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01.10.2014: Erst fing es ganz langsam an

Sechs Tage stand unserer letzter Spielbericht im Internet, und ausschließlich im eigenen Saft haben wir uns mit Kommentaren über stumpfsinnige und blödsinnige Spielweisen bei „Amun Re“ ausgelassen. Dann tauchte aus dem Autorenkreis um „Geheimsache“ als Kommentar der Verdacht auf, wir hätten dieses Spiel vielleicht nicht verstanden oder nicht richtig gespielt. Binnen 24 Stunden wurden 12 Positionen und Gegenpositionen dazu öffentlich in den Ring geworfen. Zusätzlich wurden über den nicht-öffentlichen WPG-Verteiler nochmal geschlagene 43 Mails zu diesem Thema ausgetauscht. Von Aufforderungen zu mehr Freundlichkeit gegenüber Mitspielern und Lesern ging es über die Verteidigung von Deduktionsspielen und die Qualifikation der geheimen Tester bis zur statistischen Analyse der „Wochenpläne“.

Günther war aufgefallen, dass man 5 verschiedene Farben in 120 verschiedenen Reihenfolgen präsentieren kann. „Geheimsache“ enthält aber nur 18 verschiedene Wochenpläne. Da kommen fast 80% der möglichen Kombiationen gar nicht vor. Ist dann wenigstens der Rest ziemlich „gleichverteilt“? Siehe da: überhaupt nicht! Bei mehr als der Hälfte aller Karten gibt es zu einer gegebenen Farbe für Montag und Freitag nur überhaupt ein einziges Exemplar. Damit braucht man nur diese beiden Farben herauszufinden und schon hat man die Lösung komplett. Designfehler, Material-Sparen am falschen Ende oder gewollter Autoren-Trick?

Wer Pech hat, dem wird kein solcher rachitisch-leichter Wochenplan zugeteilt. Er muss sich dann immer noch um die Mittelfarben quälen, während seine Mitspieler schon mit der Lösung triumphieren. Abbitte an „Edith“: Nein, soweit haben wir uns wirklich nicht mit dem Spiel beschäftigt. Aber wenn wir das getan hätten, dann wäre „Geheimsache“ a priori nicht auf unserem Tisch gelandet. Wo aber sonst? Das verrate ich jetzt nicht.

PS: Hallo Horst, diese nerdige Einleitung musst Du leider nochmals über Dich ergehen lassen. Ich hatte sie schon fertig verfasst, als Deine nerdisch-verzweifelte Mail eingetrudelt ist …

1. “Viking Fury”

Moritz erklärt "Viking Fury"
Moritz erklärt “Viking Fury”

Die Wikinger waren nicht nur tumbe Germanen mit Büffelhörnern auf dem Kopf, sie waren um die Wende zum ersten nachchristlichen Jahrtausend auch ein äußerst erfolgreiches Seeräuber-Volk, das rund um das ganze Europa herum alle Meeresanrainer bedrängte, beraubte und vergewaltigte. Und wenn nix ging, dann halt erst mal Handel mit den beliebäugelten Mordopfern trieb.

Dieses „Wikinger Toben“ versuchte eine Gruppe von Autoren um die Ragner Brothers als Spiel nachzustellen. Auf Inseln in der Ostsee rüsten wir unsere Schiffe aus. Wir beladen sie mit Mannschaft und/oder mit Waren und senden sie dann auf Handels-, Besiedelungs- oder Eroberungsreisen aus.

Handel ist immer erfolgreich, allerdings kriegt man im ganzen Spiel pro fremder Stadt nur eine einzige Ware los. Auch der Siegpunkt-Erlös dafür hält sich in Grenzen. Lukrativer ist schon die Besiedelung, allerdings muss man würfeln, wenn sie gelingen soll. An manchen Stellen braucht man schon eine Sechs, um sich hiern niederlassen zu dürfen. Auch für erfolgreiche Eroberungen muss man würfeln. Sie bringen zunächst mal weniger Siegpunkte als Besiedelungen, wenn man damit aber öffentlich ausliegende „Saga“-Aufträge erfüllt, kommt noch mal ein erheblicher Siegpunktbatzen dazu. Ausserdem wird die Summe der erfüllten Sagas am Ende nochmals dicke honoriert.

Beim Ausrüsten eines Schiffes können wir es mit Runen-Zauber eindecken. Der hilft uns unterwegs beim Zuladen von Mannschaft und Ware, vor allem aber erlaubt er uns ein aggressives Vorgehen gegen unsere Mitspieler. Die einzige Art von Aggression! Ansonsten verläuft alles friedlich. Wer zuerst kommt, malt zuerst: wer zuerst handelt, verstopft den Warenfluss, wer zuerst siedelt, hat den einzigen Bauplatz ergattert, und wer zuerst erobert, der hat ohnehin nix nutz- und vögelbares hinterlassen. Etwas wenig Interaktion.

Die aggressiven Runen-Zauber besitzen erhebliche Einschlagskraft. Nicht planbar, nicht abwehrbar, aber krass. Überhaupt sind die ganzen Siegpunkt-Quellen und Senken ziemlich krass. Ein einziger normaler bis guter Würfelwurf hätte Moritz 25 Punkte bringen können (mehr als die Hälfte seines Rückstandes gegenüber dem Sieger Horst). Und mit einer einzigen Runenkarte konnte Peter seinen (konsequent ausgerechnet) schärfsten Konkurrenten Horst um 20 Punkte (16% seiner Gesamt-Siegpunkte) schädigen.

Ein bisschen mehr Balance, ein bisschen mehr Vorhersehbarkeit hätte dem Spiel gut getan. Zumindest nach heutigen Maßstäben. Aber das Spiel ist bereits 10 Jahre alt, einmal wurde es bisher am Westpark, und einmal von Moritz bei den Spuiratzn gespielt und beschrieben. „Super new game by the legendary Ragnar Brothers“ schwärmte Moritz damals in seinem Session-Report. Eine Euphorie, die sich heute nicht so recht einstellen wollte.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (4 Punkte für das zu lange dauernde Glückspiel, 1 Punkt für die Wikinger), Horst: 6 (8 Punkte für meinen Sieg und 3 Punkte für die fiese Kingmakerei), Moritz: 8 (hat von seiner früheren Wertung nichts zurückgenommen; das Spiel ist ein Klassiker, die Mechanismen sind OK, trotz der krassen Effekte mag ich dieses Spiel), Peter: 5 (früher 8, das Spiel dauert zu lange, 2 ½ Stunden!), Walter: 6 (Aaron fragte nach: „Willst Du es noch häufiger spielen?“ „Wenigstens einmal noch, mit dem heute besseren Verständnis über die Vergabe von Siegpunkten.“)

Am Westpark besitzt das Spiel leider ein großes Handicap: Das fast 1 qm große Spielbrett besteht aus einem bedrucken Stück weißes Leinen. Äußerst Rotwein anfällig! In der Aufbauphase, während des Spiels, und heute auch in der Aufräumphase …

2. “Koryo”

Moritz musste sich überwinden, diesem Absacker aus der Wilhelminischen Ära nochmals zuzustimmen. „Im ganzen Spiel trifft man genau neun triviale Entscheidungen, die sich quasi aufdrängen.“

Leider verbringt man zudem auch noch die Hälfte der Zeit mit Karten-Mischen und Austeilen. Trotzdem geht alles relativ schnell, und das ist zweifellos einer der Vorzüge des Spiels. Die anderen kommen nur dann zum Tragen, wenn man das Spiel leicht und locker angeht. Keine einfache Übung am Westpark.

WPG-Wertung: Aaron bestätigte mit seinen 6 Punkten Koryo’s Abwärtstrend am Westpark (schnell mit erheblichem Glückseinfluss).

3. “Bluff”

Im Endkampf mit 4 Würfeln gegen 2 von Aaron fing Moritz mit 1 mal die Fünf an. Aaron hob am 2 mal die Fünf und Moritz auf 3 mal die Fünf.

Aaron hatte zwei Dreien unter dem Becher und zweifelte an. Das kostete ihn einen Würfel und besiegelte gleich danach auch sein restliches Schicksal.

Logelei: Moritz hatte mit seiner Vorgabe „3 mal die Fünf“ seinem Kontrahenten drei Bluff-Erhöhungsmöglichkeiten überlassen, die besser gewesen wären. Welche waren das? Welche davon hätte mit großer Wahrscheinlichkeit gewonnen? Mit welche Wahrscheinlichkeit hätte sie – in erster Näherung – NICHT gewonnen?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

24.09.2014: Spiel mit Charakter

Lupus ludens
Lupus ludens

Das Spielen von Tieren ist ein jugendliches Phänomen. Es ist ein Einüben von komplexen Fähigkeiten des Erwachsenenalters, die zum Überleben unverzichtbar sind. Manches tierische Spielen, selbst das von Erwachsenen, scheint glückselig und um seiner selbst Willen durchgeführt zu werden.

Das menschliche Spielen hat seinen Ursprung im tierischen Spielen, aber es hat sich zu einem hohen Grad an Perfektion entwickelt. Spiel, eine frühreife Neugier, und eine Vorliebe für Spaß kann als kindliche Eigenschaft angesehen werden, die sich ins Erwachsenenalter hinübergerettet hat.
(aus dem Internet)

Ist „Scrabble“ (Spear, 1985) ein Spiel? Nach heutigen Sprachgebrauch sicherlich. Im ursprünglichen Phänomen des animalischen Spielens möchte ich ihm diese Eigenschaft absprechen. Genauso wie z.B. den Quiz-Spielen („Ein solches Ding“ –Abacus 1998) oder den Party-Spielen („Sympathie“ – Kosmos 1981, oder “Tabu” – MB 1990).

Den „homo ludens“ stelle ich mir lockerer vor. Er ist in seiner Spieltätigkeit weder ein „homo sapiens“ noch ein „homo faber“. Eine gehörige Portion Glück fließt in seine Freizeitbeschäftigung ein, genauso wie Übersicht und Übung. Ein Eingehen auf die Aktionen der Mitspieler, ein Beeinflussen und Beeinflusst-Werden, gehört dazu, auf keinen Fall ein unbedingtes oder sogar autistisches Losrennen auf das Ziel.

In welche Kategorie fallen dann Deduktionsspiele á la „Cluedo“ (Parker Brothers, 1982)? Der Autor muss schon ein paar deutlich spielerische Elemente zur eigentlichen Schlussfolgerungsaufgabe dazugepackt haben, damit das Produkt – in meinen Augen – das Prädikat „Spiel“ verdient.

1. “Geheimsache”

Geheimsache: blauer Montag, 13:20 Uhr am Donnerstag
Geheimsache: blauer Montag, 13:20 Uhr am Donnerstag

Der Einleitung langer Rede kurzer Sinn: in „Geheimsache“ von Jörg Domberger legt uns der Gmeiner-Verlag ein Deduktionskartenspiel vor, in dem – leider – kein einziges spielerisches Element enthalten ist.

Jeder Spieler erhält einen „Wochenplan“ mit den Aufschriften „Montag“ bis „Freitag“ in fünf verschiedenfarbigen Zeilen. Diesen Wochenplan muss er verkehrt herum vor sich hinstellen, so dass er ihn nicht selber einsehen kann, dagegen aber die Wochenpläne aller Mitspieler. Die Aufgabe besteht darin, herauszufinden, mit welchen Farben seine eigenen Wochentage unterlegt sind.

Wie soll man das herausfinden? Jeder Spieler bekommt ca. zwölf farblich unterlegte Tageszeit-Karten, von denen er pro Runde eine Karte offen vor sich ausspielt. Jetzt muss reihum jeder Spieler wahrheitsgemäß kundtun, welcher Spieler in seinen Augen die früheste und welcher die späteste Tageszeit-Karte gespielt hat. Dabei bezieht sich jede Uhrzeit auf den dem jeweiligen Spieler anhand seines Wochenplan farblich zugeteilten Wochentag. Im abgebildeten Bespiel bezieht sich die Uhrzeit „13:20“ auf den Donnerstag; diese Zeit läge z.B. hinter einer blauen „23:40“, für die der Montag gälte.
“Wahrheitsgemäß kundtun”: Wer den Überblick verliert oder überhaupt Schwierigkeiten mit der Zuteilung von Uhrzeiten und Farben und Wochentagen hat, macht das Spiel – NUR – für seine Mitspieler ungewinnbar!

