Alle Beiträge von Walter

15.07.2020: Kein Wind und kein Korn

1. “The Grand Trunk Journey”

Ein Eisenbahnspiel. Moritz durfte beruhigt sein: ohne Aktien und ohne Präsidenten. (Na ja, die sind heutzutage auch nicht mehr das!) Eher ein Transportoptimierungsprogramm. Wir fahren mit einer Lok und einem (später auch zwei) Wagons durch die Gegend, liefern in einer Stadt (oder einem Hafen) die dort begehrte Ware ab und laden das auf, was sie produziert. Damit fahren wir in unserem nächsten Spielzug die nächste Stadt an. Bis eine Reihe von Tagen vergangen ist und der beste Transporteur gewonnen hat.

„The Grand Trunk Journey“ – Wasser statt Wein

Die Städte, um die es geht, sind durch ein Schienennetz miteinander verbunden. Die Schienen liegen alle schon komplett auf dem Spielplan vor, von den Städten sind zu Spielbeginn aber nur vier für unseren Handel zugänglich, die weiteren müssen im Laufe des Spiels erst eröffnet werden. Soweit so gut.

Die Spieler machen ihre Spielzüge über ein Kartendeck, das wrap around genutzt wird. 12 Karten gibt es insgesamt, 5 davon hält der Spieler in seiner Hand, und spielt sie – soweit passend – „beliebig“ aus. Die multifunktionalen Karten geben an:

1) Die Zielstadt bzw. einen Hafen, wohin ein Spieler in seinem nächste Zug fahren darf.

2) Die Wagons, die er an seinen Zug anhängen darf. Jeder Wagen kann nur definierte Waren laden.

3) Sonderfunktionen, wie:

  • eine beliebige der noch geschlossenen Städte für den Handel zu eröffnen
  • die Zugstärke der Lokomotive um einen Wagen zu erhöhen.
  • einmal einem Wagen eine erhöhte Ladekapazität zu geben.
  • eine Stahl-Einheit von einer Stadt in eine Nachbarstadt zu verschieben; entweder weil man sie dort selber laden will, oder weil man sie einem Mitspieler aus dem Rachen holen will, oder aus einer ähnlichen miesnickeligen Ambition.
  • eine (von 12) Fortschrittskarten an sich zu nehmen, die marginale Vorteile im Spielgeschehen bieten, vor allem aber in der Siegpunktabrechnung bei Spielende einen hübschen Faktor abgeben.

Nicht alle Karten können alles. Manche Karte sind nur als Wagons, andere nur für Städte und Sonderfunktionen nutzbar.

Bis hierher können wir mit dem Spieldesign noch ganz gut leben. Aber jetzt kommt Not und Elend. Die fünf Karten, mit denen wir hantieren müssen, reichen vorne und hinten nicht aus, eine auch nur minimal befriedigende Transportleistung abzuwickeln.

Es kommt mehr als oft vor, ja es ist fast Standard, dass

  • wir keinen geeigneten Wagon haben, um in unserer aktuellen Stadt eine der dort vorhandenen Waren aufzuladen. Wir müssen leer abfahren.
  • wir keine Karte für irgendeine Stadt haben, an der wir unsere Ladung loswerden können.
  • wir keine Ware für die wenigen Städte haben, die wir überhaupt anfahren dürfen.

Entsprechend häufig kamen bei uns Aussprüche vor wie:

  • Das kann ich jetzt wieder nicht mehr spielen.
  • Dort kann ich eh nicht hinfahren.
  • Ist das wirklich sinnvoll?
  • Himmeldonnerwetter!
  • Das ist doch Kacke!
  • Ich krieg die Krise!

Das extreme Eingesperrt-Sein durch die sehr engen Warenabnahme- und Warenlieferungs-Kapazitäten der Städte, die begrenzte Wagonpalette des eigenen Zuges (bis zu Null!), die extrem eingeschränkte Auswahl anzufahrender Städte (bis zu Null!) machen aus dem erwarteten saftigen Transportspiel ein trockenes Befreiungspuzzle.

Ein Großteil der Spielelemente kann allein von den Randbedingungen her nicht genutzt werden. Theoretisch kann man seine Lokomotive auf bis zu vier Wagenstärken ausbauen, aber was soll denn das, wenn man nie und nimmer vier zur Stadt passende Wagons auf der Hand hat und für einen blinden „Aufbau in Hoffnung“ das Spiel zu kurz ist!?

Wie soll ich in dieser engen Zwangsjacke Tage, Strecken und Ladung einrichten, damit ich genau am 36ten Tag der Reise mit Kohle (das bringt was) und Stahl (das gäbe Sonderpunkte) in Utica ankomme? Diese Sonderlieferungen hat bei uns Frau Random weitgehend der Katz überlassen.

Welchem der aufgeführten Tester ist dieses unablässige „Nichts-geht-mehr“ denn nicht aufgefallen? Frust ohne Schadenfreude (wir sehen noch nicht einmal die Malaise eines Spielers bei der Planung seines Zuges, wir können sie ggf. nur hören) ist in jedem Spieldesign kontraproduktiv. TGTJ ist ein Meister darin!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (eigentlich ein schönes Spiel; ich würde ihm liebend gerne 7 Punkte geben, aber es steckt voller Frust-Elemente und ist dementsprechend enttäuschend), Günther: 4 (oft kann man gar nichts machen; die Fortschrittskarten sind nicht ausgegoren; nur zwei sind gut, und diese schnappen die beiden weg, die zufällig als Erste die entsprechende Sonderaktione nutzen können), Moritz: 4 (wenn man alles beseitigt, was man hier weglassen muss, damit das Spiel funktioniert, landet man bei „Age of Steam“, ein Spiel das viel spannender und kompetitiver ist), Walter: 4 (Wir leben von der Hand in den Mund, und zwar von einer Knochenhand; ohne Aarons Stahl-Sieg schmälern zu wollen, zeigt sich der Spielcharakter schon dadurch, das Moritz Vorletzter und Günther Letzter wurden!

2. “Abluxxen”

Ein dutzenmal lag dieses schnelle Kartenspiel schon bei uns auf dem Tisch, das letzte Mal allerdings schon vor anderthalb Jahren, so dass uns Moritz heute nochmals in die Regeln einführen musste. Gekonnt wie immer. Sein Fazit am Ende: „Eines der besten Kartenspiele“! Diesem Ausspruch stimmten alle zu.

WPG-Wertung: Keine Änderungen für ein 8 Punkte-Spiel.

 

08.07.2020: Bingo in der Tiefsee

1. “Man muss auch gönnen können”

Es heißt doch „jönne könne“! Selbst in Oberbayern ist diese Redewendung in Kölsch geläufiger als das Hochdeutsch. Aber immerhin mal wieder ein alternativer Titel für ein Spiel.

Jeder hat eine Anzahl von Kärtchen vor sich, in denen Bingo-artig die Augenzahlen von Würfelergebnissen eingetragen werden müssen. Es gibt Kärtchen, wo 4 richtige Würfeleintragungen bereits zur Erfüllung reichen, anderen Kärtchen brauchen bis zu 8 Richtige. Manchmal sind die einzutragenden Augenzahlen genau vorgeschrieben, manchmal wird gefordert, dass nur gleiche Augenzahlen, manchmal auch nur streng aufsteigende Augenzahlen abgehakt werden dürfen.

Es wird mit 5 verschiedenfarbigen Würfeln gewürfelt, und zuweilen wird auf den Kärtchen gefordert, dass die abzuhakenden Würfelfelder nur von genau entsprechend-farbigen Würfeln befriedigt werden können.

Wer würfel? Jeder Spieler reihum. Wenn da ein gewisser Can’t Stop-Mechanismus eingebaut worden wäre, dann wäre jeder seines Schicksals Schmied. Die eigenen Würfelergebnisse darf man aber nur benutzen, wenn man damit alle geforderten Würfelfelder einer Karte komplett abhaken kann. Aber wie oft kann man schon mit 5 Würfeln ein Full-House würfeln? Oder wie kann man gar mit 5 Würfeln die auf manchen Kärtchen geforderte Anzahl von 8 Würfelergebnissen abstreichen?

Hier kommt das „jönne könne“ ins Spiel. Nachdem der Primärwurf eines Spieler meist nicht ausreicht, ein Ziel zu erreichen, darf ein Spieler davon beliebig viele Würfel  rauslegen und bis zu zweimal nachwürfeln. Und von diesen Nachwürfel-Würfen darf auch jeder Mitspieler sich jeweils einen Würfel aussuchen und damit ein Feld auf einem seiner Kärtchen abhaken, auch wenn dieses damit nicht komplett abgehakt wird. Damit werden die dort geforderten Würfelerfordernisse immer weniger, so dass es immer leichter wird, irgendwann mal mit einem eigenen 5-Würfel-Wurf alle restlichen Bedingungen auf einem Kärtchen anzuhaken und damit das Kärtchen erfüllen.

Wer „richtig“ spielt, gönnt nix. Wann auch immer er seinen Primärwurf nutzen kann, sollte er ihn nutzen, kein einziges mal nachwürfeln und seine Mitspielern somit leer ausgehen lassen. Vielleicht ist es sogar besser, lieber einen Wurf komplett verfallen zu lassen als seinen Mitspielern etwas von seiner Nachwürfelei zu gönnen. Wer weiß?

Das Ergebnis einer erfüllten Karte ist dann entweder eine bestimmte Anzahl von Siegpunkten oder Vergütungen beim nachfolgenden Erwerb weiterer Kärtchen. Jeder Spieler fängt mit drei Kärtchen in seiner Auslage an. Hat er in seinem 5-Würfel-Wurf – mit oder ohne Nachwürfeln – drei (oder vier) gleiche Augenzahlen gewürfelt, so darf er jeweils ein weiteres der offen ausliegenden Nachziehkärtchen in seine Auslage übernehmen. Manche „Erfüllt“-Kärtchen reduzieren diese geforderte Anzahl gleicher Augen um 1, man braucht nur noch zwei (oder drei) gleiche Augenzahlen, was vor allem für die Nicht-Gönner ein erheblicher Vorteil ist.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (nix Besonderes), Günther: 5 (die Abhängigkeit von Würfelergebnissen und Aktionen anderer macht keinen Spaß. Ich hätte mein Würfelschicksal lieber selber in der Hand gehabt), Moritz: 4 (ich fand’s öd), Walter: 5 (man kann’s auch Bingo-artig locker nehmen).

2. “Aquatica”

Aquatica – Günther sichtet die Location-Auslage

Jeder Spieler hat ein Set von 6 „Charakterkarten“ in der Hand, von denen er pro Zug eine ausspielen muss. Sie gewährt ihm Geld oder Stärke zum Kauf von „Location-Karten“. (Auch noch etwas anderes, aber das kriegen wir später.) Zusätzlich hat jeder Spieler eine Reihe von „Mantas“, die ihm ebenfalls Geld oder Stärke gewähren. (Auch noch etwas anderes, aber das kriegen wir später.)

Locations gibt es in vier verschiedenen Farben und bis zu fünf Stück kann jeder Spieler gleichzeitig besitzen. 10 Stück davon liegen offen aus und können in beliebiger Reihenfolge gekauft werden; für die Ladenhüter gibt es einen kleinen Rabatt. Die Locations gewähren uns ebenfalls Stärke oder Geld zum weiteren Erwerb von Locations, allerdings mit einem bemerkenswerten Mechanismus. Auf jeder Location sind untereinander eine Reihe von Geld- bzw. Stärke-Quanten aufgedruckt, die wir in strenger Reihenfolge von oben nach unten, aber in beliebiger Menge und über beliebig viele Locations hinweg abernten dürfen: z.B. auf Location-A stehe an oberster Stelle „2 Stärke-Einheiten für den Kauf einer roten Location“, auf Location-B stehe an oberster Stelle „1 Stärke-Einheit für den Kauf einer roten Location“. 3 Stärke-Einheiten bekommen wir für das Ausspielen der Charakter-Karte „Legioner“. Legen wir noch unser 1-Stärke-Manta dazu, dann stehen uns insgesamt 7 Stärke-Einheiten zum Kauf einer roten Location-C zur Verfügung. Nach getätigtem Kauf schieben wir die genutzten Lociations A und B in Stückchen tiefer in eine Tasche, so dass die bisher obersten Quanten (2 bzw. 1 rote Stärke-Einheit) verschwinden und auf beiden Karten jetzt die jeweils nächsten gewährte Quanten sichtbar werden. Die neu gekaufte Location kommt ebenfalls in die Tasche, so dass ihr oberstes Quantum sichtbar wird.

