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16.11.2016: Glück auf und ab

„Ich beurteile amerikanische Präsidentn nicht danach, was sie getan haben, sondern danach, was sie nicht getan haben.“ – Das wurde heute mit einem offensichtlich positiven Unterton gesagt. Kann man daraus schließen, dass alles, was amerikanische Präsidenten tun, eher mit einem negativen Anstrich zu versehen ist?

1. “Glück Auf: Das grosse Kartenspiel”

Aktionskarten-Auslage in „Glück Auf“
Aktionskarten-Auslage in „Glück Auf“

Das gleichnamige Brettspiel der Großmeister Kramer / Kiesling wurde von ihnen in eine Kartenspiel-Version umgemodelt. Die meisten Elemente des Brettspiels sind noch vorhanden. Wir schicken unsere Arbeiter (als Karten realisiert) aus, um uns aus den offen auf dem Tisch ausliegenden Aktionskarten die uns gefälligen und zueinander passenden herauszupicken:

  • Kohle-Karten als die Ware, die gehandelt wird.
  •  Waggon-Karten für einen beliebig langen Zug zum Transportieren der Kohle.
  •  Eine Lokomotiven-Karte für jeden Zug, um ihn in Bewegung zu setzen.
  •  Auftragskarten mit der Menge an Kohle, die ein Abnehmer haben möchte.
  •  Prämien-Karten, die für erfüllte Aufträge Zusatzprämien ausschütten
  •  Geschäftsziel-Karten, die im Prinzip genauso wie Prämien-Karten wirken. [Den high-sophisticated Unterschied zwischen diesen beiden Kartenarten mag mir mal ein Fachmann erklären.]
  •  Sonderkarten, die wie eine der oben beschriebenen Karten genutzt werden können, und die so etwas wie eine Timing-Option darstellen.

Natürlich müssen wir die Kohle auch auf unsere Waggons aufladen, und wir müssen sie beim Kunden ausliefern. Dafür gibt es weitere Arbeitsplätze, an denen wir unsere Arbeiterkarten ablegen müssen, um die entsprechende Aktion durchzuführen.

Wie beim „Glück Auf“ – Brettspiel dürfen wir auch beim Kartenspiel jeden Aktions- und jeden Arbeitsplatz beliebig oft belegen, auch wenn vor uns bereits Mitspieler hier aktiv geworden sind, und genauso wie dort kostet es hier immer mehr Substanz, je öfter eine Aktion vor uns bereits durchgeführt wurde: das erste Aktiv-Werden kostet 1 Arbeitskraft, das zweite Aktiv-Werden kostet 2 Arbeitskräfte usw.

Das Besondere an diesem Prozess ist, dass die lineare Erhöhung der „Kosten“ genau eingehalten werden muss, ich muss z.B. als Dritter an einem Arbeitsplatz genau drei einsetzen, und darf nicht vier Arbeiter einsetzen. „Wo ist das Problem?“ könnte man fragen. Dazu haben sich Kramer / Kiesling aber etwas Sinniges ausgedacht: Unsere Arbeiter-Karten sind nämlich paketiert: 5 mal ein 1-Arbeiter-Paket, 2 mal ein 2-Arbeiter-Paket und je 1 mal ein 3-, 4-, bzw. 5-Arbeiter-Paket steht jedem Spieler zur Verfügung. Arbeiter dürfen beliebig addiert werden. Das 5-Arbeiter-Paket z.B. kann ich aber nicht loswerden, innerhalb einer ganzen Runde nicht, wenn nicht vor mir an einem der Aktions-Plätze ein 4-Arbeiter-Paket liegt. Der erste Anschein einer großen Flexibilität bei der vorhandenen Stückelung trügt, vor allem auch deshalb, da die ausliegenden Aktionskarten untereinander innere Abhängigkeiten besitzen, weswegen eine mögliche Aktionskarte für uns evtl. gerade nicht nutzbar ist, dieser Aktionsplatz in der nächsten Runde aber schon eine andere Wertigkeit bekommen hat.

Und wie werden die Siegpunkte verteilt? Bei jeder Auftrags-Erfüllung werden alle benötigten Karten (Kohle, Waggons, Lokomotive und Auftrag) abgeräumt; der Spieler nimmt sie in seinen Auslieferungsstapel. Nach fünf Runden ist Spielende und jeder Spieler wertet seinen Auslieferungsstapel nach den darin aufgeführten Punkten und Sonderpunkten aus. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat gewonnen.

Günther kannte das Spiel, kannte und meisterte seine Herausforderungen am besten und gewann das Spiel. Moritz setzte alles auf eine Karte, d.h. auf das Abliefern mehrere Züge mit massig Kohle für mehrere Aufträge in der letzten Runde. Doch das Schicksal verwehrte ihm die letzte Auslieferung. Andernfalls hätte er seine Siegpunkte verdoppelt und Günthers Einlauf vielleicht sogar noch gefährden können.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (Rommé für Ruhrpottler, langweilig, das Ursprungsspiel ist besser), Günther: 6 (opportunistisch, antizyklisches Vorgehen ist die einzige Interaktion des Spiels), Moritz: 5 (nicht steuerbar, das Bietsystem ist langweilig bis blöd; meistens sind alle Aktions-Karten in der Auslage uninteressant, plötzlich kommt eine begehrenswerte Karte zum Vorschein, aber bevor man am Zug ist, ist sie schon wieder weg), Walter: 5 (Konkurrenz ist Fehlanzeige, autistisches Sammeln passender Karten, alles ist mehr oder weniger gut, am Ende eher weniger).

Das gleichnamige Brettspiel vom gleichen Autorenpaar bekam im Durchschnitt einen Punkt mehr.

2. “North American Railways”

Nachdem wir dieses seltene und seltsame Spiel von Peer Sylvester schon oft genug falsch gespielt und damit jedesmal seine ausgeklügelte Balance ausgehobelt hatten, wollten wir seinen Geheimnissen doch noch einmal auf den Grund gehen.

Diesmal wurde für die Aktien durchweg mehr eingesetzt als beim letzten Mal, sie gingen auch sehr viel langsamer weg, die Gesellschaften konnten sich lukrativere Strecken zulegen und diese auch noch länger nutzen, so dass es immer spannend blieb, wer wen wie hoch als Mitaktionär bei sich einsteigen ließ und wie gesellschaftsschädigend sich die Minderheitsaktionäre benehmen würden.

Das Spiel hat was! Man muss natürlich seine tief sitzenden Gewohnheiten als 18xx-Empire-Builder gänzlich beseite legen. Man muss das nur schwer berechenbare, eher schon chaotische Geschehen auf dem Aktien- wie Strecken-Tableau als schnäppchenhaft mit erheblicher Potenz zu Miesnickligkeit ansehen und so genießen wollen. Dann kann man es. Wenn das kapitalistische Glück nicht uns trifft, dann können wir dies innerhalb der Mehrheit der nicht-betroffenen Aktionäre leicht ertragen. Wenn dagegen ein miesnickliges Unglück einen Mitspieler trifft, dürfen sich alle bis auf einen darüber freuen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (1 Punkt mehr als mit unserem bisherigen falschen Regelverständnis, es kommt immer noch sperrig daher, und es besitzt unübersehbare Kingmaker-Effekte), Günther: 6 ([zu Aaron: “und dafür vergibst du 7 Punkte?!”]), Moritz: 6 (1 Punkt mehr, nicht mein Spiel, zu viele Punkte, an denen man gespielt wird, öfters auch eine langweilige Rechnerei, „Ihr wolltet halt alle mal wieder miesnicklig sein!“), Walter: 7 ([bleibt] trotz einfacher Regeln ist die Gewinnstrategie, sind Fragen über viel oder wenig, Geben oder Nehmen immer noch unbekannte Größen; das spricht doch FÜR das Spiel).

3. “Trans Europa”

Das kleine, fast unscheinbare Eisenbahn-Streckenbau-Spiel aus dem Jahren 2005 hat in all den Jahren, die wir es spielen, noch nichts von seinem Charme eingebüßt. 18 mal lag es bei uns bisher auf. Zum Warming-Up genauso gut geeignet wie als Absacker. Und von der Spieldauer her können es Kinder im Grundschulalter auch schnell noch einmal spielen, bevor es ins Bettchen geht.

Konkurrenz, Interaktion, Kooperation wie auch eigenes Süppchen kochen, Sich-Verstecken und wohlproportioniertes Sich-erkennen-Geben ist zu einem gelungenen, runden Spiel zusammenkomponiert worden. 2 bis 6 Spieler können sich gleichermaßen damit vergnügen. Und wer hat so sich ein hübsches Spiel ausgedacht? Natürlich ein Großmeister: Franz-Benno Delonge. Vor 9 Jahren ist er verstorben. Aber ganz gewiss hat er einen Platz im Paradies für die „Freude schaffenden Künstler der Menschheit“ gefunden.

WPG-Wertung: Keine Änderung für ein 8-Punkte-Spiel.

09.11.2016: „First Class“ im Orient-Express nach Azuchi

„Zwei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl liegt Hillary Clinton in den Umfragen klar voran. Während sie im Popular Vote an einem zweistelligen Vorsprung kratzt, hat sie auch im Electoral College eine relativ sichere Staatenkombination auf ihrer Seite. Donald Trump punktet derzeit in Ohio und Iowa, steckt aber in vielen republikanischen Staaten im Umfragetief, wodurch auch ein Erdrutschsieg Clintons plötzlich möglich ist.

Laut derzeitiger Prognose hätte Hillary Clinton 333 Wahlmänner hinter sich. Wenn man ihre sicheren und relativ sicheren Staaten zusammenzählt, liegt sie auch bereits bei 272 Stimmen und somit der Präsidentschaft. Das heißt im Klartext: Clintons Führung ist derzeit einzementiert. Nach drei desaströsen TV-Debatten und Sexskandalen am laufenden Band, ist es für Donald Trump zwei Wochen vor der Entscheidung aus eigener Kraft wohl kaum noch möglich, die Wahl zu gewinnen.

Wie schon erwähnt, bräuchte Trump wohl einen großen Skandal Clintons und fehlerhafte Umfragen, um noch Chancen auf den Wahlsieg zu haben. Derzeit hat er nämlich keine. Selbst, wenn alle (relativ) engen Staaten am Ende ihn wählen, gewinnt Clinton die Präsidentschaft.“

Warum müssen wir solchen und ähnlichen Schwachsinn monatelang über uns ergehen lassen? Hallo Fernseh-, Rundfunk- und Zeitungs-Journalisten, schreibt uns doch lieber jeden Tag ein Kapitel aus Grimms “Haus- und Kindermärchen”. Da wissen wir wenigstens, dass es am Ende immer ein Happy-End gibt!

1. “First Class”

Siegpunktleiste und Spielertableau in „First Class“
Siegpunktleiste und Spielertableau in „First Class“

Helmut Ohley kommt vom Erfinden von Brettspielen zum Thema Eisenbahnen einfach nicht los. Bei Luding sind schon 16 solcher Spiele von ihm aufgeführt. Er ist immer noch auf dem Höhepunkt seiner Zeugungsskraft und bringt jedes Jahr ein neues Kind in diese unsere Spielewelt. Vor zwei Jahren waren es die „Russian Railroads“ und letztes Jahr eine deutsche Variante davon „Russian Railroads: German Railroads“. Dieses Jahr erhielt das Kind mal wieder einen neuen Namen: „First Class“. Gemäß Spielanleitung sind wir mit dem Orient-Express unterwegs.

„Brettspielpoesie“ schrieb über „Russian Railroads“, das 2014 mit dem „Deutschen Spielepreis“ ausgezeichnet wurde: „Ein großartiges Workerplacement-Spiel mit vielen verschiedenen Strategien, welche richtig eingesetzt zum Sieg führen können.“ Diese Charakterisierung trifft auf alle Spiele von Helmut zu. Ganz ehrlich! Aber wie lang hält eine Begeisterung an, wenn sich das auslösende Objekt immer nur wiederholt? Wie lange können wir uns über Sachertorten freuen, wenn jeden Tag eine neue auf den Tisch kommt? Wieviele Nächte können wir die Freuden eines Harems genießen, wenn die freudevollen Mechanismen doch immer nur ähnlich oder gleich sind?

„First Class“ hat zweifellos viel Ähnlichkeit mit den „Russian Railroads“.

