Alle Beiträge von Walter

20.06.2018: Mit Super-Bluff nach Neu-Fund-Land

1. “Race to the New Found Land”

Wie gar nicht so selten im Brettspiel-Milieu, gewinnt man die „Race“, wenn man während des Spielens die meisten Siegpunkte auf seine Seite geschaufelt hat. In der „Race“ gibt es dafür zwei Quellen:

  1. Waren (verschiedener Sorten) anhäufen und damit europäische Städte beliefern. Jede Lieferung bringt Siegpunkte. Wer am Ende eine Stadt am häufigsten beliefert hat, bekommt dafür noch eine weitere Siegpunkt-Prämie.
  2. Inseln (vor der kanadischen Küste) entdecken und besiedeln: Jeder Siedler bringt einen Siegpunkt. Bei Spielende werden auch hier für Siedlermehrheiten auf jeder Insel weitere Siegpunkt-Prämien ausgeschüttet.
Neu-Fund-Land und seine Besiedelung

Die Aktionen der Spieler werden durch sogenannte Schiffe abgewickelt, mittels derer man Waren generieren, Waren abliefern, Inselteile entdeckten oder bereits entdeckte Inselteile besiedeln kann. Zu Spielbeginn fängt jeder Spieler mit einem Schiff an, sehr schnell können wir uns aber weitere Schiffe zulegen, am Ende arbeitet jeder Spieler in der Regel mit vier Schiffen. Dazu kommen noch Charterschiffe für den Einmalgebrauch, die uns innerhalb bestimmter Spielzüge zugeschustert werden.

Das Spielgeschehen ist an keiner Stelle eine spannende „Race“, es ist ein gemütlicher vierfacher Kreisel, in dem wir unsere Besiedelungs- und Lieferungszüge abwickeln, jeder für sich, nur leicht getrübt durch Interferenzen bei der Konkurrenz um (spätere) Mehrheiten oder (aktuell) favorisierte Lieferaufträge.

Durch asymmetrische Startvorgaben (z.B. sind die Spanier bevorzugt beim Besiedeln, die Franzosen beim Handel), wird auch noch dafür gesorgt, dass die Spieler unterschiedliche Interessen verfolgen und die Konkurrenz-Effekte sich abmildern.

Ein gerade richtiger Zufallseinfluss ist beim Entdecken von Inselteilen sowie bei Sonderprämien eingebaut. Ob dieser Zufall dem Planungscharakter des Spiels angemessen ist, sei jetzt dahingestellt. Alles ist ausbalanciert, alle Härtefälle gemildert, für jeden Frust ein Trost eingebaut, alles nivelliert, leider auch die Interaktionsmöglichkeiten, der Wettlauf, die Spielespannung und der Reiz.

Bis auf eines, das nicht ausbalanciert ist: Die naturgegebene Startspieler- bzw. Zugreihenfolge-Asymmetrie. In einer 3er Runde ist ein Spieler zweimal Startspieler, was nur dann gerecht ist, wenn damit keine Vor- und keine Nachteile verbunden wären. Das ist aber nicht der Fall. Wie diese Rolle in der ersten Runde zu werten ist, das lassen wir jetzt einmal offen. Bei uns war Günther als Startspieler in der zweiten Runde als einziger in der Lage, sich mit den angesammelten Ressourcen ein „großes Schiff“ zuzulegen. Damit konnte er sich als einziger in jeder Runde ein Gold generieren und und sich damit sowohl beim Schiffbau als auch beim Liefern die größte Flexibilität einhandeln. Er wurde Sieger.

Vielleicht lag das natürlich auch an seinem gewohnt meistenhaften Spiel. Hallo Günther, nimm’ es mir jetzt bitte nicht übel, wenn ich Deinen Sieg AUCH auf Deine unausbalanciert günstige Start-Positionierung schiebe.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (am Anfang war ich angetan, das hat aber gegen den Schluß hin nachgelassen. Fazit, um es mit Schejkspier zu sagen: „Much ado about nothing“; das Spiel schwimmt im Mainstream mit, als Familienspiel nicht geeignet), Günther: 7 (kein Riesenaufbau. Wenn man weiß, wie es geht, kann es schnell über die Bühne gehen. [WS: Wir haben heute 80 Minuten für die Einführung und 100 Minuten für das Durchspielen benötigt!] Sicherlich gibt es Leute, denen es Spaß macht, das Potential dieses Spiels auszuloten), Walter: 6 (konstruktiv bis solitär mit geringen Konkurrenzeffekten, es fehlt der Pfiff. Außer um mit den Spaniern nochmals die Effizienz einer extremen Siedlungspolitik zu betreiben wüsste ich nicht, warum ich das Spiel noch einmal spielen sollte.)

2. “Super-Bluff”

Günthers Super-Wurf. Garantiert nicht gefaked!

Eine Spielerweiterung, jetzt mit sechs Superwürfeln, d.h. jeder Spieler bekommt einen. Eigenschaft: Die Augenzahl des Superwürfels zählt zweimal. Solange noch fast alle Würfel im Spiel sind, ist die Wirkungsweise fast identisch mit einem sechsten Würfel für jeden. Erst im Endspiel kommen andere Effekte zum Tragen und wir alten Bluff-Hasen müssen (erst noch) ganz neue Logiken entwickeln, um das Spiel in den Griff zu bekommen. Sowohl Walters Immer-4-Strategie wie auch Günthers Immer-5-Strategie sind obsolet geworden. Weil das so ist, wurde noch mehr gelacht als sonst, was aber nur als mehr Überraschung, nicht als mehr Spielspaß zu deuten ist.

Das Spiel wird „verkopfter“. So wie ich mich bisher getraut hätte, bei einigermaßen mit Zahlen und Häufigkeiten vertrauten Nicht-Spielern zur Unterhaltung das Normal-Bluff auf den Tisch zu legen, würde das mit dem Super-Bluff nicht mehr funktionieren. Doch sicherlich gibt es genügend Spielerkreise, die das Normal-Bluff ausgelutscht haben und jetzt eine neue Geschmacksnuance hineinbekommen haben. Und wem das nicht schmeckt, der kann die Super-Würfel ja wie Normal-Würfel behandeln und hat so sein gewohntes, in den Bestandteilen Zufall, Bluff und Rechnen gerade richtig gemixtes Spiel-des-Jahres-1993 wieder. [Mein Gott, was für Evergreens gab es früher doch mal unter dem SdJ-Titel!]

Günther legte am ersten Abend mit dem Super-Bluff gleich einen Super-Wurf hin: 5 mal der Stern! Wenn er jede Woche ein- bis zweimal Bluff spielt und dabei 5 mal ohne Würfelverlust mit allen 5 Würfeln würfeln darf, dann muss er durchschnittlich 30 Jahre lang warten, bis er das nächste Mal diesen Super-Wurf hinlegt.

WPG-Wertung: Die Punkte wurden nicht abgefragt, eine Extrapolation der Eindrücke auf die Noten würde wohl ergeben : Aaron: 8, Günther: 8, Walter: 8.

30.05.2018: Nichts Neues, oder doch?

1. “History of the World”

Auch wenn die Erde sich ständig dreht und in ihrem Milchstraßenflügel blitzschnell-langsam durch das All eilt, haben schon vor 3000 Jahren kluge Männer herausgefunden: “Nichts Neues unter der Sonne”. Das gilt besonders, wenn man die Geschichte der Menschheit betrachtet: Mord und Totschlag, Krieg und Eroberungen, Siege und Niederlagen, Führer und Verführte bleiben sich über alle Völker und Zeiten hin gleich. Selbst ein neuer Präsident und eine alte Kanzlerin ändern nichts daran, auch wenn sie ein paar Millimeter an dem geschichtlichen Fleckerlteppich weiterweben.

In „History of the World“ wird die Geschichte der irdischen Eroberungen nachgespielt. Alle paar Jahre kommt eine neue Version heraus, aber naturgemäß spielen wir immer noch mit den alten Affen. Und Moritz ist jedes Mal von neuem begeistert.

Europa mit seinen Mittelmeer-Anrainern sitzt wie üblich wie in dickes, vollgefressenes Kuckucksjunges in der Mitte des Spielbretts. Die restlichen Kontinente (wenn man Europa überhaupt unter diesen Begriff zählen darf) sind höchstenfalls kleine Wachteleier am Rande.

Was ist die intellektuelle Herausforderung dieses Spiels? Von Vorteil ist, wenn man einige Spielerfahrung hat (Moritz hat das Spiel schon hundertfach gespielt), wenn man weiß, wo Völker entstehen, welches Potential sie entfalten können, und wie sich die unterschiedlichen Siegpunktausschüttungen für Anwesenheit, Dominanz und Alleinherrschaft in den verschiedenen Regionen entwickeln.

Strategisch ist es, sich in einige abseitige Regionen auszubreiten, die – hoffentlich – weniger umkämpft werden, wo der Besitzstand sich besser hält, und die in der Summe dann doch reichlich Siegpunkte ausschütten.

Taktisch ist es, seine Punkteausbeute so zu dosieren, dass man möglichst zweimal hintereinander abkassieren kann, z.B.: als Letzt-Ziehender in der einen Runde und dann als Erst-Ziehender in der nächsten Runde. Dabei darf man den Mitspielern aber nicht zu viel Vorsprung geben, den man dann ggf. nicht mehr einholen kann.

Moritz als gewiefter Stratege und Taktiker ließ sich bis in die letzte Runde zurückfallen, weit zurückfallen, und machte dann als Erstziehender einen Riesensatz bis weit vor alle anderen. Aber es reichte nicht. Aaron als Letzt-Ziehender (und vor der letzten Runde Führender) konnte als Japaner seinen Vorsprung ins Ziel retten. Ja wenn Moritz ihn bzw. seinen Besitzstand in seinem Zug konsequent bekämpft und dezimiert hätte, und nicht seinen Hauptgegner in Walter gesehen hätte, hätte es vielleicht noch zum Sieg gereicht. Wenn dann aber Günther gegen Moritz losgezogen wäre und Walters Besitzstand geschont hätte, hätte alles ganz anders kommen können. Selbst in der letzten Runde. Soviel ist in History of the World einfach (nicht) drin.

Ach richtig, gut würfeln muss man natürlich auch. Und zwar ständig.

Walter war als Hitler (oder war es Kaiser Wilhelm?) mit seinen Alemannen und reichlich Besitztum vom Kap bis nach Nanking hoffnungsvoll in die letzte Runde gestartet, als er dann aber endlich mit seinen neuen Eroberungen beginnen konnte, hatten die Franzosen das Rheinland besetzt und die Bolschewiken waren bis weit über die Elbe gezogen. Das treulose Albion lag unerreichbar, genauso wie die übrige Welt zwischen Alaska und Australien. Da drehte er sich um und weinte bitterlich.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (zu lang für das, was es ist, sehr glückslastig, zu viel Wartezeit zwischen den Zügen), Günther: 7 (die Wartezeit kann man sich durch interessiertes Zuschauen verkürzen, zudem wird man ja auch zuweilen in einen Verteidigungskrieg verwickelt), Moritz: 10 (diese Spiele sind alle 10 Punkte wert), Walter: 6 (bei der ganzen Kriegerei darf kein Herzblut fließen, dann kann man es aushalten; naturgemäß ist in solchen Eroberungsspielen die Kingmakerei nicht zu verhindern)

 

2. “Krazy Wordz”

Wir ergötzen uns bei der Erfindung von sprachlichen Neuheiten aus dem Zuhälter-Milieu, den Nonnenklöstern und dem Kamasutra. Es macht Spaß, die Begriffe zu bilden und sie zu erraten. Partyspiel.
Moritz kannte zwar nicht die meisten Stellungen, konnte sie aber am eindrucksvollsten benennen. Sieger.

Keine neue WPG-Wertung.

23.05.2018: Platzende Kessel und aggressive Viecher

1. „Die Quacksalber von Quedlinburg“ – Anwärter zum Kennerspiel des Jahres 2018

„Can’t Stop“ aus den Kochtopf. Jeder Spieler zieht Zutaten aus seinem schwarzen Stoffsäckchen, und hört irgendwann mal freiwillig damit auf, oder er muss unfreiwillig damit aufhören, weil er zu viele Knallerbsen herausgezogen hat und sein Topf dadurch geplatzt ist.

War noch alles heil, so bekommt ein Spieler Geld und Siegpunkte, ist der Kessel geplatzt gibt es Geld oder Siegpunkte. Es ist natürlich einleuchtend, dass diese Erträge umso höher sind, je mehr Zutaten wir aus dem Sack gezogen haben. Weiterhin gibt es Gratifikationen für die Anzahl der Zutaten, ihre Art (Farben) und die Reihenfolge, in der wir sie gezogen haben.

