1. “Khôra”
Griechenland. Meistens. Altes. Eh klar. Wir sind Strategen und steigern unser Stadtpotential an Militär, Wirtschaft und Kultur um Eroberungen („Erkundungen“) tätigen zu können, um liquide Mittel zu bekommen und um früher oder später reichlich Siegpunkte über uns hereinbrechen zu lassen.
Unsere Entwicklungsstufen werden mehr oder weniger zwangsläufig pro Runde erhöht, das sonstige Spielgeschehen wird mittels Würfeln und den zugehörigen Aktionen gesteuert:
• 0 = Philosophie = Steigerung des Stadtpotentials, leicht verzögert
• 1 = Gesetzgebung = Erhalten von „Politkarten“
• 2 = Kultur = Erhalten von Sofort-Siegpunkte
• 3 = Handel = Erhalten von Geld
• 4 = Militär = Erfüllen von Voraussetzungen für unsere Weiterentwicklung
• 5 = Politik = Spielen von Politkarten zum Erhalten von Geld, Militärstärke etc., vor allem aber für Siegpunkte
• 6 = Entwicklung = Ausbau der Stadt zum Erhalten von einmaligen, wiederholten oder finalen Ausschüttungen von Geld, Militärstärke etc., sowie für Siegpunkte.
Jeder Spieler erhält eine eigene Stadt mit unterschiedlichen Aussichten zugeteilt, die ihn leicht in die Schiene drücken, nach denen seine Aktionen ausrichten soll. Wer z.B. mit „Sparta“ vorteilhafte Militäroperationen durchführen kann und am Ende auch noch eine riesige Gewinnausschüttung für seine Eroberungen bekommt, sollte hierauf seinen Entwicklungsschwerpunkt legen. Wer hingen mit „Olympia“ stärker für Kulturleistungen belohnt wird, sollte seine Ambitionen in Kultur austoben und hierin ein ständiges, gleichmäßiges Rieseln von Siegpunkten auslösen. Am Ende kann er dafür auch noch einmal dick absahnen.
Natürlich – selbstverständlich für ein gutes Spieldesign – ist es notwendig, überall ein bisschen mitzumischen, um die notwendigen Mittel und Voraussetzungen für seine anvisierten Entwicklungszüge zu schaffen.
Neun Runden dauert das städtische Gewurle, das ohne viel Interaktion über die Bühne geht. Jeder entwickelt und aktioniert sich entsprechend seiner Mittel und seiner Vorlieben in seine Richtung. Selbst das Würfeln für die Aktionen ist mehr oder weniger ein Fake, den jeder Spieler besitzt – nahezu immer – genügend „Bevölkerung“, mittels der man jeden Würfel auf praktisch jede gewünschte Augenzahl drehen kann. Beim Militär sind die angebotenen “Erkundungen” zwar alle unterschiedlich, und wer zuerst kommt, erkundet zuerst, aber im Prinzip sind sie alle gleichwertig: je mehr Militärstärke man für ein Objekt aufwenden muss, desto höher ist auch der Ertrag. Und es besteht auch keine Möglichkeit, einem Mitspieler ein lebenswichtiges Objekt vor der Nase wegzuschnappen.
Die einzelnen Runden werden durch Rundenereignisse angezeigt, die zum Teil allen Spielern etwas geben oder etwas wegnehmen (akzeptabel), zum Teil aber auch nur dem militärisch Stärksten etwas geben und dem militärisch Schwächsten etwas wegnehmen: pfui! Warum hat man in einem von Spieldesign her hübschen, System solche spielerpsychologischen Ärgernisse eingebaut? Sollen etwa die Militär-Ambitionen angeschoben werden? Ist eine große Militärpotenz nicht a priori von großem Vorteil?
Ansonsten gibt es einige Spielelemente, die – bei uns – kaum zum Tragen kamen. Deren (Design-)Aufwand steht wohl zum Nutzen in keiner günstigen Relation, weil – wie z.B. beim Würfeln + möglicher Würfelmodifikation – ein gewünschter restriktiver Effekt gar nicht vorhanden ist. Aber wenn eine umfangreiche Maschinerie wie in „Khôra“ schon so viele Rädchen hat, an denen man sinnvoll drehen kann, dann können wir die paar überflüssigen Rädchen leicht tolerieren; das Spielgeschehen als Ganzes ist noch gut überschaubar und beherrschbar.
Was allerdings die optimale Entwicklung ist, darüber können wir höchstenfalls unser Bauchgefühl sprechen lassen. Günther bekam zu Spielbeginn – zufällig – „Sparta“ zugeteilt, entwickelte seinen Militär- und Ruhmlevel, erwarb sich auf Teufel komm‘ raus „Wissensmarker“ und erhielt allein dafür fast 50 Prozent der Siegpunkte, die Aaron und Walter am Ende besaßen. Für Günther war es etwa ein Drittel seiner Gesamtpunktzahl. Wer hat wohl gewonnen?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Glückselement bei den Politkarten, und überhaupt, ist – für den Charakter eines Planungsspiels – zu groß), Günther: 6 (bis 7; nach den euphorischen Berichten in der Spielbox hätte ich etwas mehr erwartet), Walter: 7 (ein großes, rundes Spiel; für mehr Punkte müsste weniger Entwicklungs-Erbsenzählerei und mehr – spielerische – Interaktion geboten sein).
Bleibt noch zu erwähnen, dass das Spielmaterial sehr vielfältig, funktionell und robust ist, und dass die Spieleschachtel ein sehr – positiv – bemerkenswertes Design hat, in der die vielen Karten, Chips, Pöppel und Marker genau ihren individuellen Platz finden.