Nachdem auf Wunsch eines einzelnen Herrn die ursprüngliche Einleitung zensiert werden musste, hier die neue:
Es gibt Leute, die tönen herum und amüsieren sich über über die Dummheit anderer. Schade nur, wenn sie dann öffentlich nicht dazu stehen wollen. In solchen Fällen hält der gut erzogene Mensch besser seinen Mund.
1. “Fünf Gurken”
Warum geht es hier um „FÜNF“ Gurken und nicht um sechs? Weil Friedemann Friese immer noch nicht Siedeman Siese heißt!
In einem Stichkartenspiel mit sieben Stichen pro Runde wird nur der letzte Stich gewertet. Die sechs vorangegangen Stiche dienen ausschließlich der Kartenpflege, mit der man den letzten Stich vermeiden will. Wer den nämlich bekommt, erhält Minuspunkte. Minus-Gurken! Und wer sechs davon angesammelt hat, scheidet aus.
Die Kartenzugabe ist ganz einfach: Wer einen Stich gemacht hat, spielt eine beliebige Zahlenkarte aus, jeder weitere Spieler gibt entweder eine höhere Zahl dazu oder – falls er keine höhere hat – zwangsweise! die niedrigste aller seiner Restkarten.
In dieser Zugabe steckt zunächst mal ein technischer Geburtsfehler. Die Mitspieler können nicht kontrollieren, a) ob ein Zugeber keine höhere Karte mehr hat und b) ob er dann auch wirklich seine niedrigste Karte zugeben hat. Mit einem guten Kartengedächtnis könnte man hier hinterher eine Fehlbedienung vielleicht noch rekonstruieren, doch das ist dem leichten Charakter der „Fünf Gurken“ und der damit anvisierten Spielergruppe garantiert nicht angemessen.
Wir hatten schnell heraus, wie der Hase läuft. Nach dem ersten Durchgang konnte in jeder Runde mindestens ein Spieler früher oder später seine Karten sortieren, verdeckt als Stapel auf den Tisch legen und zu jedem Stich die oberste Karte dazugeben. Er hatte halt leider keine hohen Karten mehr auf der Hand und wusste demnach, dass er zwangsweise zu jedem Stich seine jeweils niedrigste Karte zugeben musste. Freiheitsgrad 0 (Null!)! Und wenn die letzte seiner niedrigen bis mittelhohen Karten dann zufällig die höchste der noch verbleibenden ist, kriegt er halt Friesemanns Gurken. Wenn nicht, dann bekommt sie ein anderer Pechvogel. Dieses Prinzip ist kein Geburtsfehler, es ist ein letaler Asthmatismus.
Dass ein Spieler nach der fünften Gurke ausscheidet und die anderen weiterspielen, verbuchten wir zuerst als bluff-ähnliches tolerierbares Design-Element. Doch damit landet diese Buchung auf dem falschen Konto. Bei „Bluff“ ist das Endspiel schnell, und selbst das Zuschauen beim Kampf um jede Würfelvorgabe von amüsanter Spannung begleitet. Bei den „Fünf Gurken“ kann sich das dröge Zugeben vorbestimmter Karten leider noch lange genug hinziehen und ein Freiheitsgrad 0 lässt weder bei Spielern noch bei Zuschauern von Spannung etwas aufkommen. Überhaupt nichts!
Nach der fünften Runde veränderten wir die Endebedingung: Wer die nächste Gurke bekommt, beendet das Spiel als Sieger. Oder so ähnlich. Das Detail war nicht so wichtig, Hauptsache aufhören …
WPG-Wertung: Aaron: 4 (Angeblich spielt man so etwas gerne in Skandinavien. [Oh Gott – hoffentlich in den nicht vorhandenen Sommernächten, und nicht in der unendlich langen Winternacht!], Horst: 4 (mit vielen 15er Karten kann man das Spiel gut steuern. Aaron, schenk’ mir das Spiel, ich habe eine Runde, in der es bestimmt gerne gespielt wird!), Moritz: 3 (Die Entscheidungen sind zu läppisch. Das Spiel hat sich der Friesemann bestimmt in einer besoffenen Nacht im Arosa ausgedacht), Peter: 3 (keine Entscheidungsfreiheit), Walter: 3 (möchte es nicht noch einmal spielen. Nicht einmal mit seinen Enkeltöchtern).
