Alle Beiträge von Walter

18.07.2017: Erobern und besetzen, ersteigern und tauschen

Eine bekannte Bananenrepublik hat dieser Tage ihre Preisträger zur „Kenner-Banane des Jahres“ gekürt. Als wir von der Kür und den Gekürten erfuhren, wandten wir uns um und weineten bitterlich.

1. “Time of Crises”

Wir dürfen mal wieder das Römische Imperium aufmischen. In der gewohnten Szenerie rund um das Mittelmeer gibt es zwölf Provinzen und das Kernland Italien. Dort setzen wir in möglichst vielen Provinzen – solange unsere Munition reicht – unsere blauen Governors ein, rüsten rot militärisch auf, damit wir sie gegen eine feindliche Übernahme – durch Mitspieler oder sporadisch ausgewürfelte Barbaren – verteidigen können oder ggf. selber Nachbarprovinzen erobern können, und wir bauen gelbe Amphitheater, um unsere Beliebtheit zu erhöhen und die Bevölkerung in unseren Provinzen ruhig zu stellen, so das wir umso ungestörter Siegpunkte einstreichen können.

Am frühen Abend in die Krise

Der Motor unserer Aktionen besteht aus blauen, roten und gelben Potenzkarten, von denen jeder Spieler zu Spielbeginn die identische Ausstattung bekommt. In jeder Runde bekommen wir gemäß unserem jeweils aktuellen erarbeitetem bzw. erwürfelten Besitztum neue liquide Mittel, um damit weitere und vor allem stärkere Potenzkarten zu erwerben bzw. schwächere Karten abzuwerfen. Unseren Gesamt-Kartendeck müssen wrap-around benutzen, fünf Karten dürfen wir uns pro Zug auswählen und in einem Schwung einsetzen, dann kommt der nächste Spieler dran.

So fließt das Spielchen munter fort. Aufrüsten, Feinde bekämpfen, Provinzen übernehmen, Potenz pflegen, und vielleicht sogar einen Gegenkaiser ausrufen, mit dem wir dem legalen Imperator in Rom ganz schön ans Zeug flicken können, vor allem aber einen gehörigen Reibach an Siegpunkten einstreichen.

Wofür bekommen wir nun Siegpunkte:

  • für jede Provinz, die wir besitzen.
  • für jedes gelbe Schmuckstück, mit dem wir unsere Provinz ausgestattet haben.
  • für jeden Kampf, gegen Barbaren oder Nachbar-Governors, den wir würfelig gewonnen haben.
  • ganze Füllhörner von Siegpunkten für Italien, falls wir Kaiser sind bzw. für unsere vereinigten aufständischen Provinzen, falls wir Gegenkaiser sind.

Das Spiel ist hübsch designed, seine linearen und progressiven Effekte in Kosten und Nutzen sind überlegt, die Regeln einfach und überschaubar – auch wenn Aaron am nächsten Morgen gleich neun Punkte aufzählen konnte, in denen Moritz das 20-seitige Regelheft falsch rübergebracht hatte. Planung ist möglich, Zufall ist möglicher, Mitspielerchaos ist am möglichsten. Geborene Krieger können sich tummeln, können aufeinander einschlagen und von Arabien bis Britannien ihrem Cäesarenwahn frönen.

Allerdings besitzt das Spiel zwei grundsätzliche Geburtsfehler:

  1. Jeder Spieler muss die Potenzkarten für seinen nächsten Zug bereits unmittelbar nach seiner letzten Aktion heraussuchen, muss also entscheiden, wie viele Punkte er demnächst für Militär, Politik oder Ästhetik ausgeben möchte, ohne zu wissen, was seine drei Mitspieler ihrerseits im Schilde führen, wo Kämpfe angezettelt werden, ob herbe Verluste aufgefangen werden müssen, und ob bzw. wo Barbaren einfallen und unsere heile Welt in Unordnung bringen. „Schwachsinn hoch drei“ nannte Aaron diese Reihenfolge.
  2. Das Spiel dauert vier geschlagene Stunden in seiner KURZFASSUNG, d.h. wenn das Spiel endet, nachdem der erste Spieler 40 Siegpunkte erreicht hat. Die Langfassung dauert wohl noch eine Stunde länger. Geborene Krieger mögen das genießen. Für ein so deutlich zufallsabhängiges Spiel und für das im Prinzip zu gleichförmige Geplänkel zwischen Politik und Militär ist das viel zu lang.

Dass ein Spieler, der schlecht aus den Startlöchern herauskam, früh von Barbaren geschädigt oder von aggressiven Mitspielern kleingewürfelt wurde, und entsprechend seinem geringeren Besitztum auch beim Nachkaufen von Potenzkarten nur an die Billigheimer herankommt, diese Nachteile im Laufe des Spiels nicht mehr ausgleichen kann, könnte ebenfalls als Geburtsfehler gewertet werden, aber darüber wollen wir hier jetzt hinwegsehen. Aaron musste die Hälfte der Spielzeit – also 120 Minuten lang – unter diesem Schicksal leiden; die restlichen 120 Minuten verlegte er sich auf die gelbe Ausschmückung seiner Provinzen, und weil ihm kein Mitspieler diese streitig machen wollte – mangels Überblick über die gebotenen Chancen, denn für einen Appel und Ei wären sie zu kassieren gewesen –, konnte er am Ende sogar noch einen Platz auf dem Treppchen erreichen.

Walter hatte als einziger sein Potenz-Deck angehoben. Damit wollte er im Mittelteil des Spiels auch einmal in Rom den Imperator spielen. Sein Deck-Potenz reichte problemlos zum Verdrängen des bisherigen Statthalters Günther. Aber statt zu einem Augustus wurde er nur zu einem Romulus Augustulus. Das Reich war verkommen, der Kaisersitz im Nu verwaist, überall breitete sich Mob und Aufruhr aus, von an an wollte keiner mehr Italien regieren. Vor allem auch, nachdem Moritz in Macedonien sich zum Gegenkaiser hatte ausrufen lassen.

Wohl alle Spieler hätten mehr oder weniger gleichzeitig die Mittel gehabt, um als Gegenkaiser anzutreten. Es fehlte ihnen dazu nur die Idee und der Zündfunke. Moritz hatte als Regelbuch-Owner aber noch andere Optionen in petto. In bewährter Manier offenbarte er immer mal wieder eine neue Siegpunkt-Quelle, wenn sie zufällig gerade in seine Taschen floss. Wir trugen es mit Fassung.

Nach vier Stunden durfte Günther den letzten Zug machen. Aaron und Walter waren in der dritter und vierter Position hoffnungslos abgeschlagen, es gab auch absolut keine Chance mehr, Moritz vom ersten Platz zu verdrängen. Aber Günthers Ehrgeiz reichte noch bis weit nach Mitternacht, im letzten Zug mit überlegener Planung sowie mit Glanz und Gloria sich auf seinem sicheren zweiten Platz niederzulassen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (zu lang für das, was es bietet, eine unglückliche Kombination von Elementen; die Würfelei ist für vier Stunden Spielzeit ebenfalls unpassend), Günther: 4 („Will ich es nochmals spielen? Wahrscheinlich nicht!“; Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte [und Vierte], das ist die gesamte Gewinn-Strategie), Moritz: 7 („nur“ 7, obwohl ihm diese Spielrichtung liegt; die Züge dauern einfach zu lange), Walter: 4 (das Spiel hätte durchaus die Potenz für 6 oder 7 Punkte, wenn es an vielen Stellen nur nicht so unglücklich wäre).

2. “For sale”

Schon vor 20 Jahren hatte Stefan Dorra sein Spiel bei „Ravensburger“ herausgebracht. Mit geringen Regeländerungen erlebte es bei „iello“ jetzt eine Neuauflage. Ein zweistufiges Versteigerungsspiel.

In der ersten Stufe ersteigern wir uns für unser Spielgeld „Gebäude“ in den virtuellen Werten von 1 bis 30. Jeweils vier Gebäude (für jedem Spieler eines) liegen offen auf dem Tisch, jeder Spieler gibt reihum ein höheres Gebot als sein Vorgänger ab, oder er passt und bekommt – für die (abgerundet) halbe Summe, die er bis hingeblättert hat – das billigste Gebäude und steigt aus. Der letzte Spieler in einer Versteigerungsrunde bekommt das letzte und höchstwertige Gebäude, er muss allerdings auch die gesamte gebotene Summe dafür berappen.

In der zweiten Runde werden in „Hol’s der Geier-Manier“ die Gebäude in Bargeld umgesetzt. Jeweils vier Barschecks mit Werten zwischen 0 und 15 T€ liegen auf dem Tisch. Die Spieler wählen verdeckt jeweils eine ihre Gebäudekarten, dann decken alle Spieler diese alle gleichzeitig auf. Die höchstwertige Gebäudekarte bringt den höchstwertigen Scheck, usw.

Wer mit Glück und gekonnter Geldeinsatzplanung die besten Gebäude ersteigert hat, tut sich hinterher natürlich beim Umsetzen in die Schecks viel leichter. Wer bei der Gebäude-Ersteigerung versagt hat, braucht bei den Schecks erst gar nicht mehr anzutreten.

Das Prinzip der Gebäude-Versteigerung sah auf den ersten Blick ganz pfiffig, wurde – bei uns – aber doch schnell mechanistisch bis langweilig gehandhabt. Die Gebote erreichten in den – wegen der abgerundeten Zahlung – ungeraden Schritten 1,3, 5, 7 sehr schnell den schmerzhaften Schwellwert. Haben wir hier ein angemessenes Lavieren mit unseren Geboten übersehen?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (für das, was es ist, ist es ganz ordentlich), Günther: 5 (für das, was es ist, ist es zu wenig), Moritz: 6 (bei häufigerem Spielen verliert es wahrscheinlich schnell seinen Reiz), Walter: 5 (die 2-stufige Auswahl bringt keinen Zusatz-Reiz, im Gegenteil, sie geht auf Kosten von Spannung, Überraschung und Spaß).

12.07.2017: Terraforming zum Dritten

„Der ferne Mars birgt einen Schatz.
Grabt nur danach!” – „An welchem Platz?”
Schrie alles laut den Vater an.
„Grabt nur!”… Oh weh, da starb der gute Mann.

Mit Hacke, Schipp und Spaten ward
Der Mars nun um und um gescharrt.
Kein Klumpen, der da ruhig blieb.
Man warf den Mars gar durch ein Sieb
Allein, kein Schatz ward aufgespürt,
Und jeder hielt sich angeführt.

1. “Terraforming Mars”

Günthers Spielertableau unter der Halbzeit-Besiedlung des Mars.
Aaron, der das Spiel schon zum 4 Mal gespielt hatte und es von Mal zu Mal schlechter fand, ließ sich problemlos breitschlagen, es zum Warming-Up noch einmal damit zu versuchen. Wir spielten es zum ersten Mal auch mit dem Experten-Anfang: Jeder bekam zu Beginn 10 Karten auf die Hand, von denen er sich beliebig viele aussuchen durfte, sie dann aber auch gleich bezahlen musste. Dazu bekam jeder Spieler eine „Fabrik“, d.h. unterschiedliche Vorteile für seine späteren Aktionen, zugeordnet, so dass von dieser Seite schon mal eine – grundsätzlich positive – Asymmetrie gegeben war.

Walter baute sich als Erkenntnis seiner ausgiebigen Terraforming-Excel-Kalkulation gleich vom Start weg – für sündhaft teures Geld – Geld-Produktionsmaschinen. Seine deutlich größeren Einnahmen wurde auch sofort erkannt und angefeindet, am Ende waren die sündhaften Investitionen aber doch keinen Lorbeerkranz wert. Vielleicht hatte er auch den wichtigen „1830“-Wahlspruch „keep fully invested“ vernachlässigt.

Aaron durfte als Start-Bonus Wärme und Energie wie Geld verwenden. Da er sich dabei aber im Umtauschwert zu seinen Ungunsten geirrt hatte, war das schlussendlich auch nicht das Gelbe vom Ei.

Günther wählte als Startzielrichtung den Städtebau. Zudem bekam er für jedes Stadtplättchen, das seine Mitspieler legten, auch noch einen ansehnlichen Obolus von der Bank. Er reichte zum sicheren Sieg mit 78 Punkten. Die fettesten Anteile dazu lieferten zum einen die „Auszeichnungen“ mit 15 Siegpunkten und die Städte bzw. Grünflächen auf dem Mars mit 24 Siegpunkten. Damit konnte er seinen 5-Punkte-Rückstand beim Terraforming-Faktor problemlos wieder wettmachen. Es half auch nichts, dass Aaron und Walter mit vereinten Kräften ihre Räuberkarten alle gegen Günther spielten. Im sicheren Gefühl seiner Überlegenheit trug er alles mit Fassung.

