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20.09.2017: Terraforming zum Fünften

Hat Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow (* 7. September 1939, † 19. Mai 2017) am 26. September 1983 das Auslösen eines Atomkriegs verhindert? Entsproß seine Entscheidung, den Alarm über den Abschuß amerikanischer Raketen auf die Sowjetunion als Fehlalarm zu werten und nicht weiter nach oben zu melden, seiner Erfahrung über die einzig möglichen Erstschagsszenarien oder war es ein Vergehen gegenüber seiner Aufsichtspflicht? Oder war das Ganze doch nur eine triviale Routine-Entscheidung, die von unseren Medien ein bisschen aufgebauscht wird?

Für sein Verhalten wurde er seitens seiner Vorgesetzten weder belobigt noch bestraft. Immerhin erhielt er 2004 und 2006 den World Citizen Award, 2012 den Deutschen Medienpreis und 2013 den Dresden-Preis. Immerhin.

1. “Terraforming Mars”

Terraforming: Spieler-Tableau mit Plastik-Schablone

Wenn ein Spiel „zu lang, zu breit und zu solitär“ ist, was muss es dann haben, dass es trotzdem auf Vielspieler eine solche Faszination ausübt? Günther bot das Spiel heute zum fünften Mal bei uns an, und es erhob sich kein Widerspruch. Im Gegenteil, alle nahmen noch einmal mit Ehrgeiz und Leidenschaft die Aufgabe auf sich, den Mars bewohnbar zu machen.

Immerhin legte Günther eine neue Szenerie auf. Die Verteilung von Städten, Grünflächen und Wasser war topologisch anders (kein merkbarer Einfluß auf die Strategien) und bei den Meilensteinen und Auszeichnungen kamen anderen Kriterien in die Auswahl.

Günther hatte sich die äußerst funktionellen Plastikschablonen zugelegt, die über das jeweilie Besitztum-Tableau der Spieler gelegt werden, so dass sich die einzelnen Besitztumsmarker, immerhin bis zu 12 Stück pro Spieler, beim versehentlichen Ruckeln am Tisch oder am Tableau nicht mehr verschieben können. Ein geniales Addendum zum Spiel. Allerdings muss man für so eine Plastikform zu einem Herstellungspreis von vielleicht 5 Pfennigen pro Stück immerhin 8 Euro hinlegen, für ein 4-Personenspiel also noch einmal sage und schreibe 32 Euro. Diese Erfindung kommt dann schon einer Gelddruckmaschine gleich. Aber man lebt nur einmal, aber man spielt häufiger …

Wir spielten wieder nach den Experten-Regeln und mit den Firmen-Erweiterungen aus BGG. Günther wählte sich als Start-Firma die „Mining Guild“: Vom Start weg florierte seine Produktion von Eisen und Titan, er schwamm in liquiden Mitteln. Und da alle Investitionen ja mit Zinsenzins in die Siegpunktbilanz eingehen, war es für ihn ein Leichtes, diese schon sehr früh sprudelnden Quellen zum Gesamtsieg zu nutzen. Oder gehört doch Spielwitz, Übersicht und Können dazu?

Walter bekam die „Republik Tharsis“, mit der er als erste Aktion kostenlos eine Stadt auf dem Mars bauen konnte, und im weiteren Spiel immer Geldprämien einstreichen konnte, wenn eine weitere Stadt gebaut wurde. Nicht schlecht. Mit einer schon sehr früh vom üblichen Verteilungszufall zugeschusterten Karte für Titanproduktion konnte er darüber hinaus seiner Kasse regelmäßig Finanzspritzen zukommen lassen. Er legte sich wenige, aber teure Invesitionen zu und bekam am Ende dafür auch noch eine Auszeichnung. Ansonsten fuhr er die Strategie, möglichst „fully invested“ zu bleiben, insbesondere keine große Kartenhand zu halten, die ja nur totes Kapitel bindet. Es reichte zum zweiten Platz. Spricht das jetzt gegen oder für die Herausforderungen von „Terraforming Mars“?

Moritz legte sich „Politicorps“ zu. Damit durfte er am Ende einen beliebigen weiteren Meilenstein für sich beanspruchen und bekam für jeden Meilenstein und für jede Auszeichnung zwei Siegpunkte mehr. Überschlägig entspricht das etwa 11 geschenkten Siegpunkten. Für diesen Ertrag musste er aber bis ganz zum Schluss warten. Dabei verzählte er sich bei zwei Kriterien, so dass er zweimal die Prämien und seine zwei Zusatzpunkte verpasste. Er kam nur knapp aufs Treppchen.

Bei unseren ersten Spielen haben wir in TM jede Menge Interaktion vermisst. Wenn man das Spiel aber besser kennt, dann findet man doch mehr als nur Spuren davon. Konkurrenz gibt es in jedem Fall bei Meilensteinen und Auszeichnungen. Auch die Besiedelung auf dem Mars ist ein Tummelfeld für passionierte Interaktionisten. Und wenn ein Mitspieler miesnicklige Karten zum Klauen von Ressourcen besitzt, kommt es sehr auf das Timing der Züge an, um den Miesnickel auszubremsen. Auf jeden Fall ist TM kein Solitärspiel, auch wenn es solitär gespielt werden kann.

Noch ein bisschen Statistik
Spieldauer 210 – 240 Minuten
Rundenzahl 13
Siegpunkte (max) 107
Terraformingwert (max) 38
Siegpunkte aus Städten und Grünflächen (max) 31
Siegpunkte aus Investitionen (max) 25

WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein Fast-8 Punkte-Spiel!

13.09.2017: Steinzeit auf dem Mars

“Wir spielen am Besten, wenn der Gegner nicht da ist.“
(Otto Rehagel)

1. “Tribes: Early Civilization”

“Tribes” – Wege der Menschheitsgeschichte

Sich fast entschuldigend legte Moritz mal wieder eine seiner beliebten amerikanischen Spiele-Erwerbungen auf den Tisch. Dabei geht es bei „Tribes“ nicht um Weltkrieg, Weltraum oder thematische Wunderländer, sondern in einer sauberen abstrakten Entwicklungs-Szenerie lediglich um Siegpunkte. Fast ein Eurogame. „Das Spiel könnte fast von Aaron sein!“ Eine Adaption von „Yunnan“. Anstatt auf der Seidenstraße bewegen uns auf unbekannten Wegen im Paläozoikum ff.

Um unsere Sippe zum Sieg zu führen, müssen wir:

  1. Lebensraum schaffen, d.h. Landschaftsteile (Hexagons) blind aus einem Säckchen ziehen und an unser Stammesgebiet anlegen.
  2. Wohnraum schaffen, d.h. in unserem Stammesgebiet weitere Hütten bauen.
  3. uns ausbreiten, d.h. unsere Hütten auf diejenigen Landschaftsteile verteilen, die wir für unseren nächsten Entdeckungsschritt brauchen.
  4. Schritt für Schritt unseren Stamm durch die drei verschiedenen Perioden der menschlichen Urgeschichte zu führen und damit – vor allem – Siegpunkte einzuheimsen.

Im Paläolitikum reicht eine einzige Hütte auf dem richtigen Landschaftsteil, um hier einen Schritt vorwärts zu kommen. „Richtig“ bedeutet, dass auf dem Landschaftsteil mit unserer Hütte das gleiche Symbol (Pferd, Schaf, Muschel, Weizen, Feuer oder Gold) aufgedruckt ist wie auf dem paläolitischen Hexateil (PH), in das wir expandieren wollen. Wir legen dann einen Marker auf dieses PH, kassieren ein paar Siegpunkte, steigern unsere Fähigkeiten in Bezug auf Entdeckertum, Bauvermögen, Beweglichkeit oder Schlagkraft und lösen ggf. noch weitere Nebeneffekte aus.

Im Neolitikum brauchen wir zwei Hütten auf den richtigen Landschaftsteilen, um hier ein PH weiter zu kommen und die gleichartigen, quantitativ etwas gesteigerten Vergünstigungen zu kassieren.

Im Bronzezeitalter benötigen wir drei Hütten für diesen Fortschritt.

Die oben geschilderen Aktionen dürfen wir aber nicht nach beliebigem Gusto ausführen, sondern wir müssen uns dabei an einen besonderen, nicht ganz nagelneuen Auswahlmechanismus halten, in dem der eigentliche Pfiff des ganzen Spiels liegt. Alle zulässigen Aktionen liegen als Kärtchen in einer Reihe hintereinander auf dem Tisch. Die erste angebotene Aktion dürfen wir jeweils kostenlos ausführen. Wenn wir aber eine Aktion auswählen wollen, die weiter hinten liegt, müssen wir auf jedes davor liegende Aktionskärtchen eine Muschi aus unserem sehr begrenzen Muschischatz legen. Das ausgewählte Aktionskärtchen kommt dann ans Ende der Reihe und der nächste Spieler hat die Qual der Wahl.

Auf den ungeliebten Aktionskärtchen am Anfang der Reihe häufen sich auf diese Weise immer mehr Muschis an, bis ein Spieler sich ihrer erbarmt und eines davon auswählt; er führt die ungeliebte Aktion aus, tröstet sich aber mit den vielen Muschis, die er dabei einstreichen kann.

Im Prinzip könnte es für einen Spieler fast egal sein, in welcher Reihenfolge er die notwendigen Aktionen zum Sieg ausführt, ob er erst Lebensraum und dann Wohnraum schafft oder umgekehrt. Doch der Schritt 4, das Weiterschreiten in der Urgeschichte, ist am wichtigsten und begehrtesten, die Aktionskärtchen dafür liegen selten auf den den billigsten Plätzen. Weiterhin wird als Nebeneffekt des allgemeinen Fortschritts zuweilen ein weiteres Kärtchen unter diese Aktionskärten eingefügt, dass u.U. ausschließlich negative Folgen auslöst, z.B. „Du verlierst 3 Hütten“ oder „Du verlierst 3 Landschaftsteile“. Solche Kärtchen sucht ein jeder zu vermeiden, bis ihn die Menge der hier abgelegten Muschis dann doch in den sauren Apfel beißen lässt, oder bis man keine einzige Muschi mehr besitzt und dann zwangsweise hier zugreifen muss.

So lebt ein jeder ein bisschen von der Hand in den Mund. Große Handlungsfreiheit im Aufbau gibt es nicht. Wie man den nächsten Entwicklungsschritt tun kann, dafür sind die nächsten notwendigen Aktionen klar und einsichtig. Wir versuchen an sie heranzukommen, und wir freuen uns, wenn dies möglichst billig vonstatten geht. Eine gewisse Voraussicht dessen, was sich in der nächsten Runde innerhalb der Reihenfolge der Aktionskärtchen tun wird, tun könnte oder tun muss, das ist die einzige Vorausplanung des Spiels, der Rest ist Zufall und Gespielt-Werden.

Wer sich zuerst auf Teufel komm’ raus mit Ressourcen eindeckt, kann zwar dem Zufall etwas entgegenwirken, aber er verpulvert dabei zu viel Energie. Wenn er dann endlich in Handlungsfreiheiten schwelgen könnte, hat ein Mitspieler die zum Sieg notwendigen 30 Siegpunkte bereits erzielt und das Spiel beendet. Immerhin geht das alles relativ flott über die Bühne.

WPG-Wertung: Günther: 5 (ein klein wenig Aufbau, aber nicht viel, kein Thema, keine Interaktion, lediglich ein bisschen Konkurrenz innerhalb des Aktionsauswahlmechanismus, hier aber mehr zufällig als planbar), Moritz: 6 (es funktioniert, hat ein seriöses Design; dass wir am Ende alle dicht beieinanderlagen, ist eher ein Zeichen von Einförmigkeit; in die Prämien beim Fortschreiten auf dem Entwicklungsweg hätte noch ein bisschen Pfiff gebracht werden können), Walter: 6 (Tendenz zu 5; das Spiel ist ausbalanciert, flüssig, es gibt keine Engpässe, der Muschi-Einsatz ist spielerisch. „Das beste Kick-Starter-Spiel, an das ich mich erinnern kann“. [Man beachte die Einschränkungen „Kick-Starter“ und „Erinnerungsvermögen“]).

2. “Terraforming Mars”

Selten hat ein Spiel mit so wenig Interaktion so oft den Weg zu uns auf den Tisch gefunden wie „TM“. Trotz erheblicher Kritikpunkte haben wir uns schon dreimal mit der stundenlangen solitären Aufbauarbeit beschäftigt.Günther hatte es in der Zwischenzeit weitere Male gespielt und wollte uns heute in der Dreierrunde seine volle Schönheit mit den verschiedenen Extensions vorführen.

