Enkelkinder sind schön. Enkelkinder sind süß. Enkelkinder sind ein Geschenk Gottes. Alles richtig, alles wahr. Doch in einer tagelangen 24 stündigen Betreuung sind Enkelkinder auch eine Belastung, die am Abend bei den Großeltern ziemlich leere Batterien zurücklässt.
Letzte Woche sind Aaron und Günther mit dicken Paketen und vielen Eindrücken von der Spiel-2015 in Essen zurück- und am Westpark eingekehrt. Es gab einen reichhaltigen Spielabend. Doch dank der leeren Enkelkinder-Batterien gibt es erst heute den zugehörigen Session-Report.
1. “Isle of Skye”
Jeder Spieler baut aus quadratischen Plättchen, die in einem systematischen Muster Wasser-, Wald- und Wiese-Flächen aufweisen, vor sich einen Landschaftsgarten auf. Die Plättchen, die in einer Runde prinzipiell für alle Spieler zur Verfügung stehen, werden verdeckt aus einem Säckchen gezogen. Jeder Spieler zieht drei Plättchen und legt sie offen vor sich aus. Verdeckt kennzeichnet er dann ein Plättchen, das er auf den Müll werfen will, und bietet auf die anderen beiden Plättchen je einen beliebigen Betrag, den er bezahlen wird, wenn das Plättchen nach der nun folgenden Kaufrunde noch ihm gehört.
Gleichzeitig werden von allen Spielern die verdeckten Gebote offengelegt, und reihum darf jeder Spieler genau ein Plättchen eines seiner Mitspieler kaufen. Dafür muss er mehr bieten, als der Mitspieler selbst dem entsprechenden Plättchen zugeordnet hat. Wer Pech hat, bekommt alle beide seiner ausliegenden Plättchen abgekauft, hat dann zwar Geld aber weniger Land; wer Glück hat, darf seine beiden Plättchen behalten und kann sich zudem noch ein drittes Plättchen von einem Mitspieler kaufen. Im Durchschnitt kann jeder Spieler pro Runde zwei neue Plättchen legen.
Inhalt und Struktur jedes Landschaftsgartens bringen Runde für Runde Einkommen und Siegpunkte. Für die zu vergebenden Siegpunkte sind eine Reihe von Kriterien vorgesehen, von denen pro Spiel vier Stück zufällig ausgewählt werden; z.B. gibt es Siegpunkte für jedes Plättchen, das über eine Straße mit dem Zentrum verbunden ist, oder für jedes abgeschlossene Gebiet aus Wasser, Wald bzw. Wiese oder für je drei Plättchen, die in einer Reihe nebeneinander liegen.
Das Spiel geht über fünf oder sechs Runden, und jedes Wertungskriterium kommt in verschiedenen Runden insgesamt dreimal zur Geltung. Alle Spieler können von vorneherein abschätzen, wann und wofür die Siegpunkte ausgeschüttet werden. Allerdings sind wir bei dem konkreten Plättchen, das wir bei uns einbauen können, nicht Herr unseres Schicksals. Die eigenen Plättchen können wir uns nicht sichern, weil mit einer entsprechenden Geldsumme sie jeder Spieler wegkaufen kann. Geld alleine macht aber nicht glücklich, auch nicht auf der Isle of Skye. Auch ein bestimmtes, begehrtes fremdes Plättchen steht nicht 100 %ig zur Verfügung: ein Spieler, der vor uns in der Zugreihenfolge dran ist, kann sich ebenfalls dafür interessieren und es wegkaufen, bevor wir es tun können.