In knapp zwei Stunden (hört! hört!) hatten wir die 10 Generationen des Spiel über die Runden gebracht. Sicherlich spielt sich das Spiel zu dritt wesentlich flüssiger als zu viert. Heute trug zu diesem WPG-Geschwindigkeitsrekord aber auch noch bei, dass sehr viele Spielerhandlungen im Vertrauen auf Regelkenntnis und Redlichkeit der Spieler parallel abgewickelt wurden.

WPG-Wertung: Aaron 6 (bleibt, er leidet zwar immer noch unter dem Frustelement des falschen Kartenangebots zum falschen Zeitpunkt, aber er möchte mit seiner 6-Punkte-Wertung nicht mehr weiter nach unten gehen), Günther: 8 (bleibt), Walter 7 (der Sympathiepunkt für das Thema und das überzeugende wissenschaftliche Brimborium drum herum wird für den 7ten Punkt nicht mehr benötigt).

Damit Walter nicht ganz umsonst viele Tage über den Karten von Terraforming gebrütet hat, hier ein paar Ergebnisse aus seiner vorläufigen endgültigen Analyse.

Von den grünen und roten Entwicklungskarten, die bereits in der ersten Generation einsetzbar sind, zählen zu den Besten (in absteigender Reihenfolge)

  1. Roboter-Personal (für „Tektonische Energiegewinnung“)
  2. Energieeinsparung
  3. Gezüchtete Mikroorganismen
  4. Bergbaugebiet
  5. IO-Bergbauindustrie
  6. Fusionsenergie
  7. Asteroidenbergbau
  8. Orbitaler Sonnenspiegel
  9. Schürfrechte
  10. Archaeen
  11. Titanmine
  12. Atomkraft

Von den grünen und roten Entwicklungskarten, die bereits in der ersten Generation einsetzbar sind, zählen zu den Schlechtesten (in aufsteigender Reihenfolge)

  1. Tagebaugrube
  2. Unterirdische Stadt
  3. Zeppeline
  4. Hochspannungsnetz
  5. FCKW-Fabrik
  6. Karbonat-Verarbeitung
  7. Ganymed Kolonie
  8. Lebensmittel-Manufaktur
  9. Riesiger Konvoi
  10. Baugewerbe

Natürlich muss man diese Karten zuerst mal auf die Hand kriegen, und dann muss man auch noch alle diejenigen Karten bekommen, bezahlen können und rechtzeitig ausspielen können, damit die optimalen Karten auch richtig zur Wirkung kommen.
Glaube nur der Statistik, die du selber gefälscht hast.

2. “Tiefseeabenteuer”

Für das Terraforming hatten wir zwar nur zwei Stunden reine Spielzeit verbraucht, doch mit der Einführung in die neue Startformation sowie mit dem allfälligen Philosophieren über Aarons „Saami“ war doch schon zehn Uhr vergangen. Für ein „Orakel von Delphi“ war es bereits zu spät. Vom Warming-Up gingen wir lückenlos zum Absacken über.

Das hübsche kleine „Tiefseeabenteuer“ sollte uns von den Elektroschocks auf dem Mars erst mal wieder in die seligen Tiefen unserer Mutter Erde zurückbringen. Mit Erfolg.

Nur im dritten Tauchgang kamen wir lebend wieder nach oben. Was zur allgemeinen Freude aber gar nicht nötig ist. Gemeinsam untergehen oder als Saboteur den fündigsten Wassergräbern die Luft ausgehen lassen, das macht auch Spaß.

Aaron gewann.

WPG-Wertung: keine neue Wertung für ein 8-Punkte Spiel.

3. “Hanabi”

Ein weiterer kleiner Absacker.
Der älteren Generation fällt es immer schwerer, sich die Hinweise auf die eigene Kartenhand zu merken. Dann am Rande der Legalität mit einer gewissen Flaxerei bei den Mitspielern das sichbare gesammelte Wissen noch einmal zusammenfassen, das geht nur den gewissenhaftesten Gesetzestreuen unter uns zu weit. Dabei ist das Ganze doch ein Kooperationsspiel. Und bei VW (wo nicht?!) wurde in weit größerem Rahmen gemogelt …

WPG-Wertung: keine neue Wertung für ein 7-Punkte Spiel.

4. “Abluxxen”

Auch zu dritt, in Absackerstimmung, ein hübsches Spielchen. Es gibt keine so großen Coups wie bei vier oder mehr Personen, und die bereits zu Spielbeginn ausgeteilte Kartenhand ist mehr als die Hälfte vom Sieg. Macht aber trotzdem Spaß, was sich in den Auslagen so alles tut.

Nach drei Durchgängen erzielte Aaron angenähert halb so viele Punkte wie Günther. Günther hingegen erzielte einundvierzig mal so viele Punkte wie Walter. Wenn Walter zwei Punkte weniger erreicht hätte, dann hätte Günther minus einundvierzig mal so viele Punkte bekommen wie Walter. Wäre das jetzt ein bessere oder schlechteres Abschneiden für ihn gewesen.

Wie lautete der Endstand?

WPG-Wertung: keine neue Wertung für ein 7,5-Punkte Spiel.

05.07.2017: Birth of a Game

Von der Stirne heiß
rinnen muß der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben;
doch der Segen kommt von oben.

Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die selige Schar
Mit herzlichem Willkommen.

1. “Saami”

Viele Köche verderben den Brei. Und viele mitreden wollende und mitreden dürfende Mitesser erst recht! An seinem Nordic Marathon köchelt Aaron nun schon seit gut drei Jahren, aber weder Weg noch Ziel sind in trockenen Tüchern. Aus unseren gesammelten Session-Reports:

Noch ist Nacht bei den Samen

19.02.2014: Aarons fünfte Eigenentwicklung spielt in Ostfriesland. Wir kämpfen gegen natürliche Unbilden wie Sturmfluten und Quallen. Wenn wir sie besiegen, bekommen wir Land, Deiche und ähnliche Besitztümer; und die Nobiles des Landes, als da sind Richter und Häuptling, bekommen dafür Siegpunkte. Wenn wir die Sturmfluten nicht besiegen, geht Land unter, und der Häuptling wird abgesetzt.
Bis zur gelungenen Balance von Kosten und Nutzen, von Einsatz und Gewinn, Mangel und Überfluss, sowie von Beteiligung und Sabotage ist noch ein weiter Weg.

04.06.2014: Einsatz und Gewinn, Besitztumswahrung und Verlust, Hoffnungen und Risiken müssen in eine optimale und zugleich spielerische Balance gebracht werden. Noch gibt es an den Nobiles [sprich: Saami] etwas zu feilen.

09.07.2014: Für eine spielerisch befriedigende Balance muss weiter gefeilt werden. Doch Aaron ist auf einem sehr guten Wege.

16.07.2014: Es wird weiter an den Rädchen gedreht. … Gut Ding will Weile haben.

23.07.2014: Aaron muss hier, wie wohl jeder Autor, der veröffentlichen will, die Erwartungen der „Straße“ mit den Anforderungen der „Elite“ in Einklang bringen.

04.02.2015: Der Argentum-Verlag hat sich die Rechte gesichert. Wenn alles gut geht, sollte das Spiel in diesem Jahr in Essen herauskommen. Noch ist die Ideallinie nicht gefunden, aber Argentum sucht jetzt mit.

11.02.2015: Bleibt noch auszubalancieren, wie der Knalleffekt, mittels dessen der „Häuptling“ in der letzten Runde mit einem Schlag noch mehr als Hälfte seiner Siegpunkte machen kann, in eine solide Größenordnung dimensioniert wird.

25.02.2015: Im Spiel gibt es viele erfolgsversprechende Siegpunkt-Quellen. Allerdings beginnen bei jeder Drehung an den Balancierungs-Rädchen die Quellen an anderen Stellen zu sprudeln.

04.03.2015: Em Ende entscheiden ganz wenige, im Details nicht vorhersehbare Gegebenheiten über den Sieg. „Chaos“ oder „Mitspielerchaos“? Die Formulierung „nicht-beherrschbar“ brachte einen tragfähigen Kompromiss.

11.03.2015: Peter: „Das war richtig spannend. Das Spiel kann so in Produktion gehen.“

18.03.2015: Moritz hielt sich total aus der Politik raus, baute sich eine Geld-Generierungs-Combo, und kaufte damit auf Teufel komm’ raus Siegpunkte. Am Ende hatte er mehr als alle anderen zusammen. Die Effizienz dieser Strategie muss reduziert werden, denn politisches Lavieren gehört zur Grundidee des Spiel.

17.06.2015: Die Beschneidung von viel Wildwuchs und einige sehr geniale Umgestaltungen und brachten das Spiel jetzt Riesenschritte vorwärts. … Moritz: „Ein super Spiel; es besitzt keine eingefahrene Strategie, sondern ist höchst flexibel.“

02.12.2015: Ein Würfel kam ins Spiel, und es wurde an den Schrauben für Siegpunkte gedreht. Die gleiche Euphorie wie bei den früher aufgetischten Version kam heute nicht auf. Es ist halt nicht so leicht, es allen recht zu machen. Spieletester nördlich des Mains gehen offensichtlich anders an Spiele heran als wir. Und wir am Westpark haben sowieso keine markt-relevante Meinung.

09.12.2015: Die einen mögen jetzt noch mehr Lametta, die anderen noch mehr Zufall und die dritten eine noch stärkere Konzentration auf des Pudels Kern.

07.04.16: Das frühere taktische und strategische Planen von Männern und Material ist jetzt total aus dem Fokus des Spielablaufs verschwunden. Heute geht es überwiegend um ein etwas kleinliches, unberechenbares, chaotisches Setzen, Entfernen oder Verschieben von Ostrakismos-Scherben. Die rheinischen Vorlieben für Spiel-Klimbim haben das wackere bayerische „Pack ma’s“ total in die Ecke gedrängt.

04.05.2016: Aaron hat den sicherlich schmerzhaften Prozess des sich Trennens von hübschen, aber unfunktionellen Schnörkeln in verhältnismäßig kurzer Zeit erfolgreich hinter sich gebracht. Jetzt vereinigt „Saami“ planerische und spielerisch-zufällige Elemente in harmonischer Weise miteinander. Für Spieler, Planer, Anpacker und Waghälse, für alle ist in „Saami“ etwas dabei. Vor allem aber für Spiele-Freaks. Der Westpark kann stolz darauf sein.

18.05.2016: Doch die Geschmäcker im Norden der Republik sind anders. Wieder wurde von dort gefordert, an weiteren Rädchen zu drehen und neue dazuzubasteln. Mit der allerneuesten Nord-Version hatten wir jetzt viel Spaß, teils mit den Regeln, teils gegen die Regeln, teils über die Gereimtheiten, teils über die Ungereimtheiten.

21.09.2016: „Ich sage definitiv nein!“ zeterte Moritz, als er den neuen politischen Wind mitbekommen hatte. Zufallseffekte entschieden über den Sieg. OK, wenn man in einem schnellen Spiel voller Unwägbarkeiten einem höchst spielerischen Auf-und-Ab unterworfen ist, dann ist dieser Ausgang spannend und stimmig. Zumindest tragbar.

08.02.2017: Nachdem die Belohnungen für die Boycotteure bis fast zum Ende jeder Runde verborgen bleiben, machten sich heute alle Mitspieler mehr oder weniger gleichmäßig an die öffentlich bekannten Siegpunkt-Belohnungen heran. Entsprechend gleichförmig schritten sie auf der Siegpunkteleiste voran, und entsprechend dicht lagen sie nach der Schlusswertung beieinander. Etwas unbefriedigend.

Und heute? Viele bewährte Design-Elemente wie Planungbarkeit, dosierte Zufallseinflüsse, Prioritäten, Interaktion, Bluff, Grübeln aber unter Zeitdruck, antagonistisches Taktieren, progressive Entwicklung und ggf. ein spannender Knalleffekt sind (oder waren einmal) in ein neues Thema mit hübschen antagonistischen Spielabläufen eingeflossen. Aber leider haben die vielen Köche und Mitesser daraus kein applaus-fähiges Menue zubereiten können. Aus Spargel mit Scampi und Sauce Bernaise wurde Schweinebraten mit Sauerkraut. Innen noch roh.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “NMBR9”

Ziffern und Flächen in „NMBR9“

Peter Wichmann, ein alter Kumpel aus unserem Berufsleben im Hause Siemens, ist unter die Spieleautoren gegangen. Schon seit vielen Jahren: bei Luding wurde sein ersten Spiel „Schrille Stille“ bereits im Jahr 1999 notiert. Heute hatten wir zum ersten Mal an ein Spiel von ihm auf dem Tisch.

In „NMBR9“ (etwas flüssiger zu lesen als „number nine“) sind die Ziffern von 0 bis 9 in ziemlich sperrige Rechteckformen gepresst worden und liegen so als Pappkärten vor. Diese Kärtchen können beliebig zu Flächen zusammengelegt / zusammengesteckt werden. Vor allem sollten sie aber übereinander gelegt werden, denn das gibt viele Siegpunkte: Je höher desto mehr. Beim Übereinanderlegen ist nur zu beachten, dass unterhalb eines Ziffernplättchens kein Loch sein darf.