  • Grün ist gut, wenn es bei den letzten Zutaten ist.
  • Rot ist gut, wenn vorher Orange gezogen wurde.
  • Gelb ist gut, wenn davor eine Knallerbse gezogen wurde, die darf man dann nämlich entfernen.
  • Blau ist gut, denn dann darf man probehalber ein paar Zutaten aus dem Sack holen und sich die beste davon heraussuchen.

Wie kommen die Zutaten in den Kessel? Eine ausreichende Anzahl Knallerbsen zum Platzen gehören zur Grundausstattung, die weiteren Zutaten muss man sich kaufen. Vom Erlös der Suppe.

Das Spiel ist äußerst taktisch, denn in der ersten Phase muss man auf Teufel komm raus Zutaten ziehen bis dass der Kessel platzt; auf das spärliche Rinnsal von Siegpunkten kann man hier leicht verzichten. In der Schlussphase muss man wiederum auf Teufel komm raus Zutaten ziehen bis dass der Kessel platzt, denn dann braucht man nicht mehr unbedingt neue Zutaten zu kaufen. Nur in der letzten Runde braucht man beides, denn auch der hier erzielte Geldgewinn wird in eine erkleckliche Anzahl von Siegpunkten umgewandelt. Und in der Mittelphase sind die Obertaktiker gefragt, denn da gilt es Siegpunkte und Gelderlös zu optimieren. Oder ist das schon Strategie?

Das Spiel ist selbstverständlich auch äußerst strategisch, denn die insgesamt 6 verschiedenen Nutzfarben erlauben als 2er Kombination allein 30 verschiedene Farbstrategien. Die Gewinnchancen sind absolut unterschiedlich, ob man eine rot-orange oder ob man eine blau-grüne Strategie fährt. Günther hat es aber a priori abgelehnt, hierzu a la „Dominion“ eine optimale Strategie zu berechnen.

Die herausragendsten intellektuellen und sensorischen Fähigkeiten werden allerdings beim Herausholen der Zutaten aus dem Sack benötigt. Hier müssen die Knallerbsen erst am Ende, die orangenen Zutaten aber vor den roten, die gelben genau eine Position nach den Knallerbsen und die grünen an letzter oder vorletzter Position gezogen werden. Offensichtlich hat das der Spielergemeinde so sehr imponiert, dass selbst die Jury von SdJ an einer Nominierung nicht vorbei kam.

Bei uns lag nach der ersten Wertung Aaron vor Moritz, Günther und Walter. Das änderte sich auch 8 Runden lang bis zum Schluss nicht. Nur zwischen dem immer weiter abgeschlagenen Günther und Walter gab es zuweilen eine Rochade. Ist das vielleicht für die Spielbalance symptomatisch?

WPG-Wertung: Aaron 4 (oder 5; „weiß gar nicht, mit wem ich das noch einmal spiele wollte“), Günther 5 (eigentlich 1 Punkt weniger, weil das Spiel auf der Nominierungsliste steht; vielleicht haben wir das Spiel auch nicht verstanden), Moritz: 5 („wenn es wenigstens ein Deckbuilding-Spiel wäre, so ist es noch weniger als ein reines Würfelspiel), Walter 5 (linear, Brimborium mit Kinkerlitzchen, Interaktion in der Größenordnung von Null)

 2. „Moa“ – Edgar oder Martin Wallace hat mal wieder zugeschlagen

Area Control bei den Maori. Die Einheimischen werden durch Vögel, die erobernden Albioner, Bataver und Churasker durch Säugetiere dargestellt. Mit den für 2 Perioden jeweils fest ausgeteilten Karten mit erheblich zufallsabhängigen Effekten bringen wir unsere Vögel aufs Spielfeld, suchen dort in einzelnen Gebieten Majoritäten zu erzielen, besiegen (oder auch nicht) einfallende Säugetiere oder verkaufen ihnen – unseren Mitvögeln unterm Arsch weg – den heiligen Boden unserer Väter.

Pazifist Walter bekam in der ersten Periode unendlich viele Vögelkarten – verglichen mit der Anzahl bei seinen Mitspielern – zum Herumvögeln, konnte auf vier bis fünf Gebieten die Platzhirschmajorität erringen und zog in der Punktwertung mit großem Abstand an die Spitze. Im zweiten Durchgang bekam er unendlich viele Verteidigungskarten und konnte alle seine Gebiete gegen angreifende Säugetiere verteidigen. Der Sieg war ihm nicht mehr zu nehmen. Start-Ziel-Sieg bei dieser Kartenzuteilung ist in Mao gewiss symptomatisch.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (fühlte sich von den Karten gespielt), Günther: 5 (warum auch immer), Moritz: 7 (das Spiel hat interessante Facetten [WS: Das war es dann wohl aber auch.]), Walter 6 (dynamisch-chaotisches Vögeln-Chaos geht vor kontemplativ-autistischer Quacksalberei)

07.03.2018: Durchs Loch rutschen

“Erfolg oder Mißerfolg hängt davon ab, ob man mit den ausgeteilten Karten so gut spielt, wie es nur geht. Zahlreichen Menschen geht im Leben so manches daneben, weil sie eine Karte spielen wollen, die sie nicht haben, nach ihrer Meinung aber hätten erhalten sollen.“
Unbekannt

1. “The Mind”

Zum Warming-Up zog Aaron ein kleines Kartenspiel aus der Tasche. Jeder bekam eine Karte mit einer Zahl zwischen 1 und 100 auf die Hand. Jetzt sollte jeder in beliebiger Reihenfolge seine Karte spielen, aber am Ende sollten alle Karten der Größe nach gespielt worden sein. Wenn das klappte, hatten wir alle gewonnen. Wenn es nicht klappte, hatten wir alle gemeinsam verloren. Ein kooperatives Spiel also. Dabei durfte aber keiner die Karten von einem Mitspieler sehen und keiner durfte durfte mit keinem reden! Kein Sterbenswörtchen!

Wie soll das funktionieren? Erste Näherung – aber vielleicht verrate ich damit schon zuviel von der Lösung – nach Gefühl. Wer eine niedrige Karte hatte, sollte sie halt relativ schnell spielen, wer eine Karte um die 50 herum hatte, sollte ein bisschen warten, und wer eine ganz hohe Karte sollte mit eisernen Nerven bis zum Schluss warten.

Moritz war schnell bei der Sache und spielt seine Neun. Da hatten wir schon verloren, denn Walter war mit seiner Sechs zu langsam gewesen. – Aber wir hatten glücklicherweise nur ein einziges Leben verloren. Vier Leben wurden uns zugestanden. Und für gutes Spiel bekommen wir ab und zu mal ein Leben dazu. Aber mit den vier oder mehr Leben müssen wir nicht nur die jeweils eine Karte in den Spielerhänden in der richtigen Reihenfolge spielen, sondern mehrere Runden und zwar mit jeweils steigender Kartenanzahl. Acht mal das Ganze! In der letzten Runde galt es also unter uns vier Spielern, vier mal acht, insgesamt 32 Karten, ohne jegliche verbale, mimische oder sonstwelche äußere Koordination einzeln in der richtigen Reihenfolge auf den Tisch zu legen.

Drei Karten lagen auf dem Tisch: 9, 15 und 17 (uff, gerade noch mal gut gegangen), da legte Aaron die 66 – und schon hatten wir wieder ein Leben verloren; entweder war Walter mit seiner 29 zu langsam oder Aaron mit seiner 66 zu schnell gewesen. Die beiden Kampfhähne konnten das nicht einvernehmlich entscheiden. Natürlich flogen wieder ein paar verbale Fetzen, und Aaron ließ es sich nicht nehmen, süffisant zu konstatieren: „Du hast das Spiel nicht verstanden.“ Nein, das hatte er nicht. Aaron wusste mehr, aber er war nicht bereit, mit der Lösung herauszurücken. Hallo liebe Leser, wisst Ihr jetzt schon, wie das Spiel funktionieren soll?

Wir müssen alle still vor uns hin im Sekundenrhythmus zählen! Und wer dabei gerade bei einer Zahl anlangt, die er auf einer seiner Karten hat, dann muss er diese Karte ausspielen. Dabei aber das Weiterzählen nicht vergessen. Wenn alle das gleichen Zeit-Takt-Gefühl haben, werden alle Zahlenkarten in der richtigen Reihenfolge gespielt. Leichte Unschärfen können durch die mehreren Leben und eine finale Lösungshilfe ausgeglichen werden.

Walter war erbost, dass Aaron schon wieder (siehe „Safehouse“ vom 21.Februar) die Lösung eines kooperativen Spiels kannte, sie seinen Mitstreitern aber vorenthielt. Er klinkte sich aus, auch nachdem Aaron die Sekundenzählerei propagiert hatte. Drei Spieler mühten sich noch einmal um den Sieg. Ich weiß nicht mehr, wieviele Runden sie geschafft haben, meinem Gefühl nach waren es höchstens vier. Danach wurde das Spiel abgebrochen oder verloren. – Obwohl sie so langsam das Motto des Spiels verinnerlicht hatten: „Lasst uns eins werden …“

Ein Party-Spielchen! Am Westpark! Unter lauter Männern! Von denen einer sogar nicht einmal gewinnen will! Das Warming-Up war restlos geglückt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (eigentlich kein Spiel), Horst: keine Wertung, Moritz: kein Spiel, nur eine Party-Übung, Walter: kein Spiel.

2. “T.I.M.E Stories”

Noch ein Kooperationspiel, diesmal von Moritz auf den Tisch gelegt. Aaron war schon im Vorfeld davon begeistert und freute sich über die Qualen, die Walter dabei gleich auszustehen habe. Dieser gedachte an den Gleichmut, mit dem Sokrates den Schierlingsbecher getrunken hatte und gab während der gesamten folgenden zwei Stunden keinen Muckser des Unmutes von sich. Wir waren ja offiziell im Irrenhaus!

Am Ende des Spielabends nahm Moritz sein Spiel gleich wieder mit nach Hause, so dass ich jetzt nur aus der Erinnerung ein paar Worte darüber verlieren kann. Da ich dieses Spiel aber nicht lieben lernte, sollten alle, die dieses Spiel bereits jetzt schon mögen oder die Absicht haben, es demnächst zu mögen, über meine folgenden Zeilen lieber hinweglesen.

In „Time Stories“ sucht sich jeder Spieler einen Kampftypen nach optischem Gefallen oder nach dessen besonderen Fähigkeiten im Zuschlagen, Schläge aushalten oder Schläge verzaubern aus. Gemeinsam müssen wir uns dann durch eine Reihe von Kartensets von je 3 bis 6 Karten hindurcharbeiten.

Jedes Kartenset wird offen ausgebreitet. Die Vorderseite der Karten zeigt irgendwelche Raumausstattungen mit und ohne Personen darauf. Meist Irre mit oder ohne Pflegepersonal! Wir können bzw. müssen unsere Kampftypen nach Gutdünken darauf verteilen, jeder auf eine eigene Karten oder mehrere auf eine. Wie wir das machen und warum wir das gerade so machen sollen, dafür gibt es a priori keinerlei Hinweis, es ist aber entscheidend für den Erfolg.

Alle Karten, auf denen mindestens ein Kampftyp steht, werden umgedreht; eine Text-Seite kommt zum Vorschein und der Mitspieler darf allen den Text vorlesen. (Ursprünglich hatten wir sogar gedacht, der jeweilige Spieler müsse den Text heimlich lesen und dürfe den anderen nur so vage erzählen, was er davon verstanden hat. Aber hier hatte uns die gerade überstandene Begegnung mit „The Mind“ irre geführt.) Der Text ist zu 90 Prozent Flavour-Text, Walter hätte ihn am liebsten übergangen, aber Moritz pochte aufs Vorlesen und kam besonders in Stimmung, wenn wir alle mal wieder „durch ein enges Loch rutschen“ durften. Entscheidend waren aber nur jeweils die letzten beiden Zeilen in der Form von:

  • ”Du bekommst das Objekt xy.”

oder

  • Du musst gegen ein Arschloch kämpfen, d.h. würfeln. Entweder würfelst Du es sofort tot bzw. unschädlich oder es kostet Dich Zeit oder Leben oder beides.

Die Objekte brauchen wir, um in einem der nächsten Sets bestimmte Karten auswählen zu dürfen, oder sie helfen uns, die Arschlöcher zu bekämpfen. Moritz fand z.B. als Objekt eine Pistole mit zwei Kugeln, und piff-paff hatte er das nächste Arschloch, das ihm begegnete, gleich um zwei Leben kürzer gemacht.