Jeder Spieler kann relativ schnell relativ sicher ermitteln, welches seine Montags- und seine Freitags-Farbe ist. Dann wird es schwierig. Wenn man weiß, dass alle Spieler ihre eigenen Montags- und Freitags-Farbe kennen und von da an keine Tageszeit-Karte mehr mit den zugehörigen Farben ausspielen, dann kann man seine Schlussfolgerungen auf die inneren Wochentage übertragen. Wenn! Erhebliche Abhängigkeiten von Wissen und Logik der Mitspieler. Ob dann dazu aber hohe oder eher niedrige Tageszeit-Karten zielführend sind, das haben wir nicht herausbekommen.

Wie Moritz es geschafft hat, bereits nach fünf Runden alle Wochentags-Farben richtig zuzuordnen … wir haben vergessen, ihn danach zu fragen. Es grenzt an ein Wunder. Das Wunder des Genies! Aber wir waren alle froh, dass er es so schnell geschafft hat.

WPG-Wertung: Aaron: 2 (es ist einfach nur schrecklich. Als „Folterspiel“ bekommt es 7 Punkte: Jedesmal wenn Peter dabei ist, fangen wir damit an!), Horst: 2 (kein Kommentar), Moritz: 2 (es gibt bestimmt irgendwelche Asperger, denen das Spiel gefällt), Peter: 2 (für die Schachtel; „die blödeste Thematik je“), Walter: 3 (manche verstehen unter Spiel halt etwas ganz anderes als wir).

2. “Amun Re”

Ein Knizia-Spiel von Hans-im-Glück. Eine doppelte Qualitäts-Garantie. Vor zwölf Jahren erschienen und damals von uns sogleich mit den besten Wertungsnoten bedacht.

Wir bieten um Regionen im Ägyptenland, setzen dort Bauern ein, bauen Pyramiden, kaufen Wertungskarten, die unser Besitztum vergolden, und opfern regelmäßig dem Gott „Amun Re“. Wegen diesem Opfern ist “AmunRe” in orthdoxen Kreisen arg in die Schusslinie geraten. Dass man aber jedes Opfern regelgerecht verweigern kann und dann immer noch Chancen auf den Sieg hat, wird von Orthodoxen nicht als Alibi akzeptiert. Wie sagte schon der 1. Psalm: „Wohl dem, der nicht wandelt im Rate der Gottlosen, noch tritt auf den Weg Sünder, noch sitzet, da die Spötter sitzen!“

Das Spiel enthält einige hübsche Mechanismen, die seinerzeit ganz neu waren, z.B. das Bieten mit den progressiv steigenden Preisen und einer gut funktionierenden Verdrängung. Auch die übrigen Spielelemente sind in der Menge überschaubar, in ihrer Wirkung sinnig unterschiedlich, und sehr gut miteinander verzahnt. Kein Wunder, dass dieses Spiel es in seinem Erscheinungsjahr bis auf die Auswahlliste zum Spiel des Jahres gebracht hat. (Wenn man die Entwicklung der SdJ-Sieger der letzten Jahre anschaut, kann man nur seufzend feststellen: „Manchmal ehrt ein Preis den Sieger, und manchmal ehrt ein Sieger den Preis!“)

WPG-Wertung: Heute kam „Amun Re“ bei Aaron („Ich habe bewußt völlig stumpfsinnig gespielt) und Moritz („Ich wurde beim Gleichstand im Opfergebot regelmäßig benachteiligt“) nicht ganz so gut an, sie reduzierten ihre Wertungsnoten von 8 auf 6 Punkte. Vielleicht lag enttäuschte nostalgische Erwartung darin. Peter hingegen hob seine 9 auf 10 Punkte an („Ich bin völlig in das Spielgeschehen eingestiegen und habe Raum, Zeit und Sorgen vergessen“). Horst als Neuling vergab 8 Punkte („gefällt“), Walter blieb bei seinen 8.

3. “Bluff”

Vom ägyptischen Pyramidenbau erschöpft, reichte es weit vor Mitternacht nicht mal mehr zu einem “Flaschenteufel”. Bluffen war angesagt. Locker und spielerisch; man darf denken, man muss es aber nicht.

Jeder durfte einmal gewinnen. Bemerkenswert ein Sieg von Moritz über Peter. Mit 1:3 Würfel im Nachteil gab Peter 2 mal die Fünf vor. Moritz hob auf 3 mal die Fünf. Was konnte Peter mit seiner Fünf unter dem Becher noch tun? Welche Chance hat ein Anzweifeln? Wohl keine: Mit keiner Fünf hätte Moritz angezweifelt und mit nur einer Fünf wohl nachgewürfelt. Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, hilft nur die Flucht nach vorne! Wie steht’s mit einer Erhöhung auf 4 mal die Fünf? Das wär’s gewesen!!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

17.09.2014: Ohne Galle, ohne Pepp

1. “Green Deal”

Green Deal
Green Deal
Aaron hat letzte Woche schon beschrieben, wie wir WPG-Jungfrauen zu diesem Crowdfunding-Kind gekommen sind: Einfach nicht „nein“ sagen. Heute haben wir es mit den wohlerprobten Regeln richtig gespielt. Dabei ist alles ganz einfach. Pro Runde

  • bieten wir um die Zugreihenfolge
    (Leider blind; was für ein Planspiel ziemlich kontraproduktiv ist)
  • kaufen wir einen Entwicklungsfortschritt in einer von vier Farben
    (Sie kosten Geld und schmälern in der Regel auch noch unser zukünftiges Einkommen, bringen aber Siegpunkte, und irgendwie muss die Welt ja weiterkommen)
  • leisten wir uns mit überflüssigem Geld ggf. noch ein paar Siegpunkte
  • expandieren wir auf der großen weiten Welt
    (Dabei erhöhen mit ein bißchen Glück unser Einkommen und beeinträchtigen das unserer expandierten Nachbarn)

Wirtschaften und Siegpunkte einstreichen: Das klingt alles rund und schön. Nicht ganz neu, aber was gibt es schon Neues unter der Sonne?!

Doch leider sind unsere Aktionen sehr begrenzt. Die ausliegenden Entwicklungsfortschritte, der eigentliche Motor des Spiels, sind streng rationiert. Vier davon liegen pro Runde aus, der Startspieler hat die freie Auswahl, immerhin unter vier (!) ganzen Angeboten! Manches ist besser, manches weniger besser, aber immerhin besser als nix. Für den zweiten Spieler bleiben nur noch drei übrig. Der letzte Spieler hingegen bekommt gar nichts: die Auslage wird vorher abgeräumt. Er kann dann eine Ersatz-Aktion wählen, z.B. sich Spionage-Vorteile bei den nächsten Bietaktionen der Mitspieler verschaffen, und ein Darlehen aufnehmen, das er erst am Ende des Spiels mit einem geringen Aufschlag zurückzahlen muss.

Aus vielen Siegpunktquellen fließen uns periodisch Siegpunkte zu. Für die Siegpunkte aus den Entwicklungsfortschritten sind wir ganz allein unseres Glückes Schmied. (Solange diese Fortschritte überhaupt angeboten sind!) Selbiges gilt nur bedingt für die Prämien aus gleichmäßiger Entwicklung. Wenn uns die Mitspieler – warum auch immer – z.B. eine bestimmte Farbe ständig wegschnappen, kommen wir hier von alleine nie auf einen grünen Zweig. Die Siegpunkte für das weiteste Fortkommen in einer Kategorie sind noch stärker abhängig von der entsprechenden Entwicklung der Mitspieler. Zudem können sie hier ihren realen Fortschritt temporär mit windigen „Public Relations“ autmotzen, unkalkulierbar aber effektiv. Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben.

In ca. 90 Minuten sind 10 Runden gespielt, und schon ist das Spiel zu Ende. Geplant, geglückt und erlitten. Leider hat sich ab der zweiten oder dritten Runde nichts Bemerkenswertes mehr ergeben. Keine Progression, keine Dynamik. Keine Aktiensabotage, keine Pleiten und keine Dieselloks á la „1830“. Kein Pepp! Wir dümpeln vor uns hin und am Ende hat einer gewonnen.

Moritz konnte schon drei Runden vor Schluß die Einlaufreihenfolge ausrechnen. Deshalb haben seine Züge auch geringfügig (?) länger gedauert. Zum Sieg hat ihm sein Wissen allerdings nicht verholfen. Aaron hätte Peter den alleinigen Sieg vermasseln können, ohne selber dabei einen Platz gewinnen oder verlieren zu können. Das nennt man gewöhnlich Kingmakerei. Auch so etwas ist in „Green Deal“ enthalten.

Im Regelheft faselt Autor Juma Al-JouJou sechs Abschnitte lang von „internationalen Konzernen des Jahres 2050“, von „Rohstoffknappheit“, „sozialen Unruhen“, „Einhaltung sozialer Standards“, „anspruchsvollen Verbrauchern“, „Fairtrade“ und „Nachhaltigkeit“. Ja wenn er wenigstens etwas von diesen Elementen in sein Spiel eingebracht hätte. Wenn er allerdings einem Spieler lediglich eine einzige rote Fortschrittskarte anbietet und darauf „Lohn-Dumping“ schreibt, dann hat er ihm weder spielerische Planung noch unternehmerische Freiheit gelassen. Er führt ihn im Labyrinth zur Erforschung von Mäuse-Intelligenz gerade mal einen winzigen Schritt weiter.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (vorher 7; 1 Punkt weniger für die ewige Rechnerei und 1 Punkt weniger für die vielen Unwägbarkeiten), Moritz: 5 (es funktioniert, hat keine Designfehler, aber im Prinzip ist alles schon mal da gewesen; keinerlei Thema, lediglich ein abstraktes Rumgeschiebe auf den Fortschrittsleisten), Peter: 6 (funktioniert, ist aber ziemlich schweigsam; enthält leider auch Kingmaker-Effekte), Walter: 6 (funktioniert, aber plätschert stundenlang vor sich hin, es fehlt jede Menge Dynamik)

2. “Sail to India”

Auf unseren geheimen WPG-Treffen hat das Spiel bisher nur Aaron gefallen. Dabei hat das Spiel japanischer Autoren durchaus noch Chancen zu unserem „Spiel des Monats“. Peter fand es bisher öd. „Aber nur, weil er beschissen gespielt hat.“

Wir haben einen Pool von Multi-Funktions-Klötzchen: sie sind Pegel für unserem Geldbesitz, unsere Bewegungsfreiheit, und für unsere Siegpunkte; sie sind Marker für unseren Besitz an Festungen, Kirchen, Märkten und technologischem Fortschritt, sie sind Platzhalter für Mannschaft und Schiffe, mit denen wir von Lissabon ausgehend einer Kartenreihe entlang in Richtung Indien segeln, Waren aufladen und verkaufen.

Der Spielablauf besteht im wesentlichen aus der freien Bewegung dieser Klötzchen. Dabei können wir entscheiden, ob wir zusätzliche Schiffe einsetzen, Handel treiben, in Richtung Indien segeln und neue Länder entdecken, feste Siedlungen errichten oder unsere Technologie weiterentwickeln. Kurz und bündig.

Es gibt viele erfolgsversprechenden Strategien. Aaron setzte auf Handel und Märkte. Doch man braucht viel Sonnenschein, bis hier die Früchte reif werden. Walter setzte auf schnellen Warenumschlag, allerdings etwas zu spät, gleich beim Start hatten seine Ambitionen zum Entdecken afrikanischer Kolonien zuviel Tempo gekostet. Peter versuchte sich in Festungen, doch wurde er hier oft ausgebremst und musste sich deshalb mit Kirchen begnügen. Nicht schlecht, zweiter Platz. Moritz setzte auf Festungen und Technologie und wurde sicherer Sieger. Man (wer?) hätte ihm einen Technologie-Multiplikator wegschnappen sollen. Oder – dreifaches Lamento – der Autor hätte gleich beim Design die Wirksamkeit der Technologie etwas reduzieren sollen. Macht nix, neues Spiel, neues Glück!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (die Mechanismens sind gut, schöner Spielansatz, mit minimalistischen Elementen viel erreicht), Moritz: 7 (originell, aber nicht mega-originell, kompaktes, kurzes Aufbauspiel; die Siegpunktschleudern am Ende sind vielleicht unnötig; sie sollten besser die verschiedenen Spielerstrategien unterstützen), Peter: 4 (die Ideen sind sehr nett, hätten aber besser „balanced“ werden müssen; „es nervt mich, dass das viele Potential nicht ausgeschöpft wurde!“), Walter: 6 (einfach, schnell, locker).

