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17.04.2013: Mach’s nochmal, Hans (im Glück)

Aaron war vor Kurzem noch ein business-excellenter Siemens-Manager. Heute ist er ein hoffnungsvoller Spiele-Autor, siehe „Yunnan“, „Diggers“, „Trawler“ und noch mehr. Dass er auch ein begnadeter Brot-Bäcker ist, haben wir schon im Session-Report vom 16.6.2010 angedeutet. Jetzt kam noch ein weiteres Talent zum Vorschein: Er erfindet auch Pudding-Rezepte! Solche, mit denen er in seiner Kindheit glücklich wurde, und die es plötzlich nicht mehr auf dem Markt gab. Und er veröffentlicht sie (vorerst nur eines) unter seinem Pseudonym „cavesham“ im Internet, nachzulesen unter www.chefkoch.de/rezepte/1247011229598400/Zitronenpudding-la-Majala.html.
ZitronenpuddingMajala
Sein Rezept hat von den Nachköchern immerhin 4 von 5 Punkten bekommen. Und kein Leser hat gemerkt, dass man anstelle der angegebenen 50 Gramm Maisstärke besser nur 30 nimmt. Sonst wird die Masse zu steif, und das ist bei oralen Genüssen in der Regel kein Vorteil.

1. “Brügge”
Aaron hat tagelang von unserer spielerischen Hauptspeise der letzten Woche geträumt, und meinte, darin weiteren unentdeckten Schönheiten auf die Spur gekommen zu sein. Sein Vorschlag zu einer Spiel-Wiederholung wurde einstimmig angenommen. Immerhin kannte es Peter noch nicht.

Wir bauen weiterhin Häuser in Brügge, installieren Personen und Berufsgruppen darin, vom Amüsement über Handwerk bis zur Unterwelt und lassen ihren Punktesegen auf uns und in gewissen Grenzen ihren Fluch auf unsere Mitspieler herab.

Wie es sich für ein Hans-im-Glück-Spiel gehört (Entschuldigung, lieber Stefan Feld, Du bist ja der Autor), ist alles sauber austariert, alles läuft flüssig. In allen vom Zufall beeinflußten Konstellationen gibt es immer genügend Zugoptionen, etwas Sinnvolles, etwas Hoffnungsvolles, etwas Zielführendes zu tun. Für alle Nischen des Spielablaufs gibt es im Regelwerks Anreize, sie kennenzulernen und ausprobieren. Die 165 Personenkarten sind in ihren Effekten und in ihrer Kosten-Nutzen-Relation alle in der gleichen Größenordnung. Eben so, wie es sich für ein qualifiziertes Eurogame gehört.

In einer Situation stießen wir allerdings auf eine Regelunsicherheit, und wunderten uns darüber, dass sie HiG noch nicht aufgefallen war: Peter zwang mit seinem „Siegelmeister“ alle Mitspieler dazu, eine Handkarte abzuwerfen. Mit seinem Astronom konnte er dieses Effekt gleichzeitig verdoppeln, so dass alle Mitspieler schlagartig mit zwei Karten weniger dastanden und den nach dem Regelheft beschriebenen Spielablauf: reihum eine Karte zu spielen und entsprechend zu agieren „bis jeder Spieler 4 Karten aus seiner Hand ausgespielt, d.h. 4 Aktionen ausgeführt hat“ nicht mehr erfüllen konnte.

Dürfen sich die Spieler jetzt vom Nachziehstapel eine Karte ziehen oder verfällt ihre vierte Aktion? Wir diskutierten 10 Minuten über die plausibelste Lösung, dann suchte Peter im Internet unter FAQ, ob es dazu bereits Klarstellungen gibt. Es gab keine. Spielerisch in ihr Schicksal ergeben, aber auch etwas unbefriedigt verzichteten drei Spieler auf ihren vierten Zug.

In seinem vorletzten Zug schusterte Aaron mit seinem „Räuber“ allen Mitspielern noch einen gelben Bedrohungsmarker zu. Für Walter war es der dritte. Das kostete ihn sein gesamtes Barvermögen, 2 Siegpunkte für die verlorenen Bedrohungsmarker (er hatte den „Heerführer“), 3 Siegpunkte für den nicht mehr finanzierbaren „Ritter“ und 4 Siegpunkte für die nicht mehr verwertbaren Schutz-Figuren in seiner Auslage. Das waren 6 Siegpunkte zuviel, als dass es noch zum Sieg gereicht hätte. Kein Jammern. Schließlich hatte auch er ausgiebig einer Miesnickeligkeit gefrönt und seine Mitspieler zu schröpfen versucht. Doch immerhin ein Indiz für den Charakter des Spiels. Hallo Bernd, ich habe immer mehr Sympathie für Deinen Kommentar bei BGG.

WPG-Wertung: Mit 7 Punkten lag Peter mitten in der fast uniformen Wertung vom Westpark (schnell genug; die Interaktion ist – trotz eines gewissen negativen Touches – gut; man darf es nur nicht zu verbiestert spielen. Für mehr Punkte ist es zu unberechenbar). Die anderen sahen keinen Grund zu einer Änderung ihrer bereits vergebenen 7 Punkte.

2. “Die Paläste von Carrara”
Günther erklärte den heutigen Spielabend zum HiG-Tag und legte nochmals „Die Paläste von Carrara“ auf den Tisch. Diesmal wurde der versiegelte Umschlag mit den Erweiterungen geöffnet. Günther durfte das legal tun, denn er hatte das Spiel verschriftsmäßig schon dreimal gespielt. Uns Erst-Einmal-Gespielt-Habenden nahm er dann unter seine Fittiche.

Gemäß Erweiterungsregeln erwerben wir weiterhin mittels einer sehr hübsch ausgeklügelten Drehscheibe für den Rohstoffmarkt und seinen dynamischen Preisverfall Bausteine und bauen damit Villen und Paläste in sechs ausgewählten oberitalienischen Städten. Es gibt zusätzlich:

  • variable, bei Spielbeginn jeweils zufällig gezogene Endebedingungen
  • eine variable Prämierung der jeweiligen Bausubstanz bei Spielende
  • zusätzliche Wertungsfelder
  • neue Gebäudetypen mit Aufwertungen bei der Prämienausschüttung
  • die Möglichkeit, Gebäude zu überbauen
  • die Erlaubnis, Rohstoffe zu kaufen, ohne dafür die Drehscheibe zu drehen

Peter stellte sofort fest: „Ich bin überhaupt nicht sicher, ob ich die Erweiterungen mag.“ Am Ende waren sich alle sicher, dass sie nicht sicher waren. Die vielen variablen Siegpunkt-Quellen machen des Spiel unübersichtlich bis chaotisch. „Wie beim Blindflug!“ konstatierte Peter. Natürlich ohne Instrumente und ohne Instrumentenflugerfahrung.

Wir rätselten, wie die Erweiterungen entstanden sein mögen. Wahrscheinlich hatten die Autoren das Spiel fix und fertig designed, und der Verlag hat es später abgestrippt, um es selbst innerhalb einer anspruchsvollen Spielergruppe noch genießbarer zu machen. Doch weil man den Koryphäen Kramer und Kiesling nicht so einfach Kopf und Schwanz abschneidet, konnten sie es durchsetzen, dass ihr Gesamtwerk wenigstens in der Erweiterung den volle Erfindungsreichtum präsentiert. Hallo Günther, kannst Du diese sensible Frage klären?

Keine Änderung der WPG-Wertung, einhellig 8 Punkte. Man kann „Carrara“ bis zu seinem Lebensende wohl auch ohne die Erweiterungen spielen.

3. “Bluff”
Nach vielen Wochen der Abstinenz war Peter kurz vor der vorletzten U-Bahn noch einmal ganz scharf auf unseren unverwüstlichen Absacker. Er kam auch gleich mit 2:1 Würfeln Vorteil ins Endspiel gegen Günter.

1 mal die Fünf legte er vor. Günther zweifelte unverzüglich an. Diese Vorgabe ist nur ihm, dem Erfinder der Immer-5-Strategie erlaubt. Und richtig: keine Fünf lag unter den Bechern; es stand 1:1.
Klar, dass Günther jetzt mit seiner Immer-5-Strategie die Fünf in die Offensive ging. Das war auch sein Gesamtsieg.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

Hans
Nicht an den im Glück, sondern an unseren geschätzen ehemaligen Mitspieler Hans dachten wir zum Ausklang des Abends. Vor zwei Jahren bekamen wir von ihm die letzte Mail. Sein Geist schwebt über den Wassern, nur noch sein Körper lebt hier. Viel Glück.

10.04.2013: Brugge am Snowdon

Ist Brettspielen eine männliche Domäne? Man sollte es nicht vermuten. Traditionsgemäß sind es in Deutschland doch die Mütter, die ihren Sprößlingen die ersten Würfelspiele beibringen und vor dem zu-Bett-Bringen noch schnell ein Gänsespiel einlegen.

Bei uns am Westpark stehen aber zweifellos die Männer im Vordergrund. Wochenlang reine Männerrunden. Bei dreien von uns bleiben die einstens mitspielenden Ehefrauen heute meistens bis immer zuhause. Der Nachwuchs ist dran schuld. Oder vielleicht auch das rauhe Klima am Westpark?

Immerhin haben wir manchmal doch noch ein Exemplar des schönen Geschlechts am Tisch. Und das sind dann auf einen Schlag gleich 20 bis 25 Prozent. Auf dem diesjährigen Autoren-Treff waren unter 45 Teilnehmern gerade mal zwei Damen dabei. Auf Aarons Spiele- Test-Seminaren waren es drei von 22. Und bei den Münchener Spuiratzn, einem lockeren Kreis von Spielern lockererer Brettspiele, sind es auch nur im zwei bis drei von 30. Ist das symptomatisch? Für was?

Es ist ein Klischee und es trifft auch die Realität, dass in Bridgeclubs 70-80% der Kartenspieler weiblichen Geschlechts sind. Da sieht man mal wieder den Unterschied.

1. “Brügge”
Aaron apostrophierte das jüngste Kind von HiG als „Kartenspiel“, obwohl es ein richtiges Spielbrett, jede Menge Holz- und Pappteile und sogar fünf reguläre farbige Würfel besitzt.
Bemerkenswerterweise hat man in der Spielregel keinen einzigen der lumpigen Themen-Sätze a la „Wir sind Kaufleute in Brügge“ verschwendet. Was wir sind und was wir in dem abstrakten Brett- bzw. konkreten Kartenspiel tun, das darf sich jeder selber ausdenken.

Brugge
Brugge

Im Wesentlichen geht es darum, von zwei offenen Kartenstapeln die richtigen Karten zu ziehen und sie in der richtigen Reihenfolge auf den angebotenen Ablagemöglichkeiten so abzulegen, dass sie optimal eingesetzt sind.

