Wer gelegentlich neben Spielen aus renommierten Verlagen auch einmal obskurere Brettspiele spielt, weiß, dass es enorme Qualitätsunterschiede geben kann: Während bei Spielen aus großen deutschen Verlagen das Brett absolut flach liegt, sich problemlos reinigen lässt und nicht aufwellt, auch wenn man ein Glas Wein darüber kippt, und die Stanzung der Pöppel so erfolgt, dass der Druck wirklich zentriert ist, kann man z. B. bei vielen amerikanischen Spielen ganz andere Erfahrungen machen.
Woher kommen eigentlich all diese technisch perfekt produzierten Spiele?
Mehr als die Hälfte all dieser makellosen German Games stammt vom selben Hersteller, nämlich LUDO FACT, der selbst wohlweislich keine eigenen Spiele verlegt, sondern lediglich für all die großen Namen unter den Spielverlagen Qualitätsprodukte herstellt. Insgesamt 14 Spiele des Jahres wurden bei LUDO FACT produziert, darunter Siedler von Catan und Carcassonne (oder auch die SdJ der letzten beiden Jahre, Hanabi und Camel Up). Über 170 Verlage lassen bei LUDO FACT produzieren, darunter auch viele im Ausland.
Als wir Westpark Gamers die Produktion am 23. April 2015 besuchen durften, sahen wir zum Beispiel die Live-Produktion eines holländischen Siedlers von Catan, eines spanischen Carcassonne und des Spiels „Samti baSal“ des israelischen Verlages Shafir Games.
Bei der Brettspielproduktion spielen hochspezialisierte Maschinen und Handarbeit eine gleichermaßen wichtige Rolle. Viele der Spezialmaschinen kommen von einem italienischen Maschinenbauer, dessen Kompetenzvorsprung bei der Herstellung von Kartonnagemaschinen daraus resultiert, dass die italienische Schuhindustrie schon vor Jahrzehnten Maschinen erforderte, um elegante Schuhschachteln herzustellen. Selbst die Maschinen zum Puzzle-Bröseln (also zum Auseinandernehmen der Teile) lassen sich vorgefertigt kaufen (allerdings hat LUDO FACT die eigene Maschine mit einem hocheffizienten Geheimverfahren zur Entfernung des Puzzle-Staubs verbessert, über das wir hier nicht berichten können). Nur wenige Maschinen sind Spezialanfertigungen, so etwa die Anlage, die das Gewebeband auf Spielbrettern anbringt. Dank dieses Bands kann man später den Karton vollständig durchschneiden, mit der Folge, dass das Brett 100%ig flach liegt.
Handarbeit ist allerdings noch wichtiger. Bereits zu Beginn des Besuchs sagte man uns, dass wir auch in der Produktion überall fotografieren dürfen, denn der wahre Vorsprung von LUDO FACT vor Konkurrenten liegt in der Kompetenz der Mitarbeiter. Ein paar Beispiele: Die Stanzen für die Pöppel müssen für jedes Spiel einzeln von Hand aufgebaut werden. Bei der Puzzle-Produktion muss die Vorlage für die Stanzmaschine in den stundenlanger Arbeit vorbereitet werden, damit einerseits der Karton ganz durchgeschnitten wird, andererseits die Messer nicht durch zu weites Schneiden beschädigt werden. Die Maschinenführer müssen bei allen Arbeitsschritten genau aufpassen, dass das Endprodukt wie gewünscht aussieht und sich nicht etwa das noch aufgequollene Papier verschiebt oder ähnliches. Das Bestücken der fertigen Spiele („Konfektionieren“) muss zwangsläufig in Handarbeit erfolgen, da es sehr, sehr viele unterschiedliche Schachtelgrößen mit ebenso unterschiedlichen Inhalten gibt. Manche Arbeiten sind sogar ausgelagert an Heimarbeiterinnen, etwa das Vorfalten der Schachteleinlage oder das Zusammenbauen von komplexeren Elementen (etwa Würfeltürmen).
Alles, was Karton oder Schachtel ist, ist Kernkompetenz von LUDO FACT und wird selbst hergestellt. Vor nicht allzu langer Zeit hat LUDO FACT eine Druckerei zugekauft und stellt seitdem Spielkarten und viele Druckelemente selbst her (allerdings wird in diesem Bereich auch weiterhin viel zugeliefert). Andere Dinge, wie Holzfiguren, Metallschachtel usw. usf. kauft man zu, von Unternehmen in Deutschland, dem europäischen Ausland und natürlich China. Für spezielle Anforderungen muss LUDO FACT erst Lieferanten auftreiben. Ein schönes Beispiel sind die „sandsteinartigen“ Pöppel von Babel, für die man erst herausfinden musste, ob es das überhaupt gibt, wer das macht, und ob das zu einem vertretbaren Preis machen lässt.
Wir haben viel Neues gelernt, zum Beispiel, dass Spiele in Abständen in geringen Mengen produziert werden: Also jetzt ein paar Tausend, dann wieder ein paar Tausend, dann noch ein paar Tausend. Der Mehraufwand ist den Verlagen offenbar lieber als die ansonsten notwendige Lagerhaltung. À propos Lagerhaltung: Direkt anschließend an LUDO FACT ist LUDO PACKT, die Logistiktochter, mit monströsem Lager und eigener Auslieferung. Dadurch können die Händler sehr schnell beliefert werden.
Auf Nachfrage erfuhren wir auch das Geheimnis, wie man ein echtes LUDO-FACT-Spiel erkennt. Denn da man sich als Dienstleister der Verlage versteht, hält sich der Produzent weitgehend im Hintergrund. Bei neueren Spielen ist das aufgrund einer gesetzlichen Vorgabe recht einfach: Beim Barcode außen auf dem Spiel gibt es quer eine Zeile, die bei LUDO-FACT-Produkten mit LF beginnt. Bei älteren Spielen muss man sich die Innenseite [!] des Schachtelbodens genau anschauen. Im „Umschlag“ (also dem Teil des bedruckten Papiers, das in den Karton hinein umgeschlagen ist) steht bei LUDO-FACT-Spielen eine Kennzeichnung, typischerweise zwei Buchstaben mit einer Zahl dahinter.
LUDO FACT ist ein schönes Beispiel für einen deutschen Mittelständler: Der breiten Öffentlichkeit unbekannt, auch wenn jeder Produkte kennt, die dort hergestellt wurden, und viele sie im Schrank haben (etwa „Siedler von Catan“). Kompromisslose Qualität, und Export in aller Herren Länder.