2. “Euphoria”
Eine riesengroße „dystopische Gesellschaft“ (was immer das ist) wird von uns erschaffen. Aaron brauchte anderthalb Stunden, um uns die umfangreiche Maschinerie zu erklären. Zumindest hatte die Borussia in Konstantinopel schon drei Tore geschossen, als er mit dem Regelheft durch war. Dabei hatte er beim Anblick der verdutzten Gesichter seiner Zuhörer die zwischen die einzelnen Regelpassagen eingestreuten Kalauer ganz schnell ausgelassen.
Wir setzen unsere zwei bis vier Arbeiter im der Euphorianischen Wirtschaft ein,
- bekommen für sie “Waren” (Wasser, Energie, Nahrung oder Seligkeit)
- wandeln mit ihrer Hilfe Waren in “Rohstoffe“ (Gold, Stein, oder Ziegel) um
- erwerben Artefakte, die ebenfalls den Fortschritte im euphorischen Leben befördern
- erringen “Gefolgsschaftspunkte” (rot, grün, gelb und blau), mit denen wir weitere “Rekruten” für Aktions-Vorteile aktivieren können
- lassen die Arbeiter sich vermehren, wobei der Würfel dafür sorgt, dass es nicht zu viele werden können
- errichten Marktplätze, die wichtigsten Positionen, in denen wir unsere “Autoritätssteine” platzieren können. Wer als erster seine zehn Autoritätssteine losgeworden ist, beendet das Spiel als Sieger.
Sehr viele, hübsche neue Ideen sind in diesem Workerplacement-Spiel eingebaut, aber so, dass es gar nicht wie eines der vielen, heute Mode gewordenen Spiele dieses Genre wirkt. Ständig sind die Arbeiter in Bewegung. Sie sind als Würfel realisiert und werden bei jeder Wiedergeburt neu geworfen. Der Zufall spielt mit. Die jeweilige Augenzahl hat einen kleinen Einfluss auf die Effekte des Arbeiters, geworfene Paschs einen leicht größeren …
Interaktion gibt es beim Verdrängen auf den Arbeitsplätzen, beim Fördern oder Blockieren von Rekruten, beim Handeln und Tauschen von Waren (was am Westpark üblicherweise nur sehr selten vorkommen), vor allem aber bei der Beteiligung an Marktplätzen. Wenn ein Marktplatz kurz vor der Eröffnung steht, gibt es einen eiligen Run auf die letzten Anteile. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Allerdings ist die Strafe ziemlich human, und man kann ihre negativen Zukunftsfolgen durch einen passenden Entwicklungszug auch wieder aufheben.
Rekruten (Karten mit unterschiedlichsten Bonus-Effekten), die zu Spielbeginn an die Spieler verteilt werden, bringen am Anfang eine leichte Variabilität ins Spiel. Am Ende können sie sogar spielentscheidend sein, vor allem wenn sie falsch interpretiert werden. Moritz bekam „Dr. Nakagawa, der Anerkannte“, der ihm erlaubte, „wenn du einen Arbeiter auf einem Marktplatz platziert hast, darfst du … diesen Arbeiter opfern, um einen zusätzlichen Autoritätsstein auf dem entsprechenden Gebiet zu platzieren.“ Wir verstanden das so, dass Moritz gegen das Opfern eines weiteren Arbeiters jeweils gleich zwei „Autoritätssteine” auf jedem Marktplatz platzieren durfte. Mit dieser deutlichen Beschleunigung seines Arbeiter-Umsatzes war Moritz am schnellsten alle seine Steine” los. Immerhin – in einer 5-Personen-Runde – erst nach knapp anderthalb Stunden.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (es gibt viele Spielemente, aber das ist eher angenehm und in jedem Fall konstruktiv), Horst: 8 (hübsches Spielmaterial, viel Dynamik und Variabilität), Moritz: 8 (frisch, unverbraucht, man hat nicht das Gefühl, die Mechanismen schon tausendmal gespielt zu haben), Peter: 7 (mit Tendenz zu 8, hübsche, neue Ideen), Walter: 7 (hübsch, leichter und schneller zu spielen als es nach dem umfangreichen Regelwerk zu befürchten ist; trotz vieler kleiner Interaktionsmöglichkeiten allerdings ziemlich solitär.)