Pro Runde stehen einem Spieler fünf Karten zur Verfügung. Damit bestreitet er die vier Aktionen, die aus dem Ausspielen jeweils einer Karte bestehen. Die letzte Karte bleibt übrig und kann / muss in die nächste Runde übernommen werden.

Die Vorderseite einer Karte zeigt ein Haus in fünf verschiedenen Farben. Wenn wir die Karte mit dieser Seite vor uns auslegen, haben wir ein Haus gebaut. Als Baupreis müssen wir einen Handwerker von der gleichen Farbe wie das Haus abgeben.

Auf den Rückseiten der Karten sind lauter verschiedene Personen abgebildet, mit lauter verschiedenen Eigenschaften, die im weiteren Spielverlauf unsere Züge effizienter machen und mehr Geld und Siegpunkte einbringen. Die Personenseite darf nur auf ein bereits ausliegendes Haus gelegt werden. Zudem kostet das Geld, unterschiedliche Summen, abhängig von der Mächtigkeit der Person. Ein fester Anteil diese Summe wird am Ende allerdings auch in Siegpunkte umgewandelt.

Anstatt ein Haus zu bauen oder es mit einer Person zu besetzten, können wir eine Karte auch einfach auf den Abwurfstapel legen und erhalten damit Handwerker oder Geld, mit denen wir unsere weiteren Züge finanzieren können.

Ein spielerischer Modifier des ganzen Spielverlaufs sind die farbigen Würfel, die pro Runde einmal für alle Spieler geworfen werden. Die Summe der Augenzahlen von Einsern und Zweiern bestimmt den Preis, für den wir im Rathaus um eine Stufe vorwärtskommen. Damit ist während des Spiel kein besonderer Vorteil verbunden; bei Spielende bekommen wir dafür ein paar Siegpunkte.
Alle Würfel mit Fünfern und Sechsern erzeugen bei allen Spielern „Plagendrohungen“. Eine Plage tritt endgültig ein, wenn ein Spieler drei gleichfarbige Plagendrohungen auf seine Seite gebracht hat. Als Plagen sind der Verlust einer Personen, eines Hauses, des gesamten Geldes, aller Handwerker oder von ein paar Siegpunkten vorgesehen. Ärgerlich.

Dass die „richtigen“ Karten angeboten werden, dazu gehört eine Portion Glück. Dass die Würfel auch die richtigen Faktoren liefern, dazu gehört auch Glück. Der Rest ist dann das geschickte Schicksal beim Zopfe fassen.

Interaktion wird klein geschrieben. Lediglich mit ein paar der ausgelegten Personen bzw. derer Karteneigenschaften können wir unsere Mitspieler ärgern: Sie müssen eine Karte ablegen, ein Haus einreißen, eine Person entlassen oder bekommen eine Plagendrohung zugesteckt. Manche mögen’s fies. Es gibt nicht viele dieser Ärgerkarten, doch da sie das einzige Interaktionselement darstellen, kommentiert unser guter Bernd Eisenstein bei BGG wohl mit einer gewissen Berechtigung: „Only for people who have fun destroying other players turns. Some nice elements, but in general this is not a good Feld’ [Autor des Spieles]”.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (angenehme Spiellänge), Günther: 7 (die Interaktion könnte besser sein), Horst: 8 (locker, überschaubar, ausgereiftes Kartenspiel), Walter: 7 (gelungene Mischung aus Glück und Können).

2. “Snowdonia”
Horst hatte seinen Archipelago-Frust von letzte Woche aufgearbeitet und legte unverdrossen ein neues Spiel auf den Tisch. Der „Snowdon“ ist der höchste Berg in Wales und in „Snowdonia“ spielen wir den Bau der Eisenbahnlinie auf seinen Gipfel nach.

Wir

  • räumen das Geröll von der Strecke
  • beschaffen Rohmaterial (Kohle, Sand und Eisen)
  • schmieden Gleisteile und pressen Steine
  • legen Gleise
  • bauen die Stationen aus
  • verschaffen den Säufern im Pub einen geregelten Arbeitsplatz
  • legen uns Bonuskarten zu, mit denen wir während des Spiels eine (für die Mitspieler chaotische) Sonderaktion durchführen dürfen und nach denen die Gesamtleistung unsere Bautätigkeit bei Spielende besonders honoriert wird
Waldorf & Statler bei Snowdonia
Waldorf & Statler bei Snowdonia

Um eine Aktion auszuführen setzen wir einen unsere Pöppel auf ein entsprechendes Aktionsfeld. Die Aktionsfelder können von verschiedenen Spielern, oder auch vom gleichen Spieler mehrfach besetzt werden. Dabei kann jeder Spieler wählen, ob er als Erster, Zweiter oder Dritter die entsprechende Aktion ausführt.

Ein erfolgreiches Vorgehen in „Snowdonia“ erfordert in eine exakte Abstimmung in der Zugreihenfolge. Gleise kann man z.B. nur bauen, wenn auf dem entsprechenden Abschnitt das Geröll vollständig abgeräumt ist. Ist aber das Geröll aber gerade abgeräumt und ein andere Spieler ist am Zug, so kann der den Gleisbau übernehmen (falls er beim benötigten Baumaterial vorgesorgt hat), und man selber schaut in die Röhre.

Ja, neben der eigenen optimalen Reihenfolge-Planung muss es geradezu ein wesentliches Ziel des Spieles (und des Spiel-Spaßes) sein, die Reihenfolge-Planung seiner Mitspieler durcheinander zu bringen. Dadurch wird der Spielablauf, insbesondere nach einer gewissen friedlichen Einschwungphase ziemlich undurchsichtig, eine sichere Spielplanung schwierig bis unmöglich. Fehler verzeiht „Snowdonia“ nicht. Aber vielleicht ist das – in einer gewissen Zocker-Stimmung – auch gut so.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (die planerischen Elemente sind durch zuviel Mitspielerchaos getrübt), Günther: 6 (fast 7, extreme Karten-Effekte; nicht fehlertolerant), Horst: 7 (solide), Walter: 7 (erhebliche aggressive Spieler-Interation – kann man auch mögen).

03.04.2013: Semi-Kooperativ

Das Spielzeug an sich ist Nebensache, die phantasievolle Beschäftigung damit ist alles. (Peter Rosegger)

1. “Archipelago”
Horst war schon wochenlang mit dem Archipel schwanger gegangen und hatte das Spiel Tage vorher schriftlich vorgeschlagen. Bei der Vorbereitung bekam er aber dann aber kalte Füße und fragte sicherheitshalber nochmals nach:

„Beim Durchlesen und bei Rezensionen im Netz stellte ich fest, dass es für die Westpark Gamers eventuell problematisch werden könnte, betreff Spieldauer, Überfrachtung von Elementen, Möglichkeiten der Absprachen und Bestechungen und einem unbefriedigendem Ende. Trotzdem glaube ich, dass es kein schlechtes Spiel ist, aber die Frage ist, tun wir uns das an?“

Neue Spiele, noch dazu von einem Westparker persönlich vorgeschlagen, werden aber immer freudig begrüßt. Horst bekam grünes Licht. Allerdings überlegten wir unverzüglich, wie wir die am Westpark ungeliebten Verhandlungselemente entschärfen können. Sie sind in „Archipelago“ aber so fest in viele Abläufe eingebaut, dass nur die Alternative alles oder nichts praktikabel erschien. Deshalb akzeptierten wir schließlich alles. Nur den „Separatisten“, eine Art Verräter unter den Spielern, der genau dann gewinnt, wenn die semi-kooperativen Bemühungen der Spieler scheitern, ließen wir weg.

Schon 20 Minuten vor Session-Beginn erschien Horst, um das Spiel aufzubauen. Anschließend brauchte er noch geschlagene zwei Stunden für seine wohlvorbereitete Einführung in die Spielregeln. Eine so lange Zeit darf natürlich nicht als Schuld angerechnet werden; dieser Teil des Spiel-Kennenlernens mit neugierigen Vorgriffen und kritischen Rückfragen zum Regelwerk gehört bei uns umbestritten zum Genuss eines Spielabends. (Aaron hatte allerdings im Internet ein Erklär-Video des Verfassers von Archipelago gesehen, wo man innerhalb einer halben Stunden das Spiel erklärt und bereits zwei Runden gespielt hatte. Das war halt der übliche Verkaufstrick einer Demo-Version.)

In Archipelago sind wir Entdeckter und besitzen Bürger, Schiffe und Aktionen, mit denen wir die Spielzüge eines klassischen Workerplacement- und Aufbauspieles durchführen:

  • Wir entdecken, indem wir neue Hexateile aus dem Vorrat an den bereits bekannten Archipel (nach Wikipedia: „Meeresregion mit vielen Inseln“) anlegen. Dafür bekommen wir einen Entdecker-Bonus und landwirtschaftliche Erzeugnisse des neu entdeckten Landes.
  • Wir ernten oder fischen Produkte aus den von uns besetzten Teilen des Archipels
  • Wir handeln, d.h. wir kaufen oder verkaufen ein Produkt auf dem Markt.
  • Wir migrieren zu Fuß und per Schiff in andere Hexateile des Archipels
  • Wir bauen Häfen, Städte, Märkte und Kirchen, die uns Handelsvorteile bringen und uns (als Kirchen, na klar!) gegebenenfalls vor dem Unmut de Eingeborenen schützen.
  • Wir rekrutieren arbeitslose Eingeborene und reihen sie in die Sklavenbelegschaft auf unserem Archipel ein.
  • Wir ziehen Steuern ein , d.h. pressen einfach eine bestimmte Geldsumme aus unserem archipelagischen Besitztum und lassen dafür die Eingeborenen in Rebellionsbereitschaft zurück.
  • Last, but not lease: Wir vermehren uns, “poppen” genannt, wobei diese Aktion – leicht phasenverschoben – durch eine Babyflasche angezeigt wird, wonach gemäß Regelheft aber bereits fertige 15-jährige Bürger auf unserem Archipel erscheinen.

So weit, so gut. Es gibt viele Möglichkeiten, viel zu tun, und dafür bei Spielende nach einer zu 20 Prozent veröffentlichten und zu 80 Prozent geheim (!!!) gehaltenen Skala Siegpunkte einzuheimsen. Ungebremst können wir in der fremden Inselwelt einem rücksichtslosen Ausbeutertum frönen. Soweit ist das Spiel in der Einheitlichkeit seines Themas, in der Vielseitigkeit seiner Ideen und in der Menge und Qualität seiner Ausstattung mindestens 7 Westpark-Gamers-Punkte wert.

Archipelago
Archipelago

Doch um nicht das hunderttausendste Spiel dieser Art auf den Markt zu bringen, baute der Autor noch ein ganz artfremdes Element in den Spielablauf ein; im Regelheft ist es mit den Begriffen „Humanismus“ und „semi-kooperativ“ ausgedrückt und soll die Rücksichtslosigkeit beim Ausbeuten bremsen: Wir werden in bestimmten Spielphasen verpflichtet, etwas für die einheimische Bevölkerung zu tun, damit diese nicht rebelliert. Wir müssen ihr Rohstoffe in den Rachen werfen.