  • Jeder Spieler baut an zwei (drei) Zügen (Strecken), dargestellt durch Karten (Klötzchen), verlängert sie, erhöht die Wertigkeit der einzelnen Waggons (Gleisabschnitte), und bekommt dafür Punkte, wenn der Schaffner in den Waggons entsprechend vorwärts gegangen ist (wenn die Lokomotiven die entsprechende Reichweite bekommen haben). – In Klammern steht hier kursiv jeweils die entsprechende Terminologie aus RR.
  • Hat hat die Anzahl der Waggons (Gleisabschnitte) eine bestimmte Länge erreicht, werden Bonuspunkte ausgeschüttet.
  • Analog der Industrien in RR bauen wir eine separate Strecke für unsere einzige Lokomotive und lassen uns auf ihr mit direkten einmaligen sowie kumulativen wiederholten Prämien überschütten.
  • Anstatt wie bei RR mittels fünf Arbeitern auf dem Worker-Placement-Tableau unsere Aktionen zu wählen, liegen bei “First Class” die möglichen Aktionen als Kärtchen offen auf dem Tisch; jeder Spieler darf reihum dreimal eine daraus auswählen, an sich nehmen und sofort die entsprechende Aktion ausführen.
  • Wie bei RR gibt es Doppler-Kärtchen, mit denen wir die Siegpunkte für Waggons bzw. die Prämien für Lokomotiv-Felder verdoppeln dürfen. Sehr empfehlenswert, fast schon der Winning-Move.
  • Es gibt Geld, mit dem wir Zusatzaktionen finanzieren können, d.h. uns neue Waggons zulegen oder Schaffner bzw. Lokomotive zusätzlich bewegen dürfen.
    Zusammen mit den Bonus-Effekten beim Überschreiten der Waggonanzahl bzw. beim Erreichten von Bonus-Feldern mit unserer Lokomotive können wir dadurch richtig lange Kettenzüge entstehen lassen und ausgiebig darin schwelgen, während unsere Mitspieler entsprechend lange zuschauen und ggf. lange Gesichter machen. – Das machen sie aber nur bedingt, weil ihnen unser Gehabe und unser Besitztum nicht besonders zu Herzen geht. Jeder ist viel mehr auf sich selber konzentriert, plant seinen eigenen mobilen Ausbau, und freut sich auf die nächsten Punkte, die unweigerlich mit seinem nächsten Zug auch ihm zugute kommen werden.
  • In zwei Zwischenwertungen und einer Schlusswertung wird das individuelle Besitztum mit Siegpunkten honoriert.

Alles schön und gut, alles gekonnt durchkonstruiert, alles ausbalanziert. Alles trägt die Handschrift eines begnadeten Eisenbahn-Brettspiele-Erfinders. Bestes Material, klare, verständliche Spielregel, fast ein 10 Punkte-Spiel. So müsste es ein neugeborener Spieler des 21. Jahrunderts zweifellos bewerten.

Für (einen Großteil von) uns gilt allerdings zu „First Class“ genau das gleiche, was wir schon zu „Russian Railsroads“ geschrieben haben: Unbestritten ist es ein sehr schönes Spiel ist. Es ist rund und gibt jedem Spieler genügend Handlungsspielraum. Alles schwelgt in Siegpunkten, es gibt nur positive Effekte. Der Spielplan ist selbsterklärend, und wenn man die Symbole alle verstanden hat, ist jeder Zug leicht und durchsichtig. Zwei Stunden Spielzeit sind heutzutage keinesfalls mehr abschreckend und selbst bei den Grüblern am Westpark durchaus zu schaffen. Doch das Spiel hat auch Schwächen. …
Die größte Schwäche ist mangelnde Interaktion; sie beschränkt sich auf das konkurrierende Auswählen der Aktionskärtchen. Deren Wertigkeit ist aber so ausbalanziert, dass es sogar kaum lohnenswert ist, sich – fast kostenlos – die Startspieler-Karte zu reservieren. Der Rest ist ein solitäres Aufbauspiel.

Wie bei RR widersprach Günther auch hier heftig jedem einzelnen dieser Kritikpunkte. Für ihn ist halt jede Haremsdame immer wieder ein neuer, ungetrübter Genuss. Gott erhalte ihm diese Begabung!

WPG-Wertung: Aaron: 6 (viel zu viel [ungeliebte] Puzzelei; bei RR ist die dynamische Entwicklung der Siegpunkte und Prämien klarer und übersichtlicher), Günther: 8 (übersichtlich, [hübsches] Fiebern beim Auswählen der Aktionskärtchen, viele Wege führen nach Rom), Horst: 8 (ein „gutes“ Spiel [im Sinne von Barmherzigkeit], alles wird honoriert, man muss sich anstrengen, keine Punkte zu kriegen), Walter: 7 (aus dem déjà-vu-Gefühl heraus eigentlich nur 6 Punkte, schnell, dynamisch wachsende Siegpunkt-Ausschüttung, was aber nicht darüber hinweg täuschen soll, dass „die Tauben auch immer nur dorthin fliegen, wo schon welche sind“).

Für Genies und andere scheint es offensichtlich ein größerer Genuss zu sein, ein Leben lang „18xx“ und davon abgeleitete, fern oder nahe verwandte Spiele zu erfinden, als für alte Hasen, selbige ein Leben lang zu spielen.

2. “Azuchi Castle”

„Die Sengoku-Era: Die Autorität der Zentralregierung war geschwächt und die Lokalherren ringen um Macht. … Als der Kriegsherr Oda Nobunaga im Kyoto ankam, hofften die Menschen, dass nur endlich Frieden einkehren würde. Oda wollte das Land vereinigen, indem er die Regierung umstrukturierte und die alleinige Macht wieder in die Hand des Kaisers legte.“ – Mein Gott, diese Einleitung in der Spielregel hat mit “Azuchi Castle” genauso wenig zu tun wie die US-Wahlprognosen mit dem Wahlausgang.

Drei Aktions-Karten liegen offen auf dem Tisch mit den Aktionsmöglichkeiten:

  1. einen Rohstoff in den Farben grau, braun oder schwarz zu bekommen,
  2. einen Rohstoff aus einer beliebigen Farbe in einen anderen Rohstoff umzutauschen
    oder
    zwei beliebige Rohstoffe gegen eine Münze oder einen Zusatz-Arbeiter einzutauschen,
  3. eine Verteidigungskarten zu nehmen.
    Wofür die ist, das kriegen wir später.

Natürlich liegen in der Regel nicht drei verschiedene Aktionskarten aus, statistisch gesehen sind nur zwei davon verschieden. Wir können schon glücklich sein, wenn wir überhaupt eine davon gebrauchen können, denn ohne Besitz von Rohstoffen können wir auch nicht umtauschen, und wenn wir noch keine Siegpunkte auf dem Konto haben, brauchen wir auch keine Verteidigung. Ebenfalls macht es nicht gerade fett, einen braunen Rohstoff so mir-nix-dir-nix in einen schwarzen zu verwandeln, oder umgekehrt. Freiheitsgrad in der Größenordnung von Null!

Zweimal dürfen wir eine der ausliegenden Aktionskarten auswählen (es wird jedesmal eine neue Karte aufgedeckt) und danach unsere beiden Arbeiter auf ihnen platzieren, sonst rollen die Rohstoffe nicht heran und ein Umtausch wäre auch nicht erlaubt. Für einen evtl. eingehandelten Zusatz-Arbeiter ist zunächst kein Platz. Eine ganze Weile lang nicht, und im Nu, nach einer kleinen Verteidigungsaktion ebenfalls nicht mehr. Sein Einkauf gegen zwei Rohstoffe war dann wohl etwas voreilig. Wenigstens verrostet der Arbeiter nicht, und eilig ist eh nix.

Nach den Aktionskarten wird eine einzige Ereigniskarte gezogen, die alle Spieler betrifft. Auch hier gibt es drei Möglichkeiten:

  1. drei verschiedenfarbige Rohstoffe können in 3 Siegpunkte umgewandelt werden,
    oder
    der Zusatz-Arbeiter kann in 2 Siegpunkte umgewandelt werden,
  2. eine Münze darf in zwei Siegpunkte umgewandelt werden,
  3. es erfolgt ein “Angriff”!
    Aha, dafür also die Verteidigungskarte: Wer eine Verteidungskarte besitzt und darauf einen Arbeiter platziert hat, bekommt Siegpunkte, andernfalls werden ihm welche abgezogen.

Anschließend wird alles wieder abgeräumt: Unsere beiden Aktionskarten kommen in den Orkus, eine verteidigt habende Verteidigungskarte ebenfalls. In der nächsten Runde fangen wir wieder ohne Besitztum von vorne an, suchen uns zwei Aktions-Karten aus, und lassen unseren Zusatz-Arbeiter weiterhin rosten. Falls wir inzwischen nicht die Nase von seiner Nichts-Tuerei voll haben und ihn bei einer passenden Ereigniskarte für zwei Siegpunkte über den Jordan schicken.

Wo ist der Witz? Fehlanzeige! Wo ist Gaudi? Resignierender Trost: „In unserem Alter verstehen wir solche Spiele halt nicht mehr!“ Das Spiel wurde in Essen 2016 als Geheimtipp gehandelt, Aaron war seinen geheimen Verführern erlegen und hatte es gekauft. 8 Euro darf man schon mal in der Isar versenken. Aber in Zukunft sollte man solche Freunde schon etwas genauer unter die Lupe nehmen.

Bei BGG steht über “Azuchi Castle” : „excellent quick game in an adorable little box“. Dem haben wir nichts mehr hinzuzufügen. Höchstenfalls: „lieber noch hundertmal mit dem Orient-Express First Class nach Istanbul.“

WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 3 (vielleicht sollte man nochmals die Regeln lesen! [Das hat aber leider auch keinen Mehrwert zutage gefördert], Walter: 3 (lieber noch japanische Burgen als amerikanische Präsidenten).

02.11.2016: Berechenbare Railroads und unberechenbare Railways

„Überhaupt ist im allgemeinen das hohe Spiel [um hohe Geldsummen] kein Gesellschaftsspiel. Was man auch sagen mag. ist doch niemand dem Verlust gegenüber völlig gleichgültig. Es ist nicht wegen dem Geld, aber es ist doch eine Art Demütigung, besiegt zu werden. Das verdirbt die Stimmung, anstatt dass man nur zum Zeitvertreib spielt. Ohne großes Interesse [Risiko] ist man ruhiger dabei; ich für meinen Teil hasse das hohe Spielen, es ist in der Gesellschaft eine Quelle von tausenderlei Unannehmlichkeiten.“
Maria Leopoldine, Bayerns letzte Kurfürstin

1. “Railroad Revolution”

Das Setztableau in „Railroad Revolution“ – Frage: Woran erkennt man, dass dieses Szenenfoto nachträglich geschossen wurde?
Das Setztableau in „Railroad Revolution“ – Frage: Woran erkennt man, dass dieses Szenenfoto nachträglich geschossen wurde?

Es geht um den Aufbau der Eisenbahnen auf dem US-amerikanischen Kontinent. Das Beiwort „Revolution“ im Spieltitel soll zum Ausdruck bringen, dass zeitlich gerade „die Eisenbahnrevolution begonnen“ hat, aber es ist eher eine ganz friedliche Evolution, die hier vor sich geht: Alle Spieler werkeln relativ unbeeinflusst voneinander an den verschiedensten Siegpunktquellen, die überall und für alle erquickend und labend ihren Segen hervorsprudeln. Wir bekommen sie für

  • Bahnhöfe, die wir bauen,
  • Gleisstrecken, die bis zum Pazifik reichen,
  • Lokomotiven, die in vielfältiger Form ihr Füllhorn ausschütten,
  • Engagement beim Telegrafennetz,
  • Erfüllung von Transportaufträgen.

Alles geht ganz einfach und reibungslos. Jeder darf jedes Feld mehrfach belegen, auch wenn Mitspieler schon vorher da waren. Fremde Bahnhöfe können beliebig an- und durchfahren werden. Alle bauen ihre Imperien mehr oder weniger über- und ineinander. Der Erste an verschiedenen Lokalitäten bekommt zwar einen Zusatzvorteil des Erstgeborenen, doch es gibt so viele Lokalitäten auf den Spielbrett, so dass jeder irgendwo für einen gleichwertigen Vorteil zum Zug kommen kann.

Bereits bei Spielbeginn sind wir im Besitz von allen Gleisen und Bahnhöfen, die wir benötigen. Ja noch viel mehr, als wir benötigen. Wir können beliebig viele Teile unserer Gleise und Bahnhöfe zu immer mehr steigenden Preisen an die Bank zu verkaufen, um uns für unsere Bauvorhaben zu finanzieren. Gleise zu legen und Bahnhöfe zu bauen kostet dann Geld. Auch für verschiedene Nebenaktivitäten ist es von Vorteil, eine gefüllte Börse zu haben.

Wir agieren mit Hilfe von Arbeitern, von denen wir jeweils einen auf den vier möglichen Aktionsfeldern unseres Spielertableaus einsetzen, um dann die entsprechende Aktion durchzuführen, also Gleise legen, Bahnhöfe bauen, Telegrafen errichten, unser Besitztum veräußern und nebenbei auch ggf. Transportaufträge erfüllen.
Unter den Arbeitern gibt es brave weiße (politically correct) Alleskönner, und verschiedenfarbige Spezialisten, die alles besser können, d.h. zusätzlich zu ihrer normalen Tätigkeit für uns noch einen Bonus herausholen, z.B.:

  • zusätzliche Geld-Ausschüttungen
  • Rabatte bei Anschaffungen und Baukosten
  • die Füllhörner unser Lokomotiven zum Ausschütten bringen
  • an der operativen Stelle das Erstgeburtsrecht nochmals in Anspruch nehmen, auch wenn wir erst der Zweite oder Dritte sind
  • und vieles mehr.

