Nein, die Westpark-Gamers sind noch nicht tot, nur weil sie im Monat August nichts von sich haben hören lassen. Lediglich ihre einleitenden Gesprächsthemen bewegen sich langsam auf das übliche Rentner-Niveau zu: Bandscheiben, Galle, Herzinfarkt, grauer Star und Rheuma. Alles nur körperlich, der Geist bleibt fit!
1. “Loot Island”
Balance, Balance, immer noch kein Ende mit dem Feilen an der Balancierung in Aarons Eigenentwicklung:
- Die Schatzkarten wurden noch “gleichwertiger” gemacht, so dass der Sieg weniger über die zufällig aufgedeckten Super-Schätze errungen wird, sondern über die Menge der mit ehrlicher Taktik erworbenen Schätze. Das soll doch wohl das Herzstück des Spiels sein und bleiben.
- Die Schätze sind hochwertiger geworden, so dass ihr Erwerb noch mehr Freude auslöst.
- Es gibt keine “nutzlosen” Schätze mehr, die besonders gegen Spielende hin für Frust sorgen konnten; jeder Schatz kann zumindest zum Beseitigen eines Fluches herangezogen werden.
- Es wurden mehr Flüche unter die Schätze gemischt. Es bleibt eine der entscheidenden Herausforderungen des Spieles, die richtigen Flüche loszuwerden.
- Die General-Joker-Karten mit ihrer extremen Potenz wurden zugunsten von farb-spezifischen Jokern mit gebremstem Schaum abgeschafft. Auch diese Maßnahme zielt gegen Zufallseffekte und fördert das taktische Element.
Wir haben den Eindruck, wie immer, dass das Spiel so, wie es ist, in Produktion gehen könnte. Allerdings hat „What’s your Game“ entschieden, dieses Jahr in Essen nur einen Prototypen davon vorzustellen. Auf den Markt gebracht werden soll es jetzt erst auf der Spielwarenmesse 2017 in Nürnberg.
Ach ja: gewonnen hat Günther mit der Strategie, sich die höchstwertigsten und höchstverfluchten Schätze an Land zu ziehen, und jede freie Aktion dazu zu nutzen, die Flüche auch alle abzubauen. Aber garantiert ist das keine Universal-Gewinnstrategie. Man kann dagegenarbeiten, denn Interaktion steht in „Loot Island“ an erster Stelle.
Noch keine WPG-Wertung, aber Horst würde das Spiel bei 7 Punkten ansiedeln.
2. “Visby”
Horst war unschlüssig, ob er das Spiel zum Westpark hätte mitbringen sollen. „Ich bin mir nicht sicher, ob und wie das Spiel funktioniert.“ Dafür ist „Visby“ aber ein schnelles Spielchen, und zwanzig Minuten Lebenszeit opfern wir alle sehr gerne, um eine neue Idee kennenzulernen.
Ganz neu ist die Spielidee von Visby natürlich nicht, nur neu verpackt. Jeder Spieler hat (die gleichen) acht Aktionen zur Auswahl, die er in beliebiger Reihenfolge zur Ausführung bringen darf. Verdeckt wählt er jeweils eine Aktionskarte aus, danach decken alle Spieler gleichzeitig die gewählten Aktionen auf und führen sie der Reihe nach durch.
- als “Truppe” oder “Ritter” bekommt ein Spieler Siegpunkte, solange der (überschaubare) Vorrat reicht.
- als “Flotte” oder “Schiff” bekommt man Waren, solange der (überschaubare) Vorrat reicht.
- als “Zöllner” bekommt man unbegrenzt Siegpunkte von der Bank, aber nur für Mitspieler, die gerade “Flotte” oder “Schiff” gewählt haben.
- als “Schmied” bekommt man unbegrenzt Waren (abstrakte Zähleinheiten) von der Bank, aber nur für Mitspieler, die gerade “Truppe” oder “Ritter” gewählt haben
- als “Kaufmann” tauscht man seine Waren gegen Siegpunkte ein.
- als “Bettelmönch” bekommt man Waren, u.a. auch für Mitspieler die gerade “Kaufmann” gewählt haben. Zusätzlich darf man danach alle bis dahin gespielten Aktionskarten wieder auf die Hand nehmen. Man muss also nicht alle der möglichen acht Aktionen ausgeführt haben, um wieder aus dem Vollen schöpfen zu können.
Der Spielwitz besteht darin, die Aktionen der Mitspieler vorauszuahnen und die besten Gegenaktionen zu wählen. Doch aus welchen Indizien heraus soll man seine Mitspieler einschätzen? Ein gutes Gedächtnis über die bereits abgelegten Aktionskarten der Mitspieler ist zwar von Nutzen, doch es bleibt ein Stochern im Nebel. Ein Um-die-Ecke-Denken bei illusionsgenährter Intuition bestimmt den Ablauf.
Zu Logik und Psychologie des Spiel gilt sinngemäß das, was Wikipedia zu den Prinzipien der uralten „Stein, Schere, Papier“-Knobelei schreibt:
Wenn der Mensch rein zufällig eine der acht Aktionen auswählen könnte, wäre das Spiel ein reines Glücksspiel. Da sich der Mensch aber immer von seinen Gedanken beeinflussen lässt, kommt als psychologisch-taktische Komponente hinzu, dass man versuchen kann, die Verhaltensweise der Gegner einzuschätzen und darauf zu reagieren. Um seine eigenen Gewinnchancen zu erhöhen, muss man verhindern, dass die Gegner die eigene Wahl erahnen können. Beispielsweise könnte man seine Aktionen zufällig auswählen. Professionelle Spieler legen deshalb vor Spielbeginn die Reihenfolge ihrer Aktionen fest und merken sich diese Listen, sogenannte Gambits, die sie dann konsequent durchspielen.