WER muss das tun? Alle Spieler gemeinsam nach einer freiwilligen Einsicht in die Notwendigkeit. Wie diese Freiwilligkeit funktioniert, hat man ja schon bei der Rettung des griechischen Finanzsystems durch die zivilisierte Bankerwelt unserer Tage gesehen. Wieviel besser funktioniert diese Solidarität erst unter den altruistischen Ausbeutern des 17. Jahrhunderts, respektive unter den sieg-geilen Westpark-Gamers des 21. Jahrhunderts! Todsicher!

Wir hatte noch keine halbe Stunde gespielt, Aaron hatte ein paar Entdeckungen gemacht, Günther die erste Stadt gegründet, Horst sich doppelte Erträge beim Fischhandel gesichert und Walter wußte noch nicht, in welche Richtung er seine Ausbeuterschaft wenden sollte. Ausgiebiges Poppen, bevor es in den Kolonialkrieg geht, konnte wohl auch keine schlechte Devise sein. Da wurden alle unvermutet vor die humanistische Aufgabe gestellt, der einheimischen Bevölkerung mit einem Appel und Ei den Revolutionseifer abzukaufen. Walter opferte ein Ei, schließlich hatte er noch genügend, um auch noch eine Stadt zu gründen. Horst hatte kein Ei und passte. Aaron und Günther behaupteten, auch keine Eier zu haben. Oder keine Äpfel. Jedenfalls schnellte das Rebellionspotential der Einheimischen schlagartig über den zulässigen letalen Pegel, und das Spiel war mit einer Niederlage aller Spieler zu Ende.

Zum Wegräumen deckten jetzt Aaron und Günther ihre bis dahin geernteten Produkte hinter dem Sichtbildschirm auf und siehe da: Sie hatten genügend Äppel und Eier, um die ganze Weltbevölkerung zu ernähren. Dass sie mit ihrer Knausrigkeit das Spielende herbeiführten, war ihnen nur halbwegs bewußt gewesen. Aaron hatte das Risiko noch auf Günther abwälzen können, der hatte aber bereits die Lust am linearen, noch stundenlangen Weiterspielen verloren! Vielleicht hätten wir doch den „Separatisten“ als Motivation für mehr Opferbereitschaft im Spiel lassen sollen.

Horst bekam einen Wutanfall. „Das ist der Wahnsinn! Durch reinen Egoismus habt Ihr das Spiel nach 30 Minuten mutwillig beendet. Respektlos! Null-Punkte für die Spielerqualität am Westpark!“ Stundenlang hatte er sich auf dieses Spiel vorbereitet. Jede Minute seiner Mittagspausen hatte er geopfert, um das Spiel zu erforschen. Am liebsten hätte er sich seine Vorbereitungszeit mit 50 Euro pro Stunde durch den – nicht vorhandenen – Etat der Westpark-Gamers vergüten lassen.

Erst als das verdutzte Rest-Trio ihm klarmachte, dass wir offensichtlich ein ganz normales und vorgesehenes Spielende erreicht hatten, dass dies offensichtlich eine Designschwäche des Spiels war, und dass Horst höchstpersönlich durch Verhandlungen – a la „ich spende 5 Florin für ein Ei, wer gibt mir eines für die hungrige Bevölkerung?” – das jähe Spielende hätte hinausschieben können, kam er langsam von seinem Brass herunter.

Die anderen waren – abgesehen von dem tiefen Bedauern für Horsts frustierend belohnte Vorbereitung – mit dem Spielverlauf zufrieden. Sie hatten ein neues Spiel kennenlernen dürfen. Sie hatten mit Lust und Eifer stundenlang über die – an vielen Stellen missdeutig bis schlechten – Spielregeln diskutieren dürfen, und sie hatten den Spielablauf bis zu dem Eindruck praktizieren können, dass jetzt wohl kein neues, bemerkenswertes Steigerungselement mehr auftauchen würde. Wir konnten sogar hinterher noch eine ganze Stunde lang friedlich über die Schwächen des Spiels diskutieren, über das Unding an Startspielerversteigerung (dazu hier jetzt keine Einzelheiten), über das Unausgegorene des verpflichtenden „Humanismus“, über die unglückliche Häufung an unwägbaren Zufallselementen in einem im Prinzip auf geschickte Zieleverfolgung ausgerichteten Planspiels. Walter verstieg sich sogar zu den Behauptung: „Die vielen Verhandlungselemente sind in das Spiel nur eingebaut worden, um die gravierenden Designschwächen zu verbergen.“

Horst konstatierte das „Unwort des Jahres“: semi-kooperativ!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (einfach zu spielen. Zieht sich dahin wie „Monopoly“ mit Geldleihen, Günther: 4 (fand im Spiel keine Lust und keine Lust an einer Spielwiederholung), Horst: (keine Note für die Westparker, keine Perlen vor die Säue), Walter: 2 (zu linear, unstimmig; die Semi-Kooperation ist weder Fisch noch Fleisch.

Bei Boardgame-Geeks gibt es schon eine ganze Reihe positiver und negativer Kommentare zu „Archipelago“. Bemerkenswert: Die guten Kommentare beschränken sich auf wenige Zeilen höchsten Lobes, die schlechten Kommentare bringen ausführliche Begründungen zu ihren Kritikpunkten. Hier dürfte wohl die sachlich zutreffende Feststellung angebracht sein, dass die bösen Kommentare die sachlich zutreffenderen Feststellungen sind.

2. “Sequence”
Nach dem schweren Tobak vom Archipel galt es nur noch, mit leichter Kost den Adreanalinspiegel wieder runter und die Stimmung wieder rauf zu bringen.

Das leichte, partnerschaftliche Kartenspiel „Sequence“ mit einem Spielziel ähnlich wie in Gobang konnte die Wogen einigermaßen glätten. Erst gibt es eine Menge zu denken und zu lavieren, am Ende gewinnt diejenige Partei, die als nächstes vom verdeckten Stapel die Pique-Dame zieht. Oder den Herz-Buben. Aber im Prinzip ist das wurscht.

In unserem Spielbericht vom 27. Juni 2012 steht (geringfügig) mehr darüber.

Keine neue WPG-Wertung für ein im Schnitt 6-Punkt-Spiel.

3. “Love Letter”
Das dünne Kartenspiel wurde in den letzten sechs Monaten bereits vier mal am Westpark aufgelegt. Aber nur, weil Günther es behaarlich protegiert. Und er protegiert es deshalb, weil er in Essen eines der wenigen Exemplare mit einem geilen roten Luxus-Lederbeutel gekauft hat.

Personen aus dem britischen Adel, vom Leibwächter über Priester und König bis zur Prinzessin, kicken sich mit ihren unterschiedlichen Kickfähigkeiten aus dem Spiel. Der niedere Adel kann besser kicken, der höhere Adel gewinnt, wenn er die Kickerei bis zum Verbrauch der 16 Spielkarten überlebt hat. Herzlos, aber nicht ganz schmerzlos.

Keine neue WPG-Wertung für ein 6,2 Punkte-Spiel, wobei sich Horst über seine bereits vergebenen 7 Punkte wunderte.

27.03.2013: Ora et Formica

Zu der Zeit kam eine große Teuerung über das ganze Land. Eine Weile hielt das Volk geduldig aus; als aber kein Ende war, sannen sie darauf, wie sie sich dagegen helfen könnten, und erfanden allerlei Mittel. Und so wurde um diese Zeit das Würfelspiel, das Knöchelspiel, das Ballspiel und alle anderen Arten von Spielen erfunden, mit der Ausnahme des Brettspiels [; denn dessen Erfindung halten sich die Lyder nicht zugute.] Mit diesen Spielen erwehrten sie sich des Hungers, indem sie an einem Tag spielten, um ihre Eßlust vergessen zu machen, am anderen aßen sie aber und ließen das Spiel und erhielten sich auf diese Weise achtzehn Jahre am Leben. (Diese Geschichte ist kein verfrühter Aprilscherz. Herodot, um 450 v. Chr, erzählt sie in seinen Historien, lange bevor der 1. April erfunden wurde.)

1. “Myrmes”

Myrmes: Nach 3 Stunden Spielzeit sind die Vorratsschüsseln alle leer
Myrmes: Nach 3 Stunden Spielzeit sind die Vorratsschüsseln alle leer
Die Humanisten finden im Namen etwas von Achilles und seinem Ameisenvolk, den Myrmidonen. Ystari hat ein „Y“ darin gefunden und das reichte ihm für seine traditionelle Namensgebung. Wir spielen im Ameisen-Millieu und lassen unsere Ammen tanzen. Sie erzeugen Larven, Arbeiter, Soldaten und neue Ammen, graben Ausgänge aus unserem Ameisenhaufen, lassen uns auf der Entwicklungsleiter zu verbesserten Zugoptionen voranschreiten und setzen unser Besitztum in das Gros der zu erzeugenden Punkte um. Die Arbeiter-Ameisen graben die Erde um (zum Einsammeln von Sand, Erde, und Nahrung, aber auch ein paar Siegpunkte können dabei herausspringen), die Soldaten-Ameisen töten herumkrabbelnde Insekten und liefern sie als Nahrung und Siegpunkte nach Hause).
Eigentlich liefern sie die Früchte ihrer Arbeit nicht selber ab: nach jedem Beutemord hauchen sie ihr eigenes Ameisenleben aus. Das Spiel ist ein ständiges Erzeugen und Opfern von Arbeitern und Soldaten, die jeweils nur eine einzige Lebensaufgaben erfüllen, um dann wieder für die nächste Reinkarnation zur Verfügung zu stehen.
Nur die Ammen besitzen ein ewiges Leben. Neue Ammen können aber nicht direkt erzeugt werden, sonst wären die ersten optimalen Spielzüge ziemlich trivial. Man muss den Umweg über Arbeiter und Soldaten und deren Werkeln in der Außenwelt wählen, um sie zu vermehren.
Damit noch etwas mehr Variablität in die große Schöpfung des Ameisendaseins gerät, gibt es Würfel, mit denen die Effekte der einzelnen Spielzüge (Erzeugung neuer Ameisenwesen etc.) verbessert werden können. Die Würfel werden zu Beginn jedes der drei „Spieljahre“ geworfen und gelten für alle Spieler. Allerdings kann jeder Spieler durch Einsatz von Larven das Würfelergebnis zu seinen Gunsten modifizieren. Wenn z.B. für eine Jahreszeit eine Vier gilt, mit der standardmäßig die Bewegungsfreiheit der Arbeiter erweitert wird, kann man ein Larve opfern und damit aus der Vier eine Fünf machen, womit sich bei der Erzeugung von Ameisensoldaten die Geburtenrate erhöht. Da früher oder später im Prinzip reichlich Larven vorhanden sind, werden die Unbilden schlechter Würfel weitgehend eliminiert; dafür werden dadurch die Möglichkeiten planerischen Vorgehens weiterhin erhöht.
Kein Wunder, dass in Essen die Spielergemeine wie paralysiert vor dem Spielbrett saß: Kein Peil für durchschlagend beste nächste Züge. Deshalb verzichtete Aaron vorsichtshalber auf einen Kauf. Günther aber ließ sich nicht abschrecken. Dafür hat schon allein der Name Ystari bei uns einen zu guten Klang.
Günther plädierte in seiner Regel-Einführung für ein „nicht-denkerisches“ Vorgehen, also ein schnelles Spielen aus dem Bauch heraus, um die vielfältigen Mechanismen und Abhängigkeiten des Spiels erst einmal kennen zu lernen. Das erinnerte fatal an die „Haltet den Dieb“-Taktik. Es gibt kaum eine Aufforderung, die bei ihm selbst auf weniger fruchtbaren Boden fällt. Er kann einfach nicht soeben mal seine Ammen auf irgend ein Aktionsfeld setzen. Er muss einfach – mehr oder weniger zwanghaft – ausrechnen, welcher Zug jetzt, gleich und übergleich den besten Ertrag ergibt.
In einer Situation hatte er ganz alleine noch 4 Arbeiter und 4 Soldaten auf seinem Tableau, während für die anderen mit dem Ammenziehen die Spielzüge bereits vorbei waren. Damit durfte er eine halbe Stunde lang (na ja, leicht übertrieben) ganz allein seine Zugoptionen analysieren und bewerten. Weidlich kostete er diese Situation aus. Leider gab es für die anderen weder eine Papstwahl noch ein Spiel der Nationalelf im Fernsehen, um die Wartezeit kurzweilig zu überbrücken.
In diese Szene ist ein sachlicher Fehler eingebaut.
In diese Szene ist ein sachlicher Fehler eingebaut.

