01.04.2009: Die Nacht der Diamanten

An welche Arten von Spielen erinnert man sich am besten? Bei uns lief gerade eine heiße Diskussion, ob das nur Spiele mit klaren Themen oder auch rein abstrakte Spiele sein können. Hans konnte dazu die psychologische Erkenntnis beisteuern, daß es wesentlich von den begleitenden Emotionen abhängt liegt, ob ein Ereignis im Gedächtnis gespeichert wird oder nicht. Damit reduziert sich die Anfangsfrage auf eine simple Frage nach Vorlieben. Der Bridgestar Culbertson ließ sich scheiden, weil seine Frau Josefine in einem Titelkampf nicht die Pik-Zwei zurückgespielt hat. Dagegen ziehen sich geborene Kriegerseelen nur dann hoch, wenn sie mindestens ein paar Atombömbchen zünden dürfen. Natürlich über einem Schurkenstaat, wo denn sonst! Alles Geschmackssache!
1. “Diamonds Club”
Ein Ravensburger Spiel von Rüdiger Dorn aus der Ernte des letzten Jahres. Günther hatte das Spiel schon auf der Spiel 2008 in Essen gespielt. Regelsicher war er allerdings nicht mehr, es reichte dazu, einige Regelausführungen von Aaron zu ergänzen. Aber wir gingen das anspruchsvolle Spiel locker an, Fehler und Irrtümer wurden ohne Beanstandungen auch ein-einhalb Runden später noch nachträglich korrigiert.
Ähnlich wie bei den “Fürsten von Florenz” erhält jeder Spieler zu Beginn ein eigenes Tableau, auf dem er sein im Laufe des Spieles erworbenes Besitztum plaziert. Auf dem gemeinsamen Spielbrett in der Mitte befindet sich der Markt, und durch geschicktes Setzen auf die verschiedenen Positionen an Tieren, Landschaften und Gebäuden füllt man sein Privat-Tableau und häuft damit Siegpunkte auf sein Konto.
Es gibt sehr viele verschiedene Entwicklungsrichtungen zu verfolgen. Alle sind mehr oder weniger erfolgreich, und am Ende münden alle in eine Orgie von Prämien und Sonderprämien. Ein konstruktives Spannungsfeld herrscht zwischen der von den Regeln geforderten Diversifizierung der Investitionen und einer angestrebten Monopolisierung in der Entwicklung, die einen progressiven Nutzen bringt. Weiterhin gilt es, eine wirksame Balance zwischen dem langfristigen Ausbau der Erwerbsquellen und ihrer kurzfristigen unmittelbaren Nutzung zu finden.
Günther ging sofort seinen technischen Fortschritt an. Natürlich wußte der erfahrene Fuchs schon vorher, daß die Förderung des Einkommens besonders am Spielanfang den größten Nutzen bringt. Die anderen drei blinden Hühner mußte sich erst in der weiten Landschaft der Siegpunktquellen orientieren, bevor sie einen Spielplan verfolgen konnten. Doch das Spiel ist gutmütig. Viele Vorlieben können zum Sieg führen. Die ersten Züge müssen keineswegs punktgenau gesetzt werden, eine anfängliche Schwächelei kann im Laufe des Spieles durch späteres konsequent-gutes Spiel noch leicht wettgemacht werden.
“Gutes Spiel” besteht – neben der sachgerechten Balance zwischen kurz- und langfristigen Zielen, bzw. zwischen Ein- und Vielseitigkeit innerhalb der Investitionen – zum großen Teil aus einer glücklichen Hand beim Setzen auf dem Markt, sowie aus einer mehr-oder-weniger-zufällig-glücklich-fehlenden Konkurrenz beim hier stattfindenden Setz-Chaos. Hallo Rüdiger, was meinst Du dazu?
Und noch eine Frage: Warum gibt es verschiedene Tierarten (Fische, Vögel und Rehe) zu ersteigern, eine einzige Tierart hätte spieltechnisch doch gereicht! Die Erwerbsmöglichkeiten dafür sind absolut symmetrisch, und ein Trio aus drei gleichen Viechern wird mit dem identischen Aufwand erworben wie eines aus drei verschiedenen. Ist dieses Detail ausschließlich aus ästhetischen Gründen hinzudesigned worden? Oder war das eine Verneigung vor Konrad Lorenz und seinem berühmten “Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen”?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (reduziert wegen Mitspieler-Chaos), Günther: 7 (“super Setz-Mechanismus”), Moritz: 7 (“interessant”), Walter: 7 (ästhetisches Material, ästhetische Spielweise)
Walter wird eine Rezension schreiben.
PS: Mitten aus dem Leben gegriffen:
