Aaron war als Autoren-Kompetenz im Ösi-Land und traf dort ein altes Mütterlein, das auch gerade ein Spiel erfunden hatte und es gerne zu Markte getragen hätte. Als erstes erklärte sie Aaron, dass sie das Spiel doch wohl patentieren müsse. Von der Ehrlichkeit der handelnden Verlage beim Prüfen ihrer Spielidee war sie nicht zu überzeugen. Aaron empfahl ihr dann, einfach die Regeln niederzuschreiben, sie einem Freund zu zeigen, und sie dann gemeinsam zu unterschreiben. Skeptischer Einwand: „Ich habe ja nur alte Freunde! Was ist wenn der dann stirbt?!“
1. “Tudor”
Anstelle bei Louis Quatorze sind wir diesmal bei Henry Eighth (dem „Verteidiger des Glaubens“ mit den 7 Frauen) und versuchen uns hier in die höchsten Adelskreise hineinzuintrigieren.
Zu Beginn bekommt jeder Spieler zwei Ringe. Mittels Ringen bekommen wir Karten. Mittels Ringen oder Karten dürfen wir die Adelsleiter hinaufklettern und bekommen dafür bunte Plättchen. Sind wir weit genug hinaufgeklettert bekommen wir neue Ringe und dafür Siegpunkte.
Die Farben der Ringe und ihre Position auf unserer Fingerhand bewirken unterschiedliche Vorteile, darüber darf/muss man sich vom Start weg und von Ring zu Ring ernsthafte Gedanken machen.
Für die Plättchen bekommen wir ebenfalls Siegpunkte, je mehr gleichfarbige Plättchen desto besser. Einzel-Plättchen dürfen wir begrenzt in Schritte vorwärts/seitwärts umsetzen.
In Gang gehalten wird das Ganze durch Höfelinge, die wir auf Manpower-Placement-Areals (MPA) zur Karten-Erzeugungs- bzw. Karten-Nutzung einsetzen. Zur Aktivierung dieser Höfelinge müssen wir (wenigstens einer der Mitspieler) zusätzlich einen Lord auf das MAP setzen.
Da das Platzangeobt auf den MPAs beschränkt ist, können alteingesessene Höflinge hier von Neuplatzierten verdrängt werden. Damit ist ein bisschen Interaktion gegeben. Der Rest ist Schweigen.
Man kann über jeden Zug lange grübeln. Fast wie bei Robbo Ralley: Die falsche Farbe für Karten oder Ring gewählt, und schon ist der Riesen-Raibach-Zug futsch. Da haben wir am Westpark für die intellektuell doch beherrschbaren Einzelzüge – Karte(n) nehmen oder ausgeben – doch tatsächlich stundenlang gegrübelt. Mehr als drei Stunden lang. Dahingegen kam uns die 1 ¼ Stunde Einführung schon kurz wie eine Liebesnacht vor.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (1 Punkt weniger als für das „Forum Trajanum“; very much ado about nothing, da grübelt man bis zu Schluss rum um nichts und wieder nichts), Günther: 6 (die Regeln sind durchsichtig, sprich nicht komplex, die Sonderregeln [z.B. die verschiedenen Vergünstigungen der Ring-Positionen] sind eher undurchsichtig), Moritz: 4 (macht mich nicht an), Walter: 5 (schon wieder ist in dieser geringen Punktzahl auch noch ein Punkt für die Ingenieursleistung enthalten; ein Ablauf wie in einem Ameisenhaufen [in dem ich allerdings noch nicht war]).
Günther war verzweifelt: „Welche Qualtitäten muss ein Spiel denn haben, um am Westpark noch Punkte zu bekommen?“ Wir werden zweifellos älter, reifer, weiser, aber Interaktion, Dynamik, klare Spielziele, Positionen die angreifbar sind, die man aber auch verteidigen kann (und muss), das wären doch schon ein paar Kriterien … Im Grunde also ein stinknormales „1830“.
2. “tar’aram”
Auf einer karierten Fläche sind feste und bewegliche Hinternisse gegeben. Wir müssen mit unseren zwei Pöppeln von der Startlinie bis zur Ziellinie orthogonal vorwärts ziehen. Für die Bewegung spielen wir aus unserer Kartenhand mit fix drei Karten die gustierte Kombination aus, mit der wir a) einen unserer Spielsteine b) einen beliebigen Spielstein eines Gegners oder c) eines der beweglichen Hindernisse um – je nachdem – 1, 2 oder 3 Felder bewegen.
Man braucht ja nicht viel Phantasie, um den chaotischen Ablauf dieses Spiels vorauszusehen. Kein Spieler kann gewinnen, wenn alle gegen ihn spielen. Kann es eine Taktik sein, möglichst nicht aufzufallen und ggf. aus dem Hintergrund irgendwann mal eine Reihe guter Überraschungszüge zu tun? Wohl kaum! Wenn die Mitspieler aufpassen, gewinnt keiner! Wenn alle sehr aggressiv spielen, d.h. wenn immer es geht, irgendwelche gegnerischen Steine nach hinten zu ziehen, hat das Spiel kein Ende. Q.e.d.