Nach 1 ½ Spieljahren schlug Walter vor, die insgesamt 3 Spieljahre auf 2 zu verkürzen. Sein Vorschlag fand aber keine Resonanz. Geschlagene 3 Stunden wollten sich seine Mitameisen weiter durch den Insektenwald schlagen. Brav, linear, gefahrlos, spannungslos.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (viel zu wenig Interaktion, viel zu viel Fummelei, keine wachsende Spannung), Günther: 6 (schweißtreibend, leider nicht sehr locker), Horst: 6 (das Spiel funktioniert, die Mechanismen greifen alle, aber spaßig ist es nicht), Walter: 6 (gewaltige ausbalancierte Konstruktion, aber solitär und wenig spielerisch).

2. “Trans Europa”
Eine gute Stunde bis zum Zapfenstreich, da konnte kein weiteres Hauptprogramm mehr auf den Tisch gebracht werden. Aaron packte sein „Viva Java“ wieder ein. Vor dem abschließenden Bluff-Absacker war noch ein Vor-Absacker angesagt. „Trans Europa“ kam da gerade richtig.
Jeder Spieler zieht 5 Karten mit Namen von 5 Städten irgendwo in Europa und muss sie durch ein reihum Gleisstück für Gleisstück zu legendes gemeinsames Eisenbahnnetz verbinden. Wer zuerst damit fertig ist, hat gewonnen. Zumindest eine Runde. Alle Mitspieler bekommen Strafpunkte für jedes noch fehlende Verbindungsstück. Leicht, locker, konstruktiv, spielerisch.
Aber auch ein bißchen ungerecht. Wessen Städte in allen Ecken Europas verstreut liegen, wie z.B. bei der Kette Madrid-Glasgow-Charkiv-Thessaloniki plus eine weitere Mittelstadt a la Berlin, hat keine Chance, die Runde zu gewinnen. Wer mit mehr zentral gelegenen Städten gesegnet ist, wie z.B. London, Malmö, Vilnius und Florenz, der tut sich damit wesentlich leichter. Wie könnte man dieser Ungerechtigkeit des Schicksals begegnen? Mehrere Lösungsvorschläge wurden diskutiert:

  • Jeder zieht ein paar mehr Karten und darf sich daraus die besten auswählen. Nicht absolut gerecht aber deutlich gerechter als die starre Zuordnung gemäß Regelheft.
  • Jeder darf eine Anzahl “schlechter” Städte zurückgeben, ggf. gegen Strafpunkte, und sie durch neue Karten zu ersetzen
  • Alle Städekarten werden nicht blind gezogen, sondern öffentlich versteigert. (Unsinn! Damit wäre der ganze psychologische Reiz des Geheimhaltens der eigenen Zielstädte dahin.

Nun ja, Gerechtigkeit ist nicht alles. Auf Dauer gleichen sich Vor- und Nachteile bei der Städteverteilung wohl aus. Man muss nur lang genug spielen. Allerdings sorgte heute Horst dafür, dass noch nicht einmal jeder Spieler wenigstens einmal Startspieler wurde.
Keine neue WPG-Wertung für ein 7,8 Punkte-Spiel.

3. “Bluff”
Aaron konnte ein 2:3-Endspiel gegen Walter für sich entscheiden.
Im ersten Durchgang hatte er die 1-mal-Vier-Standard-Eröffnung auf 2 mal die Zwei gehoben. Was sollte Walter jetzt mit einer Zwei, Fünf und einem Stern unter dem Becher bieten? Seine Erhöhung auf 2 mal Stern war falsch! Schon von der – post mortem – Theorie her. 4 mal die Zwei wäre es gewesen.
Im zweiten Durchgang ging die Steigerung 1 mal Drei (Aaron), 1 mal Fünf, 2 mal Drei , 2 mal Fünf. Aaron gewann mit 3 mal die Fünf! Was hatte beide wohl unter ihren Bechern?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

13.03.2013: Habemus Papam

Das Ergebnis der heutigen Papstwahl wurde per Internet-Nachrichten zwischen Würfeln und Setzen genauso intensiv verfolgt wie das anschließende Spiel des FC Bayern. Wir wünschen dem neuen Papst Franziskus I ein erfolgreiches Wirken auf dem Weg der Liebe und der Brüderlichkeit.
Und wenn sein Vorgänger Benedikt XVI sich auf seine alten Tage einmal langweilen sollte, dann kann er ruhig am Westpark vorbeikommen. Für ihn würden wir sogar einen Extra-Spieltisch aufmachen.

1. “Lords of Waterdeep”
Ein martialisches Titelbild mit Rittern und Ritterinnen von eisener Faust und Busen. Moritz kannte sogar die Geschichte, die dahintersteckt, denn „Waterdeep“ ist eine richtige imaginäre Stadt aus einem richtigen Fantasy-Roman. Auf dem Spielplan ist sie abgebildet. Allerdings ist dies das einzige Element, das vom Thema herüberkommt. Ansonsten ist vom Spielmaterial bis zum Spielablauf und der Punktwertung am Ende alles höchst abstrakt.

Lords of Waterdeep
Lords of Waterdeep

In einem reinrassigen Workerplacement-Spiel setzen wir unsere Pöppel auf den verschiedenen Arbeitsplätzen ein und streichen die Früchte ihres dort Herumstehens ein:

  • Pappgeld
  • Holzwürfel, „Adventurers“ genannt, die, auch wenn sie Phantasie-Namen wie „Clerc“, „Fighter“, „Rogue“ und „Wizard“ tragen, doch nur schlichte einfarbige weiße, schwarze, braune und lila Holzwürfel sind.
  • Bonuskarten, „Quests“ genannt, die wir nach der Inbesitznahme noch mit Geld und Holzwürfeln einlösen müssen, und für die wir dann kleine Spielvorteile und große Siegpunkte bekommen.
  • “Intrigen-Karten“, die dem Besitzer meist ein bißchen Geld und/oder Holzwürfel einbringen, und allen anderen eben diese Materialien wegnehmen.
  • Gebäude, die wie neu geschaffene Arbeitsplätte wirken, und nach Art von „Caylus“ (Moritz erwähnte öfters die Ähnlichkeit dieses Elements mit dem große französischen Spiel) sowohl dem dort plazierten Arbeiter als auch dem Gebäudebesitzer Geld, Holzwürfel und/oder Siegpunkte einbringen.

Friedlich und konstruktiv bastelte jeder an seinen Siegpunkten. Auch ein bißchen gleichförmig. Die Konkurrenz an den verschiedenen Arbeitsplätzen hält sich in Grenzen. Zu viele Wege führen nach Waterdeep. Walter bekam die Larissa Neathal als Charakter zugeschustert, die ihm in der Schußwertung pro Gebäude 6 Siegpunkte garantierte; zudem wurde er auch noch als Startspieler ausgelost, so dass ihm die Gebäude praktisch in den Schoß fielen. Mit 42 Larissa-Punkten war ihm der Sieg nicht mehr zu nehmen. Auch nicht von Brianne Byndraeth Moritz, der sich mit seinen Arcana-Quests eine hübsche Reihe aufeinander aufbauender Vorteile verschaffen konnte.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (nicht wirklich ausbalanziert, insbesondere bei den kumulativen Effekten), Horst: 7 (hat Spaß gemacht), Moritz: 7 (nett; der Spaß liegt in den kumulativen Effekten), Walter: 6 (rund, aber flach).

2. “Il Vecchio”
Diesmal sind wir in Florenz und der „Vecchio“ (sprich Wekkio) ist der alte Cosimo von Medici. Er hat sich aber schon längst zurückgezogen und uns das Feld um die Siegpunkte in Florenz, Mailand, Vendig und den Kirchenstaat überlassen.
Mit unseren Pöppeln laufen wir in den umliegenden Toskana-Städtchen umher, streichen dort Geld, Gefolgsmänner und Kampfutensilien ein, und betreten hin und wieder eine der Hauptstädte, um dort Ämter, Würden und Siegpunkte zu kaufen.
Neben den üblichen Workerplacement-Aktionen

  • können wir Runde für Runde unsere Belegschaft erhöhen
  • müssen wir unsere Belegschaft periodisch aufwecken, weil sie nach getaner Arbeit regelmäßig einschläft
  • ist eine gewisse Transport-Optimierung angesagt, denn wir müssen für die Wegstrecken, die unsere Arbeitskräfte zurücklegen, Geld bezahlen
  • können wir uns Zaubermittel zulegen, um das Einschlafen einzelner Subjekte zu verhinderten und das Weggeld zu ersparen

Bemerkenswert sind die beweglichen Arbeitsplätze: sie liegen geographisch nicht fest an Ort und Stelle, sondern sie kreisen im Uhrzeigersinn durch die Toskana. Um jetzt z.B. an das Objekt „Schriftrolle“ heranzukommen, das ich für einen Sitz im Florentiner Rathaus benötige, kann ich meinen Pöppel zum entsprechenden Arbeitsplatz transportieren (kostenpflichtig), ich kann aber auch in San Gimignano warten, bis der Arbeitsplatz dort wieder vorbeigerollt kommt (kostenlos).
Als strategische „Schienen“ gibt es die Alternativen: Zuerst die Belegschaft auf das Maximum zu bringen, um später mit einem einzigen Weckvorgang gleich alle eingeschlafenen Gefolgsleute auf einmal zu wecken, oder unverzüglich zu Ämtern und Würden zu streben, weil die ersten Ämter die billigsten sind, am meisten Siegpunkte einbringen, und auch noch gewisse Vorteile für das laufenden Spiel gewähren.
Moritz konnte mit dem frühen Vogel den Wurm fangen (und fressen).
WPG-Wertung: Aaron: 5 (ziemlich autistisch), Horst: 5 (hatte optische Probleme, fand die symbolischen Darstellungen „nervtötend“), Moritz: 6 (das Spiel ist rund und überlegt, enthält aber wenig Spannung), Walter: 6 (funktioniert flüssig, doch keine Dynamik).
Oh Gott, schon wieder ein Spiel von unserem geschätzten Rüdiger Dorn, das nur im Westpark-Mittelfeld gelandet ist. Mach’ Dir nichts draus, lieber Rüdiger. Vielleicht sind wir von dieser Spielkost einfach überfüttert.

