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31.08.2016: Plündern, einstreichen, abkassieren

Nein, die Westpark-Gamers sind noch nicht tot, nur weil sie im Monat August nichts von sich haben hören lassen. Lediglich ihre einleitenden Gesprächsthemen bewegen sich langsam auf das übliche Rentner-Niveau zu: Bandscheiben, Galle, Herzinfarkt, grauer Star und Rheuma. Alles nur körperlich, der Geist bleibt fit!

1. “Loot Island”

Balance, Balance, immer noch kein Ende mit dem Feilen an der Balancierung in Aarons Eigenentwicklung:

  • Die Schatzkarten wurden noch “gleichwertiger” gemacht, so dass der Sieg weniger über die zufällig aufgedeckten Super-Schätze errungen wird, sondern über die Menge der mit ehrlicher Taktik erworbenen Schätze. Das soll doch wohl das Herzstück des Spiels sein und bleiben.
  • Die Schätze sind hochwertiger geworden, so dass ihr Erwerb noch mehr Freude auslöst.
  • Es gibt keine “nutzlosen” Schätze mehr, die besonders gegen Spielende hin für Frust sorgen konnten; jeder Schatz kann zumindest zum Beseitigen eines Fluches herangezogen werden.
  • Es wurden mehr Flüche unter die Schätze gemischt. Es bleibt eine der entscheidenden Herausforderungen des Spieles, die richtigen Flüche loszuwerden.
  • Die General-Joker-Karten mit ihrer extremen Potenz wurden zugunsten von farb-spezifischen Jokern mit gebremstem Schaum abgeschafft. Auch diese Maßnahme zielt gegen Zufallseffekte und fördert das taktische Element.

Wir haben den Eindruck, wie immer, dass das Spiel so, wie es ist, in Produktion gehen könnte. Allerdings hat „What’s your Game“ entschieden, dieses Jahr in Essen nur einen Prototypen davon vorzustellen. Auf den Markt gebracht werden soll es jetzt erst auf der Spielwarenmesse 2017 in Nürnberg.

Ach ja: gewonnen hat Günther mit der Strategie, sich die höchstwertigsten und höchstverfluchten Schätze an Land zu ziehen, und jede freie Aktion dazu zu nutzen, die Flüche auch alle abzubauen. Aber garantiert ist das keine Universal-Gewinnstrategie. Man kann dagegenarbeiten, denn Interaktion steht in „Loot Island“ an erster Stelle.

Noch keine WPG-Wertung, aber Horst würde das Spiel bei 7 Punkten ansiedeln.

2. “Visby”

Aktionskarten und Zählerkarten von "Visby"
Aktionskarten und Zählerkarten von “Visby”

Horst war unschlüssig, ob er das Spiel zum Westpark hätte mitbringen sollen. „Ich bin mir nicht sicher, ob und wie das Spiel funktioniert.“ Dafür ist „Visby“ aber ein schnelles Spielchen, und zwanzig Minuten Lebenszeit opfern wir alle sehr gerne, um eine neue Idee kennenzulernen.

Ganz neu ist die Spielidee von Visby natürlich nicht, nur neu verpackt. Jeder Spieler hat (die gleichen) acht Aktionen zur Auswahl, die er in beliebiger Reihenfolge zur Ausführung bringen darf. Verdeckt wählt er jeweils eine Aktionskarte aus, danach decken alle Spieler gleichzeitig die gewählten Aktionen auf und führen sie der Reihe nach durch.

  • als “Truppe” oder “Ritter” bekommt ein Spieler Siegpunkte, solange der (überschaubare) Vorrat reicht.
  • als “Flotte” oder “Schiff” bekommt man Waren, solange der (überschaubare) Vorrat reicht.
  • als “Zöllner” bekommt man unbegrenzt Siegpunkte von der Bank, aber nur für Mitspieler, die gerade “Flotte” oder “Schiff” gewählt haben.
  • als “Schmied” bekommt man unbegrenzt Waren (abstrakte Zähleinheiten) von der Bank, aber nur für Mitspieler, die gerade “Truppe” oder “Ritter” gewählt haben
  • als “Kaufmann” tauscht man seine Waren gegen Siegpunkte ein.
  • als “Bettelmönch” bekommt man Waren, u.a. auch für Mitspieler die gerade “Kaufmann” gewählt haben. Zusätzlich darf man danach alle bis dahin gespielten Aktionskarten wieder auf die Hand nehmen. Man muss also nicht alle der möglichen acht Aktionen ausgeführt haben, um wieder aus dem Vollen schöpfen zu können.

Der Spielwitz besteht darin, die Aktionen der Mitspieler vorauszuahnen und die besten Gegenaktionen zu wählen. Doch aus welchen Indizien heraus soll man seine Mitspieler einschätzen? Ein gutes Gedächtnis über die bereits abgelegten Aktionskarten der Mitspieler ist zwar von Nutzen, doch es bleibt ein Stochern im Nebel. Ein Um-die-Ecke-Denken bei illusionsgenährter Intuition bestimmt den Ablauf.

Zu Logik und Psychologie des Spiel gilt sinngemäß das, was Wikipedia zu den Prinzipien der uralten „Stein, Schere, Papier“-Knobelei schreibt:
Wenn der Mensch rein zufällig eine der acht Aktionen auswählen könnte, wäre das Spiel ein reines Glücksspiel. Da sich der Mensch aber immer von seinen Gedanken beeinflussen lässt, kommt als psychologisch-taktische Komponente hinzu, dass man versuchen kann, die Verhaltensweise der Gegner einzuschätzen und darauf zu reagieren. Um seine eigenen Gewinnchancen zu erhöhen, muss man verhindern, dass die Gegner die eigene Wahl erahnen können. Beispielsweise könnte man seine Aktionen zufällig auswählen. Professionelle Spieler legen deshalb vor Spielbeginn die Reihenfolge ihrer Aktionen fest und merken sich diese Listen, sogenannte Gambits, die sie dann konsequent durchspielen.

Die Logik dieser “Gambits” seit dahingestellt. Ich agiere damit nach reinem Zufallsprinzip, aber ich REagiere dann auch so. Zudem wäre damit der Spielspaß “total im Arsch”!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (repetitiv, wenig Spaß, es fehlt irgendwas), Günther: 5 (zu unübersichtlich, zu anstrengend, wenn man hier etwas ausrechnen wollte), Horst: 5 (es gibt sicherlich Spielerrunden, in denen das Spiel besser ankommt), Walter: 5 (würde sich hier gerne das Denken ersparen und sich auf die Gambits verlegen; mit dem entsprechenden Spielspaß, leider).

3. “Tiefe Taschen”

„Junta light“! Ein Präsident verteilt die Einnahmen des Staatshaushaltes willkürlich unter seinen Mitspielern. Die Spieler stimmen geheim darüber ab, ob sie die Verteilung annehmen oder nicht. Wird sie angenommen, so wird das Geld entsprechend verteilt, wird sie nicht angenommen, so scheidet der aktuelle Präsident aus dieser Runde aus, sein Nachfolger unternimmt den nächsten Verteilungsversuch.

Bei Gleichheit ist die Verteilung angenommen, beispielsweise auch dann, wenn kein einziger Spieler dafür oder dagegen stimmt.

Wofür kann man sonst noch stimmen? Man kann die Verteilung einen guten Mann sein lassen und sich stattdessen aus der Staatskasse einen weiteren Geldschein aneignen. Man kann einen Mitspieler erpressen – das muss öffentlich angekündigt werden – , und ihm im Erfolgsfall einen Geldschein wegnehmen. Man kann eine angekündigte Erpressung abwehren und bekommt dann vom Erpresser einen Geldschein. Aber nur dann, wenn der vorgebliche Erpresser auch wirklich die geheime Erpressen-Aktion gewählt hat und nicht nur die öffentliche Ankündigung beim Mitspieler platziert hat.

Zusätzlich zur Abstimmung kann man auch noch einen Mitspieler bestechen, d.h. ihm einen Geldschein für sein „Ja“ oder „Nein“ anbieten. Den Geldschein erhält er nur dann, wenn er so abstimmt, wie wir es von ihm fordern.

Der Prozess von geheimer Abstimmung, Erpressung und Bestechung kann von allen Spielern beliebig lang umgemodelt werden, bis alle mit ihrem definierten Verhalten zufrieden sind. Man kann sich lange den Kopf darüber zerbrechen, was für den Augenblick wohl die lukrativste Vorgehensweise ist. Nach Horsts Heimgang haben wir auch im post mortem noch stundenlang über eine optimale Strategie diskutiert. Das Bestechen haben wir dabei erst gar nicht tiefer in Augenschein genommen; am Westpark wird das als reines Verlustgeschäft abgetan. Der Präsident wird in erster Näherung wohl den gesamten Staatshaushalt in die eigene Tasche räumen und zusätzlichen noch einen Griff in die Staatskasse tun. So erhält er mehr Geldscheine als jeder andere Spieler, selbst wenn diese alle bei ihm als Erpresser aufträten!

Der Spieler zu seiner Linken wird in der Regel gegen die vorgeschlagene Verteilung stimmen, denn falls sich eine Mehrheit für die Ablehnung ergibt, wird er selber Präsident und kann nun versuchen, den großen Präsidenten-Reibach zu machen. Oder sollen die Mitspieler, die bei der Verteilung mit großen Anteilen bedacht wurden, ihn etwa bestechen, damit er stille hält?

Ach, es gibt wohl keine eindeutige Gewinnstrategie. In jedem Fall aber fehlt für ein echtes „Junta“ und Junta-Gefühl noch das Militär, das den Präsidentenpalast stürmt, und es fehlen die Mörder, die die Junta-Mitglieder in der Bank beim Einzahlen ihrer Gewinnsummen auf ihre Schweizer Konten ermorden.

Günther kam in den ersten Verteilungsrunden wohl zufällig sehr kurz weg und fühlte sich schon auf der Verliererstraße. Außerdem gefiel ihm das Spielprinzip überhaupt nicht. Kurz entschlossen wählte er jetzt für sein Abstimmungsverhalten absolut „unlogische“ (wenn es das hier gibt) und unvorhersehbare Aktionen. In der Regel unterstützte er den Präsidenten, damit die Verteilung durch- und das Spiel schneller zu Ende ging. Wer das erkannt hatte, musste nur noch einmal an die Präsidentschaft herankommen, um ewig Präsident zu bleiben und Krösus zu werden. Gäbe es dagegen in einer 4er Runde eine Strategie?

WPG-Wertung: Aaron: 6 (vielleicht ist es mit acht Spielern lustig), Günther: 4 (Chaotenspiel, nix für mich), Horst: 5, Walter: 4 (schnell ausgelutscht).

20.07.2016: Summenraterei plus „Gold West“

Für die „spielerische Linie“ eines Spiels gibt es wohl keine eindeutige Messlatte. Zu stark gehen hier die Vorlieben und sogar die Charaktereigenschaften eines Spielers ein. Um hier wenigstens annähernd einen sachlichen Anhaltspunkt dafür zu haben, möchte ich hier mal anführen, was das Internet hierzu liefert:

Synonyme für „spielerisch“ sind:
lässig, locker, leicht, sorglos, problemlos, zwanglos, unbekümmert, entspannend, unbeschwert, unernst, ungezwungen, unverkrampft.

Weiteres siehe unten.

1. “Delta Sigma”

Das ist noch kein fertiges Spiel, vielleicht wird es auch nie eines. Auch der Spiel-Name ist nur eine Hilfskonstruktion. Aaron wollte uns lediglich die Idee eines jungen (?) Autors vorsetzen und pries dieses Vorkosten nicht als „Prototyp testen“ an (eingedenk von Wilhelms Aussage: „Mein Leben ist zu kurz, um Prototypen zu testen“), sondern als einen „Test“. Was jetzt getestet werden sollte, die Spielidee oder unser Geisteszustand, das ließ er offen. Aber Tests des Letzteren sind ja allgemein beliebt, und für Ersteres sollte eine 30 Minuten-Lebenszeit-Investition auch für Prototyp-Verächter zumutbar sein.

Auf einer karierten Fläche mit einem definierten Ausgangsquadrat legen die Spieler reihum jeweils ein quadratisches Plättchen an. Das Anlegen ist reglementiert: die Plättchen müssen im Uhrzeigersinn und benachbart zum Vorgänger-Plättchen angelegt werden. Das Vorgänger-Plättchen darf ganz oder teilweise überdeckt werden. Jeder Spieler legt insgesamt zwei Plättchen, dann ist das Spiel zu Ende. Wer hat gewonnen?

Bei Spielende liegen an jeder Seitenkante des Ausgangsquadrates unterschiedlich viele Plättchen. In jeder Ecke jedes Plättchens steht eine unterschiedliche einstellige Zahl. Diese Zahlen sind eindeutig einer Ecke des Ausgangsquadrates zugeordnet. Aufgabe ist es, für jede des Ecke des Ausgangsquadrates zu schätzen, wie hoch die Summe dieser anliegenden Zahlen ist. Diese Schätzung wird aber nicht erst jetzt, oder irgendwann mal im Laufe des Spiel abgegeben, sondern alle Spieler müssen ihre vier Summen-Schätzungen bereits zu Spielbeginn geheim in ein Tableau eintragen. Wer hier dann am Ende nach einem oder mehreren Durchgängen die geringsten Abweichungen aufweist, hat gewonnen. Ein bisschen Kokolores mit Zahlen-Verdopplern und Minuspunkt-Erlassen ist auch bereits angedacht.