Das Ganze ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Jedes Bearbeiten des nächsten Kartensets kostet 1 bis 3 Zeiteinheiten (wird ausgewürfelt). Jedes Verweilen auf einem Kartenset kostet eine Zeiteinheit. Und wenn Horst, der sich beim Startup in einen fußkranken Kampftypen verwandelt hatte, alleine auf einer Karte stand, kostete das ebenfalls eine Zeiteinheit. Haben wir in Summe 25 Zeiteinheiten verbraucht, sind wir alle tot.

Wir haben aber noch nicht verloren. Wir bekommen zwei weitere Leben, in den wir die Kartensets von Neuem auswählen und beackern dürfen. Von total Neuem! Es wird uns nichts geschenkt, alle Objekte müssen abgeliefert und an der alten Stelle neu gesucht und gefunden werden. (Moritz hätte z.B. seine Pistole mit allen restlichen Kugeln wieder hergeben müssen.) Wir hätten allein von dem Vorteil leben müssen, dass wir jetzt schon wissen, welche Arschlöcher in welchen Kartensets auf uns warten.

Walter hatte sich immer noch seinen Schierlings-Gleichmut bewahrt, dem heutigen Seltenheitsgast Horst aber war die Kinnlade aber schon ganz schön nach unten geklappt. Aaron und Moritz hatten ein Einsehen. Wir verzichteten weise auf einen weiteren Teil der Reise.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (es hat mir gefallen, eine kooperative Herausforderung), Horst: 3 (wenn das Spiel in einem Durchgang zu beenden wäre, hätte ich 7 Punkte vergeben, ich habe nichts gegen kooperative Spiele, „Time Stories“ ist von der Story her auch ganz interessant, stimmungsvoll, absolut spannend; es hätte aber einen besseren Lösungsweg geben müssen, als mehrmals ohne jegliche Vorteile (z.B. ersammelte Objekte) nur mit dem gemerkten Wissen um die bearbeiteten Kartensets jeweils wieder die gleichen Sets durchzuarbeiten), Moritz: 9 (ein super Spiel), Walter: 3 (nicht mein Fall, er mag es nicht, die Irrwege nachzuvollziehen, die sich ein Autorengehirn ausgedacht hat).

3. “Feuville”

Ein Famlien-Kinder-Würfelspiel. Wir erwürfeln uns Stadmauern, Wolkenkuckucksheime, Fahnen, Vögel und Wolken. Wir erwürfeln uns und allen Mitspielern Feuerkatastrophen, und zauberwürfeln den Schaden wieder heil. Wir erwürfeln uns Wertungsplättchen, die unser aktuelles Besitztum an immobilen Werk und mobilen Beiwerk in Siegpunkte ummünzen, und wenn wir genug gewürfelt haben, dann gehen wir wieder heim. – Moritz nahm längst nicht die vorletzte U-Bahn nach Hause.

WPG-Wertung: Aaron: 6, Horst: 7 (ganz sympathisch für ein Familienspiel), Moritz: 6 (eine Spur zu verzwickt für ein Familienspiel; die erwürfelbaren Rollen sind nicht ganz gelungen [ausbalanziert]), Walter: 5 (ist halt nur ein Würfelspiel).

Aaron hatte das Spiel mitgebracht, Horst bekam es geschenkt. Er nahm es auch sogleich mit nach Hause. Schon das zweite Spiel, über das ich jetzt ohne jegliches Material ein paar Sätze hinschreibe.

4. “AZUL”

Nein, das haben wir nicht gespielt. Wir wollten es spielen, konnten es aber nicht, denn Günther – und sein Spiel – war heute leider nicht dabei, und Aaron sowie Walter warten immer noch auf ihr Exemplar. Nur zur Information, was bei Buchungen im Internet offensichtlich gang und gäbe ist:

Happyshops schrieb am Freitag, den 12. Januar 2018 um 20:18 Uhr:
Am 12.01.2018 um 20:17 Uhr erhielten wir von Ihnen die folgende Bestellung:
1 x Azul (EP 38,99 EUR) = GP 38,99 EUR (wahrsch. lieferbar in 7-14 Tagen)“

Bis heute kein weiteres Lebenszeichen von Happyshops oder AZUL.

5. “Texal Showdown”

Horst war schon halb im Mantel, nahme aber noch an einer Runde dieses hübschen tricky Stichkartenspiels teil.

WPG-Wertung: Horst siedelte sich mit 7 Punkten am oberen Ende der WPG-Noten an (“witzig, möchte ich noch einmal spiele“).

28.02.2018: Kalimera – Kali – was?

„Wahrscheinlich werden wir eines Tages einen Präsidenten haben, dem es im höchsten Maße an staatsmännischen Qualitäten mangelt, einen, der egoistisch, impulsiv und von beschränkter Urteilskraft ist, der sich lediglich ins Rampenlicht drängt und bereit ist, den Wohlstand, ja die Freiheit seines Landes für den kurzzeitigen Applaus der Volksmenge zu verschachern.

Statt einer mächtigen Nation, groß an physischer Stärke und größer noch an moralischen Qualitäten, werden wir ein sich brüstendes, ein vereinnahmendes, ein schrilles, ein sich einmischendes Vaterland vorfinden.
(Samuel Walker McCall (von 1916 bis 1919 Gouverneur von Massachusetts, zitiert in der Autobiographie von Mark Twain)

Wieviel politische Voraussicht braucht man für eine solche Prophezeihung? Oder ist das nicht eine Trivialität innerhalb (je)der demokratischen Entwicklung?

1. “Calimala”

Aktions-Engine, Städte und Prachtbauten in „Calimala“

Calimali, nicht zu verwechseln mit dem griechischen „καλή μαλή“ (gutes Kleines) oder dem Roman „Via mala“ von John Knittel, hieß ab dem ausgehenden Mittelalter die Tuchhändler-Zunft in Florenz. In „Calimali“ sind wir also Tuchhändler, besorgen uns die Tuche, liefern sie per Karren oder Schiff in sechs vorgegebene europäische Städte, verkaufen sie dort und spendieren den Gewinn in Form von Rohmaterial (Holz, Eisen und Marmor) oder als Kunstwerke zur Fertigstellung von vier florentinischen Prachtbauten.

Im Laufe des Spiels kommt es zu 15 verschiedenen Wertungen, die in variabler Reihenfolge und abhängig vom Spielfortschritt ausgelöst werden. Dabei wird mit jeweils drei (zwei bzw. einem) Siegpunkten bedacht, wer aktuell

  • am meisten (zweitmeisten bzw. drittmeisten) Tuche in die gerade zu wertende Stadt geliefert hat.
  • insgesamt die meisten () Tuche per Schiff bzw. per Karren verfrachtet hat
  • die meisten () Teile des gerade zu wertenden Rohstoffes zu den Prachtbauten geliefert hat.
  • die meisten () Kunstwerke gespendet hat
  • die in Summe meisten () Materialien zum gerade zu wertenden Prachtbau gespendet hat.

Am Ende gibt es noch einmal fünf, drei oder einen Siegpunkt für die meisten Ablieferungen zu ausgewählten Prachtbauten und / oder Städten.

Welche Wertung jeweils als nächste drankommt, ist allen Spielern sichtbar. Im ganzen Spiel geht also darum, seine ganze Zugpotenz dafür einzusetzen, in der nächsten (allenfalls in der übernächsten) Wertung im entscheidenden Kriterium die Mehrheit zu besitzen.

Dabei ist für die jeweilige Zugauswahl eines Spielers eine hübsche „Aktions-Engine“ erfunden worden: Die möglichen Aktionen (Rohstoffe bzw. Tuche erwerben, Handelshäuser oder Schiffe bauen, Tuche liefern, Materialen spenden) sind an den 9 Schnittpunkten einer 3 mal 3 Matrix untergebracht. Der aktive Spieler legt einen Aktionsstein (insgesamt hat er 12 davon) auf die Linie zwischen zwei Aktionen und darf sie dann beide in beliebiger Reihenfolge ausführen. Alle Steine bleiben zunächst an Ort und Stelle liegen. Wenn ein Spieler (derselbe oder ein anderer) später die gleichen beiden Aktionen ausführen will, so legt er seinen Aktionsstein ÜBER den bereits dort liegenden Stein, und bewirkt damit, dass er UND EBENFALLS der Besitzer des Steins darunter die beiden Aktionen noch einmal ausführen darf. Liegen bereits zwei Steine an Ort und Stelle, so dürfen für beide Steine die definierten Aktionen noch einmal ausgeführt werden. Fazit für gutes Spiel: Die wichtigsten Aktionskombinationen als Erster besetzen, so dass die Mitspieler uns zu kostenlosen Zweit- und Dritt-Aktionen verhelfen.

Erst wenn bereits drei Steine auf einer Aktions-Kombination liegen und der vierte Stein daraufgelegt wird, wird der unterste Stein entfernt und nur die beiden darüberliegenden Steine bekommen den Aktions-Bonus. Der entfernte Stein löst seinerseits die nächste der in Reih und Glied ausliegenden Wertungen aus.

Da die Spieler oft genug nicht gerade die richtigen Ressourcen haben, um bestimmte Aktionen einfach und ggf. sogar mehrfach ausführen zu können, z.B. wenn ihnen über die Züge ihrer Mitspieler gestattet wird, weitere Schiffe zu bauen oder Tuche zu liefern, und sie haben kein Holz für den Schiffbau oder keine Tuche zum Liefern, dann dürfen sie von einem verdeckten Stapel zufällige„Aktionskarten“ ziehen, quasi Aktionen im Wartezustand, die sie bei jeder passenden Gelegenheit anwenden dürfen. Mit den sporadischen Engpässen an Ressourcen ist also kein Frust verbunden, und den potentiell bösen Mitspielern wird somit auch keine Miesnickeligkeit geboten, einen solchen Frust auszulösen. Gut so! Das machst das Spiel auch schneller, als wenn wir bei jedem unserer Züge auch noch analysieren müssten, welchen Mitspieler wir jetzt am meisten ärgern können, weil er seine Bonus-Aktionen nicht ausführen kann. Das Spiel in unserer 3er Runde hat auch so schon zwei Stunden gedauert. Ein bisschen weniger hätte der Spielfreude keinen Abbruch getan.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (wegen des fehlenden Themas eigentlich nur 5; von den Regeln her überschaubar und schnell gespielt; alles dreht sich um die Micro-Optimierungen, deren Konsequenzen in ihrer Gesamtkeit nicht vorhersehbar sind), Günther: 7 (für unsere 3er Runde; einfache Regeln; er fand sich thematisch absolut als Florentiner Tuchhändler wieder), Walter: 6 (der gesamte Spielreiz liegt in der Micro-Optimierung, das ist vielleicht ein bisschen wenig, zumindest trifft das nicht meine Spiel-Leidenschaft).

2. “Wooden Heart”

Als zweites legte uns Aaron einen Prototypen vor, den er auf dem Münchener Autoren Treffen kennengelernt hatte. Der Spielname, selbst der Arbeitsname und der Spielmechanismus sind noch streng geheim. Nur wir durften jetzt unter die Decke schauen.

Die Regeln sind blitzschnell erklärt und verstanden, der Weg zu erfolgreichem Spielen – und es gibt bestimmt einen (!) – bleibt aber noch eine ungelöste Herausforderung. Freude dominiert, Neid muss ggf. gemeistert werden, Zufall ist gegeben, Kingmakerei nicht ausgeschlossen. Aber alles ist in einer sehr gefälligen Dosis, der Ansatz zu einem großen Wurf für ein kleines Spiel. Nur das Ende muss noch etwas runder gestaltet werden.

Alle waren von dem Spiel angetan.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

3. “AZUL”

Noch nie wurde in diesem schnellen, gefälligen Absackerspiel so lange nachgedacht wie heute. Sogar gestänkert wurde, um dem Standardsieger ans Zeug zu flicken. Mit Erfolg. Der „Als-Erster-aus-der-Mitte-Nehmer“ gewann NICHT! Welch ein Segen für AZUL, dass es durch eine so einfache Strategie nicht gleich aus den Angeln gehoben werden kann. Es gewann Aaron, als ständiger Zweiter hinter dem „Als-Erster-aus-der-Mitte-Nehmer“. Diese Rolle kann man zwar nicht an sich reißen, aber nutzen.

WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 7,5 Punkte Spiel.