Insgesamt 20 Ziffernplättchen sind zu legen, von jeder Ziffer zwei Stück. Die Reihenfolge, in der die Ziffern gelegt werden müssen, wird von Ziffer zu Ziffer nach einer Zufallsauswahl bestimmt.

Leicht, locker, schnell, kein besonderer Tiefgang, aber man kann tüfteln, und wenn man gewinnt, war man zweifellos geschickter (oder auch glücklicher) als seine Mitspieler, eine Qualifikation, die keinem weh tut, dem Sieger aber schmeichelt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (für Natascha), Günther: 6 (mit Tendenz zu 7, schnell und stimmig), Walter: 6 (hübsche kleine Idee, ein Amuse Gueule oder ein One-for-the-road).

3. “Tiefseeabenteuer”

Auch in einer 3er Runde ein überzeugendes Produkt. Viermal gingen wir auf Tauchstation. Dreimal kamen wir lebend nicht wieder hoch. Bei vierten Mal brachten Aaron und Günther je einen 4er Schatz nach oben, Günther’s Schatz hatte den zufälligen Wert 15, Aaron’s Schatz den Wert 14. Walter brachte sogar 4 Schätze nach oben, einen super 3er Schatz für 11 Siegpunkte, unter seinen restlichen drei 1er Schätzen waren allerdings 2 Nieten dabei: letzter Platz. Knapper Sieg für Günther.

Ja, dieserart sind die Ergebnisse eines vorzüglichen Würfelspiels mit jeder Menge Tiefgang. Allerdings sollte man es bei zwei Tauchgängen pro Spielabend belassen.

Keine neue WPG-Wertung 8-Punkte-Spiel.

28.06.2017: Valetta for the Galaxy

„Das Würfelspiel, und darüber muss man sich schon wundern, betreiben sie (die Germanen) schon nüchtern als etwas Ernsthaftes.“ (Tacitus)

1. “Valetta”

Ein Spiel von Stefan Dorra, oder von Hans im Glück, in jedem Fall eine solide Ware, funktionelles Design, stimmige Idee und professionelle Spielausstattung. Schon allein die Unterteilung der Spieleschachtel in wohldefinierte Unterfächer für Karten, Ressourcen, Spielsteine oder eine Mischung davon, zeugt von Erfahrung und Qualitätsbewußtsein. Moritz bemerkte dazu allerdings kurz und bündig: „Es gibt Spiele, bei denen ich das sofort rausreiße.“

Valetta: Aaron versucht die Gebäude vom anderen Ufer zu identifizieren

Das öffentliche Spielbrett besteht aus einem dicken Pappstreifen. Rechts und links davon werden in jeweils einer 5 mal 3 Matrix Gebäudekarten auf dem blanken Tisch ausgelegt, und auf jedes Gebäude kommt ein zugehöriger Fachmann, z.B. liegt die Schneiderin in der Schneiderei und der Kaufmann im Kaufladen. Hier hätte man wohl etwas mehr Pappe spendieren können, damit die Gebäude auch ein ordentliches Fundament haben. Dafür bekommt aber jeder Spieler noch ein privates Tableau, auf das er seinen privaten Karten-Nachziehstapel, seinen privaten Ablegestapel, und die drei Karten seiner jeweiligen Spielaktion ablegen kann. Diese Utensilie ist leicht überflüssig, besonders am Westpark, wo neben jedem schusseligen Walter ein Supervisor Moritz sitzt, der höllisch darauf aufpasst, dass die gespielten Karten jeweils richtig abgelegt und die beiden privaten Stapel nicht verwechselt werden.

Jeder Spieler hat zunächst den gleichen Satz von Berufskarten in der Hand, mit denen er seine Züge steuert: Der „Steinhauer“ bringt einen Stein ein, der „Ziegelstreicher“ einen Ziegel, der „Holzfäller“ ein Holz, und die „Krämerin“ ein Goldstück. Die „Magd“ ist gewohnt, sich anzupassen und bringt ein frei wählbares der hier erwähnten Rohstoffe ein. Der „Lehrling“ kann nur die unmittelbar vorher durchgeführte Aktion wiederholen, der „Baumeister“ baut oder überbaut ein Gebäude (eine der ausliegenden Gebäudekarten), und der „Jean de la Valetta“ bewegt eine neutrale Spielfigur über den Mittelstreifen, wobei ebenfalls Rohstoffe fällig werden, zugleich aber das Spielende eingeläutet wird, wenn der Jean 25 Schritte weit gekommen ist (, sofern das Spielende nicht bereits durch andere Effekte ausgelöst wurde).

Für den Gebäudebau braucht man Rohstoffe in Form von – richtig! – Steinen, Ziegeln, Holz und Geld in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Zunächst mal muss jeder Spieler seine Bauarbeiter malochen lassen, bis er das nötige Kleingeld für ein Gebäude beisammen hat. Dann markiert er das Gebäude durch einen Besitzstein als ihm gehörend und nimmt die daraufliegende Fachmann-Karte in die Hand. Diese Fachleute sind in der Regel mächtiger als die Anfangskarten, sie erlauben ein lukratives Tauschen von Rohstoffen, ein Nehmen der doppelten Menge und sogar das Nehmen einer mehrfachen Menge, abhängig vom aktuellen Besitztum des Spieles. Günther hatte hier von Anfang an den richtigen Riecher, nahm den „Schreiner“, baute lauter Holzhütten, und bekam sehr schnell geschlagene 5 Holzstücke für jeden Schreiner-Zug.

Seine Berufkarten darf ein Spieler allerdings nicht beliebig ausspielen, er muss seinen mehr oder weniger – „dominion-artig“ – wrap-around nutzen: Erst müssen alle Karten einmal auf der Hand gewesen sein, bevor sie erneut gespielt werden dürfen. Der „Jean“ erlaubt auch eine gewisse Kartenpflege, indem man „Minderleister“ frühzeitig abwirft und so die durchschnittliche Leistungsfähigkeit seines Stapels steigert.

Was kann man noch Kluges tun?

  • Man kann – nach Möglichkeit – jeweils auf der Höhe des “Jean” bauen und bekommt dafür zusätzliche Siegpunkte.
  • Man kann seine Häuser in guter Nachbarschaft zueinander bauen und bekommt dafür Nachlass bei der geforderten Geldsumme.
  • Man kann sich ein passendes Ensemble von Gebäuden zusammenstellen, die später lukrative Rohstoffmengen abwerfen (siehe Günther).
  • Man kann sich eine ganze Räuberbande zusammenstellen und seine Mitspieler nach Strich und Faden bestehlen (siehe Aaron, es hätte fast zum Sieg gereicht).
  • Man kann versuchen, mittels Direkt-Siegpunkt-Lieferanten a la “Ritter von Hieronymus von Rekuk” sein Siegpunktekonto zu füllen. Entweder es klappt oder es klappt nicht (siehe Walter, aber das ist eine andere Geschichte).

Man kann also konzentrieren, differenzieren und sich spezialisieren. Welcher der verschiedenen Kunstgriffe zum Sieg reicht, ist a priori nicht abzusehen. Interaktion ist minimal, aber wenn zwei Spieler gleichzeitig den Holzweg bestreiten, dann beeinträchtigen sie damit wohl oder übel gegenseitig die Effizienz ihrer Züge.

Man könnte sich zu Beginn des Spieles hinsetzen, die ausliegende Gebäude-Matrix inhaltlich und mit ihrer inneren Abhängigkeit genau studieren, und sich einen Plan zurechtlegen, welche Gebäude man wohl in welcher Runde übernehmen möchte. Doch dann kommt ein Mitspieler daher und schnappt einem – mehr oder weniger zufällig – eines davon weg. Schon ist der ganze Plan obsolet. Er hätte sich ohnehin nicht gelohnt: es ist wohl wenig zielführend, für eine Stunde Spielzeit zwei Stunden lang an seinem Bauplan herumzuoptimieren. Also frei und opportunistisch drauf los. Zeitvertreib.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (harmlose Siegpunkte für alle und alles. 1 Punkt mehr als für „Terraforming Mars“, weil es besser ist), Günther: 7 (mit Tendenz zu 6 [WS: und das von einem HiG-minded Spieler!], Maschinen und Monopole sind wichtig), Moritz: 5 (zu lange Aufbauzeit für ein läppisches Spielen, einfach öd, eines der langweiligsten Spiele von HiG), Walter: 6 (5 Punkte fürs Malochen und 7 Punkte für die Konstruktion und die Konstruktivität, Pokemon im Irrgarten, besser als TM, weil kürzer, schlechter als TM, weil undurchsichtiger).

2. “Roll for the Galaxy – Extension: Der große Traum”

Das Würfelspiel mit den hunderttausend Würfeln (siehe Session-Report vom 16.6.2016) zum Würfeln um Würfel wurde um weitere fünfzigtausend Würfel erweitert. Jetzt gibt es schwarze Würfel mit zwei Symbolen für Warmduscher, die alternativ für eines der beiden Symbole eingesetzt werden können, und vor allem für das zweite Symbol, wenn das zuerst gewählt Symbol leer ausgegangen ist. Und eine weitere Würfelfarbe gibt es auch noch, ich habe aber vergessen, welche von den vorhandenen hundert Würfelfarben das jetzt war.

Günther bekam eine vorteilhafte (?) Startausstattung, würfelte sicher und gekonnt, so dass er bald mit doppelt so viel Würfeln würfeln durfte wie seine Mitspieler und mit doppelt so viel Siegpunkten wie seine Mitspieler den Sieg davon trug. Ist „Roll for the Galaxy“ vielleicht doch ein taktisch-strategisches Spiel?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (früher 5 Punkte für den Vorgänger. [WS: Was ist eigentlich soviel besser?]), die anderen blieben bei ihrer Bewertung von 8, 7 bzw. 4 Punkten.

3. “Tiefseeabenteuer”

Ein hübsches kleines Würfelspiel mit nur zwei Hexawürfeln für alle (siehe Session-Report vom 16. 12.2016). Das Würfeln und Tauchen und Schätze-Aufnehmen sowie das rechtzeitige Umkehren bevor der gemeinsame Sauerstoff-Vorrat knapp wird, bietet ein Höchstmaß an Interaktion. Selbst todgeweihte Spieler können noch ihren quicklebendig auftauchenden Mitspielern ans Leder gehen. Was will man mehr!

Ein super Absacker! Macht Laune, macht Gaudi, ist toll: das waren unsere Eindrücke beim ersten Spielen. Sie sind geblieben.

WPG-Wertung: Aaron, Günther und Walter blieben bei ihren 8 Punkten, Moritz schloss sich an.

Für die Moritz’sche Sieger-Statistik: Heute trug Günther dreimal den Sieg davon!

21.06.2017: Balance auf dem Mars

Spielautorentreffen in Ruppichteroth. Zwölf alte Hasen sind angereist, um sich gegenseitig ihre Schöpfungen in statu nascendi zu präsentieren. Die hübsche kleine 10.000 Seelen-Gemeinde liegt direkt vor der Haustür von Köln. Na ja, fast, mit dem öffentlichen Bus braucht man eine Stunde.

Einer der Hasen wollte seine Test-Arbeit mal kurz unterbrechen und einen Abstecher nach Köln machen. „In zwei Stunden bin ich wieder da“ ließ er hoffnungsvoll und tröstend verlauten. Doch Stunde um Stunde verrann. Erst nach fünf Stunden war er – schweißtriefend – wieder zurück? Was war geschehen?

Auf der Rückfahrt hat der öffentliche Bus die hübsche Gemeinde vermieden, ist drum herum gefahren und hat seine Passagiere erst im nächsten Ort, zehn Kilometer weiter ausgeladen? Die Ruppichteroth musste die restliche Strecke zu Fuß zurücklegen. Warum?

In Ruppichteroth war ein Dorffest, und der Gemeinderat hatte doch glatt befürchtet, dass islamistische (oder andere) Terroristen erstens wissen, wo Ruppichteroth liegt, zweitens wann dort das Dorffest ist, drittens wie man dort hin kommt, und viertens, dass sich dort so viele Leute tummeln, dass man reiche Todesbeute bekommt, wenn man mit einem LKW dort ungebremst in die Menge hineinfährt. Die ganze Innenstadt war verbarrikadiert, alle Straßen gesperrt, der Autoverkehr wurde großräumig drum herumgeleitet … !