Ist das Spiel beherrschbar, im Sinne von berechenbar? Wer’s glaubt wird selig! Welche Ambitionen die Mitspieler für die vier Eck-Summen haben, ist a priori unbekannt, und wenn man nach dem ersten gelegten Plättchen zum ersten Mal ahnen kann, ob ein Mitspieler hier auf „hoch“ oder „niedrig“ gesetzt hat, ist der Zug bereits abgefahren. Der letzte Spieler kann die Bilanz für zwei Eckpunkte sowieso noch einmal massiv verändern, ohne dass die Mitspieler hier noch reagieren könnten.

Aaron ließ uns erst drei Durchgänge lang das erste von zwei Anlege-Reglements testen, dann das zweite. Hier warf sich aber bereits nach dem ersten Durchgang Wilhelm auf die Knie und flehte: „Mach’ End’, o Herr, mach’ Ende, mit aller dieser Not!“ Der Herr hatte ein Einsehen: alle waren mit einem Abbruch einverstanden! Soviel zu Aarons zweiter Frage, ob das Spiel Spaß gemacht hat und einen Wiederspielreiz besitzt. Das Spiel ist nur dann spielerisch, wenn man jegliche ernsthafte Ambitionen für treffende Vorhersagen aufgegeben hat, für alle Schätzwerte die leicht zu ermittelnden durchschnittlichen Zahlenwerte ins Tableau einträgt und den Rest abwartet wie den nächsten Regenschauer im deutschen Sommer.

Im innersten Kern dieser Spielidee liegt vielleicht noch ein gewisser Pfiff, doch das Drum-Herum ist mehr oder weniger reine Lotterie. Selbst für einen Aprés Ski an der Hotelbar ist es nicht geeignet. Da gibt es erstens keine karierte Fläche, und zweitens kann man im erforderlichen angesäuselten Zustand die jeweils zwei bis vier zugehörigen Plättchen-Zahlen auch nicht mehr sicher zusammenzählen. Ach ja, für Erstklässer-Übungen im Zahlenraum von 0 bis 50 durchaus geeignet.

Keine WPG-Wertung für ein Noch-Nicht-Spiel.

2. “Gold West”

Gold West – Wilhelm demonstriert seine überlegene Nischen-Strategien
Gold West – Wilhelm demonstriert seine überlegene Nischen-Strategie
Boomtown irgendwo im Wilden Westen. Donald Trump war schon da und hat sein Wahlversprechen eingelöst, die Gegend stolz zu machen. Und reich! Überall sprudeln reiche Siegpunktquellen und schütten ihr Füllhorn über uns aus. Überall lauern Früchte, die mit ehrlicher Hände Arbeit geerntet oder ganz selbstverständlich gestohlen werden wollen.

Offiziell sind wir “Prospectors”. Mein LEO übersetzt das mit „Goldgräber“, aber wir sind garantiert keine dreckigen Burschen, die 20 Yards unter der Grasnarbe ihre Schaufel schwingen. Wir sind Unternehmer und bauen Siedlungen, bescheidenerweise auch mal nur Zeltstädte, deren Schönheit in Länge und Breite und Lage bei Spielende prämiert wird. Falls wir dafür optiert haben. Wir lassen unsere Postkutschen auf den Linien Gold, Silber oder Bronze um die Wette fahren, und bekommen unterwegs abhängig von unserer Rennposition große Zwischenlorbeeren und/oder kleine Trostpreise. Wir bauen unseren Einfluss innerhalb der vier Goldgräber-Gewerkschaften aus und kassieren dafür bei Spielende dicke Diäten. Alles bringt Siegpunkte, manches mehr, manches weniger.

Der große, und sehr hübsche Motor des Spiels ist ein Kalah-artiger Zugmechanismus. Die Früchte (Baustoffe und Erze), die uns nach jedem Zug als Nebenprodukt regelmäßig in den Schoß fallen (wir können aus ca. 20 Arrangements – mit gewissen Nebeneffekten – beliebig wählen), müssen wir auf einem von vier Feldern unserer privaten Zugbahn ablegen. Beim nächsten Zug räumen wir ein beliebiges dieser Felder ab, laden auf jedem Feld der Zugbahn bis zum Ziel eine Frucht ab, und bestreiten mit den am Ende überschüssigen Früchten die Kosten unseres Zuges. Die Art der überschüssigen Früchte entscheidet auch darüber, ob wir unsere nächsten Früchte ehrlich erwerben oder stehlen. Stehlen wird am Ende bestraft. Aber nur ganz milde. Es scheint sich zu lohnen, grundsätzlich auf Ehrlichkeit zu verzichten, wenn man damit in Anzahl und Art der neu hinzukommenden Früchte Einbußen hinnehmen muss. Zumindest lagen unsere beiden Meisterdiebe Moritz und Wilhelm bei Spielende weit vorne. Wer von beiden schlussendlich gewonnen hat, hängt davon ab, ob wir einem der beiden Sieger erlauben, einen Spielzug, der mangels Regelverständnis nur suboptimal gemacht wurde, nachträglich durch einen optimalen Spielzug zu ersetzen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (es hat gefallen, ist aber zu fummelig; mit seinen vielfältigen siegpunkt-trächtigen Konstruktionen spielt es sich ähnlich wie „Russian Railroads“), Moritz: 7 (gutes Design, leider viel Rechnerei, man muss die gegebenen Gelegenheiten für eine Nischenstrategie nutzen), Wilhelm 8 (fast neun, man muss/kann überlegen, entscheiden, hat einen großen Handlungsspielraum mit mehreren möglichen Gewinnstrategien; eine anspruchsvolle Aufgabe, die in relativ kurzer Zeit – 90 Minuten – erledigt wird), Walter 7 (runde Ingenieursleistung mit einer üppigen Fummelei um Punkte, nicht sehr spielerisch [leichter Einspruch von Wilhelm]).

Hallo Wilhelm, welche der oben aufgeführten Synonyme von spielerisch würdest Du für „Gold West“ vergeben? Wer hier lässig, locker, leicht und unbekümmert vorgeht, wird garantiert Letzter. Es sei denn, alle gehen so vor.

3. “Divinare”

Vor gut drei Jahren, am 8. 5. 2013 haben wir das Spiel zum bisher ersten und einzigen Mal gespielt und allesamt einen sehr guten Eindruck gewonnen. Im damaligen Session-Report steht:
„Von den vier Farben rot, grün, gelb und blau gibt es insgesamt 36 Karten. Die Karten werden gemischt und 12 davon zur Seite gelegt. Jetzt gilt es zu erraten, wieviele Karten von jeder Farbe übrig geblieben sind.“
Im Grund ist die Vorhersage einer zukünftigen mathematischen Gegebenheit ganz ähnlich wie im obigen „Delta-Sigma“, aber welch ein Unterschied in der Präsentation und der daraus resultierenden Spielfreude!

  • Wir müssen nicht nur einmal und zwar gleich zu Spielbeginn die finalen Werte raten, sondern wir dürfen unseren Schätzwert im Laufe des Spiels je nach den Geboten der Mitspieler anpassen. Zwischendurch dürfen wir auch einmal bluffen.
  • Die möglichen Zahlenwerte besitzen nicht die enorme Schwankungsbreite zwischen 0 und ungefähr 50, die noch dazu der Spielerwillkür überlassen ist, sondern sie bewegen sind selbst im extremsten Extremfall nur zwischen 0 und 11, und liegen in der Regel nahe an wohlbekannten Mittelwerten mit geringen statistischen Schwankungen.
  • Wir erfahren im Laufe des Spiel immer mehr über die tatsächliche Kartenverteilung, es kommt nicht so sehr darauf an, die richtigen Zahlen zu wissen, sondern den richtigen Zeitpunkt für seine endgültige Vorhersage zu wählen.
  • Mit den letzten zu verteilenden Karten wird an den ausliegenden Stimmkarten nicht mehr viel verändert, aber man kann einen Mitspieler noch zwingen, eine supergute Schätzwert-Position aufzugeben. Eine hübsche Quelle spielerischer Schadenfreude. Wobei jeder Spieler aber auch gewisse Möglichkeiten hat, sich hiergegen noch abzusichern.
  • Das Spiel ist an keinem Punkt eine öde Rechnerei, sondern immer nur ein lustiges Erahnen und Auszählen.

Garantiert gibt es noch viel mehr Unterschiede zugunsten der spielerischen Qualitäten von “Divinare”. Diese aufzuzählen wird unsere Leserschaft hiermit aufgerufen.

WPG-Wertung: Der bisherige Durchschnitt von 7 Punkte blieb erhalten, Moritz war mit 8 Punkten dabei (locker, spannend), während Wilhelm mit 6 Punkte Anstoß an der Glückslastigkeit nahm. Walter ist eher geneigt, wegen der absolut spielerischen Linie von „Divinare“ einen Punkt zuzulegen, aber dafür ist das Spiel wohl doch nicht „füllig“ genug.

13.07.2016: Beute und Maschinen

Wilhelm aus Unna, Vielspieler, Gutspieler, Allesspieler, hat uns nach zwei Jahren Abstinenz mal wieder am Westpark besucht. Als eifriger Leser und sporadischer Kommentierer unserer Berichte konnte er nur sein Bedauern darüber ausdrücken, dass wir spielerisch nichts Lokales auf dem Markt finden. Wir hier im Süden quälen uns über die „Peloponnes“ durch „die Tore der Welt“ bis in die „Galaxis“, er als Nord-Ruhrgebietler kann allein mit den drei Thomas-Spitzer-Produkten „Ruhrschifffahrt“, „Kohle & Kolonie“ und „Haspelknecht“ nächtelang im Heimatkolorit schwelgen.

FCBayernBluffZum Ausgleich hat er uns als Gastgeschenk das besten Spiel der Welt als einen kleinen, unsere Defizite vermindernden Eigenbau mitgebracht (siehe Foto). Um welches Spiel handelt es sich? Wieviel würde es kosten, alle Würfel auch noch stilgerecht durch die Orginalwürfel eines autorisierten Suppliers zu ersetzen?

1. “Loot Island”
Aaron Eigenentwicklung hat schon viele Metamorphosen mitgemacht. In den Regeln und im Titel. Wilhelm hatte es schon vor Jahren als kleines, feines, logisches „Ur-Diggers“ kennen und sogar schätzen gelernt. Jetzt ist eine Menge italienische Familienspiel-Substanz hineingekommen, und Wilhelm war sehr interessiert daran, die aktuelle Fassung kennen zu lernen. Trotz seines Outing: „Ich habe schon so viele Prototypen getestet, ich habe heute dazu keine Lust mehr“.

Das Spiel hat was. Auch wenn es ganz leicht aussieht und eine gehörige Portion Zufall eingebaut ist, schälen sich in Laufe einiger weniger Spiele immer mehr taktischen Finessen heraus, mit denen man dem Glück doch noch ein Schnippchen schlagen kann. Zumindest kann man es zu versuchen. Die intellektuellen Herausforderungen des Spiels bestätigten sich heute allerdings nicht: Walter gewann, Günther wurde Letzter!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase. Wilhelms Schlusswort: „Ich habe gut mitgespielt, aber es hat mich nicht gepackt“ und „Für ‚What’s your game’ ist es ein erstaunlich eingängiges, d.h. ein überschaubares und nicht das übliche komplexe bis hoch-komplexe Spiel.“

2. “Steam Works”

Steam Works : Aaron nutzt eine Maschine, Günther studiert den Maschinenpark.
Steam Works : Aaron nutzt eine Maschine, Günther studiert den Maschinenpark.

Eines der Spiele, mit denen Wilhelm uns hier am Westpark mal wieder auf den Zahn fühlen wollte. „Ein Worker-Placement-Spiel bei dem die Spieler die Placements erst im Laufe des Spieles zusammenbauen.“ Aaron war begeistert, er brütet auch gerade über einer solchen Spielidee. Aber wahrscheinlich hat er sich im Endeffekt doch etwas ganz anderes darunter vorgestellt.

Jeder Spieler bekommt eine private Tafel mit den ersten drei Basis-Arbeitsplätzen für seine Mitarbeiter:

  • sich aus einer offenen Auslage ein neues Komponentenplättchen zulegen
  • sich ein neues Energieplättchen vom Typ Mechanik, Dampf oder Elektrizität zulegen
  • aus einem Komponentenplättchen und einem Energieplättchen eine primitive erste Maschine bauen

Energie ist notwendig, um eine Maschine zu betreiben, was dabei herauskommt bestimmen aber ausschließlich die Komponenten, aus denen sie zusammengesetzt ist. Die ersten, den Spielern in der Grundausstattung mitgegebenen Komponenten können gerade mal eine zweite primitive Maschine bauen oder eine primitive Maschine zu einem Dreiteiler upgraden. Mit fortschreitendem Spielverlauf kommen immer mächtigere Komponenten ins Angebot, die dann erlauben:

  • sich gleich mehrere Komponentenplättchen aus der offenen Auslage zuzulegen
  • sich gleich mehrere Energieplättchen zulegen
  • Maschinen mit gleich mehreren (passenden) Komponenten zu bauen
  • Maschinen um immer mehr (passende) Komponenten zu erweitern
  • Maschinen gleich zweimal auf einmal zu betreiben
  • Maschinen zu bauen und im gleichen Atemzug auch sofort zu betreiben
  • Geld zu generieren
  • Siegpunkte zu generieren
  • Besitztum in Siegpunkte zu verwandeln
  • und vieles mehr. Neben der Anfangsausstattung gibt es 32 verschiedene weitere Komponenten.