21.02.2018: Safehouse

1. “Safehouse”

Hektische Planung im „Safehouse“

Walter hatte das Spiel von Steffi, der charmanten Tochter einer Bridgepartnerin zur Begutachtung am Westpark geliehen bekommen. Schon beim Lesen der Spielregeln kamen ihm die Zweifel, ob er dieses Spiel seinen WPG-Genossen überhaupt vorsetzen könne. Er fühlte per eMail vorsichtig vor („ziemlich ödes – kooperatives Karten-Auslege- / Anlegespiel“). Aaron erlöste ihn aus der Verlegenheit, einer jungen Dame einen Korb geben zu müssen: Er hatte das Spiel vor einem Jahr in Brixen als Prototypen kennengelernt und war „daran interessiert, was daraus geworden ist“.

Das eigentlich reine Kartenspiel ist in eine spannende Flucht-vor-dem-Mörder-Geschichte eingepackt, und es wird ein bemerkenswertes, aufwändig konstruiertes, mehrfach aufklappbares Spielbrett dazu geliefert, auf dem unser Fluchtweg eingezeichnet ist, sowie die Plätze für die verschiedenen Karten-Zieh- und Ablagestapel vorgegeben sind.

Aus einem Handset von jeweils acht Karten spielen wir reihum in beliebiger Reihenfolge und Quantität zwei Arten von Karten aus. Die „Bewegungskarten“ erlauben uns, mit dem einen, gemeinsamen Pöppel eine bestimmte Anzahl von Feldern vorwärts zu ziehen. Wir dürfen allerdings erst vorwärts ziehen, wenn wir die Bewegungskarte erfüllt haben. Dazu müssen wir ihr eine jeweils vorgebene Anzahl von „Erfüllungskarten“, zwei bis sechs Stück, in einer vorgegebenen Farbzusammensetzung beilegen. Mit aufsteigenden Zahlenwerten zwischen 1 und 15. Jeder darf bei jedem Mitspieler an die bereits ausliegenden Bewegungskarten anlegen. (Bei uns hatte jeder Spieler die von ihm ausgespielten Bewegungskarten vor sich selber liegen. Eigentlich hätten wir sie alle der besseren Übersicht wegen auch in die Mitte legen können.)

Warum ziehen wir eigentlich vorwärts? Wir wollen / müssen mit unserem Pöppel eine bestimmte Anzahl von Feldern zurückgelegt haben, bevor der uns Mörder einholt und abmurkst. Der Mörder bewegt sich auf dem gleichen Fluchweg hinter uns her. Er geht vorwärts, wenn wir beim Nachziehen von Erfüllungskarten auf dort in zufälligem Abstand hineingelegte „Mörderkarten“ stoßen. Die Mörder-Schrittweite liegt in der Regel zwischen 1 und 3, kann aber bei einer unglücklichen (bzw. blödsinnigen) Auslage von Bewegungskarten 5 und mehr Felder betragen. Mit solchen Riesenschritten hätte der Mörder in Windeseile den Start-Abstand Felder zwischen sich und unserem Pöppel bewältigt und das Spiel ist aus. Alle haben verloren. Wenn wir beim Anlegen unserer Erfüllungskarten in arithmetische oder farbliche Schwierigkeiten geraten und zu langsam spielen, holt uns der Mörder ebenfalls ein, er darf nämlich alle 2 Minuten ein Feld vorwärts ziehen. Für die Zeitmessung ist eigens eine Sanduhr mitgeliefert; aber selbstverständlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, die zugehörige Mördermusik aus dem Internet herunterzuladen und uns die 2-Minuten Zeitabstände per Hornsignal zuliefern zu lassen.

Zweimal versuchten wir, das „Safehouse“ zu erreichen. Beides Male ist es uns nicht geglückt. Warum?

Natürlich muss man die Tücken dieses Spieles einmal kennengelernt haben, um bestimmte Fehler zu vermeiden.

  1. Man sollte keine Bewegungskarte erfüllen, wo unser Pöppel auf einem Feld landet, das auch dem Mörder erlaubt einen Schritt vorwärts zu gehen. (Trivial! Aber beim ersten Versuch haben wir hier zweimal nicht aufgepasst.)
  2. Da der Mörder, egal, welchen Vorsprung unser Pöppel erzielt hat, viermal – bei jedem Kapitelende – wieder auf einen festen, von Kapitel zu Kapitel sogar abnehmenden Abstand zu uns wieder neu aufgesetzt wird, sollten wir nicht mit allzu überflüssigem Vorsprung das Kapitelende angehen. Dann lieber eine fast-erfüllte Bewegungskarte aufheben und damit beim Kapitelwechsel sofort unseren Abstand auf eine sicherere Größe erhöhen. Da muss man aber erst einmal draufkommen: Ei des Kolumbus. Aaron kam drauf, er verriet uns diese zündende Idee allerdings erst, als wir – partiell emotionslos – zweimal verloren hatten.
  3. Es gibt bestimmte Mörderkarten, nach denen der Mörder soviele Felder vorwärts – oder sogar noch ein Feld mehr – gehen darf, wie wir unerfüllte Bewegungskarten vor uns liegen haben. Vier Mitspieler, jeder wollte mindestens eine Karte vor sich liegen haben, da konnte der Verfolger beim Aufdecken dieser Mörderkarten gleich 5 Felder vorwärts gehen. Wenn man das begriffen hat – das ist ja nicht schwer – dann koordiniert man das Auslegen von Bewegungskarten, d.h. man fragt seine Mitspieler, ob man noch eine weitere solcher Karten legen soll. – Aber wann fragt man schon am Westpark sich gegenseitig, wie man spielen soll?!

Die Planungen nach Punkt 2 und 3 erfordern natürlich eine gewisse Abstimmungszeit. Eigentlich müsste man in Ruhe jede einzelne Bewegungskarte, ihre Erfüllungschancen, die aktuell verfügbaren Erfüllungskarten, den Abstand bis zum Kapitelende und den Abstand des Mörders von unserem Pöppel gegeneinander abwägen. Dagegen spricht aber die Uhr, der 2-Minutentakt, nach dem der Mörder automatisch vorwärts geht. Wer entsprechend veranlagt ist, genießt diese hektische Koordinationsplanung. Wir in Summe nicht.

Zu der knappen Zeit kam bei uns noch hinzu, dass Walter nicht die empfohlene Einführungsversion spielen wollte, sondern gleich den „Big Thrill“. Ihm war bereits nach dem Regelstudium klar geworden, dass er das Spiel nur ein einziges Mal am Westpark spielen würde. Da wollte er der charmanten Steffi doch schon ein etwas fundierteres Urteil über die Elemente und das Spielgefühl von „Safehouse“ mitgeben können.

In der „Big Thrill“ Variante haben die Spieler nicht nur die Aufgabe, das „Safehouse“ zu erreichen, sie müssen mit ausgespielten Erfüllungskarten auch noch 20 von 25 Chips verschiedener Typen jeweils genau eine ungerade Zahl oft umdrehen, bis von jedem Typ nur noch ein einziger nicht-umgedrehter (oder eine gerade Anzahl oft umgedrehter) Chip übrig ist. Die unterschiedlichen Chips sind sehr schwer zu erkennen, genauso die Angabe der Chips (1 bis 3 Stück), die pro Erfüllungskarte umgedreht werden müssen. Allein das Suchen und Finden der einzelnen Chip-Positionen hat uns mehr Zeit gekostet, als wir uns für eine zielführende Planung gönnen wollten.

Es kam ein aggressive Stimmung auf. Aaron hätte Walter fast die Augen ausgekratzt, als dieser eine rote 9 als die vorletzte Erfüllungskarte gelegt hat. Walter fühlte sich zu Unrecht angegriffen, denn wenn es noch 5 höhere rote Erfüllungskarten gibt als seine 9, und durchschnittlich jeden Moment ein Drittel aller Erfüllungskarten in den Händen der Spieler sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass mindestens ein Mitspieler eine der höheren Karten hat, doch deutlich über 60 Prozent.

Nach dem Spiel gab es einen weiteren aggressiven Disput zwischen Aaron und Walter, ob das Spiel jetzt trivial ist oder nicht. Aaron plädierte vehement für die Nicht-Trivialität, schließlich hätten wir zweimal verloren. Walter plädierte ebenso vehement für die Trivialität, schließlich geht es bei den einfachen Anlegeregeln nur um die Beherrschung des Zahlenraums von 1 bis 15. Erste Klasse Grundschule. Und schlussendlich ist auch Lotto unbestritten ein triviales Spiel, obwohl er noch nie dabei einen Sechser erzielt hat.

Um Walters Triviatäten-Aussage zu stürzen (mit „r“), berief sich Aaron auch noch auf Walters angeblich schlechte Benotung von „Hanabi“. Ein Blick in unsere Rangfolgetabelle konnte diese Aussage aber umgehend als verleumderische Unterstellung abschmettern.

Günther und Moritz hörten sich stillschweigend aber überrascht bis entsetzt diesen Disput an, bis Moritz dazu drängte, das nächste Spiel aufzulegen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (der Wiederspielwert ist gering; das Chips-Handling fummelig), Günther: 4 (das Spiel ist nix für mich), Moritz: 4 (spieltechnisch langweilig, die Musik dazu macht mich krank; lieber lege ich eine Patience), Walter: 3 (Kooperativ!! Zeitlimit!! Fieslig!! Trivial!!).

Am Tag nach dem Spielabend fand Günther im Internet eine enthusiastische Kritik zu „Safehouse“ und fragte sich und uns, ob wir wirklich dasselbe Spiel gespielt haben. Dazu kam dann von Aaron folgende Antwort:

Haben wir, und wenn ihr mich vorher um meine Meinung (allerdings zum Prototyp) gefragt hättet, hätte ich ähnlich reagiert. Im Westpark funktionieren mit ganz wenigen Ausnahmen aber keine kooperativen Spiele. Das wurde gestern durch Kommentare wie “Ich habe nicht gespielt um zu gewinnen” und “Die Spielzüge sind läppisch, da brauchen wir uns nicht abstimmen.” Wohl sehr deutlich. Zweimal gespielt und zweimal verloren war die Konsequenz.

Eine grundsätzliche Aussage zu kooperativen Spielen im Allgemeinen und Safehouse im Besonderen:

Kooperative Spiele sind, sollen sie gut sein, immer so angelegt, dass nur optimale Züge zum Sieg führen, Durchschnittszüge MÜSSEN zum Verlust führen sonst funktioniert das Spiel nicht, weil zu einfach oder zu schwer. Mit Statistik statt Absprache kommt man nicht weit (“Mit 70% Wahrscheinlichkeit hat jemand anderes noch eine passende Karte”), denn damit spielt man durchschnittlich und gewinnt oder verliert immer.

Safehouse ist da besonders knifflig, weil es zum Sieg notwendig ist, mit einem Minimum an Karten zu spielen. Das gelingt nur, wenn

  1. Die Spieler sich bei der Auslage von Kapitelkarten abstimmen. Karten mit hohen Anforderungen haben ein besseres Karten zu Schritte Verhältnis als solche mit niedrigen (Günther hatte das gestern als einziger bemerkt), sind also besser. Allerdings muss man sich hier vor dem Ausspielen absprechen, damit nicht zu viele davon offen liegen, denn sie brauchen ja länger, um erfüllt zu werden.
  2. Das Spielen von Karten auf den Kapitelstapel(?) braucht gutes Timing. Hier frühzeitig Karten zu spielen führt nur dazu, dass unnötigerweise wieder neue Karten (und damit potenzielle Täterkarten) ins Spiel kommen. Eigentlich bietet sich das nur für Notfälle an (auch hier biete sich eine Absprache an, wer denn gerade die notwendige Anzahl Karten auf der Hand vorhält, das können auch mehrere Spieler sein).
  3. Karten frühzeitig auf den Sonderstapel für die 2. Schwierigkeitsstufe zu legen, ist kontraproduktiv. Diese Karten sind aus dem Spiel und reduzieren damit die Anzahl der “guten” Karten im Nachziehstapel. Besser ist es, die auf der Hand zu halten und sich laufend darüber abzusprechen, wer welche Plättchen im letzten oder vorletzten Kapitel damit umdrehen wird.

Was haben wir gestern falsch gemacht:

  1. keinerlei Absprache
  2. gleich die 2. Schwierigkeitsstufe gewählt, obwohl wir noch nicht einmal die Mechanismen der 1. verstanden hatten
  3. unnötig viele Karten rausgehauen und damit nach dem Neumischen das Verhältnis guter zu schlechten Karten verschlechtert (Konsequenz von 2.)

Zeit hatten wir in beiden Spielen genug, d.h. wir hätten uns durchaus abstimmen können.