1) Jeder Spieler bekommt zu Beginn eine Firma zugeteilt (er darf sich aus 4 Firmen-Alternativen eine auswählen), die ihm innerhalb der auswählbaren Entwicklungsschritten individuelle Vorteile bringt. Damit wird für sein späteres Vorgehen eine gewisse Richtung vorgegeben, so dass er sich auf dem weiten Feld der Entwicklungsmöglichkeiten nicht mehr so verloren vorkommt. Asymmetrische Anfangsbedingungen in einem Entwicklungsspiels sind, sofern sie ausbalanciert sind, immer von Vorteil.
Zusätzlich zu den Standard-Firmen, die mit der Grundausstattung des Spiels ausgeliefert werden, hatte Günther hier auch die bei BBG vorgeschlagenen Extensions aus dem Internet heruntergeladen und ausgedruckt.

2) Beim Nachkauf von Entwicklungskarten wurde der Experten-Auswahlmechanismus angewendet. Von den vier angebotenen Entwicklungskarten darf jeder Spieler nur eine behalten, drei davon muss er an seinen linken Nachbarn weiterreichen und bekommt dafür drei neue von seinem rechten Nachbarn. Dies wird mit jeweils einer Karte weniger solange wiederholt, bis an Ende jeder Spieler eine Karte weitergibt und eine Karte erhält. Jetzt hält er – wie früher auch – wieder vier Karten in der Hand, von denen er beliebig viele behalten und kaufen oder abwerfen kann.
Dadurch kommt deutlich mehr Gerechtigkeit in die Kartenauswahl (Aaron hätte seine helle Freude daran gehabt!), und jeder hat noch mehr Chancen, die zu seiner Firma passenden Entwicklungskarten angeboten zu bekommen.

Moritz hatte eine Firma, in der er Wärme als Zahlungsmittel einsetzen konnte. Zusammen mit einer forcierten Entwicklung seiner Wärmeproduktion war er schnell aus allen Zahlungsschwierigkeiten heraus. Es reichte zum zweiten Platz.

Walter durfte mittels seiner Firma bei jeder Steigerung seiner TM-Potenz für einen geringen Obolus auch noch eine Stufe drauflegen. Mit einer gewissen Schusseligkeit verwechselte er oft genug TM-Potenzsteigerung mit TM-Einkommensteigerung, oder warum auch immer, es reichte nur zum dritten Platz.

Günther war mit seine Firma nicht zufrieden. Er wirtschaftete fast ausschließlich an ihr vorbei. Aber er wirtschaftete sehr gut, legte sich punkteträchtige Entwicklungskarten zu und langte vor allem bei Meilensteinen und Auszeichnungen kräftig zu. Er wurde Drittletzter.

Spielzeit: 4 (VIER) Stunden. Aber ohne Langweile. Moritz verpasste die vorletzte und die letzte U-Bahn, ohne es richtig zu merken.

WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein Fast-8 Punkte-Spiel. Moritz: „Das Agricola-Spiel unserer Zeit“!

30.08.2017: Oh du meine Güte

Das Sommerloch ist überwunden. Aaron hätte es fast verschluckt. Auf einer Almwiese kamen ihm und zwei Wandersfreunden fünf Jungkühe entgegen. Später identifiziert: eine junge Dame und vier halbstarke Burschen. Aus einer ursprünglichen Entfernung von vielleicht 100 Metern trotteten sie konsequent auf die drei Menschlein zu. Neugierig? Um gemolken zu werden. Das war weder der Dame noch der Burschen sichtliches Begehr. Zweifellos wollten sie die fremden Eindringling in ihr Rinder-Techtelmechtel aufs Horn nehmen.

Das Gelände war schwierig, eine Flucht nicht gut möglich. Was tun? Nur noch fünf Meter!

Es half nur noch ein Bluff. Die drei Männer stellten sich nebeneinander auf, und wie auf Kommando rissen sie die Hände nach oben und stießen einen lauten „Ohhh“-Ruf aus. … Glücklicherweise half es. Aus dem Rinderlauf wurde schlagartig ein bocksbeiniges blockierendes Stehenbleiben.

Nach ein paar weitern Annäherungsversuchen und wiederholtem Hände-Hochreißen und „Ohh“-Schreien verabschiedeten sich beide Spezies-Gruppen voneinander. Ohne Gesichtsverlust. Aaron wurde uns und der Welt wieder geschenkt. Der Name des Herrn sei gelobt!

1. “Oh My Goods – Du meine Güter!”

“Oh my Goods”-Szenerie

Ein kleines Kartenspiel um eine große Marktwirtschaft. Mit einer Köhlerei-Karte, einer Arbeiterkarte und 7 Euro-Karten Startkapital fangen wir an. Der Arbeiter in der Köhlerei produziert Kohle im Wert von jeweils wieder einem Euro, für unser Geld kaufen wir einen weiteren Betrieb, z.B. eine Sägemühle zu einem Preis von 2 Euro oder eine Nahrungsfabrik für 21 Euro. Na ja, für die Nahrungsfabrik reicht unsere Erstausstattung und die Einnahmen in den ersten 5 Runden wohl nicht hin, wir müssen kleinere Brötchen backen. Immerhin gibt es noch weitere 15 verschiedene Handwerkerbetriebe verschiedenster Preisklassen, in denen wir unseren Arbeiter werkeln lassen können.

Apropos Arbeiter: Zu Beginn haben wir nur einen einzigen, und dieser eine kann pro Runde auch nur in einem einzigen Betrieb arbeiten. Claro! Für jeden weiteren Betrieb brauchen wir also noch einen Gehilfen zum Werkeln. Gehilfen darf man sich kaufen. Leider nur anstatt eines Betriebes! So stehen wir in der Einschwingphase demnach vor dem Dilemma, uns Betriebe ohne Gehilfen oder Gehilfen ohne Betriebe zuzulegen. Doch dieses Dilemma löst sich sofort auf, wir müssen den Weg Betriebe-ohne-Gehilfen gehen, denn Gehilfen dürfen wir uns erst zulegen, nachdem wir bereits eine bestimmte Anzahl von Betrieben haben! Im billigsten Fall brauchen wir nur zwei Betriebe; diese Voraussetzung geht aber sehr schnell auf drei, vier oder gar fünf Betriebe hoch. In der Regel besitzen wir eine Menge Betriebe aber nur wenige Gehilfen; die Betriebe stehen still, weil kein starker Arm es will.

Das ist aber nicht weiter schlimm, die meisten Betriebe können wir ohnehin selbst mit Arbeiter oder Gehilfen nicht in Betrieb setzen, weil dafür die notwendigen Rohstoffe fehlen. Z.B. braucht eine Köhlerei der Startausstattung für ihre Produktion 2 Ziegel und 1 Holz, die Gerberei braucht 3 Getreide und 2 Wasser und die Nahrungsfabrik braucht 4 Holz und 2 Ziegel. Wo kommen die Rohstoffe her? Vom Markt! Pro Runde werden für den Markt eine zufällige Anzahl von Rohstoff-Karten gezogen. Im Minimalfall sind es nur vier Stück; wenn es gut geht, können es auch mal sieben oder mehr Karten sein; bei uns war das Maximum zehn. Diese Rohstoffe darf jeder Spieler für seine Betriebe nutzen. Sie werden dabei nicht verbraucht, sie müssen nur vorhanden sein.

Gehen wir mal davon aus, dass 8 Rohstoff-Karten auf dem Markt liegen, dann liegt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir unsere 2-Ziegel-1-Holz-Köhlerei in Betrieb nehmen können bei fast 20%. Falls alle Rohstoffe mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf den Markt kommen. Und falls ich mich nicht verrechnet habe.

Na ja, ganz so schlimm liegt die Sache nicht. Fehlende Rohstoffkarte können wir mit unseren Handkarten ergänzen. Dazu bekommen wir zum Start 5 Rohstoffkarten auf die Hand und dürfen pro Runde zwei Rohstoffkarten nachziehen. Und wenn unsere Köhlerei in der ersten Runde nicht produziert, brauchen wir auch nicht zu weinen; vom Startgeld können wir uns – meistens – gleich einen weiteren Betrieb leisten, so dass wir ab der zweiten Runde gleich mit zwei Betrieben in der Rohstoff-Lotterie mitspielen dürfen. Haben wir dann aber immer noch kein Glück, wird es eng.

Leider können wir nicht die vollständige Bestückung des Marktes abwarten, bevor wir uns für einen unserer Betriebe entscheiden, wir müssen das bereits nach der Hälfte der aufgedeckten Rohstoffkarten tun. Unsere Planung soll ja einem spielerischen Risiko unterworfen sein. Und falls ein Spieler vom Markt und von seinen Handkarten zugleich im Stich gelassen wird, dann gibt es innerhalb einer Viererrunde immerhin drei Spieler, die sich darüber freuen. Der Erwartungswert aller Freude ist diesbezüglich also deutlich größer als Null.

So traben wir durch das Spiel, ziehen neue Rohstoffkarten, warten die erste Hälfte des Marktes ab, positionieren Arbeiter und Gehilfen, warten auf das Ende des Marktes, produzieren (oder schauen in die Röhre), setzen Geld in Betriebe oder Gehilfen um, und warten auf das Spielende, das eingeläutet wird, sobald der erste Spieler seinen achten Betrieb in Besitz genommen hat.

Walter hatte bis zum Spielende keinen einzigen Gehilfen angeheuert, schwelgte in Handkarten, die er glücklicherweise in der letzte Runde fast alles loswerden konnte, und kam mit viel überflüssigem Geld auf 25 Siegpunkte. Aaran hatte einen einzigen Gehilfen, den er als Köhler anlernte und auch nicht mehr umschulte. Auch er kam auf 25 Siegpunkte. Günther hatte sich zwei Gehilfen geleistet und und sie ebenfalls fest in seinen Betrieben verankert; leider war der Markt so ungüstig, dass sie nur einmal produzieren konnten. Ohne viel Nachzudenken (ein sehr schlechten Zeichen für jedes Spiel) kam er auf 26 Punkte! Sieger! (Ein sehr gutes Zeichen für ein Spiel.) Horst verkackte mit drei Gehilfen. Er war auch mit Regelnachfragen und Regelauslegung ständig gefragt und in seinen Planungen gestört. Zudem verließ er sich recht leichtfertig auf das Gewogensein des Marktes und war damit, dem heiligen Stochastus sei es geklagt, oft genug verlassen.

Und wie lange dauerte der Spaß? Nach der offiziellen Beschreibung hätten wir in 30 Minuten ein Spiel über die Bühne bringen sollen. So lange dauerte allein Horsts Regeleinführung. Was bei der Erklärung für 110 verschiedene Multifunktionskarten ja auch verständlich ist. Mit dem üblichen WPG-Aufschlag von 50% schätzten wir a priori ein Spiel auf 45 Minuten Spielzeit. Im a posteriori hatten wir unseren Aufschlag um glatte dreihundert Prozent unterschätzt!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (ich werde vom Spiel gespielt, solitär, keine Entscheidungsfreiheit, unnötige Glückselemente, für ein 30-Minuten-Spiel würde ich das alles akzeptieren, aber nicht für einen Anderthalbstünder), Günther: 4 ([seht, seht! unser Günther wird knickrig!] Produktionsketten werden zwar angepriesen, sind bei uns aber fast nicht vorgekommen; die passenden Karten sind einfach zu teuer; er entdeckte im post mortem übrigens noch eine Supercombo: Rinderfarm + Fleischerei); Horst: 5 (die Spielelemente greifen einfach nicht, z.B. das Prinzip „alles-oder-nichts“ beim Austauschen der Handkarten oder die Vorbedingungen zum Erwerb eines Gehilfen); Walter: 4 (schon fast zu viel der Punkte. Allein die Unstimmigkeit zwischen notwendiger Planung und vernichtendem Glück ist für mich ein untragbarer Qualitätsverstoß).

