“Ich bewundere und liebe die Erfindung des Spielens, da ich sie als ein Zauberband ansehe, durch welches in einer Zeit von wenigen Minuten Leute von allerlei Nationen, ohne daß sie sich sprechen können, und von Personen von ganz entgegengesetzten Charakteren viele Stunden lang sehr gesellig verknüpft werden; da es ohne dieses Hilfsmittel beinahe unmöglich wäre, eine allgemeine gefällige Unterhaltung vorzuschlagen.”
(Sophie von la Roche, vor knapp 250 Jahren)
1. “Die Säulen der Erde”
Letzte Woche waren wir alle davon überzeugt, “Steel Driver” schon einmal gespielt zu haben; wir wunderten uns, wie schlecht wir die Regeln wieder zusammenbrachten. Dabei hatte keiner von uns das Spiel gekannt, es taucht in keiner unserer Aufzeichnungen auf. Diesmal waren Aaron und Walter davon überzeugt, “Die Säulen der Erde” noch nie gespielt zu haben, obwohl es bei uns schon einmal zum “Spiel des Monats” gekürt worden war. Walter hatte sich getäuscht: vor gut zwei Jahren, am 13.12.2006 hatte es bereits am Westpark auf dem Tisch gelegen und war mit guten Noten entlassen worden.
Peter durfte seine (zwei Jahre) alte Liebe den Nicht-Kennern und die sich dafür hielten vorstellen. Wie immer gab er eine perfekte Einführung, und schnell war er durch das recht anspruchsvolle Regelwerk hindurch. Wir wußten jetzt, wie man das Spiel spielt. Doch um zu wissen, wie man es gut spielt, dazu reicht die bloße Regelkenntnis natürlich nicht aus, dazu braucht es eine jahrelange Spielerfahrung.
Hier war Peter vorbildlich generös. Ganz uneigennützig gab er jedem herumrätselnden Konkurrenten Tips für den nächsten besten Spielzug. Zudem konnte er die noch-planlosen Mitspieler trösten: “Das Spiel vergibt”! Das hieß soviel wie: Fehler in der Anfangsphase können in der Schlußphase noch problemlos ausgebügelt werden. Allerdings sollte man bis dahin gelernt haben, wohin der Hase läuft.
Die Spieler müssen mit den Elementen Arbeit, Geld, Baumeister und Rohstoffe jonglieren und den effizientesten Weg finden, schlußendlich alles in Siegpunkte zu verwandeln. Sie schicken ihre Arbeiter in Wald und Heide, um Rohstoffe Holz, Steine und Kies zusammenzutragen, sie investieren Geld um ihre Veredelungsverfahren zu verbessern, und sie wandeln ihre Fertigprodukte in Siegpunkte um.
Es gibt einen Konkurrenzkampf um die Rohstoffplätze und um die lukrativsten technischen Fortschritte. Alles ist begrenzt, wer zu spät kommt, den bestraft das Schicksal. Dabei unterliegt das Gesamtangebot sogar einer Zufallsauswahl: man kann keineswegs darauf bauen, daß in einer Runde überhaupt Plätze für den Abbau eines bestimmten Rohstoffes angeboten werden. Auch in der Zugreihenfolge hat der Zufall seine Hände drin: Die Zug-Pöppel werden blind aus einem Säckchen gezogen: Wer Glück hat, dessen Pöppel werden früh gezogen und ihm steht die volle Auswahl an Entwicklungsoptionen zur Verfügung, die Nachfolger müssen sich mit einer immer kleiner werdenen Auswahl begnügen. Dieser starke Reihenfolgenvorteil wird allerdings leicht abgeschwächt: Für frühesten Züge muß man das meiste Geld berappen, und Geld ist knapp.
Alles ist knapp: die Arbeiter, die freien Arbeitsplätze, Rohstoffe und Veredelungstechniken. So stellen “die Säulen der Erde” ein schöne Herausforderung an die Anpassungsfähigkeit der Optimierungstechniken an günstige Gelegenheiten dar. Immer wieder bieten sich den Spielern spontane Situationen, die im allgemeinen Entwicklungsfluß eine bestimmte Richtung begünstigen. Diese gilt es zu erkennen und auszubauen.
Die Fortschritte sind alle stark progressiv, d.h. die Umsetzung von Besitztümern in Siegpunkte geschieht in immer größeren Raten und zu immer vorteilhafteren Quoten. So kann man auch noch in den letzten Runden erheblichen Boden wieder gutmachen. Vielleicht zu viel! Fast die Hälfte der Siegpunkte wurde in der letzten Runde vergeben. War das jetzt dank des guten Aufbauspieles, oder auf Grund des enormen Hochschießens der Umwandlungseffizienz, oder hat da schlichtweg Fortuna entscheidend mitgeholfen?
Peter wurde Letzter. Das spricht nicht gegen ihn, sondern für die geschlossene Potenz am Westpark! (Eifriges An-die-eigene-Brust-Klopfen!) Dank seiner uneigennützigen Unterstützung mit Rat und Tat wurde Walter Zweiter. “Daß Du nicht Erster geworden bist, das spricht für das Spiel.” Für seine Berechenbarkeit. Dafür spricht vielleicht auch, daß Günther gewonnen hat. Aber es bleiben leichte Zweifel offen. Ansonsten könnte man über Peters letzten Satz sicherlich manche dicke psychologische Abhandlung schreiben.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (mag keine Glücksspiele), Günther: 8 (“ist schon ziemlich gut; 10 Punkte sind für die 18xx-Spiele reserviert”), Peter: 10 (“gehört zu den wenigen Spielen, die ich ständig spielen kann”), Walter: 8 (spielerische Mischung aus Planung und Zufall)
2. “Bluff”
Nach der zweiten Runde war Günther bereits ausgeschieden. Natürlich auf Grund von Untertreibung. Dumm gelaufen. Das vorgezogene lange Endspiel mit 5:5:5-Würfeln konnte Aaron nach zähem Kampf für sich entscheiden.