Fazit: Die richtige Summe auf unsere eigenen Plättchen setzen und die richtigen Plättchen von unseren Mitspielern abzukaufen, dass ist der ganze Witz des Spiels. Doch was ist hier schon richtig? Das einfache Setzen und Abkaufen macht das Spiel schnell (wenn wir erst einmal unsere eigenen Plättchen richtig taxiert haben), doch das optimale Auswählen der Plättchen bei den Mitspielern, d.h. das Ausrechnen, wie viele Siegpunkte jedes der sechs ausliegenden Plättchen beim Einbau in unseren Garten in dieser oder einer der nächsten Runden einbringen wird, und welche additiven Chancen es für zukünftige Erweiterungen eröffnet, das ist mühselig und keineswegs spielerisch.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spiel funktioniert, auch wenn es nicht gerade wahnsinnig originell ist. In Essen gab es übrigens überhaupt keine wahnsinnig originellen Spiele!), Günther: 7 (alles ist offen, es gibt massig was zu berechnen, man muss auf Neben- und Chaos-Effekte höllisch aufpassen), Horst: 6 (das locker-flockige Spiel dauert nicht lange, es bietet allerdings nur beschränkte Einflussmöglichkeiten), Moritz: 7 (das Spiel hat mir gut gefallen [dieses Statement hat er von Loredana abgekupfert], die Biet- und Carcassonne-Elemente sind hübsch, wenn auch – zugegebenermaßen – nicht gerade originell), Walter: 6 (das Spiel ist sauber durchkonstruiert und alles funktioniert, er selber hat aber keinen nennenswerten Spaß an der Punkteklauberei).
2. “Auge um Auge”
Nach dem Fehlversuch in einer 3er Runde vor knapp zwei Monaten haben wir es diesmal in einer spielbaren 5er Runde gespielt. Wir würfeln, um uns bzw. unsere Bandenmitglieder gegenseitig totzuschlagen. (Im zivilen Europa reichen zwei blaue Augen, um eine Person außer Gefecht zu setzen.) Der Angreifer kann Mitspieler zum Draufschlagen (Draufwürfeln) einladen, der Angegriffene auch. Blaue Augen gibt es, wenn mehr Angreifer-Würfel mit einer bestimmten Zahl geworfen wurden als Angegriffenen-Würfel. Der Angegriffene tut gut dran, sich nicht zu verteidigen, d.h. die Angreifer-Würfel nicht auszupatten, sondern lieber seinerseits auf die Angreifer einzuschlagen. Denn nicht die heilen eigenen Bandenmitglieder zählen am Ende, sondern nur die Treffer auf fremdes Personal. Wer als Erster innerhalb aller sporadisch zu Gegnern deklarierten Mitspielern (egal ob es Angreifer oder Angegriffene waren) acht blaue Augen erzeugt hat, ist Sieger.
Mit Würfelmodifikationsoptionen (Neu-Würfeln, Augenzahl erhöhen oder erniedigen, Würfel auf beliebigen Wert setzen u.ä.) wird das Würfelglück eliminiert und zu einem uniformen Modifikationsbrei verschmiert. Wie gesagt: Es gewinnt der schnellste Blau-Äugler, wobei es ihm zugute kommt, wenn die Mitspieler ihrerseits – warum auch immer – am wenigsten auf ihn einschlagen.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (ein echter Strategiebrüller: wir haben doch ein paarmal gelacht), Günther: 4 (mehrere Leute hatten am Ende gleichviel Punkte, das ist ein selbstverständliches Ergebnis dieses unzufälligen Würfelns), Horst: 3 (keinerlei Fun; für einen Nobrainer zu unlustig), Moritz: 5 (vom Würfelsystem her gar nicht so unausgewogen; die Kingmakereffekte sind allerdings nicht zu übersehen), Walter: 2 (gute Würfelidee, aber im dem angebotenen Würfelbrei einfach nur ein Zeitvertreib mit Zeittotschlagen).
3. “Qwinto”
Trotz einer Menge neuer Mitbringsel von der Spiel-2015 legte Günther ein Spiel aus dem Jahre 2003 (1994) auf. Rundum würfelt einer für alle. Jeder Spieler wählt dabei, ob er mit einem, zwei oder allen drei verschiedenfarbigen Würfeln würfelt. Es wird die Summe gebildet, die jeder ein seinem individuellen Formular vermerkt. Der aktive Würfler muss die Augensumme eintragen, die Mitspieler dürfen es, müssen es aber nicht.