Mit Alleskönnern fangen wir an, die Spezialisten laufen uns automatisch zu, wenn wir bestimmte Bahnhöfe gebaut oder erreicht haben. Für einen Batzen Geld kann man auch welche kaufen. Das rechtzeitige Zulegen von optimalen Spezialisten und ihr taktisch richtiger Einsatz auf den verschiedenen Aktionsfeldern gehört unbedingt zu einem erfolgreichen Spiel.

Die „Lokomotiven“ heißen nur so, weil ein entsprechendes Bild daraufgedruckt ist. Ansonsten sind sie reine Füllhörner, die zum einen in der Endabrechnung Siegpunkte bedeuten, zum anderen im Laufe des Spiels ständig wie ein Tischlein-deck-Dich genutzt werden können, um

  • neues Geld zu beschaffen,
  • neue Aktien zu beschaffen,
  • billige Gleise zu legen,
  • auf der Faktor-Leiste vorwärts zu schreiten. (Damit wird bei Spielende unser Besitz an Strecken, Bahnhöfen und Telegrafenbüros multipliziert, wenn daraus die Siegpunkte berechnet werden).

Mit Lokomotiven können auch weitere Lokomotiven aktiviert werden, so dass man sich eine ganze Maschinerie von Füllhörnern zusammenstellen kann, die bei jedem Zug allesamt in Aktion geraten und ihre Wohltaten ausspucken. Besonders Günther, der das Spiel schon einmal gespielt hatte, kannte diese wunderbare Einrichtung, und da er von Natur aus ein glückliches Händchen für einen solchen Maschinenbau besitzt, dauerten seine Zug messbar länger als die der Mitspieler und brachten spürbar mehr Früchte zum Vorschein. (Aber das sind wir von ihm ja schon gewohnt.)
Was gibt es noch zur „Railroad Revolution“ zu sagen? Das Spielmaterial ist hochwertig (so etwas haben wir schon lange nicht mehr erwähnt), die Regeln sind auf 16 Seiten sehr sauber und klar dargelegt, es ist alles rund und schön, niemals gibt es einen Engpass, alles ist konstruktiv und erfreulich, nirgends fließt Schweiß, alles wird dick und fett honoriert, die einzige Enttäuschung kann sein, dass man in Nachbars Garten hineinschaut, und dort alles noch viel üppiger blüht und gedeiht.

Wer Lust hat, kann sich dann hinterher in sein stilles Kämmerlein begeben und eine umfangreiche Tabellenkalkulation ansetzen, welche der vielen Siegpunktquellen bei der „Railroad“ am stärksten sprudelt bzw. wie man sie am stärksten zum Sprudeln bringen kann. (Siehe Günthers Lokomotiven-Maschinerie!) Keiner wird einem beim nächsten Mal in die Quelle pinkeln. Es gibt keine Brunnenvergiftung. Es geht alles nur aufwärts.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (mag Puzzle-Optimiererei grundsätzlich nicht, deshalb auch nicht „Railroad“; dabei ist „Railroad“ in dieser Beziehung aber besser als so manches andere Spiel dieser Gattung, in jeden Fall aber zu „lieb“), Günther: 8 (schwelgt in solchen Aufbau-Maschinerien; es ist nicht ausgeschlossen, dass „Railroad“ nach dem fünften Mal ausgelutscht ist, aber so oft spielen wir es am Westpark ohnehin nicht), Moritz: 5 (Solitär-Puzzle, hinten und vorne fehlt Konkurrenz, ein Spiel, bei dem man vier Stunden den [immer gleichen] Spielplan anschaut und danach optimiert, keine flexible Reaktion nach Art der Rosenberg-Puzzles erforderlich), Walter: 6 (alles passt, alles sauber austariert, schlussendlich aber viel zu lange und dann im Endeffekt auch repetitiv; hat als gefühlsmäßig agierender Spieler keine Lust, längerfristig immer nur darauf zu warten, bis alle Mitspieler ihre optimierten Züge durchgerechnet und durchgeführt haben.)

2. “North American Railways”

Eine ganz andere Art von „Eisenbahn-Aktienspiel“ wird hier geboten. Schon am 4. und 11. Februar vorigen Jahres lag der Prototyp zweimal zu unserer Begutachtung auf, jetzt im fertigen Produkt hat sich außer am Material nichts Erkennbares geändert. In dem gewohnten Dreier-Rhythmus von Eisenbahn-Aktien-Spielen

  • legen wir uns Aktien der verschiedenen Gesellschaften zu,
  • bauen wir das Streckennetz der Gesellschaften aus,
  • kassieren Einnahmen für die Gesellschaften und verteilen es an die Aktienbesitzer.

Im Gegensatz zu allen Mitgliedern der 18xx-Familie

  • dürfen wir pro Runde nur eine einzige Aktie erwerben,
  • können wir keine beliebige Aktie erwerben, sondern nur die unterste aus einer der vier Kolonnen, in der alle vorhandenen Aktien zufällig ausgelegt werden,
  • können wir die ausgewählte Aktie nicht sicher kaufen, sondern lediglich für die ausgewählte Aktie einen beliebigen Preis bieten; der Präsident entscheidet dann, ob er uns diese Aktie überlässt oder ob er sie für diesen Preis selber kauft,
  • können wir keine Aktien verkaufen,
  • wird man Präsident einer Gesellschaft, wenn man mit der neu-gekauften Aktie schon gleichviel Aktien hat wie irgend ein anderer Spieler,
  • wird ein Streckennetz nicht über verbundene Schienen dargestellt, sondern ist eine lose Sammlung beliebiger Städte,
  • entscheidet nicht nur der Präsident einer Gesellschaft über ihren Streckenausbau, sondern jeder Spieler, der an einer Gesellschaft beteiligt ist, darf mit ihrem Gesellschaftskapital auf den Markt gehen. Vor allem für miesnickelige (= scharf kalkulierende) Minderheitsaktionäre ist es selbstverständlich, von den flüssigen Mitteln ungeliebter Gesellschaften “schlechte” Städte zu kaufen, um so ihren Kurswert für die Endabrechnung auf niedrigstem Niveau zu halten,
  • wächst der Kurswert einer Linie nicht in positiver Relation zu ihrem Einkommen, sondern gerade gegenläufig dazu: je mehr Einkommenszuwachs eine neu hinzugenommene Stadt generiert, desto weniger steigt der Wert der Gesellschaft, der erst bei Spielende in Ansatz kommt.

Alles ist hier unwägbar.

  • Welche Gesellschaft soll ich zu Spielbeginn kaufen, wenn ich die erste Aktie einer Gesellschaft noch sicher erwerben kann? Eine Gesellschaft, von der in nächster Zeit voraussichtlich noch mehr Aktien auf den Markt kommen (aus dem unteren Bereich der Kolonnen), oder eine Gesellschaft, deren Anteile erst gegen Spielende käuflich werden?
  • Für wieviel Geld sollen wir Gesellschaften “floaten”? Für viel Geld, damit sich die Gesellschaft ein hübsches Streckennetz aufbauen kann, oder für wenig Geld, weil es ja unser eigenes Geld ist, das wir hinlegen müssen, mit dem die Gesellschaft u.U. wegen der staatlichen Abschöpfung beim Gesellschaftsvermögen und wegen der teuren Preise aber neben dem Mindesteinkommen kein weiteres Einkommen generieren kann.
  • Wieviel Geld sollen wir einem Präsidenten für eine Aktien bieten

a) wenn wir damit die Präsidentschaft übernehmen können?
b) wenn wir uns damit nur an der Gesellschaft beteiligen, ohne selber Präsident zu werden?

Das ist halt das übliche Dilemma eines Aktien-Kuhandels. 18xx-Fans müssen sich erst an das deutlich andere Gehabe der “North American” gewöhnen. Wir spielen kein 1830!

Heute gingen alle Aktien zu ungemein niedrigen Werten weg. Das hatte zur Folge, dass die Gesellschaften ständig unter Liquidität litten und sich in einigen Streckenrunden keine einzige Stadt zulegen konnten. Bald waren alle Aktien vergeben, aber nur ein Bruchteil der Städte angeschlossen. Offensichtlich haben wir – ökonomisch – etwas falsch gemacht!

Günther hatte seine Start-Gesellschaft für den niedrigst-möglichen Wert von 100 Dollar gefloatet- Von der gleichen – von uns ungeliebten – Gesellschaft lagen gleich noch drei weitere Aktien an den untersten Stellen der Aktien-Kolonnen. Aaron bot sie Günther der Reihe nach für jeweils nur ein billigstes Geld an. Hintergedanke war, dass auf diese Weise die Linie am Ende nur äußerst mager ausgestattet sein sollte. So war es auch. Günther konnte mehrere Runden lang mit seiner Gesellschaft nur das Garantie-Einkommen von 100 Euro für den Präsidenten einfahren. Etwas frustrierend für ihn und zur Freude seiner Mitspieler. Doch in „North American Railways“ darf man sich nie zu früh freuen. Einige Runden später kaufte Günther noch zwei weitere Aktien seiner eigenen Gesellschaft zum jeweils vorgeschriebenen Maximalpreis, die Gesellschaft war auf einmal liquide und konnte sich – was gerade am Ende wichtig ist – geile Städte zulegen, die vor allem ihren Aktienwert steigen ließen. Es hätte fast noch zu seinem Sieg gereicht.

Aaron wurde Sieger, nachdem er Moritz, der auf eine tolle Gesellschaftsentwicklung hingearbeitet hatte, noch schnell ein Kuckucksei in die Wiege legen konnte, sprich dessen Gesellschaftskapital für läppische Einnahmen verpulvert hatte.

Es darf geschadenfreudet werden!

WPG-Wertung: Aaron: 6 (interessante Mischung von ungewohnten Mechanismen, leider ein wenig sperrig und wenig intuitiv in der Kombination), Günther: 5 (zuviel Zufall, zuviel erforderliche Überlegungen bei der Aktienpreis-Kalkulation, deren Nutzeffekt schlussendlich doch nur Zufallsentscheidungen unterliegt), Moritz: 5 (in einem Aktienspiel müßte man Aktien auch verkaufen können), Walter: 7 (lustig, das Spiel ist kein Optimierungsspiel, sondern eines, das man spielerisch angehen muss und bei dem man über die zu Tage tretenden seltsamen Effekte lachen darf. [Was wir schließlich auch getan haben.]

Nach dem – für 18xx-Freaks – etwas seltsam verlaufenem Spielende studierten wir nochmals das Regelheft, und siehe da, wir hatten einen gewaltigen Regelfehler begangen: Aaron hätte Günther nicht gleich drei Aktien der gleichen Linie hintereinander zum Erwerb anbieten dürfen, sondern, falls der Präsident diese Linie erwirbt, nur eine einzige. Dadurch war Günthers Geschäftsverlauf absolut anders, als er nach den Regeln hätte sein dürfen. – Alle nehmen wir unsere Wertungsnoten vorläufig noch einmal zurück.

Allein die Tatsache, das wir nach Spielende noch stundenlang bis weit in die Nacht über Strategie und Taktik bei der Auswahl der Aktien und dem optimalen Preis dafür diskutiert haben, ohne zu klaren Erkenntnis-Entscheidungen zu kommen, ist ein Zeichen dafür, dass das Spiel „etwas“ hat! Wir haben seine Geheimnisse noch lange nicht entschlüsselt.

26.10.2016: “Bessere Spiele der letzten Jahrgänge”

„Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ – Ein geläufiges Bonmot, dessen Urheber unbekannt ist. Für jeden redlichen Mathematiker ist darin enthaltene Wahrheit aber immer wieder eine traurige Erkenntnis.

Jetzt habe ich vier Tage lang daran gearbeitet, meine WPG-Statistiken auf Vordermann zu bringen. Zielsetzung waren Antworten auf die im Prinzip einfachen Fragen: Wieviele Spiele haben wir insgesamt gespielt? Wie oft haben wir die verschiedenen Spiele gespielt? Wann haben später dazugekommene Teilnehmer zum ersten Mal bei uns gespielt?

A & O der ganzen Geschichte ist natürlich eine eindeutige Schreibweise aller Spielenamen in allen unseren Texten: in der Rangliste, in den Session-Reports und in allen Kritiken. Was natürlich nicht gegeben war: Unterschiedliche Schreibweisen und jede Menge Schreibfehler machten aus der Harmonisierung der Namen (mit Luding als Eichmaß) eine wahre Sisyphus-Arbeit.

