gegenüber der Gründung einer Bank. Leider kann man an einem Abend nicht beides haben.
Als Trost tischten wir uns einen „Cuba Libre“ in flüssiger Form auf. Hier das Rezept:
4 cl Cuba-Rum
Saft von einer Limette (heute taten es Zitronen)
etwas Rohrzucker (harte Männer können darauf verzichten)
Cola zum Ausfüllen (seit Weihnachten vom Schwiegerfreund noch zufällig im Haus)
Die – nicht abgefragten – WPG-Wertungsnoten lagen zwischen 8 und 10 Punkten.
2. “Panthalos”
Bernd Eisenstein hat seine Spielentwicklung “Pandora und Titania”, die er uns letztes Jahr zum Testen überlassen hatte, für Essen-2013 nicht rechtzeitig fertig gebracht. Jetzt hat er das Spiel überarbeitet und will es dieses Jahr als „Panthalos“ herausbringen. Wir durften am Beta-Test (Abnahme der Produktionsreife) teilnehmen.
Gestern hatten Aaron und Walter das Spiel in einer Zweier-Runde ausgiebig studiert. Zu aller Zufriedenheit. Heute war auch die Vierer-Runde davon sehr angetan. Nach der vorhergegangenen ermüdenden Holzhackerei waren wir nach der ersten Eingewöhnungsrunde schnell wieder auf dem Dampfer. Alle. Vielleicht lag es auch am Cuba-Rum!
Noch keine WPG-Noten, dafür aber kommentierende Wertungen: Aaron: (erfrischend; wenige, aber sehr gut funktionierende Elemente), Horst: (Klasse; es fehlt nur noch eine entsprechende Graphik; natürlich müssen auch noch die dicken Pappkärtchen des Prototypes in dünne professionelle Spielkarten umgesetzt werden, dann ist es ein hübsches Freak-Spiel), Moritz: (flott; keine Schwachstelle; das Thema ist etwas aufgesetzt), Walter: (rund und schön).
Hallo Westpark-Gamers,
nachdem Euch schon Bora Bora nicht gefallen hat und auch Kohle & Kolonie wie ebenso A Study in Emerald nicht wirklich auf Begeisterung bei Euch traf, war mit dem Schwergewicht Madeira auch ohne Kristallkugel eigentlich schon vorab abzusehen, dass es bei Euch ebenso durchfallen oder zumindest keine Begeisterungen auslösen würde.
Ja, Madeira ist kleinteilig und baut ein scheinbar riesiges Räderwerk damit auf. Zeitgleich wird man durch die Wahl seiner Zwischenziele aber (meiner Meinung nach) gut durchs Spiel geleitet, weil man eben ganz konkrete Ziele hat. Da spielt es sich ein wenig so wie Bora Bora und hilft, auf Kurs zu bleiben und sich nicht in den ganzen Möglichkeiten zu verlieren. So oder so bleibt es aber kleinteilig und bietet viele Spielmechaniken an und damit auch viele Möglichkeiten – erfolgreich zu spielen oder sich total zu verzetteln. Das kann man mögen, muss es aber nicht. Ich finde es aber gut, dass es solche Spiele am oberen Ende der Eurogames-Komplexitäts-Skala gibt und sofern man die passende Spielrunde dazu hat (die Ihr anscheinend nicht seid), kann so ein Spiel auch herausfordernd Spaß machen.
Aus ferner Sicht kann ich Euch inzwischen nur empfehlen, solche Spiele zu meiden. Weil nach Spielspaß klangen die letzten Eurer Session-Reports nicht. Demnach kann ich Euch nur dringenst von “Cuba Libre” abraten. Ich finde zwar, dass es ein tolles Spiel ist in seinem Genre, aber prophezeie ebenso, dass es für Eure Spielrunde mit Eurer Herangehensweise (sofern man das als Leser nachvollziehen kann) eine Bruchlandung erleben wird.
Warum? Jede der vier Fraktionen von “Cuba Libre” hat ein eigenes Regelwerk an Aktionen und spielt sich demnach unterschiedlich vom Ablauf wie auch den Siegbedingungen von den Anderen. Selbst wenn die Mechanik der Aktionen klar ist, weiss man immer noch nicht, wie man die sinnvoll kombiniert einsetzen soll, um damit die Siegbedingungen der Mitspieler zu verhindern und seinem eigenen Sieg näherzukommen. In einer ersten Kennenlernpartie wird man diesen Einsichten zwar näher kommen und mehrere Aha-Momente erleben, aber um wirklich zielgerichtet spielen zu können, braucht es schon mehr Partien. Wenn man sich für die gemeinsame Erforschung der Möglichkeiten begeistern kann, dann macht so eine Kennenlernpartie auch Spaß. Das Spiel will aber erarbeitet werden.
