Spielregeln sind falsch, wenn sie das Spielen verhindern. (Walter Ludin, Schweizer Journalist)
1. “DR Congo”
Letzte Woche haben wir uns von „DR Congo“ nur mit der Basisversion auseinandergesetzt, einer Suppe ohne Salz, wo wir konkurrierend aber brav und friedlich in den verschiedenen Provinzen des Kongo Industrien aufbauen, damit Geld machen, Städte entwickeln und schlussendlich aus unserem Gesamtbesitz an Mobilien und Immobilien unseren verdienten Anteil an Siegpunkten erhalten. Heute ging es um Salz und Pfeffer und die anderen Gewürze aus der Demokratischen Republik, die aus der faden Suppe noch ein peppiges Piri-Piri machen sollen.
Im Rebellionsspiel sind von Spielbeginn an alle Provinzen mit Rebellionen überzogen, die im Zustand „nicht unterdrückt“ jegliche zivilisatorische Bau- und Entwicklungstätigkeit verhindern. Wir müssen erst einmal „Friedenshüter“ dorthin ausschicken, um die Rebellion damit in den Zustand „unterdrückt“ zu bringen, bevor wir unsere Öltürme und Kohlegrube errichten dürfen. Und wir sollten früher oder später die Rebellen auch noch mittels ausreichend guten Würfel-Würfen siegreich bekämpfen, um ihre blockierende Wirkung total zu eliminieren.
Später erscheinen alle naslang in zufällig bestimmten Provinzen neue Rebellionen und binden aufs Neue Geld, Kräfte und Beweglichkeit der Spieler. Schwarze Rebellionen, aus political correctness heraus mittels grauen Aufständischen dargestellt, schlagen als Vorspiel sogleich los und murksen unsere Friedenshüter ab, wo sie nur welche zu Gesicht bekommen. Die weißen Rebellionen sind vergleichsweise harmlos, verhindern zwar den Entwicklungsfortschritt, sind aber deutlich leichter zu eliminieren und können durch einen einzigen passiven „Friedenshüter“ bereits im Zaume gehalten werden.
Im Regierungsspiel bieten wir um die drei Posten Innenminister, Verteidigungsminister und Finanzminister. Der Innenminister bekommt den öffentlichen Haushalt zugeteilt, darf daraus eine öffentliche Infrastruktur aufbauen (vorwiegend natürlich in der Region der Spielers, der ihn führt) und die Hälfte der so gemachten Kosten in die eigene Tasche stecken. Der Verteidigungsminister kontrolliert die Friedenshüter der Regierung, und kann so mithelfen, eine Rebellion zu unterdrücken bzw. die Rebellion vor der Haustüre eines Mitspielers weiterhin genüsslich schwelen zu lassen. Der Finanzminister dreht an den Preisen auf dem Markt.
Der Versteigerungsmechanismus der Regierungsämter ließ am Westpark eine halbstündige (!), teils erbittert geführte Diskussion um rechtes Regelverständnis entstehen. Der Regeltext dazu lautet: „Das erste Gebot ist immer automatisch das Höchstgebot. Um das Höchstgebot zu überbieten, muss ein Spieler dieses Gebot mindestens verdoppeln. Andernfalls kann jeder Spieler das Höchstgebot bliebig unterbieten …“
Der Sinn dieser Regelung ist, dass ein Spieler, der haarscharf kalkuliert hat, was ihm das höchste Regierungsamt wert ist, nicht mit einem läppischen Hunderter eines Mitspieler überboten wird; der Überbieter darf nicht kleckern, er muß schon klotzen.
Frage: Ist ein überbotenes Höchstgebot das neue Höchstgebot oder nicht? Wenn z.B. Walter als Startspieler 2000 Dollar hingeblättert hat und Moritz ihn mit 4000 Doller überboten hat, darf Aaron dann mit 4100 Dollar das nächste höhere Gebot abgeben, oder muss er mit 8000 Dollar wiederum verdoppeln?
Walter fing tatsächlich mit 2000 Dollar an, keiner wollte ihn überbieten, keine opferte 4000 Dollar für ein fragliches Regierungsamt, das ficht aber niemanden an, bei der Wahrheitsfindung über das Regelverständis eifrig mitzudiskutieren. Wie gesagt, eine geschlagene halbe Stunde lang! Aaron monierte hier auch noch eine Ungerechtigkeit im Bietprozess, nämlich dass sich Moritz – wie auch geschehen – mit 1900 Dollar den unangefochtenen zweiten Platz ersteigern konnte, während er und Günther hier zwangsläufig leer ausgehen mußten.
