Nachdem meine Tochter in Barcelona wohnt, darf ich doch wohl eine Lanze für das unabhängige Katalonien brechen. Von der Zentralregierung und von den Medien wird immer auf die Verfassung gepocht. Hat Katalonien denn freiwillig dieser Verfassung zugestimmt? Hat nicht Franco (und jahrhundertslang seine Vorgänger) mit Waffengewalt das immer „andere“ Katalonien unter die kastillianische Kontrolle gebracht? Riecht diese Verfassung nicht 10 km gegen den Wind nach Absolutismus? Was wäre, wenn Deutschland schnell mal die Niederlande als Bundesstaat einkassieren würde und dann im Grundgesetz einen Artikel analog dem spanischen 155 einführen würde? Dann könnte man problemlos jeden dagegen aufbegehrenden niederländischen Patrioten ins Gefängnis bringen.
In Berlin würde sicherlich keine Regierung aufschreien, wenn der Freistaat Bayern seine Unabhängigkeit erklären würde. Vielleicht sogar im Gegenteil …
1. “Clans of Caledonia”
In Caledonien (Schottland), nicht in Catalunya (Kastilien) hat Juma Al-JouJou sein Wirtschaftsspiel angesiedelt. Offiziell spielt es in der Zeit des Wandels vom Agrar- zum Industriestaat. Von unseren Lämmern verkaufen wir nicht mehr so gerne die Keulen, sondern lieber die Wolle, aus unseren Kühen machen wir weniger gerne Schinken, lieber lassen wir ihre Milch fließen. Unser Ackerland liefert Getreide, das wir als billige Rohware verkaufen können oder als teureres veredeltes Produkt, nachdem wir es in unseren Bäckereien zu Brot und oder in unseren Destillerien zu Whisky verwandelt haben. Unsere Arbeiter in Wald und Gebirge bringen uns sofort Bargeld ein, ohne dass wir die Früchte ihrer Arbeit erst zu Gesicht bekommen.
Eine gigantische Maschinerie hat uns Juma hier bereitgestellt, das ordentlich nach Schweiß riecht. Das fängt schon damit an, dass sich zu Beginn jeder Spieler ein Clanplättchen heraussuchen muss, womit er sich in Kosten und Nutzen seiner Wirtschaft von seinen Mitspielern abhebt. Was sind die Kriterien, nach denen wir unter den insgesamt 9 verschiedenen Clanplättchen wählen dürfen? Günther wird in Laufe seines Spielerlebens wohl alle einmal ausprobieren. Heute führte er die Campbells, die sich besonders um die schottische Architektur verdient gemacht haben. Sehr zufrieden war er damit nicht, denn er musste damit für teures Geld in Gebäuden klotzen, um an die eher mageren Prämien heranzukommen. Aaron führte die Cunninghams, die schon im 19. Jahrhundert riesige Butterberge erzeugten. Er schwamm in Geld, doch Geld alleine macht bekanntlich nicht glücklich. Walter suchte sich als Startspieler die MacKenzies heraus; damit war die Whisky-Strategie vorgegeben und er brauchte sich lange Zeit nicht um Schafe, Rinder und Käsereien zu kümmern. Vielleicht war Letzteres auch ein Fehler. Moritz wählt die Stewarts, schwelgte in Händlern und dem Zusatzprofit, den sie aus dem Kauf oder Verkauf ihrer Ware erzielten, und hatte seiner Natur gemäß ständig alle Hände voll damit zu tun, das Räderwerk seines Handelsimperium im Gang zu halten. Erfolgreich, denn er wurde damit auch Erster.
Aber soweit sind wir noch lange nicht. Drei Stunden Werken und Wirken standen noch vor uns: Errichten von Landwirtschaftsbetrieben und Veredelungsindustrien auf dem zentralen Spielbrett mit Berg-, Wald und Wiesenheaxagons um ein paar Lochs (kein Schreibfehler!) herum, Arbeitervermehrung, Expansion, Produktion, Veredelung und Handel. Nicht zu vergessen die „Exportaufträge“; dies sind besondere Warenzusammensetzungen, die wir bereitstellen müssen, um sie gegen Sonderprämien in Geld, Entwicklungsfortschritten und „Spurenelementen“ einzutauschen, die in der Endwertung nochmals tüchtig Siegpunkte ausschütten. Sie sind der eigentliche Schlager in der Endwertung, während Geld am Ende kaum etwas wert ist, und unverkaufte Rohstoffe und Fertigwaren gerade mal ein paar Rest-Siegpünktchen einbringen. Moritz schaffte mit den Aufträgen fast zwei Drittel seiner 169 Siegpunkte.
