1. “Illimat”
Ein simples Kartensammelspiel, bei dem am Ende derjenige gewinnt, der im Laufe seiner Spielzüge die meisten Karten einsammeln konnte, unterwegs dabei auch noch ein paar assoziierte Prämien einstreichen und winterliche Minuspunkte vermeiden konnte.
Das Spielbrett ist ein quadratisches Spieltuch, das in vier Felder eingeteilt ist, auf der in variabler Anzahl und variabler Stückelung Zahlenkarten mit den Werten von 1 bis 14 liegen. Jeder Spieler hat 4 Zahlenkarten der gleichen Sorte auf der Hand, spielt reihum eine Karte und zieht anschließend vom Nachziehstapel eine Karte nach. Dabei kann er beim Ausspielen mit seiner Karte drei verschiedene Aktionen ausführen:
1. säen : Man legt die Karte aus der Hand auf eines der vier Felder auf dem Tuch.
Das ist die dümmste Aktion. Erstens bekommt man durch diesen Zug keinen einzigen Punkt, und zweitens reichert man mit seinem Saatgut nur die Ernte der Konkurrenz an: in weniger als einem Viertel aller Fälle – was der rechnerische Durchschnitt wäre – kann selber ernten können. Beweis? Drei Spieler dürfen vor einem zulangen, und angereicherte Saatfelder werden halt schneller und leichter abgeerntet als bereits an- oder abgegraste Saatfelder.
Leider läßt sich oft genug nicht verhindern, dass man säen muss; mit lauter niedrigen Karten in der Hand, die sich mit den in den vier Feldern ausliegenden Karten nicht kombinieren lassen – siehe unter „ernten“ –, bleibt einem gar nichts anderes übrig. Und wenn die eine nachgezogene Karten ebenfalls niedrig ist, muss man in seinem nächsten Zug schon wieder nur säen!
2. ernten : Man nimmt sich beliebige Karten von einem der Felder, die einzeln oder deren Werte in Summe genau der eigenen gespielten Karte entsprechen, und legt sie auf seinem Erntestapel ab. Hurra, damit werden Siegpunkte gemacht. Der einzige lukrative Spielzug!
3. anfüttern : Man fasst beliebige ausliegende Karten eines Feldes zu einem Paket zusammen, und legt seine Handkarte, deren Werte genau der Wertesumme des Paketes entsprechen muss, noch dazu.
Dieser Zug ist fast noch dümmer als das säen, denn auf diese Weise hat man ein Paket geschnürt, auf das alle Mitspieler sogleich wie eine fette Beute lauern; das zusammengefasste Paket hätte man mit seiner Handkarte doch auch gleich ernten können, und zwar noch mit dem Vorteil, dass man bei seinem nächsten Zug nicht mehr oder weniger gezwungen ist, auf dieses Paket zu lauern – falls es nicht bereits ein Mitspieler abgeerntet hat – , sondern frei auf andere Beutezüge ausgehen kann. Oder haben wir hier ein Regeldetail nicht verstanden.
Bei uns hat im ganzen Spiel – zwei Durchgänge – nur genau einmal Moritz angefüttert, und er hatte Glück, das kein Mitspieler eine Karte auf der Hand hatte, mit der er ihm das geschnürte Paket hätte wegschnappen können.
Damit dieser triviale Karten-Aktionismus noch den Anstrich eines Spiels bekommt, treten beim Abernten eines kompletten Feldes Randeffekte auf: die „Luminaries“ erscheinen und verschwinden wieder. Durch ihr Auftreten werden die Felder mit zusätzlichen Zahlenkarten angereichert oder die Aktionsmöglichkeiten der Spieler werden temporär erweitert, z.B. dürfen sie auf dem vom „Changeling“ beleuchteten Feld eine Karte gegen eine Handkarte austauschen, bevor sie ihren Zug ausführen. Damit kann man immerhin kleine, weniger erträgliche Karten loswerden.
Freiheitsgrad in der Nähe von 0. (Nein, Entschuldigung, ein Mehrfaches davon!) Mittels einer einfachen EXCEL-Logik könnte man den jeweils besten Zug ausrechen. Eine solche Logik hat den Herausforderungsgrad eines „Nobrainer“, falls dieses Wort schon in die deutsche Sprache eingegangen ist.