Sind alle Quanten einer Location verbraucht, so erhalten wir einen definierten Manta mit Vergünstigungen a la Geld, Stärke, oder etwas anderes. Die verbrauchte Location liefert auch noch Siegpunkte, aber dazu müssen wir sie noch explizit „werten“ – entweder sofort, falls zufällig gerade ein „Score“-Quantum (das gehört zu den Einzelheiten, die wir später kriegen wollten) an oberster Stelle einer unserer Location steht, oder später in einem eigenen Zug, wenn wir die CharakterKarte „Wave-Teller“ ausspielen.

Auf manchen Locations gibt es auch ein paar „Lücken“-Quanten, die müssen wir explizit überspringen um die Positionen weiter unten zu erreichen. Das geschieht entweder mittels eines unserer Mantas oder mittels eines Überspring-Quantums, das gerade zufällig an oberster Stelle einer unserer Location steht – ein weiteres „Kriegen-wir-später-Detail.

Haben wir alle Charakterkarten gespielt und alles Mantas ausgegeben, sind wir bankrott. Aber soweit kann es nicht kommen, denn eine unserer Charakterkarten ist die „Matrona“, nach deren Ausspielen – zu einem beliebigen Zeitpunkt – wir alle bereits ausgespielten Charakterkarten und alle verbrauchten Mantas wieder auf die Hand nehmen dürfen.

Damit das Ganze noch ein bisschen kybernetischer wird, können wir unsere Charakterkarte „Blue Water’s Agent“ benutzen, um für Geld eine weitere der 6 offen ausliegende Charakterkarten zu kaufen. Die am weitesten links liegende Karten ist kostenlos, nach rechts hin kostet jede weitere Karten jeweils 1 Dollar mehr. Doch bieten auch diese käuflichen Charakterkarten nur das Übliche: Geld, Stärke, Lücken-Überspring- oder Score-Potenz. Nur in veränderten Mächtigkeiten.

Diese veränderten Mächtigkeiten sollte man allerdings nicht unterschätzen. Durch Können und Übersicht (und mit ein bisschen Glück) konnte sich Moritz die „Mara the Shady“ und den „Healer“ zulegen. Die „Mara“ erlaubte den Kauf einer beliebigen Location ganz ohne eigene Barmittel und der „Healer“ erlaubte das nochmalige Nutzen der bereits abgelegten „Mara“, so dass Moritz auch ohne Tempo-Verlust durch „Matrona“ bald alle Taschen voller Locations hatte und damit auch noch an allen Sonderstationen die höchste Punktzahl abräumen konnte: er hatte sich als Erster 4 gleichfarbige Locations angeeignet, als Erster 3 Locations gewertet, als Erster 10 Charakterkarten zugelegt und als Erster 5 Mantas ausgegeben. Klug gelaufen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel ist nicht schlecht, eigentlich 7 Punkte wert, doch das schlechte Material, die fast unlesbaren Mantas, das hat die Abwertung gebracht), Günther: 6 (grottenschlechtes Material, bemerkenswerter Schiebemechanismus [das wurde bei BGG gleichfalls angemerkt]), Moritz: 5 (autistisches Aufbauen von Combos), Walter: 5 (das Spielprinzip ist grundsätzlich nicht mein Fall; ich habe keine Lust, bei jedem Zug die Kosten/Nutzen-Relation von 6 Charakterkarten und unübersehbar viele Kombinationen von 30 bis 40 Location-Quanten nach dem Optimum zu durchforsten).

3. “Nine tiles Panic”

Jeder bekommt die gleichen 9 quadratischen Plättchen, bei denen auf der Vorder- und Rückseite jeweils Straßenführungen (Gerade, Kurven, Doppelkurven und Kreuzungen) eingezeichnet sind. Zwei Seiten sind leer. Des Weiteren sind auf den Plättchen jeweils zwei von acht Symbolen aufgedruckt: Agenten, Aliens, Hamburger, Hunde. Bürger. Bürgerinnen, Häuser und UFOs.

Auf Kommando müssen alle Spieler gleichzeitig ihre 9 Plättchen in einer 3 mal 3 Matrix auslegen, so dass alle Straßen innerhalb der Matrix verbunden sind, nur nach außen hin dürfen sie leer enden. Beim Bauen sind jeweils 3 verschiedene Maximum-Bedingungen möglichst optimal zu erfüllen: die meisten Häuser, die längste Straße, die meisten Straßen, die meisten Polizisten hinter Aliens, und was man sich noch alles dazu ausdenken kann.

Wer glaubt, eine gute Lösung realisiert zu haben, ruft „Bingo“ und setzt eine Sanduhr in Gang. Alle Spieler haben jetzt noch 1 Minute Zeit, ihre Matrix zu ordnen. Die Reihenfolge, in der sie fertig werden, ist der Tie-Breaker bei Gleichheit innerhalb der geforderten Bedingungen. Schnell, topologisch-fordernd und auch ein bisschen stressig.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (Familienspiel), Günther: 6 (ist skeptisch, wie lange das Spaß macht), Moritz: 7 (originell), Walter: 5 (für die 5-jährigen Enkel noch zu schwer, für die 15-jährigen wohl bereits ausgelutscht, irgendwo dazwischen mag das stressige Strassen-Puzzlen eine Weile Spaß machen).

01.07.2020: Viel Karten, wenig Brett


1. “A Fake Artist Goes to New York”

Ein hübsches kleines Party-Spielchen. Es gibt einen Spielleiter, einen „Fake-Artisten“ und beliebig viele echte „Künstler“, wobei die echten Künstler nicht wissen, wer von ihnen nur Fake ist. Der Spielleiter nennt nun öffentlich eine Kategorie, z.B. „Blume“ und teilt allen „Künstlern“ auf abwaschbaren Kartonkärten geheim eine reales Inkarnation mit, z.B. „Rose“. Alle „Künstler“ erhalten das gleiche Wort, nur der „Fake-Artist“  erhält auf seinem Kartonkärten nur ein „X“.

„Fake Artist“ : so fängt keiner an, der weiß, dass das eine Pyramide werden soll

Jetzt zeichnen alle Künstler einschließlich dem Fake-Artisten abwechselnd auf einem gemeinsamen Blatt Papier einen „Strich“ (gerade, krumm, gebogen, zick-zack oder wie auch immer, von einem Anfangspunkt ohne abzusetzen zu einem Endpunkt). Damit sollen sie als Gesamtkunstwerk den realen Gegenstand darstellen. Jeder ist dabei zweimal dran. Danach müssen die Künstler alle gemeinsam und gleichzeitig vorgeben, wer von ihnen der Fake-Artist ist. Deuten sie auf den falschen Mitspieler, so bekommt der Spielleiter und der Fake-Artist je einen Siegpunkt. Finden sie den Fake-Artisten heraus, so darf der noch raten, welches reale Objekt zu zeichnen war. Erkennt er das, so bekommt er und der Spielleiter trotzdem den Siegpunkt. In allen anderen Fällen bekommt jeder Künstler einen Siegpunkt.

Für die Künstler geht also darum, sich untereinander erkennen zu geben, indem man zeigt, welches Objekt zu zeichnen war, ohne dem Fake-Artisten eine allzu klare Vorstellung davon zu geben. Der Fake-Artist seinerseits muss versuchen, seine Striche so anzubringen, als wüsste er, worum es geht.

Bei uns wurde vom Spielleiter u.a. in der Kategorie „Gebäude“ eine „Pyramide“ gefordert. Günther war der Fake-Artist und musste (leider) den ersten Strich ziehen. Er zog, wie auf dem oberen Bild zu sehen, den schwarzen Strich mit dem Boden und den beiden rechteckig dazu angebrachten Wänden. Schon allein nach diesem allerersten Strich auf dem Papier war uns „Künstlern“ klar, dass Günther keine Ahnung hatte, welches Gebäude zu zeichnen war. Jetzt hätte jeder der wirklichen Künstler eine beliebige Garnierung dazu malen können, aus der Günther niemals auf „Pyramide“ gekommen wäre. Wir malten das angefangene „Haus“ aber noch fertig (unteres Bild). Auch so war es für den als Faker entlarvten Günther nicht möglich die „Pyramide“ zu erraten. Je einen Siegpunkt für Aaron und Walter.

„Fake Artist“ : die rote und grüne Dach-Schräge konnten (und brauchten) die Pyramide auch nicht mehr zu retten.

Für vier Mitspieler ist „Fake Artist“ noch nicht geeignet, das bemerkten und konstatierten wir erst hinterher. Die Spielregel selber schreibt eine Mindestzahl von 5 vor, und die Anzahl der mitgelieferten Farbstifte begrenzt die Zahl mit 10 nach oben.

WPG-Wertung (alles extrapoliert auf eine größere Mitspielerzahl): Aaron: 6, Günther: 6, Moritz: 6, Walter: 6.

2. “Banana Bandido”

Aus einer offenen Kartenauslage mit Dotierungen wählen wir eine Karte aus, nach der wir uns beim zweiten Nachfassen 1 bis 3 Bananen oder 1 bis 3 Stöckchen geben lassen wollen. Die – unbekannte – Rückseite der „Dotierung“ zeigt dann an, was wir noch dazu bekommen: 0 bis 3 Bananen oder 0 bis 3 Stöckchen! Bei zwei Nieten-Dotierungen, an der Rückseite erst erkennbar, bekommen wir gar nichts. Ganz schön lustig. Das geht reihum.

Haben wir genug Dotierungen erhalten, bezahlen wir damit „Aktionskarten“, die wir offen vor uns auslegen. Diese Aktionskarten erlauben uns, weitere Bananen oder Stöckchen einzukassieren, Stöckchen in Bananen umzutauschen oder von einem beliebigen Spieler eine Banane zu klauen pfui, pfui. Mit genügend Stöckchen können wir eine geile Aktionskarte eines Mitspielers „deaktivieren“ pfui, pfui und sie in unser eigenes Aktionskarten-Ensemble einfügen. Um diese enteignete Karte selber zu nutzen, müssen wir sie aber erst wieder mittels Dotierungen auslösen.

Fazit: Repetitive Züge mit unergonomischem Handling (man zieht Karten auf denen steht, wie viele Karten man ziehen darf!), mit Kingmaker Klauerei und Harakiri-Enteignungen.

Walter hatte eine Aktionskarte ausgelegt, auf Grund derer ihm pro Runde zusätzlich eine Siegpunktkarte geschenkt worden wäre, so dass er nach ca. 3 Runden unweigerlich als Sieger hervorgegangen wäre. (Solche Aktionskarten gibt es ebenfalls!) Moritz opferte eine Anzahl Stöckchen, um diese Karte zu enteignen. Dass er selber davon – zunächst und eigentlich während des gesamten Spiels – keinen Nutzen hatte, ging ihm erst später auf. Aaron und Günther schienen den Sieger unter sich auszumachen. Walter war nach Moritz’ Opferzug schon ziemlich demotiviert und spielte recht lustlos seine weiteren Stöckchen und Bananen aus. Von den Mitspielern wurde er eher mitleidig-barmherzig denn als Konkurrent betrachtet. Doch mit Gottes Hilfe konnte er in einem glücklichen letzten Zug gerade so viele Stöckchen an Land ziehen, wie er für seine dritte Symbolkarte benötigte, die ihm nach einer zweiten Siegbedingung zum Sieg verhalf.

WPG-Wertung: Aaron: 2, Günther: 3 (ich weiß nicht, was das soll), Moritz: 2 (ein ganz, ganz, ganz schlechtes Spiel, Schrott hoch zehn), Walter: 2 (1 Punkt wäre „funktioniert nicht“, das Spiel hat das Doppelte dieser Wertung verdient).