3. “Zombie Würfel”
Zur Auflockerung schlug Horst jetzt einen No-Brainer vor. Auf Grund von launigen Kommentaren im Internet hatte er sich die „Zombie-Würfel“ über Amazon zugelegt.
Wir würfeln mit Hexawürfeln, auf denen die Symbole Gehirn, Knall und Fußspuren abgebildet sind. Unterschiedlich oft pro Würfel. 17 Würfel stehen insgesamt zur Verfügung, mit jeweils drei Würfeln wird gewürfelt. Gute Würfel (Gehirne) und schlechte Würfel (Knall) werden herausgelegt und die Wurfhand zum Weiterwürfeln wieder auf drei ergänzt.
Hat jemand insgesamt mindestens drei Knaller herauslegen müssen, so ist sein Wurf nichts wert; verzichtet der Spieler schon vorher aufs Weiterwürfeln, so werden ihm die bis dahin herausgelegten Gehirne als Pluspunkte angeschrieben.
Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Eine der vielen hundertausend Spielerfindungen, die bei Spieleverlagen alljährlich eingereicht werden, und die meist nicht einmal ein einzigen Schritt weit durchs Gartentürchen schaffen. Pegasus war da im Abweisen offensichtlich nicht so hartnäckig. Vielleicht wollten sie schlichwegs auch nur etwas Hirnmasse mampfen.
WPG-Wertung: Aaron: keine Wertung, Horst: 4, Moritz: 2 (es gibt tausend bessere gleichgelagerte Würfelspiele), Walter: 2 (ein Gehirn macht noch keinen Schmalz).

4. “Diggers”
Aaron hat in seiner aktuellen Eigenentwicklung eine neue Idee gefunden, wie das Alterungsprinzip eleganter zu handhaben ist. Hat prima funktioniert und allseitig Lob gefunden.
Horst als Neuling fand das Spiel „cool“. Moritz lobte: „Es gibt nichts, was man daran ändern müßte.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

06.03.2013: Dicht dran an der Ruhr

Aarons Coming-Out (Oh Gott, ist dieser Begriff hier richtig verwendet?) als begnadeter Spieleautor übersteigt alle Erwartungen. Sein „Yunnan“ wird bei Argentum produziert und erscheint im Oktober in Essen. Auch beim Hippodice Autorenwettbewerb (dem traditionsreichsten deutschen Wettbewerb für angehende Spieleautoren) kam es in die Endausscheidung, wurde dann aber nicht mehr gespielt, weil es bereits einen Verlag hat.
Dafür kam jetzt sein zweites Spiel „Trawler“ bei Hippodice auf die Empfehlungsliste. Übermorgen werden die Entscheidungen bekanntgeben, die auch bei Verlagen höchste Beachtung finden. Vielleicht kommt dann mehr oder weniger zeitgleich noch ein zweites Aaron-Spiel auf den Markt. Und für seine dritte Erfindung, für das kleine Kartenspiel „Diggers“ habe sich auf der internationalen Spieleerfinder Messe in Haar auch gleich zwei Verlage eingehend interessiert.

Die tränenreiche Erfahrung, dass Spieleerfinden eine frustreiche und brotlose Freizeitbeschäftigung ist, bleibt Aaron in diesem Jahr glücklicherweise erspart.

1. “Dicht dran”
Wenn Aaron heutzutage ein Spiel auf den Tisch legt, wird am Westpark schon gefragt: „Ist das ein Spiel von Dir?“. War aber nicht. „Dicht dran“ ist vom Spieleautor Reinhard Staupe, der mit immerhin schon fünf seiner Spiele (Basari, Cincinatti, Edel, Stein & Reich, Shit! und Speed) auf unserer Internetseite vertreten ist. Aaron hat das Spiel auf der Messe in Nürnberg erstanden; ihm ging der Ruf voraus, „besser zu sein als 6-nimmt“!

Wir arbeiten ebenfalls mit Zahlenkarten, diesmal nur von 1 bis 100. Statt „Hornochsen“ sind darauf „Knallschoten“ abgebildet, als Hobbykoch würde ich sie für simple Pepperoni halten. Eine Karte liegt als Diskriminante in der Tischmitte, darum herum liegen kreisförmig angeordnet vier weitere Karten. In einem zyklischen Verfahren werden immer zwei Kreis-Karten ausgewählt und bilden die „Lücke“.

Aus seiner Kartenhand wählt jetzt jeder Spieler verdeckt eine Karte aus; alle Spieler decken gleichzeitig auf. Wer am nächsten an der Diskriminante ist, bekommt diese und die darauf abgebildten Pepperonis als Siegpunkte gutgeschrieben. Wer eine Zahl innerhalb der gegebenen Lücke spielt, darf die Karten sang- und klang- und straflos abgeben. Wer eine Zahl außerhalb der Lücke spielt, muss soviele neue Karten vom Stapel nachziehen, wie Pepperonis auf seiner ausgespielten Karte abgebildet sind.

Lustig, chaotisch, nicht unbedingt berechenbar, nicht so planbar, aber immerhin von ferne so etwas wie das geniale „6 nimmt“.

Unbefriedigend fanden wir den Spielablauf gegen Ende des Spiel. Wenn ein Spieler nur noch eine Karte auf der Hand hat, dann hat er keine Wahl, er muss diese eine Karte spielen. Wenn diese Karte nicht die Diskriminante gewinnt (was höchstwahrscheinlich ist) und die Zahl darauf auch nicht innerhalb der Lücke liegt (wofür die Wahrscheinlichkeit ebenfalls bei 75%liegt), so muss der Spieler diese eine Karte ablegen und dafür eine Karte nachziehen. Danach steht er vor der gleichen unbefriedigenden Spielsituation vom Freiheitsgrad 0. Hier hat eindeutig eine zündende Schlussidee gefehlt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel hat einen negativen Spannungsbogen; das Endspiel ist nicht ausgereift), Günther: 4 (ein Um-die-Ecke-Denken, dafür [leider auch noch] zufällig), Walter: 6 (eigentlich spaßiger Ablauf, die Mechanik des Hinlegens und die Auswahl von Diskriminante und Lücke sind leicht unhandlich, gegen Schluß wird man gespielt).

Für „Dicht dran“ liegt unserer Wertung voll im Trend der Westpark-Noten für Reinhard Staupe. Deshalb wird Aaron vor seinem nächsten Spielekauf sicherheitshalber die Rezensionsliste auf unserer Internetseite bezüglich des Spieleautors konsultieren.

Günther fand diese Konstanter-Trend-Schlussfolgerung für „starken Tobak“, so leichtfertig sollte man keinen Autor diskreditieren. Doch immerhin schrieb Moritz schon vor acht Jahren in seiner Rezension zu „Edel, Stein & Reich“: “The basic mechanics are perhaps more fully realized in other games, and the draw of event cards introduces a high luck element that can either lead to incredible gains or totally useless cards.” Zumindest dieser Trend scheint immer noch beibehalten zu sein.

2. “Ruhrschifffahrt”
Ein großes Aufbauspiel um Kohleförderung und Abtransport entlang der Ruhr. Wir sind Kohlebarone und steigen mit unserem Schiffchen ins Geschäft ein. Die wesentliche Aufgabe pro Zug ist es, an einer beliebigen Stelle mit Kohleförderung an der Ruhr – derer gibt es auf dem Spielplan reichlich viele – anzulanden, die Kohle zu laden und zu einer Stadt oder einer Schmiede oder gar zum Exporthafen Duisburg-Ruhrort flußabwärts abzutransportieren. Dafür gibt es Geld entsprechend der Qualität der Kohle. Mit dem Geld bauen wir Schleusen (damit die Kohle beim dem mehrmaligen Umladen nicht an Qualität verliert), errichten Lagerhäuser oder beteiligen uns an neuen Kohlegruben.

Normalerweise können wir flußabwärts nur eine kurze Strecke treiben, dann muss ein Abnehmer gefunden sein. Doch mit einem Lotsen, den wir kostenlos engagieren dürfen, können wir jede beliebige Strecke flußabwärts zurücklegen. Um wieder ruhraufwärts zu kommen, müssen wir „treideln“ (ein hübsches, heute längst schon ausgestorbenes Wort, nach Wikipedia: „das Ziehen von Schiffen auf Wasserwegen durch Menschen oder Zugtiere“). Das kostet Geld. Und wenn flußaufwärts gerade keine Kohle zum Abtransport ansteht, müssen wir schnell noch welche fördern. Das kostet ebenfalls Geld. Mit ein bißchen Geld ist es nicht schwierig, die Wirtschaft in Gang zu halten, aber eigentlich wollen wir unser Geld ja für siegpunkt-trächtige Investitionen in Schleusen und Lagerhäuser ausgeben.

Aaron und Günther hinter der Ruhrschifffahrt
Aaron und Günther hinter der Ruhrschifffahrt

Sehr wichtig ist das richtige Timing beim Auswählen vom Zielort-Typ: Stadt, Schmiede oder Ruhrort. Wir erhalten dafür verschiedenfarbige „Entwicklungssteine“, die uns in bestimmten Kombinationen, z.B. 2 mal Schmiede + 1 mal Stadt, Privilegien gewähren, z.B. das Bauen von Lagerhäusern in der Stadt Essen oder die Kohleförderung in der Grafschaft Mark. Am schnellsten die richtigen Kombinationen erzielt zu haben, bringt uns nahe an den Sieg, denn die Privilegien sind (kostenlos aber) limitiert: wer sie nicht mehr bekommt, verliert leicht pro Privileg zwei bis drei Thaler, die den Gegenwert von ca. zwei Siegpunkten darstellen. Günther behauptet zwar, man könne auch durch Auslandsinvestitionen gewinnen, doch er selbst ist diese Schiene (zu seinem Kantersieg) heute nicht gefahren.