Heiß prallten die Meinungen aufeinander. Ist der zweite Platz bei den Regierungsämtern überhaupt 1900 Dollar wert? Sollten Aaron und Günther nicht froh sein, mit Null Dollar Einsatz und ganz ohne Regierungsamt davongekommen zu sein? Wechselt nicht ständig der Startspieler, so dass auch Aaron und Günther früher oder später in den Gemuß des jus primae licitationis (hi, Peter, richtig übersetzt?) kämen? Doch für die Wahrheit wurden schon ganze Völker ausgerottet; am Westpark wurden nur geschlagene 30 Minuten totgeschlagen. Und die Stimmung dabei ein bißchen aufgeheizt. Miesnickeliges Spiel ist bei uns ohnehin angesagt. Glücklicherweise bietet die „DR Congo“ nicht viele Angriffsflächen der Spieler untereinander, sonst wären heute die Fetzen geflogen …
Nach einer halben Stunde Regeleinführung, nach ständigem hartnäckigen Nachfragens bei vermeintlichem oder tatsächlich falschem Regelverständnis, und nach regelmäßigem, nahezu ununterbrochenem Nachstudierens des umfangreichen Regeltextes in Deutsch und Englisch waren wir nach drei Stunden Spielzeit mit der Hälfte des Spiels durch. Walter regte einen Spielabbruch an. Aaron enthielt sich der Stimme, Günther fand, dass wir jetzt sowieso nichts „Größeres“ mehr spielen konnten, und Moritz erkannte: „Jetzt läuft es doch gerade richtig an!“ Der Anlauf mit Nichts-Größerem setzte sich durch. Noch eine Runde, noch eine Stunde. Dann brachen wir „DR Congo“ trotzdem ab. Die vorletzte U-Bahn hupte bereits.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (unglückliche Mischung zwischen zuviel Strategielementen und Glückselementen), Günther: 5 (es ist interessanter als die Basisversion, doch durch das hinzugekommene Chaos wird das Spiel insgesamt nicht besser), Moritz: 7 (die Minister sind ein gutes Element, der Markt ebenfalls; die Rebellen sind blöd und können alles kaputtmachen; das Würfelsystem ist zu primitiv; er würde auch die Support-Karten weglassen), Walter: 5 (fand die Support-Karten gut, sie verleihen den planbaren Aktionen der Spielen eine gewisse Flexibilität, das Spiel enthält einige gute Ideen mit bewährte Mechanismen; das Rebellen-Prinzip liegt ihm aber überhaupt nicht, noch dazu hat es einen extremen Einfluss auf den Spielausgang; viel zu lang für die am Ende vollkommen vorhersehbare Entwicklung)
PS: Nach Redaktionsschluss für das Protokoll erreichte uns folgende Nachricht von Aaron:
„Nachdem wir [neben dem Fehler beim “Höchstgebot”] noch weitere Fehler gemacht haben, die vermutlich der Koagulation unserer Ganglien in der Gluthitze in Walters Dachgeschoss geschuldet sind, ziehe ich meine Wertung von gestern vorerst einmal zurück. … Ich möchte dem Spiel nicht Unrecht tun, auch wenn ich glaube, dass die Fehler nicht ausschlaggebend für meine schlechte Wertung sind.“
2. “Worms”
Nein, das ist nicht die Nibelungenstadt in der Pfalz, es ist auch keine Weiterentwicklung von Zochs „Heckmeck am Bratwurmeck“ (Gott bewahre!), es ist Aarons Arbeitstitel für eine neue Spielentwicklung. Aus den römischen Ziffern seines „Valeo“ sind auf unseren Spezialwürfeln jetzt bildliche Darstellungen von realen Wurmabschnitten geworden, und anstatt römische Zahlenwürmer zusammenzusetzen, setzen wir jetzt reale Würmer mit Kopf und Kragen zusammen. Wer den längsten hat, bekommt die meisten Siegpunkte. Natürlich gibt es einen Kampf um den Längsten und um den Besitzstand darin.
Kampf, Wertung, Profit, Quantität und Potential der Spielzüge: alles ist noch im Fluß. Hallo, Ihr Verlage, die Ihr schon mindestens zweimal aus bei uns skizzierten Spiel-Ideen oder Spiel-Titeln Anleihen genommen hat, bedient Euch. Noch ist nichts fertig, nichts patentiert und nichts veröffentlicht. Aber Potential ist in Aarons Würmern ausreichend vorhanden.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Zeugungsphase.
Mit den Erweiterungsregeln tendiert DRCongo in Richtung Amitrash, denn der Zufall zieht mächtig ein und macht Vorausplanungen schwierig bis unmöglich in einzelnen Situationen. So ist bedingt zufällig, wo Rebellen aufgestellt werden und man bekämpft diese per Würfelwurf. Zwar helfen Städteboni dabei, aber besonders in der Anfangsphase hat man diese Boni nicht und da kann eine 3 statt einer 4 allzu schnell eine Niederlage bedeuten, die Spielnachteile mit sich bringt.