Da fragt man sich doch, ob Ruppichteroth der allgemeinen Terror-Hysterie unterlegen ist, oder ob es nicht selber ein Erzeuger von solcher Terror-Hysterie ist. Es erinnert fatal an einen sinnigen Spruch, der mal an den Ausfallstraßen der Stadt Freiburg zu lesen war: „Sie stehen nicht im Stau, Sie SIND der Stau!“

1. “Terraforming Mars”

Simultane Ernte beim „Terraforming Mars“

Schon vor zwei Wochen zum ersten Mal am Westpark gespielt. Ein technisch-physikalisch-ökonomisch sehr sauber ausgetüfteltes Spiel um die Bestrebungen, den Mars bewohnbar zu machen. 208 verschiedene Entwicklungs-Karten gibt es, auf denen Erfindungen, Entscheidungen und Ereignisse in Bezug auf diese Zielrichtung aufgezeichnet sind. Jedem Spieler wird eine erkleckliche Menge davon angeboten, die einmal den aktuellen Besitz an Ressourcen (Geld, Energie, Eisen, Titan, Pflanzen und Wärme) in jeweils unterschiedlichen Quanten bringen, aber vor allem – mit viel durchschlagenderem Erfolg die Produktion dieser Ressourcen steigert. Die Karten kosten Geld und Ressourcen oder – peinlich, peinlich – gleich ganze Produktionsmittel für Ressourcen.

Die Herausforderung des Spiels besteht darin, von den Karten, die einem im Übermaß angeboten werden, die richtigen auszuwählen. Man hat sie dann zunächst mal nur auf der Hand. Dann aber muss man die richtige Karte zum optimalen Zeitpunkt ausspielen. Geld ist knapp, der Karten gibt es viele, die Qual der Wahl ist groß. Zu Beginn muss man trivialerweise Karten ausspielen, die die Produktionen steigern, vor allem auch die vom Allheilmittel Geld. Zu irgend einem Zeitpunkt muss man dann aber auf Siegpunkt-orientierte Karten umschwenken.

Zwischendurch darf man auch mal eine Stadt auf dem Mars gründen, eine Grünfläche dazu anlegen und einen See buddeln. Auch das gibt Siegpunkte, vor allem wenn die eigenen Grundstücke in einer günstigen Konstellation zueinander liegen. Aber eigentlich ist diese Tätigkeit nebensächlich. Man kann den ganzen Mars begrünen und wird trotzdem Letzter.

Leider gibt es unter den Karten auch eine Menge – am Westpark absolut verpönte – „Ärgerkarten“, die nicht nur erlauben, das eigene Besitztum vorwärts zu bringen, sondern auch einen BELIEBIGEN Mitspieler um Hab und Gut und Produktionsmittel bringen. Vor zwei Wochen wollten wir die Ärger-Aktionen einfach weglassen. Das geht aber nicht so einfach, denn dann braucht man auch Ersatzlösungen für das Gute im Bösen. Wenn ich z.B. auf Grund einer Entwicklungskarte einem Mitspieler ein Tier wegnehmen und bei mir ansiedeln darf (für einen Siegpunkt), und wir das Wegnehmen streichen, dann hat diese Karte überhaupt keinen Effekt. Gut, man kann sie komplett in den Orkus werfen, aber dadurch bekommt das Spiel eine total andere Balance.

Diese Klauerei hat der Autor sicherlich nicht nur aus Leichtfertigkeit oder als Zugeständnis an Chaoten in das Spiel eingebaut, es ist wohl auch ein wichtiges Korrektiv, um Spieler, die auf Grund günstiger Kartenzuteilung den anderen auf und davon ziehen, damit zu bremsen und wieder einholbar zu machen. Dreimal Freude, einmal Leid.

Man könnte auch im Einzelfall darum verhandeln, wer jetzt geschädigt werden soll und man könnte Rückversicherungsverträge auf Gegenseitigkeit aushandeln. Das verleiht dem Spiel dann schon einen diplomatisch-ökonomischen Anstrich. Manche mögen das.

Heute ging es bei uns diesbezüglich ganz friedlich zu. Nach den ersten kleineren Diebstählen verloren alle, federgeführt von Horst, die Lust an diesem Teil von Terraforming und verzichteten auf den Schadeneffekt: „Ich lasse es gut sein!“ Das zeigt doch ein großes Spielerherz!

Das Ende zieht sich hin, vor allem weil jeder Spieler eine Menge blauer Aktionskarten vor sich liegen hat, die alle pro „Generation“ einmal durchgecheckt und abgewickelt werden wollen. Nach einer knappen Stunde Regeleinführung für den Neuling Horst und nach dreieinhalb Stunden Spielen waren wir durch. Horst war mit viel Geldproduktion schnell aus den Startlöchern gekommen, aber Günther, der in den ersten drei Runden konsequent viel Geld zurückgehalten und nicht für Kinkerlitzchen verpulvert hatte, konnte ihn am Ende mit einer zielstrebig zusammengestellten Siegpunkt-Generierungsmaschine doch noch überholen.

Horst inspiziert seine neuen Karten

WPG-Wertung: Horst: 8 (mit Tendenz zu 9, hervorragend, großer Spielspaß, super ausbalanziert, ständig spannend und konstruktiv. „Ich war richtig neugierig auf die Funktionsweise jede neuen Karte. Ärgerkarten sind in einem so langen Spiel zwar doof, aber man kann sie ja freiwillig einschränken.“), Aaron: reduzierte seine vorherigen 7 auf 6 Punkte (hat das Spiel jetzt zum 4. Mal gespielt und fand es jedesmal schlechter. Die 3 ½ Stunden Spielzeit sind viel zu lang; die Planungsmöglichkeit geht gegen Null, das Ganze ist eher ein Herumirren im Walde), Günther: 8 (bleibt), Walter: erhöht seine bisherigen 6 auf 7 Punkte (das Spiel ist zwar nicht besser geworden, aber das ausgezeichnete Spielmaterial und vor allem die ingenieurmäßig und unternehmerisch überzeugenden Kartennamen und Karteneffekte, sowie die ausgezeichneten Piktogramme, mit denen die unterschiedlichen Effekte auf jeder Karte sichtbar gemacht wurden, rechtfertigen eine bessere Benotung. Zudem habe ich jetzt drei Tage einen Riesenspaß dabei gehabt, die Karten zu analysieren und in einem riesigen Excel-Tableau zum Leben zu erwecken.)

Hier noch eine kleine Kostprobe meiner Excel-Spielereien.

Das Modell ist noch nicht gesichert, die Preise für die Erhöhung der Produktionen und der Wert ihrer Produkte sind höchstenfalls erste Näherung. Der eingesetzte Zinseszins mit seinem gewaltigen Einfluss auf Zeitpunkt und Effizienz einer Investition, steht noch auf wackligen Füßen. Der hohe Anfangswert einiger Produkte, die für andere Produktionen benötigt werden, verfällt bei Überproduktion im Mittelspiel ganz rasant. Diese Dynamik ist in dem Modell überhaupt noch nicht berücksichtigt. Aber immerhin hier ein paar Anfangsaussagen (Hypothesen):

  1. Zugrunde liegt ein Spiel mit 4 Teilnehmern.
  2. Ein Spiel geht über etwa 14 Generationen.
  3. Jeder Siegpunkt hat am Ende etwa 5 M€ gekostet.
  4. Jede Entwicklungskarte kostet im Durchschnitt 15 M€.
  5. Jeder Spieler startet mit Entwicklungskarten im Wert von etwa 150 M€ und einem Einkommen von 20 M€ pro Generation. Wenn er am Ende auf ein Besitztum von etwa 850 M€ gekommen ist, entspricht das einer Zinsrate von 13 Prozent.
  6. Bei einer Zinsrate von 13 Prozent würde jede Einkommens M€, die durchweg in Geld-generierende Karten investiert würde, am Ende den stolzen Betrag von 35 M€ zusammenhäufeln.
  7. Es ist trivial, dass bei einem Produktionsspiel die Produktion-steigernden Karten zu Beginn am wichtigsten sind. In “Terraforming Mars” sind das:
    1. ”Soletta”, mit dem man ohne anderweitigen Einsatz für 35 M€ seine Wärmeproduktion um gleich 7 Wärmeeinheiten steigern kann. Das bringt zwar nicht gleich Geld und Siegpunkte, aber der Besitz von Wärme-Einheiten ist für viele lukrative Karten eine Grundvoraussetzung.
    2. Mittels der “Mohole-Bohrung” bekommt man für 20 M€ eine ebenfalls bemerkenswerte Steigerung der Wärmeproduktion um 4 Einheiten und darf noch dazu ein Grundstück auf dem Mars buchen.
    3. Der “Verglühende Ammoniak-Asteroid” steigert für 26 M€ die Wärmeproduktion um 3 Stufen Einheiten, dazu noch die Pflanzenproduktion um eine Einheit, und wenn man bereits einen Stall für Mikroben besitzt, darf man ihn mit 2 Mikroben zusätzlich bevölkern.
  8. Wenn man in Wärmeproduktion schwimmt, kann man das “Tropische Urlaubsparadies” errichten und dort die Urlauber mit 3 M€ pro Generation zur Kasse bitten. Das mag ein ganz neuer Geschäftszweig sein, wenn man, wie gesagt, Wärmeproduktion im Überfluss hat und nicht weiß, wohin damit. Geht man damit allerdings gleich zu Beginn des Terraforming in die Tourismus-Branche, wird man wohl als Schlusslicht enden.
  9. Auch die “Isolierung” ist so ein Geldräuber. Eine Wärmeeinheit für eine Geldeinheit einzusetzen, ist nur sinnvoll, wenn man damit sonst nicht viel anfangen kann.
  10. Die fixen Siegpunkt-Generierer sollte man trivialerweise erst ganz am Ende ausspielen. Etwas anderes sind die variablen Siegpunkt-Generierer, bei denen man Runde für Runde mehr oder weniger kostenlos Siegpunkte dazugewinnt. Einer davon ist der “Physikkomplex”, bei dem man seine erzeugte Energie nicht in – zu diesem Zeitpunkt sicherlich schon überflüssige – Wärme umsetzen muss, sondern in viel edlere Wissenschaftseinheiten mit mehr als doppelter Effizienz für Siegpunkte. Wer nicht weiß, wie er die notwendige Wärme erzeugen kann, sollte mal unter “Hochspannungsnetz” oder “Orbitaler Sonnenspiegel” nachschauen.
  11. Die “Schutzhütte” ist ebenfalls ein konsequenter Siegpunkt-Lieferant, allerdings braucht man dafür eine Titan-Produktion. Die vielfältigen Voraussetzungen und Tücken zur Erfüllung dieses Betriebsmittels sind hier jetzt nicht untersucht.
  12. Bemerkenswert: Der “Investitionskredit” lohnt sich von Anfang an. Man braucht sich vor der zugehörigen Einkommensminderung nicht zu scheuen. Der Anschaffungspreis ist recht niedrig und die Zinseszinsen machen den Verlust bereits in der ersten Generation wieder wett.
  13. Genauso sind die “Arbeitsverpflichteten” geschenktes Geld. 1 Siegpunkt Image-Verlust für 8 geschenkte Leiharbeiter darf man unter ehrenwerten Kapitalisten durchaus in Kauf nehmen.
  14. Eine kleine Nebenbetrachtung: Das “Roboter-Personal” wird effektivsten bei der “Tektonische Energiegewinnung“ eingesetzt.

Das wär’s für heute. Die zugehörige Excel-Tabelle ist ein unerschöpfliches Spielzeug. Und falls hier in meinem Modell grundsätzliche Fehler eingebaut sind, wird es mir eine Freude sein, den entsprechenden Hinweisen darauf nachzugehen und es nachzubessern.

14.06.2017: Nah und Fern

Aus verschiedenen Gründen bekamen wir in den ersten Monaten dieses Jahres oft nur mit Mühe auf die drei Teilnehmer als Minimum für unsere Spielabende. Jetzt, für diesen Mittwoch, schnellte die Teilnehmerzahl sprunghaft auf das Doppelte hoch. Aaron und Günther sind wieder regelmäßig dabei, Moritz wollte seinen zehnjährigen Sohn Milo mitbringen, und auch Horst hatte mal wieder Lust zu einer Auseinandersetzung am Westpark.

Sex war Horst zuviel und er zog seine Teilnahme wieder zurück. Aaron bekam kurzfristig ein Rentnerdate eingeschoben, so dass er erst zwei Stunden später eintreffen konnte, da waren es nur noch vier.

1. “Near and Far”

„Near und Far“: Moritz baut auf, Milo stärkt sich

Das neueste Mitglied der Spielefamilie „Ab und An“, „Drunter und Drüber“ bzw. „Above and Below“. „Near“ ist eine Stadt, mit mehreren Etablissements, wo wir Geld, Brote, Potenzkarten und Weggefährten erwerben, „Far“ ist das Land, in das wir mit unseren Weggefährten ausziehen, Glückskarten finden, Abenteuer bestehen, Wertgegenstände ausgraben und unsere Tipis hinterlassen. Der Spielablauf besteht in einem ständigen Pendeln zwischen Stadt (zum Aufrüsten und Erholen) und Land (zum Siegpunkte machen).