Einen klaren Vorteil hat der jeweilige Startspieler. Das ist derjenige, der sein Schifflein an der ruhrobersten Stelle eingesetzt hat. Hier langsam die lukrativen Kohlehalden abzugrasen, und dafür zu sorgen, dass die Kohlequellen nicht versiegen, das öffnet die günstigsten Gewinnmöglichkeiten in Gegenwart und Zukunft. Ein hübsch intergriertes Spielelement.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (viele nette Elemente, aber trockenes Denkerspiel, ein wenig wuselig; fürchtet die Wartezeit in einer 4er Runde), Günther: 6 (schwiegiger Zugang, es wird besser bei der Wiederholung. [AbN: Du hast es doch schon zweimal gespielt, warum nur 6 Punkte?]), Walter: 6 (hübsch, gut dosierte Interaktion, aber etwas zäh und keine Steigerung gegen Ende).

Das Spiel hat das Potential zu einem 9 Punkte Spiel. Die Geographie stimmt, das Thema stimmt, die Spielelemente sind hübsch und überschaubar, es ist konstruktiv und zielgerichtet. Aber irgendwann wird der Spielablauf zu repetitiv, unsere Aktionen und daraus resultierenden Siegpunkte pendeln sich auf einem konstanten Niveau ein, das wir dann über mehrere Runden bis zum Schluss durchhalten müssen. Noch ein bißchen Steigerung, noch ein bißchen Spannung gegen Spielende wären erwünscht. Aaron fragte ganz lapidar, nicht einmal provozierend: „Und warum ist das Spiel 12 Runden lang?“ Schon für das – identische! – 8 Runden-Spiel könnten die Noten durchschnittlich um 1 Punkt besser sein.

Ein weiterer Punkt wäre gewonnen, wenn die bösen Zufallseinflüsse bei den Sonderoptionen schlichtweg weggelassen würden. Warum muss mir hier ein zufälliges „Heute keine Lotsen“ die gesamte Rundenplanung überhauf werfen?!

Morgen kommt mein Lieblingsneffe mit seiner Familie aus Essen zum Fußballspiel Bayern – Fortuna an. Mal sehen, ob ich ihm hinterher noch die „Ruhrschifffahrt“ auflegen kann. Damit sie ihre „Bayern-Packung“ leichter nach Hause transportieren können.

3. “Diggers”
Nachdem Diggers bei zwei Verlagen auf dem Prüfstand steht, wollte Aaron ausprobieren, wie das Spiel mit weniger Karten (zur Reduktion der Produktionskosten) ankommt.

Es kam an, auch wenn in einer Dreierrunde andere Mengenverhältnisse herrschen als zu viert. Der Mechanismus ist jedenfalls sehr pfiffig und – wenigstens für uns – neu. Die Anfangsphase wird von Kartenpflege beherrscht; hier gibt es ein höchst spannungsvolles Lavieren und sich gegenseitig Beluren, auch wenn bewußt noch keine Siegpunkte eingefahren werden. Doch dann bricht der Damm und die Punkte purzeln nur so heraus. Vor allem für den, der in der Phase der Kartenpflege die richtigen Weichen gestellt hat.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Beim Herumstreichen auf der Tee- und Pferderoute weit hinter der Türkei ist Aaron einer gut geschützten hinterindischen Erkenntnis auf die Spur gekommen: „Warum mögen Frauen so gerne Schokolade?“ Doch am hellerlichten Tage wird dieses Geheimnis hier nicht gelüftet.

27.02.2013: Bora et Labora

Aus einer französischen Spieleseite:
A vaincre sans péril, on triomphe sans gloire. (Ein Sieg ohne Gefahr ist ein Triumpf ohne Glanz.)

1. “Bora Bora”
Bora Bora gilt als die schönste Insel der Welt. Der (Session-Report-) Autor war schon da und hat dort bei einem Abendessen auf der Klippe den schönsten Sonnenuntergang seines Lebens genossen. Außerdem mit einer „magyar banda“ ein gelungen aufgemotzes touristisches Gourmet-Event in Marlon Brandos Lieblingsrestaurant. Und Du (entschuldige das Duzen), lieber Stefan Feld, was hast Du auf Bora Bora erlebt? Oder warst Du nur mit dem Finger auf der Landkarte dort?

Bora Bora - Günther macht uns den Moritz
Bora Bora – Günther macht uns den Moritz

Sein „Bora Bora“ verteilt sich gleich auf fünf Inseln, auf denen wir unsere Hütten errichten und dafür irdisches Baumaterial oder göttliches Manna bekommen. Ist es im richtigen Leben nicht umgekehrt? Wir heuern eingeborene Männer und Frauen an und nehmen deren Dienstleistungen in vielerlei Formen in Anspruch: von Tätowierungen über Transportservice bis hin zu ihrem multiplen Muschi-Angebot.

Eine gigantische Menge Spielmaterial fällt über uns her. Eine Überschlagsrechung in Excel liefert 445 Einzelteile, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, Sand, Steine und Holz, Männer, Frauen und Priester, Aufgaben und Aktionen, Hauptgötter, Untergötter und Opfergaben, und noch vieles mehr.

Alles steht in einer vorzüglich konzipierten Abhängigkeit zueinander. Männer bringen Frauen, Frauen bringen uns hinüber und die Götter geben nach Empfang der obligatorischen Opfergaben den Segen dazu.

Mit Würfeln fängt es an. Drei Stück davon hat jeder. Hohe Würfel tragen hohe Früchte, kleine Würfel tragen kleine Früchte; dafür dürfen sich die Kleinen auch noch in Nischen drängen, wenn für die Großen schon kein Platz mehr frei ist. Doch mit Hilfe der Götter können sich auch große Würfel in die Nischen drängen und kleine Würfel die hohen Früchte erlangen. Es gibt keine harten Barrieren, keine unüberwindlichen Engpässe, nicht nur die Götter machen es möglich. Bayrisch ausgedrückt: „A bisserl wos geht ollawei“.

Reichlich sprudeln die Siegpunkt-Quellen. Anschwellend und abschwellend je Phasenkonzept des (Spiele-)Autors. Sie finden sich in den vielfältigen Aufgabenstellungen (zum Sammeln von Göttern, Gräbern und Gelehrten), beim Bauen, beim Priestern, beim Schmuckeln, beim Fischeln und beim Statusschritteln. Verbesserte und additive Quellen liefern bessere Männer, Frauen und Götter.

Alles ist perfekt designed, alles läuft rund. Im Schweiße seines Angesichts hat Stefan Feld sicherlich viele Monate, wenn nicht Jahre, gehobelt und geschliffen, damit die Spieler nicht mehr über Ecken und Kanten stolpern. Sie selber brauchen beim Spielen, beim Planen und Werkeln, keinen Schweiß mehr zu vergießen. Obwohl das nicht geschadet hätte. Welcher Freak fühlt sich schon wohl, wenn er keine echte Herausforderung zu bestehen hat. Und vor allem, wenn er in einem mehrstündigen Planspiel seinen Gegnern nicht an den Wagen fahren kann. Interaktion wird klein geschrieben. Konstruktive Solos mit marginaler Konkurrenz bestimmen das Spiel. Bora et labora! Mit großem „Bora“ und kleinem „labora“.

Der Zufall hat ebenfalls seine wohlverdiente Dosis zugeteilt bekommen. Die Würfel bestimmen immerhin Qualität und Quantität der erlaubten Züge. Und die angebotene Auswahl an Männlein und Weiblein, an Aufgaben und Schmuck trägt einen erheblichen Teil an zufälliger Punkteausbeute bei. Zudem gibt es Siegpunkt-Prämien, die a priori nicht zu erfüllen sind, beispielsweise die Sonderprämie für die maximal sechs möglichen Schmuckstücke, wenn mangels Masse schon in der ersten Runde kein Schmuckstück erworben werden konnte. Ein bißchen Toleranz hätte hier etwas mehr Freude aufkommen lassen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (elendes Rumgewürge ohne Spannungsbogen, das Thema ist nur übergestülpt, weniger wäre mehr gewesen), Günther: 5 (schöne karibische Farben [AbN: „Bora Bora liegt nicht in der Karibik!“, lockere Siegpunkt-Sammlung, keine Steigerung, kein dynamischer Aufbau], Walter: 5 (für den Schweiß des Spielers; für den Schweiß des Autor während seiner Spielentwicklung gibt es 10 Punkte; aber diese werden hier leider nicht extra ausgewiesen.)

2. “Yunnan”
Leicht schüchtern fragte Aaron nach, ob er sein Yunnan nochmals auf den Tisch bringen dürfe. Der Verlag hat im Feinschliff noch diesen oder jenen Splitter gefunden, mal sehen, wie das in einer Dreierrunde ankommen könnte. Keine Frage, dass Aarons schüchteres Ansinnen sofort auf fruchtbaren Boden fiel. Auch für alte Hasen ist die rasante Entwicklung in Yunnan immer wieder eine geistig-spielerische Herausforderung. Mit welchen Entwicklungsschritten kann man sich in die entscheidende Position manövrieren, um dann möglichst unvermutet loszulegen und für den Endspurt einen verteidigbaren Vorsprung herauszuarbeiten.

Günther investierte als Startspieler in Tempel und Kontore. Doppelt gemoppelt. Nach drei (von fünf) Runden hatte er sich hoffnungslos ins Abseits manövriert. Spricht das jetzt gegen die geistige Herausforderung von Yunnan. Nein, es spricht nur dafür, dass die Balance in einer Vierrrunde und nach den Regeln von gestern nicht identisch ist zur Balance in einer Dreierrunde mit den Regeln von morgen. Günther hatte schlichtweg auf das gestrige Pferd gesetzt.

Walter legte sich in der ersten Runde einen Händler zu, sorgte in den folgenden Runden dafür, dass dieser sich auch vor den Fäusten seiner Gegner nicht mehr zu fürchten brauchte, und begann ab der dritten Runde, konsequent seine Einnahmen in Siegpunkte zu verwandeln, so dass die Mitspieler unter Druck gerieten und mehr oder weniger fluchtartig die Ausbildung ihrer Pferdejungen in den Wind schreiben mußten.
Aaron war’s zufrieden. Argentum darf es auch sein. Die Dreierrunde hat gegenüber eine Vierrunde noch den psychologischen Vorteil, dass es für jedes böse Verdrängen auf den verschiedenen Entwicklungsachsen immer noch ein Trostpflästerchen gibt. Bayrisch ausgedrückt: „Oans geht oiwei no“.