Beim Bauen und Upgraden ist darauf zu achten, dass die Komponenten zur Energiequelle passen und dass die Stückelung stimmt. Wenn man nämlich z.B. eine drei-teilige Maschine zu einer vier-teiligen erweitern darf, dann muss man genau das tun (falls man alle notwendigen Teile passend hat), und darf nicht eine kleinere zwei-teilige Maschine zu einer drei-teiligen erweitern. Das klingt vielleicht logisch, in Sinne von einfacher Inklusiv-Potenz muss man sich aber erst daran gewöhnen.

Um eine Maschine zu betreiben muss der Spieler einen seiner Mitarbeiter auf das zugehörige Energieplättchen setzen. Jetzt darf er alle daran angeschlossenen Komponenten in beliebiger Reihenfolge nutzen. Das Besondere dabei ist, man darf auch die Maschinen der Mitspieler nutzen. Kostenlos! Der benutzte Mitspieler bekommt dann – von der Bank – einen Siegpunkt zugeschustert und ggf. komponente-abhängig noch weitere Vorteile. Jede Maschine darf pro Runde nur einmal genutzt werden, nur der Benutzer darf sie ggf. ein zweites Mal nutzen. Hier ist also eine gewisse Konkurrenz gegeben. Manchen nennen das sogar schon Interaktion.

Und jetzt fängt die Krux von „Steam Works“ an: Im Laufe des Spieles liegen auf dem Tisch um die zentrale Auslage herum immer mehr (zwischen zehn und zwanzig!) private Maschinen mit lauter unterschiedlichen Effekten. Die Maschinen liegen bis zu zwei Metern auseinander, und es gilt, sie alle mit allen ihren Effekten und Nebeneffekten abzuchecken, und die für die eigene Entwicklung augenblicklich beste Maschine herauszufinden. Dabei ist ggf. noch zu berücksichtigen, ob andere Spieler auf diese Maschine ebenfalls scharf sind, und ob die von der Bank ausgezahlten Vorteile an den Maschinenbesitzer die Fremdnutzung wert sind.

Wilhelm kannte das Spiel. Er baute sich in den letzten zwei oder drei Runden eine umwerfende Siegpunkt-Generiermaschine, und war damit auch von unserem Optimierungs-Maschinen-Optimierungs-Crack Günther nicht zu schlagen. Knapp nicht! Das spricht für die geistigen Anforderungen an das Spiel. Zweifellos ein Qualitätskriterium (westpark-scher Art), aber solche Anforderungen sind zweifellos ja nicht die einzigen Qualitätskriterien eines Spiels. Hier ist jetzt noch genügend Platz für Wilhelms Elogen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (ein reines Puzzle, ich mag diese Art von Spielen nicht), Günther: 7 (die Maschinen und ihre Komponenten sind überschaubar, aber es sind zu viele), Wilhelm 8 (fast 9, vor über einem Jahr zum letzten Mal gespielt, bin ich schnell wieder reingekommen, alles passt zusammen, die Aufbau-Idee ist hübsch, Übersichtlichkeit und Komplexität sind noch OK, es artet nicht in Arbeit aus), Walter: 6 (empfand das Spielgeschehen mit der gnadenlosen kalkulatorischen Optimierungsaufgabe doch als schweißtreibende Arbeit; schöne, gelungene, fehlerlose Ingenieur-Leistung des Autors, doch das Spielerische kommt zu kurz).

Aaron fand bei Boardgamegeek einen Kommentar, für ihn wie auf den Leib geschrieben: „Not unpleasant, not broken, not problematic, just not my kind of game.“

3. “Flaschenteufel”

Nein, wir haben es nicht gespielt. Walter schlug es in der seltenen Viererrunde als Vor-Absacker vor, aber Wilhelm war dagegen: „Es ist ein gutes Spiel, aber es liegt nicht in meiner Geschmacksrichtung.“ Sinngemäß das gleiche wie der BGG-Kommentar. Vielleicht werden wir alle älter, die Weichteile verkalken und die freie Auffassungstoleranz wird enger. Vielleicht waren wir aber schon immer so.

4. “Bluff”

Im ersten Spiel war Wilhelm als erster ausgebootet, es gewann Walter im Endspiel gegen Aaron. Im zweiten Spiel war Walter als erster ausgebootet, es gewann Wilhelm in Endspiel gegen Günther. Ein reines Glücksspiel … :-)

06.07.2016: Karten, Sex, Krieg und ein Lux

Deutschland hat gegen Italien einen Bann gebrochen. Oder nüchterner ausgedrückt: die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat in den statistischen Tabellen eine gezählte Null durch eine Eins ersetzt. Vier Tage später hat Frankreich gegen Deutschland ebenfalls einen Bann gebrochen. Die Welt der Statistik ist wieder in Ordnung. Aber das war sie immer.

1. “Parade”

Sonnenschein Andrea hatte sich angekündigt, war aber noch mit ihrer frisch-neu-früh-geborenen ersten Nichte zugange, deshalb vertrieben sich die vier Restmänner ihre Wartezeit mit einem Warming-up-Spiel, das vor gut einem Jahr zum ersten und einzigen Mal bei uns auflag. Keiner (!) wusste mehr, wie es geht, Aaron durfte fast ungestört die Spielregeln vortragen. Der Session-Report vom 1.4.2015 offenbarte mit Aarons Eindruck vom „mühsamen Kartenhandling auf dem Tisch“ und Walters Klassifikation als „pseudo-intellektuell“ das, worauf wir uns jetzt einließen.

In einem Aufnehme- und Ablege-Prozess von Handkarten versuchen alle Spieler mit abnehmender Leidenschaft und zunehmendem Erfolg, 1) keine, 2) wenige, 3) nur niederwertige 4) von einer Farbe die meisten Strafkarten zu bekommen.

Seine abwertende Klassifikation möchte Walter nach dem heutigen Durchgang (leicht) einschränken. Das Spiel ist vielleicht doch nicht so ganz pseudo-intellektuell (, womit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass alles menschliche Überlegen im natürlichen Zufall der nachgezogenen Karten sowie im real existierenden Mitspielerchaos total untergeht). Zumindest gibt es zwei Elemente, bei denen der Intellekt eines Mitspielers von Vorteil ist:

  1. beim Merken, welche Karten in Farbe und Höhe bereits gespielt sind. Wofür auch immer das gut sein mag,
  2. beim Auswählen und Zurückhalten der beiden Karten, die man bei Spielende zwanglos zu den eigenen Strafkarten dazugeben darf.

Wer bei 1. gut aufgepasst hat, ist bei 2. weniger überrascht.

In der bisherigen WPG-Wertung zwischen 6 und 7 Punkten reihte sich Moritz am oberen Ende ein.

2. “Krazy Wordz”

Krazy Wördz - Andrea denkt sich einen „Italienischen Liebesschwur“ aus.
Krazy Wördz – Andrea denkt sich einen „Italienischen Liebesschwur“ aus.

Andrea war angekommen, und wir stürzten uns sofort auf ein angemessenes schlüpfriges Party-Spielchen. Freigegeben für Jugendliche ab 16 Jahren.

Jeder Spieler bekommt je 9 Buchstaben-Plättchen zugeteilt und verdeckt je ein Kärtchen mit einem Begriff, z.B. „Französische Weinsorte“, „Südafrikanisches Gemüse“ oder „Das achte Weltwunder“. Aus seinen Buchstaben muss jeder Spieler jetzt ein Wort bilden, aus dem der vorgeschriebenen Begriff erkenntlich wird. Besonderheit beim Wortebilden: das präsentierte „Wort“ darf eine beliebige Zusammenstellung von 1 bis 9 Buchstaben in beliebig vielen Wort- oder Silben-Paketen sein, aber KEIN Wort der deutschen Sprache. Positiv: die leidige Diskussion über die Zulässigkeit eines Wortes fällt schon mal weg: Wenn man das Wort kennt, ist es nicht zulässig! Auch deutsche Wörter mit hineinkonstruierten Rechtschreibfehlern sind nicht zulässig.

Jetzt werden die Begriffskärtchen eingesammelt, gemischt und auf dem Tisch ausgebreitet. Die Mitspieler müssen nun erraten, welches „Wort“ für welchen Begriff gebildet wurde. Z.B. wäre mit „O la la“ wohl die französische Weinsorte und mit „Kaptom“ eher ein südafrikanisches Gemüse gemeint. Oder ist „O la la“ doch das achte Weltwunder?

Für richtig herausgefundene Zuordnungen von Aufgabe und Wort bekommen der Wortbilder und der Rater je einen Siegpunkt. Immerhin keine Hirnverdrehung bei dem Versuch, seinen Begriff erkennbar aber doch nicht zu leicht zu machen, wie es vor Jahrhunderten bei “Barbarossa” gefordert war. – Soweit ist das Ganze absolut brav, linear, wohlbekannt und vielfach ausgereizt.

Die Würze des Spiels liegen in den Begriffsbildungen zu Thema Nummer 1, z.B. „Sexspielzeug“ oder „Anderes Wort für Oralverkehr“ oder „Anderes Wort für Morgenlatte“. Was natürlich auch verklausulierter geht: „Ist mal klein und mal groß“ oder „Ist kurz und dick“. Über die kreativen Lösungen lässt sich herzlich lachen.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (in der richtigen Runde [wobei ziemlich klar angedeutet wurde, dass die Westpark-Gamers das nicht sind]), Andrea: 6 (kurzweilig, aber auf Dauer nervig. Die geforderte Kreativität beim Bilden der Wörter [plus] wurde leider wieder zu stark eingeschränkt [minus]), Günther: 8 (hübsches Gaudi-Spiel. Ohne die etwas sperrige Siegpunktvergabe wäre es noch schöner. [Aaron hat das Spiel in einer Spielrunde in Brixen gespielt, da wurde am Ende nur noch gelacht und keiner hat mehr auf die Siegpunkte geachtet]), Moritz: 6 (hübsch, aber praktisch designed es sich von selbst. [Heftiger Widerspruch]), Walter: 7 (hübsches Party-Spiel, am Westpark einen Punkt weniger).

3. “Eight-Minute Empire: Legends/Lost Lands”

In acht Minuten sollen wir ein Imperium aufgebaut haben. Wer am Westpark das glaubt, wird selig. Obwohl die Voraussetzungen eigentlich gegeben sind: Einfache Regeln, einfache Mechanismen, wenige Zugoptionen, wenige Spielrunden.

Aber wer entsprechend veranlagt ist, wird auch innerhalb der geringsten Krämerwirtschaft noch eine kalkulatorische Herausforderung sehen.

Fünf Aktionskarten liegen offen auf dem Tisch. Jeder Spieler sucht sich reihum eine davon heraus und nutzt sie. Sie erlaubt ihm:

  • zwei bis vier neue Armeen aufzustellen
  • zwei bis fünf existierende Armeen zu bewegen
  • ein oder zwei Städte zu bauen. (Darin dürfen wir unseren neuen Armeen aufstellen, damit sie nicht so weit zum nächsten Einsatzort laufen müssen.)
  • eine fremde Armee zu zerstören
  • Und das alles in verschiedenen “UND” und “ODER” Kombinationen.

Die Aktionskarten kosten 0 bis 3 Silberlinge, je nach Position, auf der sie liegen. Wird eine Karte gewählt, so werden die übrigen zusammengeschoben, und an die teuerste Stelle kommt eine neue Karte vom Nachziehstapel. Das kennen wir schon irgendwoher.

Startaufstellung sind für jeden Spieler fünf Armeen auf zwei verschiedenen Inseln eines größeren Archipels. In sieben Runden vermehren wir uns, bevölkern die nah- und fernliegende Gebiete und kicken einen oder zwei Armeen der Gegner in die ewigen Jagdgründe. Wer danach in den meisten Gebieten die Mehrheit an Armeen stehen hat, ist Sieger.

Ein bisschen komplizierter ist das Ganze dann doch noch. Die Aktionskarten bleiben bis zum Spielende jeweils im Besitz des Spielers, der sie genutzt hat. Sie bieten kumulative Vorteile: Zusätzliche Armeen, zusätzliche Bewegung, zusätzliche Siegpunkte, zusätzliches Zerstörpotential, zusätzliche Silberlinge. Ob man allerdings in sieben Runden mit solchen Marginalien eine effiziente Siegpunkt-Generier-Maschine aufbauen UND NUTZEN kann, bleibt zweifelhaft.

Moritz brachte gleich auch noch eine Expansion mit: „Eight-Minute Empire – Lost Lands“. Hieraus begann er die Regeln vorzutragen. Anstelle der fünf offen ausliegenden Aktionskarten bekommt jeder Spieler vier private Aktionskarten zugeteilt. Die darf er weder ansehen noch in ihrer Reihenfolge vertauschen. (Die gleichen Fehlerquellen wie bei „Bohnanza“!) »Der älteste Spieler zählt [laut!] bis drei. Bei „Drei“ schauen sich alle Spieler gleichzeitig ihre Karten an. Jeder Spieler wählt so schnell wie möglich eine Karte daraus aus; die Kosten dafür sind je nach laufender Position 0 bis 3 Silberlinge. Dann schreit er laut seine Wahl hinaus: z.B. ‚zweite Karte!’ Wer zuerst seine Wahl verkündet hat, wird Startspieler.« – Diese Prozedur ließen wir uns auf der Zunge zergehen, und kehrten dann (fast) einmütig zum Vorgehen der Basis-Version zurück.