03.09.2014: Die Mumie von Avalon Hill

Nein, wir sind noch nicht untergegangen. Während Walter im fernen Ungarnlande weilte und den Rocksaum seiner Schwiegermutter küßte, fanden zwei WPG-Spielabende statt:

Am 13.8. kamen Aaron, Günther und Wilhelm (Ehrengast) zu Peter und vergnügten sich mit

  • “Sail to India“ (neu)
  • “Die Baumeister des Mittelalters“ (Weiß der Kuckuck, was das für ein Spiel sein soll)
  • “Limes“ (eines von Wilhelms Lieblingen; für eine wortlose Scrabble-Familie; eine Woche zuvor erstmals gespielt, noch immer keine Noten vergeben)
  • “Valeo“ (Aarons Eigenentwicklung)

Am 20.8. kamen Günther, Loredana und Peter zu Aaron

  • „Egizia“ (HiG-Spiel von 2009, WPG-Notenschnitt: 7,6, wobei hier der Außenseiter Sven eine gute 8 vermasselt hat)
  • “Kingdom Builder“ (Queen Games Spiel von 2011, wobei kein Außreißer den WPG-Schnitt von 5 vermasselt hat)

Bis auf “Sail to India” nix Neues, so dass sich kein Beteiligter eines Spielberichtes erbarmt hat. Zudem hat „Sail“ außer Aaron keinem wirklich gut gefallen. „Deshalb möchte ich das noch einmal spielen, bevor wir etwas drüber schreiben.“

Wir werden sehen, ob das „noch einmal“ noch einmal stattfinden wird.

Wizard's Quest
Wizard’s Quest

1. “Wizard’s Quest”

Wenn sich eine Spielgeneration über anderthalb Jahre erstreckt, dann entspricht „Wizard’s Quest“ einem Menschenalter von etwa siebenhundert Jahren. Moritz legte eine jungfräuliche Mumie auf den Tisch und wir durften erst mal das üppige Spielmaterial an Manpower, Heros, Sorcerers, Orcs, einem Wizard, einem Dragon und 35 Petition-Cards aus ihrem gestanzten Totenschlaf heraus-pulen.

Für die Startaufstellung werden pro Spieler etwa 20 individuelle Einheiten nach festen Regeln auf den 36 Regionen der Zauberinsel „Marnon“ verteilt. Weiterhin tummeln sich hier ungezählte Orcs, sowie die beiden globalen Spielplättchen für Wizard und Dragon. Ähnlich den Völkerschlachten von „Civilisation“ oder „Vinci“ vermehrt jeder Spieler seine Bevölkerung, greift Nachbarfelder mit mitspielerischen oder orclichen Gegnern an, und versucht an seine drei Schätze heranzukommen, die von den Mitspielern möglichst weit vom Schuss abgelegt wurden. Wer seinen dritten Schatz gehoben hat, ist Sieger.

Zum Kämpfen wird gewürfelt. Geländeformation, Hero und Sorcerer bringen Würfelvorteile, ansonsten schädigt ein einzelner Angreifer nur dann, wenn er eine Eins würfel, zwei Angreifer schädigen dann, wenn sie eine Eins oder eine Zwei würfeln, usw. Moritz wußte zu extrapolieren: „Und wenn man Sex zusammenbringt, kann man auch Sex-Schaden machen.“

Zwischendurch agieren die Orcs und tun das gleiche wie wir: sie vermehren sich und greifen an. Sie wirken ähnlich wie das Schwere Wasser in den Atomreaktoren: Sie sorgen dafür, dass die freiwerdende Energie stark reduziert wird, so dass die Dominanz keines Spielers explodiert.

Bevölkerungswachstum und Angriffe werden durch zufällig gezogene Petitionskarten beeinflußt: Wer Glück hat bekommt zusätzliche Leute und darf zusätzliche Angriffe starten, wer Pech hat, bekommt weniger bis gar keine Leute. Das Pech traf heute ausschließlich Moritz: Einmal hatte er deshalb so wenig Personal auf dem Spielbrett, dass er sogar gänzlich auf seinen Angriff verzichtete. Seit wann können Krieger Schaden-Nutzen-Relationen überblicken?!

Walter konnte schon in seinem ersten Spielzug die Felder von zweien seiner drei Schätze erobern. Das noch ziemlich ausgedünnte Niveau der Anfangsaufstellung sowie günstige Petitionskarten halfen ihm dabei. Damit war das Spielende schon fast greifbar, bevor der Quest überhaupt angefangen hatte. Allerdings lag sein dritter und letzter Schatz zigfach sicher bewacht in Petersburg.

Viele Runden lang wogte das Spiel jetzt hin und her. Keiner konnte mehr einen Schatz heben. Einmal war Moritz zum Greifen nahe dran, doch da spielte Peter die Petition „You may move one opponent’s treasure to any other space“ und wusch, lag der Schatz weit weg in einer anderen Ecke von Marnon.

Die Konfrontation jeder gegen jeden und alle gegen die Orcs ging allmählich in ein kooperatives bis kontemplatives Solitärspiel über. Es ging nicht mehr so sehr darum, zu gewinnen, sondern zu beobachten, was Orcs und Würfel auf dem Spielbrett so alles treiben würden. Peter wagte einen Angriff auf den Dragon. Totsicher mit sechs Leuten. Er schlug den Dragon auch tot, doch im Fallen bracht der Drachen noch Peters gesamten Sechserpack um: aus dem sicheren Gewinn war ein totsicherer Verlust geworfen.

Wiederum mit Hilfe von Petitionskarten konnte Walter einen Überraschungsangriff auf das Feld mit seinem letzten Schatz starten. Die Würfelstatistik war auf seiner Seite, und Moritz machte Peter schon den Vorwurf, warum er sein Fort nicht besser verteidigt habe. „Meinst du, dass ich darüber unglücklich bin, wenn das Spiel jetzt zu Ende geht?“ Doch der Angriff misslang. Walter wurde sogar soweit reduziert, dass er fast total eliminiert worden wäre. In diesem Fall wäre er nach den Regeln von 1979 ausgeschieden und hätte – evtl. auch noch stundenlang – seinen Mitspielern beim Würfeln und Kinderkriegen zuschauen dürfen!

Das Schicksal meinte es aber gut mit ihm. Nach zwei weiteren Runden hatte er sich wieder aufgerappelt, konnte einen zweiten Sturmangriff auf die inzwischen verwaiste Petersburg starten und das Spiel beenden. Wie heißt es so schön: „Wenn Walter gewinnt, muss es ein Glücksspiel sein.“ Das war es dann auch.

WPG-Wertung: Moritz: 6 (nicht zu vergleichen mit modernem Design; doch ganz nett auf einer CON morgens um 3 Uhr), Peter: 4 (Pluspunkte für die Nostalgie; in unserer Zeit nicht mehr brauchbar), Walter: 5 (Würfelspiel mit einem entsprechenden Unterhaltungswert)

2. “Koryo”

Wilhelms Mitbringsel für Günther lag vor genau einem Monat das erste Mal bei uns auf dem Tisch. Peter wollte sich den Spaß von damals nochmals reinziehen. Doch in einer Dreierrunde gibt es in den Zahlenauslagen zu wenig Bewegung. Der Spaß war gebremst. Für alle.

WPG-Wertung: Den WPG-Durchschnitt von 7 Punkten drückte Moritz mit seiner 5er Note gewaltig nach unten (ist kein brain burner, zu repetitiv, wünscht sich mehr Entscheidungsfreiheit)

3. “Deutschland – das Kartenspiel”

Ebenfall letzten Monat ein Mitbrinsel von Wilhelm. Ein Unterhaltungsquiz über die zu vergleichenden geographischen Positionen und Größenordnungen deutscher Städte und Kleinstädte. Seitdem uns beim letzten oder vorletzten Mal der Sonnenkönig Elsaß und Lothringen weggenommen hat, liegt Deutschland ganz schief in der ohnehin gegen den Uhrzeigersinn verdrehten europäischen Landschaft. Karlsruhe liegt östlicher als Köln, sehr viel sogar, Magdeburg liegt westlicher als Bayreuth, und Passau noch östlicher als Dresden.

Wer’s weiß, kriegt Punkte. Wer’s früher weiß, kriegt mehr Punkte. Walter machte heute den Günther (in bezug auf Geographie-Kenntnisse.)

WPG-Wertung: Den bisherigen WPG-Durchschnitt von 6 Punkten toppte Moritz mit 8 (für das, was es ist, ist es gut)

4. “Trans Europa”

Als Absacker noch ein schneller Gleisbau in Europa, von Madrid bis Moskau. Moritz hätte lieber in Amerika gebaut, doch dann hätte das Spiel „Trans Amerika“ heißen müssen.

Peter hat das Spiel noch nie gewonnen. Auch heute nicht. Woran liegt das? Ist „Trans Europa“ ein Glücksspiel? Benötigt man geographisch-topologische Kenntnisse? Nützt Einfühlungsvermögen in Aufgaben und Ambitionen der Mitspieler?

Walter hat mal wieder gewonnen. Also ist es ein Glücksspiel.

Keine neue WPG-Wertung für ein 8 Punkte Spiel.

06.08.2014: Karten und Plättchen mit Wilhelm

Hanabi

Nein, heute wurde kein Hanabi mehr gespielt. Nicht direkt. Aber solange Wilhelm noch mit der Baustelle am Luise-Kiesselbach-Platz kämpfte, durfte Peter dem Oberschiedsrichter Günther die Prinzipien von Spocks Ablegemechanismus demonstrieren. Wie schon erwähnt, lassen sie sich auf die einfache Formel bringen: “Falls ein Spieler keine weitere Information mehr zum Nutzen einer Handkarte hat, so wirft er automatisch die am weitesten rechts gehaltene Karte aus seine Hand ab“.

Hebelt dieses Prinzip die Spielregeln aus? Die Meinungen gingen auseinander. Peter argumentierte: „Es ist nicht möglich, eine Regel innerhalb des Hanabi-Systems zu formulieren, die dieses Rechtsanstecken [oder war hier das Rechtsablegen gemeint?!] verhindern könnte.“ Günther wollte sich in diesem Auffassungsstreit (mal wieder) nicht klar positionieren. Walter kam Peter insofern entgegen, als er diese Ablegetechnik nur dann für illegitim hielt, wenn es auf Grund einer allgemeinen Absprache erfolgt. [„Absprachen über die Ablage von nicht-benannten Karten sind unzulässig!“] Als Schlussfolgerung aus dem über mehrere Runden lang Nicht-Benennen von Karten ist so ein Vorgehen aber durchaus spielimmanent.

Dass man diese schlussfolgernde Konvention dann auch noch bis zum Spielanfang extrapoliert, liegt höchstenfalls am Rande der Legalität. Und in Bayern gilt diese Positionierung in höchsten Kreisen immer noch als mitten drin in der Legalität.

Peter ließ noch zu Protokoll geben, dass er zweimal Recht gehabt habe. Hier steht es.

Was war eigentlich das „zweite“ Mal? Ach ja: Peter konnte seine heutige Demonstration nicht gewinnen. Es kamen einfach kein weißen und gelben Einser auf den Tisch! Aber hat das denn einer behauptet? Nicht jedes Kinderspiel muss man gewinnen können …

1. “Deutschland – Das Kartenspiel”

Wilhelm, unser Ehrengast aus dem hohen Norden (von Bayern aus gesehen), traf mit zwanzig Minuten Verspätung ein. So lange dauert es für einen Lippischen Preussen, von der Garmischer Autobahn kommend, sich durch die Tunnel-Baustelle am Autobahnende quälend, eine Stelle zum Linksabbiegen in die Krüner Straße zu finden.

Als Gastgeschenk hat er das kleine Kartenspiel mitgebracht, in dem Günter Burkhardt seinen erwachsenen (missratenen?) Sohn „Deutschland – Finden sie Minden!“ nach Wilhelms Meinung „auf den Punkte gebracht hat“.