3. “Solar Storm”

Ein kooperatives Spiel. Alle gewinnen gemeinsam oder alle gehen gemeinsam unter. Wir fliegen mit einem Raumschiff auf die Sonne zu (warum eigentlich?), und immer häufiger werden die Schäden, die der Sonnenwind unseren insgesamt 9 Raumschiff-Räumen zufügt. Wir haben ständig alle Hände voll zu tun, die Schäden zu reparieren. Dazu müssen wir uns mit den benötigten Ersatzteilen in die beschädigten Räume bewegen. Gegebenenfalls müssen wir uns vorher auch noch unterwegs mit unseren Kumpels treffen, um die benötigten Ersatzteile von ihnen entgegenzunehmen. Von der „Repair-Hall“ aus können wir auch aus sicherer Entfernung jeden beliebige Raumschiff-Raum reparieren. Hier sollte immer mindestens ein Mitglied der Mannschaft sitzen, um das Schlimmste abwenden zu können.

Mittels „Divert Power“ können wir die Raumschiff-Räume leichter reparierbar zu machen. Dann brauchen wir nur noch jeweils ein einziges Ersatzteil, um die bis zu drei beschädigten Elemente eines Raumes zu reparieren. Haben wir alle Räume mit „Divert Power“ gesichert, dann haben wir gewonnen. Sind wir zu langsam oder zu ineffizient gewesen, so gehen uns die Ersatzteile aus, und wir haben verloren. Dieses Schicksal ereilte uns Sekunden vor der letzten rettenden „Divert Power“.

Eines der ganz, ganz wenigen kooperativen Spiele, die am Westpark funktioniert haben. Warum? Sind wir älter und reifer geworden? Oder waren die jeweils möglichen Züge so trivial, dass sich keiner als „Führer“ berufen fühlte, der den anderen zeigen wollte, wo’s lang geht. Vielleicht beides.

WPG-Wertung: Aaron: 6, Günther: 5 (friedlich), Moritz: 7 (mir hat’s Spaß gemacht), Walter: 5 (das gemeinsame ad-hoc Lösen von Optimierungs-Puzzlen wird wohl nicht lange Spaß machen).

4. “Age of Civilisation”

Schon letzte Wochen erstmals gespielt. Nach drei mehr oder weniger gelungenen Kartenspielen wollten wir noch ein „echtes“ Brettspiel in unsere Tagespensum aufnehmen.

Den Eindrücken von letzter Woche gibt es nichts hinzuzufügen. Moritz fand in jeder Situation eine Zugoption, die sein Spielbedürfnis befriedigte. Die anderen kritisierten eine Konstruktion, in der mindestens die Hälfte der vorgegebenen Optionen nicht nutzbar waren, weil der normale Spielfluss die Randbedingungen nicht erfüllen ließ. Z.B. wurde irgendwann ein Volk aufgedeckt, dass beim „Bauen“ eine Vergünstigung bekommen hätte, aber „Bauen“ war nur in der ersten Runde erlaubt, da war das Volk noch gar nicht geboren. Oder wenn es z.B. eine unabdingbare Sache ist, dass ich mir im Laufe des Spieles „Schilde“ zulege, dann bringt mir eine versprochene Gabe nichts, ich die nur bekomme, wenn ich mir bis dahin keine Schilde zugelegt habe. Und ungezählte andere Unmöglichkeiten dieser Sorte.

Aaron hatte schnell seinen Ehrgeiz aufs Gewinnen abgelegt und zählte die Sekunden, die vergingen, bis er wieder am Zug war. Es waren eintausendzweihundertdreiundsiebzig, eintausendzweihundertzweiundsiebzig zu viel!

WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 6, Moritz: 8 (alle bleiben), Walter reduziert seine 6 auf 5 Punkte.

5. “Bluff”

Walter erlebte ein Waterloo. Im 1:1-Endspiel gegen Aaron wurde er mit seiner zwingenden Immer-4-Strategie geschlagen. Günthers Immer-5-Loser-Strategie hätte den Sieg gebracht.

24.06.2020: Wir sind wieder da

Die Corona-Krise hat den Westpark-Gamers nicht den Garaus gemacht. Ganz im Gegenteil. Jeden Mittwoch zur gewohnten Zeit haben wir im Internet auf der wunderschönen Boardgame-Arena-Plattform unsere Session abgehalten. Mit der vorzüglichen Sprach-Unterstützung via SKYPE hatten wir fast das gleiche Spielgefühl, wie bei unserer Realpräsens am Westpark.

Was haben wir gespielt?
„6 Nimmt!“ : eine problemlose Implementierung unseres ehemaligen Fast-Lieblings-Absackers. Moritz machte uns mit der Profi-Variante vertraut, bei der in jeder Reihe auch EINE Karte VOR der niedrigsten Karte angelegt werden kann. Natürlich auch mit dem zuweilen überraschenden, peinlichen „6-Nimmt“-Effekt. Die kleinere Differenz – zur niedrigsten Karte einer höherwertigen Reihe bzw. zur höchsten eine niedrigerwertigen Reihe – bestimmt, wohin das System die Karte legt. Der große Vorteil: Auch mit ganz niedrigen Karten ist man nicht hilflos dem Schicksal ausgeliefert. Walter sprang – beim zweiten Hinsehen – gleich auf diesen Zug auf. Günther gefiel dieses Prinzip auch beim dritten Hinsehen nicht: aus dem lockeren Absackerspiel würde so ein Spiel zum Denken. Aber hallo: auch beim Basis-„6-nimmt!“ kann (sollte) man seine Kartenhand nicht ohne Überlegung abspielen.

„Can’t Stop“ : ein gelungener Absacker, den man sich auch dann noch einmal „reinziehen“ kann, wenn die geistigen Batterien schon langsam am Abflauen sind. (Im Gegensatz zu „6-Nimmt“). Vom Computer wird in der Regel auch nur eine 3er Spieler-Runde zusammengestellt und alle Mitspieler geben meist sofort ihr „Placet“, während es bei „6-Nimmt!“ schon häufiger vorkommt, dass einer oder mehrere der automatisch eingeladenen Mitspieler ablehnen und man längere Zeit vergeblich auf eine Spielerrunde wartet.

Die gravierende Startspieler-Problematik wird nur dadurch gelöst, dass man mehrere Runden spielt, so dass jeder einmal anfangen darf, aber so weit kommt es im Internet nie.

„7 Wonders“ : auch zum Warming-Up gut geeignet, die Kartenablage erfolgt schnell und ist übersichtlich.

„Tea Time“ : ebenfalls ein lockerer Spielespaß. Aus einer Reihe von Mosaiksteinen muss man sich möglichst viele von einer Sorte oder aber gar keinen einer Sorte auswählen. Zu jeder Sorte gibt es Negativ- und Positiv-Kopien, die sich gegenseitig auspatten, was von Nach- oder auch von Vorteil ist, je nachdem, ob man diese Sorte sammelt oder aber vermeiden möchte. Alles Glücksache, aber man kann natürlich auch gezielt GEGEN einen Mitspieler spielen, und das macht doch ebenfalls Spaß.

“Perudo“ : zum Vergessen. Wer „Bluff“ gewohnt ist, wundert sich, warum man hier die Wahl-Freiheiten dermaßen unmotiviert und primitiv eingeschränkt hat.

„K2“ : ordentliche Implementierung des Brettspiels. Wir vermissten eine „finish“-Taste, mit der ein Spieler das Ende seiner Zugeingaben bestätigt. Zu leicht sind – zumindest am Anfang – Fehleingabe möglich, für die es dann kein „undo“ zum Korrigieren gibt.

„Roll for the Galaxy“ und “Puerto Rico”: sehr übersichtliche Handhabung des Kartenmaterials und seiner Effekte.

„Nippon“ : eine gelungene Mischung aus Planung und Konkurrieren um die Industrialisierung von Japan. Das Spiel lässt sich gut spielen, ohne dass dabei der Schweiß ausbricht. Wir wollten zuerst nur eine kurze Kennenlern-Runde spielen, waren aber mit den Mechanismen schnell so gut vertraut, dass wir das Spiel fast unbemerkt zu Ende gespielt haben, ohne dass einer darauf bestand, die „Test-Runde“ abzubrechen.

„Rallyman GT“ : Fürchterlich! Erst kombiniert man seine Würfel zu einer jeweils optimalen Streckenführung mit Geschwindigkeiten am Limit zusammen, und dann macht der Zufall einen Strich durch die gesamte Rechnung. Wenn’s nur kurz wäre! Doch diese frustrierende Mischung aus Puzzlei und Würfelglück dauert eine geschlagene Stunde.

„Terra Mystica“ : das Brettspiel fand Aaron: „total langweilig“, hier, wo der Computer die Ressourcen verwaltet, geht es flott. An sein „total langweilig“ kann ich mich nicht mehr erinnern, es wurde wohl auch nicht abgegeben.

Aber kommen wir zum realen Spielabend, der nach langer Zeit mal wieder real auf der Terrasse am Westpark stattgefunden hat.

1. “Rollecate”

Es gibt eine wunderschön geformte Lokomotive aus “Blei”, und es gibt Gleisstücke aus Karton, die von allen Spielern reihum zu einer gemeinsamen linearen Strecke zusammengefügt werden. Diesem Spielmaterial konnte Günther nicht widerstehen und hatte zugegriffen. Heute legte er es uns vor.

„Rollecate“ – die geile Lokomotive

Die Lokomotive ist aber lediglich ein Marker, mit der der Kopf der Gleisstrecke angezeigt wird. Rein funktionell hätte dafür auch ein Holzklötzchen gereicht.

Jeder Spieler hat eine Kartenhand von wechselnd vielen, in der Regel aber nur ca. zwei Gleis-Karten mit Zahlenwerten von 1 bis 4 auf der Hand. Vor seinem Zug zieht er noch eine weitere Karte nach und darf dann beliebig viele davon zum Strecken-Weiterbau ablegen. Ablage-Bedingungen: a) Es dürfen nur Karten mit dem gleichen Kartenwert abgelegt werden, und b) endet die aktuelle Strecke mit einer geraden Zahl, müssen die abgelegten Karten ungerade sein bzw. umgekehrt oder c) anstatt dieses Gerade-Ungerade-Wechsels dürfen auch Karten mit Zahlenwerten identisch zum letzten Gleisstück abgelegt werden.

„Beliebig viele“ ist hier schon ein Euphemismus: Wenn ich 2 bis 3 Karten mit Zahlenwerten zwischen 1 und 4 auf der Hand haben, wie vielen davon besitzen wohl den gleichen Zahlenwert?

Ein weiterer Mechanismus: Nach dem Ablegen der Karten an den Anfang der Strecke muss man Strafkarten vom Ende der Strecke an sich nehmen, je höher die Summe der Augenzahlen der abgelegten Karten, desto mehr Strafkarten. Die finale Anzahl wird dann noch per Würfelwurf modifiziert. Strafkarten sind natürlich grundsätzlich schlecht, hier gibt es aber einen mäßigenden Einfluss: Strafkarten mit gleichen Zahlenwerten patten sich aus. Dementsprechend ist es zuweilen besser, z.B. gleiche 10 Strafkarten (wenn’s nur ginge!) aufzunehmen und sie sich auspatten zu lassen, als nur zwei, die dann mit den hohen Werten von 3 und 4 ganz schön viel aufs Kerbholz bringen können.

Ansonsten aber wird man bei „Rattecate“ vollständig gespielt. Von Not und Elend: geringe Auswahl vorne, keine Auswahl hinten und begrenztes Mitleid durch die Würfel. Ein langweiliges, repetitives Legen und Nehmen weniger Karten pro Zug. Man kann es allerdings auch euphemistisch (schon wieder!) wie Aaron ausdrücken: „Die Spannung wird unerträglich“.

Und die Lokomotive? Nachdem die Strecke vorne verlängert und hinten abgebaut wird, verschiebt sich natürlich ihr Kopf. Und die Lokomotive mit ihm. Abhängig von den Augenzahlen der gelegten neuen Gleise und dem Ergebnis der daraus abgeleiteten Würfel immer ein paar Schritte nach vorn. Ansonsten hat sie keinen Effekt. Aber sie sieht gut aus. Deswegen hat sich Günther ja auch für 21 Euro dieses Spiel zugelegt.