Und wie beim echten Sisyphus ist die Arbeit nicht beendet, sondern nur abgebrochen. Bei jedem später bemerkten Flüchtigkeitsfehler müsste man die statistischen Rechnereien nochmals von vorne anfangen. Irgendwann mal hatte ich die Nase voll davon!

Das nachfolgend aufgeführten Zahlen sind also falsch. Sowieso sind sie nur flüchtig und morgen schon überholt. Aber die Gesamtrichtung stimmt, auf eine Zahl mehr oder weniger, rauf oder runter ist, darauf kommt nicht an.

Insgesamt 1131 Spiele lassen sich in unseren Aufzeichnungen nachweisen.
Davon haben wir 798 Spiele nur einmal gespielt, 229 Spiele zweimal, 64 Spiele dreimal und 27 Spiele viermal.
Am häufigsten haben wir „Bluff“ gespielt: 243 mal, mit weitem Abstand folgt dahinter Flaschenteufel mit 37 Auftritten, „Zoff im Zoo“ mit 18, „Trans Europa“ mit 17 und „6 nimmt!“ mit 14.
Kurz dahinter folgt das noch recht „moderne“ „AbluXXen“, das 12 mal gespielt wurde und durchaus noch Chancen hat, als Absacker-Spiel auf unser Häufigkeits-Treppchen zu kommen.
Dass Peter mit „Cartagena“ am 15.04.2001 zum ersten Mal am Westpark dabei war, könnte man aus verschiedenen Indizien schließen, allerdings sprechen andere Indizien gegen diese Aussage. WPG-Internas bei der Informationsgewinnung.

Ich selber möchte mich persönlich aber auf alle Fälle noch zu den redlichen Statistikern zählen, denn ich habe meine obigen Zahlen klar und deutlich mit dem Zusatz hingeschrieben, dass sie nicht nur als falsch sein können, sondern sogar falsch sind!

1. “Krazy Wordz”

Kreative Geister bei „Krazy Wordz“
Kreative Geister bei „Krazy Wordz“

Schon im Vorfeld hatte Peter für den heutigen Abend um eine Auswahl an bewährten, neueren Spielen gebeten, die bisher an ihm vorbeigegangen waren. Zum Warming Up fingen wir dann mit dem Partyspiel „Krazy Wordz“ an. Zu vergebenen Begriffen müssen wir uns garantiert nicht-existierende Wörter ausdenken und hoffen, dass die Mitspieler die Zuordnung finden.

Die Regel für das „garantiert nicht-existierend“ sollte eigentlich eindeutig sein, ist es aber nicht. Auch dicht daneben liegende Falschschreibungen, sowie Eigennamen sind nicht erlaubt. Wenn wir heute nicht so bewusst locker in den Spieleabend eingestiegen wären, hätten es schon bei Moritz’ „Opah“ krachen können, „vor dem ihm seine Oma immer gewarnt hat“; denn hier schreit der wahre „Opa“ doch schon heraus. Selbst Walters „Vis“ als „persischer Herrschertitel“ ist nicht zulässig. Allerdings nur für persisch-literarisch Gebildete. Wer weiß im Abendland schon, das „Vis und Ramin“ ein persisches Liebesgedicht ist, viel fremdgeherischer als „Romeo und Julia“, und in dieser Hinsicht auch noch viel saftiger als „Tristan und Isolde“ …

WPG-Wertung: Die Neulinge von heute blieben genau im bisherigen WPG-Schnitt von 7.5 Punkten: Peter: 7 (OK, unterhaltsam, würde es mir aber nicht kaufen); Loredana: 8 (es hat mir gefallen, weil ich schon lange nicht mehr gespielt habe, es ist schnell und unterhaltsam, würde es noch einmal spielen).

Bemerkenswert: Unser Denker-Genie Günther wurde Letzter. Das nur zur intellektuellen Einschätzung von „Krazy Wordz“!

2. “Isle pf Skye”

Vor genau einem Jahr zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Moritz hatte sogar ein Video mit der Diskussion über unsere Notenvergabe gedreht, die Veröffentlichung aber zurückgezogen, weil Günther dagegen war. „Keine privaten Bilder in fremde öffentliche Kanäle!“

Wir ersteigern Landschaftskärtchen und werden für unseren ständig wachsenden Besitz in fünf Wertungssrunden mit Siegpunkten überschüttet. Wer recht schnell – zufällig oder gekonnt – zu einer blühenden Landschaft kommt, hat damit aber noch lange nicht gewonnen, denn ab der Mitte des Spiels ist ein führender Punktestand ein Handicap, für das die schlechter gestellten Mitspieler mit teilweise üppigem Einkommen entschädigt werden. Ein spieltheoretisch sehr gutes Regeldetail, auch wenn es ein Spieler sehr pejorativ mit „totaler Sozi-Scheiß“ apostrophiert hat. In einem guten Spiel sollte ja nicht nur der beste Kopf oder die glücklichste Hand einen Start-Ziel-Sieg hinlegen können, auch Spieler aus den hinteren geistig-unglücklichen Niederungen sollen noch eine Chance auf den Sieg haben oder sehen. Oder zumindest einen dicken Batzen Einkommen als Trostpreis auf ihrem Konto verbuchen können.

Warmduscher-Regel: Vernichte in jeder Runde das Beste Deiner gezogenen Landschaftskärtchen: dann kann es wenigstens auch kein Mitspieler nutzen (, hat sich darüber vielleicht aber längere Zeit den Kopf darüber zerbrochen)!

WPG-Wertung: Auch hier blieben P&L nahe beim bisherigen WPG-Schnitt: Loredana: 7 (es hat mir gefallen, weil ich schon lange nicht mehr gespielt habe, weniger schön ist die Abhängigkeit von den Interessen der Mitspieler), Peter: 6 (ich bin nicht so begeistert, mag das Mitspielerchaos nicht; gegen das Vorgehen der Mitspieler gibt es praktisch keine Mittel).

Unser Denker-Genie bekam einen Mittelplatz!

3. “AbluXXen”

Die Absacker-Zeit wurde eingeläutet, auch wenn es noch zwei Stunden bis Mitternacht war. „AbluXXen“, mit dessen taktischen Anforderungen Profi Helmut letzte Woche noch erhelbliche Schwierigkeiten hatte, sollte von zwei weiteren Geistesgrößen unter die Lupe genommen werden. Dabei hatte es die eine Geistesgröße Peter schon vor zwei Jahren für zu leicht befunden: „6 Punkte, weil ich ständig eine Straße hatte!“

Loredana trat eher in die Fußstapfen von Helmut: ihre Lernkurve ist noch längst nicht in die Nähe der waagrechten Asymptote gekommen. Heute haben wir ja auch schon nach zwei Durchgängen abgebrochen, weil den Verlockungen unseres Absackers Nr 1 einfach nicht mehr zu widerstehen war. „AbluXXen“ ist zweifellos ebenfalls ein Absacker, aber man muss dabei doch ständig geistig am Ball bleiben, sonst hat das Spiel überhaupt keinen Sinn!

WPG-Wertung: Loreana: 7 (das Spiel hat mit steigender Lernkurve viel Potenz nach oben).

4. “Bluff”

Ja, hier braucht man nicht ununterbrochen auf der Hut zu sein. Die Erhöhungen und Anzweifelungen der Mitspieler kann man ganz leicht und locker aus der Ferne ansehen, sie haben erstens nur einen geringen Einfluss auf die eigenen Entscheidungen, und falls dazwischen substantielle negative Auswirkungen stattfinden, sind zweitens meist nur die Mitspieler davon betroffen. Was kann man sich von einem echter Absacker mehr wünschen!

Peter: „Ein Abend ohne Bluff ist kein Spielabend.“

Im 1:1 Endspiel gegen Günther fing Peter mit 1 mal die Fünf an. Günther zweifelte an – und hatte gewonnen. Einer der vielen Vorteile der Immer-4-Strategie! Günther hätte sich mit seinem Anzweifeln sehr viel schwerer getan!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

19.10.2016: Exit aus der Rebellion

728, d.h. knapp 70% aller von uns bewerteten Spiele, haben wir am Westpark nur ein einziges Mal gespielt. Das wird von unseren Lesen zuweilen ja auch kritisch vermerkt. Doch damit haben wir nur einen Trend vorweggenommen, der brandaktuell auf dem Spielemarkt Einzug hält: Wegwerfspiele, die nur ein einziges Mal gespielt werden KÖNNEN, weil das Spielmaterial im Laufe eines einziges Spieles regelgerecht zerlegt werden muss: zerschnitten, zerrissen, verkrählert und durchstochen! Wirklich! Unweigerlich! Einem wahren Spieler zerreißt es das Herz, wenn er an sein nagelneues, bildschönes Spielmaterial Pinsel und Schere anlegen soll.

1. “Exit – Die Grabkammer des Pharao”

Exit – Grübeln im Quartett
Exit – Grübeln im Quartett

Genau dieses ist so ein Einmal-gebraucht-Wegwerf-Spiel. So steht es bereits klipp und klar auf der Schachtel: „Dieses Spiel kann nur 1 x gespielt werden.

Worum geht es? Vom Thema her sind wir als Reisegruppe in der Grabkammer des Tutanchamun eingeschlossen und müssen anhand von Hinweisen eines antiken Notizbuches den Stein von der Türe hinwegwälzen. Vom Spielablauf (euphemistischer Ausdruck) her müssen wir alle gemeinsam die sehr verdeckten und versteckten Rätsel eines Rätselheftes lösen, bis wir schlussendlich die richtige Lösungsnummer gefunden haben.

Die Aufgabenstellungen sind „geistreich“, nicht Bücherwissen wird abgefragt, sondern die Findigkeit, aus den vagen Andeutungen in der Spielanleitung und aus dem rätselhaftem Material, das wir uns im Zuge der Lösungsfindung angeeignet haben, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Exit – Die Lupe bringt es an den Tag
Exit – Die Lupe bringt es an den Tag

Zur Spielvorbereitung soll man das Rätselbuch und die Decodierscheibe auf dem Tisch bereit halten. Weiter heißt es in der Anleitung „Die seltsamen Teile lasst ihr zunächst in der Schachtel“. Einem findigen „Spieler“ sollte hier sofort das – nicht fett gedruckte – „zunächst“ auffallen. An keiner Stelle steht später, dass man weiteres, dringend gesuchtes Material aus der Schachtel holen soll. Aber wenn man das „zunächst“ im Hinterkopf behält – wenn ALLE Spieler diesen Text bedächtig und gedankenvoll gelesen und verinnerlicht haben – , dann fällt einem dieser Satz zu gegebener Zeit wieder ein, und man kommt auf den richtigen Gedanken.

Bei uns hatte zunächst nur Günther die Spielanleitung (vor)gelesen und von diesem Schlüsselsatz – einem von vielen – nur das Ende verinnerlicht: „Der Rest kommt in die Schachtel“.

Vehement stritt er später ständig ab, dass in der Schachtel vielleicht noch ein „blaues Original“ zu finden sein könnte. Erst nachdem wir uns zwanzig Minuten lang über dieses blaue Original vergeblich die Köpfe zerbrochen hatten, kam uns die Erleuchtung.

Exit – hier sieht man ihre Trümmer rauchen
Exit – hier sieht man ihre Trümmer rauchen

Überhaupt die Zeit! Es gibt eine Zeit-Tabelle, nach der jede Spielergruppe nach dem vollständigen Lösen der Exit-Regeln ihre eigene Leistung bewerten kann. Ein sehr anspruchsvoller Maßstab ist hier vorgegeben. Um die Höchstnote zu bekommen, müssen wir in 60 Minuten alle Rätsel gelöst haben und dürfen dabei keine einzige der 31 möglichen Hinweiskarten zu Hilfe genommen haben. Aber kann die Zeit überhaupt im Sinne des Erfinders sein? Sollen wir uns hektisch gegenseitig Anleitung, Regelheft und Zwischenmaterialien aus den Händen reißen, nur weil wir schneller als unsere Mitspieler den nächsten Lösungsschritt zu finden glauben? Ist es bei solchen Aufgaben nicht angemessener, sich in Ruhe und Kontemplativität hinzusetzen, die Aufgabenstellung als reizvolle, hübsche Gabe von Autor und Verlag anzusehen, und mit heiterem Genuss über der Lösung zu grübeln. Archimedes hat ja auch nicht mit Stress im Kopf und Stoppuhr in der Hand über den Auftrieb nachgedacht, sondern entspannt sein Bad genossen, bevor er mit seinem Heureka den betrügerischen Goldschmied an den Galgen brachte.