Hinterher diskutierten wir noch ausgiebig die Möglichkeiten für Yunnan als Zwei-Personen-Spiel. Auch dafür gibt es sehr erfolgsversprechende Ansätze. Doch wahrscheinlich kommt das erst in der ersten oder zweiten Expansion.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

20.02.2013: Der Westpark im Asyl

Unser Malermeister Stefan werkelt wieder am Westpark. Jetzt werden die Treppen geschliffen und gestrichen. Dank modernster Staubsauger hält sich der anfallende Staub in Grenzen, doch als Spiellokalität kann die Baustelle nicht benutzt werden. Peter und Loredana sprangen als Gastgeber ein und luden in ihre wunderschöne Wohnung nach Schwabing ein. Nach zwölf Jahren gemeinsamen Westparkgamerns war Walter erstmals dort zu Gast.

1. “Yunnan”

Yunnan - Tee- und Pferderoute
Yunnan – Tee- und Pferderoute

Argentum hat Aarons Eigenentwicklung fest in den Griff genommen, um es dieses Jahr in Essen herauszubringen. Es kommt nochmals ein ganz neuer Wind hinein, wenn ein Profi-Verlag den letzten Schliff an einer Spieleentwicklung übernimmt. Das Neudesign des Spielbretts mit seinen spieltechnischen Merkhilfen hat auch in unseren Augen eine ganze Stufe neuer Qualität hinzugewonnen. Die verschiedenen Stärken und Schwächen der Mitspieler-Entwicklung sind jetzt auf einen Blick für jedermann erkennbar. Ein Teil der unvermeidlichen Rechenarbeit (Additionen und Multiplikationen im unteren Zahlenraum) wird von Tabellen übernommen.

Eine ganze Reihe Testgruppen von Gelegenheits- bis zu Vielspielern durften bei Argentum ihren Senf abgeben. Nach Ansicht des Verlags „verlief jede Partie anders“. Was zweifellos als Qualitätsmerkmal anzusehen ist. Zu groß ist das Angebot alternativer Gewinnstrategien, von denen sich jede einzelne innerhalb eines bestimmten Mitspielerchaos’ (= im positiven Gewurl der verschiedenen Mitspieler-Ambitionen) als überaus erfolgreich erweisen kann, und mit der man zum Sieg schießt. Das Schießen liegt aber nicht an einer ausufernden Balance, sondern an der Vielzahl aussichtsreicher Zug-Optionen. Aaron hast die verschiedenen Möglichkeiten nicht ausgebremst, um die Mitspieler auf einen goldenen Mittelweg zu zwingen, sondern er hat sie gefördert, so dass jede einzelne für sich die Chance auf einen Gesamtsieg bietet. Und für das nächste Spiel Überlegungen herausfordert, diesen Siegespfad entweder selber zu nutzen oder den anderen zu verbauen.

Auf dem Aktionen-Tableau, wo die einzelnen Spieler um ihre Entwicklungsfortschritte an Masse und Beweglichkeit, an Stärke und Resourcen bieten, findet ein regsamer Verdrängungswettbewerb statt. Ein sicheres Indiz für eine wohlporportionierte Bilanz von Angebot, daraus resultierenden Vorteilen und vorhandener Geldmasse. Und wenn zu viele Mitspieler sich hier einmal ambitioniert verausgaben, dann lohnt sich ein einmaliger, schneller Gang zur Bank, um für die nächsten paar Runden alle Geldsorgen loszuwerden.

Nach einer knappen Stunde Spielzeit ist die Schlacht geschlagen. Neuling (und Hausherr) Peter gewann. Vor Günther. Entweder ein Zeichen für seine überragende Intelligenz und Spielplanung, oder ein Zeichen für die vielen netten Überraschungen, die Yunnan bereithält. Alle Verlierer wußten oder ahnten, dass sie etwas falsch gemacht hatten. Nur Aaron hatte alles richtig gemacht. Er war der Non-playing-Protokollführer und sammelte Erfahrungspunkte für neue Detailgespräche mit dem Argentum Verlag.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklung.

2. “T-Rex”
Gastgeber Peter forderte nostalgischen Spielgenuß und legte eine ganze Latte alter und antiquierter Spiele aufs Parkett. „San Juan“ : das geht doch bloß zu viert! „Bluff“ : doch nicht den ganzen restlichen Abend! „Havoc“ : etwas zu pokerig, und was der Spiele und der Ablehungsslogans noch mehr sind. Schließlich landeten wir bei „T-Rex“, vor 10 Jahren gleich zweimal von Aaron und Moritz mit einem englisch-sprachigen Report bedacht.
Jeder Spieler hat das gleiche Set von Karten, von dem er aber immer nur einen zufällig ausgewählten Teil zum Spielen auf der Hand hält; die restlichen Karten liegen als verdeckte Nachziehstapel auf dem Tisch.

Reihum spielt jeder Spieler eine Karte aus und darf dann

  • ein bis drei Karten nachziehen

oder

  • eine Wertung einleiten

Ist eine Wertung eingeleitet, darf jeder Spieler noch genau eine Karte spielen (mit den gleichen Effekten wie oben). Ist eine der nachgespielten Karten wiederum Wertung-einleitend und mit zwar mit höheren Wert als die aktuelle Karte, so wird die Wertungseinleitung prolongiert, d.h. jeder Spieler darf / muss jetzt noch eine Karte spielen. Danach wird geschaut, wer die höchstwertige Karte vor sich liegen hat. Dieser Spieler bekommt ein einfarbiges Kuckucksei. Wer am Ende die meisten Eier hat, hat gewonnen. Gleichfarbige Eier bringen eine quadratische steigende Siegpunktquote.

Eine Mischung aus Glück und Mitspielerchaos führen zum Sieg. Man kann das auf zweierlei Weise angehen:
Ernsthaft: dann geht das Ganze ziemlich verkniffen über die Bühne
Locker: dann ist das ein reiner Zeitvertreib.

Wir spielten es überwiegend locker. Unsere begleitenden locker-lästerlichen Kommentare veranlaßten Peter zum leidensvollen Kommentar: „Mit Euch spiele ich das nicht mehr!“

WPG-Wertung: Aaron: reduzierte seine vor 10 Jahren vergebenen 7 Punkte auf 5, Günther: gesellte sich mit erstmal vergebenen 5 Punkten dazu, die anderen blieben bei ihrer im Schnitt 2 Punkte höhreren Wertung.

3. “Traumfabrik”
Aaron suchte mittels seines „Spielefinder“ (ein Menue-Punkt links auf unserer Internet-Seite) ein 5-Personen-Spiel, das Loredana glücklich macht. Die ehemals ausgiebig getesteten 2-Personen-Spiele mit Peter werden schon lange nicht mehr kommentiert. Wir landeten bei der „Traumfabrik“, vor 9 ½ Jahren letztmals am Westpark aufgelegt, mit 10 Punkten von Peter und 9 von Loredana höchlichst eingestuft.

Aaron kramte etwas süffisant unsere damalige Spielkritik hervor:

Dabei handelt es sich doch nur um ein simples Versteigerungsspiel. Keine großen Strategien, keine rätselhaften Abenteuer, keine tödlichen Gladiatoren-Kämpfe, lediglich trivialer Geldeinsatz zum Anwerben von Personal für die Realisierung von Filmprojekten.“ und „Jeder verfolgt seine eigene Strategie des ersten Anscheines, ohne viele Gedanken daran zu verschwenden, welcher Blumentopf dabei herausspringen könnte. Zum Glück, denn wenn alle die wahre, geprüfte und für gut befundene Strategie einschlagen, dann ist Traumfabrik nur noch ein Versteigerungsspiel. Ein simples.“

Zweifellos muss man das Prinzip loben, wie die gebotenen Summen für Regisseure, Kamera, Schauspieler, Spezialeffekte und Musik wieder unter die Leute gebracht werden. Einer guten Designidee entsprechen auch die beiden Felder, in denen die Filmrollen nicht versteigert werden, sondern von denen jeder Mitspieler genau eine Rolle kostenfrei bekommt, so dass auch ein Spieler, der sich bei einer Versteigerung gerade total verausgabt hat, nicht rundenlang nur passiv zuschauen muss.

Und die Querwirkungen von aktuellem Besitztum und Startspielerposition auf Bonuspunkte und Zugriffsvorteile stellen sogar eine planerische Herausforderung dar. Daneben sind Filmtitel wie „Vom Winde verweht“ und Schauspieler wie „Marilyn Monroe“ durchaus von cineastischer Attraktivität.

WPG-Wertung: Aaron reduzierte schon wieder seine vor 10 Jahren vergebenen 7 Punkte auf 5, Loredana reduzierte auf 7, die anderen wollten Peters 10-Punkte-Euphorie nicht weiter beschädigen.

4. “Bluff”
Heiße Diskussion um das regelgerechte Nachwürfeln. In der „Spielerweiterung für ultracoole Zocker“ heißt es dazu wörtlich: „Während eines Durchgangs hat jeder Spieler die Möglichkeit, neu zu würfeln.“ Gilt diese Zusatzregel auch für den Startspieler? Darf auch der Startspieler würfeln, die Würfel anschauen, einen oder mehrere Würfel offen herauslegen, eine beliebige erste Vorgabe machen und dann die restlichen Würfeln nachwürfeln? Ist dem Startspieler diese Option genommen, oder gilt das „während“ im Regelheft – in älteren Auflagen sogar noch unterstrichen – auch für dem Beginn eines Durchgangs? Günther plädierte aus Symmetriegründen heftig für das Recht des Startspielers auf eine im Prinzip unsinnige und bei uns noch nie praktizierte Zusatzaktion.

Ändert sich der Spielcharakter, wenn der Startspieler nach seinem ersten Wurf einen Würfel herauslegt und nachwürfelt? Alle hielten den Unterschied für „minimal“, nur Peter empfand ihn als „monströs“ und versuchte dies leidenschaftlich bis verzweifelnd seinen vernagelten Mitspielern klar zu machen. Endlich ging der Versammlung das Licht auf: Legt der Startspieler einen Würfel heraus und würfelt nach, so sind die Augenzahlen aller verdeckten Würfel stochastisch gleichverteilt. Selbst für einen dummen Computer wäre es ein Kinderspiel, die Wahrscheinlichkeiten für Erhöhen oder Anzweifeln zu berechnen. Das Bluff-Element ist gleich Null!

Leitet der Startspieler aber anhand lediglich seines Erstwurfes die Zocker-Sequenz ein, dann wird das Spiel seinem Namen gerecht, erst dann hat das überaus reizvolle psychologische Bluff-Element seinen würdigen Platz bekommen! Wirklich ein monströser Unterschied!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

13.02.2013: Bohnenstangen in Oddville

  • Zeige keine böse Laune, wenn Du schlechte Karten bekommst oder wenn Du verlierst. Wer im Spiele nie verlieren will, der muss sich auf Blindekuh beschränken.
  • Spiele nicht so unerträglich langsam, daß Deinen Mitspielern der Geduldsfaden reißt.
  • Sei nicht aufgebracht, wenn Deine Mitspieler Fehler machen.
  • Zeige keine laute Freude, wenn Du gewinnst. Das tut denjenigen, die verloren haben, noch mehr weh als der Verlust selbst.
  • Nötige niemand zum Spielen, wenn er nicht gern oder oder wenn er schlecht spielt.