Weil Moritz erst später dazukam, und damit er „Rollecate“ mit eigenen Spielerfahrungen in seiner Datenbank abhaken konnte, spielten wir es gleich ein zweites Mal. Einmal wurde Günther Erster, einmal Letzter, einmal wurde Walter Letzter, einmal Erster. Das zeigt den Charakter der Herausforderung.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (Plus 1 Punkt für die Lokomotive. Reines Glücksspiel), Günther: 3 (plus 1 Punkt für die Lokomotive), Moritz: 3 (keinen Punkt für die Lokomotive: das Spiel ist fast eine Frechheit), Walter: 3 (ohne jede Handlungsfreiheit).

2. “Treelings”

Fünf „Zunftkarten“ (Karten verschiedene Farben) liegen jeweils in der Tischmitte. Wer am Zug ist darf davon a) entweder alle Karten einer Farbe, oder b) alle Karten, deren Farbe nur einmal vorkommt oder c) eine einzige Karte einer Farbe, die nur einmal vorkommt, nehmen und vor sich in seiner Auslage ablegen. Am Ende (nachdem vom Nachziehstapel die Ende-Karte aufgedeckt wurde) bestimmen die Karten in den einzelnen Spieler-Auslagen derer Siegpunkte.

Der Stapel einer Kartenfarbe, die DIREKT NEBEN dem HÖHEREN Stapel einer anderen Farbe liegt, zählt ÜBERHAUPT nichts. Nur die Stapel, die gegenüber ihren andersfarbigen Nachbarn rechts und links die HÖCHSTEN sind, liefern einen Siegpunktanteil. Das Besondere dabei ist, dass man mit seinen beiden Rand-Stapeln auch die jeweils angrenzenden Rand-Stapel der Mitspieler beeinflusst: entweder zählt deren Stapel oder der eigene nichts. (Bei Gleichzeit zählen beide.) Zur Taktik gehört es also, an seinen Rändern den wirklich HÖCHSTEN zu haben, oder seinen hohen Randstapel, der aber nicht ganz so hoch ist wie der des Nachbarn, durch ein Einzelkarte einer anderen Farbe zu SCHÜTZEN. Immerhin eine Art von Interaktion, die sogar noch eine Spur größer wird, indem man aus der Tischmitte nach Möglichkeit diejenigen Karten nimmt, die der Nachfolger gebrauchen könnte. (Und man selber natürlich ebenfalls.)

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ich habe das Spiel jetzt zweimal gespielt und habe keinen Anreiz, es jemals noch einmal zu spielen), Günther: 5 (mit Tendenz zu 4, der Angriff auf die gegnerischen Ränder enthält ein starkes Zufallselement; das Sichern des eigenen Bestandes macht den Spielablauf langweilig), Moritz: 5 (einfach, nicht komplett doof, doch der Wiederspielwert ist fraglich), Walter: 5 (schnell mit wenigstens Spuren von Interaktion).

3. “Age of Civilisation”

Nach Art von „Small World“ führen wir ein Volk (ggf. auch noch bis zu zwei Nachfolge-Völker) in den Kampf um die besten Plätze an der Sonne. „Kampf“ ist übertrieben, es ist eher ein – fast – friedliches Platzieren unserer Arbeiter auf Aktionsplätzen zum Erwerben von Geld, Kulturstufen, Technikfortschritten oder Weltwundern, wobei uns die spezifischen Eigenschaften der Völker – mehr Geld, mehr Waffen, mehr Arbeitsplätze, mehr Kultur, mehr Siegpunkte – dabei unterstützen.

„Age von Civilisation“: Aaron bewegt die Mongolen

Ganz selten und für die meisten Spieler fast nebensächlich profitieren einige wenige Völker, wenn sie am stärksten bewaffnet sind und dann auch noch in den Krieg ziehen. Sie bekommen dafür halt auf ihre Art Siegpunkte und eliminieren von ihren Mitspielern je einen Arbeiter. Ansonsten werkelt jeder vor sich hin und tauscht sein Volk, wenn es ausreichend dezimiert ist – auch bestimmte Aktionen gehen auf Kosten von Arbeitskräften – , gegen ein anderes Volk aus und bekommt umso mehr Geld dafür, je länger das neue Volk ungeliebt auf seinen Führer gewartet hatte.

Nach sechs Runden ist das Werkeln zu Ende und einer hat gewonnen. Moritz, der sich wohl zuhause ein bisschen mit den inneren Strukturen befasst hatte, verlegte sich auf die aggressiven Franken, ging mit ihnen Runde für Runde auf Eroberung aus und konnte dafür ganz schön Siegpunkte anhäufen. Weil aber weder Aaron noch Walter – mangels Anreiz – Günther die Weltwunder streitig machen wollten, reichte es nur zum zweiten Platz. Günther hat gewonnen, was hier aber keineswegs für die planerische Herausforderung des Spiel spricht.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (solitäres Puzzle, keinerlei Spannung, nur Warten, bis man wieder dran ist. Grottiger als alles, was wir heute gespielt haben), Günther: 6, Moritz: 8 (die Variabilität [der Auslage an Völkern, Szenarien und Aktionen] und ist sehr hoch, dadurch gibt es viele Strategien), Walter: 6 (nichts Neues unter der Sonne).

Moritz Plädoyer für die vielseitigen „Strategien“ von „Age of Civilisation“ blieb natürlich nicht unwidersprochen. Wir fanden zwar heraus, dass es (mindestens) drei verschiedene Richtungen gibt, in die man sein Spiel gestalten kann: mit den „Franken“ Kriege zu führen, auf „Weltwunder“ zu setzen oder in „Kultur“ zu machen. Doch unter diesen „Strategien“ kann man nicht frei wählen, weil sie nicht immer angeboten werden, und weil das Overall-Optimum a priori festliegt. Für den, der hier ein paar Stunden lang rechnet. Eigentlich gibt es nur ein taktisches Reagieren auf die jeweils angebotenen Auslagen.

Am nächsten Morgen schob Aaron noch eine Begründung für seine außenseiterisch schlechte Wertungsnote nach:

  • Die wesentlichen Elemente des Spiels (Technology Track und Action Track) sind von Beginn an offen. Damit lässt sich also schon bei Spielbeginn die beste Strategie ziemlich gut festlegen – falls man rund 15 Minuten Analysezeit fürs Auspuzzlen opfern möchte. Dazu gehört dann noch die Überprüfung, welche ausliegenden Zivilisationen und Wunder am besten dazu passen. Ich mag diese solitären Knobeleien nicht.
  • Thema solitär: Mir ist auch der Spielablauf viel zu solitär. Die Interaktion beschränkt sich darauf, einem anderen Spieler ein Wunder / eine Zivilisation wegzunehmen, um ihm zu schaden ohne sich dabei selber aus dem Rennen zu schießen (so wie es mir erging, als ich Günther 2 Wunder weggenommen habe).
  • Der Startspielerwechselmechanismus ist broken. Es darf nicht sein, dass der Spieler, der gerade Startspieler war, 6 Züge lang (bei 4 Spielern) nicht mehr dran kommt. Gerade wenn es nur 7 Wunder und 5 Zivilisationen gibt, die ausliegen. Planbar ist dann da nix mehr. Ich frage mich, warum dieser Startspielerwechsel überhaupt notwendig ist.
  • Der bekannte Mechanismus, Nichtgewähltes durch Münzen attraktiver zu machen, macht m.E. hier keinen Sinn bzw. ist sogar kontraproduktiv: Alle Zivilisationen haben Sondereigenschaften, die je nach gewählter Strategie gut oder weniger gut für einen Spieler sind. Wenn bei einer Auslage die Interessen der Spieler zufällig disjunkt sind, werden Zivilisationen „angehübscht“ obwohl das gar nicht sein muss (sein darf). Deutlich besser wäre es, Nichtgewähltes altern zu lassen und dann zu entfernen.
  • Das Spiel dauert deutlich zu lange. Gefühlt haben wir 90 Minuten gespielt. Auf der Schachtel stand 20-40 Minuten, das wäre okay für mich.

4. “Bluff”

Im Endspiel 1:2 gegen Walter begann Günther sehr erfolgreich mit seiner zweitbesten Immer-5-Strategie. Walter sprang auf den Zug auf und hob auf 2 mal die Fünf. ´Günther hatte aber geblufft. Es stand 1:1.

Mit seinem zweiten mickrigen Wurf verließ Günther der Mut und er seine Immer-5-Strategie, er wollte mit Walters bester Immer-4-Strategie glänzen. Doch damit hatte er kein Glück. Walter konnte ihn mit 1 mal die Fünf in die Wüste schicken. Obwohl er keine 5 unter dem Becher hatte und weil Günther die ihm verbliebene Chance nicht nutzte. Was hatte Walter unter seinem Würfelbecher?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

11.03.2020: Crystal Palace

Crystal Palace – Massiges Spielmaterial

Weltaustellung 1851 in London, so heißt es in der Spielanleitung. Ohne diese Hilfestellung wüssten wir gar nicht, worum es geht. Es gibt Würfel, jede Menge Material an Karten und Kärtchen, an gelben und grauen Holzfiguren (Ressourcen), an Pöppeln, Markern und Würfel für die einzelnen Spieler und an Tableaus für den großen Spielplan, die Verwaltung und für die einzelnen Spieler, aber wir fühlen uns nirgendwo als Nation, als Erfinder oder als Investor, der auf dieser Weltausstellung zur Geltung kommen möchte.

30 verschiedenen Karten gelten als „Patente“. Wenn man sie sich a) zugelegt und b) bezahlt und ausgelegt hat, gewähren sie Vorteile an Geld, Siegpunkten, Ressourcen und anderen Spieleffekten (GSRaSe). 30 weitere verschiedene Karten gelten als „Personen“, honorable men and woman. Wenn man sie sich zulegen will, muss man sie sofort bezahlen. Auch sie gewähren Vorteile an GSRaSe, man muss sie jede Runde aber noch entlohnen. Je höher die Ehre, desto größer die Vorteile und desto teurer die Entlohnung.

Ich will Regeln und Effekte des Spiel jetzt nicht groß und breit darstellen. Günther brauchte etwa 100 Minuten (mehr als anderthalb Stunden), um Regeln und Material zu erklären. Ohne dass wir die 30 Patente und Personenkarten näher inspiziert hatten, was sogar noch wichtig gewesen wäre, um ablesen zu können, welche von ihnen zu welchem Zeitpunkt die geeignetsten wären. Aber, um dem Spiel Gerechtigkeit zukommen zu lassen, die Grafiken waren mnemotechnisch so vorzüglich dargestellt, dass hinterher selbst Walter nicht mehr nachfragen musste, was er jetzt tun konnte und welche Effekte er mit welchem Zug auslöste. Christof, Du hast gute Arbeit geleistet!

Auch viele andere Köpfe, von denen ein Teil auf Seite 9 des Regelheftes erwähnt werden, haben eine gute Arbeit geleistet. Es ist gut vorstellbar, wie in bei den verschiedenen Spielertreffen, insbesondere beim Herner Spielewahnsinn, an diesem Spiel gefeilt und ein Element nach dem anderen hinzugetragen und angepasst wurde. Doch wie zitierte Aaron heute den genialen Spieleautor Alex Randolph:

“Ein Spiel ist erst dann gut, wenn man nichts mehr WEGNEHMEN kann.”

Und in dieser Beziehung ist „Crystal Palace“ leider überhaupt nicht gut!

Das Beste, und wirklich gut, ist der Würfel-Placement-Mechanismus. Jeder Spieler hat 4 Würfel (im Laufe des Spiel können es auch mehr oder weniger werden), die er auf BELIEBIGE Augenzahlen einstellen kann. Randbedingung: Er muss für jedes Auge eine Geldeinheit bezahlen. Wer hier insgesamt am meisten ausgegeben hat, wird Startspieler.

Reihum stellen jetzt die Spieler jeweils einen Würfel auf die angebotenen Arbeitsplätze in insgesamt 9 Werkstätten. Für jeden Arbeitsplatz sind unterschiedliche Augenzahlen von 1 bis 4 erforderlich. Man kann höhere Augenzahlen auch auf niedrigere Plätze stellen, und bekommt dann sogar Priorität in der entsprechenden Werkstatt, aber immerhin hat man dafür auch mehr ausgegeben. Für manche „billigen“ Arbeitsplätze muss man zusätzlich noch einen Obolus bezahlen, wenn man ihn einnehmen will. Für manche „höchstwertigsten“ Arbeitsplatze darf man noch eine Zusatzaktion durchführen, die sich wiederum in Vorteilen an GSRaSe auswirken.