Die Logik dieser “Gambits” seit dahingestellt. Ich agiere damit nach reinem Zufallsprinzip, aber ich REagiere dann auch so. Zudem wäre damit der Spielspaß “total im Arsch”!
WPG-Wertung: Aaron: 5 (repetitiv, wenig Spaß, es fehlt irgendwas), Günther: 5 (zu unübersichtlich, zu anstrengend, wenn man hier etwas ausrechnen wollte), Horst: 5 (es gibt sicherlich Spielerrunden, in denen das Spiel besser ankommt), Walter: 5 (würde sich hier gerne das Denken ersparen und sich auf die Gambits verlegen; mit dem entsprechenden Spielspaß, leider).
3. “Tiefe Taschen”
„Junta light“! Ein Präsident verteilt die Einnahmen des Staatshaushaltes willkürlich unter seinen Mitspielern. Die Spieler stimmen geheim darüber ab, ob sie die Verteilung annehmen oder nicht. Wird sie angenommen, so wird das Geld entsprechend verteilt, wird sie nicht angenommen, so scheidet der aktuelle Präsident aus dieser Runde aus, sein Nachfolger unternimmt den nächsten Verteilungsversuch.
Bei Gleichheit ist die Verteilung angenommen, beispielsweise auch dann, wenn kein einziger Spieler dafür oder dagegen stimmt.
Wofür kann man sonst noch stimmen? Man kann die Verteilung einen guten Mann sein lassen und sich stattdessen aus der Staatskasse einen weiteren Geldschein aneignen. Man kann einen Mitspieler erpressen – das muss öffentlich angekündigt werden – , und ihm im Erfolgsfall einen Geldschein wegnehmen. Man kann eine angekündigte Erpressung abwehren und bekommt dann vom Erpresser einen Geldschein. Aber nur dann, wenn der vorgebliche Erpresser auch wirklich die geheime Erpressen-Aktion gewählt hat und nicht nur die öffentliche Ankündigung beim Mitspieler platziert hat.
Zusätzlich zur Abstimmung kann man auch noch einen Mitspieler bestechen, d.h. ihm einen Geldschein für sein „Ja“ oder „Nein“ anbieten. Den Geldschein erhält er nur dann, wenn er so abstimmt, wie wir es von ihm fordern.
Der Prozess von geheimer Abstimmung, Erpressung und Bestechung kann von allen Spielern beliebig lang umgemodelt werden, bis alle mit ihrem definierten Verhalten zufrieden sind. Man kann sich lange den Kopf darüber zerbrechen, was für den Augenblick wohl die lukrativste Vorgehensweise ist. Nach Horsts Heimgang haben wir auch im post mortem noch stundenlang über eine optimale Strategie diskutiert. Das Bestechen haben wir dabei erst gar nicht tiefer in Augenschein genommen; am Westpark wird das als reines Verlustgeschäft abgetan. Der Präsident wird in erster Näherung wohl den gesamten Staatshaushalt in die eigene Tasche räumen und zusätzlichen noch einen Griff in die Staatskasse tun. So erhält er mehr Geldscheine als jeder andere Spieler, selbst wenn diese alle bei ihm als Erpresser aufträten!
Der Spieler zu seiner Linken wird in der Regel gegen die vorgeschlagene Verteilung stimmen, denn falls sich eine Mehrheit für die Ablehnung ergibt, wird er selber Präsident und kann nun versuchen, den großen Präsidenten-Reibach zu machen. Oder sollen die Mitspieler, die bei der Verteilung mit großen Anteilen bedacht wurden, ihn etwa bestechen, damit er stille hält?
Ach, es gibt wohl keine eindeutige Gewinnstrategie. In jedem Fall aber fehlt für ein echtes „Junta“ und Junta-Gefühl noch das Militär, das den Präsidentenpalast stürmt, und es fehlen die Mörder, die die Junta-Mitglieder in der Bank beim Einzahlen ihrer Gewinnsummen auf ihre Schweizer Konten ermorden.
Günther kam in den ersten Verteilungsrunden wohl zufällig sehr kurz weg und fühlte sich schon auf der Verliererstraße. Außerdem gefiel ihm das Spielprinzip überhaupt nicht. Kurz entschlossen wählte er jetzt für sein Abstimmungsverhalten absolut „unlogische“ (wenn es das hier gibt) und unvorhersehbare Aktionen. In der Regel unterstützte er den Präsidenten, damit die Verteilung durch- und das Spiel schneller zu Ende ging. Wer das erkannt hatte, musste nur noch einmal an die Präsidentschaft herankommen, um ewig Präsident zu bleiben und Krösus zu werden. Gäbe es dagegen in einer 4er Runde eine Strategie?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (vielleicht ist es mit acht Spielern lustig), Günther: 4 (Chaotenspiel, nix für mich), Horst: 5, Walter: 4 (schnell ausgelutscht).