Aaron hatte vergessen, seinen Setzstein auf das Feld zu setzen, wo er die Orangerie erworben hatte. Damit hätte der nächste Spieler einen Diamanten mehr für die Orangerie hinblättern müssen. Moritz war der Nutznießer dieses Versehens. Kurz danach wurde der Fehler bemerkt. Frage an den Turnierleiter: Muß Moritz jetzt noch einen Diamanten nachschießen, oder wird seine Unterzahlung durchgehen lassen? Frage an die Insider: Hat Moritz einen Diamanten nachgeschossen oder konnte er seinen Vorteil über die Zeit retten? Bestgehütete Geheimnisse am Westpark!
2. “Valdora”
Ein Abakusspiel von Michael Schacht. “Fernab unserer Zeit liegt ein verstecktes Tal voller unermeßlicher Reichtümer. Abenteurer aus der ganzen Welt machen sich auf den Weg, um hier ihr Glück zu finden.” So fängt die Einleitung an, und zwar gleich in fünf verschiedenen Sprachen. Ein Leckerbissen für die Polyphonen.
Die Spieler bewegen ihre Pöppel über die Wege des Spielbretts
– zu Silberminen (um sich mit Liquidität zu versorgen),
– zu den Diamantengruben am Wegrand (in denen das wertvolle Material einfach eingesackt werden kann)
– zu Städten (in denen sie Schürfwerkzeuge erwerben und sich mit Aufträgen eindecken)
– zu ihre Auftraggebern (um die bestellte Ware – Diamanten in vorgegebenen Farben – abzuliefern)
Der Spielablauf ist ein ewiges Pendeln zwischen diesen verschieden Stationen.
Das Ganze geht leider ziemlich zäh und deterministisch zu. Am Anfang hat man weder Geld, noch Aufträge, noch Ladekapazitäten, um große Geschäfte zu machen. Für den nächsten Zug gibt es entweder nur eine einzige Möglichkeit oder eine einzige, trivial zu bestimmende optimale Möglichkeit. Wenn man sich dann langsam hochgeschaukelt hat und hofft, in Freiheitsgraden bei Masse und Mitteln zu schwelgen, liegen keine Diamanten mehr herum. Vielleicht kann man dieses Prinzip als “ausbalanciert” bezeichnen: Das Produkt aus Potenz und Markt ist konstant. Es paßt aber auch der Vers von Wilhelm Busch:
“So geht’s immer, wie ich finde”
spricht der Müller voller Zorn,
“hat man Korn so fehlt’s am Winde,
hat man Wind, so fehlt’s am Korn.”
Ein starkes Programm für Transportoptimierung wäre gefragt. Oder eine von Günthers genialen Faktorenanalysen. Doch dann wären die spielerischen Entscheidungen noch mehr determiniert. Oder ist das etwa die gewollte, aber von mir nicht verstandene Herausforderung des Spiels? Entschuldige, lieber Michael, nach einem ermüdenden Arbeitstag in abgeschlaffter Dödelstimmung um Mitternacht hat ein reiferer Herr nicht mehr genügend Energie, sich hier kommerzielle Perspektiven zu erarbeiten.
Ist es nicht vielleicht auch charakteristisch für den Spielablauf, daß kein einziger Spieler mehr einen sinnvollen Zug tun konnte, als Moritz die Schlußrunde eingeläutet hatte?
WPG-Wertung: Aaron: 7 (fand sein Glück; konnte sich kurzfristig an Moritz’ Schrecken erlaben, ihm vermeintlich den Sieg genommen zu haben; hätte sogar 8 Punkte vergeben, wenn es nicht so autistisch wäre), Günther: 4 (“Aaron, bist Du des Wahnsinns?!”), Moritz: 7 (Sieger mit winning Strategie), Walter: 4 (hat es nicht geschnallt)

Ein Gedanke zu „01.04.2009: Die Nacht der Diamanten“

  1. Nachdem wir nachträglich erkannt haben, daß wir zwei Regeldetails falsch gehandhabt haben, nämlich:

    1. will man ein bereits besetztes Feld betreten muss man jedem Spieler, der dort bereits steht, eine Silbermünze bezahlen.
    Wir haben bei Stadtfeldern nix bezahlt.

    2. Erledigt man einen Auftrag, bekommt man ein Handwerkerplättchen der Auftragsfarbe. Gibt es diese Handwerkerfarbe nicht mehr, erhält man das nächste, im Urzeigersinn vorhandene Plättchen. Hat man einen Auftrag einer Farbe erledigt von der man auch die Werkstatt besitzt, bekommt man ein Bonusplättchen, auch wenn man ein Handwerkerplättchen einer anderen Farbe nehmen musste.
    Bei uns ging man hier leer aus.

    haben Günther und Walter ihre Noten um je einen Punkt angehoben. (Wenn es halbe Punkte gäbe, dann sogar zusammen noch um einen halben Punkt mehr.)

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