Für unsere englisch-sprachigen Freunde dürfen wir noch zwei paar Bewertungen von BoardGameGeek anführen:
1) One of the best game I know
2) The best pocket card game ever

Am Morgen danach erreichte uns Aarons Mail:
“Wir haben gestern übrigens mit der 2. Ausgabe der Regeln gespielt. In der 1. Ausgabe gab es den Komplettaustausch der Handkarten in Phase 1 noch nicht (d.h. man blieb auf schlechten Karten sitzen) und es gab die Aktivierung der Produktionsketten aller Gebäude in der letzten Runde nicht.
Die 2. Regelausgabe ist also deutlich besser als die 1. Mit einer 3. Ausgabe könnte das Spiel noch gut werden. Mein Vorschlag: statt Komplettaustausch auch Teiltausch erlauben und statt Auffüllen der Auslagen solange bis 2 halbe Sonnen ausliegen immer 4 Karten je Auslage aufdecken (also insgesamt 8 Ressourcen).“

Walters Kommentar dazu:
“Dass der Komplettaustausch einer Kartenhand das Spiel deutlich besser macht, solltest gerade Du, lieber Aaron, nicht so stark propagieren. Denn nach dem Gesetz der Großen Zahl sind die Würfel die Du gewöhnlich nachwürfelst und die Karten, die Du gewöhnlich nachziehst, noch schlechter als die vorherigen.
Und wenn wir anstelle einer zufälligen Anzahl zwischen 4 und 10 pro Runde eine feste Anzahl von 8 Rohstoffkarten nachziehen, dann verschieben wir den Glücksfaktor von „Goods“ von 0.93 auf 0.92. Hat das Spiel damit in strategischer Hinsicht irgendetwas gewonnen? Oder in irgend einer anderen Hinsicht?“

2. “Tempel des Schreckens”

Nachdem das Spiel bei uns in einer Dreierrunde ja überhaupt nicht angekommen war, wollte Aaron seinen Qualitäten in einer Viererrunde auf den Zahn fühlen. Bei der ersten Austeilung kommentierte Walter seine Hand sofort einschmeichelnd mit: „Ich bin Abenteuerer und habe nur gute Karten auf der Hand.“ Da er tatsächlich keine einzige schlechte Karte auf der Hand hatte, wollte er damit ganz klar eine Abenteurer-Rolle vortäuschen. Doch Günther, als echter Abenteurer, rechnete die neutralen Karten nicht zu den guten, unterstellte Walter damit eine Lüge und schob ihn lauthals auf die Seite der Wächterinnen. Nachdem sich Aaron durch treuherziges Mienenspiel – oder wie auch immer – ebenfalls als Abenteurer herausgestellt hatte, schoben sich Günther und Aaron drei Runden lang die Such-Karte zu, Horst und Walter mussten tatenlos zuschauen.

Wenn Walter nicht schon gewußt hätte, was er von dem Spiel zu halten habe, wäre er spätestens jetzt rabiat geworden. Nur Horst in seiner gewohnten, grenzenlosen Warmherzigkeit schaute dem bösen Spiel gutmütig zu und warf höchstenfalls hin und wieder seinen Mitstreitern und Kontrahenten einen sanften, emotionsgetränken Blick zu.

WPG-Wertung: Den bisherigen Schnitt von 5 Punkten unterbot Horst mit seiner Wertung gleich um 40 Prozent.

3. “Cartagena”

Kann es sein, dass die Erinnerungen an ein Spiel im Laufe der Jahre immer besser werden? Aaron legte „Cartagena“ mit dem Kommentar „gutes Spiel aus der Vergangenheit“ auf den Tisch. 17 Jahre ist es alt, da fängt manchmal das Leben an, doch für ein Spiel ist das schon fast ein Greisenalter. Insofern hatte er mit „Vergangenheit“ recht. Doch dass er selber und Günther damals nur 5 Punkte vergeben haben, scheint ihm entgangen zu sein. Gute Spiele fangen erst bei 7 Punkten an.

Jetzt aber, nach den „Goods“ und nach dem „Tempel“ erwies sich „Cartagana“ als wahre Wohltat. Blitzschnell erklärt, schnell verstanden und sofort spielbar. Lustig, locker, leicht. Interaktiv. Höchst spielerisch. Es gibt nur Gewinner.

Dabei haben wir Cartagena sogar falsch gespielt, einfältiger als vorgesehen. Horst informierte uns per Mail: „Man darf bis zu 3 mal ziehen (in beliebiger Kombination vorwärts und rückwärts ) – nicht nur einmal!“ Keiner hat diese Einschränkung als schmerzlich empfunden. Vielleicht unterstreicht das Nur-Einmal-Ziehen sogar den spielerischen Zufallscharakter des Spiels. Nicht groß planen. Vorwärts-Ziehen und Sich-freuen, Rückwärts-Ziehen und Sich-Ebenfalls-Freuen, die anderen Vorwärts-Ziehen-Sehen und Staunen oder Rückwärts-Ziehen-Sehen und Neue-Chancen-Taxieren, das ist Cartagena. Eine ganze Menge Qualität!

WPG-Wertung: Walter bleibt bei seinen 7 Punkten, erwartet aber sehr stark, dass sich Aaron und Günther noch aufrappeln.

02.08.2017: Garten, Tempel und Plünderer

Welches sind die bekanntesten Spieleautoren in Deutschland? Wenn man den ersten gefunden hat, findet man gleich eine ganze Reihe, denn Google referenziert auf seiner Trefferseite gleich drei bis fünf weitere Subjekte des Interesses. So kann man sich von einem zum anderen durchhangeln und ist gleich bei einer erklecklichen Anzahl bekannter Spieleautoren gelandet, von Antoine Bauza bis Hans-Jürgen Wrede.

In dieser Autoren-Referenzier-Matrix mit 17 Einträgen wird 9 mal Reiner Knizia erwähnt, 8 mal Uwe Rosenberg und je 6 mal Rüdiger Dorn und Michael Kramer. Wer von Google hier warum aufgeführt wird, bleibt deren Geheimnis. Es ist ein kleiner, feiner Kreis, aber so bekannte und erfolgreiche Autoren wie Franz-Benno Delonge, Alex Randolph, Michael Schacht und Martin Wallace kommen nicht vor. Fehler im Referenzierungs-Algorithmus?

Immerhin gibt es eine Seite im Internet, wo die „erfolgreichen Spieleautoren“, d.h. diejenigen, die schon einmal einen der begehrte deutschen Spiele-Preise bekommen haben, gleich alle (?) auf einem Schlag aufgeführt werden. Hier erfährt man auch, dass es einen Unterschied geben soll zwischen „Spiel-Autor“ und „Spiele-Erfinder“. Genaueres darüber kann man bei der SAZ (Spiele Autoren Zunft) erfahren. Bei Computerspielen heißt der Autor übrigens „Spiele-Entwickler“!

1. “Cottage Garden”

Szenerie in „Cottage Garden“

Uwe Rosenberg ist bei uns bekannt als Autor höchst komplexer Spiele mit einer ingenieurmäßig ausgetüftelten Balance. Im Gegensatz zu solchen teilweise „Spielemonstern“ hat er 2014 mit „Patchwork“ ein hübsches kleines 2-Personen-Spiel herausgebracht, in dem es ganz einfach darum geht, möglichst schnell ein 9 mal 9 Felder großes Quadrat mit einer Reihe von ausliegenden Tetris-artigen Bauteilen lückenlos zu füllen.

Auf dringenden Wunsch von Mehr-Personen-Spielgruppen hat Rosenberg diese Spielidee jetzt zu einem 4-Personen-Spiel erweitert. Hier liegen die angebotenen Tetris-Teile nicht mehr vollständig in einer Kette auf dem Tisch, sondern streng portioniert in einer 4 mal 4 Matrix, wobei jeder Spieler sein nächstes Bauteil aus genau einer wohldefinierten Spalte (oder Zeile) auswählen muss. Die Matrix wird auf dieser Weise von Zug zu Zug ausgedünnt, und erst wenn für einen Spieler nur noch ein einziges Bauteil zur Verfügung steht, wird die entsprechende Spalte (oder Zeile) wieder aufgefüllt.

Die Spieler müssen auch kein einzelnes großes 9 x 9 Patchwork-Quadrat auffüllen, sondern verschieden kleinere 5 x 5 Felder große Garten-Quadrate – jeweils zwei parallel – , die teilweise schon mit Siegpunkt-trächtigen Objekten (Blumentöpfen und Pflanzglocken) bedruckt sind. Ein gewisses Vorstellungsvermögen, welche Bauteil-Form am besten in die Garten-Quadrate eines Spieler passen, ist durchaus von Vorteil. Man darf aber beliebig lang probieren, d.h. jedes einzelne der zulässigen Bauteile auf die Hand nehmen und vor Ort im Garten drehen und wenden und einpassen, um zu schauen, ob es genehm ist. Passt keines der zulässigen Bauteile so richtig zu dem halbfertig angelegten Garten, so darf man sich auch einen simplen Blumentopf aus der Schubkarre holen und auf eines der verwaisten Felder legen. Das füllt zwar nicht besonders viel Gartenfläche, bringt aber wenigstens einen zusätzlichen Siegpunkt ein.

Rosenberg hat noch eine Anzahl kleinerer Effekte für Prämien, Zug-Varianz und Siegpunkt-Dynamik eingebaut, so dass „Cottage Garten“ einen lockeren, gefälligen, spielerischen Gesamteindruck hinterläßt. Keine Herausforderung für Nobelpreisträger im Gartenbau, aber genügend Spaß für angehende Enkel im schulpflichten Alter.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spiel ist schnell; 1 Punkt für die Niedlichkeit [in Thema und Ausstattung?]), Günther: 6 („Patchwork“ ist besser; das dortige Tableau ist eine größere topologische Herausforderung und der dortige Teile-Nehm-Mechanismus ist ebenfalls deutlich pfiffiger), Walter: 7 (Sympathiepunkte für ein auch am Westpark spielbares Familienspiel, Sympathiepunkte für einen lockeren Rosenberg).

2. “Tempel des Schreckens”

Ein kleines Kartenspiel, bei dem die Mitspieler in verdeckte Rollen von Abenteurer und Wächterinnen schlüpfen und nach einem definierten Schema die verdeckt ausliegenden Karten mit leeren, gefüllten und verzauberten Schatzkammern mehr oder weniger auf gut Glück eine nach der anderen aufdecken. Wurden am Ende zuerst alle gefüllten Schatzkammern aufgedeckt, so haben die Abenteurer (alle gemeinsam!) gewonnen, wurden zuerst die verzauberten Schatzkammern aufgefüllt, so haben die Wächterinnen (alle!) gewonnen. Wurden bis zu einem definierten Rest von Schatzkammer-Karten weder alle gefüllten noch alle verzauberten Schatzkammern aufgedeckt, so gewinnen wiederum die Wächterinnen. Ein höchst kooperativer Spielablauf zweier Parteien, von denen man a priori nicht weiß, wer zu wem gehört.

Na ja, bis jetzt ist ja noch gar kein Pfiff zu erkennen. Etwas davon ist aber doch enthalten. Jeder Spieler ist der Owner von einem Teil der Schatzkammern. Diese darf er sich anschauen und entsprechend seiner Rolle anpreisen. Ein Abenteurer kann also z.B. sagen: „In meinen Schatzkammern gibt es zu viele verzauberte! Schatzkammern, bitte die Finger davon lassen!“ oder „In meinen Schatzkammern gibt es keine einzige verzauberte Karte, Abenteurer, greift nur alle herzlich zu.“ Wenn der Spieler, der so spricht, allerdings eine Wächterin ist, dann wird wohl das Gegenteil davon wahr sein. Jetzt kann jeder Spieler darüber spekulieren, ob der entsprechende Aufklärer die Wahrheit gesagt oder gelogen hat, ob er Abenteurer ist oder Wächterin. Die Spielanleitung schreibt: „Der Spielspaß hängt stark von den Diskussionen im Verlauf des Spiels ab. Führt ruhig hitzige Diskussionen! … Blufft! Drängt die Mitspieler zu Entscheidungen, die sie hinterher bereuen.“ Natürlich, so etwas KANN Spaß machen, aber natürlich NICHT am Westpark!

Wir haben eine ganze Weile darüber diskutiert, ob es lohnenswert ist, die Wahrheit zu sagen oder zu lügen. Andeutungsweises Fazit: Die Abenteurer sollten von vorne herein die Wahrheit sagen. Es gibt viele davon, wenn man blind einem Mitspieler folgt, so ist er mit großer Wahrscheinlichkeit ein Abenteurer. Die Wächterinnen dürfen ihre Identität nicht verraten! Da es nur wenige von ihnen gibt, haben sie sofort verloren, wenn ihre Identität bekannt ist. Also sollten sie sich in den ersten Runden als Abenteurer gebärden und eine entsprechende Abenteurer-Auskunft über ihre Schatzkammern geben. Ein Argument mehr für alle Mitspieler, an die Wahrheit der Aussagen zu glauben. Erst wenn man (die Abenteurer) zum ersten Mal auf eine Wächterinnen-Lüge hereingefallen sind, heißt es aufpassen. Die entsprechende Wächterin ist aber für den Rest des Spiels (für die Mehrheit der Abenteurer) tabu. Wer trotzdem von ihr eine Schatzkammer aufdeckt, ist ebenfalls eine Wächterin. Es gibt keinen Grund für einen Abenteurer, eine Karte bei einer Wächterin aufzudecken. … Macht diese Logik Spaß?