Zumal ich meine, dass man “Cuba Libre” im Genre-Geflecht der eher einfachen CoSims und der hochkomplexen Eurogames schwierig einfach so aus dem Stehgreif erklären kann. Eigentlich sollte man idealerweise die vier Fraktionen erstmal selbst verstanden haben, um die dann Mitspielern vermitteln und die durch eine erste Partie leiten zu können. Das Playbook von GMT sowie die Solo-Regeln bieten dazu Gelegenheit. Ansonsten ist es ein Sprung ins kalte Wasser und erfordert eine geduldige wie auch ausdauernde Kennenlernpartie, die für alle ein Stochern im Nebel sein wird, der sich erst langsam lichten wird.
Gut gemeinte Spielergrüsse,
Ralf
PS: Von Bruxelles 1893 würde ich ebenso die Westpark-Games-Finger lassen, wenn Euch Madeira nicht gefallen hat, weil schichtet ebenso diverse Spielmechanismen aufeinander, um daraus eine verschachtelte Optimieraufgabe zu machen, die nur indirekte Interaktion zulässt.
Hallo Ravn und alle Mitleser,
Ich glaube, du schließt von einigen WPGlern auf alle. Wie du siehst, ist Kohle und Kolonie ja sogar Spiel des Monats geworden! Wir sind eine sehr gemischte Gruppe – und das ist auch gut so. 2-3 Mitspieler sind gegenüber komplexen Spielen mit sehr langer Spieldauer etwas intoleranter geworden. Dies ist bei der heutigen Vielzahl an Spielen aber kein Problem und manchmal auch angebracht.
Wie du dir denken kannst, gehöre ich (noch) nicht zu dieser Gruppe.
Und wie es der Zufall so will, habe ich auch schon Madeira gespielt – bis zu Ende(was ich persönlich in der richtigen Gruppe übrigens vorziehe, auch wenn das Spiel nicht so gut ankommt).
Mit ausführlicher Regelerklärung haben wir 5 Stunden gebraucht. In der ersten Hälfte des Spieles hat man sicherlich noch keinen Plan, dann wird es etwas besser. Ich habe es in einer Gruppe gespielt, die solcher Art von Spielen durchaus sehr aufgeschlossen ist – das ist bei diesem Spiel sicher hilfreich.
Was war unsere Bewertung des Spiels?
Wir waren alle nicht begeistert. Hat man das Spiel einmal kapiert, kann man sich durchaus anhand der Zwischenziele eine Strategie zurechtlegen und an der Umsetzung seinen Spaß haben. Trotzdem spiele ich bei dieser Spieldauer 10mal lieber ein Kohle&Kolonie oder ein 18xx. Ich glaube sogar, dass es auch eine größere Schwäche des Spieles gibt: Selbst in unserer Anfängerrunde hatten schon mehrere Spieler vor der letzten Runde schon alle ihre Ziele erfüllt und konnten keine sinnvollen Züge mehr machen – jeder von uns hatte am Ende fast alle seine Ziele zu 100% erfüllt – die Piraten haben dann bei ca. 100 Punkten Endstand nochmal kräftig zugeschlagen.
Komplexität: schön und gut, aaaaaber: je komplexer, desto faszinierender muss es sein. Da ist z.b. Terra Mystica ein gelungenes Highlight, Madeira leider nur Durchschnitt.
Punkte von Günther fuer Madeira: 5
Ralf,
nur weil ich Madeira und K&K eher für Durchschnitt halte, möchte ich auf keinen Fall von Bruxelles 1893 die Finger lassen. Warum? Ich ziehe selbst bei Spielen, die mir im Nachhinein dann doch nicht so gut gefallen, den Spielspaß aus dem Kennenlernen an sich. Und nachdem ich Rahdo’s Runthrough bei BGG über B1893 gesehen habe, glaube ich, dass es mir besser gefallen wird als Madeira. Schau’n wir mal.
Als ich mich in mein Exemplar von Madeira eingearbeitet habe, war mir schnell klar, dass ein erstes Spiel bestenfalls eine Kennenlern-Runde sein kann. Daher auch mein Vorschlag, die Spielregeln während der ersten Runde zu erklären, statt vorher. Leider fanden die anderen diese Idee nicht so prickelnd. Hier könnte ein offizielles Einführungsszenario, z.B. der ersten Runde, sicherlich den Einstieg erleichtern. Was leider fehlt, ist der Spannungsbogen, der bei einem Spiel dieses Komplexitätsgrads zwingend notwendig ist.