Willi aus dem mittleren Norden hat uns mal wieder beehrt. Allein von seiner menschlich-spielerischen Natur her wird es immer locker und lustig, wenn er dabei ist. (Sonst meist ja auch.) Mit seinem Spiele-Repertoire kann er es mit den größten unserer Giganten aufnehmen, mit seiner Spieleerfahrung auch. Und mit Charme und Witz ebenfalls. Schön, dass Du da warst, Willi!
1. “Sherlock – Verbleib unbekannt”
Wir lösen alle zusammen und kooperativ einen Kriminalfall. Was vorgefallen ist, davon wissen wir am Anfang überhaupt nichts. Wir bekommen so nach und nach Informationsfetzen in Form von bedruckten Kärtchen zugeteilt, aus denen wir uns das Gesamt-Geschehen zusammenreimen müssen. Beispielsweise:
„Anton verprügelt regelmäßig seine Frau Berta.“
„Berta hat sich letzte Woche mit einem Anwalt getroffen.“
Daraus könnte man schließen, dass Berta sich scheiden lassen will. Vielleicht war sie sogar das Mordopfer …
Jeder hält eigene Informationskärtchen (jeweils drei davon) auf der Hand. Darüber kann er, ohne das konkrete Wording des Kärtchens zu benutzen, beliebig viel seinen Mitspielern erzählen. Über Wert und Unwert dieser Information dürfen sie beliebig lange diskutieren. Diese Diskussion kommt sofort in Gange, ist lebhaft und ausschließlich konstruktiv; ein schöner und voll gelungener Teil des Spiels. Danach legt reihum jeder Spieler jeweils ein Kärtchen aus der Hand ab, und zwar entweder offen auf die öffentliche Ablage mit den (vermeintlich) entscheidenden Informationen oder verdeckt auf den Stapel mit den irrelevanten Informationen.
Wenn alle Karten abgelegt wurden, werden an alle Mitspieler gemeinsam 10 Fragen zum konkreten Kriminalfall gestellt. Z.B. ist der Aufenthalt von Berta: a) in der Küche b) im Wald c) unbekannt d) irrelevant. Über die Antworten darf beliebig diskutiert werden. Sämtliche Informationen auf sämtlichen Informationskärtchen stehen zur Verfügung. Für jede richtig beantwortete Frage gibt es Siegpunkte. Für jedes – falsch platzierte – irrelevante Kärtchen auf der offenen Ablage gibt es Punktabzüge. Hinterher sind wir alle Meisterdetektive oder auch nur kleine Sherlock-Fische. Der Fall ist allerdings perdu. Die Karten können entsorgt (oder verschenkt) werden.
WPG-Wertung: Günther: 7 (vom Prinzip her lustig), Moritz: 8 (das Spiel ist gut, weil es keinen Zeitdruck kennt, kommunikativ ist, nicht kompliziert; jeder kommt sofort hinein, jeder trägt etwas bei, und keiner kann die Boss-Funktion an sich reißen), Willi: 8 (kurzweilig ohne störenden Leader-Effekt), Walter: 7 (konstruktive, freie Diskussion; bei uns zum Warming-Up gut geeignet; hinterher muss man sich allerdings am Feuer wärmen, das mit den Karten genährt wird).
2. “13 Indizien”
Gleich noch ein Deduktionsspiel. Diesmal aber kompetitiv. Über Sichtschirme geregelt besitzt jeder Spieler zwei Karten, die nur er kennt, und drei Karten, die er selber nicht nicht kennt, aber alle anderen. Auf den Karten sind Personen (männlich/weiblich), Lokalitäten (innen/außen) und Tatwaffen (für Nah- oder Fern-Einsatz) abgebildet, verschiedentlich eingefärbt. Durch geschicktes Fragen und richtiges Schlüsse daraus ziehen muss jeder Spieler nun herausfinden, welches die drei Karten vor seinem Sichtschirm sind, die er nicht kennt.
Die Fragen sind alle nach dem Muster:
Hallo Günther, wie viele Männer siehst Du? Wie viele Personen siehst Du? Wie viele Fernwaffen siehst Du? Wie viele rote Karten siehst Du? Andere Fragestellungen sind uns nicht eingefallen, vielleicht gib es auch keine anderen, oder sie wären nicht zulässig gewesen.
Moritz hat gewonnen.
WPG-Wertung: Günther: 5 (übliche logische Deduktion), Moritz: 6 (ganz OK, haut mich aber nicht um; das Spiel funktioniert, hat vom Design her aber nicht das Rad neu erfunden), Willi 7 (wunderbar kurz, man ist immer beschäftigt, der Geist ist immer in Bewegung, man vertut sich beim Antworten – fast – nie. Im Deduktionsbereich das Beste, was es gibt), Walter: 6 (Der Fragen-Typ ist sehr konform und enthält keinen besonderen Esprit, das muss aber nicht einmal ein Nachteil sein).