In der dritten Runde versuchten wir, mit OFFEN ausliegenden Schatzkammern hinter das Geheimnis des Tempels zu kommen. Walter als ehrlicher Abenteurer nominierte sogleich eine gefüllte Schatzkammer. Aaron versuchte ein Versteckspiel mit einer leeren Schatzkammer. Das war aber nur ein Pseudo-Versteck. Bei dem reichlichen Angebot von gefüllten Schatzkammern würde kein wahrer Abenteuer eine leere Schatzkammer auswählen. Da hatte es Günther nicht schwer, seine ebenfalls Wächterinnen-Rolle durch die Wahl einer verzauberten Schatzkammer zu offenbaren. Anschließend konnte Aaron problemlos den Sack zumachen. Gegen zwei Wächterinnen hätte nicht einmal ein Old Shatterhand eine Chance gehabt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (zu dritt [am Westpark] funktioniert das Spiel nicht, ich habe aber schon viele größere Runden erlebt, in denen herzlich gelacht wurde), Günther: 5 (nichts für mich. „Ich bin der Papst und gebe meinen Segen anderen Spielen“), Walter: 4 (nichts für uns, wir können nicht wild herum argumentieren, uns dabei hinter Lügen und Wahrheiten verstecken, und uns freuen, wenn jemand auf unsere Demagogie hereingefallen ist).

3. “Gold West”

Eine Reprise beendete den heutigen Spieleabend. Ein „ordentliches“, konstruktives Spiel, dessen Vor- und Nachteile wir bereits vor ziemlich genau einem Jahr kennengelernt und konstatiert haben. Sehr hübsch ist der Kalah-artige Zugmechanismus, etwas problematisch die übergroße Fülle an Möglichkeiten, Siegpunkte zu machen:

• durch konstruktives Bauen (zusammenhängend oder in prämierter Formation)
• auf den vier Einfluss-Schienen
• über ausgelobte Investment-Karten
• über Prämierungen in der Goldgräberstadt
• durch Verschiffung von Rohstoffen

Günther als Gold-West erfahrener Spieler ging vom Start weg auf Plünderungen aus. Bauholz und Bausteine für den ehrlichen Hüttenbau ließ er links liegen, sondern griff auf Teufel-komm-raus bei den Edelmetallen zu, um die ausgelobten Investments zu tätigen. Er war damit nicht erfolgreich. Aber er hat dabei wieder etwas dazugelernt, was man nicht von jeder Art Spielen sagen kann.

WPG-Wertung: Trotz Lob und Kritik, trotz Fehlern und Erfolgen blieben alle Spieler bei ihren (relativ guten) 7 Punkten.

27.07.2017: Zeus im Wasser

Bei Luding sind 26 Spiele von Stefan Feld registriert. Daneben noch einige Variationen dieser Spiele. Wir am Westpark haben 15 von ihm gespielt. Kein Spiel bekam bisher weniger als 5 Punkte. Der Spitzenreiter ist „Strasbourg“ mit 8 Punkten. 7 mal zeichneten wir seine Spiele mit unserer Auszeichnung „Spiel des Monats“ aus. Er und Pegasus werden es verschmerzen, wenn sein neuestes Produkt diesmal bei uns recht mager bewertet wird. Wenn man die stark schwankende Kurve seines Schaffens – mit den Augen der Westpark-Gamers – betrachtet, dann besteht durchaus die berechtigte Hoffnung, dass demnächst wieder ein 7 bis 8 Pfünder auf den Markt kommen wird.

1. “Das Orakel von Delphi”

Dies ist also Stefan Felds jüngste Schöpfung, die bei uns nicht so recht punkten konnte. Das fing schon mit dem Spielaufbau an. Eine ganze Weile rätselten Aaron und Günther allein daran herum, wie die zwölf Poly-Hexagons zu dem kompakten Spielplan zusammengesetzt werden sollten, den das Regelheft für den Anfang und zur Verkürzung der Spielzeit vorschlägt. Es dauerte 50 Minuten, bis alle Felder auf dem Spielplan identifiziert und Kleinteile (Insel-Plättchen, Opfergaben, Tempel, Statuen und Monster) darauf verteilt waren. Und bis Zeus, nicht Neptun (!), auf seinem gebührenden Platz im Tümpel von Delphi untergetaucht war.

Dann aber fing erst die Regelerklärung an. Nochmals 50 Minuten vergingen, bis Günther die Götter, Kultstätten, Schilde, Schiffsplättchen und Orakelwürfel auf den Spielertableaus erklärt und wir das halbwegs verstanden hatten, und bis das zusätzliche, zweifelsfrei hübsche Material (Gunstplättchen, Titanen- und Kampfwürfel, Orakel-, Wunder-, Ausrüstungs- und Begleiterkarten) entziffert und auf dem Tisch darum herum positioniert war.

Aaron und Günther rätseln über den Aufbau von “Delphi”

Jetzt entdeckte Günther noch sechs weitere, wunderschöne Holzpoller (woran gewöhnlich die Schiffe im Hafen festgemacht werden), für die es aber im Regelheft weder einen Hinweis noch eine Funktion noch eine Lücke gab. Vielleicht hat ein(e) PackerIn des Spielzeugherstellers beim Einpacken der Kleinteile einmal daneben gegriffen. Vielleicht hatte Günther auch eine unautorisierte Version „Delphi de Luxe“ erworben. Leicht verunsichert legten wir die Poller zurück in die Schachtel und begannen mit den Wettfahrten rund um den Delphischen Meerbusen.

Der Spielablauf bzw. die Aufgabe des Spiels ist für jeden Spieler eine zwölffache Transport-Optimierung:

  • Lade dreimal an einer der sechs öffentlichen Ausgabestellen je eine Opfergabe auf dein Segelboot und bringe sie zum passenden Tempel.
  • Lade dreimal in einer der sechs Städte einen Tempel auf und bringt sie zum passenden Bauplatz.
  • Fahre mit deinem Boot dreimal zu einer der neun Monsterhöhlen und besiege ein vorgegebenes Monster.
  • Fahre dreimal zu einem der 24 Inselplättchen, lege ihren Rang und Namen offen, und wenn sie eine von den dir vorgeschriebenen Inseln ist, errichte einen Tempel darauf.

Wie und wo fahren wir? Der Delphische Meerbusen besteht aus zusammenhängenden Hexafeldern. Auf jedem Feld ist eine Augenzahl aufgedruckt. Jeder Spieler würfelt mit drei Würfeln und darf dann mit seinem Schiffchen pro Würfel auf eines der Hexafelder ziehen, das seine Augenzahl aufweist. Das Zielfeld darf dabei aber nicht weiter als drei Felder vom Ausgangsfeld entfernt sein, allerdings kann man mit Gunstplättchen diese Standard-Reichweite steigern.

Zum Aufladen und Abladen von Opfergaben, Tempeln etc. muss man ebenfalls einen Würfel bereit haben, dessen Augenzahl mit der Augenzahl auf dem Auf- oder Abladefeld übereinstimmt. Auch hier darf man mittels Gunstplättchen die Augenzahl der Würfel ändern. An Gunstplättchen hängt doch alles. Sie sind aber auch sehr leicht zu bekommen. Stefan Feld hat mit „Delphi“ keinen “Siegpunkt-Salat”, sondern eher einen “Gunstplättchen-Salat” zubereitet.

Mit drei Würfel würfeln und dabei die vorhandene Gunstplättchen-Potenz berücksichtigen, das ergibt
(3 + Opferkarten) * (1 + Richtung * Gunstkarten) Möglichkeiten,
die Augenzahl-Topologie der Umgebung zu studieren und die optimalen Zwischen- und Zielfelder abzuchecken. Bei einer Opferkarte (die hagelt es auch recht schnell ins Kontor) und drei Gunstkarten und nur einer Richtung (vorwärts) haben wir hier schon 16 Kombinationen zu überlegen, wie wir uns über die Strecke zwischen den verschiedenen anvisierten Auflade- und Abladefeldern bewegen können und wollen. Glücklicherweise kann jeder gleichzeitig überlegen, denn in die Quere kommt man sich (fast) überhaupt nicht. So macht uns ein längerer Denkprozess der Mitspieler nicht viel aus. Es sei denn, man hat gerade von den regelmäßig auftauchenden Titanen eine entscheidende Wunde zugefügt bekommen und muss einmal aussetzen. Dann muss man halt die doppelte Anzahl von Denkprozessen über sich ergehen lassen. Pech gehabt. Die unglückliche Fügung eines unglücklichen, absolut überflüssigen Spielelements hat zugeschlagen.

Helmut war in der Startaufstellung als Herkules ins Rennen gegangen: schon zwei Schilde führt er im Schilde. Mutig machte er sich gleich in seinem ersten Zug an das Abmurksen seiner Monster. Wir durften den gerade frisch begonnenen Spielablauf wieder unterbrechen und noch einmal nachlesen, wie diese geforderten Monsterkämpfe im Detail geregelt sind. Nicht schwer, wenn man’s kann ungefähr: Es wird gewürfelt; man muss stärker sein als das Monster; man darf so oft würfeln, wie man Gunstplättchen besitzt; die Stärke des Monsters nimmt von Zug zu Zug ab; solange man selber keine Null würfelt, hat man nichts zu befürchten. Bei ein paar Nuller zuviel muss man halt einmal aussetzen. Helmuts Wagemut kam uns angesichts seiner sonstigen mageren Kampfausrüstung schon etwas frivol vor. War es aber nicht. Schon nach zwei Würfen hatte er mit 63 % Wahrscheinlichkeit das Monster erschlagen, nach drei Würfen wären es schon 84% gewesen.

Nur Aaron hätte unter diesen Umständen 6 Würfe gebraucht, um damit an die 99,86% Wahrscheinlichkeit für einen Sieg heranzukommen. Bei seinem sprichwörtlichen Glück hätte er hingegen wohl nie eine Chance gehabt, das Spiel zu gewinnen. Wenn das von ihm geforderte Inselplättchen nicht zufällig aufgedeckt wird, pendelt er noch heute zwischen Olymp und Parnass hin und her, um den Bauplatz für seinen Tempel zu finden.

Helmut war auch sonst sehr zielstrebig und erfolgreich. Nach 90 Minuten hatte er die (verkürzte) Aufgabenstellung von 8 Transport- und Kampfeinsätzen hinter sich gebracht. Die angegebene Spielzeit ist mit 60 Minuten also recht realistisch, vielleicht sogar reichlich angegeben, denn wir haben sicherlich 30 Minuten allein dafür verbraucht, jeweils unsere vergessene bzw. fehlgerechnete Zugausführung zurückzunehmen und neu zu überlegen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (bis 5, zu viel Zufall, möchte es nicht noch einmal spielen), Günther: 4 (Mikro-Optimierung, bei der man sich ständig vertut), Helmut: 6 (nicht weniger, weil es Spaß gemacht hat, nicht mehr, weil das Spiel Schwächen besitzt, schon allein beim grafischen Design; eine Mischung aus Planung und Umplanung, fast überhaupt keine Interaktion), Walter: 4 (das Material wäre 5 Punkte wert; Zufall ohne Interaktion, als Solospiel akzeptabel).

2. “Kanagawa”

Wir malen die Buch von Tokio. Daher der Name. Dazu müssen wir natürlich zuerst unsere künstlerischen Fähigkeiten zur Pinselführung erhöhen, bevor wir uns an die verschiedenen Motive heranmachen.

Getrieben wird das Spiel von Karten, von denen jeder Spieler pro Zug ein bis drei Stück an sich nehmen darf. Jede Karte besitzt zwei Alternativ-Funktionen: entweder machen sie uns in Bezug auf Motivwahl flexibler (mehr Motive gleichzeitig, schnelleres Wechseln von einem Motiv zum anderen) oder sie sind Motive, die wir malen – falls wir sie bereits malen können – und damit in unser Gesamtgemälde einfügen.

Wer als erster eine bestimmte Anzahl von Bäumen, Häusern, Menschen oder Tierkombinationen gemalt hat, bekommt dafür Siegpunkte. Am Schluss gibt es noch einmal Siegpunkte für die Gesamtlänge unseres Gemäldes, für die längste Kette von Gemäldeteilen in einer festen Jahreszeit, sowie direkte Siegpunkte für einzelne Karten.