Ist alles meine Meinung und meine Interpretation von vielleicht 6 Spielen, die ich insgesamt gespielt habe. In anderen Runden funktioniert’s jedenfalls und macht auch Spaß.

Diese Positionierung kommentierte Günther mit folgender Stellungnahme:

Für kooperative Spiele der Art „optimale Lösung/Weg etc“ (wie bei Safehouse) gelten deine Aussagen auf jeden Fall! (Es gibt aber natürlich auch andere koop. Spiele).

Was aber nicht sein muss, ist die Hektik (insbesondere dann nicht, wenn die Zeit sowieso ausreicht). … Also Zeitbegrenzung weglassen!

Die unlesbaren Scheiben (2. Stufe) weglassen oder anders lösen (Da wurde wieder das Thema priorisiert und nicht die Spielbarkeit).

„Man darf nur ungenau über seine Karten reden“: ist generell ein Problem. Warum ist das überhaupt nötig?

Aber das ist nur meine Meinung/Geschmack – in anderen Runden mag das gut funktionieren.

2. “Texas Showdown”

In der heutigen 4er Runde haben die Strategen von letzter Woche ihren Frieden mit dem Spiel gemacht. Kartenpflege und Winkelzüge schienen ihnen in der größeren Runde leichter anbringen zu sein. In einer Statistik-Beziehung haben sie auf alle Fälle recht: Während in der 3er Runde der durchscnittliche Frustfaktor bei 33 Prozent liegt, ist er in der 4er Runde auf 25 Prozent gefallen. In einer 6er Runde, für soviel Mitspieler geht das Spiel nämlich, sind es sogar nur 16 Prozent, während 84 Prozent aller Spieler sich bei jedem einzelnen Stich, und dann auch noch einmal in der Gesamtheit der Stiche, darüber freuen, dass es einen anderen erwischt hat.

Wir haben zumindest viel gelacht und die aggressive Stimmung aus „Safehouse“ war wie weggeblasen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkt mehr als letzte Woche), Günther: 6 (2 (ZWEI Punkte mehr als letzte Woche), Moritz: 6 (das Spiel ist OK, die KI sollte leicht zu programmieren sein, es gibt immer wieder den besten Zug. [AbN: Hallo Moritz, kannst Du auch noch einen Satz über die Programmierbarkeit der KI für „Safehouse“ abgeben]), Walter: 7 (1 Punkt mehr als letzte Woche, das schnelle Spiel mit seinen pfiffigen Karten-Rangfolge-Regeln besitzt einfach eine recht hohe Spaß / Kosten Relation.)

3. “OTYS”

Moritz durfte heute auch dieses Spiel von letzter Woche noch kennenlernen. Wir anderen drei kannten uns schon mit dem Mechanismus aus und konnten eine Stunden lang unsere Taucher, den Fahrstuhl, mit dem sie sich zwischen Meer und Erdoberfläche bewegten, die Sponsoren und ihre Mitgifte, sowie die anderen rationalen Spielelemente von „OTYS“ planen und einsetzen. Moritz war aber schnell von Begriff und schaffte auf Anhieb den zweiten Platz.

Sieger wurde Walter, der durch eine günstige Start-Konstellation von seinen Tauchern und dem Upgrade-Sponsor sogleich seine Händlerin upgraden konnte, und damit auf dem Markt ohne größere Mühe seine Liquiditätsprobleme lösen konnte, während für alle anderen Mitspieler der Geldmangel stets ein Handicap blieb.

Was können wir allerdings zur die intellektuelle Herausforderung von „OTYS“ sagen, wenn Günther nicht aufs Treppchen kam? Und wenn alle Spiele bis zum Schluss dicht beieinander lagen?

WPG-Wertung: Moritz reihte sich mit seinen 6 Punkten in die Phalanx der anderen WPGler ein (das Spiel ist nicht schlecht, die Steuerung ist etwas mühsam, aber ich würde es – mit meinem jetzigen Know How – gerne noch einmal spielen).

4. “AZUL”

Als Moritz schon in der U-Bahn saß, gönnten wir uns noch eine Runde mit unserem neuen Absacker-Favoriten. Wieder bewies es sich als Gewinner-Stratgie, so schnell wie möglich die ersten Mosaiken aus der Tischmitte zu holen. Den dabei zugeschustert bekommenen einen Strafpunkt kann man beruhigt außer Betracht zu lassen. Der Vorteil, in der nächsten Runde als Erster, und statistisch gesehen auch am häufigsten, zugreifen zu können, wiegt den einen Strafpunkt bei weitem auf.

Keine neue WPG-Wertung für ein 7 ½ Punkte Spiel.

14.02.2018: Tauchen im Meer, graben auf der Insel

Seit dem 10. Januar läuft in unserem Spielzimmer ein Luftbefeuchter. Heute hat Aaron bemerkt, dass bei unserer absolut normalen Zimmertemperatur die Fenster von innen beschlagen! Und das bei einer Warm-Wasserheizung ohne nennenswerten Alkohol- oder Wasserverbrauch durch die Anwesenden. – Ach richtig, der Luftbefeuchter! Wenn man ihm kein Limit vorgibt, dann spuckt er Wassertröpfchen und spuckt und spuckt, bis wir bei 100% Luftfeuchte wohl alle ertrinken …

1. “OTYS”

Die Spielregel malt eine düstere Szenerie: durch rücksichtslosen Kapitalismus haben wir (wer wir?) den Meeresspiegel so steigen lassen, dass alles Land überflutet ist. Wir verbringen unser Arbeitsleben mehr oder weniger als Taucher, um so vom Meeresboden die überlebenswichtigen Ressourcen zu holen. Metalle sind dabei, Treibstoff und Technologie: der Kapitalismus geht weiter.

Jeder Spieler ist Besitzer von acht „Tauchern“, von denen jeder eine eigene Aufgabe durchführt: Vier „Experten“ für das Erbaggern von je einer Ressource aus dem Meeresboden, einen „Händler“ zum Kaufen oder Verkaufen von Ressourcen im Laden um die Ecke, sowie einen „Ingenieur“, einen „Entdecker“ und einen „Spion“ für weitere technische Aufgaben.

Wir können unsere Taucher nicht in beliebiger Reihenfolge und Häufigkeit arbeiten lassen: nach jedem unter dem Meeresspiegel durchgeführten Auftrag muss ein Taucher auftauchen und sich mindestens 3 Perioden lang an Licht und Luft regenerieren. Zur Handhabung dieses Mechanismuses liegen Taucher in einer 8er Kette nebeneinander, fünf davon unter dem Meer, die jederzeit sofort eingesetzt werden können, drei davon über dem Meer, die müssen erst wieder Runde für Runde nach unten geschoben werden. Ein Taucher, der seine Aufgabe erfüllt hat, wird aus seinem aktuellen Platz in der Liegekette herausgenommen und am obersten Punkt wieder eingeklinkt, wo er also drei Runden lang nix tut. Fazit: „Ein Taucher, der nicht taucht, taucht nix!“

Je nach seiner Position innerhalb der Liegekette aktiviert ein Taucher vor Ausführung seiner Aufgabe einen der „Sponsoren“, die für Geld, Zusatz-Ressourcen, Batterien (das kriegen wir später) oder eine Verbesserung der Tauchausrüstung sorgen. Für ein gutes Spiel sollte man beim Einsatz seiner Taucher unbedingt darauf achten, welcher Sponsor ihm gerade zugeordnet ist, um so den optimalen Sponsoren-Beitrag abzugrasen. Diese Zuordnung ist nicht fest, sie ändert sich wrap-around bei bestimmten Tauchgängen der Spieler, sie ist also beeinflussbar, aber nicht so chaotisch, als dass man sie nicht gezielt einsetzen könnte.

Und wer gewinnt? Wer als Erster 18 Siegpunkte erzielt hat. Und wie macht man Punkte? Hin und wieder werden einzelne Siegpunkte als Nebenprodukt der Tauchtätigkeit ausgeschüttet, den größten Teil von ihnen erwirtschaften wir uns aber über Aufträge, d.h. über das Ertauchen und Abliefern einer vorgeschriebenen Menge und Auswahl von Ressourcen, die wir Stück für Stück in einer unserer fünf Lieferplattformen unter der Erde zusammengetragen haben. Die obersten Plattformen fassen nur drei Ressourcen, da muss man genau aufpassen, was man hier aus dem Meeresboden heranschafft, damit die Ware nicht auftragslos herumliegt und unsere Plattform blockiert. Die unterste Plattform fasst sechs Ressourcen, hier kann man schon mal auf Vorrat ansammeln, doch ist hier eine größere, vorgegebene Ressourcen-Lieferung auch am schwierigsten zu bewerkstelligen, weil z.B. ein Experte für eine bestimme Ressource am längsten braucht, zum nach dem Zwangsauftauchen wieder hierher zu kommen.

Hier setzte Günthers Skepsis ein, ob die Tauch-Plattformen 5 und 6 überhaupt funktionieren. Wir fanden aber eine ganze Latte von Nebenbedingungen, um auch diese untersten Plattformen zum Leben zu erwecken; z.B. kann man Nachbarschaftstaucher aktivieren oder mittels Batterien (voilà) Taucher für ein weiteres Arbeiten an der gleichen Stelle festhalten („mit neuem Sauerstoff versorgen“).

Noch ein Wort zu den Aufträgen: Drei Aufträge liegen öffentlich aus; wer die geforderten Ressourcen bereit hat, kann sich hier bedienen. Dieser Auftrag ist dann weg und es wird sofort ein neuer Auftrag öffentlich ausgelegt. Pech für den Mitspieler, der auch gerade auf diesen Auftrag spekuliert hat. Hoffentlich muss er seine gesammelten Ressourcen nicht in der Pfeife rauchen. Da zieht man sich doch besser Privat-Aufträge mittels „Spion“ an Land, die genauso viel wie öffentliche einbringen, aber langfristig zu kalkulieren sind.

So werkelt ein jeder lustig vor sich hin. Ins Gehege kommt man sich nur marginal im Tante Emma Lade für Ressourcen; das Wrap-around-Verschieben der Sponsoren-Zugänge ist eher nur ein geringes Hintergrundrauschen von Mitspielerchaos. Man kann „OTYS“ sehr gut alleine spielen. Mir hat es trotz seines starken Solitär-Charakters Spaß gemacht.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (obwohl es zu der von ihm ungeliebten Kategorie der Puzzle-Spiele gehört; es war besser als befürchtet, u.a. ist es angenehm kurz; den 7ten Punkte hat es wegen des Endekriteriums – Sudden Death nach Erreichen einer definierten Schwelle – NICHT bekommen), Günther: 6 (das Nicht-Zählen von Geld, Batterien und Ressourcen bei Spielende hätte besser gelöst werden sollen), Walter: 6 (viele verschiedene Spiel-Elemente, die bei der repetitiven Verwendung gut beherrschbar werden).

2. “Loot Island”

China hat geliefert, endlich konnte Aaron die deutsche Version seines jüngsten ausgetragenen Spielekindes vorlegen und jedem Westpark-Gamer auch ein eigenes Exemplar mit Autoren-Autogramm überreichen. Danke dafür.

22 mal lag dieses Spiel im Laufe seiner Entwicklung bei uns auf. Immer wieder wurden in einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit mit „What’s Your Game“ Rädchen anmontiert, abmontiert oder verstellt. So lange, dass auch heute Aaron noch immer wieder im Regelheft nachschauen musste, wie jetzt dieses oder jenes Detail gehandhabt wird.

In jedem Fall 30 bis 60 Minuten intensivste Interaktion. Denken und Grübeln ist angesagt, aber immer nur kurzfristig, eher für den Augenblick als für eine mittelfristige Planung. Und weil jeder von jedem Zug seiner Mitspieler betroffen ist, geht auch bei längerem Nachdenken der Spannungsbogen nicht verloren. Die Auswertung der gesammelten und verfluchten Schätze am Spielende kann nochmals einige Überraschungen bieten. Spielerisch und kalkulierbar, aber mit einem wohldosierten Anteil für die Glücksgöttin Fortuna.

WPG-Wertung: Keine Änderung der bisherigen Notengebung, aber immerhin überlegt sich Walter, ob er seine 7 in Richtung WPG-Durchschnitt auf eine 8 anhebt.

3. “Texas Showdown”

Stichkartenspiele gibt es wie Sand am Meer. Sie arbeiten alle nach dem gleichen Prinzip: Jeder spielt reihum eine Karte zu einem Stich aus, alle ausgespielten Karten haben (pro Spiel oder pro Stich) eine wohldefinierte Rangfolge, die höchste Karte macht den Stich.