WPG-Wertung: Aaron: 3 (viel zu aufwendiges Regelwerk für den mageren Spielablauf; absolut unintuitiv; abgestrippt zu einem Mau-Mau hätte es wenigstens 5 Punkte bekommen), Günther: 4, Moritz: 6 (spielt sich relativ locker), Walter: 3 (sperrige Regeln – zumindest kam uns das so vor – für nix und wieder nix).
Vielleicht bekommt das Kartenspiel milderne Umstände, wenn man erfährt, wie es entstanden sein soll. Die Band „The Decemberists“ überbrückte die Auszeiten auf ihren Touren oft genug durch Brettspiele; dabei fassten sie eines Tages den Vorsatz, diesem „seltsamen brettspiellosen Brettspiel“ Leben einzuhauchen. Es sollte den Eindruck eines merkwürdigen, längst vergessenen Kartenspiels vermitteln, das selbst moderne Spieler noch zu fesseln vermag. Ist es ihnen gelungen?
2. “Les Poilus”
Nach dem Warming-Up mit einem 3-Punkte Spiel, waren wir alle innerlich gefestigt genug, uns noch einen weiteren 3-Punkte-Flopp anzutun, und damit etwas für Moritz’ Spielebildung zu tun. „Les Poilus“ hatten wir letzte Woche ohne ihn mit diesem mageren Ergebnis eingespielt, inzwischen war Aaron auf dem „DinxCon“ in Brixen eines Besseren belehrt worden und hat seine vergebenen Punkte glatt verdoppelt. Bei dreimaligen Spielen in 4er und 5er Runden war jedesmal ausreichend großer Spielespaß aufgekommen. Sind wir am Westpark alle so sauertöpfige Naturen, dass sich diese positiven Emotionen bei uns oft genug nicht einstellen?
Aaron durfte Moritz (und nach Möglichkeit auch unseren übrigen Teilnehmern) seine Südtiroler Euphorie rüberbringen. „Sieht nach Ersten Weltkrieg aus! Ist schon mal cool!“ war Moritz’ erster Kommentar. Damit war die Euphorie aber auch schon vorbei.
WPG-Wertung: Moritz siedelte sich mit 4 Punkten im heutigen WPG-Durchschnitt an (kein Schützengraben-Feeling; der Rückhalt ist langweilig; gegen Ende wird das Spiel immer beherrschbarer [: …, wenn, wie diesmal bei uns, sehr schnell der Boden auf dem Bedrohungsstapel sichtbar wird].)
3. “Azul”
Wir sind Fließenleger. Oder Kachel-Künstler. Auf dem Tisch liegen 9 Teller mit je 4 „Kacheln“ („azulejos“) in 5 verschiedenen Ausführungen. (Wirklich schönes Spielmaterial!) Jeder Spieler bekommt ein Tableau, das er im Laufe des Spiels mit den Kacheln füllen muss. Er wählt einen beliebigen der gefüllten Teller, nimmt daraus alle Kacheln einer bestimmten Ausführung und legt sie in sein „Lager“. Die nicht-gewählten Kacheln kommen in die freie Tischmitte. Diese Tischmitte wird danach wie ein Teller behandelt: man darf sich von ihr genauso bedienen wie von einem Teller, die hiervon nicht-gewählten Kacheln bleiben liegen.
In seinem Lager hat jeder Spieler 5 verschieden große Lagerräume: je einen mit den Kapazitäten von 1 bis 5. Passen die entnommenen Kacheln nicht alle in einen der Lagerräume, so müssen die überzähligen auf die „Schutthalde“ geworfen werden und geben beim Rundenende Minuspunkte.
Am Ende einer Runde wird jeweils eine Kachel aus vollständig gefüllten Lagerräumen auf ein definiertes Feld im 5 mal 5 großen Quadrat an der „Wand“ geklebt. Hier fließen dann die Siegpunkte: Jede geklebte Kachel bringt einen Siegpunkt, zusätzlich gibt es Siegpunkte für bereits geklebte Kacheln in der unmittelbaren Nachbarschaft waagrecht oder senkrecht zum neuen Stück.