Wer mit seinem Würfel einen Arbeitsplatz ausgesucht hat, kann aber noch nicht sicher sein, dass er in dieser Werkstatt auch an die Arbeit darf. Es sind mehr Arbeitsplätze ausgeschrieben als „Drehbänke“ (unsere Terminologie) vorhanden sind. Der letzte oder die beiden letzten Arbeiter (Würfel) müssen unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Der letzte derjenigen, die noch eine Drehbank erwischt haben, muss auch noch 2 Geldeinheiten bezahlen, damit er überhaupt arbeiten darf. Einfach, logisch, spannend und gut durchdacht.

Dass dann als Effekt seines Werkelns aber nur GSRaSe in unterschiedlichen Quanten herauskommen, das ist eher langweilig und repetitiv. Natürlich gibt es einzelne Patente oder Personen, die extrem krasse Effekte auslösen (in unseren Augen ebenfalls ein Nachteil des Designs), aber

a) wir haben sie zu Spielbeginn nicht alle studiert, das wäre dann eher ein Fall für die Testrunden von Crystal Palace, die wohl hunderte von Spielen absolviert haben, von Anfang an “scharf” darauf sind – und

b) es ist reiner Zufall, wann diese Karten auftauchen – nur jeweils 3 davon sind sichtbar – und ob wir uns mit reichlich Würfelaugen dafür gewappnet haben, hier unverdrängbar zuzuschlagen.

Wir kritisieren weiterhin, dass am Anfang Optionen (Karten oder Arbeitsplätze) angeboten werden, die wir in dieser Phase mangels erworbenen Besitztum noch gar nicht nützen können, und wir kritisieren, dass am Ende Optionen angeboten werden, die uns keinerlei Vorteile mehr bringen. Aaron stöhnte: „Braucht’s das, dass am Ende jetzt nur Shit daliegt?“

Diese beiden Fotos zeigen unsere heutige Endposition bei den Siegpunkten. Sie unterscheiden sich durch eine einzige sachliche Veränderung. Welches Foto zeigt die originale Endposition und welches wurde verfälscht? Warum?

Das Spiel nimmt keine Fahrt auf. Nicht zuletzt ist es auch unglücklich, dass die Einnahmen der Spieler pro Runde regelgerecht NACH UNTEN geschraubt werden. Mit zusätzlichen Nachteilen in den unteren Bereichen. Alle Spieler müssen also in jeder Runde notwendigerweise eine Reihe von ZWANGSZÜGEN machen, um ihren Einnahmepegel immer auf eine Mindesthöhe zu hieven. Nach unseren Vorstellungen sollte Geld im Laufe eines Spiels mehr anstatt weniger werden, und Zwangszüge sind in einem guten Design ohnehin zu vermeiden.

Sehr viel Mühe, sehr viel Fleiß, sehr viel abgerundete Ecken und glatte Flächen. Viel Palace aber leider wenig Crystal. Zweieinhalb Stunden haben wir uns abgemüht. Und dabei haben wir noch nicht einmal überall hingeschaut, wo das Hinschauen für ein besseres Ergebnis notwendig gewesen wäre. Bei 5 Spielern wäre mit CP als einzigem Spiel des Abends für Moritz und Peter nicht nur die vorletzte U-Bahn abgefahren gewesen, sie hätten gleich die erste (oder zweite) U-Bahn des nächsten Morgen nehmen können.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (viel zu viel, viel zu lang), Günther: 5 (fast 6, das Lineare im Ressourcen-Handling hat Vorteile – keine allzu krassen Effekte und keine aufbaubaren Maschinerien – aber auch Nachteile – mangelnde Spannung), Walter: 5 (zum Genie gehört Schweiß, aber Schweiß macht noch kein Genie).

26.02.2020: Die Macher

1. “Die Macher”
1986 hatte der Großvater von „Die Macher“ das Licht der Welt erblickt, und die Spielerwelt war überfordert: so viele geniale neue Erfindungen in einem einzigen Spiel hatte es noch nie gegeben. Aaron lernte 1986 die Mechanismen an einer Flipchart kennen, noch bevor Moskito Spiele die erste professionelle Produktion übernommen hatte. Sein damaliger Eindruck: „Was Autor Herr Schmiel da erklärte, ging in Bezug auf Komplexität weit über alles, was ich jemals in einem Spiel kennengelernt hatte.“ Zehn Jahre später schrieb der legendäre Brian Walker in seinem „Games International“: „’Die Macher’ ist in Bezug auf die Spielmechanismen unbestreitbar eines der raffiniertesten Spiele auf dem Weltmarkt“.

Milo sucht ein Land für sein Schattenkabinett

1997 – die geographische und politische Landschaft in Deutschland hatte sich geändert – kam bei HiG der Vater heraus. Mit welchem finanziellen Erfolg sei dahingestellt; Qualität und Verkaufszahlen in der Kunst waren ja noch nicht sehr eng miteinander korreliert. Jedenfalls verzichtete HiG auf eine weitere Generation und VAlley Games aus Kanada wurde 2006 der Geburtshelfer für das Kind dieser Adelsfamilie. Und letztes Jahr erschien bei Spielworxx  der Enkel. Alles immer noch reinrassig aus den Genen von Karl-Heinz Schmiel hervorgegangen.

Das Thema des Spiel ist das Gehabe in und um die politischen Parteien in Deutschland, bei vier sequentiellen Wahlen in verschiedenen Bundesländern als Bester abzuschneiden. Zu sieben vorgegebenen Themen (Bildung, Digitalisierung, Gentechnik, Innere Sicherheit, Soziales, Umwelt und Verkehr) gibt es je Bundesland eine öffentlich bekannte Volksmeinung im Schwarz-Weiß-Raster: das Volk ist also entweder dafür oder dagegen. In jedem Bundesland kann diese Meinung anders sein. Jede Parteien hat zu vier dieser Themen eine Parteimeinung, im gleichen Schwarz-Weiß-Raster. Um Wahlen zu gewinnen, braucht die Partei eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen Partei- und Volksmeinung. Dazu gibt es, wie im richtigen Leben, die beiden Möglichkeiten, nämlich das Parteiprogramm zu ändern oder die Volksmeinung.

Jeder Spieler kann pro Spielzug grundsätzlich zu zwei Themen die Meinung der von ihm geführten Partei ändern. Installiert er für teures Geld einen Fraktionsvorsitzenden, kann er auch noch zu einem dritten Thema die Parteimeinung ändern.

An die Volksmeinung kommt man via Medien heran. Hat man in einem Bundesland eine relative Mehrheit an den Medien erworben, kann man zu einem Thema die Volksmeinung ändern. Natürlich versuchen die anderen Parteien mit Energie eine solche Medienmehrheit zu verhindern, vor allem wenn die Gegenpartei sich politisch erheblich unterscheidet. Bei Gleichstand gibt es keine Mehrheit. Aber mit dem – versteigerten – Startspielervorteil und mit Hilfe eines installierten Pressesprechers oder Generalsekretärs im Schattenkabinett kann man hier der Konkurrenz unliebsame Überraschungen bereiten.

Die Anzahl von Wahlveranstaltungen, die eine Partei abhält, hat einen beträchtlichen Einfluss auf die Stimmen, die sie bei den Wahlen bekommt hat. Diese Veranstaltungen kosten aber Geld. Alles in „Die Macher“ kostet Geld, und mit der Summe, die zu Spielbeginn ausgezahlt wird, und mit den Beträgen, die Runde für Runde zusätzlich ausgeschüttet werden, kann man lange nicht alles das bezahlen, was wünschenswert wäre. Dazu gehören auch Umfragen, die reihum versteigert werden, und deren Ergebnis den „Trend“ einer Partei fördern oder beeinträchtigen. Bei schlechten Ergebnissen für eine Partei kann man eine Umfrage auch lediglich deshalb ersteigern, um sie unter den Tisch fallen zu lassen und den negativen Einfluss auf den Parteitrend zu verhindern.

So werden reihum in den vier Bundesländern die Wahlen abgehalten. Die erzielten Stimmen bringen Punkte und – früher oder später – Geld; die Wahlsieger, vor allem bei Anteilen von über 50 Stimmen, erhalten auch noch erkleckliche Siegpunkte.

In den Beispielen der Spielanleitung gewinnt „die Linke“ mittels exakter Übereinstimmung von Partei- und Volksmeinung. Kann man daraus etwas über die Vorliebe des Autos ablesen? Bei uns gewann die FDP (gelb, na klar, der Günther) u.a. mittels großen Engagements in Umfragen und durch starke Medienbeeinflussung. Aber das waren wohl eher gute Spielzüge als politische Überzeugung.

Moritz hatte gleich zu Beginn ein Mitglied seines Schattenkabinetts irrtümlich falsch eingesetzt – ihm fehlte nach der Inthronisierung seines Pressesprechers das nötige Kleingeld, um hinterher auch noch den Medienvertreter der Gegenpartei herauszukicken -, ein Fehler, den ihn Walter nach dem Aufdecken und der Teilauswertung der übrigen Schattenkabinette nicht korrigieren ließ. Das warf ihn weit zurück und ließ seine Lorbeeren Trauer tragen. Dafür konnte er sich damit trösten, dass sein 12-jähriger Milo mit kluger Dominanz in Bayern nur von Günthers FDP knapp geschlagen worden war.

WPG-Wertung: Günther: 8 (bleibt, nicht mehr Punkte, weil der „Schmetterlingseffekt“ [eine einzige Einheit Differenz kann bei vielen Aktionen gewaltige Auswirkungen haben] zu groß ist), Milo: 9 (alle Aktionen einschließlich der Geldwirtschaft sind cool, ebenso die Interaktion, weil jeder jedem jederzeit an den Wagen fahren kann), Moritz: 9 (bleibt, es ist ein Klassiker, einen Punkt-Abzug wegen fast nicht nennenswerter Kleinigkeiten und wegen des starken Shifts), Walter: 8 (eigentlich ein 10 Punkte Spiel, doch die Zufallseffekte und das Mitspielerchaos beim blinden Bieten um den Startspieler sowie beim Versteigern der Umfragen mit unvorhersehbaren Umfrageergebnissen und ihren Effekten, sind zu krass für dieses überwältigende Planspiel).

2. “Bluff”
Nach der harten, dreistündigen Auseinandersetzung in der Politik waren alle mit „Bluff“, dem idealsten aller Absackerspiele, zufrieden. Seit über einem halben Jahr nicht mehr gespielt. Das letzte Mal, als Willi bei uns zu Gast war.

Im Endspiel 1:1 Moritz gegen Walter versuchte es Ersterer mit der Immer-4-Strategie. Man muss solche Strategien aber nicht nur in der Theorie kennen, man muss sie auch in der Praxis richtig anzuwenden verstehen. Das Ergebnis war für ihn aber weniger peinlich als für Günther, der mit seinem Setzen auf „5 mal Stern“ gleich alle seine (restlichen) 4 Würfel abgeben musste.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

19.02.2020: Geier in Maracaibo

1. “Maracaibo”

„Maracaibo“ : Aaron sucht seinen besten Zug aus

Nach Günthers Fehlen von letzter Woche war klar, dass „Maracaibo“ heute nochmals auf den Tisch kommen würde. Moritz hatte es eine Woche lang studiert und durfte Günther aufklären. Mit Engelszungen versuchte er, die Vorzüge des Spiels rüberzubringen. Er versprach Walter sogar, ihn zu coachen; aber der hatte sich innerlich schon zu Beginn mit dem voraussichtlich dreistündigen Gewurrl von „Maracaibo“ abgefunden, so dass Moritz offene Türen einrannte.

Aaron verlegte sich im Spielablauf ganz auf die Nationenwertung und konnte damit in der Schlusswertung in der Größenordnung von 100 Punkte gutmachen. Damit sind alle Kleckerlesbeträge z.B. auf den Projektkarten nur Makulatur.

Walter war von Start weg sehr gut mit dem Einkommen davongekommen, pro Runde bekam er mehr als das Doppelte seiner Konkurrenten, doch er schaffte nicht den Absprung von der Geld-Schiene auf die Siegpunkt-Schiene. Hier versagte irgendwie auch Moritz’ Coachen. Oder hätte Walter häufiger nachfragen sollen?