Siegpunkte bringen unsere Tipis, besonders wenn damit vordefinierte Endpunkte belegt oder sogar verbunden werden. Das sind aber nur marginale Werte gegenüber den viel üppigeren Siegpunkten für Weggefährten, Potenz- und Glückskarten, sowie einer ganze Latte von Besitztum. In der Endabrechnung werden zehn Kategorien aufgezählt, die alle in Siegpunkte einfließen.

Die Strecke, die wir im Far-Land jeweils zurücklegen dürfen, ergibt sich aus den Schubkraft unserer Weggefährten. Die Schubkraft bewirkt aber auch noch andere Effekte: Wir brauchen sie zum Tipi bauen, und sie hilft uns, die Augenzahlen unserer Kampfwürfel zu erhöhen, mit denen wir die Ungeheuer auf der Strecke zur Strecke bringen, um damit Siegpunkte und weitere Wertgegenstände einzuheimsen.

Die richtigen Weggefährten sind das Allheilmittel zum Sieg. Fünf Stück von ihnen liegen offen zum Requirieren aus, man muss sie nur bezahlen können. Gerade am Anfang das richtige Geld in der Tasche zu haben – sehr, sehr mühsam, man bekommt es nur einzeln in kleinen Münzen – und am Zug zu sein, wenn gerade der geilste Weggefährte aufgedeckt wird, das ist mehr als die halbe Miete.

Fehler werden keine verziehen. Nicht gleich am Anfang mit den Gefährten zu Potte kommen, verpasst einem Spieler eine nicht mehr loszuwerdende rote Laterne. Eine Stunde hat dieser dann gebraucht, um seinen Fehlaufbau zu bewerkstelligen, eine weitere Stunde, um seinen Fehlaufbau zu verifizieren, und eine weitere Stunde, um mit seinem Fehlaufbau seinen Mitspielern hinterher zu trotteln. Günther hätte Walter, dem Obertrottler, gerne die letzte Stunde erspart, obwohl er selbst durchaus noch Chancen auf den Sieg hatte. Aber eine ganze Stunde lang nur noch zwischen Stadt und Land hin- und her zu pendeln, um die letzten Tipis zu verbauen, weil alles andere bereits abgegrast war, das war nicht nach seinem Gusto. Besonders da Aaron, der Später-Gekommene, schon eine ganze Stunde zugeschaut hatte. Aber Moritz und Milo hatten beide noch Lust, das Spiel in Ehren zu Ende zu bringen.

Lustvoll hatte Milo das erste Duell vom Zaun gebrochen. Natürlich gegen seinen Vater. In der Stadt kann man nämlich nicht beliebig in Banken oder Bäckereien einbrechen, sie müssen leer stehen. Sind sie von einem Mitspieler besetzt, der erst mit seinem nächsten Zug hier wieder herausgehen muss, und man will nicht warten, fordert man ihn zum Duell. Da Milo mit seinem Würfel lediglich Fünfer und Sechser würfelte, war es für ihn ein Kinderspiel, sich gegen seinen Vater in die Bank zu drängeln.

Milo, der fast interesselos Moritz’ Regelvortrag zugehört hatte und dabei den Eindruck hinterließ, man müsse ihm später beim Spielen unter die Arme greifen, war geistig aber höchstenfalls unterfordert. Planvoll hatte er die erste Handelsroute fertiggestellt, zu einem Zeitpunkt, wo noch keiner seiner Mitspieler überhaupt einen singulären Handelsposten belegt hatte.

Er war es dann auch, der mit 64 Siegpunkten den Sieg davontrug. Allerdings nur einen Punkt vor Günther und zwei Punkte vor Moritz. Es gab dann noch einen vierten Spieler, der aber nur die Hälfte dieser Siegpunkt-Summen anhäufen könnte. Gut gemacht Milo!

Was mir heute an ihm aber am allermeisten imponierte, war eine Replik zu seinem Vater, der sich über einen zu Recht oder zu Unrecht irrtümlichen Zug von Milo echauffierte: ein in absolut ruhigem ,sanften, überlegenen Ton vorgebrachtes: „Brüll noch lauter!“. So einen Ton möchte ich liebend gerne in aggressiven Diskussionen mit meiner Frau annehmen, wenn ich nur diese Selbstbeherrschung hätte …

WPG-Wertung: Aaron: 5 (es gibt Spiele, da macht es mehr Spaß zuzuschauen; N&F reizt mich überhaupt nicht), Günther: 5 (das Geschichtenbuch ist absolut überflüssig, es ist auch noch weniger in den Spielablauf eingebunden als bei „Above and Below“, lauter monotone Würfel-5 oder Würfel-7 Alternativen), Milo: 6 (fast 7, das Spiel enthält gute Ideen, das Herumlaufen ist etwas langweilig und das Einschwingen am Anfang dauert etwas zu lange), Moritz: 9 („ihr habe gar nicht verstanden, was für ein tolles Spiel das ist“), Walter: 5 (Interaktion ist Fehlanzeige, man steht sich höchstenfalls ungewollt im Wege herum. Die Menschenmassen in den überfüllten U-Bahnen zu den Rushhours sind – in der Regel – auch keine Interaktion).

2. “Saami”

Fünf Jahre lang hat Aaron sein „Saami“ auf Drängen des Verlages und dessen verschiedener Testgruppen aufgemotzt. Als er endlich ein komplettes Workerplacement-Spiel besammen hatte, kam die Devise: Abstrippen! Jetzt hat Aaron einen radikalen Schnitt gemacht, die Arbeitsplätze gnadenlos zusammengestrichen, und nur ein paar gleichgewichtige Rentierzüchter- und Holzhacker-Hütten übrig gelassen. Aber er hat mit der Teilung des Spielablaufes in zwei Phasen dem Spiel eine sehr überraschende, pfiffige Wendung eingebaut:

In der ersten Phase, „ruhiges Dorfleben“, bauen wir Hütten, schützen sie gegen Wind und Wetter und züchten Rentiere für den Winter. Ruhig, gemeinschaftlich, ohne Konkurrenz. In der zweiten Phase fallen die Wikinger ein, und wir müssen in Windeseile retten, was zu retten ist: Die Feinde bekämpfen, gegebenenfalls die Flucht ergreifen, aber auch nicht aus dem Auge verlieren, dass die Politiker am meisten absahnen, wenn das Fußvolk erfolgreich gekämpft hat. Damit die Windeseile auch Realität wird (, und damit hier ein langwieriges Abwarten, Lavieren, Spekulieren, Analysieren, Paralysieren vermieden wird), waltet über dieser Phase eine Sanduhr; wenn diese abgelaufen ist, sind unsere Rettungs- und Siegpunkt-Ergatterungsmaßnahmen vorbei. Sehr gut passend zu Thema und Spielablauf.

Aaron wollte uns diese neue Ablaufstruktur nur eine Runde lang antesten lassen. Doch nach einer Runde waren alle von den Abläufen gefesselt und gespannt, wie sich die Sache weiterentwickeln würde. Wir hängten noch eine Runde dran, und noch eine, und noch eine, und hatten das Spiel – gemäß der aktuell geplanten Rundenzahl – in einer halben Stunde vollständig zu Ende gespielt.

Es gab viel zu diskutieren. Noch ist nicht alles im Lot. Noch muss an der Balance für Hüttenbau und Ertrag, für Nutzen und Schaden, für Freund und Feind gedreht werden. Doch die Richtung ist sehr gut.

Nur Günther bedauerte, dass mit dieser Stopuhr die Möglichkeiten für Psychologie und Analyse verloren gegangen sind. Aber er kann ja die Stoppuhr weglassen, wenn er mit seinen Grübelgenossen spielt.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

07.06.2017: Terraforming Mars

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Antoine de Saint-Exupery

1. “Terraforming Mars”

Terraforming Mars – eingeschwungene Spielszenerie

Ach hätte ich nur ein bisschen Sehnsucht nach dem Mars, dann könnte ich jetzt mit viel mehr Lust und Liebe auf die Details dieses Kandidaten zum Spiel des Jahres 2017 eingehen. So aber will ich meine letzten langen Tage doch lieber auf der gewohnten Erde verbringen und kann nur mit einer gewissen Distanz die Bemühungen von Jacob Fryxelius beobachten, den Mars spielerisch bewohnbar zu machen.

Alles ist rund, alles ist schön, alles ist konstruktiv, spielerisch und leicht. Mit dem ansehnlichen „Generationen-Einkommen“ von 20 M€ starten wir das Unternehmen. Davon kaufen wir Entwicklungskarten auf die Hand, bezahlen ihren Baupreis um sie vor uns auszulegen, und profitieren dann von ihrer Funktion. Dazu zählen:

  • die Erhöhung unseres Einkommens
  • die Erhöhung unsere Produktionskapazität für Metall, Titan, Energie, Wärme und Gemüse. Teilweise auf Kosten anderer eigener (oder fremder! Pfui!) Kapazitäten
  • die Zuteilung von Ressourcen in Form von Metall, Titan, Energie, Wärme und Gemüse, zusätzlich zu unserer Produktion
  • die Verbesserung der Umtauschrate unserer Ressourcen oder Rabatte zum Einsetzen der Entwicklungskarten
  • die Genehmigung, eine Stadt zu bauen oder eine Wasserflächen schaffen
  • die Reservierung bestimmte Objekte (Pflanzen, Mikroben, Tiere, Wissenschaftler), die in der Endwertung in Siegpunkte umgesetzt werden.
  • das Auslösen menschlicher oder kosmischer Katastrophen, die sich meist in Marserwärmung umsetzen und damit unser Einkommen erhöhen.
  • das Recht bzw. die Pflicht, unseren Mitspieler etwas wegzunehmen. (“Klaue bis zu 2 Titan” – Doppeltes Pfui!)

Zu Spielbeginn schlug Günther vor, die (Pfui!)Ärgerkarten wegzulassen. Alle waren damit einverstanden. Doch sein Vorschlag war juristisch nicht klar genug formuliert. Sollten die Karten vorhanden bleiben und nur ihr Effekt nicht zur Anwendung kommen, oder sollten die Karten als nicht-existent abgelegt werden dürfen? Unsere Warmduscher-Bemühungen hätten dann auch Auswirkungen auf Karten gehabt, mit denen man sich gegen diese Ärgereffekte schützen konnte. Kurz und gut, nach einer knappen Viertelstunde Diskussion ließen wir alles so, wie Jacob das vorgesehen hatte.

Günther vergab die Devise „Keep fully invested“, aber das war eine Irreführung. Wir haben in „Terraforming Mars“ zwar alle reichlich Geld, aber auch entsprechend hohe Ansprüche und Ausgaben. Bevor man sein Geld für eine halbgute Entwicklungskarte verpulvert, soll man es besser für die nächste „Generation“ aufheben, wenn man neue Karten, und darunter vielleicht (hoffentlich) deutlich effizientere bekommen hat.

Die richtige Auswahl der Karten ist die Crux des Spieles. Ganz zu Beginn braucht man natürlich solche, die Einnahmen und Produktionsmittel verbessern oder Rabatte auf spätere Investitionen geben; später geht es im Wesentlichen darum, Karten zu haben und zu nutzen, mit denen man seine Siegpunkt-Ernte steigern kann. Der Zufall bei der Kartenzuteilung spielt keine geringe Rolle, aber wir bekommen alle viel mehr Karten als wir nützen können, irgendwann werden schon die richtigen dabei sein. Dann sollte der Zug zum Mars – hoffentlich – noch nicht abgefahren sein.

Das richtige Timing ist wichtig. Jeder kann über seine Kartenhand (und seine Kartenauslage) beliebig lange grübeln, um den nächsten besten Zug zu machen. Dabei darf er gleich zwei Züge auf einmal machen, also zweimal eine Entwicklungskarten aktivieren, eine Stadt bauen, eine Grünanlage errichten, Wasser hervorzaubern, Wärme abgeben, oder auch mittels Ärgerkarten böses Blut erzeugen. Die Grübelei kann zu einem abendfüllenden Programm werden. In kaum einer Spielssession wurde so oft gefragt: „Wer ist dran?“ oder „Bist Du noch dran?“ oder „Fertig?“ wie heute. Allerdings ohne dabei hektisch zu drängeln. 60 bis 120 Minuten Spielzeit waren angekündigt, da wussten wir schon, dass jetzt drei Stunden Spielzeit vor uns lagen. Das wollten wir auch weidlich auskosten. Die Beta-Blocker wurden prophylaktisch gleich eingenommen.

Terraforming Mars – Spielertableau zum Festhalten der Produktionskapazitäten: Ein kleiner Ruck und das Titan springt von 4 auf 9

Apropos: Wann ist Ende? Wenn alle drei vom Autor vorgesehenen Lebensbedingungen erfüllt sind: genug Wasser, genug Wärme und genug Sauerstoff. An der Verbesserung dieser Lebensbedingungen arbeiten wir alle gewollt oder ungewollt als Nebenprodukt unserer Aktivitäten. Wenn dann allerdings z.B. die Temperatur am Anschlag ist, wird mit einem Schlag alle unsere bis dahin aufgebaute Wärmeerzeugung hinfällig, wir bekommen für unsere reichliche Produktion keinen Pfifferling mehr. Wenn alle Wasserflächen verbaut sind, können wir alle Entwicklungskarten für Wasserflächen auf den Müll geben. Aber dies sind nur minimale Frusteffekte bei der Urbarmachung vom Mars.