Jeweils fünf Karten mit Namen deutscher Städte liegen auf dem Tisch. Jeder Spieler hat einen identischen Kartensatz mit den Bezeichnungen Nord, Süd, Ost und West, sowie „die meisten Einwohner“ und „die wenigsten Einwohner“. Dreimal muss man reihum verdeckt eine dieser Qualifikationskarten zu einer der Städte legen. Dabei bedeutet z.B. die Karte „Nord“, dass der Spieler die zugeordnete Stadt für die nördlichste aller ausliegenden fünf Städte hält.

Dann werden die Qualifikationskarten umgedreht, die falschen aussortiert, und die richtigen zusammengeschoben. Wessen Karte jetzt am nächsten an einer Städtekarte liegt, bekommt 3 Punkte, der zweitnäheste 2 Punkte und – falls noch vorhanden – der drittnäheste 1 Punkt.

Ein unterhaltsames, quizartiges Spielchen, bei dem man sich nicht nur ein bisschen in Deutschlands Geographie auskennen sollte, sondern bei dem man auch das Wissen seiner Mitspieler einschätzen können sollte, genauso wie das Risiko, statt eines sicheren Einzelpunktes als dritter Anleger bei der nördlichsten Stadt vielleicht doch lieber drei volle Punkte bei einer fragwürdigen kleinsten Stadt zu ernten, die die Mitspieler – vielleicht / hoffentlich – falsch eingeschätzt haben.

Wer weiß schon so genau, ob Paderborn nördlicher liegt als Kleve und welche der beiden Städte größer ist. Von Bayern aus gesehen.

WPG-Wertung: Günther: 5 (ein Wissensspiel, nichts für Halb-Wisser [und das als Kritik aus Günthers Munde!]), Peter: 6 (dabei 1 Punkt für meinen Sieg), Walter: 6 (er wird es ganz sicher mit seiner rheinruhrigen Verwandtschaft spielen), Wilhelm: 8 (das Spiel ist einfach sehr gut [er hatte zuerst 9 Punkte vergeben, ließ sich später aber davon einen Punkt runterüberzeugen])

2. “Royals”

Royals - Wilhelm zeigt Günther wo Spanien liegt
Royals – Wilhelm zeigt Günther wo Spanien liegt
Wilhelm hatte den Prototyp von Abacus für Essen 2014 mitgebracht. Die Regeln stehen, das Umschlagsbild für die Schachtel auch, am Spielmaterial wird noch gedreht.

Wir ziehen Farbkarten in den vier Farben gelb (für Spanien), blau (für Frankreich), rot (für England) und grün (für the „German States“). Entsprechend den Farben können wir uns in den vier Staaten engagieren und dort Städte in Besitz nehmen,. Für einen Slum in Sevilla reicht eine einzige gelbe Karte, für den Palacio Real in Madrid braucht man deren acht. (Oder so ungefähr.) Dafür werden wir mit der einen Karte in Sevilla auch nur ein schlichter Baron (Entschuldigung Mischa v.R., so ist nun mal die Adels-Rangfolge), mit den acht Karten in Madrid hingegen werden wir König.

Man kann einen Mitspieler auch aus einer Stadt verdrängen, dazu muss man aber rechtzeitig eine Intrigenkarte statt der Farbkarten gezogen haben.

In drei Wertungsrunden wird das aktuelle Besitztum in Siegpunkte umgesetzt. Jede Stadt bringt Punkte, genauso wie die Majorität in den vier Ländern. Für das erstmalige Besetzen einer Stadt gibt es Sonderpunkte, ebenso für die erstmalige Präsenz (auch die verdrängte) in allen Städten eines Landes. In der Schlusswertung werden dann noch Majoritäten innerhalb der Royalitäten honoriert. Reichlich Siegpunktquellen.

Ein reizvolles Abwägen zwischen den leichten naheliegenden Siegpunkten in den Slums und den etwas schwereren, dafür aber auch nachhaltigeren Siegpunkten im Königspalast. Die Taube auf dem Dach ist besser als der Spatz in der Hand. Gute Karten helfen auch ein bißchen, ein wohldosierter Zufallseinfluß in einem schnellen, höchst interaktiven Spiel.

WPG-Wertung: Günther: 7 (locker), Peter: 6 (funktioniert, aber …), Walter: 6 (flüssig, vielseitiges Engagement, allerdings mit dem Hang zur Erbsenzählerei, Mitspielerchaos und – bei dem Maß an Interaktion unvermeidlich – Kingmakereffekten), Wilhelm enthielt sich als Befangener der Stimme.

Günther hielt die großzügige Landkarte für vergeudeten Platz. Man hätte die Länder besser zusammenschieben und den dadurch gewonnenen Platz als Ablage für die Nachziehkarten nutzen sollen. Peter: „Deswegen gewinnst Du auch nicht ‚Deutschland – Das Kartenspiel’“.

3. “CaCaO”

CaCao
Schachbrettmuster in “CaCao”
Ein weiterer Prototyp von Abacus, allerdings erst für Nürnberg 2015 vorgesehen. Jeder Spieler hat einen Satz mit acht grünen quadratischen Plättchen, auf denen jeweils vier Arbeiter platziert sind. Sie sind den vier Kanten zugeteilt, aber unregelmäßig, zu manchen Kanten gehören zwei oder drei Arbeiter, zu anderen Kanten gar keine.

Die grünen Plättchen werden einzeln reihum auf die imaginären weißen Felder der als Schachbrettmuster gedachten Tischdecke gelegt. Auf die schwarzen Felder kommen – sobald an mindestens zwei Kanten Arbeiterplättchen liegen, Produktionskärtchen. Jeweils drei Stück davon liegen offen aus, und der aktive Spiele wählt daraus – innerhalb enger Grenzen – welche aus: Kakao-Plantagen unterschiedlicher Ernteerträge, Kakao-Verarbeitung unterschiedlicher Erlöse, Bewässerung und einige andere Spezialeffekte.

Jeder Arbeiter an der Kante zu einem bereits ausliegenden oder gerade anschließend gelegten Produktionsplättchen kann die angebotene Produktion nutzen und bekommt dafür Siegpunkte. Wenn alle Arbeiterplättchen gelegt sind, ist Schluß.

Ein hübsches, fast kontemplatives Spielchen um das optimierte Nutzen und Erweitern der entstehenden Schachbrettauslage auf dem Tisch. Eine Menge indirekter Interaktion, ohne dabei in Aggressivität auszuarten.

WPG-Wertung: Günther: 6 (zu linear [heftiger Widerspruch von allen Seiten]), Peter: 7 (Superidee an der man allerdings noch ein bisschen herumfeilen könnte), Walter: 7 (schnell, konstruktiv, interaktiv), Wilhelm enthielt sich wieder der Stimme..

4. “Koryo”
Jeder bekommt jeweils einen Schwung Karten auf die Hand, darf einen – kleinen – Teil davon offen vor sich auslegen, und muß den Rest wieder abgeben. Das wird acht mal gemacht, die Auslagen wachsen und wachsen, und wer sich am Ende die reichhaltigste zugelegt hat, der hat gewonnen.

Wie sehen die Karten aus? Es sind Karten mit den Ziffern von 1 bis 9, dazu noch rote und schwarze Minus-1en.

Wieviele Karten bekommt man jeweils? Erst 10, dann 9, dann 8 usw., zuletzt nur noch 3.

Welche Karten darf man ablegen? Soviele man will, aber jeweils nur Karten mit den gleichen Ziffern.

Dürfen beliebig viele Karten in der Auslage sein? Nein, die Auslage ist streng begrenzt; zuerst dürfen nur 3, dann 4 usw., zuletzt nur insgesamt 10 Karten in einer Auslage sein. Man darf zwar kurzfristig mehr Karten spielen, hinterher muss man die überzähligen Karten in seiner Auslage aber bis zum erlaubten Limit wieder abräumen.

Was bedeuten die verschiedenen Ziffern? Jede Ziffernkarte in der Auslage hat einen eigenen Effekt. Die 6 erlaubt dem Spieler das Nehmen einen zusätzlichen Siegpunktchips vom öffentlichen Vorrat, die 2 erlaubt das Stehlen eines Siegpunktchips von einem Mitspieler, die 5 erlaubt des Ausspielen von Karten mit unterschiedlichen Ziffern. Und was der Effekte mehr sind.

Diese Effekte darf man aber nur dann nutzen, wenn man von der entsprechenden Ziffer unter allen Mitspielern die meisten Karten in seiner Auslage hat. Bei Gleichheit gehen alle leer aus.

Um die gewinnträchtigen Auslagen der Mitspieler ein bisschen aufzumischen, gibt es die Minuskarten. Mit der roten Minus-1 darf man eine Karte aus der Auslage eines Mitspielers entfernen, mit der schwarzen Minus-1 darf man zwei Karten der Mitspieler vertauschen. Vorzugsweise werden damit Mehrheiten auseinandergenommen.

Wer gewinnt am Ende? Es werden alle Auslagen aller Spieler verglichen. Wer von einer Ziffer die meisten Karten ausliegen hat, bekommt die Ziffer in Siegpunkten. Hier ist die 9 natürlich am besten, dafür bringt sie während des Spiels keinen besonderen Effekt. Außerdem gibt es davon am meisten Karten, so dass hier die Konkurrenz am größten ist. Bei zwei mittleren Ziffern, z.B. der 7 und der 6 die Mehrheit zu haben, sollte bereits zum Sieg reichen.

WPG-Wertung: Günther: 7 (hätte 8 Punkte vergeben, wenn dem Spiel eine Spielhilfe für jeden Spieler beigelegt worden wäre, auf der man die Effekte der einzelnen Ziffern ablesen kann. [Da hat der Verlag am falschen Ende gespart! Wilhelm hat das per Hand nachgeholt!]), Peter: 7 (ist halt ein Glücksspiel, aber es hat Spaß gemacht), Walter: 7 (schnell, locker), Wilhelm: 7 (unbefangen)

5. “Limes”

Peter hatte sich von „Koryo“ die vorletzte U-Bahn verpassen lassen und war diesmal erst mit der letzten U-Bahn abgedüst. Wilhelm packte nochmals das „Limes“ aus, das vorher von Günther als „zu solitär“ abgelehnt worden war. Jetzt als Absacker und zum Kennenlernen in einer Dreierrunde nach einem recht friedlichen Karten-Plättchen-Ablege-Spielabend wurde es akzeptiert.

Jeder bekommt den gleichen Satz quadratischer Landschaftsplättchen, aufgeteilt in jeweils vier interne Landschaftsfelder: Feld, Wald, Wiese und Wasser in beliebiger Kombination. Ein Spieler zieht blind jeweils eines seiner Plättchen und alle Spieler müssen das gleiche Plättchen – ausgehend von einem vorgegebenen Startfeld – bei sich anlegen. So entsteht vor jedem Spieler langsam ein am Ende vier mal vier Quadratplättchen großes Landschaftsbild.

In der Schlußwertung bekommt man dann für ein Feld-Gebiet soviele Siegpunkte, wie Feld-Landschaften zusammenhängen. Ein Wald-Gebiet bringt soviele Siegpunkte, wie unterschiedliche Landschaften drum herum liegen. Bei einem Wassergebiet zählen die umliegenden Fischerhütten, und bei einem Wiesengebiet die waagrecht oder senkrecht dazu befindlichen Waldgebiete. Es werden aber nur diejenigen Gebiete gewertet, auf denen man während des Anlegevorgangs rechtzeitig eines seiner insgesamt sechs Männlein platziert hat.

Warum baut nicht jeder die identische Landschaft zusammen? Diese Möglichkeit des Abguckens und Nachmachens wäre doch ein gravierender Designfehler! Wie ist das gelöst? Frage an die kluge Spielergemeinde! Ganz einfach: Die Startplättchen, von denen aus jeder Spieler seinen Landschaftsgarten beginnt, sind alle unterschiedlich!

Ein hübsches 2-Personen-Puzzle-Spiel (es geht natürlich, wie gerade demonstriert auch mit mehreren Spielern), mit dem man z.B. ausknobeln kann, wer heute den Abwasch erledigt oder zuerst unter die Dusche darf …

Noch keine WPG-Wertung.

01.08.2014: Hanabi und das Ei des Kolumbus

Gestern kam Peter zu einer Privatissime-Session am Westpark vorbei. Anlass waren die Kommentar-Wogen zu Hanabi, die sich nach dem letzten Spielbericht ja ganz schön hochgeschaukelt hatten.

