“7 Ages”
Moritz konnte endlich einem wohlwollenden Haufen sein liebstes Kind, “7 Ages” vorführen. Ein normaler WPG-Spielabend reicht natürlich nur für eines der 7 Ages, aber als Kostprobe und um auf den Geschmack zu kommen, sollte das sicherlich genug sein.
Als erfahrener Liebhaber und Experte konzentrierte Moritz sich und uns gleich auf die wesentlichsten Spielelemente: Wir verzichteten auf die Ereigniskarten (sie machen das Spiel zu einem unberechenbaren Chaosspiel) und beschieden uns mit der kleinen Auswahl von 673 (statt 800) verschiedener Charaktere. So waren wir nach einer guten Stunde Erklärung mit den Regeln auch schon durch und wendeten uns mit Moritz Hilfe den ersten Spielzügen zu.
Aaron war Startspieler und nach kaum 10 Minuten eifrigster Beratung von Moritz war er mit seinem ersten Zug flüssig fertig geworden. Bei Günther dauerte die Hilfestellung nur noch 9 Minuten. Ich war dritter und hatte als einzige Zugmöglichkeit, entweder Australien zu entdecken oder mir neue Karten zu besorgen. Da ich Australien aus verschiedenen neuzeitlichen Erfahrungen zwar sehr schätze, aber nicht viel Lust hatte, mich weit vor unserer Zeitrechnung die ersten Jahrhunderte meines Daseins ganz alleine mit Känguruhs herumzuschlagen, wollte ich als ersten Zug schon auf Australien verzichten und alle meine Aktionskarten gegen ein neues Handset tauschen, um ein neues Glück näher an der Wiege der Menschheit zu versuchen. Aber Moritz redete auf mich ein, wie ein Bauer auf seine kranke Kuh: ich sollte auf keinen Fall die Besiedelung Australiens so achtlos von mir weisen sollte. Ich vertraute auf ihn und entdeckte Australien.
Überhaupt Moritz: So uneigennützig wie heute war er noch nie aufgetreten. An jeden verteilte er eindringlich und leidenschaftsvoll die besten Tips. Jedem griff er selbstlos wie ein barmherziger Samariter unter die Arme. Jeder war für ihn das gehätschelte Kind, das er mit aufrichtiger Mutterliebe an beiden Händen auf dem richtigen Weg führen wollte. Schließlich ging es darum, sein 10-Punkte-Non-Plus-Ulta-Spiel einem größeren Freundeskreis zuzuführen. Keiner sollte aus Mißverständnis oder aus frühzeitiger Frustration auf eine 4 Punkte-Bewertung kommen. Sogar seine eigenen aggressiven Entwicklungsmöglichkeiten setzte er hinten an, um eine möglicherweise schlechte Notengebung zu verhindern. Vielleicht wird es doch noch mal bei uns “Spiel des Monats”.
Natürlich konnte er auch die Situation genießen, in einer WPG-Runde gleich vier kompetente Rollen auf einmal zu spielen. Wir waren dankbare Zuschauer seiner Spielkünste und ließen uns von ihm gerne unsere Spielaktionen diktieren.
Aarons erster Zug dauerte übrigens noch etwas länger als 10 Minuten. Wir bemerkten rechtzeitig, daß das von Aaron gegründete Makedonier-Volk gleich nach seiner Entstehung zwei zusätzliche Spezialzüge durchführen konnte. Es war uns nicht sofort aufgefallen, daß Aarons Führer – nicht Moritz, sondern Alexander der Große – gerade die komplizierteste Figur des ganzen Spieles ist. Steht ja erst auf Seite 17 der Spielregeln erklärt. Aber dank Moritz Hilfe war Aaron erster Zug nach weiteren 10 Minuten zur Freude und Zufriedenheit aller ergänzt und abgeschlossen.