Für das Drumherum gibt es vielfältige Variationskriterien: einmal zählt der Inhalt (Skat), einmal nur die nackte Anzahl der Stiche (Bridge). Mal möchte man die meisten Stiche bekommen, mal die wenigsten und manchmal auch eine genau definierte Anzahl davon (Tarock).

Oft genug ist während des gesamten Ablaufs eines Spiels eine definierte Spielfarbe Trumpf, manchmal bestimmt auch die Farbe der jeweils ersten ausgespielten Karte zu einem Stich die Trumpffarbe. Der zuerst ausgespielten Farbe muss gefolgt werden; wer nicht bedienen kann, darf eine beliebige Karte zugeben. Die höchstwertige Karte in der Trumpffarbe macht den Stich.

In „Texas Showdown“ soll man die wenigsten Stiche bekommen. Die Besonderheit hierbei sind die Konsequenzen beim Nicht-Bedienen, d.h. beim Zugeben einer Karte, die nicht der ausgespielten Trumpffarbe entspricht. Die Farbe dieser Karte wird sogleich zu einer zweiten „Trumpf-Farbe“; die Mitspieler dürfen ab sofort zu diesem Stich auch Karten in dieser zweiten Farbe „bedienen“. Nachdem jeder Spieler eine Karte zugegeben hat, ist die Farbe mit den meisten Karten in diesem Stich letztendlich die ausschlaggebende Trumpffarbe. Die höchste Karte dieser Farbe bekommt den Stich. Man kann sich also nicht in Sicherheit wiegen und als „Kartenpflege“ irgendwelche unangenehmen Karten, d.h. solche mit hohem Stichpotential loswerden. Blitzschnell bedienen die restlichen Mitspieler in dieser Farbe und die leichtfertig losgewordene Karte entfaltet tatsächlich ihr unangenehmes Stichpotential.

Eine weitere hübsche Regel in „Texal Showdown“ ist, dass man dann, wenn man den Stich mit der höchsten Karte einer Farbe bekommen hat, wählen kann, wer zum nächsten Spiel ausspielen soll. In jeder Spielsituation kann das Ausspielen ein Vorteil sein, sehr oft ist es aber ein deutlicher Nachteil. Durch Kartenpflege, d.h. durch konsequenztes Zurückhalten (Nicht-Abwerfen) dieser Höchste-einer-Farbe-Karten kann man sich für das Endspiel, wenn die Kartenhände der Mitspieler ausgezählt werden können, eine Option offen halten, um den richtigen Spieler an den Stich zu bringen.

Es gibt viele Strategien (“Schienen”), eine Kartenhand optimal abzuspielen. Wenn wir zu Spielbeginn mit 15 Karten in der Hand anfangen, kann jeder zum ersten Stich durchschnittlich 3 Karten bedienen und, falls er nicht bedienen kann, durchschnittlich etwa 12 beliebige abwerfen. Wer den ersten Stich gemacht hat, hat für das Ausspielen zum zweiten Stich 14 verschiedene Möglichkeiten. Ist das keine Handlungsfreiheit?!

Günther hat hartnäckig behauptet, dass „Texas Showdown“ ein reines Glücksspiel sei. Das haben Westpark-Gamers auch schon bei anderen Stichkartenspielen behauptet, z.B. als sie die ersten (mehrere!) Male „6-nimmt“ gespielt haben. OK, das ist kein reines Stichkartenspiel, aber es ist damit verwandt. Aber auch beim reinen Stichkartenspiel „Flaschenteufel“ haben sich solche falschen Glückspiel-Ankläger gefunden. Dort würde das heute keine mehr behaupten wollen. Natürlich kann man nicht mit jeder Kartenhand gewinnen, aber auf die Dauer gewinnt der Beste. Frage ist: wie lange ist der Lernweg, wie lange dauert es, bis kluge Spieler alles verinnerlicht haben, was zu einem guten Spiel gehört, bis sie „der Beste“ geworden sind? Von und bis zu welcher Altersstufe funktioniert ihr Gedächtnis so gut, dass sie sich exakt merken können, welche Karten gefallen bzw. noch im Spiel sind, wer welche Farben nicht mehr bedienen konnte, und bei welchem Spieler notgedrungen die noch ausstehenden Karten einer Farbe sein müssen? Erst wenn alle Mitspieler in diesen Stichspiel-Kategorien den gleichen Genius-Level erreicht haben, wird „Texas Showdown“ wieder zu einem reinen Glücksspiel.

Zwischen Günther und Walter gab es auch unterschiedliche Auffassungen, ob das Spiel zu dritt besser beherrschbar ist als zu viert (oder zu fünft oder sechst). Günther glaubte im Mehr-Teilnehmer-Chaos an Durchsicht gewinnen zu können, Walter argumentierte strikt dagegen. Aber bis zu welchem Alter lässt man sich heutzutage noch bekehren.

Günther hat heute in drei Durchgängen nicht gewonnen. Ganz im Gegenteil. Doch dieses Faktum spricht keinesfalls dafür, das „Texas Showdown“ nur ein Dödelspiel ist. Ich bin gespannt auf die nächste Stichprobe.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu dritt spielt es sich „sicherlich“ am schlechtesten), Günther: 4 (für die 3-Personen-Runde, bei mehr Spielern könnte das Spiel mehr Punkte bekommen), Walter: 6 (er liebt Stichkartenspiele jeglicher Art; dieses hier ist schnell und pfiffig, und in einer 3er Runde noch äußerst hoffnungsvoll zu kalkulieren).

07.02.2018: Im Wandel der Zeiten – Das Kartenspiel

Jeder Wohneigentümer, der ein Stückchen Bürgersteig sein eigen nennt, kennt das Problem: den Schnee wegzuschippen, der uns auch in unseren heutigen klimagewandelten Zeiten zuweilen noch schauerartig vor die Füße fällt.

In unserem Reihenhaus am Westpark stehen etwa 6 Meter in unserer Verantwortung, und weil das Schneeschippen, zumindest zu einer Zeit, wo wir nichts Besseres zu tun haben, auch Spaß macht, nehmen wir gerne auch noch die 6 Meter des rechten und des linken Nachbarn unter unsere Fittiche.

Der rechte Nachbar ist ebenfalls verantwortungsfreudig, und schippt seinerseits auch für uns. Er morgens und wir abends. Manchmal nimmt er sogar noch den Bürgersteig unseres linken Nachbarn mit. Der linke Nachbar ist hingegen etwas bewegungsscheu; selten dass seine Schneeschaufel den Weg auch nach rechts findet, vor allem, wenn seine unbeeindruckten Kinder schippen. Noch seltener findet er den Weg bis zu unserem rechten Nachbarn, seinem rechten Übernachbarn. Dafür bedankt er sich aber lautstark für unser Schneeschippen, auch wenn das zufällig der Nachbar besorgt hat. Und wenn das dieser sogar mithört.

So lässt dessen Lust an der Linksorientierung gewaltig nach. Und ich stehe in Skrupeln da, wenn gerade unser Bürgersteig und der des rechten Nachbarn geschaufelt ist, der des linken Nachbarn aber nicht. Soll ich dann selber noch zur Schaufel greifen und beim Linken tun, was der Rechte verweigert hat?

Klarer liegt der Fall hingegen, wenn dieser Nachbar vorbeikommt und direkt um einseitiges Schneeschippen bittet, weil ihm gerade eine genähte Wunde am Rücken aufgeplatzt ist. Noch klarer, wenn der übernächste Nachbar vorbeikommt und uns um diese Gefälligkeit biettet, weil er gerade seine Hand verstaucht hat. Heute ist gleich beides vorgekommen. – Wie schön, dass wir gesund sind, und dass Schneeschippen Spaß machen kann.

Nebenbei: Aaron hat glaubhaft versichert, dass unsere Haftpflichtversicherung zahlt, wenn niemand geschippt hat, und ein braver Bürger sich auf unserem Bürgersteig den Hals bricht.

1. “Race to the Moon”

Günther zeigt Aaron den Weg zum Mond

Zur heutigen Einstimmung ließ uns Aaron die 0.4te Überarbeitung seiner Neuentwicklung kosten. Wir fliegen immer noch zum Mond. Das Thema wird es aber wohl nicht bis zum Ende durchhalten, bei „Mondlandungen“ winken die Verleger gleich ab; sie fordern reißerischere Themen. Welche betörende Neuentwicklung wird auf der Zielgeraden wohl den Mond verdrängen?

Hat die bisherige Konstruktion genug Substanz? Reicht es, im Spielablauf, so wie er sich bisher präsentiert, nur an ein paar Einstellungsschräubchen zu drehen, die gewollte asymmetrische Ausstattung zu Spielbeginn auszutarieren und eine funktionelle Siegpunkt-Balance einzustellen? Wohl kaum! Das Spiel besitzt zwar eine akzeptable Dynamik, d.h. eine im Laufe des Spiels sich steigernde Aktionspotenz und nichtlineare Siegpunkterlöse. Doch sollten z.B. nicht nur die bitter notwendigen, aber wenigen Würfel am Anfang und die statistisch überflüssig vielen Würfel am Ende noch in eine rundere Korrelation zueinander gebracht werden.

Wir haben vorgeschlagen, dass den Spielern eine Aktion angeboten werden solle, mit denen sie ein aktuelles Würfelergebnis bei Bedarf verbessern können. Doch der bezüglich seines Thema sehr puristische Aaron fragt, wie man diese Würfel-Modifikation thematisch in seinem Mondrennen unterbringen könnte. Habt Ihr eine Idee?

Das Spiel soll locker sein. Locker ist auch der augenblickliche Sudden-Death, wenn der erste Spieler eine bemannte Mondlandung fertig gebracht hat und mit den dadurch erhaltenen Siegpunkt-Prämien praktisch unschlagbarer Sieger wird. Doch dem Autor gefällt das nicht:

Wenn einer mit Besatzung kaum
geflogen ist durch Zeit und Raum
zum Mond, und glaubt, dass er nun Sieger wär;
so irrt sich der!

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Im Wandel der Zeiten – Das Kartenspiel”

Alle hundert Karten des Spiels haben eine A-Seite und eine B-Seite. Die A-Seite ist sozusagen Geld-wert, die B-Seite ist ideell. Die Karten werden pyramidenförmig auf den Tisch gelegt, die billigeren Karten auf den unteren Rängen. Jeder Spieler bekommt 5 dieser Karten als Startausstattung auf die Hand.

Pro Zug legt nun jeder Spieler je eine Handkarte auf die A- und eine auf die B-Seite vor sich aus. Mit den Geld-werten A-Seiten kann man, wenn man genug davon aufgedeckt hat, sich die unterste Karte der Pyramide kaufen. (Höher liegende Karten kann man ebenfalls kaufen, aber dafür muss man einen zusätzlichen Obolus bezahlen, und wer tut das schon freiwillig? Bei uns kam es heute nur ganz selten vor.) Die gekauften Karten müssen mit der B-Seite in die private Auslage gelegt werden. Der Kaufpreis wird entrichtet, indem die Karten von der A-Seite auf die B-Seite gedreht werden.

Beim Auslegen einer Handkarte auf die B-Seite löst man einen karten-spezifischen Effekt aus. Diese Effekte gehen im Wesentlichen in die Richtung: Lege eine oder zwei Karten von der B-Seite auf die A-Seite. Oder auch umgekehrt. Der Trick des Spiels besteht also darin, seine Karten in der richtigen Reihenfolge mit der richtigen Seite auszulegen, um möglichst viele (besser: die RICHTIGEN!) A-Seiten aufgedeckt zu haben, mit den man in der Pyramide shopping geht.

Günther fand noch eine weitere Verwendung: Auf der B-Seite gibt nämlich auch Angriffs-Effekte, mit denen man seine Mitspieler um siegpunkt-trächtige Weltwunder-Karten erleichtern kann, wenn sie diese gerade im Schweiße ihres Angesichts durch geniales A-B-Seiten-Taktieren an Land gezogen haben.

Günther war auch – wie üblich – der genialste Maschinenbauer, der sich mit seiner Seiten-Umkehr-Maschine den Lorbeerkranz holte. Mit genauso vielen Siegpunkten wie Aaron und Walter zusammen.