Unbestritten das beste Kick-Starter-Spiel, das wir je hatten. Vielleicht sollte man diesen Markt doch nicht gleich abschreiben.
3. “Duckomenta Art”
Rainer Knizia hat sein „Modern Arts“ abgestrippt und als kleines kompaktes Kartenspiel auf den Markt gebracht. Alles läuft ohne Bieten ab. Dem einen geht damit was ab (Moritz: „Das bester Spielelement aus ‚Modern Art’ hat man weggelassen!“), der andere freut sich über den rasant beschleunigten Spielablauf.
Jeder bekommt dreizehn Gemälde-Karten in insgesamt fünf verschiedenen Farben auf die Hand. Dargestellt darauf sind Verballhornungen echter Mona-Lisas oder Sissis mit Entenschnäbeln nach der Duckumenta-Serie von Pop Surrealism & Urban Art (, was für den Spielablauf und die zu erweckende Sammelleidenschaft der Spieler aber absolut keine Rolle spielt).
Die Spielen legen reihum jeweils eine Karte aus der Hand in eine Kartenauslage offen vor sich ab. Sobald insgesamt sechs Karten der gleichen Gemäldefarbe abgelegt sind, erfolgt eine Zwischenwertung: Für jede Karte der am meisten ausgelegten Kartenfarbe erhält jeder Spieler drei Siegpunkte, für die zweitmeisten gibt es zwei und für die drittmeisten einen Siegpunkt.
Wie bei „Modern Arts“ bleibt jeder Kartenfarbe diese Siegpunkt-Dotierung für den weiteren Spielverlauf erhalten. In der nächsten Runde wird pro Farbe also die Summe aller Wertungspunkte ausgeschüttet. Die Karten-Farben werden immer wertvollen. Eine spieltechnisch durchaus gewünschte Dynamik. Wer nach vier Wertungen die meisten Punkte hat, ist Sieger.
Natürlich ist das Ablegen von Karten mit etwas Pfeffer gewürzt. Schließlich wird uns hier keine Gurke angeboten, sondern mehr oder weniger ein echtes Knizia-Spiel. Je nach Kartenqualifikation darf man beim Ablegen einer Karte auch noch
- eine Karte vom Nachziehstapel auf die Hand nehmen
- eine weitere Karte offen auslegen
- eine weitere Karte verdeckt auslegen
- einer Kartenfarbe zusätzlich Dotierungspunkte zuschustern
Vor der Rundenwertung darf man nochmals eine oder sogar mehrere Karte aus seiner Hand in die Ablage geben: zu jeder Kartenfarbe, die man bereits in seiner Auslage hat, eine weitere Karte! Hallo, hallo, hier haben wir etwas falsch gespielt: Nicht nur eine weitere Karten darf man spielen, sondern zu JEDER Kartenfarbe eine! Und noch ein Regelfehler, meine Freunde: In jeder Runde liefern nur diejenigen Kartenfarben Siegpunkte, die unter die ersten drei Ränge gelangt sind. Für die vierte und fünfte Farbe gibt es GAR NICHTS, selbst dann, wenn sie in früheren Runden mal auf dem Treppchen standen!