Günther fand eine Insel, sogar mit einer kleinen Nachbarinsel, die ihm – aus Versehen oder Absicht – niemand streitig machte. Er gewann. Insgesamt hatte er sich pro Runde zwei Siegpunkte zulegen können. Aaron, Andrea und Walter brachten es nur auf (gut) einen Siegpunkt pro Runde.

Ein ganz normales „Civilisation“ ohne Pfiff und Triff. Aaron monierte, dass zu Beginn des Spiels ein Spieler evtl. nach langer Überlegung für teures Geld die Startspielerrolle erkauft, und dass dann der im Uhrzeigersinn folgende Spieler die ebenfalls noch vorteilhafte Zweiter-Spieler-Rolle kostenlos bekommt. Das hätte man doch mit unterschiedlicher Geldausstattung ausbalancieren müssen.

Walter monierte NICHT, dass man ihm eine Armee wegnehmen durfte, auch nicht, dass die Banditin Andrea ihm damit zugleich auch noch einen seiner kostbaren Silberlinge wegnehmen durfte. Aber er monierte, dass ein Spieler beim Zerstören und Wegnehmen sich jeden beliebigen Mitspieler als Opfer aussuchen darf. Zum Kriegspielen kommt also auch noch unausweichliche Kingmakerei hinzu. Oder ist das bei solchen Spielen selbstverständlich?

WPG-Wertung: Aaron: 3 (Glück pur, es werden kaum Siegpunkte verteilt), Andrea: 5 (man kann es so wenig beeinflussen), Günther: 5 (man lebt von der Hand in den Mund), Moritz: 8 (einfache Regeln, Interaktion und Konkurrenz, ja sogar Krieg [offensichtlich positiv]), Walter: 4 (Punktekrämerei, viel Hü um wenig Hott, 1 Punkt weniger wegen der Kingmakerei).

In den Tagen nach dem Spielabend fand ein reger Briefwechsel darüber statt, was wir bei dem Mittelding zwischen „Legends“ und „Lost Lands“, wie wir es gehandhabt haben, alles nicht beachtet oder sogar grob falsch gehandhabt haben. Es gipfelte in Aarons Erkenntnis:

„Das Spiel dreht sich um zwei Dinge: 1. mittels der Karten eine Engine bauen, die Siegpunkte, Geld und/oder Vorteile beim Kampf bringt. 2. sich auf den Inseln Mehrheiten schaffen, indem man sich geschickt ausbreitet und/oder kämpft.

Jetzt haben wir also mit einer Kartenauslage gespielt, die so für die von uns gespielte Expansion-Zusammenstellung nicht vorgesehen ist. Außerdem haben wir für diese Zusammenstellung nicht mit den richtigen Charakteren gespielt. Und jetzt stellt sich heraus, dass wir auch die Startaufstellung unserer Leute auf den Inseln falsch gemacht haben, die ja nicht ganz unwesentlich ist. Kurz und gut: wir haben ein Spiel gespielt, das der Autor so nicht vorgesehen hat (und das wahrscheinlich so auch nie getestet wurde). Ich ziehe damit meine Punktewertung aus Fairness ggü. dem Autor zurück.“

4. “Abluxxen”

Schon 10 mal am Westpark gespielt, davon 8 mal mit einem eigenen Report-Anteil. Jetzt reicht’s. Ein wunderschönes Absackerspiel.

WPG-Wertung: Andrea schwamm mit ihren 8 Punkten mit der Mehrheit der Westpark-Gamers (kurzweilig, interaktiv, mit Pfiff und nicht bombastisch. [Letzteres gilt als positive Wertung]).

29.06.2016: Punkte für Helmut

Woran erkennt man einen erfahrenen, guten Spieler?

  1. Er kennt viele Spiele, und er spielt ALLE Spiele, die man ihm vorsetzt. (Manche allerdings nur 1 mal.)
  2. Er kann unverzüglich von jedem Spiel die Charakteristika sowie Stärken und Schwächen benennen.
  3. Er kennt seine eigenen Spiele-Vorlieben und kann sie schnell und sicher in eine klare Relation zum aktuellen Spieleangeot bringen.
  4. Er versteht blitzschnell den Regelvortrag eines neues Spiels, kann bei Unklarheiten sofort einhaken, und äußert kompetente und konstruktive Kritik an Regelwerk und Ablauf.
  5. Er hält kontrolliert wie unkontrolliert alle Spielregeln ein, und hilft auch – locker und spielerisch – seinen Mitspielern die Regeln einzuhalten bzw. irrtümliche Regelverstöße zu vermeiden.
  6. Er übernimmt wie selbstverständlich anfallende Service- und Verwaltungsaufgaben des Spielablaufes (z.B. Bankhalter), und ist darin unfehlbar wie der Stellvertreter des himmlischen Vater.
  7. Er kann der Spielverlauf repetitieren, er merkt sich die Effekte der Züge seiner Mitspieler, und kann deren Besitztum und Potenz auch dann einschätzen, wenn sie hinter einem Sichtschirm verborgen ist.

Moritz hat heute einen neuen Spieler zum Westpark mitgebracht: Helmut heißt er. Nach wenigen Vorstellungssätzen war klar, dass Helmut ein Spieler von dieser guten, erfahrenen Sorte war. Das bewahrheitete sich während des ganzen Abends auch in jedem Detail seiner Präsenz. Daran konnte selbst der Satz nichts ändern, der ihn in mitten im Tor der Welt entfuhr: „Ich bin ein Idiot, meine Herren, bin ich ein Depp!“

Helmut hat auch noch Humor. Hoffen wir, dass er noch häufiger unser Gast am Westpark sein wird.

1. “The cursed loot – Die verfluchte Beute”

Loot Island Prototyp
Loot Island Prototyp

Dies ist zur Zeit der Titel, unter dem Aaron’s bisherige „Diggers“ dieses Jahr in Essen erscheinen soll. Gegenüber dem letzten Spiel keine grundsätzlichen Regeländerungen, lediglich am (nahezu nebensächlichen) Beiwerk wurden ein paar Blätter eingefügt. Statt abgeschnitten.

Alte Design-Frage: Wann sind genug Variation erzeugende Elemente enthalten, wann muss ich noch ein bisschen Pfeffer dazutun, damit das Gericht auch übermorgen noch nicht langweilig schmecken wird, wann ist zuviel Würze hineingelangt? Letzteres gilt vor allem, wenn diese Würze sich auch noch in einer Ausweitung des Regelwerkes niederschlagen muss.

Helmut’s Wertung: Mir gefällt es sehr gut; es enthält viele Elemente in einer eleganten Balance. In der Grundversion würde ich einige Elemente weglassen und erst als Experten-Regel oder als Expansion wieder in das Spiel hineinbringen.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Die Tore der Welt”

Die Tore der Welt
Die Tore der Welt

Nicht zu verwechseln mit „Die Säulen der Erde“, beide nach Romanen von Ken Follett, beide von den Autoren Michael Rieneck und Stefan Stadler als Brettspiel umgesetzt, beides im Kosmos-Verlag erschienen, die „Säulen“ im Jahre 2006, die „Tore“ drei Jahre später.

Es scheint eine Menge Ähnlichkeiten in beiden Spielen zu geben, wobei wir uns an die „Säulen“ nicht mehr so genau erinnern konnten. Glücklicherweise helfen die Beschreibungen im Internet jedem Gedächtnis auf die Sprünge. (Hoffentlich auf die richtigen.) In den „Säulen“ produzieren unsere Handwerker Holz und Steine, in den „Toren“ nutzen wir dafür Aktionskarten, um diese Wirkung hervorzubringen. In den „Säulen“ errichten unsere Baumeister Bauwerke und unsere Händler verkaufen Fertigprodukte, In den „Toren“ haben wir auch dafür wiederum Aktionskarten.

Früher oder später werden ein paar Aktionen auch in Siegpunkte umgegossen. In den „Säulen“ hat uns das so gut gefallen, dass wir dem Spiel im Durchschnitt fast 8 Punkte vergaben, und es im Oktober 2006 sogar zu unserem „Spiel des Monats“ gekürt haben. In den „Toren“ verläuft alles viel träger, gleichförmiger und spannungsloser. Alle müssen wir einen Teil unsere Zug-Energie in Getreide umsetzen, das wir nach jeder der vier Spielphasen nachweisen und abgeben müssen. Alle müssen wir uns in jeder Spielphase ausreichend „Frömmigkeit“ und ausreichend Geld zulegen, um damit die Pflichtabgaben bestreiten zu können. Man kann (fast) alle seine sechs Phasenzüge praktisch ohne Berücksichtung der zeitlichen Reihenfolge durchführen, ja sogar (fast) ohne die Züge der Mitspieler berücksichtigen zu müssen. Unglücklich ist nur der seltene Fall, wenn es am Ende wegen zufälliger Häufung bei einem oder zwei Spielern, kein Getreide und keine Frömmigkeit mehr auf dem Markt gibt. Ansonsten ist alles, was man macht ist richtig und gut. Bei manchen Mitspielern ist es halt ein bisschen richtiger und besser. Schön, wenn das bei einem selber der Fall ist.

Hübsch ist der Mechanismus mit den Ereigniskarten und der Bewegung des Gunststeines: der aktive Spieler schustert jedem Mitspieler unterschiedliche Güter zu, sich selbst aber am meisten. Hierauf freut er sich schon lange vor seinem Zug und kann hinterher im Guten schwelgen. Da das Spiel aber grundsätzlich nur Gutes vergibt (bis auf die jeweiligen Zwangsabgaben am Phasenende), verpufft dieser Güter-Segen unter den anderen Segnungen des Spiel. Mehr oder weniger vollständig.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt, auch nur 5 Pkt für die „Säulen“), Helmut: 6 (es fehlt die Aufregung, die Dramatik; nichts, was man macht, ist notwendig, keine Unterlassung führt in die Katastrophe), Moritz: 7 (bleibt, ebenfalls 7 Pkt für die „Säulen“), Walter: 6 (bleibt, ebenfalls 6 Pkt für die “Säulen”). Aber man beachte Günthers 8 und gar Loredanas und Peters jeweils 10 (ZEHN) Punkte für die Säulen, aber nur 6 Punkt für die „Tore“. Wäre das heute immer noch so?

3. “Bluff”

Nichts Neues im Westen. Im ersten Spiel machte uns Helmut als Neuling sofort die Fliege, während Aaron sich in einem zähen Ringen gegen Moritz durchsetzte (oder umgekehrt). Im Rückspiel machte uns Moritz recht schnell die Fliege, und Neuling Helmut setzte sich groß und breit gegen Aaron durch.

WPG-Wertung: Helmut vergab 7 Punkte („Da hätte ich doch lieber 2 Stunden Bluff gespielt, als 2 Stunden lang ’Die Tore der Welt’“). – Die NUR 7 Punkte für Bluff sind der einzige Minuspunkt, den Helmut sich heute am Westpark aufhalste.

22.06.2016: The Enlish army had just won the war

„Du gewinnst das Spiel einfacher, wenn du dem Gegenspieler die Meinung läßt, er habe leichtes Spiel mit dir.“ (Willy Meurer, Aphoristiker und Publizist, Member of the Human Race, Toronto)

1. “Quartermaster General”

Quartermaster General – Spielszene vom entvölkerten Eurasien
Quartermaster General – Spielszene vom entvölkerten Eurasien
Wochen, wenn nicht Monate hat Moritz unsere braven und unbraven Worker-Placement-Spiele über sich ergehen lassen, jetzt fühlte er sich berechtigt, uns auch mal wieder ein Spiel seiner Couleur aufzutischen: themenreich, geschichtsbewusst, kämpferisch! Worum geht es? Natürlich um den zweiten Weltkrieg.

Sechs Mitspieler dürfen sich an der militärischen Neugestaltung dieses Weltereignisses beteiligen: Die Achsenmächte mit Deutschland, Italien und Japan gegen die Alliierten aus Großbritanien, Russland und den USA. Jeder Spieler führt eine Nation. Wenn weniger Spieler dabei sind, darf ein Spieler mehrere Nationen führen. Außerdem halten die Spieler der beiden Militärblöcke zusammen. Sie gewinnen oder verlieren gemeinsam, es gibt keinen Einzelsieger, es sei denn, man spielt zu zweit. Insofern steckt sogar eine gewisse Kooperation im Design. Aber nur eine gewisse: Armeen (und Schiffe) eines Paktes dürfen auf dem gleichen Feld stehen und können sich nicht angreifen, ansonsten agieren alle unabhängig voneinander und sammeln lediglich die Siegpunkte auf einem gemeinsamen Konto.

Wie wird agiert, d.h. wie wird der Krieg geführt? Ganz einfach: Mit Hilfe von Aktionskarten, von denen jede Nation ein individuelles Deck besitzt. Sieben Karten dieses Decks hat der Führer einer Nation jeweils in der Hand, eine spielt er als Aktion aus, beliebig viele darf er anschließend zur Verbesserung seiner Kartenhand abwerfen und danach wieder auf sieben Karten auffüllen.