Günther war der Neuling. Sehr früh hatte er sein Geld verpulvert und hielt mit Tränen in den Augen nach Geldquellen Ausschau. Doch er wäre nicht Günther, wenn es in diesem Spiel dank seiner genialen Intuition (auch dank seines Engagements in der Nationenwertung) nicht noch aufs Treppchen geschafft hätte.

Moritz bekam vom Schicksal gleich in den ersten Runde eine „Wirtin“ (nach Aarons Forschungen ist das überhaupt die Winnerkarte von „Maracaibo“) und zwei „Baumeister“ in die Hand. Er bekam sie aber nicht nur in die Hand, er hatte auch den Verstand, sie festzuhalten. Damit konnte er fast ungebremst eine Projektkarte nach der anderen auslegen und sich eine tolle Erfolgsmaschinerie zusammenbauen. Zudem kannte er als einziger den Wert des Dschungels und ließ seinen Entdecker tatsächlich bis zum Endpunkt nach “Bluefields” vorrücken. Auch mit nur marginalen Punkten aus der Nationenwertung wurde er Sieger.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt: etwas fummelig), Günther: 7 (gar nicht so schlecht, aber für mehr Punkte etwas zu viel des Guten, schon eher eine Tendenz zu 6. Man hätte es verschlanken müssen), Moritz: 8 (bleibt), Walter: 5 (bleibt).

2. “Dual Clash Poker”

Ein Spielprinzip wie in „Hol’s der Geier“: Jeder Spieler hat das gleiche Handset mit Zahlenkarten von 1 bis 7, zusätzlich einen Joker, damit etwas mehr Flexibilität in die Taktik kommt. Jeder spielt verdeckt eine Karte zu einem Stich aus. Die höchste Karte gewinnt den Stich. Karten mit gleicher Zahl patten sich aus. Wenn 7 Stiche vorbei sind, ist eine Runde zu Ende.

Ein Joker kann nach dem Ausspielen und dem Aufdecken aller Karten für jeden beliebigen Zahlenwert hergenommen werden.

Das Besondere an DCP ist, dass es im Team gespielt wird: jeweils zwei Spieler sprechen sich bei der Auswahl ihrer Karten ab. Beliebig lange und mit jeder Art von Information. So können sie unter sich ausmachen, ob sie mit zwei hohen Karten angreifen, mit zwei niedrigen Karten Kartenhandpflege betreiben, mit mittelhohen Karten auf das Glück, oder mit Kombinationen hoch-niedrig bzw. hoch-mittel bzw. mittel-niedrig auf den Osterhasen warten. Vor allem werden sie es natürlich vermeiden, sich selber auszupatten. Es darf gelacht werden.

Nach 3 Runden ist das Spiel zu Ende, eine Partei hat mindestens 2 Runden gewonnen und ist damit Sieger.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (für das, was es ist), Günther: 5 (es war eigentlich lustig, man kann bisschen was absprechen), Moritz: 4 (öde, schon innerhalb der ersten 3 Runden habe ich mich gelangweilt), Walter: 4 (die Absprachen sind lächerlich, „Hol’s der Geier“ ist deutlich besser).

3. “Tricks and the Phantom”

Jedem Spieler werden 2 Karten aus einem gemeinsamen Set von 10 Karten zugeteilt. Die Karten haben den Zahlenwert von 1 bis 10 in den drei Farben rot, gelb und blau. Das Phantom mit dem Zahlenwert 1 gehört allen drei Farben.

Jeder Spieler spielt verdeckt eine Karte aus seiner Hand und gibt an, zu welcher Farbe sie gehört. Wer das Phantom ausspielt darf ihr jede beliebige der drei Farben zuweisen. Jetzt müssen die Spieler reihum raten, welche Karte wohl den Stich machen wird.

Wenn alles „normal“ läuft, macht ihn die höchste Karte, sprich: die blaue 10. Falls vorhanden. Doch „normal“ läuft nach den Regeln von „Tricks“ gar nichts.

  • Wurde die 5 ausgespielt, so wird die 10 neutralisiert.
  • Wurde die 4 ausgespielt, so wird die 9 neutralisiert.
  • Sind alle Zahlenkarten höher als 4, so hat die 3 gewonnen.
  • Wurde die 10 und die 2 ausgespielt, so hat die 2 gewonnen.

Siegpunkte bekommt wir dafür, dass

  1. wir den Stich gewinnen,
  2. wir richtig geraten haben, welche Karte den Stich macht,
  3. andere uns zugetraut haben, den Stich zu machen, obwohl wir das “Phantom” gespielt haben.

Wenn wir jetzt noch „den Stich machen“ durch „der Verbrecher sein“ ersetzen und die Zahlenkarten durch Berufsgruppen wie Politiker, Detektiv oder Barkeeper, so haben wir das Thema und die bisher beiseite gelassene Terminologie vollständig eingebracht.

Das Spiel geht über zwei Runden, wobei jeder Spieler in der zweiten Runde zwangsweise die zweite zugeteilte Karte ausspielen muss. Jetzt kennt jeder schon die offenen vier Karten der ersten Runde und weiß also, welche Karten nicht mehr vorkommen können. Dabei ist das Schlussfolgern auf die Siegerkarte aber keineswegs leichter geworden.

Einen zusätzlichen Reiz bekommt das Spiel dadurch, dass die Spieler in umgekehrter Reihenfolge wie sie ihre Karten – verdeckt – ausgespielt haben, die Siegerkarte bezeichnen müssen. Wer eine blaue Karte legt und nicht auf sich selbst setzt, macht sich verdächtig. Bzw. falls er auf eine andere ausliegende blaue Karte tippt, verleitet er Mitspieler dazu, ebenfalls auf diese Karte zu setzen, womit er selber keinen Blumentopp gewinnen kann.

Moritz träumte von einer Wahrscheinlichkeitsmatrix, in der für jede Farbkombination ausliegender Karten angegeben ist, welche Farbe mit welcher Wahrscheinlichkeit der Sieger ist. Einfach ist das, wenn lauter blaue Karten ausliegen: Dann ist eine davon notwendigerweise das Phantom und die blau 10 hat gewonnen.

Überschaubar ist es ebenfalls noch, wenn drei blaue und eine rote Karte ausliegen: es gewinnt die höchste blaue, mit der Einschränkung: falls die rote Karte eine 5 ist, gewinnt die blaue 9 anstelle der blauen 10. Die rote gewinnt in keinem Fall.

Komplizierter wird es, wenn drei blaue und eine gelbe Karte ausliegen:
Ist die gelbe Karten eine 6, so gewinnt die höchste blaue.
Ist die gelbe Karten eine 3, so gewinnt sie, falls unter den blauen das Phantom war, anderenfalls gewinnt die höchste blaue.
Ist die gelbe Karten eine 2, so gewinnt sie, falls unter den blauen Karten die 10 an, andernfalls gewinnt die höchste blaue.

Dieses Logik-Spielchen kann man beliebig weit treiben. Ernsthaft untersucht haben wir es nicht. Es stehen die Behauptungen im Raum:

  1. Falls man das Phantom zugeteilt bekommen hat, soll man es immer in der ersten Runde spielen. (Solange noch die Maximalanzahl blauer Karten “unverdächtig” ist.)
  2. Falls man das Phantom spielt, soll man ihm immer die Farbe blau geben. (Auf blaue Karten wird am häufigsten gesetzt.[siehe nächster Punkt]).
  3. Liegen blaue Karten aus, so soll man auf eine davon setzen (, außer es liegt nur eine da und man weiß, dass es ein Phantom ist …).
  4. Setze auf den, der gezuckt hat … !

Beweise oder Gegenbeweise sowie Behauptungen und Gegenbehauptungen werden gerne entgegengenommen. Jedenfalls kann man vor, während und nach dem Spiel beliebig lange darüber palavern.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (netter kleiner Absacker mit wenig Pfiff, das Konzept kann mich aber nicht vom Hocker reißen), Günther: 6 (Absacker, lustig, minimalst konzentierter Gag), Moritz: 8 (würde ich als schnelles Spiel jederzeit wieder spielen), Walter: 6 (als Absacker wird zuviel Logik gefordert).

12.02.2020: Hoch im Norden, tief in Süden

1. “Saami”

Alle hundert Jahre kommt der Spieler, Spieleautor und Spielegrafiker Christof Tisch zum Westpark und bringt seine Spiellaune sowie seinen Charme mit. Diesmal wollte er Aarons Eigenentwicklung „Saami“ kennenlernen, mit der Aaron schon seit 6 Jahren schwanger geht und dessen letzte pränatale Untersuchung am Westpark schon anderthalb Jahre her ist.

Christof zieht und Moritz schaut

Einiges hat sich geändert. Das Haupt ist herausgewachsen und das Immunsystem stabiler geworden. Das schwächste Glied bekommt jetzt in jeder Runde eine gewaltige Vitaminspritze.

Immer noch lavieren wir offen und versteckt um die Entscheidung, ob wir uns für oder gegen die Gemeinschaft entscheiden, um damit am Ende einen gewaltigen Coup zu landen, der uns vom letzten auf den ersten Platz bringen kann.

Wir gestandenen Westparker sind zufrieden. Das Spiel funktioniert gut, die Balance stimmt. Jeder Spieler ist ständig am gesamten Spielgeschehen beteiligt und muss die Ambitionen der Mitspieler vorausahnen.

Christof hat das Geschiebe um die Position, von der aus man zum Gewinnzug antritt, nicht so gefallen. Er fand das zu repetitiv. Ihm haben hier geile Zwischenzüge gefehlt, die während des Spielablaufs immer mal wieder unser Mütchen anfachen und Freude (mit oder ohne Schaden) aufkommen lassen. Auch „das Hopp oder Topp [der End-Entscheidung] ist ihm nicht so sympathisch“.

Andere Zungen, andere Geschmäcker. Ich persönlich finde gerade diesen finalen Coup das Herausragende an „Saami“, auch wenn die Vorbereitungen darauf noch etwas variabler und subtiler ablaufen könnten.

WPG-Wertung: Keine Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Maracaibo”

Ein super Spiel. Hier hat Christof endlich sein Aufbauspiel gefunden, in dem stundenlang lang für fleißiges Planen und Agieren ein konsequenter Punktesegen herabrieselt. Moritz fand sogar das Thema in den Spielablauf gut eingebunden.

Mit unserem Schiff durchfahren wir vier Runden lang einen Rundkurs durch die Karibik, legen an gewählten Städten oder Dörfern an, führen dort definierte Aktionen aus und kassieren dafür Punkte oder Geld oder beides.

Als Aktionen können wir Waren liefern, Quests erfüllen, Projektkarten auslegen oder Kämpfe absolvieren. Wir kommen uns dabei nicht ins Gehege, jedes Feld des Rundkurses darf von beliebig vielen Spielern gleichzeitig betreten werden. Nur beim Waren-Abliefern könnte es zu Engpässen kommen: Wenn innerhalb einer Runde schon alle maximal benötigten Waren geliefert wurden, gehen wir dort leer aus.

Projektkarten in “Maracaibo”

Welche Waren wir liefern können steht auf den Projektkarten, von den wir jeweils vier Stück auf der Hand haben. Auf ihnen ist weiterhin vermerkt, wie viel das Auslegen dieser Karte kostet, wie viele Siegpunkte sie einbringt, ob dafür einer unserer wenigen Pöppel eingesetzt werden muss und eine ganze Reihe verschiedener Nebeneffekte, die beim Auslegen oder beim Betreten des zugehörigen Feldes ausgelöst werden.

Jeder Spieler darf beliebig 1 bis 7 Felder vorwärts ziehen. Der Rundkurs besteht aus 20 plus 1 Feldern, in 4 Zügen kann er durchlaufen sein (was Walter auch regelmäßig praktizierte), so dass nach insgesamt 16 Zügen pro Spieler das Spiel beendet war. Natürlich müssen die Nebeneffekten ebenfalls abgewickelt werden, sonst hätte sich unsere 4er Runde ja niemals geschlagene drei Stunden in der Karibik herumtreiben können. Christof und Moritz konnte jede Minute genießen.

Ich nicht.
Es ist jetzt nicht die Grundmeinung der Westpark-Gamers, was ich hier niederschreibe, sondern meine ganz persönliche.