Herausforderung des Spiels ist es also, die richtige Farbe aus dem richtigen Teller zu wählen, damit den richtigen Lagerraum – peu a peu – zu füllen, um bei Rundenende möglichst viele gefüllte Lagerräume und möglichst wenig Kacheln auf der Schutthalde zu haben.
Keine Angst vor der Schutthalde: die Siegpunkte, die beim Bekleben der Wand sprudeln, stehen in keinem Verhältnis zu den Strafpunkten auf der Halde. Aaron hatte das als erster begriffen und sah bald wie der sichere Sieger aus. Moritz konnte ihn aber noch in der Schlußrunde abfangen, weil er beim geklebten Wandmuster die meisten Zusatzprämien einstreichen konnte. „I had a plan!“
Hätte Walter in seinem letzten Zug nicht nur auf seine eigene Wand geschaut, sondern auch noch darauf, wieviele Siegpunkte die beiden nächsten Mitspieler mit den übrigen Kacheln einfahren konnten, hätte er den beiden erhebliche Prämien aus dem Rachen reißen, und insbesondere Moritz’ Plan durchkreuzen können. – Es ist doch nur ein Spiel.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (einfache Regeln, schnell gespielt; am Ende ist [leider] Kingmakerei möglich und – für entsprechende Spieler – ein langes Ausrechnen ihres letzten Zuges geboten, ansonsten hätte das Spiel 8 Punkte bekommen), Günther: 8 (spannend, Mini-Interaktion [im Kampf um die besten Kacheln, akzeptabel mini]), Moritz: 7 (unterhaltsam, ein nettes Familienspiel, und trotzdem „deep enough“), Walter: 8 (leicht, spielerisch, angenehm in der Handhabung, der Umgang mit den Kacheln ist allein schon eine komboloi-artige psychische Beruhigung).
4. “The Pyramids Deadline”
Aus einfachen geometrischen Gebilden (Quadrat, Rechteck, Trapez, sowie großen und kleinen Dreiecken) mit Einheitsmaßen baut jeder an seiner Pyramide. Die Bauteile liegen zuhauf auf dem Tisch. Mit fünf Würfeln (einem mehr als Spieler), auf denen die Bauteile abgebildet sind, wird gewürfelt; der Startspieler wählt einen Würfel und das zugehörige Bauteil aus und fügt es unter Einhaltung bestimmter Bauregeln in seine Pyramide ein. Der nächste Spieler folgt, etc., bis jeder ein Bauteil eingefügt hat bzw. bis nur noch ein Würfel übrig ist. Dann wechselt der Startspieler und es wird erneut gewürfelt.
Wenn eine vorgegebene Anzahl von Quadraten verbaut wurden (abhängig vom Würfel und der Wahl der Spieler), ist das Spiel zu Ende und die Pyramiden werden bewertet. Pyramiden mit einem Stück „Flachdach“ scheiden aus, ebenso auch Pyramiden, die eine Steilwand von mehr als einer Einheit aufweisen. Es steckt also ein gewisses Risiko in zu üppiger Bau-Kreativität: wer am Ende nicht mehr die notwendigen Bauteile ausgewürfelt bekommt, um sein Dach dicht zu kriegen oder seine zu steilen Mauern abzuflachen, der hat mit 0 Punkten das Nachsehen.
Man darf jederzeit, wenn die eigene Pyramide eine gerade akzeptable Form und Größe hat, freiwillig passen, auf weiteres Bauen verzichten und die Würfel seinen Mitspielern überlassen. Die haben dann pro Würfelwurf einen Würfel, sprich ein Bauteil, mehr, das sie in ihre Pyramide einfügen können. Allerdings gehen dann meist auch schon die Quadrate aus und das Bauen wird ohnehin beendet.