Bemerkenswert, wenn auch nicht ganz neu, ist die Auswahl der Karten, die jeder Spieler pro Zug an sich nehmen darf. Die Karten liegen in einer 4 x 3 Matrix teils offen, teils verdeckt aus. Zunächst wird nur die erste Zeile mit Karten gefüllt. Wer am Zug ist, darf sich eine Spalte von Karten nehmen; dies wäre zunächst also nur eine einzige Karte. Ein Spieler darf allerdings auch passen, bis die zweite, und am Ende auch die dritte Zeile gefüllt ist. Wer es für lohnend hält, sich vorzeitig zu bedienen, bekommt entsprechend weniger Karten. Der Startspieler ist aber in jedem Fall am besten dran. Er wechselt – leider – nicht, sondern es gibt Karten, die einen zum neuen Startspieler machen können.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (großer Glücksfaktor, welche Karten kommen, insbesondere auch, was in den verdeckt aufzunehmenden Karten steckt), Günther: 5 (bis 6; man sollte das Spiel nicht so verkniffen sehen. [das sagte er zum Schluss, obwohl er sich das ganze Spiel über bemüßigt fühlte, die Pinsel seiner Mitspieler zu kontrollieren), Helmut: 5 (mostly harmless, ganz nett, 6 Punkte für das Material), Walter: 4 (für das Pinseln, 5 Punkte für den Auswahlmechanismus).

18.07.2017: Erobern und besetzen, ersteigern und tauschen

Eine bekannte Bananenrepublik hat dieser Tage ihre Preisträger zur „Kenner-Banane des Jahres“ gekürt. Als wir von der Kür und den Gekürten erfuhren, wandten wir uns um und weineten bitterlich.

1. “Time of Crises”

Wir dürfen mal wieder das Römische Imperium aufmischen. In der gewohnten Szenerie rund um das Mittelmeer gibt es zwölf Provinzen und das Kernland Italien. Dort setzen wir in möglichst vielen Provinzen – solange unsere Munition reicht – unsere blauen Governors ein, rüsten rot militärisch auf, damit wir sie gegen eine feindliche Übernahme – durch Mitspieler oder sporadisch ausgewürfelte Barbaren – verteidigen können oder ggf. selber Nachbarprovinzen erobern können, und wir bauen gelbe Amphitheater, um unsere Beliebtheit zu erhöhen und die Bevölkerung in unseren Provinzen ruhig zu stellen, so das wir umso ungestörter Siegpunkte einstreichen können.

Am frühen Abend in die Krise

Der Motor unserer Aktionen besteht aus blauen, roten und gelben Potenzkarten, von denen jeder Spieler zu Spielbeginn die identische Ausstattung bekommt. In jeder Runde bekommen wir gemäß unserem jeweils aktuellen erarbeitetem bzw. erwürfelten Besitztum neue liquide Mittel, um damit weitere und vor allem stärkere Potenzkarten zu erwerben bzw. schwächere Karten abzuwerfen. Unseren Gesamt-Kartendeck müssen wrap-around benutzen, fünf Karten dürfen wir uns pro Zug auswählen und in einem Schwung einsetzen, dann kommt der nächste Spieler dran.

So fließt das Spielchen munter fort. Aufrüsten, Feinde bekämpfen, Provinzen übernehmen, Potenz pflegen, und vielleicht sogar einen Gegenkaiser ausrufen, mit dem wir dem legalen Imperator in Rom ganz schön ans Zeug flicken können, vor allem aber einen gehörigen Reibach an Siegpunkten einstreichen.

Wofür bekommen wir nun Siegpunkte:

  • für jede Provinz, die wir besitzen.
  • für jedes gelbe Schmuckstück, mit dem wir unsere Provinz ausgestattet haben.
  • für jeden Kampf, gegen Barbaren oder Nachbar-Governors, den wir würfelig gewonnen haben.
  • ganze Füllhörner von Siegpunkten für Italien, falls wir Kaiser sind bzw. für unsere vereinigten aufständischen Provinzen, falls wir Gegenkaiser sind.

Das Spiel ist hübsch designed, seine linearen und progressiven Effekte in Kosten und Nutzen sind überlegt, die Regeln einfach und überschaubar – auch wenn Aaron am nächsten Morgen gleich neun Punkte aufzählen konnte, in denen Moritz das 20-seitige Regelheft falsch rübergebracht hatte. Planung ist möglich, Zufall ist möglicher, Mitspielerchaos ist am möglichsten. Geborene Krieger können sich tummeln, können aufeinander einschlagen und von Arabien bis Britannien ihrem Cäesarenwahn frönen.

Allerdings besitzt das Spiel zwei grundsätzliche Geburtsfehler:

  1. Jeder Spieler muss die Potenzkarten für seinen nächsten Zug bereits unmittelbar nach seiner letzten Aktion heraussuchen, muss also entscheiden, wie viele Punkte er demnächst für Militär, Politik oder Ästhetik ausgeben möchte, ohne zu wissen, was seine drei Mitspieler ihrerseits im Schilde führen, wo Kämpfe angezettelt werden, ob herbe Verluste aufgefangen werden müssen, und ob bzw. wo Barbaren einfallen und unsere heile Welt in Unordnung bringen. „Schwachsinn hoch drei“ nannte Aaron diese Reihenfolge.
  2. Das Spiel dauert vier geschlagene Stunden in seiner KURZFASSUNG, d.h. wenn das Spiel endet, nachdem der erste Spieler 40 Siegpunkte erreicht hat. Die Langfassung dauert wohl noch eine Stunde länger. Geborene Krieger mögen das genießen. Für ein so deutlich zufallsabhängiges Spiel und für das im Prinzip zu gleichförmige Geplänkel zwischen Politik und Militär ist das viel zu lang.

Dass ein Spieler, der schlecht aus den Startlöchern herauskam, früh von Barbaren geschädigt oder von aggressiven Mitspielern kleingewürfelt wurde, und entsprechend seinem geringeren Besitztum auch beim Nachkaufen von Potenzkarten nur an die Billigheimer herankommt, diese Nachteile im Laufe des Spiels nicht mehr ausgleichen kann, könnte ebenfalls als Geburtsfehler gewertet werden, aber darüber wollen wir hier jetzt hinwegsehen. Aaron musste die Hälfte der Spielzeit – also 120 Minuten lang – unter diesem Schicksal leiden; die restlichen 120 Minuten verlegte er sich auf die gelbe Ausschmückung seiner Provinzen, und weil ihm kein Mitspieler diese streitig machen wollte – mangels Überblick über die gebotenen Chancen, denn für einen Appel und Ei wären sie zu kassieren gewesen –, konnte er am Ende sogar noch einen Platz auf dem Treppchen erreichen.

Walter hatte als einziger sein Potenz-Deck angehoben. Damit wollte er im Mittelteil des Spiels auch einmal in Rom den Imperator spielen. Sein Deck-Potenz reichte problemlos zum Verdrängen des bisherigen Statthalters Günther. Aber statt zu einem Augustus wurde er nur zu einem Romulus Augustulus. Das Reich war verkommen, der Kaisersitz im Nu verwaist, überall breitete sich Mob und Aufruhr aus, von an an wollte keiner mehr Italien regieren. Vor allem auch, nachdem Moritz in Macedonien sich zum Gegenkaiser hatte ausrufen lassen.

Wohl alle Spieler hätten mehr oder weniger gleichzeitig die Mittel gehabt, um als Gegenkaiser anzutreten. Es fehlte ihnen dazu nur die Idee und der Zündfunke. Moritz hatte als Regelbuch-Owner aber noch andere Optionen in petto. In bewährter Manier offenbarte er immer mal wieder eine neue Siegpunkt-Quelle, wenn sie zufällig gerade in seine Taschen floss. Wir trugen es mit Fassung.

Nach vier Stunden durfte Günther den letzten Zug machen. Aaron und Walter waren in der dritter und vierter Position hoffnungslos abgeschlagen, es gab auch absolut keine Chance mehr, Moritz vom ersten Platz zu verdrängen. Aber Günthers Ehrgeiz reichte noch bis weit nach Mitternacht, im letzten Zug mit überlegener Planung sowie mit Glanz und Gloria sich auf seinem sicheren zweiten Platz niederzulassen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (zu lang für das, was es bietet, eine unglückliche Kombination von Elementen; die Würfelei ist für vier Stunden Spielzeit ebenfalls unpassend), Günther: 4 („Will ich es nochmals spielen? Wahrscheinlich nicht!“; Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte [und Vierte], das ist die gesamte Gewinn-Strategie), Moritz: 7 („nur“ 7, obwohl ihm diese Spielrichtung liegt; die Züge dauern einfach zu lange), Walter: 4 (das Spiel hätte durchaus die Potenz für 6 oder 7 Punkte, wenn es an vielen Stellen nur nicht so unglücklich wäre).

2. “For sale”

Schon vor 20 Jahren hatte Stefan Dorra sein Spiel bei „Ravensburger“ herausgebracht. Mit geringen Regeländerungen erlebte es bei „iello“ jetzt eine Neuauflage. Ein zweistufiges Versteigerungsspiel.

In der ersten Stufe ersteigern wir uns für unser Spielgeld „Gebäude“ in den virtuellen Werten von 1 bis 30. Jeweils vier Gebäude (für jedem Spieler eines) liegen offen auf dem Tisch, jeder Spieler gibt reihum ein höheres Gebot als sein Vorgänger ab, oder er passt und bekommt – für die (abgerundet) halbe Summe, die er bis hingeblättert hat – das billigste Gebäude und steigt aus. Der letzte Spieler in einer Versteigerungsrunde bekommt das letzte und höchstwertige Gebäude, er muss allerdings auch die gesamte gebotene Summe dafür berappen.

In der zweiten Runde werden in „Hol’s der Geier-Manier“ die Gebäude in Bargeld umgesetzt. Jeweils vier Barschecks mit Werten zwischen 0 und 15 T€ liegen auf dem Tisch. Die Spieler wählen verdeckt jeweils eine ihre Gebäudekarten, dann decken alle Spieler diese alle gleichzeitig auf. Die höchstwertige Gebäudekarte bringt den höchstwertigen Scheck, usw.

Wer mit Glück und gekonnter Geldeinsatzplanung die besten Gebäude ersteigert hat, tut sich hinterher natürlich beim Umsetzen in die Schecks viel leichter. Wer bei der Gebäude-Ersteigerung versagt hat, braucht bei den Schecks erst gar nicht mehr anzutreten.

Das Prinzip der Gebäude-Versteigerung sah auf den ersten Blick ganz pfiffig, wurde – bei uns – aber doch schnell mechanistisch bis langweilig gehandhabt. Die Gebote erreichten in den – wegen der abgerundeten Zahlung – ungeraden Schritten 1,3, 5, 7 sehr schnell den schmerzhaften Schwellwert. Haben wir hier ein angemessenes Lavieren mit unseren Geboten übersehen?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (für das, was es ist, ist es ganz ordentlich), Günther: 5 (für das, was es ist, ist es zu wenig), Moritz: 6 (bei häufigerem Spielen verliert es wahrscheinlich schnell seinen Reiz), Walter: 5 (die 2-stufige Auswahl bringt keinen Zusatz-Reiz, im Gegenteil, sie geht auf Kosten von Spannung, Überraschung und Spaß).

12.07.2017: Terraforming zum Dritten

„Der ferne Mars birgt einen Schatz.
Grabt nur danach!” – „An welchem Platz?”
Schrie alles laut den Vater an.
„Grabt nur!”… Oh weh, da starb der gute Mann.

Mit Hacke, Schipp und Spaten ward
Der Mars nun um und um gescharrt.
Kein Klumpen, der da ruhig blieb.
Man warf den Mars gar durch ein Sieb
Allein, kein Schatz ward aufgespürt,
Und jeder hielt sich angeführt.

1. “Terraforming Mars”

Günthers Spielertableau unter der Halbzeit-Besiedlung des Mars.
Aaron, der das Spiel schon zum 4 Mal gespielt hatte und es von Mal zu Mal schlechter fand, ließ sich problemlos breitschlagen, es zum Warming-Up noch einmal damit zu versuchen. Wir spielten es zum ersten Mal auch mit dem Experten-Anfang: Jeder bekam zu Beginn 10 Karten auf die Hand, von denen er sich beliebig viele aussuchen durfte, sie dann aber auch gleich bezahlen musste. Dazu bekam jeder Spieler eine „Fabrik“, d.h. unterschiedliche Vorteile für seine späteren Aktionen, zugeordnet, so dass von dieser Seite schon mal eine – grundsätzlich positive – Asymmetrie gegeben war.

Walter baute sich als Erkenntnis seiner ausgiebigen Terraforming-Excel-Kalkulation gleich vom Start weg – für sündhaft teures Geld – Geld-Produktionsmaschinen. Seine deutlich größeren Einnahmen wurde auch sofort erkannt und angefeindet, am Ende waren die sündhaften Investitionen aber doch keinen Lorbeerkranz wert. Vielleicht hatte er auch den wichtigen „1830“-Wahlspruch „keep fully invested“ vernachlässigt.

Aaron durfte als Start-Bonus Wärme und Energie wie Geld verwenden. Da er sich dabei aber im Umtauschwert zu seinen Ungunsten geirrt hatte, war das schlussendlich auch nicht das Gelbe vom Ei.