Mit einer anderen Erweiterungsregeln kommen Aktionskarten ins Spiel, die zufällig mal den einen oder den anderen Spieler bevorteilen, während die für andere Spiele unnütz sind und diese höchstens eine Karte aus dem Spiel nehmen können, damit die keinem Mitspieler nützt. Die Planungssicherheit sinkt damit erneut.
Die Erweiterungsregel Regierung bringt drei Regierungskarten ins Spiel, die man eine Runde übernehmen und kontrollieren kann. Sofern man die anfängliche Versteigerung gewinnt. Wer da zu wenig Kapital hat, muss halt nehmen, was übrig bleibt. So kann man damit einen Nichtspieler agieren lassen und Schwarzgelder einstreichen. Also agiert man auf den Plan gegen den Mitspieler und zum eigenen Vorteil. Da ab dem Mittelspiel aber alle sowieso überall vertreten sind und überschneidende Interessen haben, fand ich es schwierig, den Nichtspieler noch sinnvoll einsetzen zu können. Mit einer anderen Regierungskarte kann man Marktpreise ein wenig manipulieren, was praktisch aber wenig Auswirkungen hat, wenn alle alles verkaufen können und nur noch die Reihenfolge zählt. Mit der dritten Regierungskarte kann man dann das Militär befehligen und bekommt kostenfreie Truppenunterstützung. Einzig diese Rolle kann man zielgerichtet zum eigenen Vorteil einsetzen, so dass diese dann auch bei unserer Erstpartie immer zuerst genommen wurde.
Mein Fazit: Ein Spiel mit Ecken und Kanten, das in keinster Weise redaktionell rundgeschliffen wurde. Wer so etwas mag, kann sich für den Spielablauf von DRCongo begeistern. Ich empfand das Spiel hingegen arg spannungsarm und mit so vielen Zufallselementen und Mitspielerchaos gespickt, dass mir schlicht die spielerische Kontrolle fehlte. Zudem kann es arg unfair werden, da man anfängliche Rückschläge kaum noch aufholen kann, weil die Reichen immer reicher werden. Doppelfelder nahe Exportmärkte unbedingt als erstes besetzen! Braucht aber sicher mehr als eine Partie, um abschliessend beurteilt zu werden.
Cu / Ralf
Hallo Ralf. Dein Fazit trifft ziemlich gut meine Einschätzung, deshalb hatte ich auch nur 4 Punkte vergeben. Nachdem wir aber einige Dinge falsch gespielt haben, hatte ich meine Wertung erst einmal wieder zurückgezogen. Nach deinem Text kann ich die jetzt guten Gewissens wieder eintragen.
Wer solche Spiele wie Promised Land mag, das ebenfalls von den Ragnar Brothers ist, der wird sicher auch DRCongo mögen. Ein historischer Kontext und darauf etliche Spielmechansimen geflanscht, um diese Historie abzubilden. Ob die auf einer spielerischen Ebene wirklich Sinn machen, scheint dabei zweitrangig zu sein. Heraus kommen besondere Spiele, irgendwo zwischen Eurogame und Amitrash einzuordnen. Das muss man mögen, weil das ist schon sehr speziell.
Mehr als “interessant” fand ich DRCongo hingegen nicht. Zumal es auch noch Mängel in der Umsetzung hat: So sieht der Spielplan zwar optisch toll mit seinem grün-braun aus, aber die farbigen Spielermarker erzeugten fast schon ein Suchbild. Zumal die Doppelfelder zu klein sind und von den Markern fast vollständig verdeckt werden. Ebenso geht es auf dem gemeinsamen Markt arg gedrängelt zu, will man Preismarker und Rohstoffwürfel dort unterbringen und zeitgleich noch die Preise erkennen. Warum Öl als braune (!) Klötzchen dargestellt wird, wissen wohl nur die Autoren selbst. Eben ein Spiel mit Ecken und Kanten, spielerisch wie auch optisch.
Cu / Ralf
Hallo Ralf, Deine Kritik an der graphischen Umsetzung kann ich noch durch zwei weitere Mängel ergänzen:
a) Die Orte, wo die jeweilige Provinzhauptstadt zu errichten ist, muss man mit einer unnötigen Findigkeit suchen, was noch besonders erschwert wird, wenn drum herum viele Rebellen stehen, und
a) die vorhandenen bzw. später ausgebauten Transportwege zum Weltmarkt sind ebenfalls nur sehr schwer zu erkennen.