Friedlich deckten wir uns mit den üblichen Trink- und Fressutensilien ein. Friedlich wurden die gegenseitigen Erwartungen dargelegt. Doch da zeigte sich schon die erste kleine Diskrepanz. Peter hatte die kürzlich aufgekommene Streitfrage zur Hinweistechnik ohne Anhörung kurzerhand zu seinen Gunsten entschieden und ad acta gelegt. Er berief sich dabei sogar noch auf unseren Obermuffti Günther, der sich in der öffentlichen Diskussion nicht die Finger verbrennen wollte, aber klammheimlich Peter Recht gegeben haben soll …

Bei Hanabi ging es Peter heute also nicht darum, ein Viererspiel öffentlich auszulegen, gemeinsam die jeweils notwendigen und besten Hinweise zu analysieren und daraus allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen. Er hatte sich eine aus dem Internet von Spocks inspirierte Strategie zurechtgelegt, deren Erfolgsaussichten er demonstrieren wollte. Recht schnell fiel die Drohung: „Wenn Du das nicht so spielen willst, dann brechen wir ab.“ Walter wurde klar, was für die große Politik selbstverständlich ist: Man spricht von Kooperieren und meint Oktroyieren.

Die friedliche Stimmung kippte. Es ging nicht um logische, psychologische Schlussfolgerungen, was für mich der Reiz des Spiel ist. Das Ziel sollte heute das Nachvollziehen einer recht stumpfsinnigen Wegwerf-Technik sein. Zu diesen fundamental unterschiedlichen Erwartungen hier ein Beispiel.

EiDesKolumbusAm Tisch lagen schon alle möglichen Farben, unter anderem von Blau die Eins und Zwei. Peter hatte die blaue Drei und Vier in der Hand, und Walter fand es angebracht, einen Hinweis auf diese beiden Karten zu geben: „Dies sind blaue Karten“. Jetzt zeigte Peter in Walters Hand auf eine Drei. Walter spielte gehorsam diese Karte aus. Es war eine blaue Drei. Auf einmal war von Peters beiden blauen Karten nur noch eine nützlich.

Jetzt zeigte Walter auf die blaue Vier und sagte: „Das ist eine Vier!“ Für ihn war damit implizit gesagt, dass die andere eine Drei (oder eine andere Karte) zum Wegwerfen sein musste. Denn wenn es Vier und Fünfgewesen wären, dann hätte er

  • bei seinem vorhergegangenen Hinweis nicht die beiden blauen Karten benannt. Das wäre zu diesem Zeitpunkt unnötig gewesen!
  • jetzt unbedingt die Fünf aufgezeigt, und damit Vier und Fünf als spielbar deklariert!

Das ist Logik, gepaart mit Psychologie! Doch Peter wollte diese Schlussfolgerungen auf keinen Fall übernehmen. Nach dem vorgezogenen Anlegen der Vier weigerte er sich hartnäckig, anschließend auch noch die Drei wegzuwerfen. Er warf lieber unbezeichnete Karten nach seiner bzw. Spocks Abwurftechnik ab. Walter brach ab.

Zum Glück hatte Peter noch einen ganzen Sack voller 2-Personen-Spiele dabei, und mit den intellektuell herausfordernden, aber auch sanft mit Zufallseinflüssen durchsetzten

  • Schotten-Totten
  • Adam & Eva
  • Aton
  • Jaipur

wurde der Spielabend gerettet. Peters deutliche Überlegenheit, mit vielen Bällen gleichzeitig zu spielen und dabei auch noch jede Finte seines Gegenüber im Auge zu behalten, brachte ihm vier hohe bis haushohe Siege ein. Das ruhige, konstruktive Spielen und die gemeinsame positive Wertung für diese Spiele ließ Hanabi nochmals aus der Versenkung auftauchen. Zum Abschied durfte Peter in einer Solovorführung mit offenen Karten nochmals seine (und/oder Spocks) Gewinnstrategie aufzeigen.

Hierbei wird von folgendem Spielprinzip ausgegangen:
Falls keine anderweitigen Informationen zur Verfügung stehen, spielt jeder Spieler abgesprochenermaßen die am weitesten rechts gehaltene Karte aus seine Hand zum Wegwerfen aus.

In manchen Spielerkreisen scheint diese stillschweigende Übereinkunft selbstverständlich zu sein. OK, OK, wenn sich ein 4er Team zusammensetzt, um die Hanabi-Weltmeisterschaft gegen andere Teams zu gewinnen, so ist das wohl legitim. Auch andere, hochkünstliche Informationssysteme, bei denen jeder Hinweis – wie bei modernen Bridge-Systemen – abhängig von Spielerposition, Farbe und Zahl noch eine Fülle von abgesprochenen Nebenbedeutungen hat, sind zugelassen.

Doch Walter drehte sich beim Vortrag dieser Regel fast der Hanabi-redliche Magen um. Ohne einen einzigen realen Hinweis können so in einem Spiel problemlos 10 und mehr unbenannte Karten abgeworfen werden und dafür Hinweise-Chips eingehandelt werden. Das ist gleichwertig damit, dass man die Zahl der erlaubten Hinweise um die entsprechende Anzahl erhöht. Damit wird das „Gewinnen“, d.h. das Erreichen von 25 Punkte fast zum Kinderspiel. Peter hat gewonnen.

Den Orden „Ei des Kolumbus“ bekommt er – und Mr. Spocks – dafür von mir allerdings nicht!

30.07.2014: Anlegen oder Wegwerfen

SommerlustLetzte Woche habe ich in der Einleitung von Künstlern als Idealisten geschrieben, die ihre Kunst aus Spaß an der Freud ausüben. Diese Woche habe ich mal wieder einen solchen Zeitgenossen kennengelernt: Klaus Menz-Sander, ein äußerst begabter Maler und Grafikdesigner! Reichhaltig ist sein Schaffen, professionell seine Handschrift, beeindruckend sein Œuvre.

Mehr als einhundert Akte sind zur Zeit in seiner Ausstellung „Sommerlust“ in der Orangerie am Englischen Garten zu sehen. Lust und Exstase fallen dem Betrachter schon an der Eingangspforte ins Auge. Geist und Seele lassen sich etwas Zeit. Doch wechselt man mit dem Künstler nur ein paar wenige Worte, so sieht man hinter den großflächigen Bildern und ihrer „Petersburger Hängung“ auch sogleich eine beeindruckende intellektuelle Konzeption! Eine bereicherne Begegnung mit der vollen Sensibilität künstlerischer Potenz.

Warum ich das hier schreibe? Mich erinnert Klaus an die zahlreichen begabten Spieleautoren, die ihre gelungenen Werke im Eigenverlag herausbringen, regelmäßig auf der „Spiel“ in Essen ausstellen, und hinterher schon glücklich sind, wenn durch den Verkaufserfolg Spesen und Standmiete gedeckt sind. Ihr materielles Schäfchen müssen sie als Lehrer oder Buchhalter bereits im Trockenen haben, bevor sie die Menschheit mit ihren Schöpfungen beglücken.

Klausens „Sommerlust“ ist bis zum Wochenende geöffnet. Am Sonntag ist Finissage. Ihr seid alle herzlich eingeladen. Er ist schon glücklich, dass die Kosten für Pinsel und Farbe, und wenn’s hoch kommt auch noch die für den Wein, wieder hereingekommen sind.

Evo – man beachte die rote Eierflut
Evo – man beachte die rote Eierflut

1. “Evo”

Am 27. Februar 2002, also vor mehr als zwölf Jahren, schrieb Aaron in seinem Session-Bericht über „Evo“: „Lange nicht mehr gespielt.“ Nun, da das Spiel erst im Jahre 2001 herausgekommen ist, kann das „lange“ – nach unseren heutigen Zeitmaßstäben – gar nicht so lange her gewesen sein. Einmal haben wir es seitdem noch gespielt, aber das ist auch schon wieder acht Jahre her.

Das Spiel um das Sich-Durchsetzen der besten Genkombinationen im Kampf um das Überleben auf engem Raum bei tödlichen Klimaveränderungen hat uns vom ersten Augenblick an gefallen und wird jederzeit – im Sechs-Jahre-Rhythmus – gerne wieder gespielt.

Heute hat es sich nicht von seiner besten Seite präsentiert. Die zufällig gezogene Gen-Auswahl der ersten Runden war zu einseitig. Moritz und Peter überboten sich unverzüglich um das „Mutierte Gen“, das in den weiteren Runden auf jedes Gen einen Preisnachlass gewährt. Bewährtes Motto der erfahrenen Wirtschaftler: „Permanente Rabatte muss man möglichst frühzeitig erwerben.“ Ein weiteres begehrtes Anfangsgen war der ebenfalls zukunftsorientierte „Kartenbonus“, mit dem man eine der Ereigniskarten zum Beeinflussen der Kampfbedingungen bekommt.

Walter fiel mehr oder weniger kampflos die Schwanzverlängerung in den Schoß. Vier weitere Runden wurde keine einzige weitere Schwanzverlängerung mehr gezogen, so dass er unangefochten Startspieler blieb, und die Mitspieler dahinter sich lediglich um die Nachzüglerplätze rangeln konnten. Nachdem er auch noch – ohne jede Geldverschwendung – vier Eier für die Nachzucht erwerben konnte, war es ihm – mental und intellektuell – ein Leichtes, seine zwei- bis dreijährigen Senioren dem Wetter zum Opfer fallen zu lassen und dafür seine zahllosen Frischlinge gleich in den aktuell günstigsten Klimazonen zur Welt zu bringen. Als Startspieler fanden sich dafür immer genügend freie Regionen. Und weil erst in der dritten Runde der erste Zusatzfuß für größere Bewegungsfreiheit auf dem Markt kam, waren seine Konkurrenten in ihrem Aktionsradius sehr eingeschränkt und konnten seine Kreise nicht nennenswert stören. So zog er unangefochten Runde für Runde davon.

Moritz hatte sich so peut a peut ein flexibles Genpotential angeschafft und langsam aber sicher robusten Nachwuchs gezeugt. Sein Genotyp konnte sich ausreichend gut bewegen und war auch aggressiv genug ausgerüstet (na klar!), um seine Nachbarn von ihren Weideplätzen vertreiben zu können. Die Zeit arbeitete für ihn. Doch leider schlug der Meteorit schon in der ersten möglichen Runde ein, und das Spiel war zu Ende.

Was steht im Spielbericht vom 19. Juli 2006: „Walter legte sich unbehindert von allen Mitspielern die größte Schwanzverlängerung zu und konnte sich damit erfolgreich durchsetzen.“ So war es auch heute. Und wie war es vor zwölf Jahren? „Drei Runden vor Schluss hatte Günther durch seine exzellente Gen-Auswahl und gute Positionierung auf dem Brett seine Führung uneinholbar ausgebaut.“ Heute war Günther nicht dabei … Für Moritz als seinen strategischen Nachfolger kam der Meteorit ein oder zwei Runden zu früh!

Bleibt noch unser Standard-Kuriosum zu erwähnen: Aaron zog die schlechtesten Ereigniskarten und würfelte am schlechtesten. Peter vergab ihm dazu das Attribut „stochastischer Pechvogel“. (Oder so ähnlich! Wer Peters Wortwahl kennt, weiß, dass er einen „Pechvogel“ niemals „Pechvogel“ nennen würde …!) Faktum ist: „Wenn man in Evo einmal – warum auch immer – ins Hintertreffen geraten ist, kommt man leider nicht mehr hoch.“ Kann man durchaus als Schwäche im Spieldesign ansehen. Vor allem, wenn es lange dauert.

WPG-Wertung: Aaron reduzierte seine Note von 8 auf 7. Die Übrigen blieben bei ihren guten Noten mit einem Schnitt von genau 8,0.

2. “La Granja”

In diesem Monat schon einmal mit Erfolg gespielt, durfte Aaron den Neuling Peter in dieses komplexe Räderwerk eifrig sprudelnder Siegpunktquellen einführen. Nach einer halben Stunde wunderschönen Vortrages, didaktisch bestens aufgebaut, alle Elemente eines nach dem anderen zielführend erklärend, war Aaron mit der Hälfte der Spielregeln durch. Da warf Peter das Handtuch. Noch eine halbe Stunde erklären und dann zwei Stunden spielen, da wäre wohl nicht nur die vorletzte U-Bahn schon abgefahren gewesen.