Alexander Pfister hat in sein Spielgebäude an jeder Ecke, Seite und auch noch auf dem Dach ungezählte Balkone angebracht, so dass man gar kein Haus mehr sieht. Deswegen braucht es auch 24 Seiten eng beschriebenes Regelwerk, um die vielen Einfälle des Autors zu beschreiben.

Das fängt schon mit den 8 Projektkarten an, die jeder Spieler zu Spielbeginn erhält und von denen er vier Stück behalten darf. Alle Karten, 157 verschiedene an der Zahl, sind – selbstverständlich – ausbalanziert. Warum soll ich dann von 8 Karten, die alle vergleichbare Effekte aufweisen, mir 4 Stücke heraussuchen, wo ich doch gar nicht weiß, in welche Richtung das Spiel laufen wird, und wofür schlussendlich die gewählten Projektkarten auch keinerlei Aufschluss geben. Es ist ja nicht so wie in „Terraforming Mars“, wo uns pro Runde eine erkleckliche Summe zur Verfügung steht, mit der wir ein Auslegen unserer Handkarten taktisch angehen können. In „Maracaibo“ ist es bei der ständigen Geldknappheit überhaupt fraglich, ob ich eine gewählte Projektkarte jemals bezahlen und auslegen kann, oder ob ich sie nur irgendwann mal als läppische Ware bei irgendeiner Stadt abliefere. Vielleicht kann ein Experte mal mitteilen, nach welchen Kriterien er seine Anfangskarten auswählt; ich selber stehe hier immer noch wie ein Ochs vor dem Berg.

Das Schiff mit seinen Scheiben

Nächstes Thema: Das „Schiff“ mit den vielen Scheiben, die es abzuräumen gilt, um verschiedenen Vorteile zu gewinnen. Jedes Schiff besitzt 12 Plätze, an denen jeweils 2 – abstrakte – Scheiben liegen, die als Nebeneffekte unserer Hauptaktionen peu-a-peu abgeräumt werden. In welche Reihenfolge soll ich die Scheiben abräumen? Soll ich auf Vorteile beim Kämpfen, Vorteile in der Kartenhand, stärkere Dorfeffekte, direkte Siegpunkte oder direktes Geld un wat et all jibt ausgehen? Für mich ist das alles nur ein zähles, diffuses Herumgewurstele. Auch dazu kann ein Experte mal kundtun, welche Linie er hier einschlägt und warum.

Und so weiter und so fort. Es gibt – für mich – KEIN EINZIGES Spielelement, das dem Spielgeschehen, das meinen Ambitionen eine bestimmte Richtung vorgibt. Alles ist ein recht einheitlicher Aktionsbrei von der Hand in den Mund.

Mir graut schon vor nächstem Mittwoch, wenn Günther wieder dabei ist und wir „Maracaibo“ noch einmal spielen müssen. Nochmals zwei bis drei Stunden gute Miene zum bösen Spiel machen. Ich werde als Vorbedingung stellen, dass wir nach zwei Runden abbrechen. Dann hat Günther alle Spielmechanismen bereits zu 100 Prozent kennen- und praktizieren gelernt und wir haben eine gute Stunde Zeit für die schönen Dinge des Lebens gewonnen.

Aaron, der dem Spiel am Spielabend noch wohlwollend gegenüberstand, schrieb am nächsten Morgen eine dringliche Korrekturmail:

„Ich reduziere meine Maracaibo-Wertung von 7 auf 5 (die 7 Punkte waren wohl meiner Freude über den Fast-Sieg geschuldet). Wie ich gestern Abend schon sagte, ist mir das Spiel zu kleinteilig und es macht zu wenig Spaß, als dass ich es noch einmal spielen möchte.

5 Punkte trotzdem, weil ich damit die Designleistung anerkennen möchte. Die Mechanismen sind gut miteinander verzahnt und das Spiel scheint trotz der Zufallselemente gut ausbalanciert. Letztendlich ist aber auch nur ein „same, same, but different“-Pfister.

Leider hat das Spiel aber Schwächen, die meine Spielspaß deutlich reduzieren: Die Ikonografie, obwohl gut gewählt, ist an vielen Stellen zumindest für meine Altersklasse zu schlecht. Die Ressourcen und Gegenstände auf den Karten sind zu klein und farblich bei nicht optimaler Beleuchtung kaum zu unterscheiden. Gleiches gilt für die Questplättchen. Ich finde das anstrengend.

Dann sind mir in einem Spiel dieser Spieldauer zu viele Zufallselemente: Die Projektkarten, die Kampfplättchen und die Questplättchen. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich gestern rein opportunistisch und ohne langfristigen Plan gespielt habe. Immerhin bin ich damit mit nur 2 Punkten Abstand zum Sieger 2. geworden mit fast doppelt so vielen Punkten wie der Verlierer. Wäre die Spieldauer nur halb so lange, hätte ich das akzeptabel gefunden aber bei einem 2 bis 3 Stundenspiel möchte ich doch so etwas wie eine längerfristige Planbarkeit.

Ich frage mich, warum es so viel Variabilität im Aufbau gibt: Die Stadtplättchen, die Quests, die Aufträge, die Prestigegebäude. Braucht es das für den Wiederspielreiz? Genauso wie der Storymodus. Gibt das Spiel ohne diese Elemente längerfristig nicht genug her?

Bleibt noch die Spielerinteraktion. Die Liefermengen der Städte, die Quests, die Einflussleisten der 3 Nationen und deren Präsenz auf dem Spielplan wären hier zu nennen. Die Konkurrenz bei der Belieferung der Städte und dem Erfüllen der Quests hält sich in deutlichen Grenzen und wird eher durch die eigene Kartenhand gesteuert, so zumindest mein Eindruck. Die Interaktion bei den Nationen wird wiederum durch die Kampfplättchen beeinflusst. Beides Zufallselemente die eine geplante Interaktion deutlich einschränken.

Alles in allem ein solides Werk, das mir aber wegen der oben genannten Punkte deutlich weniger Spaß macht als das ähnliche Great Western Trail oder Mombasa vom gleichen Autor, die ich beide mit 6 Punkten bewertet habe.

Hier noch ein paar Kommentare aus BGG-Bewertungen, die ich voll unterschreibe:

    • Maracaibo is a largely self-absorbed card combo builder

 

    • Just too much crammed in to one game

 

    • Most of the game is parsing your options, not making decisions

 

    • The sheer amount of icons and nonsense on the board will make your eyes bleed

 

    • This is too messy and somehow the interesting parts of the strategy all fell away

 

    • This much luck has no place in a heavy euro efficiency game

 

    • The game is trying to do too many things at the same time while not excelling at anything in particular

 

  • Pfister’s heaviest game so far, but also his messiest and least focused

 

Kurz vor Redaktionsschluß noch eine Stellungnahme von Moritz:
Bei „HaL 9000“ (eher eine sehr kritische Profiseite wie wir) gibt es einige ausführliche Bewertungen über das Spiel, einige durchaus kritisch, aber die meisten vergeben die Höchstpunktzahl für dieses meiner Ansicht nach exzellente Spiel. https://www.hall9000.de/html/spiel/maracaibo

Wir haben es auch noch gar nicht „richtig“ gespielt, da gerade der Storymodus anscheinend besonders reizvoll ist. Ich habe mir das Spiel sofort bestellt, weil ich es so gut fand!

Dieser Rezension von Fred Lehner (auf Hal 9000) kann ich mich voll anschließen:

„Maracaibo ist auf sovielen Top 2019 Listen #1, viele bezeichnen es als bestes Pfister Spiel oder auch als Terraforming Mars Killer. Und in der Tat, dem kann ich nach nun 4 Partien tatsächlich zustimmen. Thema spricht mich voll an, wunderschöne Karibik-Grafik, dicke Playerboards, gutes Material. Das Spiel ist komplex, aber nach ca. einer Runde kommt man langsam und dank einer , tolle Spielübersicht rein. Es gibt auch schon viele Erklärvideos, die einem einen guten Überblick geben. In der Anleitung ist alles gut erklärt, vor allem am Schluß noch alle Karten und Quest-Symbole aufgelistet. Das Spiel hat alles was man sich vorstellen kann: Quests, Kampagne, Hunderte Multiuse Karten, Synergien, Legacy Teile, Story, Rondel usw. Das Wichtigste ist jedoch: Es macht einfach Spaß und nach ca. 3 Stunden ist man überrascht, dass bereits die letzte Runde angebrochen ist und man eigentlich noch soviel vor hat. Die Story ist so, wie ich es am liebsten habe: Spannend, aber nicht aufdringlich. Ich will schlussendlich spielen und nicht alle 5 Minuten eine Seite aus einem Buch lesen. Was ich auch genial finde ist, dass sich die Story auf das Spiel auswirkt und die Spieler gemeinsam entscheiden können was sie in der Story tun wollen. Zu kritisieren gibt es auch was: Der Spielplan sollte größer sein und die Playerboards sollten Löcher für die Scheiben haben. Ich erwarte mir aber eine ähnliche Entwicklung wie bei Terraforming Mars: Erweiterungen, Overlays usw.“

Bei den Westparkgamers ist man inzwischen eine gewisse Miesnickeligkeit gewohnt, aber bei diesem Spiel finde ich es ungerecht. Walter, Du mochtest Terraforming Mars am Anfang überhaupt nicht, auch wegen der komplexen Karteninteraktionen, dennoch hast Du es (gottseidank) immer wieder mitgespielt, und beim letzten Spiel hatte ich z.B. den Eindruck, dass Du die Karteninteraktionen voll durchschaust und supereffizient und intelligent gespielt (und auch verdient gewonnen) hast. Es braucht vielleicht einfach eine Weile, aber gerade die Karteninteraktionen machen den Reiz bei sowohl Maracaibo als auch Terraforming Mars aus. Diese Chance könnte man Maracaibo auf jeden Fall geben, es wird beim Wiederspielen sicherlich immer interessanter, denn wir haben nur einen winzigen Teil des Spieles erlebt. Ich spiele es gerne wieder und bringe es vielleicht auch nochmal mit. Ich ahne, dass es Günther ähnlich gehen wird…oder, wie siehst Du es, Günther?
Von mir 8 Punkte, Christof Tisch hatte das Spiel mitgetestet und findet es auch nach wie vor super…

WPG-Wertung: Aaron: 5, Christof: 8 , Moritz: 8, Walter: 5 (einschließlich 1 Punkt als Honorierung von Fleiß und Schweiß des Autors).

05.02.2020: Spielabend mit Taschenformaten

1. “Rituale des Wahnsinns”

Henning Poehl hat mal wieder eine abstrakte Assoziation, die absolut nichts mit Spielen gemein hat – genauso wie sein geschmackloses „Popeln“ oder gar der kriminelle „Hexenhammer“ – , gewaltsam zu einer Spielidee umgeformt. Diesmal geht es um Gestalten aus dem Cthulhu-Mythos. Moritz kannte sie alle und hätte zu jedem eine ganze Geschichte erzählen können. Doch uns am Westpark geht es fast ausschließlich um Spielmechanismen, und da ist es nebensächlich ob wir „Ritualplätze“ entdecken und „geheime Einflüsse“ gewinnen: Im “Wahnsinn” nehmen wir schlichtweg Karten auf die Hand, spielen gleichzeitig und verdeckt jeweils eine davon aus, drehen sie um, legen sie in der Reihenfolge ihrer Ranges auf zulässige Anlegeplätze auf dem Tisch und machen damit Siegpunkte.

Jeder Spieler bekommt zu Spielbeginn einen definierten eigenen Anlegeplatz zugeteilt, den er bei sich „öffnet“. Zusätzlich bekommt jeder Spieler noch 9 Ablegekarten auf die Hand. Jede Ablegekarte besitzt eine Wertigkeit zwischen 1 und 5 und kann an drei verschiedenen, genau definierten Anlegeplätze angelegt werden. Gibt es mehrere geöffnete Anlegeplätze, an denen eine Ablegekarte abgelegt werden kann, so darf der Spieler beliebig einen davon auswählen. Dabei ist es egal, ob der Anlegeplatz dem aktiven Spieler gehört oder einem Mitspieler.