Unser superbegabtes, hochintelligentes fünfköpfiges Rateteam brauchte genau 2 Stunden und 8 Sekunden, um des Pudels Kern zu finden. Dabei benötigten wir 4 Hilfekarten: Note: 4 von 10 Sternen. Moritz war enttäuscht, Helmut erlöst, Aaron befriedigt, Günther erleichtert und Walter ging in den Keller, um eine neue Flasche Wein zu holen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (für den, der Knobeleien mag, ich mag sie nicht; ein „Spiel“ ist es nicht), Günther: 6 (ein unterhaltsamer Rätselabend; wenn das Spiel nicht meines, sondern Walters Eigentum gewesen wäre, hätte ich 7 Punkte vergeben), Helmut: 2 (schrecklich, grauenvoll, nicht zuletzt der zerstörerische Umgang mit dem Spielmaterial; da kaufen sich 5 gestandene Mannsbilder so ein Spiel, legen freiwillig alle Auflösungen unter die Kartenstapel und entscheiden gemeinsam, wann sie nicht mehr weiterwissen und drunterschauen müssen; in Zukunft können wir auch gemeinsam Kreuzworträtsel lösen), Moritz: 5 (als Rätsel-Kommunikations-Unterhaltung clever gemacht, unterhaltsam, aber kein „Spiel“; vermisst Konkurrenz; manches Spielmaterial sollte mehrfach vorhanden sein, damit es sich die Mitspieler nicht gegenseitig aus den Händen reißen müssen), Walter: 4 (1 Punkt mehr für die vielfältigen Design-Überlegungen, das Spielmaterial im Zuge der Lösung auch unbedingt kaputt machen zu müssen, 1 Punkt weniger, weil eine Lupe gefehlt hat).

Mit wachsender Skrupellosigkeit waren wir über das Spielmaterial hergefallen. Hammer, Schere und Dolch wurden immer unbedenklicher eingesetzt, bis am Ende von Seiten, Heft, Karten und Karton nur noch ein Schrotthaufen übrig geblieben war Der Seelenschmerz über die Zerstörung von nagelneuem, voll funktionsfähigen SPIELmaterial wurde mit den wachsenden Aufgaben und ihrer Endlösung immer geringer. Genauso wie beim Militär das Schießen auf Pappkameraden die Skrupel zum richtigen Morden abbaut. Oh KOSMOS, wieweit hast Du uns gebracht … ?

2. “Coup Rebellion G54”

Moritz begann aus der Spielanleitung vorzulesen: „Ziel des Spiel ist es, alle anderen Spieler zu eliminieren und als letzter Überlebender übrig zu bleiben.“ Aaron fiel erschrocken ein: „Noch ein Kooperationsspiel!“

Kooperation hin oder her, wir verdienen uns redlich Geld aus der Bank, rauben es unredlich von unseren Mitspielern, oder verteilen es auf gut christlich-kommunistischer Grundlage. Und wenn wir genug Geld beisammen haben, verdingen wir Mörder, die einen oder alle Mitspieler abknallen. Zwei Leben hat jeder Mitspieler, zweimal Geld gesammelt oder zweimal abgeknallt und schon hat die gute Seele ihre Ruh!

Die Effizienz unserer Geld-Sammel-Mörder-Aktionen wird durch Rollen bestimmt, in die wir dazu schlüpfen: Der „Banker“ bekommt gleich drei Geldeinheiten pro Zugriff, der gemeine Bürger nur eine. Ein „Guerilla“ muss mit vier Geldeinheiten bezahlt werden, er tötet auch nur das Leben eines einzigen Mitspielers. Der „General“ verlangt fünf Geldeinheiten, er verkürzt aber gleich alle Mitspieler um ein Leben.

Jeder Mitspieler bekommt zu Spielbeginn zwei feste Rollen zugeteilt, die kann ihm keiner streitig machen. Man darf allerdings auch bluffen und versuchen, in Rollen zu handeln, die einem nicht gehören. Die betroffenen Spieler dürfen sich auch wehren und bestreiten, dass man eine Rolle rechtens ausübt. Recht- und Unrechthaben wird ebenfalls mit Leben bezahlt. Zwei Leben sind schnell dahingegeben, das Spiel ist kurz.

Helmut hatte selber eine Banker-Rolle bekommen und bestritt sogleich die Banker-Rolle, mit der Moritz im ersten Zug drei Geldeinheiten einheimsen wollte. Moritz war aber tatsächlich ebenfalls Banker und Helmut war die Hälfte seiner Leben los. Gleich im nächsten, zweiten Zug schlüpfte auch Aaron in die Banker-Rolle und wollte drei Geldeinheiten auf seine Seite schaffen. Helmut zweifelte wieder an, doch auch Aaron hatte tatsächlich bei der Startaufstellung die dritte und letzte Banker-Rolle zugeteilt bekommen. Helmut war tot, bevor er auch nur einen einzigen Zug getan hatte. Darf so ein Verlauf in einem „vernünftigen“ Spieldesign enthalten sein?

Jetzt alle weiteren Aktionen aller Mitspieler anzuzweifeln und das Spiel schnellstmöglich zu beenden, wäre eigentlich spielerische Solidarität gewesen. Doch sowas ist heutzutage selbst am Westpark eine seltene Einstellung. Glücklicherweise ist das Spiel ohnehin schnell über die Bühne gebracht.

Moritz läutete eine zweite Runde ein, aber Walter war dagegen. Schneller Geld zu nehmen als die Mitspieler und sie schneller abzuknallen, das kann man doch keine abendfüllende Unterhaltung sein! Mit neuen, variableren Charakterkarten wurde die zweite Runde schmackhafter gemacht. Doch das Prinzip blieb unverändert.

Drei Wölfe waren im Nu erschossen, die Lämmer Aaron und Walter standen im Endspiel. Aaron war bekanntermaßen wieder Banker und bekam 3 Goldstücke pro Runde. Walter war nur Normalsterblicher mit 1 Geldstück pro Runde. Wer wird wohl schneller die nächsten Mörder bezahlen können? Alles nur eine Frage der Zeit. Aber wir waren ja klug und weise, wir konnten auch im Kopf extrapolieren und uns selbst diese kurze Zeitspanne noch ersparen.

Moritz war zwar der Meinung, durch legalen Rollentausch bzw. durch illegale Rollen-Usurpation hätte Walter noch eine Chance gehabt, doch darin hatte er ohne jeden Zweifel unrecht. Recht hatte er lediglich mit seiner Behauptung, dass Walter in solchen und ähnlichen Rollenspielen nicht lügen kann (Potenz-Defizit).

„Coup Rebellion G54“ ist nicht erkennbar anders als sein Vorgänger „Coup“. Es ist allerdings deutlich anders als „Hoax“ bzw. „Die Erben von Hoax“. Letzteres ist interaktiv, bluffig, kartenpflegerisch und man kann einen Gewinner-Coup vorbereiten, „Coup Rebellion G54“ ist so ziemlich das Gegenteil davon.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (ein bisschen fehlt der Pfiff), Günther: 4 (fand „Hoax“ früher mal gut [7 Punkte], ob er es heute noch gut finden würde, weiß er nicht, auf jeden Fall war es besser als „Coup“), Helmut: 4 (eine vorschnelle Bewertung für seine 2 Sekunden Spielzeit), Moritz: 8 (nur „Hoax“ ist 10 Punkte wert [tatsächlich!]), Walter: 3 (ich wüsste nicht, wie und warum ich es noch einmal spielen wollte; für Deduktion bin ich zu alt, der Rest ist zu trivial).

3. “Abluxxen”

Nachdem Helmut neulich in der 3er Runde noch keinen Eindruck von dem überaus breiten Witz dieses Spiels hatte bekommen können, durfte er es heute in einer 5er Runde kennenlernen.

WPG-Wertung: Helmut blieb mit 7 Punkten einen ganzen Punkt unter dem bisherigen WPG-Durchschnitt (ich habe hier eine geistige Blockade, ich kapiere es [noch] nicht).

05.10.2016: Lieber bairisch sterben

Nein, der Titel ist kein Schlachtruf vom Oktoberfest. Und der Gegensatz zum Eigenschaftswort „bairisch“ wäre nicht „preußisch“ sondern „österreichisch“. Es geht um einen der vielen Kriege, den die beiden bluts- und seelenverwandten Volksstämme miteinander geführt haben, und zwar die einheimischen rebellierenden Bauern gegen die kaiserlich-österreichische Besatzungsmacht.

Der offizielle bayerische Herrscher war Kurfürst Max Emanuel, der zwar in der offiziellen wittelsbacher Hofgeschichtsschreibung als Eroberer von Belgrad auch heute noch eine gute Presse hat, im Grunde aber nur ein draufgängerischer Wein-Weiber-Waffenheld war (wie halt die Militärs dieser Welt) und nach seinen vielen Draufschlägereien Bayern finanziell ausgeblutet ver- und hinterlassen hat.

In der Szenerie von „Lieber bairisch sterben“ spielt er mit seinen blauen Truppen auch nur am Rande mit. Hauptfiguren sind die gelben Kaiserlichen und die aufständischen roten (!) Bauern. Als Bauernführer sind sogar explizit ein paar, durch Münchener Straßennamen wohlbekannte Namen wie „Kidler“ und „Plinganser“ erwähnt. Selbst der Schmied von Kochel spielt mit, dem hundert Jahre nach der Schlacht am Sendlinger Berg eine eindrucksvolle Statue errichtet wurde, obwohl diese Figur nachweislich nur eine erfundene Sagengestalt ist. Wasser auf Walters Gebetsmühle: Politiker lügen, Journalisten lügen, Historiker lügen! Alle!

1. “Lieber bairisch sterben”

Ein bewegender Kurfürst
Ein bewegender Kurfürst

Schon vor fast dreißig Jahren – nach Spiele-Lebenszeiten-Maßstab eine urdenkliche Zeit – hat Karl-Heinz Schmiel die wirklichen oder möglichen Abläufe des bayerischen Bauernaufstandes zum Vorbild für ein historisches Kriegsspiel genommen. Die drei Gruppierungen Kaiser, Kurfürst und Bauern rekrutieren Truppen, ziehen sich gegenseitig bekriegend durch ober- und niederbayerischen Gefilde, und bekommen in jeder Runde nach ihrem jeweiligen Eroberungsstand Siegpunkte.

Die Demonstration der Geschichte ist hier aber nur Hintergrund. Der schon damals erfahrene, um nicht zu sagen geniale Spieleautor Schmiel hat die Grundidee mit einer Fülle innovativer Spielemente angereichert, so dass wir hiermit nicht nur KRIEG spielen, sondern vor allem auch Krieg SPIELEN.

Motor des Ganzen sind Chips, die wir Runde für Runde von der Bank kostenlos bekommen. Die Chips gibt es in den Farben der drei kämpfenden Parteien, und wir können beliebig wählen, für welche Partei(en) wir unsere Chips haben wollen. Beliebige Chips können in bares Geld umgewandelt werden, das für den Truppenunterhalt benötigt wird. Partei-spezifische Chips werden zur Truppenbewegung und zum Erwerb von Kampfkarten benötigt. Wer zudem bei Beginn einer Runde von einer Partei die meisten Chips hat, ist ihr alleiniger Lenker und bestimmt alle Aktionen ihrer Kriegsführung:

  • Steuern eintreiben und Sold auszahlen (das geschickt noch automatisch)
  •  Truppen rekrutieren und Truppen hochrüsten
  •  Truppen bewegen und Kämpfe auslösen
  •  Strategie und Taktik innerhalb der Kämpfe steuern
  •  Kampfkarten erwerben, für gewaltige Vorteile beim Kämpfen

Die Kämpfe werden über Manöverkarten und Würfel abgewickelt. Die Manöverkarten bestimmen, welche Einheiten (Reiter, Schützen oder Bauernhorden) schwerpunktmäßig den Kampf tragen, und ob man stürmt, schießt, sturmläuft oder sich zurückzieht bzw. das gegnerische Manöver als „Finte“ neutralisiert. Innerhalb des Kampfes entscheiden Würfel über die Anzahl von erfolgreichen bzw. abgewehrten Treffern, wobei für die verschiedenen Einheiten und für die verschiedenen Manöverarten unterschiedliche Auswertungen des Würfelergebnissen zum Ansatz kommen. Bauernhorden ohne Anführer haben die geringste Wirkung und werden mehr oder weniger leicht weggehauen, Reiter im Sturm oder Hassard (was immer das ist, bei Wikipedia findet man lediglich den Beispielsatz: „die kosacken ham immer einen sog reiterhassard durchgeführt, der darauf abzielte, mit den langen säbeln die köpfe der zuschauer abzusäbeln“) sind am tödlichsten.

Ein wesentliches Merkmal des Spiels ist die Asymmetrie. Jede Partei besitzt unterschiedliche Kriegsziele, d.h. unterschiedliche Städte, deren Besitztum sich in Siegpunkten bezahlt macht. Jede Partei hat unterschiedliche Verfahren, sich aufzurüsten und zu bewegen.