In zwei Durchgängen wurden bei uns nur insgesamt zwei Pyramiden fertiggestellt. Lehre: „Bescheidenheit ist eine Zier, und bei Deadline kommt man weiter mit ihr!“
WPG-Wertung: Moritz: 2 (häßlich vom Material her, reines, witzloses Gewürfel), Aaron: 3 (ich stimme Moritz voll zu), Günther: 6 (als Bau-Geschichtl ganz nett), Walter: 7 (lassen wir das Material mal beiseite, die geometrische Herausforderung, zusammen mit der feinen Dosierung seiner Bescheidenheit schafft eine hübsche Spannung innerhalb einer konstruktiven Aufgabe.- [Welch ein Glück, wir können uns doch noch begeistern! Jeder für etwas anderes!)
Zum “anfüttern” (stockpiling): Das haben wir gestern falsch gespielt und du hast es “noch falscher” beschrieben.
Beim Stockpiling hat man 2 Optionen:
1. Man kombiniert eine beliebige Anzahl (mind. 1) mit der eigenen ausgespielten (aktiven) Handkarte zu einem Stock, dessen Wert der Summe der Karten im Stock entspricht. Man muss dann zeigen, dass man noch eine (passive) Handkarte mit dem Wert des Stocks besitzt. Jeder nachfolgende Spieler, der eine Karte dieses Werts besitzt, darf den Stock ernten, vorausgesetzt es ist nicht Winter. Ein Spieler darf aber auch den Wert des Stocks erhöhen, indem er eine beliebige Karte dazu legt, vorausgesetzt er kann zeigen, dass er eine (passive) Handkarte des neuen Werts besitzt. (Diesen letzten, sehr wichtigen Satz hat uns Moritz gestern unterschlagen).
2. Man kann den Wert eines bestehenden Stocks festschreiben, indem man eine Karte (aus der Hand oder aus dem Feld) mit dem Wert des Stocks quer über den Stock legt. In späteren Runden dürfen jetzt nur noch entweder Karten mit diesem Wert des Stocks daraufgelegt werden oder damit geerntet werden. Eine Veränderung des Stock-Werts ist nicht mehr erlaubt.
Option 1 in der vollständigen Form eröffnet neue Zugmöglichkeiten. Option 2 macht, wie durch schreibst, nur Sinn, wenn man sich sicher ist, dass die anderen Spieler keine Karten mit dem Stockwert auf der Hand haben.
Letztendlich sind also die Regeln noch verschrobener und unintuitiv, ohne dass sich ein höherer Spielspaß dadurch ergibt. Deshalb bleibe ich bei meiner 3er Wertung.
Danke für die Richtigstellung. Selbst dieser triviale Ablauf ist offensichtlich nur schwer zu begreifen.
Sehe ich es richtig, dass das “Anfüttern” eine Möglichkeit ist, auch die ungeliebten kleineren Karten loszuwerden? – Ach nein, nicht unbedingt, man muss dabei ja bereits im Vorhinein eine hohe Karte auf der Hand haben, um das neu geschaffene Paket im nächsten Zug (oder später) auch abernten zu können …
Zumindest gibt es eine Chance, seine kleinen Handkarten durch Erhöhen des Stock-Werts für sich selber zu nutzen (falls man die entsprechende hohe passive Karte hat). Das meinte ich der Aussage, dass es mit der vollständigen Regel weitere Zugmöglichkeiten gibt. Letztendlich lebt man dennoch bei nur 3 Handkarten von der Hand in den Mund und mir ist unverständlich, wie solche BGG-Kommentare möglich sind: “Very much enjoyed playing, and feel further playing would give me more of a feel for a strategy.” oder “Very clever and inventive rules with serious strategic options.” Strategic Options? Wie bitte kann man dieses Spiel strategisch spielen?
Gerade hat auch jemand den Fehler im (zu offensichtlich gephotoshopten) Azul-Foto entdeckt.
Das habe ich fast als Spiele-Rätsel formulieren wollen! Gut beobachtet!
Das Foto stammt aus der ungestellten Szenerie beim Neuaufbau für eine Runde, und a) weil die Tischmitte so leer war, und b) zur Demonstration der Tisch-Steine habe ich einfach die Steine von dem nicht mehr zu sehenden Teller (ganz links) dorthin kopiert!
Der Fehler-Entdecker darf sich bei mir eine Tafel Schokolade abholen!