Dafür musste er sich mit seinen Händlern aber auch ganz schön abrackern. Während Walter z.B. mit zwei-drei Spielzügen seine Whisky-Produktion in Fass und Keller hatte und sich in seinem Lehnstuhl den verdienten Feierabend gönnen konnte, musste Moritz noch minutenlang (he, he, das ist jetzt überhaupt keine Kritik!) planen und organisieren und seinen Händlern Aufträge erteilen, bevor er jeweils eine der fünf Spielrunden abschließen konnte.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (wohlwollend, von A bis Z eine [elende] Rechnerei, die mir keinen Spaß macht, zugeschüttet mit Nebeneffekten, auf die man achten muss, anstrengend, nix Neues), Günther: 6 (bis 7, sehr vieles von „Terra Mystica“ abgekupfert, das aber bessere Regeln hat; der Wert der „Spurenelemente“ ist spielentscheidend, aber nur schwer kalkulierbar; hierin kann sogar noch ein Kingmaker-Effekt liegen) , Moritz: 8 (mindestens, super Spiel, jederzeit voll involviert, keine fixe Strategie, sondern ständig flexibles Agieren auf die aktuelle Situation, jede Menge Interaktion durch Konkurrenz), Walter: 7 (für Ingenieursleistung und Balance; es gibt viele hübsche kleine Dinge zu tun, herumzuwursteln und herumzurechnen; für Freaks ein gelungenes abendfüllendes Programm; eine neue klare zündende Idee ist allerdings nicht enthalten; wenn man es schon kennt und der Reiz des Neuen entfällt, ist es viel zu lang)
Generell wurde das Thema kritisiert. Ein paar runde Spielklötzchen als Whisky-Fässer machen noch keinen Highlander. Und wenn Regeln abstrakt aus der Luft gegriffen werden, wie hier z.B. ein freier Exportauftrag nach dem Bauen der vierten Bäckerei, so mag das für die Diversifizierung der Taktiken zwar sehr sinnvoll sein, thematisch ist es aber nicht.
Hans-im-Glück hätte das Spiel gewaltig abgestrippt. Dann wäre es – nach der Mehrheit der WPG-Einschätzer noch – besser geworden.
Wie man dabei aber aus den vielen Schweißtüchern auch noch einen Lacherer herauswringen kann, das bleibt anderen Spielautoren überlassen.
2. “Bluff”
Erstmals in unserer Geschichte verlor dreimal hintereinander je ein Spieler 3 Würfel. Nur Günther nicht. In der Mittelphase schwächelte er allerdings und musste ohne Würfelvorteil mit 1:1 gegen Moritz im Endspiel antreten.
Moritz versuchte es mit Walter’s immer-4-Strategie, Günther zweifelte an und hatte gewonnen. Auch Günthers Immer-5-Strategie hätte Moritz keinen Sieg gebracht. Mit welcher Vorgabe hätte Moritz das Spiel für sich entscheiden können?
Wer sich an die Lösung dieser Aufgabe macht, wird sogleich feststellen: „Da fehlen ja noch Angaben!“ Richtig: Moritz hätte mit der höhern gewonnen!
Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen erreichte uns heute folgende Nachricht:
“Die Verfassung von 1978 wurde tatsächlich in einem Referendum durch das spanische Volk angenommen. Die Zustimmungsquote landesweit war über 91%. In Katalonien lag sie deutlich über dem Landesdurchschnitt und war mit 95,15% die zweithöchste von allen Regionen (knapp hinter den Kanarischen Inseln).
https://en.wikipedia.org/wiki/Spanish_constitutional_referendum,_1978“