Die bemerkenswerteste Erfindung des Spiels ist der Wechsel bei der Führung der Parteien. Es geht nicht allein darum, mit seinen Truppen eine hervorragende Position zu erringen, man muss auch noch in den nächsten Runden die meisten Chips ihrer Farbe haben. Wenn man nämlich aus einer hervorragenden Stellung heraus die Führung abgeben muss, übernimmt der Nachfolger mehr oder weniger kostenlos die gesamte Substanz, braucht sich kaum zu bewegen, d.h. kaum partei-spezifische Chips auszugeben, und kassiert für das gleiche Besitztum die nächsten und übernächsten Siegpunkte. Umgekehrt, wenn man als Lenker einer Partei kein weiteres Interesse mehr an ihr hat, und auch schon ahnt, dass ein anderer Mitspieler begierig ist, sie zu übernehmen, dann kann man sie noch schnell an die Wand fahren, und dem Nachfolger, der seine Chip-Anforderungen bereits eine Runde vorher anmelden musste, einen Schrotthaufen am Ende der Welt überlassen …

Wie verliefen die Kämpfe diesmal bei uns? In der ersten Runde sicherte sich Helmut den Kurfürsten; ihm genügte als einzigem erfahrenen Baiern fürs Erste die Randfigur; er wollte seine Mittel für seine Überraschungscoups im späteren Spielverlauf schonen. Das wäre ihm sicherlich auch gelungen, wenn Aaron mit den Kaiserlichen nicht einen schrecklichen Vernichtungskampf um Regensburg geführt hätte und damit die Königlichen in der Oberpfalz, weit weg vom Herz des Geschehens, abgesperrt hätte. Walter bekam zu Beginn die Bauern, entfachte mit Hilfe der Mönche großflächige Aufstände im ganzen Lande und konnte mit der Eroberung von Burghausen auch gleich seinen ersten Siegpunkt erringen. Allerdings hatte ihn das soviel Mittel aus seiner Privatschatulle gekostet, dass er in der zweiten Runde die Bauernführung nicht mehr halten konnte. Aaron übernahm sie und vermehrte mit deren vorzüglichem Eroberungsstand seine eigenen Siegpunkte.

Walter bekam auch nicht die Kaiserlichen in seine Hand, hier verlor er im Tie-Break das Bieten gegen Helmut, und da er auch keinen besonderen Anreiz darin sah, seine geschrumpften Mittel bei den Mönchen zu verpulvern, musste er nun verantwortungslos dem Kämpfen seiner Mitspieler zuschauen. Allerdings steckt im Eine-Runde-lang-nur-zuschauen-Müssen nicht soviel spielerischer Frust, wie man das vermuten könnte. Es ist schon sehr spannend zu verfolgen, was die Mitspieler da auf dem Spielbrett veranstalten. Die Bewegung der Truppen und der Ausgang ihrer Kämpfe hat in jedem Fall Auswirkungen auf die eigene zukünftige Planung.

Der Kurfürst marschierte konsequent auf München zu und vertrieb daraus die Kaiserlichen. Die Kaiserlichen zogen sich freiwillig bzw. aus Angst vor ein paar zusammengerotteten Bauern auch noch aus Straubing und Landshut zurück; sie punkteten nur noch in Regenburg. Ihre Lenkung anschließend zu übernehmen, bedeutete, gutes Geld dem schlechtem hinterher zu werfen. Schlecht getimed, Walter!

Ach was gäbe es noch alles zu erzählen über das bairische Leben und Sterben. Dreieinhalb Stunden währte das fröhliche Abmurksen, ohne jegliches Zeter und Mordio unter den Mitspielern. Hinterher waren wir nicht geschafft, dafür gab schon währende des Spielablaufes viel zu viel zu bewundern, zu diskutieren und auch zu kritisieren. Aber zweifelos ist „Lieber bairisch sterben“ ein Kunstwerk! Schon etwas in die Jahre gekommen, aber immer noch unbestritten eine Großtat. Sollen wir bei der Venus von Milo monieren, dass sie keine Arme mehr hat, dass der Faltenrock verrutscht ist, und unter dem Kinn zwei Löcher sind. Schwamm drüber, genauso wie auch über die Ecken und Kanten in Schmiels „lieber bairisch sterben“! Für Beckmesserei ist das Spiel einfach zu genial.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (viele schöne Spielelemente, die auch heute noch beeindrucken; die Mechanismen sind locker, überschaubar, spannend und – überraschenderweise – nicht anstrengend; das Kampfsystem ist allerdings nicht stimmig, doppelt zufallsgesteuert mit zu vielen eingebauten Blockierungen; in dieser Beziehung ist „Friedrich“ sehr viel eleganter),
Walter: 7 (obwohl man eigentlich viele Dinge über mehrere Runden weg vorausplanen sollte, lässt es sich doch auch gut aus dem Bauch heraus spielen; für die grundsätzliche strategische Herausforderung sind leider zu viele, teils kleinlich-peinliche Zufallseffekte eingebaut),
Helmut: 10 (bei aller berechtigter Kritik besitzt das Spiel für den Jahrgang 1988 ein unglaublich innovatives Design, insbesondere der Wechsel in der Führung der Kriegsparteien. Dass wir manches für „unelegant“ halten, liegt einfach daran, dass wir 30 Jahre weiter sind. Es macht heute immer noch viel Spaß! Die vielen heterogenen Spielelemente greifen sehr gut ineinander. Meine Punkte enthalten auch einen Nostalgiebonus für das Lieblingsspiel aus meiner Jugend).

28.09.2016: Urlaub im Rokoko

Wir sind immer von Herzen froh, wenn wir ein schönes Spiel kennenlernen und in unserer Spielkritik eitel Lob und Honig fließen lassen können. Das Leben ist leider nicht immer so. Deshalb haben wir uns besonders gefreut, als uns vom urlaubenden Günther folgende Zeilen erreichten:

“Hallo, das diesjährige 2-Personenspiel Highlight in unserem Urlaub ist “7 Wonders – Duell”. Eine gute Prise Zufall, nicht zu lang, spannend. Schöne, auf das 2-Personenspiel angepasste Draftingmethode. Vorzeitige Gewinnmöglichkeiten durch Überlegenheit in Militär oder Wissenschaft erfordern ein ständiges Beobachten des Gegners.
Trotzdem genügend leicht und locker für ein gelungenes Urlaubsspiel! Ein echtes Highlight!

VIP Wilhelm schlug in die gleiche Kerbe:
Diese Einschätzung kann ich zur Gänze bestätigen. Auch ich halte “7 Wonders – Duell” für ein sehr gutes Zweierspiel – genau in der Art, wie Günther es beschrieben hast.
Und wo wir gerade dabei sind, kann ich meinerseits ebenfalls eine Empfehlung beisteuern, die mir und allen meinen (Viel-)Spielgruppen in letzter Zeit sehr positiv aufgefallen ist: “Costa Rica” (Lookout Games). Es ist ein glücksabhängiges Familienspiel (da höre ich den Münchner Westpark bereits kollektiv aufstöhnen), dabei aber spannend und ebenso kurz wie kurzweilig. Selbst in grübellastigen Runden sollte man nach einer halben Stunde fertig sein. Hauptspielprinzipien: Can’t Stop-Effekt und Set Collection. Auch gut zu fünft spielbar.

1. “Rokoko”

Szenerie im „Rokoko“
Szenerie im „Rokoko“

Als Deckbuilding-Spiel kündigte es uns Helmut an. Auch wenn dahinter Strategie stecken kann, was bekanntlich zu unseren Vorlieben zählt, ist es immer mühsam, in solche Spiele einzusteigen. Zu verstehen, welche Karten man aufnehmen und sammeln bzw. von welchen man sich zu welchem Zeitpunkt trennen soll, ist eine Wissenschaft für sich. Und ehe man dies halbwegswegs verstanden hat, ist ein Spiel schon vorbei. Und wenn man ein Spiel nur einmal spielt, was bekanntlich ja auch eine unserer Schwächen ist, ist das gesammelte Wissen höchstenfalls für eine post mortem Diskussion nutzbar.

Doch zum Glück ist „Rokoko“ kein „Deckbuilding-Spiel“. Wir fangen zwar alle mit einem Deck von Aktionskarten an und können es im Laufe des Spiel verändern, anreichern und ausdünnen, doch dieser Effekt geht im Grundrauschen der tausend Siegpunktquellen, die es an ungezählten Stellen im Spiel bereithält, völlig unter. Aaron assoziierte das Regelwerk nach Helmuts didaktisch vorzüglich aufgebautem Vortrag sogleich mit einer „Feld’schen Siegpunkt-Suppe“.

Drei Aktionskarten aus unserem Kartendeck dürfen wir uns für jede der sieben Spielrunden verdeckt auswählen. (Dabei müssen wir das Kartendeck wrap-around ausnutzen.) Reihum spielt jeder einzeln eine Karte aus und führt die entsprechende Aktion durch.

Alle Aktionskarten, selbst diejenigen, die wir uns im Laufe des Spiels erst aneignen, sind entweder Meister oder Geselle oder Lehrlinge im Schneiderberuf. Davon kann ein jeder:

  • auf dem offenen Markt Stoffe, Garn oder Spitzen einkaufen,
  • sind in den Ruhestand begeben, d.h. sich selbst aus dem Stapel der Aktionskarten eliminieren,
  • den Rokoko-Hof des Spielbretts gegen Geld mit Springbrunnen, Feuerwerk, Musikern oder Statuen beleben.

Der Geselle kann zusätzlich

  • Kleider schneidern und sie entweder verkaufen, um damit Geld zu machen, oder sie verleihen, um damit in den Sälen des Hofes auf Siegpunktefang auszugehen,
  • die “Gunst der Königin” empfangen, d.h. in der nächsten Runde Startspieler werden.

Der Meister kann weiterhin zusätzlich

  • Kollegen einstellen, d.h. eine der ausliegenden neuen Aktionskarten in sein Deck aufnehmen.

Jede einzelne der Aktionskarten hat noch weitere individuelle Nebeneffekte, wie Geldeinnahmen oder Zusatzaktionen. Nicht alle Meister sind gleich, genauso wenig wie alle Gesellen oder alle Lehrlinge.

Der Markt für Stoffe, Garne und Spitzen ist beschränkt, nicht alle Stoffarten stehen in unbegrenzter Menge zur Verfügung; vor allem unterscheiden sich die angebotenen Pakete auch in der Menge der zu kaufenden Objekte. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, muss allerdings auch mehr dafür bezahlen.

Die zu schneidernden Kleider sind in Stoffart und Appreturen genau vorgeschrieben. Außerdem liegen sie in einer fest vorgegebenen Reihenfolge vor. Wer ein Kleid aus den höheren Positionen dieser Reihenfolge fertigstellen will, muss zusätzlich noch eine Menge Geld dafür hinlegen.

Neue Kollegen einzustellen, ist (fast) in jedem Fall empfehlenswert. Wer zuerst tätig wird, muss auch mehr bezahlen. Alles ganz ausbalanziert. Der Vorteil, der Erste zu sein, ist mit feinen Sticheleien vergällt. (Nicht wirklich.)

Siegpunkte gibt es am Spielende

  • für die meisten und zweitmeisten verliehenen Kleider in jedem der fünf Säle des Hofes,
  • für die meisten und zweitmeisten veranstalteten Feuerwerke,
  • für verschiedenes Sonderbesitztum.

Wer sich in der letzten und vorletzten Runde mit der Aktion “Kollegen einstellen” einen der dort angebotenen “Prämien-Kollegen” zugelegt hat, bekommt zusätzlich massig (!) Siegpunkte

  • für sein übriges Garn und Spitze,
  • für bestimmte Kombinationen von verliehenen Kleidern,
  • für die Anzahl Aktionskarten in seinem Schluss-Kartendeck.

Alles liefert Siegpunkte, solange man bei einem Engagement der Erste oder der Zweite ist. Und weil alle Spieler nur eine begrenzte Aktionsreichweite haben, bleibt für jeden etwas übrig, wo er sich an die Spitze stellen kann.

Drei Mitspieler sahen vor lauter Siegpunktquellen kein Land mehr, nur Helmut hatte einen Peil und ging mit Strategie und Taktik seine Mehrheiten an. Nach drei (!) Stunden Spielzeit hatte er 83 Siegpunkte auf seine Seite gebracht, über 40% mehr als der Zweitplatzierte. Da er in jeder Runde auch mindestens einen neuen Kollegen eingestellt hatte und somit 4 Aktionen durchführen konnte, bekam er im Durchschnitt 3 Siegpunkte pro Zug. Viel oder wenig? Zumindest sollte man die kleinen Mehrheitsprämien nicht verachten und die großen Siegpunktquellen, vor allem diejenigen, die durch Prämien-Kollegen erst zu sprudeln beginnen, sich gezielt nutzbar machen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Spiel dauert viel zu lang), Helmut: 7 (das Spiel hält viele Taktiken bereit, die aber nicht alle in den Griff zu kriegen sind; die Bonus-Karten am Ende stellen ein Balance-Problem dar. Ein sehr gutes 2-er Spiel mit der spielbegeisterten [wo gibt’s das schon!] Ehefrau; der Deckbuilding-Mechanismus ist nur rudimentär umgesetzt), Moritz: 6 (eine individuelle Siegpunkt-Maximierung ohne viel Interferenzen, das Thema ist aufgesetzt; fraglich, ob ich es noch einmal spielen möchte), Walter: 6 (solide, alles rund und schön, aber – gerade deswegen – ohne den gewissen Kick).