Und die Ärgerkarten? Aaron und Walter schossen sich auf Moritz ein, der darob zwar argumentierte, aber nicht lamentierte. Moritz schoss auf Aaron und Walter zurück, doch die Quantitäten 2 : 1 bzw. 1 : 2 waren halt deutlich unterschiedlich. Ja, wenn es die Ärgerkarten nicht gegeben hätte, dann hätte das Spiel überhaupt keine Interaktion! Moritz gewann trotz der Schießerei. Mit super Anfangskarten und einem ausgezeichneten Timing für Geld und Wissenschaft.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (ähnlich wie „Race for the Galaxy“, thematisch schön, aber zu lang), Günther: 8 (es gibt immer etwas zu überlegen), Moritz: 9 („ich find’s super!“), Walter: 6 (hübsch erfunden, hübsch ausbalanziert, aber zu lang, zu breit und zu solitär).

2. “Bluff”

Nichts Neues im Westen. Bei 20 Würfeln war 17 mal die Fünf vorgegeben. 16 Fünfer oder Sterne lagen bereits draußen. Vier Spieler hatten noch je einen Würfel unter ihren Bechern. Moritz war am Zug. Sollte er jetzt anzweifeln oder erhöhen? Wenn er selber keine Fünf gehabt hätte, wäre die Wahrscheinlichkeit über 70 % gewesen, dass von den restlichen drei Würfeln noch mindestens eine Fünf dabei war. Er hatte aber keine Fünf. Alle anderen hatten auch keine mehr.

In einem grandiosen Endspiel aus einer 3:1-Unterlegenheit heraus konnte Walter gegen Günther mal wieder die Überlegenheit seiner Immer-4-Strategie demonstrieren. Günther war am Zug und legte gemäß seiner Theorie 1 mal die Fünf vor. Walter zweifelte an. Da hatte Günther nur noch 2. Jetzt legte Walter 1 mal die Vier vor, Günther hob auf 2 mal die Zwei und Walter auf 2 mal die Vier. Was hatte Günther unter seinem Becher? Mindestens eine Vier. (Um genau zu sein, es war genau eine Vier.) Walter hatte auch eine. Da stand es 1:1. In dieser Konstellation hatte Walter jetzt natürlich keine Probleme mehr, den Sack mit 1 mal die Vier zuzumachen.

Fazit: Man muss im „Bluff“ nicht nur eine Theorie haben, man muss auch der Theorie entsprechend würfeln!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

31.05.2017: Poppen mit Walküren

„Schrecklich, grauenvoll“ nannte Helmut den notgedrungen zerstörerische Umgang mit dem Spielmaterial. Da muss man doch tatsächlich ein nagelneues Spiel während des ersten und einzigen Gebrauches entsprechend den Anweisungen im Regelheft zerlegen, zerschneiden und zerkritteln, so dass selbst der Spiele-Eigentümer keine Träne mehr nachweint, wenn man die Trümmer hinterher den Flammen übergibt.

Die Experten unter uns, wissen, um welches Spiel es sich handelt. Die neugierigen Laien können in unserem Spielbericht vom 19.10.2016 nachschauen. Ich will den Spielenamen nicht nennen, weil ich den Herostrates-Effekt vermeiden will. Lieber Verbrennen und vergessen.

Jetzt aber haben die Juroren von SdJ dieses Spiel doch tatsächlich für das „Kennerspiel des Jahres 2017“ nominiert. Kann das wahr sein? – Langes Nachdenken. – Und dann kommt die Erkenntnis: Den Kennern quellen die Regale schon über mit den gesammelten Spielen ihres langen Spielerlebens. Für sie kann es doch nur eine Erleichterung sein, wenn die nächsten Spiele nach einmaligem Gebrauch regelgerecht in den Abfallkorb wandern. Ein höchst innovativer und notwendiger Trend. Die Richtung ist vorgegeben, der Startschuss gefallen. Spieleautoren und Spieleverlage, hört die Signale: das erste Gefecht soll zugleich das einzige und letzte sein!

1. “Räuber der Nordsee”

Günther kann mit seinem Fuß schon wieder in der Nordsee räubern

Die Szenerie ist eine fremde Küste mit Hinterland, darauf Ansiedlungen, Klöstern und Festungen. Wir sind Wikinger und wohnen in unseren räuberischen Brutstätten auf der gegenüberliegenden Wasserseite. Hier holen wir Luft, besorgen uns Mannschaft, Proviant und ein bisschen Gold (das hat schon Philipp von Mazedonien für ein geeignetes Kampfmittel gehalten), um dann loszuziehen und die friedliche Gegenseite zu überfallen, Häfen, Klöster und sonstige Ansiedelungen zu plündern und deren Hab und Gut in Form von Vieh, Eisen und Gold nach Hause zu bringen, um uns hier wieder für den nächsten Plünderungszug zu rüsten.

Um erfolgreich plündern zu können, müssen wir natürlich ausreichend stark, ausreichend viele und ausreichend versorgt sein. Das alles brauen wir uns in unseren Brutstätten nach einem Worker-Placement-Prinzip zusammen:

  • in der Silberschmiede gewinnen wir Silber
  • im Torhaus lassen wir uns neue Mannschaftsmitglieder gebären (M-Karten auf die Hand nehmen).
  • in der Baracke heuern wir gegen Silber neue Mannschaftmitglieder an (M-Karten aus der Hand auf unser Schiff bringen). Jedes Mitglied hat eigene Eigenschaften an Kraft, Überlebensfähigkeit, Austauschbarkeit, Provisionen und anderen hübschen Effekten.
  • in der Ratshalle nutzen wir die “rechts-unten” Eigenschaft einer M-Karte. Danach darf man u.a. der bösen Konkurrenz Ressourcen wegnehmen, sie zwingen, Ressourcen abzuwerfen oder eigenen Schotter gegen deren Gold einzutauschen. Mein Gott, musste das sein?!
  • in der Schatzkammer tauschen wir M-Karten in Gold oder Silber ein
  • in der Rüstkammer kaufen wir gegen Silber oder Eisen Stärke ein. Die Stärke hilft uns beim Plündern von Lokalitäten, sie bringt am Ende auch noch zusätzliche Siegpunkte ein.
  • in der Mühle oder im Langhaus besorgen wir uns Proviant, den wir für jeden Raubzug benötigen.

Bemerkenswert ist der Worker-Placment-Mechanismus: Jeder hat nur einen einzigen Pöppel auf der Hand, den er auf die gewünschte Arbeitsstelle schickt und dort den jeweiligen Ertrag abschöpft. Anschließend gehört dieser Pöppel nicht mehr dem Spieler, der ihn gesetzt hat, sondern der Allgemeinheit.

Als Zweites darf ein Spieler, nachdem er seinen einzigen Pöppel gesetzt hat, einen beliebigen anderen der inzwischen neutral gewordenen Pöppel auf die Hand nehmen, und ebenfalls den Ertag des Arbeitsplatzes, wo dieser Pöppel stand, abschöpfen.

Alles klar und durchsichtig. Leider mit vielen Hemmschuhen belastet. Wenn z.B. die Silberschmiede besetzt ist, kann ich mir dort keine Silberlinge besorgen, um dann anschließend in der Baracke Mannschaft anzuheuern, ich muss erst meinen Pöppel auf einen freien Platz setzen, und wenn ich gerade kein Geld habe, ist die Baracke für mich tabu.

Ein klar designtes Spielelement sind auch die verschiedenen Farben der Pöppel: es gibt schwarze, weiße und graue. Sie können nicht überall eingesetzt werden, an manchen Arbeitsplätzen, vor allem auf den Raubzügen, ist genau vorgeschrieben, welche Farbe der raubende Pöppel haben muss. Da ich aber jeweils nur einen einzigen Pöppel habe, ist es zum großen Teil Glücksache, ob der gerade für die gewünschte Aufgabe tauglich ist, oder ob ich – weniger lukrative – Tempozüge machen muss, um erst in der nächsten Runde die richtige Farbe auf der Hand zu haben. Schön und tricky, aber auch lästig. Eher lästig!

Was wir in Dörfern, Klöstern usw. jeweils plündern können, liegt offen auf dem Spielbrett. Darunter gibt es auch schwarzhäutige Walküren, die einigen unserer Mannschaftsmitgliedern den totsicheren Todeskuss aufs Auge drücken. Als Gegenleistung lassen sie uns dann aber auch Siegpunkte zurück. In der Anfangsphase ist eine Walküre deutlich kontraproduktiv. Hier lieber ein Walküren-Hafen auslassen und auf ein Walküren-freies Kloster hinarbeiten. Erst später, wenn man ohnehin in Mannschaftsmitgliedern schwimmt, bringt eine Walküre nur Wonnen. Selbst der Tod eines Mannschaftsmitgliedes (manches!) kann positive Früchte tragen.

Und wer gewinnt? Wer den Häuptling am meisten beeindruckt! Und womit? Mit Siegpunkten natürlich! Ran ans Plündern! Nach gut zwei Stunden ist das friedliche Feindesland bis zur Endebedingung leergeplündert.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (bis 5, der Ressourcen-Mechanismus ist unnötig sperrig, Einschränkung weil zu lang), Günther: 6 (hätte nach den Beschreibungen im Internet mehr erwartet, am Ende keine Steigerung), Horst: 6 (ein paar hübsche Spielelemente, aber nur eine bescheidene Spannungskurve), Walter: 5 (bis 6, kaum Interaktion, das einzige, was einem in die Quere kommt, sind die geplanten Regelmechanismen. Er ist von den der Vielfalt der individuellen Effekte der hunderttausend Mannschaftskarten überfordert. Allerdings wieder einen obligatorischer Sympathiepunkt für das runde Design).

2. “Flamme Rouge”

Zum Absacken noch schnell ein Radrennen. Walter baute in Windeseile einen Parcours auf, aber leider mit gravierenden Fehlern: die sehr kurzen Bergstrecken und die Bergabfahrten lagen praktisch lückenlos nebeneinander („le Puy“ war ein untaugliches Vorbild), so dass deren Effekte gar nicht richtig zur Geltung kommen konnten. Vor allem aber war der Parcours viel zu kurz. Man musste seine Kräfte nicht einteilen, keinen Windschatten ausnutzen, keine Angst vor Erschöpfung haben. Günther spielte – in naiver oder berechnender, für den Original-Parcours in jedem Fall untauglicher Manier – für seinen gesamten Rennstall jeweils die stärkste Geschwindigkeit aus und wurde problemlos Start-Ziel-Sieger.

Wenigsten bekamen Günther und Horst einen groben Eindruck von dem hübschen Rennradln.

WPG-Wertung: Der bisherige (unisono) Schnitt von 7 Punkten blieb erhalten, nur die Streuung stieg: Günther: 6 (durch den falschen Parcours hatten wir mehr Gaudi als dem Spielcharakter angemessen), Horst: 8 (das Spiel vermittelt ein Realitätsgefühl, es ist schnell und besitzt einen hohen Wiederspielreiz)

24.05.2017: Rund um Ulm

Warum heißen die Ulmer „Spatzen“?

Zum Bau des Münsters karrten die Ulmer eines Tages einen besonders großen Balken herbei. Sie schafften es aber nicht, ihn durch das Stadttor zu bringen, da sie ihn quer transportieren wollten. Sie hatten schon beschlossen, das Stadttor einzureißen, da sahen sie einen Spatzen, der einen Zweig im Schnabel trug, um diesen in sein Nest einzubauen. Und dieser Spatz drehte den Zweig und schob ihn längs durch die Mauernische zu seinem Nest. Da ging dann auch den Ulmern ein Licht auf: sie legten den Balken der Länge nach auf ihren Karren und brachten ihn so durch das Stadttor. Tor und Münster waren gerettet!

Diese Geschichte und andere erzählt uns der Viel-Spiele-Autor Günter Burkhardt als Einstimmung in sein 2016 erschienenes bislang neuestes Werk

1. “Ulm”

„Ulm“ : im Vordergrund die hübsche, aber funktionslose Kathedrale, im Hintergrund kämpft Günther mit den beiden Regelheften

Gleich zwei Regelhefte werden uns angeboten: Eins mit acht (deutschen) Seiten zu Einführung, und eines mit achtzehn (deutschen) Seiten für die Details, einschließlich einer Einführung in die Ulmer Stadtgeschichte. Natürlich muss man beide Hefte gründlich gelesen haben, bevor man mit dem Spiel beginnen kann. Und bei Rückfragen muss man sich ebenfalls in beiden Hefte einigermaßen gut auskennen, um die Antworten zeitnah zu finden. Ein Mehrwert wird in dieser Spielregel-Erklärungs-Aufteilung nicht sichtbar.