Gemeinsam sind allen Nationen die vier Kartentypen: „Build Army“, „Build Navy“, „Land Battle“ und „See Battle“. Das Neurekrutieren erfolgt von besetzten in unbesetzte Nachbargebiete, die Schlachten erfolgen von besetzten in vom Feind besetzte Nachbargebiete. Karte ausspielen, und schon ist die neue Armee/Flotte platziert oder die Schlacht gewonnen und der Feind vernichtet.

Mächtiger als dieses Standard Gebären bzw. Totschlagen sind Event-Karten, von denen jede Nation eigene Schöpfungen besitzt. Z.B. haben die Deutschen „The Autobahn“, mit der sie eine beliebige eigene Armee auf ein beliebiges freies Feld versetzen dürfen, z.B. vom Balkan nach Australien. Walter, der die Deutschen geführt hatte, hat die Geilheit dieses Zuges total übersehen! Die Geschichte des zweite Weltkrieges wäre total neu geschrieben worden.

Gemeinsam sind allen Nationen auch „Economic Warfare“-Karten, die definierte Gegner zwingen, die obersten Karten ihres Nachziehdecks abzuwerfen. Nachdem man nicht weiß, welche Aktionen mit diesen Karten erlaubt sind, und da jede Nation genügend viele Aktionskarten besitzt, so dass drei Karten mehr oder weniger das Kraut nicht fett machen, hat diese Karte eigentlich kein größeres aggressives Potential. Nur Italien ist in seiner Kartengesamtzahl etwas dünn bestückt. Moritz als Führer von Grossbritanien und den USA wusste das. Immer wieder attackierte er das Kartendeck der Italiener, und siehe da, sechs (von zwanzig) Runden vor Schluss, waren die Italiener pleite, keine einzige Karte mehr auf der Hand. (Spielbare Karten hatten sie schon ein paar Runden vorher nicht mehr auf der Hand!) Sie wechselten jetzt – im Gegensatz zur Geschichte – nicht die Seiten, sondern sie zogen sich lediglich zurück und buchten pro Runde auf dem Konto der Achsenmächte einen Minuspunkt. OK, das ist auch so etwas wie die Seite wechseln.

Aaron durfte die Japaner in den Krieg führen. Zumindest hätte er es gerne getan. Aber für die Japaner hatte der Spieldesigner nicht viel übrig. Ganze vier „Build Army“ Karten hat er ihnen gegönnt und ganze drei „Land Battle“. Wie soll Japan da jemals China erobern und bis zur Brücke am Quai gelangen können. Mit seinen zahlreichen Schiffen dümpelte Aaron friedlich und tatenlos im Pazifik herum. Erst ganz zum Schluss geriet eine Battle-Karte in seine Hand, mit der er endlich zuschlagen konnte. Er wählte dafür nicht das geschichtlich passende, aber mickrige Hawai, sondern zerstörte gleich den Westen der USA von Los Angeles bis zu den Rocky Mountains. Moritz war platt! Seine gesamten Streitkräfte waren unversorgt und mussten das Zeitliche segnen. Glücklicherweise hatte er die Event-Karte „Theater Shift“ auf der Hand, mit den er eine amerikanische Armee aus dem besetzten Szechuan unverzüglich an die Heimatfront verladen und Hollywood wieder spielbereit machen konnte.

Günther führte die Russen. Ohne große strategische Überfliegerei hielt er die Westfront (der Russen!), blieb auf den siegpunkt-trächtigen Feldern von der Ukraine über Moskau bis Indien und China, (Sibirien ließ er militärisch ganz links liegen!) und sorgte so dafür, dass die Alliierten an Siegpunkten die Achsenmächte einmal überrunden konnten.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (das japanische Kartendeck ist das langweiligste, was man sich vorstellen kann), Günther: 5 (mit Tendenz zu weniger, langweiliges Runterspielen eines Kartendecks), Moritz: 8 (I like it), Walter: 4 (kaum Strategie, kaum Handlungsfreiheit, pro Zug spielt man eine der beiden Karten, die in der aktuellen Situation möglich und/oder sinnvoll sind.)

Nachtrag: Was ist der Unterschied zwischen „einfachen Regeln“ und „hohem Spielgewicht“? Die Regeln von „Quartermaster General“ sind zweifellos ganz einfach: Spiele eine deiner sieben Handkarten [von denen du ohnehin nur eine oder zwei spielen kannst]. Diese Einfachheit der Regeln wird bei den amerikanischen Enthusiasten für dieses Spiel immer wieder betont. [Neben der Genialität, mit so einfachen Regeln die Geschichte fast realitätsgetreu nachvollziehen zu können!] Dahingegen ist das „Spielgewicht“ von „Quartermaster General“ recht hoch. Denn es gibt ungezählte Eventkarten mit jeweils unterschiedlichen Effekten, die nur in bestimmten Spielsituation gespielt werden dürfen. Hier müsste man sich die inneren Querbeziehungen im „General“ erst noch erarbeiten. Für diesmal haben wir darauf verzichtet.

Und warum steckt im Namen von „Quartermaster General“ so etwas wie Quartier (= Küche, gutes Essen und Trinken, vom Kuscheln ganz zu schweigen)? Weil Napoleon gesagt haben soll „Eine Armee marschiert auf ihrem Magen!“ – Spielen bildet!

2. “South by South-Ease”

Aaron hat seine frühere Eigenentwicklung „Trawler“ total umgebaut. Wir können nicht nur als erfolgreiche Fischer das Spiel gewinnen, sondern auch als erfolgreiche Händler. Viel Handlungsfreiheit, neue Herausforderungen beim Suchen und Finden der Nischen, in denen wir uns von unseren Konkurrenten absetzen können. Wieder sehr viel Interaktion.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

16.06.2016: Brettspiel zu Kartenspiel und umgekehrt.

Schon bevor das erste Spiel auf den Tisch kam, fragte Günther: „Welche Spielregel kann Walter partout nicht ausstehen?“

Schnell war Aaron mit einer richtigen Antwort da: „Wenn [in einem ansonsten friedlichen Aufbauspiel] ein Spieler einem anderen etwas wegnehmen darf.“ Das wurde ja gerade letzte Woche wieder im Spielbericht zu „Haithabu“ deutlich.

Doch auch eine zweite richtige Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Wenn ein Spieler seine Züge so spielen kann, dass die Mitspieler nicht – mehr oder weniger selbstverständlich – feststellen können, ob er richtig oder falsch spielt.“ Stellt euch vor, beim Skat (Schafkopf, Bridge) könnte man nicht nachprüfen, ob ein Spieler eine Farbe getrumpft hat, obwohl er hätte bedienen müssen? Ein Unding, ein total anderes Spiel! Aber so etwas kommt vor. Täglich. In jedem Bridge-Turnier. Aber bei Brettspielen scheinen manche Autoren auf so ein wichtiges Grundprinzip keine Designer-Gedanken zu verschwenden. Z.B. in …

1. “Roll for the Galaxy”

Da hat man unter “Etikette” den Hinweis angebracht: “Da es nicht möglich ist, die Handlungen eines Spielers hinter seinem Sichtschirm zu überprüfen, ist es wichtig, dass die Spieler in diesen Schritten sorgfältig sind und keine Fehler machen.” – So ein Spiel wäre NIEMALS in meinen Einkaufskorb gelangt. Der Rest der Westparker nahm es gelassener …

“Roll for the Galaxy” ist eine Variation des bereits 2007 erschienenen, hochgeehrten „Race for the Galaxy” von Tom Lehmann. Beim Vorläufer hatten wir angemerkt, dass das in einer ausgewachsenen Brettspielschachtel daherkommende Spiel eigentlich nichts anderes als ein Kartenspiel ist. Das können wir jetzt nicht mehr sagen. Unübersehbar sind die 111 Spezialwürfel, die 5 bunten Würfelbecher und eine Menge dickkartoniges Spielmaterial.

Jeder bekommt als Startausstattung fünf Würfel, die er pro Runde verdeckt würfelt und verdeckt den Aktionen zuordnet, die er gerne durchführen möchte. (Designschwäche: siehe oben unter Etikette!) Aktionen sind:

  • Erkunden, d.h. Aufbauplättchen verdeckt aus einem Säckchen ziehen, mit denen man sich Stück für Stück eine Privatregion zusammenstellt.
  • Entwickeln, d.h. Würfel zu bereits gezogenen Entwicklung-Aufbauplättchen legen, solange bis die geforderte Anzahl erreicht ist, und die speziellen Entwickler-Eigenschaften des Plättchen genutzt werden dürfen, z.B. zusätzliche Würfel in den Würfelset aufnehmen, Würfel beliebig verschieben dürfen, und vieles mehr.
  • Siedeln, d.h. Würfel zu bereits gezogenen Siedlungs-Aufbauplättchen legen, solange bis die geforderte Anzahl erreicht ist, und die speziellen Produktionseigenschaften der Siedlung genutzt werden dürfen, z.B. mehr Produkte, mehr Erlös, billigere Einkaufspreise, kostenloses Verladen, und vieles mehr.
  • Produzieren, d.h. Würfel auf bereits ausreichend besiedelte Siedlung-Plättchen legen, die sich somit in “Waren” verwandeln.
  • Verladen, d.h. produzierte Produkte in Geld oder Siegpunkte verwandeln.

Einen seiner Würfel darf jeder Spieler einer frei wählbaren Haupt-Aktion zuordnen; die anderen Würfel müssen genau entsprechend der erwürfelten Aktion zugeordnet werden. Allerdings gibt es beim Zuordnen einige sehr sinnvolle Weichmacher, die das Agieren recht flexibel gestaltet:

  • Joker-Aktionen dürfen einer beliebigen Aktion zugeordnet werden.
  • Einzelne Würfel dürfen – je nach Entwicklungsstand – ebenfalls zu beliebigen Aktionen versetzt werden.

In der Regel ist niemand durch einen unglücklichen Würfelwurf in seinem Fortschritt blockiert. Nicht einmal unser notorisch schlecht würfelnder Aaron konnte sich über schlechtes Würfeln beklagen.

GalaxyTrioWie bei „Race for the Galaxy“ kommt nach dem Zuordnen der Würfel jetzt der Knackpunkt des Spiels: Man darf nur solche Aktionen ausführen, die man selber oder die mindestens ein Mitspieler als Haupt-Aktion gewählt hat. Alle anderen Würfel verfallen. Es ist ein hohes Risiko, hier auf die zufälligen Interessen der Mitspieler zu hoffen. Wer z.B. viermal Erkunden kann und will, der sollte Erkunden auch als Haupt-Aktion wählen.

Was passiert mit den „verbrauchten“ Würfeln? Sie werden in einem Pool gesammelt und müssen zum Würfeln in einer der nächsten Runden daraus freigekauft werden. Nur einen einzigen Würfel bekommt jeder Spieler als Gratisration. Es ist also auch wichtig, sich durch Verkaufsaktionen rechtzeitig mit Geldmitteln einzudecken, damit man in den nächsten Runden auch ausreichend Moos in seinem Würfelbecher hat.

Durch geschicktes Würfeln, Agieren, Entwickeln, Siedeln, Produzieren, Geldmittel (für neue Würfel) Besorgen und Siegpunkte Hinheimsen gewinnt man das Spiel. Ganz einfach. Auf die Mitspieler braucht man eigentlich nicht zu achten. Zwar kann man sich von deren gewählter Haupt-Aktion abhängig machen, man kann diese Abhängigkeit aber auch weitgehend reduzieren, indem man pro Zug gegebenenfalls nur eine, und zwar die eigene effizienteste Haupt-Aktion durchführt. Das flexible Handhaben der Würfel erlaubt ein solches Vorgehen. Eindecken mit Aufbauplättchen was die Würfelschwarte hergibt, in der nächsten Runde Aufbauplättchen besiedeln oder entwickeln, was die nächste Schwarte hergibt! Damit verliert man weder Potenz noch Tempo. „Leider“ möchte man fast sagen, denn ohne diese Abhängigkeit ist „Roll for the Galaxy“ doch ziemlich autistisch.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (mir macht das „Maschinenbauen“ [via der Spezialeigenschaften der verschiedenen Entwicklungs- und Siedlungsplättchen] keinen Spaß. [6 Punkte für „Race …“]), Günther: 8 (durch die Würfel wird der Spielablauf bedeutend lockerer als das doch etwas verbissene Originalspiel. [6 Punkte für „Race …“]), Moritz: 7 (es gefällt mir gut, „ich hatte einen Plan“, das Design bekommt 8 Punkte, ein Minuspunkt für das Autistische. [noch keine Punkte für „Race …“]), Walter: 4 (die Flexibilität beim Würfel-Zuordnen ist gut gelungen, die dabei notwendige „Etikette“ ist nicht tragbar, minimale Interaktion. [6 Punkte für „Race …“]).

2. “Peloponnes – das Kartenspiel”

Bernd Eisenstein hat sein 2009 erfolgreich herausgebrachtes Brettspiel gleichen Namens letztes Jahr zu einem Kartenspiel umgeformt. Wie beim Brettspiel repräsentieren wir Zivilisationen, bieten um Plättchen, die jeder Spieler in seine Landschaft einbaut, und damit seine Potenz als Großgrundbesitzer erweitert.

Wie beim Brettspiel gibt es einen Verdrängungswettbewerb beim Ersteigern der Plättchen: ein Spieler darf sein Gebot nicht mehr erhöhen, er kann sich damit nur um ein anderes Plättchen bemühen, dessen Mindestpreis sein aktuelles Gebot nicht übersteigt. Dieses Prinzip ist und bleibt gelungen, hält das Bieten unter einer wohldosierten Spannung, und löst hin und wieder eine konstruktive Schadenfreude bei den Nicht-Betroffenen aus.