2. “Abluxxen”

„Rokoko“ hatte Platz nur noch für einen Absacker gelassen. Da Helmut aber aus einem anderen Spielestall kommt, sollte er bei uns zugleich auch noch ein neues Spiel kennenlernen. Da kam „Abluxxen“ gerade recht.

Entweder wurden die Karten zu gleichmäßig gut / schlecht verteilt oder wir waren alle zu brav eingestimmt (kann eigentlich nicht sein), oder in einer 3er Runde spielt es sich halt zwangsläufig so: Mehr oder weniger linear spielte jeder seine eigene Kartenhand ab. „Abluxxen“ konnte nur ein Bruchteil seiner spritzigen Überraschungseffekte zeigen. So wie ein rassiges Rennpferd eingespannt vor den Ackerpflug.

WPG-Wertung: Unser „Spiel der Monats April 2014“ mit unisono guten Wertungsnoten zwischen 8 und 9 erhielt von Helmut „nur“ vorsichtige 7 Punkte („kein Kommentar“).

21.09.2016: Überall Mysterien

Wenn ein Piefke eine Omma im Ösi-Land hat und ihr die freudige Mitteilung machen will, dass er endlich von Viagra losgekommen ist (oder so ähnlich), so wird sie diese frohe Botschaft wohl nie erhalten. Ein Zerberus irgendwo auf der Strecke zwischen A und DE klassifiziert jede deutsche Mail mit dem Wörtchen „Viagra“ als Spam:

SMTP error from remote server for RCPT TO command, host: mx-in.cablelink.at (213.153.32.149) reason: 550 82.165.159.40 , https://www.spamhaus.org/sbl/query/SBL229648

Wenn man bedenkt, wieviel schuldige Spam-Mails uns trotz unserer potenten Spam-Filter doch noch zugestellt werden, dann ist es schon erstaunlich, welche Mails umgekehrt unschuldigerweise mit diesem Attribut versehen und zurückgewiesen werden.

1. “Mysterium”

Mysterium – Moriz bildet sich, Helmut demonstriert, Aaron staunt
Mysterium – Moriz bildet sich, Helmut demonstriert, Aaron staunt

In einer Mischung aus „Cluedo“ und „Dixit“ sollen wir in Mörder, Mordzimmer und Tatwaffe eines willkürlich zusammengestellten Kriminalfalles herausfinden.

Das Spiel läuft in zwei Stufen ab. Zuerst muss jeder Spieler („Spiritist“) den Verdächtigen herausfinden, der ihm persönlich zugeteilt ist. Gelingt das einem Spieler nicht, so ist das Spiel nach der ersten Stufe bereits beendet und alle haben verloren. Das Spiel ist nämlich ein Kooperationsspiel.

Wurden in der ersten Stufe alle Verdächtigen identifiziert, so müssen die Spieler jetzt in der zweiten Stufe herausfinden, welcher der Verdächtigen der wirkliche Mörder ist. Es wird mehrheitlich abgestimmt und wiederum haben alle gewonnen oder alle verloren.

Wie findet man was heraus? Mörder, Mordzimmer und Tatwaffe sind jeweils auf Grafiken abgebildet. Sechs Stück davon liegen von jeder Sorte in der ersten Stufe auf dem Tisch. Je eines von jeder Sorte ist jedem Mitspieler zugeordnet. Ein „Geist“ (zusätzlicher Spieler) arrangiert willkürlich diese Zuordnungen. Dann legt er jedem „Spiritisten“ ein oder zwei Bildkarten vor, die ihn auf die Spur seiner Zuordnung bringen sollen. Die Spur kann irgendein gemeinsames Detail, eine gemeinsame Farbgestaltung, eine gemeinsame Idee oder jedes beliebiges Hirngespinst sein, die im Kopf des „Geistes“ eine Verbindung schaffen. Diese Verbindung gilt es ausfindig zu machen. Das ist der Witz des Spiels.

Hier ist auch schon eine Herausforderung an den „Geist“ abzulesen: Der Geist darf nämlich nicht nur innerhalb seiner eigenen Assoziationspotenz schwelgen. Er muss sich auch darüber Gedanken machen, wes Geistes Kind seine Mitspieler sind. Er soll ihnen ja helfen, die Rätsel zu lösen, und er gewinnt ebenfalls nur dann, wenn sie den Kriminalfall erfolgreich lösen. Wenn z.B. Walter nur auf der primitiven Ebene von Farben denken kann, dann ist es kontraproduktiv, ihn Querverweise aus dem Reich futuristischen Monster finden zu lassen.

So war es zumindest im ersten Spiel. Walter schaffte die erste Stufe nicht und alle hatten verloren. Immerhin waren wir über den gesamten Hergang noch etwas unschlüssig und starteten sofort einen neuen Versuch. Diesmal war Aaron der Geist. Eine große schwarze Spinne über einer runde Lampe mit einer Näherin und Spinnrad-Utensilien zu assoziieren, das brachte diesmal sogar Walter fertig. Die erste Stufe wurde mit Bravour gelöst. Als es dann aber in der zweiten Stufe daran ging, eine düstere Londoner Straßenszene mit einem Kommissar und nicht mit dem Turmzimmer zu assoziieren, versagte die Mehrheit. 2:0 für das „Mysterium“. Nur Helmut hätte gewonnen, aber auch er musste mit uns ins Gras beißen. „Mysterium“ ist ja ein reinrassiges Kooperationsspiel.

Welche ideellen Verbindungen der „Geist“ schlussendlich mit seinen Helfer-Bildkarten verbunden hatte, das wird in „Mysterium“ leider nicht aufgeklärt. Er muss die ganze Ratephase über schweigen. Erst nach Ende des Spiels dürfte er reden, aber da sind die ca. 20 Karten, die er im Laufe des Spiels seinen Spiritisten aufgetischt hat, schon längst vergessen. Schade, der schönste Teil der Unterhaltung ist weggelassen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel ist in allen Belangen schlechter als sein Vorbild „Dixit“), Helmut: 5 (Tendenz zu 4, das Spiel ist überhaupt nicht mein Ding, bekommt aber einen Pluspunkt für Design und Material; ich würde nicht schreiend davonlaufen, wenn es jemand noch einmal vorschlagen würde), Moritz: 7 (das Spiel funktioniert und hat Spaß gemacht; vom Thema ist nichts zu spüren, aber im Design steckt eine akzeptable kreative Leistung), Walter: 4 (das unterhaltsamste Element von „Dixit“, nämlich die Erklärungen von Erzähler und Erzählten, was sie in ihrem Bild gesehen haben und welche Assoziationen sie mit ihrer Aussage hatten, das ist in „Mysterium“ leider total untergegangen).

2. “Saami”

Weil die geplante Veröffentlichung von Oktober 2016 in Essen auf 2017 verschoben wurde, fand Aaron noch reichlich Zeit, an den tausend Rädchens seiner Neuerfindung zu drehen. Heute durften wir wieder unseren Senf dazu geben.

Die Siegpunkt-dominante Rolle des monarchischen Häuptlings ist abgebaut, der Segen fließt jetzt gleichmäßiger über alle oligarchischen Mitglieder des Rates. Und wenn sich dort keine Seilschaften bilden, haben sogar Krämerseelen noch eine Chance, in den Krümeln am Boden unterhalb des Tisches der Herren den Siegeslorbeer zu finden und davon zu tragen.

Moritz hatte den neuen politischen Wind noch nicht mitbekommen und setzte alles dran, die gesamte Saami-Politprominenz mit seinen Leuten zu unterwandern. Niemand vom Fußvolk holte für ihn die Kastanien aus dem Feuer. Mit wahren Sintfluten von ungeschützten Strafpunkten setzte er sich weit vom Feld ab. Leider in der falschen Richtung. „Ich sage definitiv nein!“ wetterte und zeterte er gegen den fassungslosen Aaron. Was konnte der denn dafür, dass Moritz die Zeichen der Zeit nicht erkannt hatte, und es dem Spiel übel nehmen wollte, dass es ihn mit seiner todsicheren Siegstrategie im Stich ließ?

Das Spiel ist schnell, chaotisch, höchst interaktiv, es brennt an allen Ecken und Enden, jeder kann Druck machen, keiner kann in Ruhe und Überlegenheit seine Empire-Building-Potenz ausspielen. Und das ist auch gut so.

Nachdem Moritz mit seiner Ein-Mann-Partei gescheitert war, versuchten sich Aaron und Walter diesmal zu zweit in der Politik. Gemeinsam kann man schon mal die samische Welt aus den Angeln heben. Allerdings muss man sich das zuweilen auch das letzte Hemd kosten lassen. Das warf Walter in die Waagschale, schlug damit den letzten Piraten in die Flucht ab und verhalf somit seinem Mitstreiter Aaron auf das Pferd.

Wenn in der letzten Katastrophe nur ein einziger Pirat mehr aufgetaucht wäre – Zufallseffekt – , wäre die Rettungsaktion nicht erfolgreich gewesen, alle Herren im Rat wären leer ausgegangen, und der unpolitische Helmut hätte mit den Siegpunkt-Krümmelchen in seinen Fischerkaten den bescheidenen Sieg davon getragen.

Spricht das für oder gegen das Spiel-Design? Ja, wenn man stundenlang mit Geist und Verstand ein tausendjähriges Reich errichtet, und dann wegen eines lumpigen Zufalls im letzten Zug den zum Greifen nahen Sieg entrissen bekommt, dann wäre das Design verfehlt. Aber wenn man in einem schnellen Spiel voller Unwägbarkeiten einem höchst spielerischen Auf-und-Ab unterworfen ist, dann ist dieser Ausgang spannend und stimmig. Mit dieser Einstellung sollte man an „Saami“ herangehen, egal an welchen Schräubchen Aaron noch drehen wird. Helmut war’s zufrieden.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Helmut meinte noch, wenn man die Holzklötzchen in Saami, die heute noch „Waren“ genannt werden, in „Rentiere“ umbenennt, würde das dem Spiel einen hyperthematischen Einschlag geben.

14.09.2016: Olle Camelen

„Sicherheit in der Kritik fordert uneingeschränkten Freimut. Die Liebe zur Wahrheit fordert als unerläßliche Pflicht unbestechliche Gerechtigkeit, und auch unsere Freunde werden darin keinen Grund zu Klage finden, weil die Kritik, die nur Gerechtigket und Wahrheit zum Gegenstand hat, und nicht von dem unheilvollen Streben besessen ist, schlecht zu finden, was gut ist, zwar einmal in die Irre gehen kann und sich zu einem Widerruf genötigt sehen kann, niemals aber jemanden verletzen wird …“ (Melchior Grimm)

1. “Camel Up”

Eine Dame, vier Herren und fünf Kamele
Eine Dame, vier Herren und fünf Kamele

Moritz kam pünktlich und wie erwartet um 18:43 mit dem Zug von einer Konzertreise aus Hannover an. Sabina, die Tochter des Hausherrn, kam zu einer Emergency-Übung aus Barcelona angereist und schloss sich spontan der Männerrunde an. Wir nutzten den letzten heißen Mittwoch, vor allem die letzte laue Mittwoch-Nacht dieses Jahres zu einer lockeren Runde mit lockeren Spielchen auf der Terrasse am Westpark.

Locker fing der Spielabend schon mal mit „Camel Up“ an, ein Spiel, das als ernsthafte Herausforderung von vier Spielhaien keine Chance gehabt hätte. Schon bevor dieses Spiel zum Sieger als „Spiel des Jahres 2014“ gekürt worden war, hatte Günther die Nase darüber gerümpft und wir haben das Rümpfen (fast) alle übernommen. Aaron hatte es sich damals nach seiner Siegerkür trotzdem zugelegt und gab es heute in der unerwarteten 5er Runde nochmals zum Besten.

OK, das Spiel wurde 2014 nicht um „Kennerspiel“ gewählt, sondern „nur“ zum „Familienspiel“ des Jahres. Diese Rolle kann es zweifellos ausfüllen. Günthers verbalisierte Unsicherheit: „Soll ich jetzt die blaue Farbe nehmen? Man weiß es nicht!“ steht über allen möglichen Zügen des Spiels. Man darf ein bisschen Wahrscheinlichkeiten üben, ansonsten aber locker drauflos spielen und sich von den Überraschungen des Würfels mitziehen lassen. Dafür ist es wenigstens schnell genug.