Wir fahren mit unserer Zille (so hießen in Ulm bzw. im Donauraum die Kähne, mit denen sich die Fischer und andere Leute auf der Donau bewegten) in zehn Runden maximal 21 Donaufelder vom Start zum Ziel. Dabei gehört es aber nicht zum Sieg, als Erster die Gesamtstrecke zurückgelegt zu haben, sondern unterwegs unsere 13 Siegel optimal in den 10 Stadtbezirken verteilt zu haben, so dass wir mit ihnen die meisten Siegpunkte einheimsen konnten.

Genial ist der Zugmechanismus, nach dem ein jeder Spieler auswählt, was er in der nächsten Runde tut. Aus einem Säckchen ziehen wir verdeckt einen Aktionsstein. Diesen Stein müssen wir nach dem Prinzip des „Verrückten Labyrinths“ an einer beliebigen Seite eines quadratischen 3 mal 3 Rasters mit ebensolchen Aktionssteinen einschieben, so dass einer dieser Aktionssteine auf der anderen Seite herausgeschoben wird. Die bewegten, aber noch im Raster gebliebenen Aktionssteine einschließlich des eigenen, neu eingesetzten Aktionssteines bestimmen die drei Aktionen, die wir jetzt ausführen dürfen:

  • mit unserer Zille einen Schritt vorwärts fahren
  • eine Münzeinheit kassieren
  • Aktionssteine kassieren
  • gegen zwei Geldeinheiten ein Siegel in eines der umliegenden Stadtbezirke legen.
  • zwei Aktionssteine gegen eine Bonuskarte eintauschen.

Siegel bringen uns einmalige sofortige oder – mit Glück und Können – wiederkehrende Vorteile an Geld, Aktionssteinen, Aktionen oder Siegpunkten.

Bonuskarten bringen uns einmalige sofortige Vorteile an Besitztum oder, am Spielende, zusätzliche Siegpunkte, für unseren inzwischen angehäuften Besitz, teilweise sogar massenhaft welche.

Alles ist rund, alles ist schön. Es gibt Weichmacher beim Ziehen des verdeckten Aktionssteines, es gibt temporäre Vergünstigungen beim Bauen und Fahren, jeder Spieler hat zu jeder Zeit eine ganze Reihe von vorteilhaften Zugmöglichkeiten zur Auswahl. Aber welches sind in diesem Wettlauf um die beste Zugauswahl die Eckpfeiler, nach denen man seine Strategie und Taktik ausrichten soll? In welchen Stadtbezirken soll man seine ersten Siegel platzieren? Soll man schnell oder langsam mit seiner Zille die Donau abwärts fahren? Soll man den anderen vorauseilen, im Pulk fahren, oder darf man auch ungestraft hinterherschippern?

Als Neuling ist man hier selbstverständlich überfordert. Aber selbst für die ersten Spielwiederholungen – die am Westpark ja ziemlich selten sind – gibt es kein (vorsichtshalber ausgedrückt „kaum“) Licht im Dunkel des Züge-Tunnels. Zu vielfältig sind die Angebote und zu unmessbar klein die Unterschiede innerhalb der verschiedenen Vorteile.

Als gewiefter Spielmeister hatte Moritz selbstverständlich einen Plan. Die anderen hatten noch keinen, aber weil Moritz Startspieler war, konnten sie ihm problemlos alle Züge nachmachen. Sogar mit Vorteilen, weil man beim Schippern mit seiner Zille die anderen Ziller überspringen darf. Dafür war Moritz mit seinem zweiten Zug wieder an der Spitze und engagierte sich mit seinem Siegel beim Münzmeister, wodurch er im weiteren Spieleverlauf bei jeder Geldaktion noch eine zusätzliche Münze bekam. Walter schien das ein gewaltiger Vorteil zu sein und er moserte über den nicht ausbalanzierten Startspieler-Vorteil. Doch trotz dieses und jenes späteren ebenfalls phantastisch guten Zuges wurde Moritz nicht Erster. Er hatte ein unglückliches Mix von Bonuskarten gezogen.

Günther moserte nicht, machte auch keine besonders genialen Züge, aber er wurde Erster. Ja, ja, es ist nicht leicht auszumachen, was in „Ulm“ die gewinnbringenden Züge sind.

Einige Elemente haben wir überhaupt nicht genutzt: Kein einziger bekam das Privileg, sich neue Spatzen zu gebären. Zu schnell waren wird über die ersten Donaufelder hinweggeschippert. Kein einziges Mal legte ein Spieler ein Siegel, um dafür ein Wappen zu erhalten. Hier erschien allen der Bezirk hinter der Stadtmauer als viel lukrativer. Wäre es doch besser gewesen, langsam zu fahren und das Spatz- sowie das Wappen-Potential an Land zu ziehen? Wer weiß. Von uns wird es wohl keiner mehr erfahren. Vielleicht aber haben andere Spiele-Wissenschaftler diese Geheimnisse schon längst entschlüssel. Aber wenn man das hat, dann kann man – unserer Einschätzung nach – Ulm vollends links liegen lassen.

WPG-Wertung: Günther: 7 (fast 6, möchte es noch häufiger spielen, um es besser kennen zu lernen), Moritz: 5 (unplanbar, es gibt viele schönere Spiele am Fluß, z.B. Egizia; das Thema ist nur im graphischen Design vorhanden, in den Mechanismen überhaupt nicht; das Spiel hat weder mit Ulm noch mit dem Bau einer Kathedrale etwas zu tun. Die Papp-Kathedrale hat in Essen die Besucher angezogen: „Ujj, das müssen wir uns kaufen.“ Und hinterher ist das ein kontraproduktives Element, das für einen Teil der Spieler die bildliche Spielhilfe am entgegengesetzten Spielfeldrand verdeckt. Es fehlt total eine Punkteausschüttung für den Besitzstand am Ende. Dies dürfte nicht abhängig sein von den irgendwann mal zufällig gezogenen Bonuskarten, sondern das müsste als feststehende Regel mitgegeben sein; es gibt keine Strategie, die man einschlagen kann, deshalb wird das Spiel schnell spannungslos oder langweilig), Walter: 5 (fast 6, zu umfangreich in den Regeln, dafür zu minimal in den Effekten, kaum Interaktion, jeder spielt vor sich hin, repetitiv. 1 Sympathiepunkt für das runde Regelwerk, 1 Sympathiepunkt für die Einführung in die Stadtchronik von Ulm, und 1 Sympathiepunkt für das neuartige Zugauswahlverfahren. Bleiben aber trotzdem nur 5 Punkte für den spielerischen Eindruck).

2. “Weltausstellung”

Schon vor drei Monaten zum ersten Mal gespielt, aber erst letzte Woche beschrieben. Gleich heute für Walter die Wiederholung, für Günther und Moritz die Jungfernfahrt.

Ein Kampf um Exponate und um die Genehmigung, diese Exponate auch ausstellen zu dürfen. Aarons Seufzer vom ersten Mal: „Hat man Korn so fehlt’s am Winde, hat man Wind, so fehlt’s am Korn“ bewahrheitete sich auch in dieser Runde. Man hat massenweise Exponate der verschiedenen Kategorien, aber keine Genehmigung, oder man schwimmt in Genehmigungen, hat aber keine Exponate dazu.

Immerhin habe wir diesmal drei vollständige Sätze von Exponaten zusammenbekommen. Beim ersten Mal ist das keinem geglückt.

Günther wurde wieder Erster, also ist „Weltausstellung“ genauso wie auch „Ulm“ kein Glücksspiel“! Kleiner Taktik-Tipp: Für die erste Wertung sollte man nicht möglichst viele (ungenehmigte) Exponate zur Seite schaffen, sondern vielleicht nur ein oder zwei verschiedene, für die man aber zugleich auch eine Genehmigung erreicht. Damit kann man in den nächsten Runden versuchen, antizyklisch und damit konfliktfrei zu agieren. Denn der Kampf um Mehrheiten für die Genehmigung bindet nur unnötig viel Energie.

WPG-Wertung: Günther: 7 (bis 6, recht schön, schnell), Moritz: 7 (locker, nicht voll planbar, nicht länger als es sein muss), Walter: 7 (früher 6, schnell, erhebliche Freiheitsgrade, viel lockere Interaktion).

Februar bis Mai 2017: Gestern und vorgestern

Auch wenn unsere Seite zwischen dem 8. Februar und dem 17. Mai keine Sessions verzeichnet, hatten sich verschiedene Kreise doch noch mehrmals am Westpark zum Spielen getroffen. Entweder Krankheit oder mangelnder Musenkuss oder Urlaubsreisen oder Frühjahrsmüdigkeit verhinderte das Schreiben von Session-Reports.

Was noch an Notizen zusammengekratzt werden konnte, versuche ich hier jetzt unterzubringen.

1. “Alien Frontiers”

Alien Frontiers

Schönes stabiles Spielmaterial führt uns hinaus in den Weltraum. Goldmünzen und Silberquader unterstreichen die edle Ausstattung. Dazu gibt es noch 36 große dicke Würfel in sechs verschiedenen Farben, für jeden Spieler eine eigene Farbe. Die Spielausstattung verdient eine Eins.

Mit drei Würfeln fängt jeder Spieler an, würfelt und setzt die Würfel an die ungezählten aber abzählbar endlich vielen Baustellen, zu denen ihn die Augenzahlen (als einzelne Zahl, als Summer, als aufsteigene Folge oder als Zweier- oder Dreierpasch) berechtigen:

  1. beim „Solar Converter“ erzeugt man Treibstoff
  2. auf dem „Orbital Market“ tauscht man Treibstoff in Erze
  3. in der „Lunar Mine“ findet man kostenlos Erze
  4. auf dem „Shipyard“ bekommt man gegen Treibstoff und Erze Stück für Stück weitere Würfel bis zur Maximalzahl von sechs.
  5. beim „Colonist Hub“ erwerben wir uns kumulativ in mehreren Würfelschritten die Fähigkeit, auf dem „Maxwell Planeten“ eine neue Kolonie zu gründen; ein Dreierpasch erlaubt uns beim „Colony Construktur“ dies sofort zu tun; eine Sechs, ein Treibstoff und ein Erz erlauben uns an der „Terraforming Station“ das gleiche, allerdings muss man danach den benutzen Würfel in seinen Vorrat zurückgeben.
  6. am „Raider Outpost“ darf man Ressourcen von beliebigen Mitspielern stehlen. (Pfui!)
  7. bei „Alien Artifact“ bekommt man Privilegienkarten, die zusätzliche Resourcen oder Priviledigen einbringen, man darf einen Würfelwurf wiederholen, oder die Augenzahlen von Würfeln nach oben oder unten verschieben, ja sogar gegen Ressourcen eine beliebige Augenzahlen voreinstellen.

Soweit haben wir es bei „Alien Frontiers“ mit einem linearen Worker-Placement-Würfelspiel zu tun, ähnlich wie bei „Böhmische Dörfer“ von letzter Woche, nur ein wenig komplexer. Besonders auch die Würfel-Manipulationen mit Hilfe von Privilegienkarten potenzieren die verschiedenen Möglichkeiten eines gegebenen Würfelwürf. Darf man mit seiner Maximalzahl von sechs Würfeln würfeln, kommt es fast gar nicht mehr darauf an, was man konkret gewürfelt hat, praktisch jede Aktion ist möglich.

Walter hatte sich als erster alle seine sechs Würfeln erwürfelt – zusätzliche Würfel-Potenz gleich zu Beginn ist in Würfelspielen grundsätzlich ein erheblicher Vorteil. Im Folgenden schwamm er förmlich in Ressourcen, auch auf Grund – glücklich – zusammengestellter Privilegienkarten. Aaron und Moritz zogen zwar so schnell wie möglich nach, aber sie mussten schon eine ganze Weile der Potenz ihres Kontrahenten hinterhecheln.

Moritz war naturgemäß der erste „Raider“, er stahl Aaron vier Ressourcen und warf ihn damit mehr oder weniger in sein Steinzeitalter zurück. Es ist ja nur ein Spiel. Ein Würfelspiel.

Ach ja, es hat ja auch ein Ende und es gibt einen Sieger. Sobald ein Spieler seine vier Kolonisten auf den Kolonien des Maxwell-Planeten untergebracht hat, endet das Spiel. Gewonnen hat dann derjenige, der mit den Antagonismen Ausbreitung bzw. Konzentration seiner Kolonisten die beste Kombination erzielt hat.

