1. “IKI”
Schon vor einiger Zeit lag das Spiel in Moritz‘ Spielhölle auf dem Tisch; letzte Woche und heute durfte der Kandidat für das „Kennererspiel des Jahres 2023“ auch am Westpark seine Qualitäten demonstrieren.
Eigentlich ist das Ganze mehr oder weniger ein Worker-Placement-Spiel, auch wenn das Thema über Läden und Verkaufsstände in Tokio aufgezogen ist. Jeder Spieler hat vier Arbeiter, die er auf den 8 festen öffentlichen Arbeitsplätzen des Spielfeldes und/oder auf bis zu 16 privaten Arbeitsplätzen der Spieler einsetzen kann. Auf diesen Arbeitsplätzen werden die Ressourcen Geld, Holz, Reis, Gold, Schrittweiten oder Siegpunkte eingehandelt oder ineinander umgetauscht. Weiterhin kann man auf einigen Arbeitsplätzen Fische, Tabaksbeutel oder Tabakspfeifen kaufen, oder mit bereits erworbenen Ressourcen – teuer erkauft! – Gebäude errichten. Alles liefert Siegpunkte.
Vor dem eigentlichen Zug kann jeder Spieler entscheiden, ob er gegen Geld einen neuen, weiteren privaten Arbeitsplatz kauft und irgendwo auf dem Spielbrett, wo noch Platz frei ist, zu einem der festen Arbeitsplätze hinzufügt, oder ober er lieber 4 Geldeinheiten kassiert. Geld ist wichtig. Sogar viel Geld ist wichtig. Unser 1830-Motto „keep fully invested“ ist hier nur bedingt gültig.
Nutzen fremde Spieler unseren Arbeitsplatz, so steigt dieser im Wert; nach der dritten Wertsteigerung geht er in Pension, ist für niemanden mehr nutzbar und bringt in den Einkommensrunden nur noch uns selber einen Ertrag. Hier ist leider eine gewisse Kingmakerei möglich, denn ob ich – bei gleicher Leistung – den Arbeitsplatz des Mitspielers A statt den von B nutze, ist für mich gleichgültig, begünstigt aber A und nicht B. So sind Seilschaften möglich, die nicht unerheblich zu Einkommen und Siegpunkten beitragen können.
Bemerkenswert ist das Feuer, das nach drei definierten Spielrunden an einer zufällig gezogenen Stelle der Stadt ausbricht und der Reihe nach alle privaten Arbeitsplätze vernichtet, sofern man nicht über eine entsprechend hohe Feuerlöschfähigkeit verfügt. Die drei Feuer vernichten allerdings nur maximal jeweils ein Viertel der Stadt, und wenn man Glück hat, liegen die eigenen betroffenen Arbeitsplätze gerade neben einem versierten Feuerwehr-Mitspieler, der die Flammen löscht, bevor sie uns erwischen; mit einem gewissen Risiko könnte man also auf Feuerlöschfähigkeiten verzichten, doch damit ist zugleich die wichtige Startspielerrolle verbunden. Wer die höchste Feuerlöschfähigkeit aufweist, darf in der nächsten Runde beginnen.
Dieses Beginnen ist äußerst wichtig, es ist das Herzstück von IKI. In der Zugreihenfolge wählt jeder Spieler, wie viele Schritte er in der nächsten Runde mit seinem Boss zu ziehen gedenkt. Es sind die Schrittweiten 1 bis 4 möglich, und jede Schrittweite darf nur einmal gewählt werden. Der Startspieler hat freie Auswahl; damit kann er vor allem frei den öffentlichen und/oder privaten Arbeitsplatz anpeilen, an dem er in seinem Zug werkeln will. Bei einer 4er Runde braucht sich der Letzte in der Zugreihenfolge über seine Wahl keine Gedanken zu machen, es bleibt ihm nur eine einzige Schrittweiter übrig. – Mit einer Ausnahme: Es gibt noch ein weiteres Feld, auf dem man sogar nochmals frei wählen darf, ob man 1, 2, 3 oder 4 Schritte gehen will; dieses Feld ist aber nur ein Notnagel, denn damit verliert man das Recht, einen neuen privaten Arbeitsplatz zu kaufen und man bekommt auch nicht ersatzweise die 4 Geldeinheiten dafür.
Die gewählte Schrittweiter hat aber noch einen weiteren Effekt: Wer die wenigsten Schritte gewählt hat, darf als Erster seine weiteren Aktionen ausführen. Insbesondere hat er das erste Zugriffsrecht auf die ausliegenden privaten Arbeitsplätze, die in einer vorgegebenen Kombination progressiv-steigend viele finale Siegpunkte einbringen.
So kämpfen wir uns durch 12 Monate, sprich 12 Runden, erhalten nach jeweils 3 Runden die Erträge von unseren privaten Arbeitsplätzen, lassen 3 Feuerbrünste über uns ergehen, und können in einer 13ten Final-Aktion noch versuchen, unsere letzten Ressourcen höchst lukrativ anzulegen.
Das Spiel erlaubt verschiedene „Strategien“, z.B. die Fisch-, die Tabak- oder die Gebäudestrategie. Weiterhin kann man sein Geld maximal in Arbeitsplätze investieren, um in den Ertragsphasen davon maximal zu profitieren, oder man kann eine erkleckliche Summe in Reserve zu halten, um dann zuschlagen zu können, wenn ein besonders einträglicher Arbeitsplatz ins Angebot kommt. Mit viel Geld kann man auch die „Goldstrategie“ fahren, d.h. seinen Siegpunkt-Raibach über eine Vielzahl von Gebäude zu machen. Natürlich ist man bei seiner Wunschstrategie auch davon abhängig, was das Schicksal, sprich die jeweils ausliegenden Arbeitsplätze, bietet, und was einem die Mitspieler davon übriglassen.
Letzte Woche hat Moritz mittels Gold- resp. Gebäudestrategie haushoch gewonnen. Diesmal – in einer 3er Runde ohne Moritz – hat Günther mittels Tabakstrategie gewonnen. Obwohl er so nebenbei auch noch die Fischstrategie fuhr, denn diese ist sowohl nebenbei mitgezogen auch als Vollziel nur ein Klotz am Bein.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (gut, aber knallhartes Optimierungsspiel), Günther: 7 (sehr viel Interaktion, aber auch hoher Stressfaktor), Moritz: 8 (das Spiel ist sehr gut konstruiert; Extremstrategien bringen nichts, man muss immer wieder flexibel auf die Situation reagieren), Walter: 8 (komplex und kompliziert, der Spielablauf ist aber vom der Ausstattung sehr gut unterstützt, wichtige Balance-Regeln sind im Design alle beachtet: die Bäume wachsen nicht in den Himmel, der Spieler mit dem meisten Besitz ist in seinem Handeln limitiert, er muss auch die meisten Steuern bezahlen und seine zahlreichen Arbeitsplätze sind natürlich am stärksten gefährdet.).