Schade. Walter hätte Aarons sonorer Stimme noch gerne eine halbe Stunde zugehört und dabei eine Auffrischung der landwirtschaftlichen Abläufe von „La Granja“ über sich ergehen lassen. Sogar der Abbrecher Peter vergab für Aarons realer (und Günthers virtueller) Erklärkunst heute explizit die Note Eins mit Stern? „Und ich?“ fragte Moritz! „Du kannst auch gut erklären, Note Eins, aber Du vergisst manchmal einzelne Regeln.“ Da würde ja kein Hahn danach krähen, wenn diese ausgelassenen Regeln nicht manchmal unversehens nachträglich aus dem Hut gezogen würden. Vor allem, wenn sie das Spiel zu seinen (wessen?) Gunsten beeinflussen …

Moritz: „Dafür übersieht Günther manchmal auch wichtige Regeln. Sogar solche, die ein Spiel total verfälschen. Ich erinnere an Lewis & Clark, das dadurch bei uns unberechtigterweise total zerrissen wurde, wofür wir hinterher bei BGG mit Recht beschimpft wurden.“ Recht hatte er!

Keine neue WPG-Wertung für ein nicht-gespieltes Spiel. Peter war nicht fähig, aus der halben Regelerklärung heraus eine Wertung abzugeben. Früher hieß es mal „Peter kann immer!“

3. “Hanabi”

Ein hübsches kleines Kartenspiel. Witzig, spritzig, esprit-zig. Kooperativ. Spiel des Jahres 2013. Trotz Moritz ungewöhnlich kritischen 3 Punkte war es bei einem WPG-Median von 7 gelandet.

Die Karten zeigen die Zahlen von 1 bis 5 in insgesamt fünf Farben. Die unteren Zahlen kommen mehrfach vor, die höchste 5 jeweils nur einmal. Die Karten müssen reihum einzeln farbenweise und streng sequentiell aufsteigend auf offene, gemeinsame Stapel auf dem Tisch ausgelegt werden. Jeder Spieler hat eine Kartenhand von vier Karten, zieht eine Karte, und legt als passende sie an bzw. wirft sie als unpassende weg. Eigentlich ein Kinderspiel.

Das Problem dabei ist, dass man jeweils die Karten der eigenen Hand nicht kennt, sondern nur die der Mitspieler, und dass man beim Kartenspielen vor dem Ansehen der Karte bereits sagen muss, ob man sie anlegen oder abwerfen will. Wirft man eine Karte unglücklich ab, so kann man u.U. einen Zahlenstapel von 1 bis 5 nicht mehr fortlaufend erzeugen. Ist andererseits auf dem Tisch für mit „zum Anlegende“ gezogene Karte kein passender Platz, so erzeugt diese Aktion einen „Einschlag“. Nach drei Einschlägen (oder wenn alle Karten verbraucht sind oder wenn von allen fünf Kartenfarben die Zahlen 1 bis 5 wohlgeordnet auf dem Tisch liegen) ist das Spiel zu Ende und die obersten Karten aller ausliegenden Stapel werden zu einer – für alle gemeinsamen – Siegpunktsumme summiert. Maximum ist 25.

Für ein erfolgreiches Spiel muss man den Mitspielern Tipps geben, welche Karten sie als nächstes spielen müssen oder können. Entweder, weil sie auf einen der offenen Stapel passen, oder weil sie nicht mehr passen und deshalb problemlos abgeworfen werden können. Als Tipp ist lediglich erlaubt, auf bestimmte Karten in der Hand eines Mitspielers zu deuten und z.B. zu verraten: „Dies sind alle roten Karten in Deiner Hand!“ oder „Dies sind alle Dreier in Deiner Hand.“

Sehr wichtig dabei ist das Vertrauen in die a) intellektuelle Potenz und b) Redlichkeit der Mitspieler. Wenn zu Beginn des Spiels ein Mitspieler einem anderen den Tipp gibt: „Dies sind die Einser in Deinem Blatt“, so darf der gewiss sein, dass er ALLE diese Einser-Karten zum Anlegen spielen kann. Wenn die fünf verschiedenfarbigen Einsen bereits alle auf dem Tisch liegen, dann bedeutete dieser Tipp genau das Gegenteil, nämlich dass alle diese Karten zum Wegwerfen gespielt werden können (und sollten). Fehlt nur noch eine einzige 1 auf dem Tisch, dann kann der Hinweis: “Diese Karte ist eine 1” sowohl bedeutet, das es die letzte anzulegende 1 ist, als auch, dass es eine Karte zum Wegwerfen ist. Zur richtigen Interpretation benötigt man gute Portion Einfühlungsvermögen in Denkweise und geistige Kapazität der Mitspieler …

Das ganze wäre immer noch ein Kinderspiel, wenn man beliebig viele Tipps vergeben könnte. Doch diese sind zahlenmäßig begrenzt. Nur acht freie Tips sind erlaubt. Für jeden weiteren Tipp muss zuerst eine Karte „zum Wegwerfen“ gespielt werden. Damit sind Tipps dünn gesät. Und falls man mit jedem Tipp nur eine einzige richtig ablegbare Karte bezeichnet, liegen gerade mal acht Karten auf dem Tisch und die Spieler haben eine Summe von acht Siegpunkten (etwa zwei mal 1 plus drei mal 2) erwirtschaftet. Ab dann fängt beim Anlegen und Wegwerfen das blinde Raten an, womit man garantiert nicht mehr weit kommt.

Peter fieberte mit allen Tipps seiner Mitspieler mit. Überall witterte er ungelöste Gefahren. Wie eine junge Mutter bei den ersten selbständigen Schritten ihres Kindes nahe der Kellertreppe. Nein, nicht wie eine junge Mutter, eher wie ein genervter Klavierlehrer, der an jeder Taste seines Schülers den Anschlag, die Lautstärke, die Dauer und die Phrasierung bemeckert. Am liebsten hätte er alle Tipps von und für alle Mitspieler alleine formuliert.

Noch dazu fällt es ihm schwer, sich in die redlichen Tipps der Mitspieler in blindem Vertrauen hineinfallen zu lassen und aus ihrer Aussage: „Das ist eine Zwei“ gläubig zu schließen, dass er diese Zwei jetzt anlegen kann, weil die passende Eins bereits auf den Tisch liegt.

Auch hatte er das Spielziel nicht ganz verstanden. Er glaubte, man müsse das Spiel „gewinnen“, d.h. in allen Stapeln bis zur Fünf kommen. Deswegen gab er auf und zeigte seine Kartenhand, als – nolens volens – die erste Fünf „weggeworfen“ wurde und das Spiel demnach nicht mehr zu „gewinnen“ war. Genauso auch beim zweiten Spiel. Beim dritten war er es selber, der – in Bedrängnis – die erste tödliche Fünf wegwarf.

Eine heiße Diskussion Peter gegen den Rest der Welt begann. Moritz konstatierte den (von den beiden anderen Mitspielern uneingeschränkt geteilten) Grundsatz: „Ein Tipp, eine Karte wegzuwerfen, ist besser als ein Tipp, eine Karte anzulegen!“ Peter focht leidenschaftlich dagegen. Ihm galten die Tipps zum Anlegen mit höchster Priorität. Für Plausibilitätsbetrachtungen, in der Art von „dann fängt bei Dir nach 8 mal Anlegen die reine Raterei an“ verfingen nicht. Sein Hilfeschrei, nein nicht Hilfe, sein bloßer intellektueller Trotz war es, der ihn den fernen Günther anflehen ließ: „Hallo Günther, was sagst Du dazu?!“

Das hübsche kleine Kartenspiel mit nach Hause zu nehmen und zuhause auszuprobieren, wie weit er es gegen bzw. mit vier Auto-Peters schafft, dieses Ansinnen schlug er glattweg aus. Er hätte lieber uns drei noch einmal und noch einmal unter seine Mecker-Droh-Besserwisser-Pose gebracht. Doch das schlugen wir aus. „Hanabi“ wird es wohl für die nächsten zwölf Jahren am Westpark verschissen haben.

Keine neue WPG-Wertung.

4. “Bluff”

Noch ganz unter dem Eindruck der heißen Hanabi-Diskussion spintisierte Moritz mit einer Hanabi-artigen Regelerweiterung von Bluff: Jeder darf nur die Würfel seiner Mitspieler sehen, aber nicht die eigenen …

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

23.07.2014: Die Crux des Startspielers

Wie viele Buch-Autoren können von ihren Romanen leben? Wie viele Maler von ihren Bildern? Wie viele Musiker von ihren Kompositionen? Und wie viele Spieleautoren von ihren Spieleerfindungen? Solche Aktivitäten bleiben wohl immer zu 99,9% das Hobby von Idealisten, die ihr tägliches Brot woanders verdienen oder verdient haben. Idealismus muss sich von alleine auszahlen, durch Freude am Tun und Freue am Sein.

An der Universität Linz hat man vor Jahrzehnten in der EDV-Steinzeit eine Datenbank für Abfragen über das römische Recht entwickelt. Mit Lochkarten. Wer wissen wollte, ob da irgendwo „in dubio pro reo“ steht, musste per gelber Post eine Anfrage nach Linz schreiben und bekam dann mit gelber Post auch die Antwort.

Peter hatte die Idee, das Ganze in eine moderne EDV-Oberfläche zu gießen, und Günther kümmerte sich um eine perfekte Implementierung. Schon seit ein paar Monaten erfreut sich ihre „Amanuensis“-Anwendung größter Beliebtheit. Kostenlos. Ach, wie schön ist doch ein Idealismus!

Istanbul – Wer findet den schnellen Weg?
Istanbul – Wer findet den schnellen Weg?

1. “Istanbul”

Wer die Diskussion über die Startspieler-Dominanz von Istanbul in den Kommentaren zu unserem letzten Spielbericht verfolgt hat, kann sich vorstellen, mit welchen gespannten Ambitionen wir heute erstmals in einer 5er Runde das Spiel angingen.

Günther als anerkannter Fuchs bekam ohne Gegenrede die “aussichtslose” fünfte Position zugeteilt; nach unserer Standard-Sitzordnung war Walter dann Startspieler.

Schon in der halben Stunde, während Aaron die Neulinge Loredana und Peter in das Spiel einführte, analysierte er den schnellen sicheren Weg zum berühmt-berüchtigten ersten roten Moschee-Plättchen. Das Tuchlager für die dafür benötigten roten Waren lag zwei Felder entfernt vom Ausgangsfeld Brunnen in Richtung 6 Uhr. Die kleine Moschee lag drei Felder entfernt in Richtung 1 Uhr. Wie kann man diese beiden Wege in zwei Zügen zu je zwei Feldschritten zurücklegen. Eine hübsche kleine Logikaufgaben. Wobei die bisherigen Angaben zur Lösung noch nicht vollständig sind. Das beigefügte Bild zeigt die Restangaben …

Walter als Startspieler fand die Lösung nicht. Vielleicht wollte er seine Gehilfen auch nicht vom Start weg gleich so weit auseinander platzieren. Loredana als Zweiter ging diesen Weg auch nicht. Genausowenig wie Peter und Aaron. Vier Spieler waren an Andreas Daiber’s Killerzug vorbeigegangen, ehe Günther in der letzten Position die Gelegenheit beim Schopf nahm und diesen Zug tat: Er setzte seinen Meister in die Polizeiwache (ein Schritt in Richtung 12 Uhr), löste damit seinen Cousin aus und schickte ihn ins Tuchlager für die roten Waren. Im zweiten Zug konnte ihm keiner mehr verwehren, seinen Meister auch noch die zwei Schritte nach rechts in die kleine Moschee gehen zu lassen und sich das billige, aber höchst effektive rote Moschee-Plättchen anzueignen. Bravo!

Doch schon ab dieser Runde befand sich das Spiel in einem eingeschwungenem Zustand. Es gab es keine Privilegien mehr, die sich aus der Zugreihenfolge ergeben hätten. Jeder verfolgte seinen eigenen Plan, der aber von Zug zu Zug an die aktuellen Gegebenheiten angepaßt werden mußte. Die fremden Cousins lockten als Geldeinnahme genauso wie die fremden Meister durch den geforderten Obolus abstießen. Es liegt viel Geld auf den Straßen von Istanbul. Als Quellen und als Senken. Ohne ausreichende Finanzmittel sind alle Mehrzüger mit erheblichen Risiken behaftet. Und falls man doch mit ausreichenden Finanzmitteln versorgt ist, verplempert man sie keinesweg leichtfertig für Felder, auf denen fremde Meister stehen.