Wie beim Brettspiel brechen zu unvorhersehbaren Zeiten Naturkatastrophen aus, die unser Besitztum schmälern. Wir können versuchen, uns dagegen zu schützen, indem wir die richtigen Plättchen in der richtigen Zeit ersteigern; doch sind hierbei natürlich unsere Mitspieler unsere Konkurrenten. Gegen alle Katastrophen gelingt es nicht, so müssen wir uns halt mit ihnen einrichten.

Wer bei Spielende seine Siepunkte-Plättchen und die Bevölkerungs-Plättchen in eine optimale Korrelation gebracht hat, ist Sieger. Wie beim Brettspiel.

Wer bei den verschiedenen Fallen, die es innerhalb des Spielablaufes gibt, nicht aufpasst, kann leicht ins Hintertreffen geraten: keine Landschaft, keine Bevölkerung, kein Einkommen, keine Entwicklung – nur noch Katastrophen. „Selber schuld“ könnte man sagen, aber ein bisschen Barmherzigkeit im Spieldesign hätte hier gut getan. Glücklicherweise muss der arme Tropf nur 45 Minuten aushalten. Selbst am Westpark.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Brettspiel war vom Handling her besser, kein Spannungsbogen. [8 Punkte für das Brettspiel]), Günther: 6 (das Spiel ist OK. [7 Punkte für das Brettspiel]), Moritz: 7 (das Spiel funktioniert. [noch keine Punkte für das Brettspiel]), Walter: 7 (klar, sauber, hübsche Mechanismen. [9 Punkte für das Brettspiel]).

Warum [für mich] „Peloponnes“ wesentlich besser ist als „Roll for the Galaxy“. Einige Punkte

  1. Die notwendigen ”Etikette” der Galaxy– darüber sind schon genug Worte gefallen
  2. Reichlich Interaktion und Konkurrenz beim Aneignen der Peloponnes-Plättchen. Hierzu Fehlanzeige bei Galaxy.
  3. Mögliche Planung beim Ersteigern der ausliegenden Plättchen bei Peloponnes, gegenüber zufälligem Ziehen aus einem Säckchen bei Galaxy.Einhundertundzehn unbekannte, unüberschaubare Sondereffekt der Plättchen bei Galaxy, die – für den Sieg – zu einer funktionierenden Maschine zusammengebaut werden müssen, gegenüber wenigen überschaubaren Eigenschaften der Landschaftsplättchen in Peloponnes.

08.06.2016: Haithabu

Über Geschmack soll man bekanntlich nicht streiten. Das gilt fürs Essen, für Spiele, und in der heutigen Zeit natürlich besonders auch für Kulturschaffende und ihre Konsumenten. Wer kommt schon damit zurecht, was in der Avantgarde an Bild, Text oder Musik geboten wird? Unser Moritz als herausragende Persönlichkeit im Musikschaffen Europas kennt die andere Seite der Medaille: die Kritik der Ahnungs- und Verständnislosen. Die Uraufführung seiner „terra nova oder das weiße leben“ Oper im Linzer Theater wurde vom Publikum mit gut zehn Minuten Standing Ovations gefeiert, doch der Kritiker (einer) erkennt im Bühnenbild nur eine „Latten-Architektur, die bestenfalls am benachbarten Busbahnhof Maß genommen hat“, und in Moritz’ Musik einen „frisch-fromm-fröhlich-kessen Pluralismus, … gnadenlos populistisch“, betrieben aus einem „pfiffiges Geschäftsmodell“ heraus. Nun ja, wenigstens griffige Formulierungen.

Letzten Samstag wurde im Herkulessaal der Münchener Residenz ein Konzert mit „The Desert Music“ des amerikanischen Komponisten Steve Reich und mit „Muzak“ von unserem Moritz gegeben. „Frenetischer Applaus“ und „minutenlange Standing Ovations“ berichtet Dominik Petzold darüber in der AZ. Über Moritz heißt es: „Komponist Eggert singt diese wilde Collage selbst, quer durch alle Stile und Oktaven, von Bariton bis Kopfstimme: viele Passagen karikaturesk verzerrt, andere mit authentischem Pop-Sentiment. … Die Passage, die an Bowie erinnert, … fügt sich zu einem fast kompletten, elegischen, sehr schönen Song zusammen. Davon hätte man auch noch mehr hören können.“

Und was schrieb Herr S. darüber in der SZ? Steve Reich wurde erwähnt, und sonst nix. Moritz’ Werk und sein Vortrag wurde schlichweg total ignoriert. Wurde Herr S. vielleicht unerwartet abberufen? War das Ignorieren bewußt? Boykottierend? Eine Rache der Seilschaften um Sigi Mauser? In jedem Fall eine eklatante Ignoranz, die der Verantwortung eines Redakteurs für sein Ressort und für seine Leserschaft nicht gerecht wird! Wegen ihrer penetranten politischen Einseitigkeit habe ich vor fünf Monaten mein langjähriges SZ-Abo gekündigt. Ich habe es noch keine Sekunde bereut.

1. “Haithabu”

„Gegen Ende des Frühmittelalters war Haithabu aufgrund seiner exponierten Lage das wichtigste Handelszentrum im Nord-Ostsee-Raum“. So fängt die Spielanleitung an. Wir schauten erst mal im Internet nach, ob die Autoren sich hier einen Namen aus den Fingern gesogen haben oder ob es „Haithabu“ tatsächlich einmal gegeben haben hat. Hat es!

Wir handeln also in Nord-Ostsee-Raum mit den sechs Handelsgütern Met, Tuch, Keramik, Werkzeug, Waffen und Gewürzen, oder sachlicher ausgedrückt, wir handeln mit Holzwürfeln in sechs verschiedenen Farben. Handeln heißt: Wir setzen einen „Arbeiter“ auf den Markt mit der entsprechenden Farbe und kaufen dann, solange Geld und Vorrat reicht, soviele Holzwürfel dieser Farbe wie uns Spaß macht und bringen sie in unser „Lagerhaus“. Im nächsten Zug setzen wir einen Arbeiter auf das Feld „Transportmittel kaufen“ und kaufen uns entweder einen „Karren“ und/oder ein „Schiff“ und stellen sie den noch leeren Hof unseres Fuhrparks. Die unterschiedlichen Transportmittel können jeweils eine genau definierte Menge von Holzwürfeln genau definierter Farben (Mehrzahl!) von unserem Lagerhaus zu unserem „Handelsposten“ transportieren. Im dritten Zug stellen wir einen Arbeiter auf das Feld „Transportieren“ und tun das denn auch. Im vierten Zug setzen wir einen Arbeiter auf das Feld „Auftrag“ nehmen. Damit bekommen wir einen Käufer, der bereit ist, von uns eine eine genau definierte Menge Holzklötzchen mit einer genau definierten Farbzusammenstellung anzunehmen. Falls wir diese Warenkombination in unserem Handelsposten haben, brauchen wir bloß noch im sechsten Zug einen Arbeiter auf das Feld „Auftrag ausführen“ zu setzen, und schon fließen uns neue Geldmittel zu. Vor allem können wir ein paar Siegpunkte auf unserem Konto verbuchen.

Die hier beschriebene Zugreihenfolge ist natürlich nicht notwendig. Wir können uns natürlich auch zuerst Aufträge aneignen, dann die geeigneten Transportmittel, und erst am Schluß der Zugkette die benötigen Waren erstehen. Oder wir immer wir das für sinnvoll halten. Überschüssige Waren bleiben im Lagerhaus oder Handelsposten, so dass wir beim Erfüllen des nächsten Auftrags und vielleicht den einen oder anderen dieser Schritte ersparen können. Das Transportmittel sind wir allerdings los, ob wir die dort vorhandene Transportkapazität vollständig ausgenutzt haben oder nicht. Unser Fuhrpark fängt wieder bei Null an.

HaithabuDieser Spielablaufes ist rund, übersichtlich, sauber beschrieben und erfolgt auf einer ganz klaren Linie. Mathematisch gesehen ist eine Linie allerdings eine eindimensionale Sache, und das ist auch der Spielablauf in „Haithabu“. Alles funktioniert, aber es gibt keine Ausbuchtungen, keine Umwege, keine Höhen und Tiefen, kein Aufbau, keine Dynamik, keine Spannung und kein Pfiff.

Das ist den Autoren nach vielen hunderten von Testrunden vielleicht ebenfalls aufgefallen. Deshalb haben sie dann ein paar zusätzliche Rädchen und Schräubchen angebracht, damit die Aktionismusmöglichkeiten der Spieler erweitert wird und sich und damit vielleicht ein bißchen Spannung einstellt. Zum Beispiel bekommt jeder gleich zu Beginn einen „Charaktermarker“, der ihm finanzielle Vorteile beim Kaufen und Handeln verspricht. Ein bißchen Asymmetrie in der Ausgangslage ist ja nie verkehrt. Man kann sich im Laufe des Spiels sogar weitere Charaktere zulegen, man kann sogar seinen Mitspielern besonders begehrte Charaktere abspenstig machen. Aber das kostet Züge und Zeit. Wieweit sich das wirklich lohnt, das haben wir uns nicht „erarbeitet“.

Ein Zusatzrädchen ist der Direkt-Verkauf auf dem Markt. Da die Preise auf dem Markt jedesmal um eine Stufe steigen, wenn wir dort einkaufen, können wir unsere Holzwürfel zu einem höheren Preis verkaufen, als wir sie eingekauft haben (falls sonst nix passiert), und machen damit einen gewissen Gewinn. Dieser Gewinn ist aber nur marginal, da wir ja davon auch noch die Kosten für das Transportmittel bestreiten müssen. Zudem macht in „Haithabu“ Geld überhaupt nicht glücklich! Siegpunkte müssen her. Die bekommen wir aber nicht über das Kaufen und Verkaufen am Markt.

Ein weiteres Zusatzrädchen ist die Preisentwicklung auf dem Markt. Nach jeder Runde bestehend aus drei Arbeiterzügen wird ausgewürfel, wieviel neue Waren auf den Markt kommt, und ob die Preise dort steigen oder fallen. Pro Warensorte kommt damit aber durchschnittlich nur ein (ein einziges!) neues Klötzchen dazu, und da wir im Notfall neue Waren nicht vom Markt, sondern auch direkt von der Bank kaufen können, ist die Ermittlung dieses Ein-Klötzchen-Nachschub eher eine Zeitverschwendung, genauso wie die ausgewürfelte Preisentwicklung: bei Umsätzen von 100 bis 200 Euro pro Runde sind Preisunterschiede von 2 bis 5 Euro pro Stück eigentlich vernachlässigbar. Vor allem bei Warenarten, für die sich (augenblicklich) kein Mensch interessiert.

Eine Beschleunigung des Spiels versprachen sich die Autoren durch Schwarzarbeiter, die ein Spieler für einen Zug zusätzlich erwerben kann. Es gibt drei Schwarzarbeiter für insgesamt vier Spieler. Ein Spieler geht immer leer aus. Welcher Spieler? Der letzte in der Zugreihenfolge, natürlich! Der darf allerdings einen Zug opfern, um ab der nächsten Runde selber Startspieler zu werden. Doch dann ist halt ein anderer der Dumme! Welch’ eine Konstruktion!

Ein echter „Spannungserzeuger“ ist die Einführung von „Tag“ und „Nacht“ für die Arbeitsplätze, über die unsere Arbeiter unsere Handelsaktivitäten abwickeln. Die Tagschichten dürfen alle belegt werden, ohne dass Nebenwirkungen zu fürchten sind; beim Einsatz in der Nachtschicht muss der Spieler jetzt noch würfeln, ob ihm jetzt ein wohldefiniertes Unglück zustößt oder ob ihn das Füllhorn des Schicksals mit gewissen Segnungen überschüttet. Instinktiv hatten wir zuerst die Nachtschichten vermieden, bis Günther auch dieses Element ausprobieren wollte und hier glatt zweimal mit Segnungen davonkam: Beim ersten Mal erhielt er von jedem Mitspieler eine Ware, beim zweiten Mal mussten alle Mitspieler eine Ware in den Orkus werfen. Letzteres war für Günther zwar keine Segnung, aber immerhin ein Fluch für jeden seiner Mitspieler.

Herrschaftzeiten, ihr Autoren, habt ihr immer noch nicht begriffen, dass meine Holzklötzchen mir gehören und niemandem anders! Da habe ich scharf kalkuliert, mir die richtige Anzahl und Art von Waren angeschafft, den gerade richtigen Karren zugelegt, die Waren zum Verkauf transportiert und dann kommt so ein komischer Nachtlümmel daher, nimmt mir ein Klötchen weg und ich kann Auftrag, Einnahmen und Siegpunkte vorerst in den Wind schreiben! Vorerst ist noch milde ausgedrückt. Es kann mich eine ganze Runde kosten, bis ich mich für diesen Auftrag wieder genügend aufgerappelt habe! Wer kann darüber lachen!?