In jedem Formular gibt es drei Zeilen mit neun Kästchen für die einzutragenden Augenzahlen. Die Augenzahlen müssen in jeder der drei Zeilen so eingetragen werden, dass eine streng aufsteigende Zahlenreihe entsteht. Wer eine Augenzahl nicht mehr in seinem Formular unterbringen kann, es als aktiver Würfler aber müsste, bekommt Strafpunkte.
Wenn der erste Spieler zwei seiner drei Zahlenreihen in seinem Formular komplett füllen konnte, ist das Spiel beendet. Dann werden die ausgefüllten Muster in jedem Formular nach einem vorgegebenen Punktesystem bewertet. Es gibt Sonderpunkte für Vollständigkeit sowie für bestimmte vertikale Eintragungs-Kombinationen. Wer die meisten Punkte bekommen hat, ist Sieger.
Das Spiel besitzt leider eine Regel für Warmduscher: Wer als aktiver Würfler sein Ergebnis nicht eintragen kann, oder wenn es ihm nicht gefällt, darf mit allen Würfeln nochmals würfeln. Eine unnötige Verlangsamung. Es wird doch gewürfelt, da sollte jeder Spieler problemlos mit Zufall, Risiko und Glück zurechtkommen können.
Das Spiel ist dem älteren „Choice“ aus dem Jahre 1989 verdammt ähnlich. Kein Wunder, hat es doch den gleichen Vater: Sid Sackson, einen genialen Spieleautor aus den 70er bis 90er Jahren. (Nach der Biographie bei Luding hat er mehrere hundert Spiele erfunden, von denen gut fünfzig in der ganzen Welt veröffentlicht wurden; u.a. bekam er 1993 für sein „Acquire“ die „Essener Feder“.)
Ich persönlich sehe in „Qwinto“ den erheblichen Nachteil, dass bewusste oder unbewusste Fehleintragungen der Spieler in ihrem individuellen Formular nicht entdeckt werden können. Auch wenn wir alle ehrlich spielen (wollen), so kann sich doch jeder irren, was bei den vielen Eintragungen in Qwinto sehr leicht geschehen kann. Eine solche Fehlerquelle darf in einem guten Spieldesign nicht enthalten sein. Bei „Choice“ konnte man wenigstens noch anhand der Anzahl aller eingetragenen Zahlen und anhand ihrer Summe, die in jedem Formular identisch sein musste, erkennen, ob ein Irrtum vorliegt.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 8, Horst: 7, Moritz: 8 (besser als „Choice“; [hi, ist Dir klar, dass Du für „Choice“ nur 5 Punkte vergeben hast?!]), Walter: 8.
Als kleines Schmankerl gibt es ein Video mit unserer Abschlussdiskussion über die beiden letzten Spiele:
Ich würde Aarons Statement etwas variieren wollen: IN Essen gab es überhaupt keine originellen Spiele der etablierten Verlage (Obwohl Time Stories von ASmnodee durchaus sehr originell ist. Ebenso Pandemie Legacy wenn man so will. Aber das sind koops ;-)
Huch, wo ist denn das Video???
Moritz, das kommt noch. Ich sitz nicht abwartend da, bis Walter einen Spielbericht hochlädt. Habe erst heute Abend Zeit, das zu verlinken.
Walter, was meinst du denn damit, dass Qwinto und Choice den gleichen Vater haben?
P.S.: Mit der Essener Feder wird übrigens eher die Spielregel als das Spiel selber prämiert (Verständlichkeit und Zugänglichkeit).
Hallo Aaron, hallo Ihr Uwe Rapp & Bernhard Lach, Väter von Qwinto, entschuldigt bitte meine falsche Vaterschafts-Zuweisung. Ich bin bei Sid Sackson neben “Choice” auch auf “Quinto” gestoßen, und habe das dann mit “Qwinto” verwechselt. Euer “Qwinto” und Sacksons “Quinto” sind tatsächlich ganz verschiedene Spiele.
Ich bitte recht zerknirscht um Entschuldigung!
So, Video ist jetzt eingebunden.
Qwinto, NSV = neu
Quinto, ASS = Sid, alt
Quinto, 3M = nix Sid, noch älter
Bei so vielen neuen Spielen wird das mit den Namen langsam ziemlich schwierig …