Moritz war – ingesamt gesehen – nicht ganz so uneigennützig, wie man es aus seiner zartschmelzenden Stimme und Beratertätigkeit hätte entnehmen können. Als wir nach 2 Stunden Spielzeit in der dritten Runde neue Völker gründen durften, wußte er auf einmal glasklar, daß die schwarzen Hunnen überhaupt das geilste Volk der “7 Ages” sind: 25 Dollar Erstausstattung für das Militär und die Kontinente Asien und Europa schutzlos ausgeliefert. Eine winzige Einzelheit, die ihm in der Startphase, als jeder noch seine Völker frei zusammenstellen konnte, total entfallen war. Als er sich wieder erinnerte, war er zufällig gerade am Zug. (An die Spells ab der dritten Runde konnte er sich später glücklicherweise doch nicht mehr erinnern.)
Wir lösten uns jedenfalls so langsam aus Moritz liebevoller Vormundschaft und planten unsere Züge selber. Soweit einem das Spiel dazu die Freiheit läßt. “Ein guter Go-Spieler spielt immer bei sich selbst!” Diese Weisheit ist auf “7 Ages” nicht anwendbar. Das Spiel schickt uns ohne Wahl in die entlegensten Ecken der Welt. Dabei ist es auf einem fast zwei Meter großen Spielbrett, für das ein einziger Ausziehtisch kaum ausreicht, gar nicht so einfach, von Sibirien aus die Indianer-Völker in Feuerland zu regieren. Oder zu bekämpfen.
Ich baute die hängenden Gärten ganz ungestört über den Ayers Rock. (Damals hieß er noch so? Heute heißt er heißt er ja schon “Uluru”. Oder hieß er damals schon so?) Ich brachte den Steinzeitmenschen in Australien die Demokratie. Moritz errichteten die Pyramiden bei den Tamilen, Aaron baute die große chinesische Mauer mitten durch den Kongo und Günther erleuchtete die Azteken in Mexiko mit dem Tempel der Diana. Als uns das plötzlich irgendwie anachronistisch vorkam, verkündete Moritz: “Ich finde das ganz toll, die Geschichte neu zu schreiben!” Ja wenn man das so sieht
Dank Aarons Beschleunigung (Handels-Aktivitäten) waren wir nach ca. 3 Stunden mit dem ersten von sieben Ages durch und Aaron hatte gewonnen. Es war ein Start-Ziel-Sieg. Ich hingegen bekam eine Start-Ziel-Rote-Fahne. Weder die Polen, das Lieblingsvolk meiner ungarischen Frau, noch die Piraten (sind die nicht irgendwie verwandt, schon allein vom Alfabeth her?), und natürlich auch nicht die australischen Aborigines konnten mir zu Glanz und Gloria verhelfen. Das lag mit Sicherheit nicht an Moritz’ guten Ratschlägen. Es lag einfach daran, daß drei Stunden Spielzeit mit nur einem einzigen Age nicht ausreichen, die Ungleichgewichtigkeiten der Startaufstellung zu neutralisieren. Wenn wir uns noch weitere 24 Stunden mit dem Spiel verlustifiziert hätten, und uns auch die anderen sechs Ages vorgenommen hätten, dann wäre alles sicherlich ganz anders verlaufen. Vielleicht.
WPG-Wertung: Aaron: 8 Punkte (reichts jetzt für S.d.M?), Günther: 5 (tolerierbar für S.d.M?), Moritz: 10 Punkte (was denn sonst)), Walter: 5 Punkte ( tolerierbar! Schließlich ist schon allein die Farbgebung im Titel identisch wie bei “1830”!)
Feuerteufel
Ein hübsches kleines Stichspiel, in dessen Geheimnisse wir noch lange nicht eingedrungen sind. Gibt man seinem linken oder seinem rechten Nachbarn die bösartigere Karte? Wie spielt man mit vielen unangenehm kleinen Karten, wenn man nicht weiß, welche noch kleineren Karten im Spiel geblieben sind? Grundsätzlich so wenig wie möglich eigene Stiche, damit man höhere Chancen hat, die faulen Gurken noch irgendwie loszuwerden?
Es steckt viel drin, in diesem kleinen Spiel. Besonders wenn man die beigelegte Erzählung von Stevenson gelesen hat.
WPG-Wertung: Keine neuen, nur alte, gute Wertungen