Bei uns hätte dieses Schicksal allerdings keinen eine ganze Runde kosten können, denn da hatten wir das Spiel bereits abgebrochen. Walter machte nach zwei Runden eindimensionalen Spielens Vorschlag („Was kann denn noch Neues kommen?“), Aaron war zustimmend nickend und Günther stillschweigend dafür, nur Moritz zierte sich noch ein Weilchen. Eine Hämmerkonzert bricht man ja auch nicht ab. Aber nach zwei weiteren Spielzügen „dritte Wurzel aus Uwe Rosenberg auf Valium“ lenkte er ein.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (langweilig, nix Neues), Günther: 4 (ab 5 Punkte würde ich ein Spiel ja nochmals spielen wollen, da ist Haithabu halt knapp drunter), Moritz: 3 (langweilig,störende Zufallsmechanismen), Walter:3 (für Krämerseelen, die den Zahlenraum bis 250 beherrschen).

Aaron wollte seine Neuerwerbung von Essen-2015 kostenlos an Günther abgeben, doch der winkte ab. Qualitätszuwachs und Platzbedarf in seiner Spielesammlung standen in keiner positiven Relation.

„In Essen kaufe ich nichts mehr! Die Reinfälle häufen sich! Man braucht keine Angst davor zu haben, dass gute Spiele in Essen ausverkauft sind. Gute Spiele werden auf jeden Fall nachproduziert und sind auch später noch zu haben. Oft sogar billiger!“

2. “Codenames”

Ein Favorit für das Spiel-des-Jahres 2016. Bei uns letztens in einer Dreierrunde nur angetestet. Diesmal zu viert hatten wir die minimale Standardbesetzung. Und natürlich war das kreative, konstruktive Miteinander vom ersten Kennenlernen durch die übliche Gewinnen-Müssen-Wollen Stimmung am Westpark wie weggeblasen. Und natürlich gab es die für dieser Art von Spielen unvermeidliche negative Auseinandersetzung über die Zulässigkeit von Codewörtern.

Für die Begriffe „Bett“ und „Mini“ gab Moritz das Codewort „Schlafstättchen“ vor. Lautstarker Einspruch von Walter: „Das ist kein umgangsspachliches Wort!“ Natürlich gibt es „Schlafstädte“ und dementsprechend auch „Schlafstädtchen“ argumentierte Aaron, und fand diesen Begriff auch gleich im Internet. „Die Schreibweise spielt nach der Spielregel keine Rolle.“ Ein Argument für A & M. Doch Walter wollte grundsätzliche Klarheit: „Zugelassen sind nur Worte, die auch bei LEO zu finden sind!“ Mit dieser leicht und eindeutig zu handhabenden Regelpräzisierung blieb er der einsame Rufer in der Wüste. „Schlafstättchen“ (mit „t“) wurde schließlich 4 (VIER) mal bei Google angezeigt und blieb gültig. Mit einem rachevollen und heftig umstrittenen „Brotgrube“ für die Begriffe „Toast“ und „Loch“ (die „Muschel“ hatte Moritz schon vorher entschärft) konnten Günther und Walter wenigstens den zweiten Durchgang für sich entscheiden.

Übrigens: bei Google gibt es „Brotgrube“ 276 mal, also 69 mal so oft wie das „Schlafstättchen“!

WPG-Wertung: Aaron und Günther blieben bei ihren 7 Punkten, Moritz schloss sich an: 7 (als Idee schlüssig), Walter reduziert seine 7 Punkte auf 5 (wir spielen schließlich am Westpark und nicht in unter „spritzigen Schnell- & Schöndenkern“).

Eine sicherlich weniger umstrittene Codenames-Version wäre eine mit Bildern anstelle von Begriffen. Die gibt’s wahrscheinlich schon auf dem Markt.

3. “Diggers”

Aaron wollte seine immer noch ungetaufte Neuschöpfung in einer 5er Runde ausprobieren. Wir waren aber nur zu viert, und außerdem hatte er das Spielmaterial für den fünften Spieler zuhause vergessen. Das Spiel war trotzdem interessant und bemerkenswert anders als in den vorgegangen Dreierrunden. Das konsequente Nutzen des Schiffs, von Günther zum Verändern der Wertungsreihenfolge weidlich gehandhabt, schafft ungeahnte neue taktische Möglichkeiten.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

01.06.2016: German Railroads

Die Schleuder ist besser als das Ziel (Lettisch)
Das Halsband ist besser als der Hund. (Persisch)
Das Futter ist teurer als das Kleid (Türkisch)
Die Braut ist die Kosten der Hochzeit nicht wert. (Neugriechisch)
Die Brühe ist mehr wert als der Fisch. (Sardisch)
The play won’t pay the candles. (Englisch)

1. ” German Railroads”

Unser Freund Helmut Ohley (und Leonhard Orgler) als Autor, Hans im Glück als Verlag, Eisenbahnen, eine Erweiterung der „Russian Railroads“, die 2014 den deutschen Spielepreis gewonnen hat, bei diesen Tatsachen können wir doch nicht abseits stehen. Schon zu den letzten drei Spielabenden brachte Günther dieses Spiel mit, heute wurde es endlich ausgepackt.

Was ist anders gegenüber der „Russian Railroads“ (siehe Session-Report vom 21.11.2013)? Fragen wir lieber: Was ist gleichgeblieben? Geblieben ist die gewaltige Worker-Placement-Szenerie, in der wir unsere sechs (sieben oder acht) Arbeiter in Konkurrenz zueinander an 25 bis 30 verschiedenen Arbeitsplätzen unterbringen, um mit dem Ertrag ihrer Arbeit hinterher doch nur unser eigenes Süppchen zu kochen. Statt von Moskau nach Wladiwostok, Kiew oder Sankt Petersburg fahren wir von Nürnberg nach Fürth, München oder Dresden. Im Gegensatz zu den 18xx-Spielen geht es nicht darum, über ein großes Streckennetz möglichst viele lukrative Städte zu verbinden. Auch Geld spielt hier nur eine kleine Nebenrolle. Es geht darum, relativ kurze Strecken mit immer höherwertigeren Schienen auszupäppeln und allein für den Schienenluxus Siegpunkte zu erhalten. Von der „Russian“ ist auch übernommen, dass man auf den Gleisbau total verzichten kann und sich auf eine Industrielinie konzentriert.

RussianRailroadsAlles funktioniert, alles ist rund und schön. Es gibt viele verschiedene Entwicklungslinien, nach denen eine Spieler seine Siegpunktquellen erschließen kann. Vielleicht ist es sogar möglich, Gemischt-Strategien zu fahren und im Laufe der Spieles von einer Strategie auf die andere umzuschalten. Vielleicht. Wohl besser aber nicht.

Die Erträge verdoppeln sich mehr oder weniger von Runde zu Runde. Man könnte damit meinen, auch als Nachzüglicher am Ende noch einen gewaltigen Satz nach vorne machen zu können. Doch das trügt. Nach vorne kommt man wohl, aber die Führenden kommen noch weiter nach vorne. Die ersten Früchte sind nicht madig, sie füllen den Siegpunktmagen von Runde zu Runde mit wachsenden Genüssen.

Günther nahm sich aus Erfahrung und zu seiner Herausforderung wieder der Industrie an. In einer Dreierrunde bekam er dabei fast keine Konkurrenz. Sehr schnell zog er davon. Jetzt legte er seinen ganzen Ehrgeiz darein, seine Mitspieler (mehrfach!) zu überrunden. Für ihn war es spannend, die Mitspieler sahen es eher mit stoischer Gelassenheit. Sie freuten sich über ihre eigene Entwicklung, ohne mit viel Emotion auf die Kunststücke des Meisters zu schielen.

Es ist für die Mitspieler nur etwas lästig, zuzuschauen, wie sich ein Industrieller mit einem einzigen Zug weitere Züge freischaufelt und damit einen ganze Kette von Einzelzügen hintereinander ausführen darf. In der „German“ ist diese Technik noch ausgebaut. Das hätte es alles nicht gebraucht. Es verlangsamt nur den Spielfluss (für die Zuschauer) und es erhöht das autistische Element.

Das ist ja einer der Ansatzpunkte für Kritik an den „Railroads“, an den russischen wie an den deutschen: Jeder spielt viel zu viel für sich alleine. Man kann dem Führenden in seiner Privat-Schiene kaum an den Wagen pinkeln. Es gibt für ihn auch keine Herausforderung wie z.B. die Einführung der Dieselloks bei „1830“, bei denen der Monopolist gewaltig aufpassen muss, damit er trotz oder gerade wegen seines großen Imperiums nicht pleite macht. In den Railroads geht alles unaufhörlich nach oben. Schön, dabei zu sein, aber mit gebremster Spannung.

Natürlich sind es unbestritten große Werke. Großartige Werke. Im Verhältnis zueinander sind die „Russians“ so etwas wie der Dom zu Speyer und die „Germans“ der Dom zu Köln. Laienhaft ausgedrückt: an jeder größeren ebenen Fläche noch ein Häubchen draufgesetzt. Dabei kommen wir in unseren schnörkellosen Reihenhäuschen des 20. Jahrhunderts schon bei kleineren Sakralbauten nicht aus dem Staunen heraus.

Ein Schmankerl der „German Railroads“ muss aber unbedingt noch erwähnt werden. Es gibt eine Solo-Version. Ein Einzelspieler bekommt einen (primitiven) Gegenspieler zu Seite gesetzt, der seine Arbeiter nach einer einfachen Zufallsauswahl auf den verschiedenen Arbeitsplätzen einsetzt und so dem Einzelspieler ab und zu mal Steine in seinen Idealweg legt. Offensichtlich gibt es heutzutage genügend Spielefreaks, deren Herz und Sinn nach der Auseinandersetzung mit solchen hübschen Brettspielkomplexen steht, die aber keine Mitspieler finden. Ja, die heutige Jugend, sie spielt lieber Poker oder schaut sich den Fussball vom FC Bayern bis zu Fortuna Düsseldorf an!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spielgefühl ist absolut das gleiche wie bei „Russian Railroads“; ich stimme der „Spielbox“ voll zu, die geschrieben hat: „das Spiel ist für Spieler, die Russian Railroads bereits einhundertmal gespielt haben, und hier mal wieder eine Variation aufgetischt bekommen möchten“), Günther: 9 (HiG minded, Railroad Freak), Walter: 7 (eine Super-Konstruktion, ohne Haken und Ösen; für mich reicht es aber, das Spiel kennenzulernen; für eine weitere Auseinandersetzung mit den tausend Rädchen fehlt mir einfach der Ehrgeiz)

2. “Diggers”

Nach dem ausgiebigen Schwelgen auf der Schwäbschen Eisenbahne legte Aaron nochmals seine Digger-Legende auf. In Zusammenarbeit mit dem Verlag wurde nur noch ein wenig an einzelnen Rädchen gedreht. Dreh- und Angelpunkt für den Sieg ist ja – vom Spieldesign her gewollt – der Zufall bei der Wertigkeit der Schätze, die ein jeder Spieler bei seinen Aktivitäten an Land zieht. Viele Schätze sind natürlich besser als wenige Schätze, doch ist hier die Klasse der Masse haushoch überlegen. Wertvolle Schätze sind leider alle „fluchbeladen“ und bei Spielende überhaupt nichts wert, wenn sie nicht durch aufwändige Zwischenzüge “entflucht” wurden. An der Balance innerhalb der Siegpunkte für die einzelnen Schätze, an der Anzahl von Flüchen, mit denen sie beladen sind, und an den Möglichkeiten, diese Flüche zu beseitigen, wird noch gearbeitet. Die Grundsubstanz des Spiels steht aber. Festgemauert in der Erden. Und er sah, dass es gut war.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

25.05.2016: Die Legenden von Karuba

Was kann man alles spielen?
Den strammen Max, den wilden Mann, den großen Herren, den Heiligen, die gekränkte Unschuld, den Anstandswauwau, die Vorreiterrolle, die zweite Geige, einen bösen Streich, eine Vermittlerrolle, die Hauptrolle, die beleidigte Leberwurst, den Verrückten.
Man kann mit dem Feuer spielen, mit dem Gedanken, mit jemandes Gefühlen, mit Worten und mit seinem Leben.
Spielen lassen kann man Beziehungen und seine Muskeln.
Das Ganze ergibt dann ein leichtes Spiel, ein doppeltes Spiel, ein falsches Spiel, ein abgekartetes Spiel. Ein gutes oder ein böses Spiel. Zu letzterem macht man dann eine böse bzw. eine gute Miene. In jedem Fall wird dabei viel aufs Spiel gesetzt.
Und daneben gibt es noch hunderttausend Brettspiele. Fangen wir an.

1. “The Legends of Helionoor”

In acht Schatzgruben wird nach Schätzen gegraben. Schätze sind Siegpunkt-Chips in einer Stückelung von 1 bis 10. Die höherwertigen Chips sind allerdings mit einen „Fluch“ belegt, wir müssen sie erst mittels niederwertigen „Heils-Chips“ oder durch andere aufwändige Prozeduren entfluchen, bevor wir ihre Siegpunkte aufs Konto kriegen.

Graben tun wir mit Grabkarten, die es in vier verschiedenen Farben und einer „Tiefe“ von 1 bis 10 gibt. Jeder Spieler hat acht Karten davon auf der Hand. Er „gräbt“, indem er eine oder beliebig viele Grabkarten zu einer der acht Schatzgruben legt. Die erste Karte dort bestimmt die Farbe, die alle weiteren Karten haben müssen, die er oder seine Mitspieler dorthin legen. Die „Tiefe“ gibt an, wie tief man bereits gegraben hat; alle nachfolgend angelegten Karten zu einer Grube müssen den gleichen oder einen höheren Tiefenwert haben.

