1. “Race to the New Found Land”
Wie gar nicht so selten im Brettspiel-Milieu, gewinnt man die „Race“, wenn man während des Spielens die meisten Siegpunkte auf seine Seite geschaufelt hat. In der „Race“ gibt es dafür zwei Quellen:
- Waren (verschiedener Sorten) anhäufen und damit europäische Städte beliefern. Jede Lieferung bringt Siegpunkte. Wer am Ende eine Stadt am häufigsten beliefert hat, bekommt dafür noch eine weitere Siegpunkt-Prämie.
- Inseln (vor der kanadischen Küste) entdecken und besiedeln: Jeder Siedler bringt einen Siegpunkt. Bei Spielende werden auch hier für Siedlermehrheiten auf jeder Insel weitere Siegpunkt-Prämien ausgeschüttet.
Die Aktionen der Spieler werden durch sogenannte Schiffe abgewickelt, mittels derer man Waren generieren, Waren abliefern, Inselteile entdeckten oder bereits entdeckte Inselteile besiedeln kann. Zu Spielbeginn fängt jeder Spieler mit einem Schiff an, sehr schnell können wir uns aber weitere Schiffe zulegen, am Ende arbeitet jeder Spieler in der Regel mit vier Schiffen. Dazu kommen noch Charterschiffe für den Einmalgebrauch, die uns innerhalb bestimmter Spielzüge zugeschustert werden.
Das Spielgeschehen ist an keiner Stelle eine spannende „Race“, es ist ein gemütlicher vierfacher Kreisel, in dem wir unsere Besiedelungs- und Lieferungszüge abwickeln, jeder für sich, nur leicht getrübt durch Interferenzen bei der Konkurrenz um (spätere) Mehrheiten oder (aktuell) favorisierte Lieferaufträge.
Durch asymmetrische Startvorgaben (z.B. sind die Spanier bevorzugt beim Besiedeln, die Franzosen beim Handel), wird auch noch dafür gesorgt, dass die Spieler unterschiedliche Interessen verfolgen und die Konkurrenz-Effekte sich abmildern.
Ein gerade richtiger Zufallseinfluss ist beim Entdecken von Inselteilen sowie bei Sonderprämien eingebaut. Ob dieser Zufall dem Planungscharakter des Spiels angemessen ist, sei jetzt dahingestellt. Alles ist ausbalanciert, alle Härtefälle gemildert, für jeden Frust ein Trost eingebaut, alles nivelliert, leider auch die Interaktionsmöglichkeiten, der Wettlauf, die Spielespannung und der Reiz.
Bis auf eines, das nicht ausbalanciert ist: Die naturgegebene Startspieler- bzw. Zugreihenfolge-Asymmetrie. In einer 3er Runde ist ein Spieler zweimal Startspieler, was nur dann gerecht ist, wenn damit keine Vor- und keine Nachteile verbunden wären. Das ist aber nicht der Fall. Wie diese Rolle in der ersten Runde zu werten ist, das lassen wir jetzt einmal offen. Bei uns war Günther als Startspieler in der zweiten Runde als einziger in der Lage, sich mit den angesammelten Ressourcen ein „großes Schiff“ zuzulegen. Damit konnte er sich als einziger in jeder Runde ein Gold generieren und und sich damit sowohl beim Schiffbau als auch beim Liefern die größte Flexibilität einhandeln. Er wurde Sieger.
Vielleicht lag das natürlich auch an seinem gewohnt meistenhaften Spiel. Hallo Günther, nimm’ es mir jetzt bitte nicht übel, wenn ich Deinen Sieg AUCH auf Deine unausbalanciert günstige Start-Positionierung schiebe.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (am Anfang war ich angetan, das hat aber gegen den Schluß hin nachgelassen. Fazit, um es mit Schejkspier zu sagen: „Much ado about nothing“; das Spiel schwimmt im Mainstream mit, als Familienspiel nicht geeignet), Günther: 7 (kein Riesenaufbau. Wenn man weiß, wie es geht, kann es schnell über die Bühne gehen. [WS: Wir haben heute 80 Minuten für die Einführung und 100 Minuten für das Durchspielen benötigt!] Sicherlich gibt es Leute, denen es Spaß macht, das Potential dieses Spiels auszuloten), Walter: 6 (konstruktiv bis solitär mit geringen Konkurrenzeffekten, es fehlt der Pfiff. Außer um mit den Spaniern nochmals die Effizienz einer extremen Siedlungspolitik zu betreiben wüsste ich nicht, warum ich das Spiel noch einmal spielen sollte.)
2. “Super-Bluff”
Eine Spielerweiterung, jetzt mit sechs Superwürfeln, d.h. jeder Spieler bekommt einen. Eigenschaft: Die Augenzahl des Superwürfels zählt zweimal. Solange noch fast alle Würfel im Spiel sind, ist die Wirkungsweise fast identisch mit einem sechsten Würfel für jeden. Erst im Endspiel kommen andere Effekte zum Tragen und wir alten Bluff-Hasen müssen (erst noch) ganz neue Logiken entwickeln, um das Spiel in den Griff zu bekommen. Sowohl Walters Immer-4-Strategie wie auch Günthers Immer-5-Strategie sind obsolet geworden. Weil das so ist, wurde noch mehr gelacht als sonst, was aber nur als mehr Überraschung, nicht als mehr Spielspaß zu deuten ist.
Das Spiel wird „verkopfter“. So wie ich mich bisher getraut hätte, bei einigermaßen mit Zahlen und Häufigkeiten vertrauten Nicht-Spielern zur Unterhaltung das Normal-Bluff auf den Tisch zu legen, würde das mit dem Super-Bluff nicht mehr funktionieren. Doch sicherlich gibt es genügend Spielerkreise, die das Normal-Bluff ausgelutscht haben und jetzt eine neue Geschmacksnuance hineinbekommen haben. Und wem das nicht schmeckt, der kann die Super-Würfel ja wie Normal-Würfel behandeln und hat so sein gewohntes, in den Bestandteilen Zufall, Bluff und Rechnen gerade richtig gemixtes Spiel-des-Jahres-1993 wieder. [Mein Gott, was für Evergreens gab es früher doch mal unter dem SdJ-Titel!]
Günther legte am ersten Abend mit dem Super-Bluff gleich einen Super-Wurf hin: 5 mal der Stern! Wenn er jede Woche ein- bis zweimal Bluff spielt und dabei 5 mal ohne Würfelverlust mit allen 5 Würfeln würfeln darf, dann muss er durchschnittlich 30 Jahre lang warten, bis er das nächste Mal diesen Super-Wurf hinlegt.
WPG-Wertung: Die Punkte wurden nicht abgefragt, eine Extrapolation der Eindrücke auf die Noten würde wohl ergeben : Aaron: 8, Günther: 8, Walter: 8.