3. “Kensington”
Auf einem öffentlichen Haufen liegen mit der Rückseite nach oben tetris-artiger Bauteile aus, daraus soll jeder Spieler für sich den schönsten Kensington-Palast bauen. Auf den Bauteilen sind Fenster aufgedruckt; sie sind gelb oder schwarz, haben eine rechts-links bzw. oben-unten Ausrichtung und natürlich Ecken und Kanten. Jeder Spieler zieht reihum eines der Bauteile aus dem Haufen und baut es, ausgehend von einer Tür, in sein Bauwerk ein. Die Teile müssen farblich zu ihren Nachbarteilen passen und kein Teilstück davon darf in der Luft hängen.
Auch wenn aus Markierungen auf der Rückseite her erkennbar ist, von welchem Typ das Bauteil ist, leicht oder schwer, so ist über Farbe und Orientierung nichts bekannt. Wenn das Bauteil zudem noch etwas tiefer im Haufen liegt und zu einem Teil verdeckt ist, kann es beim Herausziehen noch Überraschungen über die konkrete Länge oder Form des Bauteils geben. Kann ein Spieler ein Bauteil nicht in seiner Baustelle einbauen, muss er es offen in seinem privaten Lager ablegen.
Jeder Mitspieler darf sich anstelle des großen Haufen auch aus den Lagern seiner Mitspieler bedienen, muss dann aber dem ursprünglichen Besitzer einen Chip abgeben. Zu Beginn besitzt jeder Spieler einen einzigen dieser Chips; weitere Chips erhält man beim Einbauen von komplizierten Bauteilen. Diese Chips werden aber im Wesentlichen benötigt, wenn man Dachteile (auf der Rückseite farblich gekennzeichnet) aus dem Bauteil-Haufen ziehen will. Dachteile sind in der Siegpunkt-Wertung am Ende wichtig. Ohne Dach nix los. Jedes Fenster unter einem Dachteil gibt einen Siegpunkt, Fenster ohne Dach gehen leer aus. Weiterhin bringt die Anzahl von verschiedenen Stockwerken, auf denen sich Dachteile befinden, eine arithmetisch steigende Anzahl von Siegpunkten ein. Wenn das Bauwerk komplett überdacht ist, hagelt es noch einmal Siegpunkte. (Nach Willis Hausregeln werden auch Gebäude mit nur einer Lücke im Dach mit Siegpunkten bedacht.) Als tröstliches Schmankerl werden auch die Anzahl von Katzen, die sich – zufällig gezogen – in den Fenstern unseres Palastes befinden, mit Siegpunkten belohnt.
Wie gewinnt man das Spiel? Günther gab die Devise aus: Man muss so bauen, dass man flexibel bezüglich weiterer Einbaumöglichkeiten bleibt und muss dann und wann ein Risiko eingehen und ein komplizierteres Bauteil auswählen. Wie wahr, so einfach! Immerhin konnte er diese Strategie erfolgreich demonstrieren. Und im gleich folgenden zweiten Spiel, nachdem Aaron spät aber doch noch dazugekommen war, setzte sich mit Willi der zweite Kensington-Experte durch.
Das Spiel ist übrigens zu Ende – sudden death – sobald der siebte Vogel unter einem Dach gefunden wurde. Zweifellos ein Handicap für eine konsequente Bauplanung. Und zweifellos ein – unzulässiger – Vorteil für den Startspieler, der im Haufen der Bauteile auch noch den Vorteil des ersten Zugreifens hat.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (lockeres Familienspiel, blindes Herumfischen im Haufen der Bauteile), Günther: 6 (zum Warming Up, ein Pluspunkt ist, dass es in einer 5er Runde gut funktioniert), Moritz: 4 (eher zum Warming Down, öde, hohes Glückselement, das zweite Spiel war noch langweiliger als das erste), Willi: 7 (Spaß an den topologischen Überraschungen), Walter: 6 (zum Zeitvertreib mit den Enkelkindern geeignet; ansonsten ist der Spielcharakter wegen der Diskrepanz zwischen Planung und Zufall nicht stimmig).
4. “Bluff”
Seit langem mal wieder ein „Bluff“. In einer 5er Runde immer wieder ein besonderes Erlebnis. Im Endspiel Günther mit zwei gegen Willi mit einem Würfel legte Günther – standesgemäß – 1 mal die Fünf vor. Willi hob auf 2 mal die Drei? Was hättet Ihr an Günthers Stelle getan, wenn Ihr eine Eins und eine Drei unter dem Becher gehabt hättet?
Hatte Günther aber nicht. Willi hat glatt den Sieg verschenkt! Oder hatte er durch seinen Bluff sogar seine rechnerischen Chancen erhöht, seinem Gegner eine (oder zwei) Würfel abzuknöpfen?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.