Als Spiel im Spiel ist ein Ratemechanismus eingebaut. Jeder Spieler muss seinen fünf Karten A bis E geheim jeweils eines von 8 Symbolen zuordnen (alles höchst thematisch ägyptische Götter, Pharaonen und Hieroglyphen). Wenn man die Zuordnung seines rechten Nachbarn errät – jeder Versuch dazu ist ebenfalls einer der möglichen Züge, die man mit seinen Handkarten machen kann – dann werden die zukünftigen Handkarten alle mächtiger, d.h. man kann mit ihnen als Doppelzug bewegliche Hindernisse und anschließend noch eigene Steine versetzen. – Na ja, vielleicht hat ein Spiel dann doch einmal ein Ende. Q.e.d.
Wir haben das Spiel auf Moritz’ Vorschlag hin mit der Love–Hate-Variante angereichert. Jeder Spieler bekommt verdeckt eine Love-Karte zugeteilt, die ihn mit einem Mitspieler verbandelt, dessen Plus-Punkte am Ende sind auch seine Pluspunkte. Und er bekommt eine Hate-Karte zugeteilt zu einem Mitspieler, dessen Plus-Punkte sind am Ende seine Minuspunkte. Walter war mit sich selbst in Liebe verbandelt (aus diesem Alter ist er schon heraus) und mit Moritz in Hass (dazu war ihm ebenfalls nicht zu Mute). Günther hingegen war Walter mit Hass zu getan und bekam auch gleich zu Beginn die richtigen Karten auf die Hand, um nach wenigen Zügen Walters beide Steine bis an die Startlinie zurückzudrücken. Diese Love-Hate-Kombination gab Walter den Rest. Er setze jetzt seine gesamte Potenz dafür ein, Moritz zu befördern und ihm alle Steine aus dem Weg zu räumen. In einer Rekordzeit konnte Moritz das Spiel siegreich beenden. – Zugegeben, nach einer logischen Love-Hate-Technik hätte Walter besser einen beliebigen anderen Spieler ausgesucht. Aber ihm war halt danach. Dürfen wir nicht auch im Alter noch Gefühle haben?
WPG-Wertung: Aaron: 5 (mit Walter kann man so ein Spiel sogar in 10 Minuten über die Bühne bringen; das Mastermind-Spiel-im-Spiel ist ein Witz, ein störender Fremdkörper), Günther: 3, Moritz: 3, Walter: 2 (Karten spielen für Kingmaker oder Ärgerzüge mit ausschließlich dem Chaos zu verdankendem Sieger ist nicht mein Fall).
Aaron fragte etwas pikiert den Spielverderber Walter, was ihm denn an Barrikade (einem Spiel mit offensichtlich ähnlichem Prinzip) besser gefalle. Hier die Liste:
- Meine Pöppel gehören mir, niemand darf sie bewegen.
- Ich würfele und habe danach einen eindeutigen Zug; ich muss meine Kartenhand nicht danach analysieren, welchen Brandherd ich jetzt damit bekämpfen will resp. welche Ärgerzüge damit möglich sind.
- Ich kann nicht nur mickrige 1-3 Schritte vorwärts gehen, wobei ich hier oft genug schon für einen einzigen Schritt von Hindernissen ausgebremst bin, sondern 1-6 Schritte. Und mit einer 6 darf ich nochmals würfeln. Da geht alles viel schneller.
- Ich habe 4 Pöppel und brauche nur einen einzigen ins Ziel zu bringen; das ist viel spritziger als das dröge Herumhantieren mit dem letzten Einzelpöppel.
Und jetzt kommen die wichtigsten Punkte:
- Es ist immer spannend, teils taktisch, teils vom hübschen Würfelzufall abhängig, welche Seilschaften sich bei Barrikade auf beiden Seiten der Zielgeraden einfinden. Eine koordiniert ziehende Pöppelschar hat immer die Möglichkeit, selbst einen erheblichen Vorsprung eines Einzelspieler auf der anderen Seite wettzumachen.
- Ein einsamer Spieler oder eine Zweier-Seilschaft kann von einer ganzen Pöppel-Bande leicht noch von hinten eingeholt und somit mit ihr vereinigt werden. Dann ergibt es einen hübschen, harten Überlebenskampf bis zum Ziel.
- Die taktischen Gewissensprobleme innerhalb einer Seilschaft sind äußerst spannend: Werfe ich kurz vor dem Ziel meinen Mitspielerkameraden noch heraus, um die wenigen letzten Schritte – vom eigenen Herausgeworfen-Werden ungefährdet – alleine zu versuchen, oder lasse ich ihn bei mir, weil wir zusammen deutlich schneller sind?
- Bei allen Zügen brauche ich immer nur an mich zu denken! Jeder gute Zug fördert – rational nachvollziehbar – in erster Linie meine eigenen Vorteile. Absolut Kingmaker-frei!
Reicht das?