Günther wählte als Startzielrichtung den Städtebau. Zudem bekam er für jedes Stadtplättchen, das seine Mitspieler legten, auch noch einen ansehnlichen Obolus von der Bank. Er reichte zum sicheren Sieg mit 78 Punkten. Die fettesten Anteile dazu lieferten zum einen die „Auszeichnungen“ mit 15 Siegpunkten und die Städte bzw. Grünflächen auf dem Mars mit 24 Siegpunkten. Damit konnte er seinen 5-Punkte-Rückstand beim Terraforming-Faktor problemlos wieder wettmachen. Es half auch nichts, dass Aaron und Walter mit vereinten Kräften ihre Räuberkarten alle gegen Günther spielten. Im sicheren Gefühl seiner Überlegenheit trug er alles mit Fassung.

In knapp zwei Stunden (hört! hört!) hatten wir die 10 Generationen des Spiel über die Runden gebracht. Sicherlich spielt sich das Spiel zu dritt wesentlich flüssiger als zu viert. Heute trug zu diesem WPG-Geschwindigkeitsrekord aber auch noch bei, dass sehr viele Spielerhandlungen im Vertrauen auf Regelkenntnis und Redlichkeit der Spieler parallel abgewickelt wurden.

WPG-Wertung: Aaron 6 (bleibt, er leidet zwar immer noch unter dem Frustelement des falschen Kartenangebots zum falschen Zeitpunkt, aber er möchte mit seiner 6-Punkte-Wertung nicht mehr weiter nach unten gehen), Günther: 8 (bleibt), Walter 7 (der Sympathiepunkt für das Thema und das überzeugende wissenschaftliche Brimborium drum herum wird für den 7ten Punkt nicht mehr benötigt).

Damit Walter nicht ganz umsonst viele Tage über den Karten von Terraforming gebrütet hat, hier ein paar Ergebnisse aus seiner vorläufigen endgültigen Analyse.

Von den grünen und roten Entwicklungskarten, die bereits in der ersten Generation einsetzbar sind, zählen zu den Besten (in absteigender Reihenfolge)

  1. Roboter-Personal (für „Tektonische Energiegewinnung“)
  2. Energieeinsparung
  3. Gezüchtete Mikroorganismen
  4. Bergbaugebiet
  5. IO-Bergbauindustrie
  6. Fusionsenergie
  7. Asteroidenbergbau
  8. Orbitaler Sonnenspiegel
  9. Schürfrechte
  10. Archaeen
  11. Titanmine
  12. Atomkraft

Von den grünen und roten Entwicklungskarten, die bereits in der ersten Generation einsetzbar sind, zählen zu den Schlechtesten (in aufsteigender Reihenfolge)

  1. Tagebaugrube
  2. Unterirdische Stadt
  3. Zeppeline
  4. Hochspannungsnetz
  5. FCKW-Fabrik
  6. Karbonat-Verarbeitung
  7. Ganymed Kolonie
  8. Lebensmittel-Manufaktur
  9. Riesiger Konvoi
  10. Baugewerbe

Natürlich muss man diese Karten zuerst mal auf die Hand kriegen, und dann muss man auch noch alle diejenigen Karten bekommen, bezahlen können und rechtzeitig ausspielen können, damit die optimalen Karten auch richtig zur Wirkung kommen.
Glaube nur der Statistik, die du selber gefälscht hast.

2. “Tiefseeabenteuer”

Für das Terraforming hatten wir zwar nur zwei Stunden reine Spielzeit verbraucht, doch mit der Einführung in die neue Startformation sowie mit dem allfälligen Philosophieren über Aarons „Saami“ war doch schon zehn Uhr vergangen. Für ein „Orakel von Delphi“ war es bereits zu spät. Vom Warming-Up gingen wir lückenlos zum Absacken über.

Das hübsche kleine „Tiefseeabenteuer“ sollte uns von den Elektroschocks auf dem Mars erst mal wieder in die seligen Tiefen unserer Mutter Erde zurückbringen. Mit Erfolg.

Nur im dritten Tauchgang kamen wir lebend wieder nach oben. Was zur allgemeinen Freude aber gar nicht nötig ist. Gemeinsam untergehen oder als Saboteur den fündigsten Wassergräbern die Luft ausgehen lassen, das macht auch Spaß.

Aaron gewann.

WPG-Wertung: keine neue Wertung für ein 8-Punkte Spiel.

3. “Hanabi”

Ein weiterer kleiner Absacker.
Der älteren Generation fällt es immer schwerer, sich die Hinweise auf die eigene Kartenhand zu merken. Dann am Rande der Legalität mit einer gewissen Flaxerei bei den Mitspielern das sichbare gesammelte Wissen noch einmal zusammenfassen, das geht nur den gewissenhaftesten Gesetzestreuen unter uns zu weit. Dabei ist das Ganze doch ein Kooperationsspiel. Und bei VW (wo nicht?!) wurde in weit größerem Rahmen gemogelt …

WPG-Wertung: keine neue Wertung für ein 7-Punkte Spiel.

4. “Abluxxen”

Auch zu dritt, in Absackerstimmung, ein hübsches Spielchen. Es gibt keine so großen Coups wie bei vier oder mehr Personen, und die bereits zu Spielbeginn ausgeteilte Kartenhand ist mehr als die Hälfte vom Sieg. Macht aber trotzdem Spaß, was sich in den Auslagen so alles tut.

Nach drei Durchgängen erzielte Aaron angenähert halb so viele Punkte wie Günther. Günther hingegen erzielte einundvierzig mal so viele Punkte wie Walter. Wenn Walter zwei Punkte weniger erreicht hätte, dann hätte Günther minus einundvierzig mal so viele Punkte bekommen wie Walter. Wäre das jetzt ein bessere oder schlechteres Abschneiden für ihn gewesen.

Wie lautete der Endstand?

WPG-Wertung: keine neue Wertung für ein 7,5-Punkte Spiel.

05.07.2017: Birth of a Game

Von der Stirne heiß
rinnen muß der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben;
doch der Segen kommt von oben.

Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die selige Schar
Mit herzlichem Willkommen.

1. “Saami”

Viele Köche verderben den Brei. Und viele mitreden wollende und mitreden dürfende Mitesser erst recht! An seinem Nordic Marathon köchelt Aaron nun schon seit gut drei Jahren, aber weder Weg noch Ziel sind in trockenen Tüchern. Aus unseren gesammelten Session-Reports:

Noch ist Nacht bei den Samen

19.02.2014: Aarons fünfte Eigenentwicklung spielt in Ostfriesland. Wir kämpfen gegen natürliche Unbilden wie Sturmfluten und Quallen. Wenn wir sie besiegen, bekommen wir Land, Deiche und ähnliche Besitztümer; und die Nobiles des Landes, als da sind Richter und Häuptling, bekommen dafür Siegpunkte. Wenn wir die Sturmfluten nicht besiegen, geht Land unter, und der Häuptling wird abgesetzt.
Bis zur gelungenen Balance von Kosten und Nutzen, von Einsatz und Gewinn, Mangel und Überfluss, sowie von Beteiligung und Sabotage ist noch ein weiter Weg.

04.06.2014: Einsatz und Gewinn, Besitztumswahrung und Verlust, Hoffnungen und Risiken müssen in eine optimale und zugleich spielerische Balance gebracht werden. Noch gibt es an den Nobiles [sprich: Saami] etwas zu feilen.

09.07.2014: Für eine spielerisch befriedigende Balance muss weiter gefeilt werden. Doch Aaron ist auf einem sehr guten Wege.

16.07.2014: Es wird weiter an den Rädchen gedreht. … Gut Ding will Weile haben.

23.07.2014: Aaron muss hier, wie wohl jeder Autor, der veröffentlichen will, die Erwartungen der „Straße“ mit den Anforderungen der „Elite“ in Einklang bringen.

04.02.2015: Der Argentum-Verlag hat sich die Rechte gesichert. Wenn alles gut geht, sollte das Spiel in diesem Jahr in Essen herauskommen. Noch ist die Ideallinie nicht gefunden, aber Argentum sucht jetzt mit.

11.02.2015: Bleibt noch auszubalancieren, wie der Knalleffekt, mittels dessen der „Häuptling“ in der letzten Runde mit einem Schlag noch mehr als Hälfte seiner Siegpunkte machen kann, in eine solide Größenordnung dimensioniert wird.

25.02.2015: Im Spiel gibt es viele erfolgsversprechende Siegpunkt-Quellen. Allerdings beginnen bei jeder Drehung an den Balancierungs-Rädchen die Quellen an anderen Stellen zu sprudeln.

04.03.2015: Em Ende entscheiden ganz wenige, im Details nicht vorhersehbare Gegebenheiten über den Sieg. „Chaos“ oder „Mitspielerchaos“? Die Formulierung „nicht-beherrschbar“ brachte einen tragfähigen Kompromiss.

11.03.2015: Peter: „Das war richtig spannend. Das Spiel kann so in Produktion gehen.“

18.03.2015: Moritz hielt sich total aus der Politik raus, baute sich eine Geld-Generierungs-Combo, und kaufte damit auf Teufel komm’ raus Siegpunkte. Am Ende hatte er mehr als alle anderen zusammen. Die Effizienz dieser Strategie muss reduziert werden, denn politisches Lavieren gehört zur Grundidee des Spiel.

17.06.2015: Die Beschneidung von viel Wildwuchs und einige sehr geniale Umgestaltungen und brachten das Spiel jetzt Riesenschritte vorwärts. … Moritz: „Ein super Spiel; es besitzt keine eingefahrene Strategie, sondern ist höchst flexibel.“

02.12.2015: Ein Würfel kam ins Spiel, und es wurde an den Schrauben für Siegpunkte gedreht. Die gleiche Euphorie wie bei den früher aufgetischten Version kam heute nicht auf. Es ist halt nicht so leicht, es allen recht zu machen. Spieletester nördlich des Mains gehen offensichtlich anders an Spiele heran als wir. Und wir am Westpark haben sowieso keine markt-relevante Meinung.

09.12.2015: Die einen mögen jetzt noch mehr Lametta, die anderen noch mehr Zufall und die dritten eine noch stärkere Konzentration auf des Pudels Kern.

07.04.16: Das frühere taktische und strategische Planen von Männern und Material ist jetzt total aus dem Fokus des Spielablaufs verschwunden. Heute geht es überwiegend um ein etwas kleinliches, unberechenbares, chaotisches Setzen, Entfernen oder Verschieben von Ostrakismos-Scherben. Die rheinischen Vorlieben für Spiel-Klimbim haben das wackere bayerische „Pack ma’s“ total in die Ecke gedrängt.

04.05.2016: Aaron hat den sicherlich schmerzhaften Prozess des sich Trennens von hübschen, aber unfunktionellen Schnörkeln in verhältnismäßig kurzer Zeit erfolgreich hinter sich gebracht. Jetzt vereinigt „Saami“ planerische und spielerisch-zufällige Elemente in harmonischer Weise miteinander. Für Spieler, Planer, Anpacker und Waghälse, für alle ist in „Saami“ etwas dabei. Vor allem aber für Spiele-Freaks. Der Westpark kann stolz darauf sein.

18.05.2016: Doch die Geschmäcker im Norden der Republik sind anders. Wieder wurde von dort gefordert, an weiteren Rädchen zu drehen und neue dazuzubasteln. Mit der allerneuesten Nord-Version hatten wir jetzt viel Spaß, teils mit den Regeln, teils gegen die Regeln, teils über die Gereimtheiten, teils über die Ungereimtheiten.

21.09.2016: „Ich sage definitiv nein!“ zeterte Moritz, als er den neuen politischen Wind mitbekommen hatte. Zufallseffekte entschieden über den Sieg. OK, wenn man in einem schnellen Spiel voller Unwägbarkeiten einem höchst spielerischen Auf-und-Ab unterworfen ist, dann ist dieser Ausgang spannend und stimmig. Zumindest tragbar.

08.02.2017: Nachdem die Belohnungen für die Boycotteure bis fast zum Ende jeder Runde verborgen bleiben, machten sich heute alle Mitspieler mehr oder weniger gleichmäßig an die öffentlich bekannten Siegpunkt-Belohnungen heran. Entsprechend gleichförmig schritten sie auf der Siegpunkteleiste voran, und entsprechend dicht lagen sie nach der Schlusswertung beieinander. Etwas unbefriedigend.