Kurz und gut: Aaron als vierter Startspieler (und alter Hase) wurde Sieger; Peter als dritter Startspieler (und Neuling) wurde Zweiter, und Günther als letzter Starter wurde Dritter. („Wenn Günther nicht gewinnt, muss es ein Glücksspiel sein!“) Wo Walter als erster Startspieler landete, könnt ihr euch ausrechnen, wenn ich sage, dass Lordana Vorletzter wurde. Daiber’s Startspieler-Hypothese war mit einem einzigen Gegenbeispiel ad absurdum geführt.

Allerdings: Günther hätte um ein Haar doch gewonnen. Er war unmittelbar davor, im Sultansplalast den letzten Edelstein zum Sieg zu erwerben, da besetzte Aaron dieses Feld, und Günther hatte nicht mehr genügend Geld, den jetzt für dieses Feld geforderten Obolus zu bezahlen … Ist doch etwas dran am Vorteil des schnellen roten Moschee-Plättchen? Vielleicht. Doch in der Menge an Grundrauschen von Interaktion und wohldosierten Zufallseinflüssen über Würfel, Bonuskarten, Markt-Nachfrage, Schmuggler und Gouveneur geht dieser ganz gewiss unter.

WPG-Wertung: Zu unserem bisherigen Durchschnitt von 8,2 Punkten vergaben: Loredana: 8 und Peter 9 (von zunächst 8 auf 9 verbessert, „weil es auch noch zu fünft höchst gefällig und spielerisch ist“).

2. “Blöder Sack”

Das Spiel war letzte Woche schon mehr oder weniger durchgefallen. Trotzdem wurde es heute nochmals aufgetischt. Erstens kannten es drei der heutigen Mitspieler noch nicht, und zweitens wurden den von Istanbul noch rauchenden Köpfe ein paar Minuten Abkühlung gegönnt. Ein deutlicher Pluspunkt für den Blöden Sack.

Da das Spiel nur für vier Mitspieler ausgelegt ist, verzichtete Walter freiwillig auf eine Teilnahme. Problemlos. In einem schnellen Party-Würfel-Dödelspiel macht das Zuschauen genausoviel Spaß wie das Mitspielen.

Bemerkungen während des Spielens: „Jetzt weiß ich, warum das Spiel ‚Blöder Sack’ heißt!“ „Mit meiner Schwester (?) könnte ich es den ganzen Abend (?) spielen!“ „Pervers“! … „Der Verlag gehört dafür gehauen, dass er das Spiel nicht zur Reife gebracht hat!“ „Es ist unfaßbar, dass es bei KOSMOS erschienen ist!“

Peter gewann, weil er nach dem Einläuten der Schlußrunde noch fünf Blöde Sunkte einheimsen konnte, während die Mitspieler sein letztes Sacksen nur ohnmächtig beobachten konnten. Günther gewann also wieder nicht, ja er wurde sogar Letzter. Was sagt das über den Charakter von „Blöder Sack“?

WPG-Wertung: Die heutigen Neulinge blieben noch unter dem bisherigen Durchschnitt von 4,66. Günther: 4 (bei so wenigen Siegpunkten ist das Ende unbefriedigend), Loredana: 4 (man könnte es nochmals spielen. Ein paar Säcke mehr als Bedingung für das Spielende wären besser. [Dann hätte Walter nicht so gerne freiwillig ausgesetzt!]), Peter: 4 (Die Idee ist nett, aber für die Geschmäcker am Westpark fehlt das Feintuning; Sudden-Death würde das Spiel viel besser machen).

Hallo Rüdiger, hallo Ralph, in „Blöder Sack“ verliert der Startspieler! Garantiert! :-)

3. “AbluXXen”

Mit Spannung und Spielfreude schon viermal bei uns gespielt, durfte Loredana diese hübsche kleine Kartenspiel heute kennenlernen. Sie wäre sogar als Sieger hervorgegangen, wenn sie nicht im letzten Durchgang noch von einem Mitspieler – von wem wohl ? – überholt worden wäre.

WPG-Wertung: Loredana: 9 (das Spiel ist schnell, planbar und lustig; auch das Merken lohnt sich. Und spielerisch-positive Schadenfreude gibt es reichlich.)

4. “Nobiles”

Peter und Loredana waren schon mit der vorletzten U-Bahn abgedüst, als Aaron dem interessierten Restpublikum seine neuesten Änderungen an „Nobiles“ vorstellte. Er muss hier, wie wohl jeder Autor, die Erwartungen der „Straße“ mit den Anforderungen der „Elite“ in Einklang bringen. Schon beim Bieten um die Häuptlingswürde geht es um die Frage: verdeckt oder offen? Die Straße fordert ein verdecktes Bieten, aber – wenn ich mich recht erinnere – hat Moritz das vor kurzem mal für als „eines der schlechtesten Spielelemente überhaupt“ apostrophiert. Zumindest in einem Denker spiel.

Weiterhin in Überlegung: Sollen die Ressourcen immer äußerst knapp sein? Oder wäre ein bisschen Schwelgen darin nicht ein psychologisches Zugeständnis an die Spielfreude durch erleichterte Herausforderungen? Der Zutritt zu Ämtern im Rathaus, die Kosten für das dortige Werden und Sein, sowie die Vergütungen dafür, müssen noch weiter ausbalanciert werden. Oder sollte der Häuptling nach dem „Kreml“-Prinzip nicht besser nach jeder Runde automatisch sterben und neu gewählt werden müssen …

Noch keine WPG-Wertung.

16.06.2014: Spieltheorie und Spielpraxis

Walter hat im Freundeskreis an einem Tipp-Wettbewerb zur Fußballweltmeisterschaft teilgenommen. Jedes Spiel aus Qualifikation und KO-Runden musste getippt werden. Für ein richtiges Ergebnis gab es drei Siegpunkte, für die richtige Tendenz (Sieg oder Niederlage) einen Siegpunkt.

Geld gab es auch zu gewinnen. Für jedes Spiel musste ein Beitrag zwischen 50 Cent und 1.50 Euro eingesetzt werden. Die gesetzten Summen wurden jeweils nach einem wohldefinierten Schlüssel aus Siegpunkten und Geldeinsatz wieder unter die Teilnehmer verteilt.

Erfolgskurven beim Tippen der Ergebnisse für die Fußball-WM
Erfolgskurven beim Tippen der Ergebnisse für die Fußball-WM
In einer Mischung aus Mutwillen, Faulheit und Spielwitz tippte Walter für alle Spiele einen Spielausgang von 0:1! Auch bei den deutschen Spielen, also ein 0:1 gegen Portugal, Ghana und die USA. Gegen die USA war dieser Tipp ausnahmsweise mal für Deutschland. Das 0.1 gegen Algerien, Brasilien und sogar im Endspiel gegen Argentinien stempelte ihn dann schon fast zum Vaterlandsverräter!

Was kam dabei heraus? Nach den ersten beiden Verlustspielen brachte ihn die 1:5 Niederlage Spaniens gegen Holland mit einem Gewinn von 9.28 Euro schon weit in die Gewinnzone. Die 0.1 Siege Costa Ricas gegen Uruguay und Italien hoben ihn dann auf den ersten (Geldgewinn-)Platz, den er bis zum Endspiel verteidigen konnte. Und das mit seinen stumpfsinnig-sturen 0:1-Tipps! Fazit:

  • Fußball ist doch nur ein Glücksspiel. (Aarons Predigt)
  • Mit ein bißchen vager Spieltheorie kann man gegen solide Spielpraktiker immer noch jede Menge Boden gutmachen. (Günthers Predigt)

Happy End? Leider nein! Im Endspiel wurde Walter von zwei Tipp-Konkurrenten noch überholt, die den 0:0-Stand nach 90 Minuten richtig getippt hatten, und sich mit den jeweils dafür verbuchten 15,52 Euro an die Spitze aller 165 Teilnehmer setzen konnten.

1. “Istanbul”
Horst kannte das gerade frisch gekürte „Kennerspiel des Jahres 2014“ noch nicht und hatte es schon im Vorfeld auf seine Wunschliste für den heutigen Abend gesetzt. Günthers Exemplar lag noch am Westpark herum und Aaron nahm die Einführung vor.

Horst war begeistert: „Das Spiel macht schon beim Erklären Spaß. Locker flocker. Von einer erfrischenden Leichtigkeit.“ Walter: „Es ist vielleicht nicht ganz so leicht, aber die Züge sind vom Spielmaterial her alle sehr leicht gemacht.“ Aaron: „Vor allem ist es schnell.“

WPG-Wertung: Den bisherigen Schnitt von 8-WPG-Punkten toppte Horst mit 9 Punkten (Endlich mal wieder ein Spiele-Highlight!)

Herzlichen Glückwunsch, lieber Rüdiger Dorn, zu Deinem Meisterwerk!

2. “Blöder Sack”

Ein Würfelplatzierungsspiel. Jeder Spieler hat insgesamt 10 Würfel, würfelt jeweils zwei davon und legt die Ergebnisse einzeln oder gemeinsam auf fünf „Sackkarten“ in der Mitte des Tisches. Zu jeder Sackkarte gibt es eine Qualifikation darüber, wer diese Karte in den unregelmäßig auftretenden Wertungen erhält, z.B.

  • Diese Sackkarte erhält der Spieler, der zuletzt eine 4, 5 oder 6 hingelegt hat
  • Diese Sackkarte erhält der Spieler, der hier die meisten Würfel platziert hat
  • Diese Sackkarte erhält der Spieler, dessen Würfel die höchste Summe kleiner als 10 bilden
  • Und was dergleichen Kombinationsmöglichkeiten mehr sind, insgesamt 27 Stück.

Eine Wertung erfolgt, wenn

  • auf einer Sackkarte 9 Würfel liegen
  • ein Spieler alle seine Würfel auf den Sackkarten verteilt hat und nicht nachwürfeln kann
  • ein Spieler einen Pasch wirft. Jedem Pasch ist genau eine Sackkarte zugeordnet, die dann gewertet wird.

Schnell, rund und … fragwürdig! Aaron beklagte den Mangel an Wahlfreiheit beim Platzieren seiner Würfel. Eigentlich sei es ganz eindeutig, wohin jeder seine Würfel legen muss. Unausgesprochen: Damit läßt das Spiel keinerlei Raum für jegliches Versprühen von Geist.

Aarons Auffassung blieb nicht unwidersprochen. Wir führten unseren zweiten Durchgang daher ausschließlich unter dem Aspekt, die jeweilige Entscheidungsfreiheit zu verifizieren. Jeden Wurf begleitete eine sachliche Diskussion darüber, wohin die Würfel jetzt am sinnvollsten platziert werden müssten. Doch selbst die sachlichstes Sachlichkeit führte nicht zu grundsätzlichem Einverständnis. Der Blöde Sack hat auch ein erhebliches, unwägbares Potential für Platzierungen, die sich nicht unmittelbar auszahlen, sondern in der Hoffnung auf nachgewürfelte Paschs oder als Basis für zukünftige Mehrfronten-Angriffe angesehen werden können.

Die Regeln zur Schlußwertung brachten Aaron aber vollends auf die Palme. Sobald ein Spieler die vierte Sackkarte eingeheimst hat, läutet er das Spielende ein. Die Runde wird zu Ende gespielt, d.h. die Spieler bis rechts vom Startspieler dürfen je noch einmal würfeln und ihre Ergebnisse platzieren. Natürlich hat der letzte Würfler hier nochmals unverhältnismäßig höhere Chancen, noch schnell z.B. „die letzte 4, 5, oder 6“ an eine Sackkarte zu legen und diese dann einzustreichen. Wer das Spielende eingeläutet hat, ist naturgemäß von diesem möglichen Schlußsegen ausgenommen. „Die Schlußwertung ist broken.“

Fast unkommentiert hier noch ein biografischer Auszug aus dem Regelbeiblatt zum Blöder-Sack-Autor Ralf zur Linde: Er studierte Mathematik und Theologie und lebt heute die meiste Zeit auf Mallorca, mitunter aber auch sehr zurückgezogen auf einer kleinen Insel auf den Seychellen. Wenn das kein blöder Sack ist … (Entschuldigung!)

WPG-Wertung: Aaron: 3 (habe keine Wahl), Horst: 6 (Klassischer Absacker), Walter: 5 (lockeres Würfelspiel).