In einer Runde dürfen wir alle acht unserer Grabkarten verspielen, wir dürfen uns aber noch welche aufbehalten und schon früher passen. Danach dürfen wir beliebig viele Karten abwerfen und für die nächste Runde unsere Kartenhand wieder auf acht Karten auffüllen.

DiggersGewertet werden in einer Runde zwei vorbestimmte der acht Schatzgruben. Es werden nur solche Gruben gewertet, bei denen mindestens vier Grabkarten angelegt wurden. Zur Wertung werden eine Anzahl Siegpunkt-Chips verdeckt aus einem Säckchen gezogen. Die Anzahl ist einerseits abhängig von der Anzahl der Spieler, die sich hier beim Graben beteiligt haben, und andererseits von ausgewählten Grabkarten, nach denen hier noch weitere „Schätze“ zutage gefördert werden. Von den ausliegenden Siegpunkt-Chips darf sich der Spieler, der als erstes hier zu graben angefangen hat, den ersten Schatz aneignen; dann kommt der zweite Spieler dran usw.; wenn alle Grabungsteilnehmer durch sind, und noch weitere Schätze offern liegen, darf wieder der erste Spieler zugreifen.

Nach sechs Runden ist das Spiel zu Ende, die verfluchten Siegpunkte sind geheilt oder nicht, je nachdem zählen sie zur Beute oder nicht. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten hat gewonnen. (Wer hätte das gedacht?)

Allein dieser Ablauf ist schon taktisch genug. Doch das Spiel bietet ein ganze Reihe weiterer „nicht-linearer“ (euphemisch ausgedrückt) Elemente, die die taktische Ausrichtung aufweichen und das spielerische Element fördern. So kann man sich mittels bestimmter Grabkarten auch als Zu-Spät-Gekommener an einer Schatzgrube zum ersten Auswähler machen; man kann statt der beiden Schatzgruben, die für die nächste Wertung vorbestimmt sind, die nächsten beiden Schatzgruben werten lassen. Und ähnliches. Eine sehr gelungene Mischung von Zufallseinflüssen mit reichlich (aber nicht überreichlich!) gebotenem Denken und Taktieren in einem Höchstmaß an Interaktion und mit einem klaren spielerischem Gesamteindruck …

Was ich hier beschrieben habe, gibt es noch nicht zu kaufen. Wer feine Ohren hat, (mindestens so fein, dass er damit das Gras wachsen hört), konnte allerdings heraushören, dass es sich hier um Aarons „Diggers“ handelt. Schon am 30. Januar 2013 lag das Spiel in einem bereits spielbaren Zustand zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Schon damals war es reizvoll in Geschwindigkeit und Taktik. (OK, die Geschwindigkeit hat jetzt etwas nachgelassen, es ist ja jetzt auch ein ausgewachsenes Brettspiel und kein reines Kartenspiel mehr.) Jetzt hat es einen gut drei Jahre dauernden Reifeprozess durchgemacht. Aus der Urversion, einem reinen Planspiel war es in Kooperation mit nördlichen Glücksrittern zwischenzeitlich zu einem reinen Chaosspiel ausgeartet, bis es mit Hilfe von kompetenten Köpfen aus dem „What’s your game“-Verlag die heutige gelungenen Balance gefunden hat. In Essen 2016 wird es erscheinen! Der Name ist noch offen, „Diggers“ wird es nicht heißen, eher etwas wie „Die Legende von …“ Ich habe hier in eigener Regie ein Kunstwort aus dem sonnigen Helios und dem berühmten Koh-i-noor eingefügt. Viel Erfolg!

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Karuba”

Ein realer Titel, ohne die fiktiven „Legenden“. Geschaffen von Rüdiger Dorn, ausgewählt unter die Kandidaten zum „Spiel des Jahres 2016“.

Jeder Spieler hat ein Dschungel-Areal aus fünf mal sechs wegelosen Rechtecken vor sich, durch das er vier Wege von jeweils einem Pöppel-besetzten Ausgangspunkt bis zu einem vorgegebenen Zielpunkt bahnen soll.

Karuba„Gebahnt“ wird, indem verdeckt Wegeplättchen gezogen werden, die entweder eine grade Strecke, eine Kurve, eine Wegegabelung oder eine Kreuzung beinhalten. Dieses Plättchen darf der Spieler auf ein beliebiges Rechteck in seinem Dschungel legen. Bestrebung ist es natürlich, die Plättchen so zu legen, dass ein möglichst effizientes Wegenetz entsteht, in dem auf möglichst kurzer Entfernung möglichst alle vier Zielpunkte angelaufen werden können.

Laufen muss man natürlich auch noch. Jeder Spieler darf das aktuell gezogene Wegeplättchen abwerfen und stattdessen mit einem seiner vier Pöppeln auf einem bereits von ihm gebahnten Wegstück ein paar Schritte in Richtung Ziel zurücklegen. Die Anzahl der erlaubten Schritte wird durch die Anzahl von Wege-Enden auf dem abgeworfenen Wegeplättchen bestimmt: eine einfache Strecke erlaubt 2 Schritte, eine Kreuzung deren gleich 4. Da heißt es ein bisschen abzuwägen, ob eine Kreuzung jetzt als ideal-passend für das Wegenetz eingelegt wird, oder lieber für vier Laufeinheiten abgeworfen wird.

Das ist aber noch nicht alles, was es zu bedenken gibt. Auf den Wegeplättchen sind Diamanten eingezeichnet, die ein Pöppel – als Siegpunkte – einsacken kann, wenn es daran vorbeikommt. Ein Argument mehr, das Plättchen für das Wegenetz und nicht für die Bewegung zu nutzen. Diamanten dürfen aber nicht „en passant“ einkassiert werden, auf ihnen endet die Vorwärtsbewegung eines Pöppel. Es nutzt also nichts, mit einer Kreuzung vier Schritte gehen zu dürfen, wenn nach einem einzigen Schritt bereits ein Diamant liegt, den man gerne auflesen möchte. Die Wegeplättchen mit Diamanten sollten also in solchen Entfernungen zueinander in das Dschungel-Areal gelegt werden, dass ein Pöppel effiziente Schrittfolgen zurücklegen kann.

Wer eine der vier vorgeschriebenen Strecken vollständig gebaut und mit seinem Pöppel durchschritten hat, bekommt eine erhebliche Siegpunkt-Prämie, die umso höher ist, je früher er vor seinen Mitspielern das Ziel erreicht hat. Es gilt also, ein ganze Reine von topologischen, metrischen und ökonischen Rahmenbedingungen unter einen Hut zu bringen.

Bemerkenswert ist, dass alle Spieler die gleichen Start- und Zielpunkte miteinander verbinden müssen, und alle bei jedem Zug das identische Wegestück nutzen müssen. Da könnte man doch vermuten, dass alle Spieler das gleiche tun. Damit würde sich das Spiel in einem total-symmetrischen Aktionismus verlaufen. Bei uns kam diese Symmetrie allerdings nicht vor, und auch der Autor Rüdiger Dorn hat uns glaubhaft versichert, dass er in seinen umfangreichen Testrunden „noch nie(!) am Ende des Spiels identische Wegenetze auf verschiedenen Spielertafeln gesehen“ hat. Offensichtlich sind die Menschen doch zu individuell in ihrem Denken und sehen gefühlsmäßig unterschiedliche Vorgehensweise als das für sie “Optimale” an. Zumindest liegt Plättchen-für-Plättchen die optimale Vorgehensweise nicht klar auf der Hand. Es gibt genügend Spielraum für ein gefühlsmäßiges bzw. spielerisches Optimieren. Dies ist einer der vielen Vorzüge dieses schnellen, kreativen, konstruktiven Spielchens.

Wir wünschen Rüdiger Dorn viel Glück in der Endausscheidung der Jury SdJ.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (einschließlich 1 Rüdiger-Punkt, nette Taktik-Mischung für Risiko eingehen und Risiko auflösen), Günther: 7 (locker, leicht), Walter: 8 (einschließlich 1 Rüdiger-Punkt: rund und schnell, es gibt viele Schienen, große Zugfreizeit. Man kann immer denken, aber in einem so wohlabgesteckten Rahmen, dass daraus keine lästigen Wartezeiten entstehen. Zudem denken alle Spieler gleichzeitig.)

3. “3 sind eine zu viel”

Klingt auf den ersten Blick wie die Hälfte von „6 nimmt“, spielt sich auf den ersten Blick auch so. Jeder hat eine Anzahl von Handkarten mit Zahlen zwischen 1 und 89 auf der Hand. Jeder spielt reihum eine Karte davon aus und legt sie an die aus der Wertigkeit seiner Karte definierte Stelle in einer der drei offen ausliegenden Kartenstapeln auf dem Tisch. Enthält der betroffene Kartenstapel danach erst maximal drei Karten (plus die festbleibende Basiskarte 0, 30 oder 60), so passiert nichts. Ist die angelegte Karten die vierte Karte, so muss der Spieler von diesem Stapel alle Karten nehmen, die höher sind als seine Karte; ist die angelegte Karte die höchste Karte, so muss der Spieler die kleinste Karte nehmen.
Drei Unterschiede beim Kartenablegen im Vergleich zu „6 nimmt“

  1. Die Spieler ziehen und spielen reihum einzeln nacheinander ihre Karten, und ziehen sie nicht alle auf einmal.
  2. Kleinere Karten werden einfach an die zugehörige Position innerhalb eines Stapels gelegt, ohne dass man dafür gleich einen ganzen Stapel kassieren muss.
  3. Man “muss” (falls man muss) nicht den ganzen Stapel nehmen, sondern nur eine kleine, teilweise sogar auswählbare Portion davon. Es gibt kein Pulsieren zwischen total leeren und sich langsam füllenden Kartenstapeln auf den Tisch, die Stapel sind mehr oder weniger ständig gefüllt.

Die entscheidendsten Unterschiede gegenüber „6 nimmt“ ergeben sich aber aus der Siegpunkt-Wertung. Hier sind die Unterschiede allerdings so gravierend, dass sich ein total anderes Spielen und Spielgefühl ergibt:

  1. Die Spielkarten enthalten keine “Hornochsen” mit Strafpunkten, wenn man eine solche Karte abräumen musste
  2. Die Spielkarten sind in sieben verschiedenen Farben gehalten. Von jeder Farbe darf jeder Spieler straflos eine oder zwei Karten einkassieren. Sie bringen keine Minuspunkte, ganz im Gegenteil, sie sind 1 bzw. 5 Pluspunkte wert, wenn man sie bei Spielende besitzt.
  3. Wenn man von allen sieben Farben jeweils eine oder zwei Karten sammeln konnte, erhält man die gewaltige Siegpunktprämie von 10 Punkten.
  4. Erst wenn man von einer Farbe drei oder mehr Karten einstreichen musste, wird die gesamte Farbe temporär eliminiert, zählt auch nicht mehr für die Siegpunktprämie, und jede Karten bringt einen Strafpunkt ein. (Im weiteren Spielverlauf darf man natürlich wieder neu anfangen, diese Farbe zu sammeln.)

Alte „6-nimmt“-Hasen (wir) fangen „3 sind eine zu viel“ zunächst mal ganz falsch an. Sie versuchen auf Teufel komm’ raus zu vermeiden, dass sie überhaupt Karten einkassieren müssen. Erst nach einer Weile erkennen sie, dass einkassierte Karten ja zunächst mal Pluspunkte bedeuten. Dann versuchen sie auf Teufel komm’ raus möglichst viele Karten zu ergattern und damit verschiedene Farben-Pärchen zu bilden. Die Strafpunkte, die man bekommt, wenn ein Pärchen unglücklicherweise noch ein Kind bekommt, sind gering im Vergleich zu den Siepunkten für reine Pärchen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (nette Alternative zu „6 nimmt“ oder „Abluxxen“, nimmt hier aber – wegen seiner lästigen Art zu denken – erst die dritte Stelle ein. Man hat immer das Gefühl, man kann etwas machen, aber eigentlich kann man nur Fehler machen oder Fehler vermeiden, und zwar triviale bzw. mechanistische Fehler.), Günther: 7 ([zwischen 6 und 7] man könnte es lockerer spielen [als wir es getan haben], das Verleiten zum Ausrechnen der nächsten Züge macht es verkniffen), Walter: 6 (man kann rechnen, man muss rechnen, aber das wird nicht unbedingt auch belohnt).

Nachdem bei „6-nimmt“ schon vor Jahrzehnten unser Thomas d.J. hartnäckig die These vertreten hatte, man kann dieses Spiel auch gewinnen, wenn man seine eigenen Handkarten blind auswählt, haben wir diese Technik sogleich auch mal bei „3 ist eine zu viel“ ausprobiert. Was steht zu erwarten?

Keiner bekommt eine Prämie für den Zwischenbesitz aller sieben Farben. Auch am Ende bekommt keiner eine Prämie für den Endbesitz von sechs oder sieben Farben. Aber erstaunlicherweise konnten ALLE Spieler jeweils ca. 10 ihrer 18 Karten spielen, OHNE dabei eine einige Strafkarte einstecken zu müssen. Erst danach hagelte es ins Kontor. Fazit: Überlegt nicht so lange, wenn ihr euere ersten Karten spielt. Erst nach der Halbzeit spielt das (beschränkte) Kartenmanagement eine Rolle.