„Das Kartenspiel lässt euch die Geschichte der Menschheit in weniger als einer Stunde nachempfinden“, steht als Einführung im Regelheft. Da hat einer tatsächliche das triviale Agieren unserer Politiker seit Menschheitsdenken auf den Punkt gebracht: Sie drehen ständig die A-Seite auf die B-Seite und umgekehrt, heimsen dafür Diäten ein und nehmen zuweilen der Gegenseite ein Weltwunder ab.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (mit Grüblern würde ich hier wohl wahnsinnig werden, nicht schlecht, aber nicht mein Spiel; die kleingedruckten Effekte machen das Spiel zäh), Günther: 6 (ich hab’s erst einmal gespielt; vielleicht ist es auch 7 Punkte wert), Walter: 3 (nicht mein Spiel, es ist nur ein läppisches A-Seite-B-Seite-Drehen, um damit möglichst gute Karte aus der Pyramide einkaufen zu können – und zwar bevor sie ein Mitspieler kauft).

Zur (vielleichtigen) Ehrenrettung des Spiel sei gesagt, dass wir nur die „Einführungsversion“ und nur mit der „leichteren“ Hälfte der Karten gespielt haben. Mit der „schwereren“ Hälfte kommen auch solche Effekte hinzu wie das Umdrehen der gegnerischen Karten von A nach B. Außerdem kann man in der Expertenversion neben den Karten in der Pyramide auch Karten in danebenliegenden Stapeln kaufen. Zumindest Walter wird diese Version niemals kennenlernen. Die Basisversion auch nicht noch einmal.

3. “Azul”

Zu jeder Zeit ein gefälliges Spielgefühl.

Bemerkenswert: Sowohl Aaron als auch Walter mussten je einmal eine ganze Latte von Steinen (6 oder 7 Stück) aus der Tischmitte nehmen und ALLE auf ihrem Strafkonto verbuchen. Nur Günther blieb von diesem Desaster verschont. Er wurde trotzdem nicht Erster! Was kann man daraus schließen? Nicht was Ihr jetzt denkt, dass „Azul“ ein Nobrainer wäre. Nein, das ist es keineswegs. Aber in diesem Spiel gilt zumindest eines:

Keine Angst vor Strafpunkten!

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel.

31.01.2018: Ungeborenes, Vergessenes und Erleuchtetes

„Trans Europa“, ein rundes Familienspiel und am Westpark zugleich ein beliebter Absacker, hält den 6ten Platz in unserer „ewigen Häufigsten-Liste“. 18 mal lag es bisher bei uns auf dem Tisch. „Und wie sieht hier die Grafik aus?“ wurde Aaron gefragt, als er zu Tür herein kam. Er wusste es genauso wenig wie der Gastgeber. Wenn das Spiel funktioniert, dann ist die Grafik eigentlich nebensächlich.

Nicht aber für Christof Tisch, Spielautor und Spielegrafiker, der heute unser Ehrengast war. Er hat nämlich den Auftrag bekommen, die Grafik von „Trans Europa“ für eine Neuauflage zu überarbeiten. Die Symbole auf den Städtekarten sind doch zu läppisch, von einer plakativen Gestaltung des Spielbretts ganz zu schweigen. Wir wünschen ihm dazu das gewohnte glückliche Händchen, damit das verdiente 8-Punkte-Spiel auf dem Markt noch erfolgreicher wird.

1. “Race to the Moon”

Christof studiert den Weg zum Mond

Eine Neuentwicklung von Aaron, die nicht nur für Christof, sondern auch für den Stamm der Westpark-Gamers noch unbekannt war. Christof hatte natürlich ein besonderes Interesse daran, zu erfahren, wie Aaron seine Spielentwicklung angeht. Aber auch für die anderen ist eine Neuheit jederzeit willkommen.

Wir sollen eine oder mehrere bemannte oder unbemannte Raketen zum Mond fliegen. Dazu müssen wir unsere Aktionsfreiheit dafür nutzen, die Teile für die verschiedenen Raketententypen zusammen zu fügen (Holzklötzchen), das nötige technische Know-How aufzubauen (Würfel) und geeignete Landeplätze ausfindig zu machen.

Als „spielerisches“ Beiwerk können wir anstelle von ordentlich arbeitenden Wissenschaftlern Spione einsetzen, die das Know-How nicht selber erarbeiten, sondern es von der Konkurrenz stehlen. Und wir können Gegenspione einsetzen, damit die Spione kein allzu leichtes Spiel haben, (Ein etwas unglückliches Design-Prinzip: Erst erfindet man einen mehr oder weniger guten Spielmechanismus und dann erfindet man einen weiteren Spielmechanismus, der den ersten konterkariert.)

Die Gesamtidee ist ganz schön, das Aufbauspiel hat die Entwicklungsphase 0.3 allerdings noch nicht hinter sich gelassen. Vieles läuft noch unrund und ist nicht ausbalanziert. Das ist in dieser Phase kein Wunder und kein Unglück. Aber damit das Spiel später mal am Westpark punkten kann, muss es einen klaren Charakter bekommen: Logische Aufbau-Strategien – „mehrere ganz verschiedene“ (Moritz) – mit kalkulierbarem Risiko oder das Gegenteil dazu, ein reines, lockeres Mitspieler- respektive Würfelchaos.

Es gibt noch viel zu tun. Aaron sollte sich auf seine riesige Spieler-, Spielekritiker- und Spielerdesigner-Erfahrung verlassen, und sich nicht allzuschnell von außeridrischen Beobachtern semi-funktionale Schnörkelelemente reindrücken lassen.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Patchistory”


„Patchistory“ – Moritz macht uns den Günther

Aaron holte das „bisher von uns noch ungespielte“ Spiel aus der Tasche und Moritz durfte die Regeln vortragen. Doch während Moritz die Patchwork-Elemente erklärte, mit denen wir unsere Einkommensverhältnisse gestalten, dämmerte Walter, dass wir das Spiel schon einmal gespielt haben mussten. Und zwar am Westpark, da hier die einzige Station ist, an er der Brettspiele spielt. Ständig pochte er auf das Wiedererkennen. Moritz widersprach eifrig, das Spiel müsse für uns absolut neu sein.

Was war die Lösung? Walters Altersdemens konnte es nicht sein! Da vergisst man ja eher etwas Bekanntes als dass einem etwas Unbekanntes einfällt. Und für Moritz in vollem Saft und Kraft seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten war es ebenfalls ausgeschlossen, dass er ein bereits gespieltes Spiel vergaß.

Aaron schaute in unseren Tabellen nach, und siehe da: Vor zweieinhalb Jahren, am 26.06.2015, war das Spiel bereits am Westpark gespielt worden. MIT Walter aber OHNE Moritz. So leicht reimt sich das zusammen.

Damals hieß es im Report: „Moritz würde seine helle Freude daran gehabt haben. Wir hatten sie nicht.“ – Ujj, ein ganz schlechtes Vorzeichen! Wollen wir uns nochmals durch die “Unmenge von Mechanismen“ hindurchquälen, “von denen ein Großteil aber nicht funktioniert“.

Nach zwei Spielzügen warf Walter das Handtuch. Zwei Stunden Kampf mit den Regel- und Verständnisschwächen, sowie mit den gerade zu Beginn äußerst limitierten Aktionsmöglichkeiten wollte er nicht auf sich nehmen, um danach gerade mal erst ein Drittel des Spiels absolviert zu haben. Bei der ersten Begegnung hatten wir nach dieser Zeit nämlich dem Spiel ein Ende gesetzt. „Ohne dass einer dazu aufgerufen hatte. Es war allen einfach genug.“

Heute ging es darum, dass Moritz und auch Christof ein neues Spiel kennenlernen sollten und wollten. Im Verein mit Aaron – der hinterher bekannte, ebenfalls gerne an dieser Stelle abgebrochen zu haben – spielten sie das erste Zeitalter zu Ende

WPG-Wertung: Den bisherigen 3,75 Punkte-Durchschnitt hoben Christof und Moritz mit ihren je 5 Punkten über die 4-Punkte Grenze. „Jedes Element hat man leider so ausgeschmückt, dass es nicht mehr funktioniert.“

Kleine Insider-Frage am Rande: Christof saß auf Moritz’ Platz und Moritz machte uns den Günther. Bei der Auswürfelung des Startspielers wurde eine 1 gewürfelt. Wer durfte jetzt anfangen?

3. “Abluxxen”

Für eine gelöste, positive, spielerisch-erfüllte Stimmung und als Abschluss eines „trotz allem“ gelungenen Spielabends noch ein paar Runden „Abluxxen“. Ein Super-Spiel, dass es auf unserer 1052 Einträge enthaltenden „ewigen Häufigsten-Liste“ schon auf den 8ten Platz geschafft hat. Weiter so! Ein zweiter Platz ist erreichbar; der erste Platz, 247 mal „Bluff“, hingegen eher nicht.

WPG-Wertung: Christof vergibt 10 Punkte. Vielleicht können sich unsere vielen 8-Punktigen hieran ein Beispiel nehmen und auch noch etwas aufstocken.

24.01.2018: Nix Genaues weiß man nicht

Beim Stöbern in den Archiven meines Rechners kam folgender 15 Jahre alter Briefwechsel zum Vorschein. Ist das Problem heute noch aktuell oder hat es sich mehr in die Richtung der „me too“-Ereiferer verschoben?

Von Moritz, 12. April 2003

Liebe Freunde,

Was ich euch noch nicht erzählt habe: Seit einigen Tagen führe ich eine Email-Diskussion mit einem afroamerikanischen Spieler (Curtis Anderson), den ich einmal auf der Boardgamegeek-Seite anschrieb, weil er einen Kommentar zu deutschen Spielen abließ… dass diese oft “rassistisch” seien (ich staunte nicht schlecht, als ich dies las)! (“So many games about Africa, so few games about Africans”).

Ich war darüber zutiefst verwundert, und begann eine Diskussion mit ihm, die dann in einer Differenzierung seiner Kritik mündete (er sah nämlich ein, daß amerikanische Spiele meist wesentlich rassistischer sind). Natürlich betonte ich, dass die deutsche Spielerszene, die ja größtenteils eher linksliberal oder ökologisch orientiert ist (wenn ich mir so die oft bärtigen, Birkenstocktragenden deutschen Spieledesigner anschaue), fern jeglicher rassistischer Tendenzen ist.

Die Basis seiner Kritik war mir dann jedoch irgendwann einsichtig: Deutsche Spiele benutzen oft historische Themen (natürlich für, wie wir wissen, oft gänzlich abstrakte Spielmechanismen), ohne die nötige “Sensibilität” für das Subjekt aufzubringen (lies auch: “political correctness” – Curtis scheint ein starker Vertreter dieser Richtung zu sein).

Als Beispiele hierfür nannte er zum Beispiel “El Grande” (die Spieler stellen ja historisch effektiv Inquisitoren und Judenvernichter dar, wenn man die Epoche betrachtet), “Puerto Rico” (die braunen Arbeiterpöppel sind effektiv afrikanische Sklaven), “Im Zeichen des Kreuzes” (das muss ich wohl nicht erklären warum) und skurrilerweise auch “Vom Kap bis Kairo” (der Ausbau des afrikanischen Eisenbahnnetzes fand unter menschenverachtenden Bedingungen statt – für die schwarzen Arbeiter).

Mein Einwand dagegen war, daß viele dieser Spiele Epochen oft aus rein graphischen Designgründen gewählt werden, und keinesfalls, wie in den amerikanischen “Simulationsspielen” ,WIRKLICH dargestellt werden. “Puerto Rico” spielte ja als Prototyp auf einer Raumbasis, und wurde dann erst aus Verkaufsgründen in eine exotische, aber reale Umgebung transportiert. “El Grande” ist ja nun wirklich ultraabstrakt, und “Vom Kap bis Kairo” natürlich auch.

Mein zweiter Einwand war, daß es unmöglich wäre, IRGENDEINE historische Epoche zu nehmen, die nicht auch eine Geschichte der Unterdrückung irgendeiner Minderheit ist. Und natürlich, daß die “reale” Darstellung einer Epoche zum Beispiel bei “El Grande” beinhalten müsste, daß die Judenvernichtung spielerisch dargestellt wird, was ja nun äußerst geschmacklos sei. Soll man also nur noch Fantasyspiele oder Märchenspiele wie “Hase und Igel” machen? Das könnte ja nun auch nicht die Antwort sein….

Ein Argument war mir jedoch einleuchtend: Er sagte, daß es ihm wirklich schwer fallen würde, einem afroamerikanischen Freund ein Spiel wie “Puerto Rico” schmackhaft zu machen, da ja effektiv Sklaven als wichtiges Spielmaterial verwendet würden (und die Pöppel sind halt auch wirklich braun!), und das würde einfach abschrecken.

D.h. also hier ist wirklich Bedarf zum Diskutieren, vor allem, wie Spiele gestaltet sein müssten, die historische Themen behandeln, OHNE eventuell anzuecken.