Caylus Magna Carta – und die schwarze Hand
Caylus Magna Carta – und die schwarze Hand
3. “Caylus – Magna Carta”

2006 bekam „Caylus“ den ersten, neugeschaffenen „Sonderpreis Komplexes Spiel“ der Jury von SdJ. Ein Jahr später wurde unter dem Namen „Caylus – Magna Carta“ eine leichtere Kartenspiel-Variante herausgebracht, die ebenfalls sehr gut punkten konnte und mit einem Durchschnitt von 8 Punkte im Juni 2007 auch unser „Spiel des Monats“ wurde.

Zweifellos eine gute Kartenumsetzung eines sehr guten Brettspiels. Alles funktioniert, alles ist gut ausbalanciert, es gibt viel Interaktion und Konkurrenz, und jeder hat eine reichliche Auswahl von strategischen Plänen für seinen Sieg.

Heute ging es allerdings ziemlich zäh über die Bühne. Die Frondienste für den Schlossbau wurden nur widerwillig abgeleistet, und das Schloss wurde und wurde nicht fertig. Das lag aber zum Großteil daran, dass wir hier eine wichtige Regel falsch gelesen und falsch gehandhabt haben. Wer in einer Runde die meisten Rohstoffpakete für das Schloss abgeliefert hat, bekommt nicht einen läppischen Gulden dafür, sondern ein ganzes batziges Goldstück, das unsere Spielerseelen viel heller zum Erstrahlen gebracht hätte. Als wir den Irrtum bemerkten, war es leider schon viel zu spät für eine Korrektur.

Trotzdem bleibt die Frage, ob unsere heutige lediglich Zufriedenheit mit dem Spiel und unsere Begeisterung von vor sieben Jahren richtig miteinander korrelieren. Zumindest Aaron reduzierte seine Wertungsnote von 8 auf 7 Punkte.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (füher 8, eine Note, die ihm heute „komisch“ vorkommt), Horst: 6 (kein Spiel zum Lachen [, eher zum sich ab und zu mal Ärgern]), Walter: 8 (bleibt, auch innerhalb der heutigen, Überdruß erzeugenden Flut von Workerplacmentspielen noch klares Leuchtfeuer brillanter Konstruktion).

4. “Nobiles”
Aaron wickelt weiter an seiner Neuentwicklung über den ostfriesichen Kampf gegen Hunger, Sturmflut und für Amt und Würden. Die Verlagerung der Aktivitäten gegen Spielmitte von der Naturfront an die Sozialfront klappt schon ganz gut. Vielleicht zu gut. Opportunisten können selbst im letzten Augenblick noch umschwenken und die Macht im Rathaus an sich reißen. Hier wird weiter an den Rädchen gedreht. Aaron hat schon eine Menge passender Ideen dazu.

In der jetzigen Fassung muss der Häuptling oft genug seine Kastanien selber aus dem Feuer holen, wenn die für seine Kampfgenossen in Aussicht gestellten Erfolgsprämien zu mickrig ausfallen. Vielleicht ist das gewollt und gut so. Vielleicht wird auch daran noch gedreht. Gut Ding will Weile haben.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

09.07.2014: Rosenberg und Rosenberger

Wir waren Papst. (Zumindest wir Bayern.) Wir sind noch Kanzlerin und Bundespräsident. (Aus Ossi-Blickwinkel.) Wir sind im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft. (Alle Deutschen. Bis zum Sonntag!) Vielleicht sind wir dann sogar Weltmeister. (Alle! Geil!)

Am Morgen „danach“ Moritz sagte zu seiner Tochter Siri: „Gestern hat Deutschland gegen Brasilien gewonnen!“ Und wie schlußfolgerte das zweijährige (!) Töchterlein logisch messerscharf? „Dann habe ich auch gewonnen!“

So schnell kann ein junges Menschlein natürliche Nationalismen begreifen!

1. “La Granja”

In enger Tuchfühlung mit bzw. Bewunderung für Uwe Rosenbergs Mammut-Konstruktionen haben die Autoren Andreas Odendahl und Michael Keller ein ähnliches Räderwerk konstruiert und herausgebracht. Die Mini-Auflage von 1000 Stück ist bald vergriffen, für Essen 2014 wird wohl nichts mehr übrig geblieben sein.

Nutzungsmöglichkeiten der Multioptionskarten (MOK) in "La Granja"
Nutzungsmöglichkeiten der Multioptionskarten (MOK) in “La Granja”
„Rosenberg“ liegt nicht unbedingt im Zentrum des spielerischen Interesses am Westpark. Sehr hübsch, sehr fleißig in der Anlage, leider auch ziemlich denkerschweißtreibend im Ablauf. Ein Kennenlernen sind diese Produkte und ihre Verwandten aber allemal wert. Aaron hat schnell noch ein Exemplar erstanden, sich sehr gut darauf vorbereitet, und es in einem wohlgesetzen, gut einstündigen Vortrag zum Besten gegeben.

Wir sind Bauern irgendwo auf Mallorca (Agricola! Ballermann wäre doch auch nicht schlecht!), besitzen Scheunen und einen Schweinestall, heuern Hilfskräfte für unsere kleine Landwirtschaft an, und liefern unsere Erzeugnisse gegen Siegpunkte auf dem städtischen Markt ab. Einfach und geradlinig klingt dieses Skelett, doch das Fleisch, das daran hängt, hat es in sich.

Das Herzstück sind die „Multioptionskarten“ (MOK). 66 verschiedene gibt es davon im ganzen Spiel. Jeder Spieler hat jeweils drei (oder mehr) auf der Hand und und spielt pro Runde eine (manchmal auch mehr) aus und legt sie rechts oder links, oben oder unten an sein Spielertableau an (siehe Graphik), um damit seine Hofhaltung zu steuern:

  • neue Felder für Weinstöcke, Olivenbäume oder Getreide anlegen; für jede Fruchtsorte gibt es ein eigenen Bedarf
  • den Hof ausbauen, um ihn ertragreicher und/oder additiv nutzbar zu machen
  • den Schweinestall erweitern, damit auch der Nachwuchs darin Platz hat
  • Lieferaufträge für Kombinationen von Früchten und Verarbeitungsprodukten (Wein, Öl, Speck) entgegennehmen
  • Hilfskräfte einstellen, die in Ackerbau, Viehzucht, Haushalt und Vermarktung Vorteile bringt. eine jede MOK stellt zugleich auch eine eigene Berufsgruppe dar.

Nach dem Spielen der MOK darf die Natur ihr Werk tun. Der Hof wirft Einkommen ab, die Schweine ferkeln, die Weinstöcke trauben, die Olivenbäume ölen und das Getreide körnt.

Jetzt wird gewürfelt. Einer würfelt für alle, sortiert die Würfel nach den Augenzahlen und ordnet sie spezifischen Funktionen zu. Reihum darf jeder Spieler (zweimal) einen Würfel und die entsprechende Funktion wählen:

  • ein Schwein geschenkt bekommen
  • eine MOK spielen
  • Erntegüter einfahren
  • einen Geldbetrag kassieren
  • Trauben in Wein oder Schweine in Speck verwandeln
  • eine Ware abliefern

Die Autoren bekennen zwar, dass der Würfelmechanismus einem Prototypen eines befreundeten Spielautprs nachempfunden wurde. Uns erinnert er stark an „Ysphahan“. Über Empfindungen läßt sich gut streiten.

Jetzt kommen wir in die Transport-Phase des Spiels. Mit unseren Waren aus Feldern, Scheunen oder Ställen bedienen wir in wohldosierten Quantitäten private Lieferaufträge und/oder Warenzeilen in öffentlichen Bedürfnisarealen. Wenn ein Auftrag komplett erledigt wurde, kann man sich damit auf dem Markplatz produzieren und bekommt Siegpunkte. Für öffentliche Lieferungen erhält man Geld, Siegpunkte oder Vergünstigungen für das weitere Fortkommen.

Alles hat Effekte und Nebeneffekte. Öffentlich der Erste zu sein, bringt zusätzliche Siegpunkte; privat ein Nachfolger zu sein, gibt die Chance, den Vorgänger zu verdrängen und dafür ebenfalls noch ein paar Punkte mehr zu ergatteren. Dafür muss man aber stärker sein als der Vorgänger. Offiziell wurde dieses Spielemente von Stefan Felds „Luna“ inspiriert. Wir haben hier auch die Handschrift von Drögemüller / Ostertag’s „Terra Mysika“ erkennen wollen.

Im Regelheft bekennen die Autoren weiter, dass sie das Prinzip der MOKs von Carl Chudyk’s „Ruhm für Rom“ abgeschaut haben. Solche Bekenntnisse sind ehrlich und honorig. Wirklich neue Erfindungen sind seit Neanderthalers Erfindung des Rads ohnehin äußerst selten. Aus vorhandenen Elementen eine neue, hübsche, funktionstüchtige und brauchbare Maschine zu konstruieren, ist auch schon eine anerkennenswerte Ingenieursleisung. In dieser Beziehung haben Odendahl / Keller wahrlich etwas geleistet. Alles funktioniert, alles ist rund und ausbalanciert, alles greift zielgerichtet ineinander. Es gibt Interaktion und Konkurrenz, konstruktives, progressives Aufbauen, Optimierungen in Auswahl und zeitlicher Reihenfolge, und reichlich Auswege, um Engpässe in Angebot und Nachfrage zu umgehen.

Zugleich kann jeder denken, auch wenn er nicht dran ist. Züge sind langfristig vorhersehbar und werden durch die Züge der Mitspieler nur bedingt beeinträchtigt. Deshalb können die sechs Runden zu je vier Phasen mit drei bis vier Entscheidungen in hundertfältiger Handlungsfreiheit relativ schnell – in zwei Stunden – über die Bühne gebracht werden. Trotz der ungezählten Abhängigkeiten ist das ganze komplexe Räderwerk noch gut beherrschbar. Klar sind die Abläufe, die durch die graphische Gestaltung mnemotechnisch hervorragend unterstützt werden. Auch das hervorragend strukturierte Regelheft zeigt eine professionelle Handschrift.

Lediglich die vielen unterschiedlichen Hilfskräfte sind bei uns auf einen gewissen Vorbehalt gestoßen. Eine – bei absolutem Siegeswillen – unbedingt notwendige Analyse aller angebotenen Fähigkeiten kann lange dauern und geht auf Kosten von spielerischer Leichtigkeit. Für einen echten Rosenberger ist das wohl ein Muss, wir trugen es mit Fassung.

Moritz erkannt sofort, dass in Aufbauspielen frühzeitige Multiplier bzw. Hilfskräfte zweifellos zielführend sein müssen. Unverzüglich brachte er sein Geld in die öffentliche Bedürfnisanstalt und kassierte Runde um Runde reichlich Zinsen dafür. Schnell hatte er auch seine drei Arbeitspätze mit tüchtigem Personal gefüllt, das seinen Aktionen zusätzliche Effizienz gab. Insbesondere die Futtermagd päppelte Runde für Runde eine Getreideeinheit zu einem ausgewachsenen Schwein hoch. Dies brachte ihm den unangefochtenen Sieg.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (10 „Fleißpunkte“ für die Konstruktion, es funktioniert hervorragend, leider viele fieselige Details, die man leicht auch mal übersehen kann), Moritz: 8 (es gibt Konkurrenz, besser als ein „Rosenberg“; für mehr Punkte vermißt er etwas Thema, nichts ist absolut originell), Walter: 8 (10 Punkte fürs das Ingenieurs-Design)

2. “Nobiles”
Aaron hat seine aktuelle Spieleerfindung in statu naszendi nochmals gründlich überarbietet: weniger Runden, weniger Nebensächlichkeiten, mehr Ausschließlichkeit und Konkurrenz.

Das Thema, der frühneuzeitliche Kampf in Ostfriesland mit den Unbilden von Natur und Gesellschaft, ist nach wie vor der Aufhänger für alle Mechanismen und Abläufe.

Die gewollten Antagonismen im Spiel: Kooperation vs. Konkurrenz im Kampf gegen Sturmflut und Pest, Siege vs. Niederlagen gegen die Naturgewalten, Einsatz vs. Gewinn für die Erringung der Häuptlingswürden: an der spielerisch befriedigenden Balance muß noch weiter gedreht werden. Doch Aaron ist auf einem sehr guten Wege.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.