Zwei kleinere sachliche Kritikpunkte zum Design:

  1. Da es zulässig ist, dass alle Spieler ihr Oase-Plättchen während einer Epoche beliebig oft legen und verlegen dürfen, ist es – theoretisch – denkbar, dass ein Spiel nie endet. Eigentlich hätte eine solche Situation per Regel verhindert werden müssen.
  2.  Für ein Kamel zu würfeln und es vorwärts zu ziehen, schafft zuweilen ganz neue Klarheiten, und zwar absolut unvorhergesehene. Der Spieler nach diesem Kamelbeweger hat dann die größten Chancen, darauf gezielt zu reagieren und dicke Punkte einzuheimsen. Dem letzten Spieler, vor allem in einer größeren Runde, sind hingegen alle Felle weggeschwommen, bevor er wieder am Zug ist. Das könnte man als “ungerecht” bzw. als Schwäche in der Balance ansehen.

Aber das alles stört doch alles keinen großen Geist. Zumindest in einer fröhlichen Familie. Wir haben heute bei „Camel Up“ viel – positiv – gelacht. Sicherlich lag das nicht ausschließlich an Sabina.

WPG-Wertung: Der bisherige Schnitt von 5,6 Punkten wurde heute deutlich verbessert: Moritz: 6 (das Spiel ist gar nicht so schlecht), Sabina: 7 (nett durchdacht, schnell, knackig)

2. “Krazy Wordz”

Kein Familienspiel, besonders nicht in der Modifikation als Aufgabenstellung für Erwachsene. Aber vier Männer und eine Frau, da kann man doch über Liebesschwüre, sowie über reale Tatsachen wie Scheidenkrampf und „mal groß mal klein“ eine ganze Weile süffisant lachen oder lächeln.

Aaron: “Eines der besten Partyspiele, die ich kenne. Kommt in jeder Runde an.“ Nicht umsonst ist er mit 8 Punkten der Spitzenreiter in unseren Wertungsnoten. Allerdings nur bis heute.

WPG-Wertung: Sabina vergab mit 9 Punkten („lustiges Partyspiel“) gleich zwei Punkte mehr als der bisherige Schnitt. Sie ist ja auch nur halb so alt wie unsere Riege älterer Männer.

3. “Karuba”

Sabina zog ab und die verbleibende Viererrunde konnte sich einem Maximal-4er-Spiel zuwenden: „Karuba“ von Rüdiger Dorn.

Wie bisher bei jedem Auflegen am Westpark tauchte unverzüglich die verwunderte Frage auf: „Was passiert, wenn alle das gleiche tun?“ Das wäre ein äußerst trivialer Spielverlauf, und alle Spieler würden mit der gleichen Siegpunktzahl auf dem Treppchen landen. Unbefriedigend! – Rüdiger Dorn hat glaubhaft versichert, dass das nicht vorkommt. Es kam bei uns bis jetzt auch nicht vor, irgendwann setzt ein Spieler doch andere Prioritäten als seine Konkurrenz. Immerhin haben diesmal Aaron, Moritz und Walter die ersten drei Teile identisch verlegt. Rüdigers Versicherung schien schon ins Wanken zu geraten.

„Karuba“ ist ein konstruktives, höchst friedliches Spiel. Interaktion wird klein geschrieben. Sie besteht im Wesentlichen aus einem Blick auf die Konstruktionen der Mitspieler, um beim Wettlauf zu den vier Zielen nicht zu oft einem Mitspieler hinterher zu laufen.

WPG-Wertung: Moritz ging mit unseren bisher guten 7,5 Punkten nicht konform: 5 (eintönig, keine Spannung. [Ihm fehlen halt die Kanonen, mit denen man die Konkurrenten vom rechten Wege abbringen kann!].

Heute fiel uns erstmals auf der Spieleschachtel HABAs Qualitätssiegel „Spieleabend approved“ auf. Damit soll versichert werden, dass „die HABA-Familienspiele in Spielerunden von Freunden und Familien getestet“ wurden. Aber hallo, ist das nicht eine Mindest-Anforderung bei jeder Spiele-Entwicklung! Gibt es denn stubenhockerische Einzelgänger, die im stillen Kämmerlein ihre Spiele entwickeln und sie dann auf den Markt bringen ohne sie in vielen Runden mit verschiedenen kompetenten Spielern der jeweiligen Zielgruppe getestet zu haben? Seltsam, seltsam!

4. “Bluff”

Im ersten Durchgang gewann Günther mit 5:0 gegen Aaron. Im zweiten Durchgang traten die Loser Walter und Moritz gegeneinander an. 4:0 für den Sieger. Wenn man’s kann ungefähr, ist’s halt ein reines Glücksspiel … [Nicht im Ernst!]

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

07.09.2016: Mein Dorf in Karuba

Unser Aaron ist unter die Komparsen gegangen. Heute hatte er den letzten Drehtag für einen süßen, kleinen Reklamefilm. Anstatt sich in Rüdiger Dorns „Karuba“ Wege durch Wald und Flur zu bahnen, führte er reifere Damen auf verschlungenen Waldwegen durch die Niederungen des Memminger Flughafens. „Der Dreh heute dauert länger als geplant. Ich werde vermutlich erst so gegen 20:30 am Westpark sein“ lautete seine Hiobsbotschaft. Das Rest-Trio konnte nur hoffen, dass eine sechsstündige Vorausplanung am Filmset realistisch ist.

1. “Karuba”

Eigentlich wollte Horst gleich zu Beginn ein abendfüllendes „My Village“ auflegen. Von seiner Familie hatte er sich freigeben lassen, und mit seiner Anreise per Drahtesel hatte er sich auch von der vorletzten U-Bahn unabhängig gemacht. Aarons Komparserei machte jetzt einen Strich durch diese Rechnung. Schnelle, lockere Warming-Ups waren angesagt. Da kam „Karuba“ gerade recht.

Bis die Endausscheidung zum „Spiel des Jahres 2016“ hat es dieses leicht zu erklärende und locker ablaufende Spiel gebracht. Bei uns wurde es sogar „Spiel des Monats 2016“. Im Report vom 27.05.2016 habe wir es beschrieben.

40 Minuten soll die Spieldauer sein. Wobei wir am Westpark in der Regel noch 50% drauflegen müssen. In „Karuba“ aber nicht. Einschließlich Vorgeplänkel und Erklärung waren wir in der angegeben Zeit durch. Horst war so begeistert, dass wir mit allseitigem Einverständnis gleich noch einen zweiten Durchgang anfügten.

WPG-Wertung: Zum bisherigen Schnitt von 7,3 vergab Horst 8 Punkte (mit einer Tendenz für 9, „so eine Spannung in einer so kurzen Zeit!“ Er wird es sich umgehend für seine eigene Spielrunde zulegen)

2. “My Village”

Großer Platzbedarf für „My Village“
Großer Platzbedarf für „My Village”, kontemplative Mitspieler

Aaron war noch nicht da, hatte aber auch nichts darüber verlauten lassen, dass seine Dreharbeiten noch länger dauern würden. Volles Risiko bauten wir schon einmal „My Village“ auf; das nimmt ja schon mal zehn Minuten in Anspruch. Als erstes brauchten wir einen Zusatztisch für Getränke und Gummibärchen, die Menge an Landschafts-, Produktions- und Verwaltungskarten, mit denen jeder Spieler in „My Village“ seine eigene Kolchose aufbaut, nimmt eine gewöhnliche Tischfläche voll in Anspruch.

In diesem üppigen Aufbau-Optimierungsspiel erweitern wir pro Zug unseren Betrieb um eine neue Wirtschaftsfläche, oder wir nutzen die vorhandene Produktionskapazität für die Erzeugung von Gütern, Geld oder direkten Siegpunkte.

  • Kornfelder produzieren Geld. Wofür wir das brauchen, das kriegen wir später.
  • Handwerkliche Betriebe produzieren fünf verschiedenen Güter, mit denen wir später Kunden oder Kirche bedienen können.
  • Kundenaufträge listen die Güter auf, für deren Produktion und Ablieferung wir Siegpunkte erhalten.
  • Reisen bildet! Für Reisekarten erhalten wir direkte Siegpunkte, sonst allerdings nichts.
  • Geld- und Güter-Investitionen in den kirchlichen Bereich liefern überproportional wachsende Siegpunkte und weitere kleine Vergünstigungen im dörflichen Leben.
  • Rathäuser generieren Geld, indirekte Siegpunkte oder Joker-Güter.
  • Versammlungsplätze erzeugen W-Potenz. Was das ist, das kriegen wir gleich.

Für jeden der verschiedenen Züge, den wir tun wollen, müssen wir eine vorgeschriebene Zweier-Kombination von Würfeln vorweisen, von zweimal die Eins bis zweimal die Zwölf. Damit kommen wir zum Knackpunkt des Spiels. Pro Zug würfelt der Startspieler elf Würfel aus. Reihum reserviert sich dann jeder Spieler zwei davon aus, mit denen er seinen Zug bestreiten will. Eine hübsche Konstruktion.

Klar ist, dass der Startspieler bei der Würfelauswahl erhebliche Vorteile hat; deswegen darf jeder Spieler auch einen Zug opfern, um in der nächsten Runde selber Startspieler zu werden. Doch dieser Vorteil wird durch eine ganze Reihe von Möglichkeiten entwertet.

  1. Es gibt oft mehrere gute Züge, die man auch noch in verschiedenen Reihenfolgen durchführen kann, so dass man nicht streng von einer einzigen vorgegebenen Kombinationen abhängig ist.
  2. Der letzte Spieler eine Runde kann immer noch aus fünf Würfeln wählen; damit stehen oft genug noch ausreichend viele „natürlich gute“ Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung.
  3. Es gibt auch einen durchaus akzeptablen Zug, nämlich die Bewegung des Oberhauptes, den man mit jeder beliebigen Würfelkombination ausführen darf.
  4. Mit Geld, der Frucht unserer Kornfelder (siehe oben) können wir einzelne Würfel modifizieren, d.h. die Augenzahl um eins nach oben oder unten drehen.
  5. Mit W-Potenz (siehe Versammlungsplätze) können wir gar einen Würfel auf eine frei wählbare Zahl drehen.

Fazit, wenn man bei der Übernahme der Startspielerposition nicht noch weitere Vorteile einheimsen könnte, würde sich dieser Zug nicht lohnen.

Was lohnt sich dann? Das ist die Crux des Spiels. Es lohnt sich zuviel! Zuerst muss man sich natürlich die “richtige” Produktionsmaschine zurechtlegen. Ein bißchen W-Potenz, ein bißchen Geld-Potenz, dann aber eine optimale Anzahl von Produktionsfeldern mit der gleichen Würfelkombination. Mit einer bestimmen Würfel-Kombination darf man nämlich nicht nur ein einziges seiner Felder aktivieren, sondern alle Felder, für die diese Kombination vorgeschrieben ist.

Da steht der Startspieler vor geschlagenen elf Würfeln, von denen er nur zwei braucht, die er aber ggf. noch modizifieren bzw. auf beliebige Werte drehen darf. Er hat eine Menge zu denken. Vor allem am Anfang, wenn er beim Aufbau seiner Maschine noch als dem Vollen schöpfen kann. Jeder Spieler darf dabei auch noch überlegen, ob er mit bestimmten Würfeln, die er für sich reserviert, seinen Mitspieler die Kombinierbarkeit unter den Restwürfeln erschwert. Kurz und gut: es muss gedacht werden. Leider viel zu lange. Eine überschlägige Rechnung zeigt: Wir haben in drei Stunden Spielzeit (ohne Erklärung) das Spiel über die Runden gebracht; dabei war jeder Spieler etwa 20 mal an der Reihe. Alle langen und breiten 9 Minuten durfte ein Spieler also einen Zug ausführen. Ziemlich kontemplativ!

Günther baute sich eine hübsche Handwerkersiedlung, über die er später am laufenden Band (d.h. immer wenn er dran war) Kundenaufträge realisierte. Mit 68 Siegpunkten (Erster) bekam er ein Drittel mehr als Walter (Letzter), der nach ca. 60 Minuten resigniert hatte und mit seinen W-potenten Zügen lediglich Bier braute, neue W-Potenz erzeugte, und sich um Fürbitter bemühte. Dafür war Günthers Vorsprung doch noch recht erträglich.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel dauert doppelt so lang, wie ich diese Art von Spiel ertragen kann), Günther: 6 (kürzer wäre besser), Horst: 7 (die Spieldauer ist für diese Art von Spiel angemessen; wenn ich mit Würfeln optimieren kann, möchte ich dazu Zeit bekommen; ich liebe Würfel-Aufbau-Optimierungsspiele), Walter: 5 (saubere Konstruktion, gute Balance, leider ohne jegliche Interaktion, nicht einmal beim Zugriff auf die Felder gibt es eine nennenswerte Konkurrenz; zu lange Wartezeit; als Solitärspiel würde ich ihm 8 Punkte geben).