Mit diesen richtigen Regeln besitzt „Duckomenta“ deutlich mehr taktische Raffinesse a) beim Auslegen von Farben, um die gewünschten Farben noch in die Wertung zu bringen und b) beim Zurückhalten von Farben, um die eigenen Auslagen zu jeder Wertung noch anreichern zu können. Von mir gibt es jetzt beim Schreiben vom Session-Protokoll einen Punkte mehr als heute Nacht unmittelbar nach dem Spielen.
WPG-Wertung: Aaron: 5 ([sprachlos durch die Regelfehler?]), Moritz: 5 (witzlos [wegen unserer Regelfehler!]), Peter: 6 (unterhaltsam [selbst mit den Regelfehlern!]), Walter: 7 (schnell, taktisch, eine vorhandene hübsche Spielidee gekonnt abgestrippt).
” Wer einen Stich gemacht hat, spielt eine beliebige Zahlenkarte aus, jeder weitere Spieler gibt entweder eine höhere Zahl dazu oder – falls er keine höhere hat – zwangsweise! die niedrigste aller seiner Restkarten.”
Da habt Ihr etwas falsch gelesen. Niemand ist gezwungen eine höhere Karte zu legen, nur wenn man keine höhere legt, dann muss man die niedrigste Karte ablegen. Man behält sich seine höheren Zahlen ergo eher für die Richtigen Momente auf. Damit kann man dann schon in gewissen Maß steuernd eingreifen.
“Eine riesengroße „dystopische Gesellschaft“ (was immer das ist)”
Hierzu kann ich als Einstieg wikipedia empfehlen: http://de.wikipedia.org/wiki/Dystopie#Grundz.C3.BCge_einer_dystopischen_Gesellschaft
Eineinhalb Stunden Erklärung sind für Euphoria heftig, das ist im Normalfall in maximal 20 Minuten erledigt und die Spieldauer pendelt sich bei fünf Spielern bei roundabout 60 Minuten ein
Klaus, das zwangsweise bezieht sich auf das “niedrigste” und nicht darauf, dass man seine höchste Karte spielen muss(!). Ich denke mal, wir haben das richtig gespielt: entweder eine höhere Karte spielen oder die niedrigste auf der Hand, aber nix dazwischen.
Die 1,5 Stunden für die Regelerklärung von Euphoria waren gefühlte 1,5 Stunden. Bei den Westpark Gamers hat sich eingebürgert, den Erklärer laufend mit Zwischenfragen zu unterbrechen. Manchmal denke ich, wir wären schneller, wenn die Spieler versuchen, durch Fragen die Regeln zu erraten und der Regelerklärer nur noch “Ja” oder “Nein” sagt ;-)
Aaron, ok dann habt Ihr es richtig gespielt, nur wundert es mich, dass es bei Euch dermassen gefloppt ist. Fünf Gurken ist ein cleverer kleiner Absacker, Kartenglück ist sicher vorhanden, aber in Relation zur Spieldauer ist der Entscheidungsrahmen ausreichend. Das Endspiel spielen wir inzwischen als ein Sudden Death Spiel; dann gibt es keine elendigen Wartezeiten mehr
Das kenn ich mit dem Nachfragen ;) Meine Holde hat Euphoria in Essen erklärt und da wäre sie wohl bei 1,5 h Erklärung wahnsinnig geworden…
Entweder unsere Notengebung für die Spiele oder die Spiele selbst werden immer schlechter.
Da ist die Erklärung für die – noch so magersten – Spiele wenigstens immer ein Highlight des Abends. Egal wie lange es dauert. Ganz im Gegenteil, je länger desto besser …
Ich habe am Freitag auch Euphoria gespielt(die deutsche Version) und kann den Hype nicht ganz nachvollziehen. Natürlich sind da ein paar nette neue Elemente drin, aber irgendwie wiederholt man auf Dauer immer wieder die gleichen Zugfolgen … Und Spannung kam auch nicht auf.
Ich gebe mal 6 Punkte; für mich ist es kein SdM!