Unsere Spielzeit von 1 Stunde und 10 Minuten (plus die Erklärungszeit von 50 Minuten) wäre angemessen gewesen, wenn es ein elegantes Kampfwürfelspiel gewesen wäre; so aber ist es lediglich ein früher oder später dröges Würfelgefummel um fast nix.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (nicht vergnüglich, zu wenig Interaktion), Moritz: 8 (unterhaltsames Würfelgefecht. [AbN: Ich habe vergessen, ob Moritz hier in seiner Bewertung das Wörtchen „kein“ eingefügt hatte oder nicht]), Walter: 6 (nach zuerst 5: wegen der hohen Würfel-Kombinierbarkeit. Man freut sich immerhin schon auf seinen nächsten Zug. Horst hätte ein Mordsvergnügen daran gefunden)

Warum ist „Verflixxt!“ besser? Weil es in 10 Minuten erklärt und in 20 Minuten gespielt ist.

2. “Flamme Rouge”

Flamme Rouge

Der Name bedeutet nicht etwa „Rote Laterne“, weder als Hinweise auf professionelle Liebesspiele, noch im Sinne des in irgendeinem Bereich Letzten (abgeleitet von den Rücklichtern des letzten Waggons eines Zuges), noch als inoffizielle Auszeichnung für den letztplatzierten Fahrer in der Gesamtwertung der Tour de France; der Name bedeutet „roter Wimpel“, das Symbol für den Beginn des letzten Streckenkilometers bei Radrennen.

Wir sind also Rennfahrer bzw. Manager eines Rennstalls aus zwei Fahrern. Mittels Bewegungskarten müssen wir unsere Fahrer über den Parcours bringen. Aus einem verdeckten Set identischer Karten für alle Spieler ziehen wir jeweils vier Karten mit Entfernungsangaben (Zahlen zwischen 3 und 7), wählen zwei davon aus, und ordnen sie unseren Fahrern zu, die in der aktuellen Runde um die entsprechende Anzahl von Feldern vorwärts ziehen. Die genutzten Bewegungskarten werden abgelegt.

Nach dem Ziehen wird der „Windschatten“ ausgewertet: Von hinten beginnend schließt jeder Pulk von Fahrern, der genau ein Feld hinter dem nächsten Pulk liegt, an diesen Pulk an. Dadurch entsteht ein neuer, gemeinsamer Pulk, für den jetzt ebenfalls geprüft wird, ob er nur ein Feld hinter dem nächsten Pulk liegt, und schließt gegebenenfalls an dieses an. Auf dieser Weise können – bei glücklicher Staffelung – die hinteren Fahrer nochmals ganz schön nach vorne katapultiert werden. Das ist auch nötig, denn der Satz von ausgeteilten Bewegungskarten reicht keinesfalls aus, den kompletten Parcours zu bestehen.

Fahrer, die nach der Auswertung vom „Windschatten“ vor sich ein freies Feld haben, das gilt insbesondere für den das Gesamtfeld anführenden Fahrer, bekommen eine zusätzliche Bewegungskarte („Erschöpfungskarte“) in ihr Set, das später leider nur zwei Felder vorwärts bringt. Damit wird der Durchschnitt der restlichen Kartenwerte in einem Set ganz schön nach unten gedrückt. Es ist höchste Taktik vonnöten, natürlich auch vom Glück bzw. von den Ambitionen der Mitspieler abhängig, seine Bewegungskarten so einzusetzen, dass einem möglichst viel Windschatten zugute kommt, dass man dabei aber keinesfalls abgehängt wird, und dass man erst spät, aber nicht zu spät in Führung geht und Erschöpfungskarten auf sich nimmt, wenn man mehr oder weniger vor dem Zieleinlauf steht.

Die einzuschlagende Fahrtaktik wird noch durch besondere Streckenabschnitte verkompliziert. Auf Bergstrecken darf ein Fahrer maximal fünf Felder vorwärts ziehen. Ordnet ein Spieler einem Fahrer eine höhere Bewegungskarte zu, so verfallen die überzähligen Felder. Außerdem zählt auf Bergstrecken kein Windschatten. Auf abschüssigen Strecken hingegen zählt jede Bewegungskarte als mindestens fünf Felder. Hier kann man sehr schön seine Erschöpfungskarten loswerden.

Jedes Spiel bringt neue Erfahrungen über gute und schlechte Renntaktik. Wer das Spiel schon häufiger gespielt hat, kennt die Probleme, wenigstens ein paar davon, die es zu vermeiden gilt. Wir haben das Spiel zweimal hintereinander gespielt, soviel Spaß hat es gemacht und soviel Ehrgeiz war geweckt, den zweiten Durchgang besser zu gestalten. Aber immer noch gab es böse Überraschungen. (Leicht und locker zu nehmen!) Die Spielregel empfiehlt sogar, erfahrenen Spielern schon vom Start weg eine oder zwei Erschöpfungskarten mehr in das Set zu geben. Aber so weit werden wir üblicherweise am Westpark mit Flamme Rouge (leider!) nicht kommen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (locker und schnell), Moritz 7 (das Spiel funktioniert und ist bezüglich richtiger Einteilung der Kräfte und taktischem Positionieren was Radrennen betrifft recht realistisch, ich mag Rennspiele mit Kartenmanagement), Walter 7 (wenn man sich hinterher über seine Fehler im Klaren ist und das nächste Mal – noch – besser spiele will, spricht das für die Herausforderung des Spieldesigns).

3. “Futschikato”

Peter hat das FF-Spiel letzte Woche beschrieben, fand es aber für müßig, dem Spiel wegen einer „nur“ 4er Runde Noten zu vergeben. Es sollte zu mehreren gespielt werden; bis zu acht Mitspieler sind vorgesehen.

Was die mehreren Mitspieler für Mehrwert bringen sollen, ist mir nicht klar. Aus einem Handset von maximal 5 Karten spielen wir eine Karte, die eine Runde überlebt, wobei unsere Handset dann immer kleiner wird, oder nicht überlebt, wobei wir dann eine neue Karten in unser Handset aufnehmen müssen. Wir haben aber keinerlei Einfluß darauf haben, welche Karte es ist.

Besonders wenn man nur noch wenige Karten in der Hand hat, geht der Freiheitsgrad gegen Null. Da kann man auch in einer größeren Runde noch lange frustriert vor sich hindümpeln, Karte vom Stapel ziehen, eine Karte ablesen und beten. Natürlich kann man in „Futschikato“ auch ein bisschen Schadenfreude für sich reklamieren, aber wenn das alles ist, der Rest aber Frust …?

WPG-Wertung: Aaron: 6 (vom Spielwitz ähnlich wie „Alien Frontier“, nur bedeutend kürzer), Moritz: 4 (für Friedemann Friese eher ein mageres Spiel, 15 Minuten lang Karten auf den Tisch legen …), Walter 5 (keine Strategie, nicht mal der Ansatz einer Strategie, geringer Spielwitz, absolut kartenabhängig).

4. “Weltausstellung 1893”

Weltausstellung 1893

Das Spielfeld besteht aus einem Rondell (Riesenrad) mit fünf Gebieten. In jedem Gebiet liegt eine – mehr oder weniger – zufällige Anzahl von Wertungskarten der drei Typen

  • Exponate
  • Einflussreiche Personen
  • Midway-Tickets

Jeder Spieler setzt reihum einen Pöppel in ein frei wählbares Gebiet, nimmt sich die dort liegenen Wertungskarten und legt von einem verdeckten Stapel drei neue Wertungskarten aus: eine in das Gebiet, das er gerade beackert hat, sowie je eine in die beiden benachbarten Gebiete.

Die Exponate werden bis zum Spielende gesammelt, müssen allerdings noch „genehmigt“ werden, um bei Spielende Siegpunkte zu liefern. Die eingesammelten Einflussreichen Personen müssen jeweils in der nächsten Runde gespielt werden und bewirken, dass man weitere Pöppel in definierte Gebiete setzen oder gegnerische Pöppel versetzen darf. Die eingezogenen Midway-Tickets bringen ihren Besitzern direkte Siegpunkte, zugleich geben sie die Anzahl von Schritten an, die der Rundenzähler fortschreitet: nach einer festgelegten Anzahl von Schritten wird eine Wertung ausgelöst.

Bei der Wertung werden aktuelle Mehrheiten an Pöppeln in den fünf Gebieten honoriert.

Die Herausforderung des Spieles ist es, bei seinem Zug seinen nächsten Pöppel in das optimale Gebiet zu setzen, wo die meisten und/oder kurz- mittel- oder langfristig lukrativsten Karten liegen, dabei seine Pöppel auf wenige Gebiete zu konzentrieren, wo man eine Mehrheit erzielen kann, und zugleich zu diversifizieren, um möglichst verschiedenen Exponante zu erhalten, deren Wert in der Schlusswertung quadratisch mit ihrer Verschiedenheit wächst.

Wenn zwischen Konzentrieren und Diversifizieren eine optimale Balance erzielt worden ist, kann man gewinnen. Wenn ein böser Mitspieler allerdings durch den Einsatz von Personenkarten die sorgfältig berechnete Balance zerstört, dann war’s wohl nix.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spiel ist rund, das Mitspielerchaos gefällt mir weniger, mit den Personenkarten wird das Spiel unkalkulierbar), Helmut: 8 (das Spielmaterial ist hübsch, die Spielmechanismen sind zwar bekannt, greifen aber gut ineinander; das Spiel ist schnell und man kann dabei denken), Walter 6 (Personenkarten mit Ärgereffekten, z.B: fremde Pöppel entfernen oder verschieben, sind für mich heutzutage ein NO-GO).

5. “Barracuda”

Barracuda

Auf dem Tisch liegen 12 Karten symbolisch für je eine Bar. Die Karten sind verdeckt, d.h. man weiß nicht, um welche Bar es sich handelt, insbesondere nicht, wieviel Pacht für sie Runde für Runde bezahlt werden muss.

Zu Beginn des Spiel wählt jeder Spieler eine der verdeckten Bar-Karten und „eröffnet“ sie, indem er die Karte umdreht und einen seiner Barkeeper darauf setzt. Hat er Glück, dann hat er eine „billige“ Bar eröffnet, die ihn pro Runde nur 1000 Dollar kostet, Wenn er Pech hat, muss er pro Runde das sechsfache berappen.

Jetzt ist das Spiel eingeschwungen und jeder Spieler darf in seinem Zug (nachdem er die Pacht bezahlt hat) folgende Aktionen ausführen:

  • eine neue Bar eröffnen: er dreht eine weitere Bar-Karte um, ist erfreut oder entsetzt über die demnächst zu zahlende Pacht, und sieht mit Bangen auf seine schwindende Barschaft.
  • sich bei einem Mitspieler als Kompagnon einkaufen: man bietet einem Mitspieler – einschließlich sich selbst – eine Summe Geldes, die man als Einmal-Betrag entrichtet, und setzt dann einen zusätzlichen Barkeeper in die bereits eröffnete Bar. – Die Pacht dafür zahlt weiterhin nur der Besitzer.
    Nimmt der Mitspieler das Angebot als Kompagnon nicht an, so ist zwar die gebotene Summe futsch, der Mitspieler muss aber die gleiche wie die gebotene Summe an die Bank zahlen.
  • eine fremde Bar übernehmen: man bietet eine Summe Geldes für die Übernahme einer Bank. Nimmt der Mitspieler das Angebot an, ist alles klar.
    Nimmt er es nicht an, so muss der die angebotene Summe zurückgeben, und – als “Schutzgeld” – zusätzlich noch einmal die gesammte Summe drauflegen
  • eine eigene Bar versteigern: alle Mitspieler bieten verdeckt eine Summe, der Höchstbietende bekommt die Bar. Es sei denn, der Versteigerer ist mit keinem Mitspieler-Gebot zufrieden, er bezahlt 1000 Euro “Renovierungsgeld” und die Bar wird geschlossen. Höchst risikoreich.

Jeder Spieler bekommt 50.000 Euro Startkapital. Hat man zufällig als erstes die 6.000-Euro Bar erstanden, so kann man das – wenn man keinen weiteren Pfennig mehr ausgibt – 13 Runden lang durchhalten. Dann ist man pleite. Aber natürlich eröffnet man eine zweite Bar, dann dauert das Spiel maximal nur noch 8 Runden. Versucht sich ein böser Mitspieler auch noch für eine zu geringe Summe als Kompagnon einzukaufen, ist man schon wieder Geld los. Das Spiel geht rasend schnell zu Ende.

Wir wurden alle blitzschnell unsere Barschaft los. Fünf Barkeeper hätten wir irgendwo unterbringen müssen. Ich weiß nicht mehr, ob es einem Spieler geglückt ist, oder ob wir vorher schon alle pleite waren. Oder haben wir hier irgend etwas nicht verstanden?

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu dritt nicht wirklich gut. [Peter hätte demnach noch keine Noten ermittelt bzw. veröffentlicht]), Helmut: 8 (eigentlich ein Bluff- & Verhandlungsspiel; ich begreife es aber noch nicht), Walter 5 (Thema verfehlt: Bars macht man auf, um damit Geld zu verdienen, aber nicht, um damit Geld loszuwerden).