Hier sein Statement:
“I would just point out that when designing a game that includes a historical theme, a designer is representing a situation or a society that has a moral dimension. Game designers and their games should not ignore this moral dimension. To address it, we should ask some questions: Are the players pretending to be people or groups of people who benefited from victimizing others? How bad were these people? Are they worthy of representation as protagonists in a game? Is the game concept worthy of the historical period, or does it ignore unpleasant realities that shouldn’t be forgotten? Most of all, people should remember that history is important, even when it is presented in a “pasted-on” game theme. What’s history to us was the present for people in the past, and those people’s experiences should not be forgotten.” (Curtis Anderson).

Viele Grüsse, Moritz

Von Hans, 13. April 2003

Lieber Moritz,

ich gebe Deinem Freund völlig recht – in der Hinsicht, dass die kulturellen Gemeinplätze, die ein Spiel werbewirksam verkaufbar machen, aus der gleichen Richtung kommen wie die Abenteuer-Filmschinken, Abenteuerbücher usw., die vergangene Epochen aus eurozentrischer Sicht romantisieren, heroisieren und glorifizieren.

Mit “unseren” harmlosen Gesellschaftsspielen kann man aber niemand politisch aufklären, genausowenig, wie mit bösen Ideologien impfen. Deswegen ist es höchst sinnlos, diesen Spielen nur “korrekte” Themen erlauben zu wollen. Das ist einfach der falsche Kampfplatz für soziale Gerechtigkeit !

Deine Frage war ja, wie Spiele gestaltet sein müssen, um keine Gefühle zu verletzen (denn das ist ja unbestreitbar der Fall gewesen, bei Deinem Freund):
Da kann ich nur sagen: Augen auf. Bei der Autoindustrie wird der weltweite Vertrieb in der Modellpolitik berücksichtigt – keine unangenehmen Assoziationen mit dem Modellnamen auf allen Märkten weltweit ! (siehe “Pajero”)

Und, um es zu wiederholen: an den gesellschaftlichen Verhältnissen ändert ein “korrekter” Autoname oder ein “korrektes” Spielethema nichts.

Gruß, Hans.

1. “Carcosa”

Vater und Sohn in „Carcosa“

Bei der hunderttausendsten Expansion von „Carcassone“ (CE) haben sich die Autoren die Lizenzgebühren bei Hans-im-Glück gespart und ihr Werk lieber unter einem neuen Namen erscheinen lassen. Auch wenn hier in der Einleitung etwas von der „Heimat des Königs in Gelb“ gefaselt wurde, und Moritz im Spielmechanismus sogar Anlehnungen an diese Kultistengeschichte gefunden haben wollte, ist „Carcosa“ (CA) ein reinrassiger Ableger von „Carcassone“. Genau wir dort decken wir reihum je ein Plättchen – mit absolut ähnlichen Strukturen wie bei CE – von ausliegenden Stapeln auf, legen es passend zu den dort bereits liegenden Plättchen in die Tischmitte und erzeugen so eine Landschaft aus Städten („Bezirken“), Wegen („Kraftlinien“) und Wiesen („Wasser“). In Klammern die Bezeichnungen aus CA.

Wir platzieren bei Gefallen eines unser Manschgerl auf den entstehenden geographischen Objekten, und kassieren später Punkte und/oder Gratifikationen, wenn die Objekte fertig abgeschlossen sind.

Natürlich gibt es eine Reihe von Unterschieden und Erweiterungen gegenüber CE. Z.B darf man das Plättchen, das man legen möchte, nicht umdrehen und die Vorderseite anschauen. Es bleibt auf der Rückseite, auf der man vage (!) die Struktur erkennen kann, an welche Stelle der bereits vorhandenen Landschaft das neue Stück hinpasst. Erst wenn ein Weg oder eine Stadt abgeschlossen wurde, werden alle zugehörigen, bisher noch verdeckten Plättchen umgedreht und man findet auf der Vorderseite neben der bereits bekannten Struktur noch geheime Zeichen, die angeben, ob das betreffende Objekt überhaupt Wertungspunkte bringt oder nicht. Wer Pech hat, hat auf Sand gebaut und geht leer aus. Es kann sogar passieren, dass beim Aufdecken eine falsche Nonne erscheint, die unser Manschgerl direkt in die Hölle befördert, so dass wir den Rest des Spiels mit einem Manschgerl weniger auskommen müssen.

Überhaupt unsere Manschgerl. Zu Spielbeginn haben wir nur ganze zwei Stück zur freien Verfügung. Davon ist einer noch „irre“ und muss sich erst in der „Nervenheilanstalt“ sanieren lassen. Es soll Möglichkeiten geben, weitere Manschgerl zu rekrutieren. Wenn man irgendwie sehr konsequent, sehr erfolgreich agiert, funktioniert das sogar. Bei uns ist das nur Moritz geglückt, und das auch nur ein einziges Mal. Günthers eine Manschgerl wurde gleich in der Anfangsphase von der falschen Nonne eliminiert, sein zweites, einziges noch verbliebendes Manschgerl stand einsam und hoffnungsvoll auf einer entstehenden Stadt, war damit aber blockiert bis die Stadt fertiggestellt war. Wenn Günther in seinem aktuellen Zug diese Stadt nicht erweitern oder fertigstellen konnte (die Auswahl der zu legenden Plättchen ist sehr begrenzt), konnte er nur versuchen, seinen Mitspielern möglicherweise genehme Stücke vor der Nase wegzuschnappen und sie in die Prärie zu legen. Oder mit unförmigen Plättchen ihre angefangenen Objekte zu verunstalten.

Miesnickeligkeit diktiert von vorne bis hinten unweigerlich das Spielgeschiehen in CA. Was soll man auch sonst tun, wenn der Freiheitsgrad, etwas Gutes für sich selber zu tun, in der Größenordnung von Null ist? Wir müssen irgend etwas falsch gespielt haben. Es kann doch nicht sein, dass Günther in diesem hochgeistigen Spiel weit abgeschlagen als Letzter geendet hat. Das Regelheft – gleich mit einer ganzen Reihe von Erweiterungen ausgeliefert, von denen wir einige auch übernommen haben – strotzt nur so vor Zugmöglichkeiten, die uns heute alle verschlossen geblieben sind. So blieb nur der Eindruck übrig, den Moritz formulierte: „Das ist schon ein merkwürdiges Spiel. Man hat alle Mechanismen von Carcassone hergenommen und so weit es ging schlechter gemacht.“

Was soll man denn von folgender Passage im Abschnitt „Geheimes Wissen“ halten? Frage: „Wer hat die handschriftlichen Notizen in diesem Regelheft verfasst? War es der Autor? Der König? Der Fremde?“ Antwort: „Es gibt keine handschriftlichen Notizen in diesem Regelheft.“ Ist hier irgendeiner vorzeitig aus der „Nervenheilanstalt“ ausgebrochen.

WPG-Wertung: Günther: 3 ([! Für ihn fast ein Negativ-Rekord!] Da würde ich doch lieber mal wieder Carcassone spielen), Milo: 5 (das Spiel enthält einige unnötige Elemente, hübsch sind die Ritualsteine), Moritz: 4 (ich habe diesen Kickstarter nur wegen des Themas gekauft. Vieles ist einfach misslungen. Selbst das Design sieht wirklich „Sch ..“ aus, während bei Carcassone das Design doch elegant ist), Walter: 3 (keine Handlungsfreiheit, und das bisschen, was man hat, macht der Zufall kaputt.).

2. “Azul”

Wir brauchten jetzt alle unbedingt etwas zum Auflockern. Da kam „Azul“ gerade recht (siehe unsern Report vom 07.12.2017). Hübsch, eine Interaktion, die weit über das übliche Konkurrenzgehabe hinausgeht, spielerisch, taktisch, planerisch, mit einem perfekt integrierten Zufallseinfluss.)

3. “Elemental”

„Elemental“ mit „Azul“-Steinen
Das Bild ist leicht getürkt. Wer findet den Fehler?

Hier hat sich ein Autor mal wieder an die unlösbare Aufgabe gemacht, ein funktionierendes, abstraktes, rein strategisches, zufallsfreies Kampfspiel aller gegen alle zu erfinden. “Unlösbar” bezieht sich auf “funktionierend”, wohlgemerkt!

Nach Go-Manier platzieren wir reihum jeweils einen unserer Setzsteine auf einer karierten Spielfläche. Sobald wir mit unseren Setzsteinen bestimmte Muster gelegt haben, können wir damit Aggressionen anwenden. Vier Steine in einem gleichschenkligen Dreieck (drei Steine als Basis, ein vierter Stein in der Mitte) bilden einen „Feuerball“ und schießen alle gegnerischen Steine auf der Höhenlinie weg. Vier Steine als die Ecken eines Parallelogramms bilden eine “Welle”, die sich pro Zug um ein Feld weiterbewegt und alle gegnerischen Steine, über die sie sich bewegt, in den Orkus befördert. Zwei mal zwei Steine auf einer Linie bilden einen “Wechselwind” und schießen alle gegnerischen Steine ab, die sich dazwischen befinden. Und ähnliche Muster.

Vier Steine in einem Quadrat bilden einen „Berg“ und sind geschützt.

Ziel des Spiels ist es, eine symmetrische Rose aus 14 aneinanderliegenden Steinen zu bilden. Wer das geschafft hat, hat gewonnen.

Was funktioniert hier in einer 4er Runde nicht? Der Letzte im Bunde kommt nie auf einen grünen Zweig! Bevor er nur seinen vierten Stein gesetzt hat, um irgend ein aggressives Muster erzeugt zu haben, sind drei Spieler vor ihm am Zug gewesen und haben ihm die Beine unterm Hintern weggeschossen. Kann mir einer erklären, wie so ein armer Tropf wieder auf die Füße kommen soll?

Als jeder gerade mal fünf Steine platziert, Moritz und Walter bereits je eine Welle gebaut und die Spielsteine von Günther und Milo je zweimal dezimiert hatten, war klar: das Spiel funktioniert nicht. So nicht! Wir brachen ab.

Vielleicht sollte man vor dem nächsten Versuch lange, lange studieren und analysieren, welche Überlebenschancen so ein armes hinterhertrabendes Schwein hat. Bei unserer begrenzten menschlichen Lebenszeit sollte man wohl auch noch dicke Bücher über Elemental-Analysen durcharbeiten, in denen andere Elementalisten ihr reiches, fundiertes Wissen niedergelegt haben, um die strategische Vielfalt dieses Spiels zu erkennen und zu goutieren. Doch nach unserem heutigen allseitigen Vorurteil halten wir solche Analysen für einen Sisyphus-Job. Wobei der bekannte Stein wohl nicht mal bis zu einem Bruchteil des Hügel nach oben gerollt werden kann.

WPG-Wertung: Günther: 4 (Hoffnung auf eine Strategie, die vom Himmel fällt; Hoffnung auf Kooperation der Morituri und ein Sich-gegenseitig-Zerfleischen der Caesaren), Milo: 4 (5 Punkte für das 2-Personenspiel), Moritz: 5 (die Spielidee ist originell; bei mehr „Erkenntnis“ ist das Spiel – vielleicht – sogar mehr Punkte wert), Walter: 2 (glaubt nicht an die Existenz einer funktionierenden 4-Personen-Strategie; das Schönste am Spiel waren die Azul-Steine, mit denen wir gespielt haben.).

4. “Azul”

Bei der Alternativ-Entscheidung zwischen „Bluff“ oder „Azul“ als Absacker, plädierte Milo für Azul. Alle schlossen sich diesem Vorschlag an.

Im ersten Spiel war Milo Startspieler und Moritz demnach im ersten Durchgang Zweiter geworden. Ob gewollt oder zufällig, er biss dreimal in den nur vermeintlich sauren Apfel des ersten Ziehers-aus-der-Tischmitte und wurde locker Sieger.

Jetzt im zweiten Spiel, wurde Walter Startspieler und nahm regelmäßig, fast schon in seinem zweiten Zug, passende Steine aus der Tischmitte (da gibt es immer passende Steine) und wurde ebenfalls Sieger.

Der Vorteil, in einem Durchgang als erster wählen zu dürfen, zusammen mit dem statistischen Vorteil, damit auch durchschnittlich häufiger am Zug zu sein als seine Mitspieler, ist deutlich mehr wert als der eine Minuspunkt, den man sich dafür einheimst.

In „Azul“ sollte die Leiste mit den Minus-Punkten neu justiert werden. Der erste Aus-der-Tischmitte-Zieher sollte 5 Minuspunkte bekommen; die Minus-Punkte für nicht platzierbare Steine können bleiben.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.