1. “Khôra”
Zwiespältig war der Eindruck, den wir vor zwei Wochen bei der ersten Begegnung mit „Khôra“ hatte. Alles ist gediegen, vom Spielematerial angefangen über die mnemotechnisch gelungenen Symbole bis zu den Regeln, aber … Aber was? Heute sollte Moritz seine Meinung dazu abgeben dürfen.
Walter wählte sich Sparta, mit dem Günther beim letzten Mal einen grandiosen Militär-Sieg herausgeholt hatte. Mit reduzierten Verlusten bei der „Eroberung“ von „Errungenschaften“ (bei der Begriffsbildung hat hier offensichtlich ein Gender-Pazifismus zugeschlagen) sollte man mit seiner Militärmacht doch ein Siegpunkt-Bündel nach dem anderen auf sein Konto bringen können. Doch wie sagte schon Wilhelm Busch: „Ohne die gehörigen Mittel soll man keinen Krieg beginnen“, d.h. ohne sich nicht unverzüglich um seine Einnahmen zu kümmern, kommt man mit seinem Militär weder vorne noch hintern hoch.
Zudem trat vom ersten Augenblick an auch Moritz mit seinem Athen auf dem Plan. Man muss seine Soldaten ja nicht ausschließlich unter seinen eigenen Kindern aussuchen, man kann ja auch Söldner rekrutieren. Moritz verwandte seine attische Handelsüberlegenheit (mittels einer sehr glücklichen Politik-Karte) sogleich auf den Ausbau seines Militärs und errang dort die Überlegenheit, so dass Walter trotz seiner Militär-Ambitionen nicht einmal den Kalamitäten entgehen konnte, die vom bösartigen Spiel-Design für den müdesten Krieger vorgesehen sind.
Den Sieg holte sich aber Günther mit Milet. Ein Hoch auf die Wissenschaft, ein Hoch auf Thales, der mit seiner Philosophie und seiner Mathematik sowohl einem gewieften Geldpolitiker Perikles als auch einem draufhauen wollenden Militär Leonidas XII überlegen ist.
Moritz erkannte auch die Schwäche, von der wir beim letzten Mal nur eine vage Ahnung hatten: Eigentlich haben wir keine freien Entscheidungen, gutes Spiel ist mehr oder weniger vorgegeben. Am Anfang brauchen wir Geld und den dritten Würfel, das bestimmt unsere Entwicklungszüge. Die Aktionen, die wir danach tun MÜSSEN, sind durch die Politik-Karten bedingt, die uns das Schicksal in die Hand spielt oder gespielt hat.
Die Würfel sind total überflüssig. In der Realität kann jeder Spieler jederzeit jede Aktion wählen, nach der ihm der Sinn steht, und wenn man die – lästigen – Würfel weglässt, erkennt man erst, wie – von der jeweiligen Spielsituation – vorgegeben die Aktionen sind, die wir wählen müssen.
WPG-Wertung: Auch Moritz schloss sich mit 6 Punkten der WPG-Mehrheit an (nicht schlecht, aber auch nicht geil, zu simpel sind die zu treffenden Entscheidungen).
2. “Regicide”
Königsmord. Ein kooperatives Kartenspiel für 1 bis 4 Spieler, das wir am letzten Montag online via Board-Game-Arena gespielt hatten. Zum Pech für Autor und Verlag wird für das Spiel lediglich ein stinknormales Rommee-(Canasta/Bridge)-Kartenset benötigt. So etwas gab es selbst in Walters sehr beschränkten Arsenal von Spielen, und wir konnten unsere Online-Erfahrungen vom Wochenanfang heute ohne das Material des Verlags mit unseren eigenen Standard-Karten mit Life-Erfahrungen bereichern.
Die Buben, Damen und Könige des Kartenspiels sind „Monster“ mit Stärkepunkten und Schädigungskraft. Jeweils eine Karte davon wird ausgespielt, und wir müssen reihum (oder ein einzelner Spieler als Patience alleine für sich) jeweils eine Karte (As, 2, 3 … bis 10) ausspielen, um die Stärke und/oder Schädigungskraft des Monsters zu reduzieren oder ganz zu beseitigen.
Dazu hat jeder Spieler beim Start 6 Karten auf der Hand. Kreuz-Karten reduzieren die Monster-Stärke doppelt, Pik-Karten reduzieren auch die Schädigungskraft, nach dem Spielen von Karo-Karten dürfen weitere Karten vom Nachziehstapel nachgezogen werden, und mit Herz-Karten werden Karten vom Abwurfstapel auf den Nachziehstapel recycelt.
Die Buben sind noch ziemlich lasche Monster mit 20 Stärke und 10 Schädigungseinheiten, doch wenn wir dann zu den Königen mit 40 Stärke und 20 Schädigungseinheiten kommen, wird es haarig; oft ist der erste König bereits der Tod der Spielerrunde, wenn wir überhaupt so weit kommen.
Viermal haben wir es letzten Montag online in einer Dreierrunde versucht und nicht geschafft, heute im Life-Betrieb haben wir zweimal ebenfalls versagt. Das ließ Moritz keine Ruhe, und wir tüftelten zu dritt an der Solovariante.
Ganz wichtige Spieltechnik: Wir müssen mit einer KARO-Karte das jeweilige Monster GENAU killen. Dann kommt die Monsterkarte nämlich auf den Nachziehstapel, und zwar an oberster Stelle, so dass wir beim durch die Karo-Karte ausgelösten Nachziehen sofort das soeben gekillte Monster nachziehen und nutzen können. Damit können wir die Stärke und/oder Schädigungskraft des neu aufgedeckten Monsters unverzüglich erheblich reduzieren. Eingedenk dieser Technik schafften wir es, auch den letzten König zu besiegen. Es war zwar kein „Gold Victory“ und auch kein „Silver Victory“, weil wir in unserer Schlacht beide Jocker einsetzen mussten, aber es war immerhin ein VICTORY.
Vielleicht hat der eine oder andere von uns jetzt Lust, in einer Mußestunde mit einer Regicide-Solo-Partie seine königsmörderischen Fähigkeiten zu vertiefen.
WPG-Wertung: Noch keine Punktevergabe. Walter findet das Solo-Spiel ganz bemerkenswert, doch eine Dreierrunde, bei der sogar eine Kommunikation über die jeweiligen Kartenhände verboten ist, hat keinen besonderen Reiz.