Und heute? Viele bewährte Design-Elemente wie Planungbarkeit, dosierte Zufallseinflüsse, Prioritäten, Interaktion, Bluff, Grübeln aber unter Zeitdruck, antagonistisches Taktieren, progressive Entwicklung und ggf. ein spannender Knalleffekt sind (oder waren einmal) in ein neues Thema mit hübschen antagonistischen Spielabläufen eingeflossen. Aber leider haben die vielen Köche und Mitesser daraus kein applaus-fähiges Menue zubereiten können. Aus Spargel mit Scampi und Sauce Bernaise wurde Schweinebraten mit Sauerkraut. Innen noch roh.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “NMBR9”

Ziffern und Flächen in „NMBR9“

Peter Wichmann, ein alter Kumpel aus unserem Berufsleben im Hause Siemens, ist unter die Spieleautoren gegangen. Schon seit vielen Jahren: bei Luding wurde sein ersten Spiel „Schrille Stille“ bereits im Jahr 1999 notiert. Heute hatten wir zum ersten Mal an ein Spiel von ihm auf dem Tisch.

In „NMBR9“ (etwas flüssiger zu lesen als „number nine“) sind die Ziffern von 0 bis 9 in ziemlich sperrige Rechteckformen gepresst worden und liegen so als Pappkärten vor. Diese Kärtchen können beliebig zu Flächen zusammengelegt / zusammengesteckt werden. Vor allem sollten sie aber übereinander gelegt werden, denn das gibt viele Siegpunkte: Je höher desto mehr. Beim Übereinanderlegen ist nur zu beachten, dass unterhalb eines Ziffernplättchens kein Loch sein darf.

Insgesamt 20 Ziffernplättchen sind zu legen, von jeder Ziffer zwei Stück. Die Reihenfolge, in der die Ziffern gelegt werden müssen, wird von Ziffer zu Ziffer nach einer Zufallsauswahl bestimmt.

Leicht, locker, schnell, kein besonderer Tiefgang, aber man kann tüfteln, und wenn man gewinnt, war man zweifellos geschickter (oder auch glücklicher) als seine Mitspieler, eine Qualifikation, die keinem weh tut, dem Sieger aber schmeichelt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (für Natascha), Günther: 6 (mit Tendenz zu 7, schnell und stimmig), Walter: 6 (hübsche kleine Idee, ein Amuse Gueule oder ein One-for-the-road).

3. “Tiefseeabenteuer”

Auch in einer 3er Runde ein überzeugendes Produkt. Viermal gingen wir auf Tauchstation. Dreimal kamen wir lebend nicht wieder hoch. Bei vierten Mal brachten Aaron und Günther je einen 4er Schatz nach oben, Günther’s Schatz hatte den zufälligen Wert 15, Aaron’s Schatz den Wert 14. Walter brachte sogar 4 Schätze nach oben, einen super 3er Schatz für 11 Siegpunkte, unter seinen restlichen drei 1er Schätzen waren allerdings 2 Nieten dabei: letzter Platz. Knapper Sieg für Günther.

Ja, dieserart sind die Ergebnisse eines vorzüglichen Würfelspiels mit jeder Menge Tiefgang. Allerdings sollte man es bei zwei Tauchgängen pro Spielabend belassen.

Keine neue WPG-Wertung 8-Punkte-Spiel.

28.06.2017: Valetta for the Galaxy

„Das Würfelspiel, und darüber muss man sich schon wundern, betreiben sie (die Germanen) schon nüchtern als etwas Ernsthaftes.“ (Tacitus)

1. “Valetta”

Ein Spiel von Stefan Dorra, oder von Hans im Glück, in jedem Fall eine solide Ware, funktionelles Design, stimmige Idee und professionelle Spielausstattung. Schon allein die Unterteilung der Spieleschachtel in wohldefinierte Unterfächer für Karten, Ressourcen, Spielsteine oder eine Mischung davon, zeugt von Erfahrung und Qualitätsbewußtsein. Moritz bemerkte dazu allerdings kurz und bündig: „Es gibt Spiele, bei denen ich das sofort rausreiße.“

Valetta: Aaron versucht die Gebäude vom anderen Ufer zu identifizieren

Das öffentliche Spielbrett besteht aus einem dicken Pappstreifen. Rechts und links davon werden in jeweils einer 5 mal 3 Matrix Gebäudekarten auf dem blanken Tisch ausgelegt, und auf jedes Gebäude kommt ein zugehöriger Fachmann, z.B. liegt die Schneiderin in der Schneiderei und der Kaufmann im Kaufladen. Hier hätte man wohl etwas mehr Pappe spendieren können, damit die Gebäude auch ein ordentliches Fundament haben. Dafür bekommt aber jeder Spieler noch ein privates Tableau, auf das er seinen privaten Karten-Nachziehstapel, seinen privaten Ablegestapel, und die drei Karten seiner jeweiligen Spielaktion ablegen kann. Diese Utensilie ist leicht überflüssig, besonders am Westpark, wo neben jedem schusseligen Walter ein Supervisor Moritz sitzt, der höllisch darauf aufpasst, dass die gespielten Karten jeweils richtig abgelegt und die beiden privaten Stapel nicht verwechselt werden.

Jeder Spieler hat zunächst den gleichen Satz von Berufskarten in der Hand, mit denen er seine Züge steuert: Der „Steinhauer“ bringt einen Stein ein, der „Ziegelstreicher“ einen Ziegel, der „Holzfäller“ ein Holz, und die „Krämerin“ ein Goldstück. Die „Magd“ ist gewohnt, sich anzupassen und bringt ein frei wählbares der hier erwähnten Rohstoffe ein. Der „Lehrling“ kann nur die unmittelbar vorher durchgeführte Aktion wiederholen, der „Baumeister“ baut oder überbaut ein Gebäude (eine der ausliegenden Gebäudekarten), und der „Jean de la Valetta“ bewegt eine neutrale Spielfigur über den Mittelstreifen, wobei ebenfalls Rohstoffe fällig werden, zugleich aber das Spielende eingeläutet wird, wenn der Jean 25 Schritte weit gekommen ist (, sofern das Spielende nicht bereits durch andere Effekte ausgelöst wurde).

Für den Gebäudebau braucht man Rohstoffe in Form von – richtig! – Steinen, Ziegeln, Holz und Geld in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Zunächst mal muss jeder Spieler seine Bauarbeiter malochen lassen, bis er das nötige Kleingeld für ein Gebäude beisammen hat. Dann markiert er das Gebäude durch einen Besitzstein als ihm gehörend und nimmt die daraufliegende Fachmann-Karte in die Hand. Diese Fachleute sind in der Regel mächtiger als die Anfangskarten, sie erlauben ein lukratives Tauschen von Rohstoffen, ein Nehmen der doppelten Menge und sogar das Nehmen einer mehrfachen Menge, abhängig vom aktuellen Besitztum des Spieles. Günther hatte hier von Anfang an den richtigen Riecher, nahm den „Schreiner“, baute lauter Holzhütten, und bekam sehr schnell geschlagene 5 Holzstücke für jeden Schreiner-Zug.

Seine Berufkarten darf ein Spieler allerdings nicht beliebig ausspielen, er muss seinen mehr oder weniger – „dominion-artig“ – wrap-around nutzen: Erst müssen alle Karten einmal auf der Hand gewesen sein, bevor sie erneut gespielt werden dürfen. Der „Jean“ erlaubt auch eine gewisse Kartenpflege, indem man „Minderleister“ frühzeitig abwirft und so die durchschnittliche Leistungsfähigkeit seines Stapels steigert.

Was kann man noch Kluges tun?

  • Man kann – nach Möglichkeit – jeweils auf der Höhe des “Jean” bauen und bekommt dafür zusätzliche Siegpunkte.
  • Man kann seine Häuser in guter Nachbarschaft zueinander bauen und bekommt dafür Nachlass bei der geforderten Geldsumme.
  • Man kann sich ein passendes Ensemble von Gebäuden zusammenstellen, die später lukrative Rohstoffmengen abwerfen (siehe Günther).
  • Man kann sich eine ganze Räuberbande zusammenstellen und seine Mitspieler nach Strich und Faden bestehlen (siehe Aaron, es hätte fast zum Sieg gereicht).
  • Man kann versuchen, mittels Direkt-Siegpunkt-Lieferanten a la “Ritter von Hieronymus von Rekuk” sein Siegpunktekonto zu füllen. Entweder es klappt oder es klappt nicht (siehe Walter, aber das ist eine andere Geschichte).

Man kann also konzentrieren, differenzieren und sich spezialisieren. Welcher der verschiedenen Kunstgriffe zum Sieg reicht, ist a priori nicht abzusehen. Interaktion ist minimal, aber wenn zwei Spieler gleichzeitig den Holzweg bestreiten, dann beeinträchtigen sie damit wohl oder übel gegenseitig die Effizienz ihrer Züge.

Man könnte sich zu Beginn des Spieles hinsetzen, die ausliegende Gebäude-Matrix inhaltlich und mit ihrer inneren Abhängigkeit genau studieren, und sich einen Plan zurechtlegen, welche Gebäude man wohl in welcher Runde übernehmen möchte. Doch dann kommt ein Mitspieler daher und schnappt einem – mehr oder weniger zufällig – eines davon weg. Schon ist der ganze Plan obsolet. Er hätte sich ohnehin nicht gelohnt: es ist wohl wenig zielführend, für eine Stunde Spielzeit zwei Stunden lang an seinem Bauplan herumzuoptimieren. Also frei und opportunistisch drauf los. Zeitvertreib.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (harmlose Siegpunkte für alle und alles. 1 Punkt mehr als für „Terraforming Mars“, weil es besser ist), Günther: 7 (mit Tendenz zu 6 [WS: und das von einem HiG-minded Spieler!], Maschinen und Monopole sind wichtig), Moritz: 5 (zu lange Aufbauzeit für ein läppisches Spielen, einfach öd, eines der langweiligsten Spiele von HiG), Walter: 6 (5 Punkte fürs Malochen und 7 Punkte für die Konstruktion und die Konstruktivität, Pokemon im Irrgarten, besser als TM, weil kürzer, schlechter als TM, weil undurchsichtiger).

2. “Roll for the Galaxy – Extension: Der große Traum”

Das Würfelspiel mit den hunderttausend Würfeln (siehe Session-Report vom 16.6.2016) zum Würfeln um Würfel wurde um weitere fünfzigtausend Würfel erweitert. Jetzt gibt es schwarze Würfel mit zwei Symbolen für Warmduscher, die alternativ für eines der beiden Symbole eingesetzt werden können, und vor allem für das zweite Symbol, wenn das zuerst gewählt Symbol leer ausgegangen ist. Und eine weitere Würfelfarbe gibt es auch noch, ich habe aber vergessen, welche von den vorhandenen hundert Würfelfarben das jetzt war.

Günther bekam eine vorteilhafte (?) Startausstattung, würfelte sicher und gekonnt, so dass er bald mit doppelt so viel Würfeln würfeln durfte wie seine Mitspieler und mit doppelt so viel Siegpunkten wie seine Mitspieler den Sieg davon trug. Ist „Roll for the Galaxy“ vielleicht doch ein taktisch-strategisches Spiel?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (früher 5 Punkte für den Vorgänger. [WS: Was ist eigentlich soviel besser?]), die anderen blieben bei ihrer Bewertung von 8, 7 bzw. 4 Punkten.

3. “Tiefseeabenteuer”

Ein hübsches kleines Würfelspiel mit nur zwei Hexawürfeln für alle (siehe Session-Report vom 16. 12.2016). Das Würfeln und Tauchen und Schätze-Aufnehmen sowie das rechtzeitige Umkehren bevor der gemeinsame Sauerstoff-Vorrat knapp wird, bietet ein Höchstmaß an Interaktion. Selbst todgeweihte Spieler können noch ihren quicklebendig auftauchenden Mitspielern ans Leder gehen. Was will man mehr!

Ein super Absacker! Macht Laune, macht Gaudi, ist toll: das waren unsere Eindrücke beim ersten Spielen. Sie sind geblieben.

WPG-Wertung: Aaron, Günther und Walter blieben bei ihren 8 Punkten, Moritz schloss sich an.

Für die Moritz’sche Sieger-Statistik: Heute trug Günther dreimal den Sieg davon!

21.06.2017: Balance auf dem Mars

Spielautorentreffen in Ruppichteroth. Zwölf alte Hasen sind angereist, um sich gegenseitig ihre Schöpfungen in statu nascendi zu präsentieren. Die hübsche kleine 10.000 Seelen-Gemeinde liegt direkt vor der Haustür von Köln. Na ja, fast, mit dem öffentlichen Bus braucht man eine Stunde.

Einer der Hasen wollte seine Test-Arbeit mal kurz unterbrechen und einen Abstecher nach Köln machen. „In zwei Stunden bin ich wieder da“ ließ er hoffnungsvoll und tröstend verlauten. Doch Stunde um Stunde verrann. Erst nach fünf Stunden war er – schweißtriefend – wieder zurück? Was war geschehen?