Vier Ablegekarten passen an jeden Anlegeplatz. Ist das Quartett beisammen, wird der Ablegeplatz abgerechnet: die erste Ablegekarte geht leer aus: sie muss sofort bei einem Mitspieler angelegt werden. Die zweite und dritte Karte bringt je einen Siegpunkt pro Wertigkeit. Die vierte Karte wird mit dem Fünffache ihrer Wertigkeit belohnt; im Idealfall hat sie eine Wertigkeit von 5 und bringt dementsprechend allein für sich satte 25 Siegpunkte ein. Jeder Spieler strebt natürlich solche hohen Erträge an. Deswegen liegt es natürlich innerhalb der Ambitionen der Spieler, diese Erträge zu vermindern, indem man z.B. bei diesem Mitspieler schnell mal eben als vierte Karte eine Ablegekarte mit der Minimalwertigkeit von 1 anlegt. Lustig, was?!

Befindet sich für eine ausgespielte Ablegekarte kein zulässiger Anlegeplatz offen auf dem Tisch, darf bzw. muss der Spieler einen geeigneten neuen Anlegeplatz aus dem öffentlichen Reservestapel wählen und zusammen mit der ausgespielten Karte bei sich „öffnen“. Dieser Zug ist auch die einzige Möglichkeit, an neue, lebenswichtige Anlegeplätze heranzukommen, andernfalls muss man seine Anlegekarten notgedrungen bei den Mitspielern loswerden und schustert ihnen auf diese Weise unweigerlich Siegpunkte zu, selbst wenn diese nur gering sein sollten.

In dieser Situation befand sind Moritz über länger als die Hälfte des Spieles: Sein einziger, bei Spielbeginn zugeteilter Anlegeplatz war abgerechnet, und er hatte rundenlang keine einzige Anlegekarte, mit der er einen neuen hätte eröffnen können. Das ist nicht „lustig“, das ist „broken“! Aaron schickte am Morgen danach eine Eilmail, um noch einmal in der Spielregel nachschauen zu lassen, „ob wirklich nirgendwo steht, dass man einen neuen Anlegeplatz nehmen darf, falls man keinen mehr hat. Ich kann gar nicht glauben, dass Henning dieses offensichtliche Problem nicht erkannt haben sollte“. Nein, darüber steht in der Spielregel tatsächlich kein einziges Sterbenswörtchen! Andere Leute haben halt andere Vorstellung von Lustigkeit und Spiel!

Ansonsten besteht der ganze Spielablauf lediglich darin, die insgesamt 27 Ablegemöglichkeiten seiner 9 Ablegekarten danach abzuchecken, an welche der vier bis fünf Anlegeplätze auf dem Tisch man sie hinlegen kann, wo sie am meisten einbringen, wo sie einen Mitspieler am meisten schaden oder ob sie nirgendwohin passen und somit einen neuen Anlegeplatz erlauben. Bei der gegebenen sparsamen Farbgebung eine mühsame Angelegenheit für einen minimalen Spielspaß.

WPG-Wertung: Aaron: 2 (das Spiel hat mir noch in keiner der ca. 6 Varianten gefallen, die ich während seiner Entwicklung kennengelernt habe; das Spiel ist nicht „broken“, aber ich brauche es nicht noch einmal zu spielen), Günther: 3 (nervig, ich finde nichts Spaßiges daran, aber die Regeln stimmen), Moritz: 1 (bizarr, keinerlei Spaß, nichts was interessant ist, eines der schlechtesten Spiele, die ich je gespielt habe, fast eine Parodie auf Aarons „Loot Island“. Poehls „Popeln“ [WPG: 2,5] und „Hexenhammer“ [WPG: 2,0] waren besser), Walter: 3 (unstimmig in der Anforderung, die Ablege-Optionen zu checken und die Analyse daraus einem berechenbaren Ausgang zuzuführen; vielleicht als Idee zu einem Dödelspiel nutzbar).

Für die Sprachpuristen: Hier in diesen wenigen kurzen Absätzen kommen 27 mal die Wörter „Anlegeplatz“ bzw. „Ablegekarte“ vor. Meint Ihr, ich fand das beim Schreiben jetzt lustig? Wenn ich stattdessen die Orginal-Terminologie „Ritualplatz“ und „Ritualkarte“ verwendet hätte, wäre das denn lustiger – oder wenigstens verständlicher – gewesen?

2. “Belratti”

Die Musumsdirektoren Aaron und Günther beraten über eine Fälschung von “Belratti”.

Eigentlich müsste das Spiel „Beltracchi“ heißen, nach dem größten Bilderfälscher des 21. Jahrhunderts, der sich mit Hunderten von nachempfundenen Corinths, Marcs, Campendonks und wie sie alle heißen ungezählte Millionen Euros ermalt hat. Aber wahrscheinlich hat der Künstler seinen Namen dafür nicht hergegeben.

Als Team spielen wir die beiden Parteien Maler und Museumsdirektoren und versuchen uns gegen den Fälscher Belratti zu wehren. Gesteuert wird das Spiel über 190 Motiv-Karten, die einfache klare Objekte darstellen: ein Telefon, eine Bratwurst, ein Damenschuh und so weiter. Die Museumsdirektoren geben jeweils zwei dieser Motive vor und möchten von der Künstlergruppe eine bestimmte Anzahl von Gemälden zu diesen Motiven erstehen. Die Künstler suchen aus ihren Gemälden – jeder hat 9 Stück davon auf der Hand – diejenigen aus, die ihrer Meinung nach zu dieser Vorgabe am besten passen. Danach werden noch vier weitere Gemälde vom verdeckten Stapel (die Fälschungen von Belratti) dazugegeben. Die Museumsdirektoren müssen nun herausfinden, welche Bilder von den Künstlern stammen und welche Belratti dazugeschustert hat. Ein hübsches, breit ausdiskutierbares Rätselraten und Philosophieren um die Assoziationsmöglichkeiten, nach denen die Künstler ihre Gemälde wohl ausgewählt hatten.

Nicht erkannte Belratti-Gemälde kommen auf den Negativ-Stapel und führen früher oder später das Spielende herbei. Richtig erkannte und zugeordnete Gemälde der Künstler bringen Siegpunkte. Am Ende haben entweder Museumsdirektoren und Künstler gemeinsam als Team gewonnen, oder Belratti hat sie alle reingelegt.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (ein schönes Spiel, man kann es mit jedem spielen), Günther: 7 (nettes, lustiges Kommunikationsspiel; es hat Spaß gemacht. [Wir waren ja gerade erst massiv Spaß-entwöhnt!]), Moritz: 8 (Phantasie erregend, originell, keine große Erklärung notwendig), Walter: 7 (eine Kooperation, bei der man sich gegenseitig ordentlich beraten kann, und wo der Gedankenaustausch beim Beraten ein wesentlicher Beitrag zum Spielespaß ist).

3. “Deckscape: Hinter dem Vorhang”

Gemeinsam müssen wir eine Serie von Rätseln lösen – 54 Stück -, die zum Teil aufeinander aufbauen, im Prinzip aber doch locker – oder auch verkrampft, wenn man es so nimmt – zusammengestellt sind. Mittels Spiegel, Schablonen, Raster, raffinierte Blickwinkel und ähnlichen Techniken sowie einer großen Portion Findigkeit müssen wir die via Bilder und Texten gestellten Fragen beantworten. Falls wir irgendwo nicht weiterkommen, dürfen wir im Hilfeblatt nachschauen, aber das kostet Strafminuten.

Wenn wir alles unter 75 Minuten geschafft haben, sind wir würdig, als neue Meisterschüler aufgenommen zu werden. Wir schafften es in etwa zwei Stunden, kurz vor der vorletzten U-Bahn für Moritz. Summa sine lauda.

Moritz war der einzige, der mit Leidenschaft die Rätsel anging und auf die Zeit drängte. Die anderen wollten eher Rätsel und Lösungswege genießen und vollzogen in Ruhe das nach, was Moritz gerade mal wieder herausgefunden hatte. Walter gefiel sich nach eine Viertelstunde in der Rolle des kontemplativen Betrachters, ohne sich deswegen in den restlichen 105 Minuten zu langweilen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (für mich persönlich nur 4 Punkte, ich tu mir immer schwer mit diesem Spielprinzip, aber das Spiel ist wohlkonstruiert), Günther: 6 (ich löse gerne Rätsel, aber nicht unter Zeitdruck; eine „parallelisierte“ Lösung, wo die Spieler möglichst unabhängig von einander im Akkord jeder an einer anderen Rätselecke arbeiten, macht nicht soviel Spaß), Moritz: 6 (die Rätsel waren – fast alle – fair), Walter: 6 (die Autoren haben sich viel Mühe bei der Erfindung der Aufgaben gegeben, mehr als ich für die Lösung zu opfern bereit bin. Wenigstens war hinterher das Spiel nicht kaputt).

08.01.2020: Aufruhr, Tumult, Getümmel, Gärung

1. “Terraforming Mars – Turmoil”

Nachdem der Mars endlich bewohnbar geworden ist und sich dort die ersten Zivilisationen einrichten konnten, schlägt der menschliche Polit-Charakter zu: Unternehmen, Pressure-Groups und sonstige Parteigänger kämpfen mit ihren Lobbyisten um ihre individuellen Vorteile. Dieses Geschehen hat der Autor der Basisspiels, Jacob Fryxelius, mit seiner 2019iger Expansion „Turmoil“ nachgebildet.

Terraforming Mars – Das Parlament von „Turmoil“

Neben den üblichen Aktionen zur Gestaltung des Lebens auf dem Mars müssen wir ein Parlament bedienen, Mehrheiten für unsere Parteivorlieben suchen, möglichst Parteiführer der Mehrheitspartei werden und als Parlamentspräsident auch noch einmal kurz absahnen, was abzusahnen ist.

Einen Lobbyisten, mit dem wir auf dem parlamentarischen Parkett auftreten können, bekommen wir pro Runde „geschenkt“. Wir müssen ihn einsetzen, sonst verfällt seine Wirkung. Beliebig viele weitere können wir für erschwingliche Summen dazukaufen, um bei entsprechenden Ambitionen damit doch noch unserer gewünschten politischen Zielrichtung zur Mehrheit zu verhelfen. Ein Kingmaker-Effekt bei dieser Art von Mehrheitsbildungen ist nie zu vermeiden. Ist er hier sogar Absicht?

Die Mehrheitspartei bestimmt den Bereich, über den ein zusätzlicher Geld- und Siegpunkt-Segen herabregnet: über das Besitztum an Eisen- oder Energieunternehmen, über Wissenschaft oder Weltraumforschung, über grüne Aktivitäten oder – als Malus – über die erreichte TM-Stufe.

Die Turmoil-Erweiterung wirkt äußerst aufgesetzt. Mit den sonstigen TM-Bestrebungen hat sie überhaupt nichts zu tun. Der Besitz an Standard-Errungenschaften ist nur ein kalter Maßstab für die Sonderausschüttungen. Dass es hier sogar Bestrafungen im Sinne von Punktabzügen gibt, ist spielpsychologisch kontraproduktiv. Noch dazu werden in „Turmoil“ die Einkommen der Spieler von Runde zu Runde reduziert, so dass die Finanzkraft der Spieler sehr bald nicht um Prozentzahlen, sondern um Größenordnungen differiert. Da geht die Balance verloren. Wer hier – warum auch immer – in den ersten Runden ins Hintertreffen geraten ist, kann anschließend stundenlang seine Rolle am Katzentisch absolvieren, auch wenn die „Roten“ mit ihrer Warmduscher-Philosophie versuchen, ihm noch unter die Arme zu greifen.

Bemerkenswert: Günther wurde Zweiter, im Prinzip ein gutes Zeichen für die strategische Herausforderung von „Turmoil“. Allerdings wurde Walter Erster, und das spricht dann doch schon gewaltig für entweder eine recht eindimensionale Gewinnstrategie oder für überreichliche Zufallseinflüsse.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (2 Punkte weniger als für die Basisversion; ich bin von keiner Expansion angetan, und diese ist die schlechteste von allen, fast broken), Günther: 4 (für diese Expansion, bei 8 Punkten für die Basisversion), Moritz: 6 (die Expansion könnte gut als Idee für eine eigenständige Spielerfindung herhalten), Walter: 5 (in ein mehrere Stunden dauerndes Spiel kann man doch keine Bremsen einbauen, Gas-Geben wäre eher angesagt gewesen; schade um die viel zu vielen hübschen Ideen in dieser Spielefamilie).