18.03.2009: Niederkunft in der “Via Romana”

Was ist denn aus Moritz’ (brett-)spielerischem Erstlingswerk, dem “20. Jahrhundert” geworden? Ein paar Sätze aus dem ärztlichen Bulletin: Seine Entwicklung verläuft normal, der Phalanx-Verlag hat es zur Beobachtung übernommen, mit Spannung sehen wir seiner Niederkunft entgegen.
Arpad’s “Wegelagerer”, deren Reifeprozess wir vor gut 2 Jahren mit viel Vorschußlorbeeren begleitet haben, haben einen entsprechenden Härtetest bei Hans-im-Glück nicht überstanden. Aber Arpad hat sich nicht entmutigen lassen. Er hat gerade seine fünftes (oder sechstes) Spielbaby mit viel Liebe und Phantasie gezeugt und wartet bei HiG auf den göttlichen Segen. Schaun mer mal.
1. “Via Romana”
Drei Spieler konnten sich nicht erinnern, ob sie das Spiel schon gespielt haben oder nicht. Die Figuren auf der Schachtel schienen bekannt zu sein, doch das heißt nicht viel. Selbst Günther als Besitzer und Via-Verantwortlicher mußte für die Erklärung des Spielablaufs zum Regelheft greifen. Daneben hatte er ständig drei unruhige Geister im Griff zu halten, die allein aus den Piktogrammen der Spielbeilagen auf die Ablaufmechanismen schließen und seine Ausführungen besserwisserisch korrigieren wollten.
Mit einem Spielbrett nach Art von “Zug um Zug” muß man Verbindungen und Knotenpunkte bauen. Um einen altrömischen Anachronismus zu vermeiden, heißen die Gleisstücke “Meilensteine” und die Bahnhöfe “Festungen”. Am Bau jeder Strecke darf sich jeder beteiligen, und man braucht dazu mehr oder weniger zufällig gezogene Karten als Baugenehmigung am gewünschten Ort irgendwo auf dem Spielbrett.
“Da wird man doch gespielt!” warf Moritz schon mal prophylaktisch in die Runde. Einen Vorwurf, den er für seine allergrößten Spielfavoriten oft genug selbst zu hören kriegt. Postwendend fragt Aaron zurück: “Enthält es Phantasieelemente?” Aus seiner Stimme ging nicht hervor, ob er hier gerne ein “Ja” oder ein “Nein” als Antwort bekommen hätte. Günther beruhigte: “Es ist ein lockeres Familienspiel!”.
Ist die Verbindungsstrecke zwischen zwei Festungen hergestellt, erfolgt eine Zwischenwertung. Wer die meisten Meilensteine gelegt hat, bekommt Siegpunkte. Die anderen bekommen für jeden gelegten Meilenstein eine neue Baukarte, die sie sich diesmal aus einer offenen Auslage heraussuchen dürfen.
Wir spielten natürlich gleich mit der Expertenregel. Dadurch wird das Handlimit an Baukarten strenger gehandhabt und beim Gleichstand an Meilensteinen bekommt keiner was. Damit ergibt sich für jeden die Gelegenheit, bei der Fertigstellung einer Strecke den günstigsten Zeitpunkt heraussuchen, wo die beteiligten Mitspieler möglichst leer ausgehen. Aaron erkannte sogleich “Das ist ja taktisch ohne Ende”.
Ja, diese kleine Quelle reiner Schadenfreude ist für reifere Semester wohl das bemerkenswerteste Element von “Via Romana”. Die Interaktion beschränkt sich darauf, eine Nasenspitze vor den Mitspielern die lukrativste Strecke zu vollenden. Im wesentlichen wählt jeder aus seiner aktuellen Kartenhand zwei, drei Karten aus, die einen maximalen Baufortschritt gestatten. Günther hatte “dabei ständig das Bedürfnis, irgendwo gezielt zu agieren, durfte es bloß nicht”. Planung und Kartenpflege versuchen nur die rettungslosesten Optimisten.
Das war von Autor und Verlag auch nicht anders geplant. Ein lockeres Familienspiel war beabsichtigt, und das ist gelungen. Das Spielmaterial ist gefällig, die Ausstattung auch. Es muß beim Spielen nicht immer Schwerstarbeit geleistet werden. Moritz hat trotzdem gewonnen.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Moritz: 7, Walter: 6
2. “Steel Driver”
Diesmal war unzweifelhaft, daß wir das Spiel alle schon kannten, doch schon allein die Unterscheidung zwischen spielereigenen Pöppeln und Markern und dem gleichfarbigen Gemeinschaftsmaterial stellte uns vor nahezu unlösbare Probleme. Ohne Regelheft und konsequenten Regelvortrag hätten wir kapitulieren müssen.
“Steel Driver” ist ein klassisches Eisenbahn-Aktienspiel um Linien und Strecken. Bei einer gut geführten Linie gehen alle Shares zu Höchstpreisen weg und liefern so der Gesellschaft auch wieder reichlich Mittel, ihre Strecken opulent auszubauen. Eine schlecht geführte Linie dümpelt von Runde zu Runde nur so vor sich hin, ohne jemals einen rechten Liebhaber zu finden. Und ob bzw. wie eine Linie gut oder schlecht geführt wird, das entscheidet sich bereits durch den Aktienpreis der ersten Runde. Und natürlich durch die Zielsetzung des Präsidenten: “Go West” ist auf dem nordamerikanischen Kontinent immer richtig gewesen.
Eigentlich sollten da keine großen Geheimnisse ergründet werden, eigentlich ist der Streckenbau trivial. Doch wir dachten, planten und diskutieren darüber, als gelte es hinter die Kondomstrategie von Benedikt XVI zu kommen. “Ich find’s trotzdem total arschlochmäßig” entrüstete sich Moritz, als Günther seine Linie ins Abseits drängte, um seine eigene Mehrheitslinie besser herauskommen zu lassen. Er bedachte seine Mitspieler sogar mehrmals mit dem Hauptwort, das in dem etwas ungewöhnlichen Eigenschaftswort enthalten ist. Doch die Stimmung war gut, Aaron gab es ungerührt zurück.
Keine neue WPG-Wertung: Aaron und Walter bleiben bei 8 Punkten, Moritz hat vergessen, seine bisherigen 6 Punkte zu erhöhen und Günther hat vergessen, überhaupt eine Note abzugeben.
Moritz hat auch das zweite Spiel des Abends gewonnen.