Auf der Rückfahrt hat der öffentliche Bus die hübsche Gemeinde vermieden, ist drum herum gefahren und hat seine Passagiere erst im nächsten Ort, zehn Kilometer weiter ausgeladen? Die Ruppichteroth musste die restliche Strecke zu Fuß zurücklegen. Warum?

In Ruppichteroth war ein Dorffest, und der Gemeinderat hatte doch glatt befürchtet, dass islamistische (oder andere) Terroristen erstens wissen, wo Ruppichteroth liegt, zweitens wann dort das Dorffest ist, drittens wie man dort hin kommt, und viertens, dass sich dort so viele Leute tummeln, dass man reiche Todesbeute bekommt, wenn man mit einem LKW dort ungebremst in die Menge hineinfährt. Die ganze Innenstadt war verbarrikadiert, alle Straßen gesperrt, der Autoverkehr wurde großräumig drum herumgeleitet … !

Da fragt man sich doch, ob Ruppichteroth der allgemeinen Terror-Hysterie unterlegen ist, oder ob es nicht selber ein Erzeuger von solcher Terror-Hysterie ist. Es erinnert fatal an einen sinnigen Spruch, der mal an den Ausfallstraßen der Stadt Freiburg zu lesen war: „Sie stehen nicht im Stau, Sie SIND der Stau!“

1. “Terraforming Mars”

Simultane Ernte beim „Terraforming Mars“

Schon vor zwei Wochen zum ersten Mal am Westpark gespielt. Ein technisch-physikalisch-ökonomisch sehr sauber ausgetüfteltes Spiel um die Bestrebungen, den Mars bewohnbar zu machen. 208 verschiedene Entwicklungs-Karten gibt es, auf denen Erfindungen, Entscheidungen und Ereignisse in Bezug auf diese Zielrichtung aufgezeichnet sind. Jedem Spieler wird eine erkleckliche Menge davon angeboten, die einmal den aktuellen Besitz an Ressourcen (Geld, Energie, Eisen, Titan, Pflanzen und Wärme) in jeweils unterschiedlichen Quanten bringen, aber vor allem – mit viel durchschlagenderem Erfolg die Produktion dieser Ressourcen steigert. Die Karten kosten Geld und Ressourcen oder – peinlich, peinlich – gleich ganze Produktionsmittel für Ressourcen.

Die Herausforderung des Spiels besteht darin, von den Karten, die einem im Übermaß angeboten werden, die richtigen auszuwählen. Man hat sie dann zunächst mal nur auf der Hand. Dann aber muss man die richtige Karte zum optimalen Zeitpunkt ausspielen. Geld ist knapp, der Karten gibt es viele, die Qual der Wahl ist groß. Zu Beginn muss man trivialerweise Karten ausspielen, die die Produktionen steigern, vor allem auch die vom Allheilmittel Geld. Zu irgend einem Zeitpunkt muss man dann aber auf Siegpunkt-orientierte Karten umschwenken.

Zwischendurch darf man auch mal eine Stadt auf dem Mars gründen, eine Grünfläche dazu anlegen und einen See buddeln. Auch das gibt Siegpunkte, vor allem wenn die eigenen Grundstücke in einer günstigen Konstellation zueinander liegen. Aber eigentlich ist diese Tätigkeit nebensächlich. Man kann den ganzen Mars begrünen und wird trotzdem Letzter.

Leider gibt es unter den Karten auch eine Menge – am Westpark absolut verpönte – „Ärgerkarten“, die nicht nur erlauben, das eigene Besitztum vorwärts zu bringen, sondern auch einen BELIEBIGEN Mitspieler um Hab und Gut und Produktionsmittel bringen. Vor zwei Wochen wollten wir die Ärger-Aktionen einfach weglassen. Das geht aber nicht so einfach, denn dann braucht man auch Ersatzlösungen für das Gute im Bösen. Wenn ich z.B. auf Grund einer Entwicklungskarte einem Mitspieler ein Tier wegnehmen und bei mir ansiedeln darf (für einen Siegpunkt), und wir das Wegnehmen streichen, dann hat diese Karte überhaupt keinen Effekt. Gut, man kann sie komplett in den Orkus werfen, aber dadurch bekommt das Spiel eine total andere Balance.

Diese Klauerei hat der Autor sicherlich nicht nur aus Leichtfertigkeit oder als Zugeständnis an Chaoten in das Spiel eingebaut, es ist wohl auch ein wichtiges Korrektiv, um Spieler, die auf Grund günstiger Kartenzuteilung den anderen auf und davon ziehen, damit zu bremsen und wieder einholbar zu machen. Dreimal Freude, einmal Leid.

Man könnte auch im Einzelfall darum verhandeln, wer jetzt geschädigt werden soll und man könnte Rückversicherungsverträge auf Gegenseitigkeit aushandeln. Das verleiht dem Spiel dann schon einen diplomatisch-ökonomischen Anstrich. Manche mögen das.

Heute ging es bei uns diesbezüglich ganz friedlich zu. Nach den ersten kleineren Diebstählen verloren alle, federgeführt von Horst, die Lust an diesem Teil von Terraforming und verzichteten auf den Schadeneffekt: „Ich lasse es gut sein!“ Das zeigt doch ein großes Spielerherz!

Das Ende zieht sich hin, vor allem weil jeder Spieler eine Menge blauer Aktionskarten vor sich liegen hat, die alle pro „Generation“ einmal durchgecheckt und abgewickelt werden wollen. Nach einer knappen Stunde Regeleinführung für den Neuling Horst und nach dreieinhalb Stunden Spielen waren wir durch. Horst war mit viel Geldproduktion schnell aus den Startlöchern gekommen, aber Günther, der in den ersten drei Runden konsequent viel Geld zurückgehalten und nicht für Kinkerlitzchen verpulvert hatte, konnte ihn am Ende mit einer zielstrebig zusammengestellten Siegpunkt-Generierungsmaschine doch noch überholen.

Horst inspiziert seine neuen Karten

WPG-Wertung: Horst: 8 (mit Tendenz zu 9, hervorragend, großer Spielspaß, super ausbalanziert, ständig spannend und konstruktiv. „Ich war richtig neugierig auf die Funktionsweise jede neuen Karte. Ärgerkarten sind in einem so langen Spiel zwar doof, aber man kann sie ja freiwillig einschränken.“), Aaron: reduzierte seine vorherigen 7 auf 6 Punkte (hat das Spiel jetzt zum 4. Mal gespielt und fand es jedesmal schlechter. Die 3 ½ Stunden Spielzeit sind viel zu lang; die Planungsmöglichkeit geht gegen Null, das Ganze ist eher ein Herumirren im Walde), Günther: 8 (bleibt), Walter: erhöht seine bisherigen 6 auf 7 Punkte (das Spiel ist zwar nicht besser geworden, aber das ausgezeichnete Spielmaterial und vor allem die ingenieurmäßig und unternehmerisch überzeugenden Kartennamen und Karteneffekte, sowie die ausgezeichneten Piktogramme, mit denen die unterschiedlichen Effekte auf jeder Karte sichtbar gemacht wurden, rechtfertigen eine bessere Benotung. Zudem habe ich jetzt drei Tage einen Riesenspaß dabei gehabt, die Karten zu analysieren und in einem riesigen Excel-Tableau zum Leben zu erwecken.)

Hier noch eine kleine Kostprobe meiner Excel-Spielereien.

Das Modell ist noch nicht gesichert, die Preise für die Erhöhung der Produktionen und der Wert ihrer Produkte sind höchstenfalls erste Näherung. Der eingesetzte Zinseszins mit seinem gewaltigen Einfluss auf Zeitpunkt und Effizienz einer Investition, steht noch auf wackligen Füßen. Der hohe Anfangswert einiger Produkte, die für andere Produktionen benötigt werden, verfällt bei Überproduktion im Mittelspiel ganz rasant. Diese Dynamik ist in dem Modell überhaupt noch nicht berücksichtigt. Aber immerhin hier ein paar Anfangsaussagen (Hypothesen):

  1. Zugrunde liegt ein Spiel mit 4 Teilnehmern.
  2. Ein Spiel geht über etwa 14 Generationen.
  3. Jeder Siegpunkt hat am Ende etwa 5 M€ gekostet.
  4. Jede Entwicklungskarte kostet im Durchschnitt 15 M€.
  5. Jeder Spieler startet mit Entwicklungskarten im Wert von etwa 150 M€ und einem Einkommen von 20 M€ pro Generation. Wenn er am Ende auf ein Besitztum von etwa 850 M€ gekommen ist, entspricht das einer Zinsrate von 13 Prozent.
  6. Bei einer Zinsrate von 13 Prozent würde jede Einkommens M€, die durchweg in Geld-generierende Karten investiert würde, am Ende den stolzen Betrag von 35 M€ zusammenhäufeln.
  7. Es ist trivial, dass bei einem Produktionsspiel die Produktion-steigernden Karten zu Beginn am wichtigsten sind. In “Terraforming Mars” sind das:
    1. ”Soletta”, mit dem man ohne anderweitigen Einsatz für 35 M€ seine Wärmeproduktion um gleich 7 Wärmeeinheiten steigern kann. Das bringt zwar nicht gleich Geld und Siegpunkte, aber der Besitz von Wärme-Einheiten ist für viele lukrative Karten eine Grundvoraussetzung.
    2. Mittels der “Mohole-Bohrung” bekommt man für 20 M€ eine ebenfalls bemerkenswerte Steigerung der Wärmeproduktion um 4 Einheiten und darf noch dazu ein Grundstück auf dem Mars buchen.
    3. Der “Verglühende Ammoniak-Asteroid” steigert für 26 M€ die Wärmeproduktion um 3 Stufen Einheiten, dazu noch die Pflanzenproduktion um eine Einheit, und wenn man bereits einen Stall für Mikroben besitzt, darf man ihn mit 2 Mikroben zusätzlich bevölkern.
  8. Wenn man in Wärmeproduktion schwimmt, kann man das “Tropische Urlaubsparadies” errichten und dort die Urlauber mit 3 M€ pro Generation zur Kasse bitten. Das mag ein ganz neuer Geschäftszweig sein, wenn man, wie gesagt, Wärmeproduktion im Überfluss hat und nicht weiß, wohin damit. Geht man damit allerdings gleich zu Beginn des Terraforming in die Tourismus-Branche, wird man wohl als Schlusslicht enden.
  9. Auch die “Isolierung” ist so ein Geldräuber. Eine Wärmeeinheit für eine Geldeinheit einzusetzen, ist nur sinnvoll, wenn man damit sonst nicht viel anfangen kann.
  10. Die fixen Siegpunkt-Generierer sollte man trivialerweise erst ganz am Ende ausspielen. Etwas anderes sind die variablen Siegpunkt-Generierer, bei denen man Runde für Runde mehr oder weniger kostenlos Siegpunkte dazugewinnt. Einer davon ist der “Physikkomplex”, bei dem man seine erzeugte Energie nicht in – zu diesem Zeitpunkt sicherlich schon überflüssige – Wärme umsetzen muss, sondern in viel edlere Wissenschaftseinheiten mit mehr als doppelter Effizienz für Siegpunkte. Wer nicht weiß, wie er die notwendige Wärme erzeugen kann, sollte mal unter “Hochspannungsnetz” oder “Orbitaler Sonnenspiegel” nachschauen.
  11. Die “Schutzhütte” ist ebenfalls ein konsequenter Siegpunkt-Lieferant, allerdings braucht man dafür eine Titan-Produktion. Die vielfältigen Voraussetzungen und Tücken zur Erfüllung dieses Betriebsmittels sind hier jetzt nicht untersucht.
  12. Bemerkenswert: Der “Investitionskredit” lohnt sich von Anfang an. Man braucht sich vor der zugehörigen Einkommensminderung nicht zu scheuen. Der Anschaffungspreis ist recht niedrig und die Zinseszinsen machen den Verlust bereits in der ersten Generation wieder wett.
  13. Genauso sind die “Arbeitsverpflichteten” geschenktes Geld. 1 Siegpunkt Image-Verlust für 8 geschenkte Leiharbeiter darf man unter ehrenwerten Kapitalisten durchaus in Kauf nehmen.
  14. Eine kleine Nebenbetrachtung: Das “Roboter-Personal” wird effektivsten bei der “Tektonische Energiegewinnung“ eingesetzt.

Das wär’s für heute. Die zugehörige Excel-Tabelle ist ein unerschöpfliches Spielzeug. Und falls hier in meinem Modell grundsätzliche Fehler eingebaut sind, wird es mir eine Freude sein, den entsprechenden Hinweisen darauf nachzugehen und es nachzubessern.