Diese Regeln sind kein Ausschnitt aus dem Kodex der Westpark-Gamers; sie schrieb vor bereits 225 Jahren ein gewisser Adolphe Freiherr von Knigge – der KNIGGE – in seinem klugen Buch „Über den Umgang mit Menschen“.

1. “Pandora und Titania”
Letzte Woche lag Bernd Eistensteins Neu-Entwicklung zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch (siehe Session-Report vom 6.2.13). Wir schicken unsere Leute auf den Markt und zur Gilde, um Waren zu erstehen, zu verbessern und sie bei Gelegenheit (gegen Siegpunkte) zu verkaufen. Wir schicken unsere Leute in die Vorstadt, in die Kaserne, ins Bergwerk oder auf das Schlachtfeld, um sie gegen den (siegpunktträchtigen) Lebenskampf mit Munition zu versorgen und dann auch kämpfen zu lassen. Wir gehen auf die Agora, um neue Leute anzuheuern und wir schwitzen im Ackerbau, um unsere Belegschaft zu ernähren. Frivole Leute gehen auch noch in den Tempel, um dort die Büchse der Pandora zu öffnen und eine (siegpunkt-beeinträchtigende) Plage auf die Menschheit loszulassen.

Trotz eines umfangreichen Briefwechsels mit dem Autor hatten wir beim ersten Mal die Kampfregeln nicht richtig verstanden und falsch gehandhabt. Ein weiterer Klärungsdialog hat jetzt endgültig die letzten Unklarheiten beseitigt: Zuversichtlich gingen wir in eine neue Runde mit dem aus zahlreichen Elementen großzügig ausgestatteten Produkt.

Bevor die anderen ihr Pulver getrocknet hatten, ritt Aaron schon ins Schlachtfeld, hatte keine Mühe, die wehrlosen Gegner niederzustrecken und heimste beängstigend viele Siegpunkte ein. Günther stieg unverzüglichl ebenfalls auf die Schlachtfeldschiene um (von welcher Anfangstaktik eigentlich?). Dort mauschelten beide (Aaron und Günther) – in der weisen Überlegung, keine lachenden Dritten zu generieren – höchst effiziente Nicht-Verteidigungsabsprachen aus, d.h. sie kämpften jeweils gegeneinander und der jeweils Angegriffene wehrte sich nicht (gar nicht!), so dass mit minimalen Einsatzmitteln, ja sogar noch mit Kampfmittelgewinn, für jeden je eine belanglose Niederlage und ein lukrativer Sieg heraussprangen.
Walter versuchte sein Glück zuerst mit Waren, liebäugelte dann auch ein bisschen mit Pandora, sein Umstieg auf Titanium kam zu spät.

Ausgerechnet unser Krieger Moritz ließ sich von dem Gedränge auf dem Schlachtfeld beeindrucken und suchte sein Heil bis zur bitteren Neige in einer friedlichen Nische für friedliche Siegpunkt-Quellen. Nicht sehr überzeugend und auch nicht sehr erfolgreich. Hinterher bekannte er, dass ihm die eleganten Kampfwürfel abgegangen seien.

Kritikpunkte der Westpark-Gamers:

  • Das Thema ist nicht wirklich präsent, „Pandora und Titania“ ist ein rein abstraktes Workerplacement-Spiel.
  • Im Spiel werden zwei total unterschiedliche Spielweisen (Handel oder Kampf) angeboten, die leider total unabhängig nebeneinander herlaufen. Eine stärkere Verzahnung würde eine einheitlichere Stimmung mit mehr Variablität und Spannung fördern.
  • Die nach den Regeln noch zugelassenen Mauscheleien auf dem Schlachtfeld unterlaufen den notwendigen (und sicherlich vom Autor gewünschten) massiven Materialeinsatz beim Kampf. Das darf so nicht sein.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Oddville”
Wir bauen eine Stadt.
Dazu spielen wir eine von vier „Arbeiterkarten“ (aus einem für jeden Spieler identischen Set) aus und erhalten dafür Geld, verschiedene Rohstoffe (teils gegen Geld) oder Baupläne. Die vier Arbeiterkarten unterscheiden sich lediglich in der Menge des Geldes, im Wert der Rohstoffe und in der Auswahl der Baupläne. Hier sei schon einmal angemerkt, dass wir dieses Vorschalten von Aktionskarten vor unsere eigentliche Aktion ziemlich überflüssig fanden.

Die erforderliche Kombination von zwei oder drei Rohstoffen erlaubt uns, einen Bauplan zu realisieren, d.h. die Stadt um eine Rechteckfläche (mit zueinanderpassenden Häusern und Wegen) zu erweitern. Diese Rechteckfläche gehört uns und liefert am Ende – abhängig vom Gesamtausbau der Stadt – Siegpunkte, z.B. für die Anzahl angrenzend bebauter Rechtecke, für die Anzahl von Rechtecken in der gleichen horizontalen oder vertikalen Linie oder für die Anzahl gleichartiger Rechtecke in der gesamten Stadt.

Für das Bauen einer Rechteckfläche erhalten wir auch noch bestimmte Vergünstigungen („Charakterkarten“), z.B. dürfen wir dann Rohstoffe beliebig gegeneinander tauschen, Baupläne mit der offenen Auslage tauschen, Geld direkt in Baupläne verwandeln oder gleichzeitig mit einem Mitspieler eine Rechteckfläche bauen.

Diese einmal erworbenen Vergünstigungen sind uns aber nicht fest zugeordnet. Wenn von einem Kartentyp keine Charakterkarte mehr ausliegt (das passiert blitzschnell), dann werden alle Charakterkarten eingezogen und die ehemals Privilegierten müssen wieder bodenständig arbeiten. Auch die Siegpunkte, die mit den Charakterkarten verbunden sind, gehen flöten. Ein bißchen Chaos gehört in ein italienisches Brettspiel schon hinein.

So verpufft die Planbarkeit. Die Abhängigkeit der eigenen Siegpunktausbeute von den weitgehend willkürlichen Bauaktivitäten der Mitspieler macht es überflüssig, über gute oder schlechte Spielzüge nachzudenken. Obwohl man es tun könnte und das am Westpark sogar versucht.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel ist nicht kaputt), Günther: 5 (diese Note ist ja noch kein Gütesiegel), Moritz: 4 (Man glaubt zu planen, aber nichts ist haltbar, auf nichts kann man bauen), Walter: 5 (locker, flüssig).

3. “Würfel-Bohnanza”
„Bohnanza“ klingt gut und der Autor „Uwe Roselberg“ auch. Doch die positiven Erwartungen, in „Würfel-Bohnanza“ irgendetwas bohnanza-artiges zu finden, werden betrogen. (Oder habt Ihr etwas gefunden ausser dem Farb-Design der Schachtel?)

Walter hinter Würfel-Bohnanza
Walter hinter Würfel-Bohnanza

Wir wurden unwillkürlich an „Bingo“ erinnert. Statt eines Wettscheins mit Zahlenkombinationen, die zentral von einem Meister mit einem Würfel ausgewürfelt werden, bekommt jeder Spieler eine „Erntekarte“ mit Würfelmuster-Kombinationen, die reihum dezentral von den Mitspielern mit sieben Würfeln ausgewürfelt werden. Jeder Wurf gilt für alle Spieler. Wenn die geworfenen Würfel das aktuelle unterste Würfelmuster der Erntekarte treffen, ist eine Ernte-Bedingung erfüllt. Wenn drei, vier oder fünf Ernte-Bedingungen erfüllt sind, darf man seine Erntekarte einstreichen und erhält dafür ein, zwei oder drei Siegpunkte.

Der aktive Würfler – nur er – hat das Recht, auf eine bestimmte Würfelkombination hinzuarbeiten, d.h. einzelne Würfel auszusondern und mit den restlichen Würfeln nachzuwürfeln. So lassen sich – mit einem gewissen stochastischen Glück – auch mal seltene Würfelmuster erwürfeln.

Wenn uns das aktive unterste Würfelmuster zu kompliziert erscheint (die Wahrscheinlichkeit dafür, es zu erwürfeln, als zu gering), dann können wir unsere Erntekarte mit dem aktuellen Ertrag (oder Nicht-Ertrag) weglegen und uns eine neue besorgen. Im Bingo entspricht das einem Abkassieren der aktuellen unvollständigen Teiltreffer auf unserem Wettschein, das Lösen eines neuen Wettscheins, und ein neues Hoffen auf Fortunas Würfelgunst für die neue Ernte-Kombination. Moritz brachte es auf den Punkt: „Man muss warten, bis sie kommt!“ und löste damit zu später Stunde noch ein homerisches Gelächter aus.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (durchgehend spannend), Günther: 6 (eine angemessene geistige Herausforderung, höchst interaktiv), Moritz: 2 (langweilig), Walter: 3 (stimmiges Würfelspiel).

Wieweit die obigen Wertungskommentare alle ernst gemeint waren, weiß nur der Kuckuck!

06.02.2013: Erfinder in El Paso

Aarons war jetzt erstmals als Spieleerfinder auf der Spielemesse in Nürnberg. Seine Erkenntnis:

“Spieleautoren hatten es schon immer schwer, mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen. Zu viele Spielideen treffen auf zu wenige Verlage in einem gesättigten Markt. Leider verschlechtert sich die Situation zusätzlich, denn in den großen Verlagen gibt es in den oberen Etagen immer weniger Leute, die aus der Spieleszene kommen und immer mehr “Jungspunde”, die reine Manager sind. Noch dazu gibt es leider genug Autoren, die auch noch die schlechtesten Verträge unterschreiben, nur damit ihr Spiel überhaupt veröffentlicht wird.”

Moritz konstatierte eine entsprechende Tendenz auch in der Musik:

„Ja, auch in der Musikszene gibt es Leute, die für einen Appel und einen Ei (oder umsonst) Musik für Ensembles und Orchester schreiben, nur damit sie überhaupt aufgeführt werden. Es gilt aber auch bei uns [Musikschaffenden] das Gesetz, dass die, die sich nicht anbiedern und Geld verlangen, eher als begehrt gelten, das ist dann meistens die bessere Taktik.“

1. “Pandora und Titania”

Pandora und Titania
Pandora und Titania

Mit Pandora verknüpfen Freunde der griechischen Mythologie gewöhnlich eine Frau, aus deren Dose allerlei böse Plagen auf uns Menschen herausgekommen sind. Titania hingegen ist für Schöngeister die verwirrte Ehefrau des Elfenkönigs Oberon, für unpathetische Naturwissenschaftler ein chemisches Element, für pathetische Radfahrer das Leichtmetall, aus dem die geilsten Fahrradrahmen der Welt hergestellt werden, und für Brettspieler der dreijährige Sprössling von Rüdiger Dorn, erschienen bei Hans-im-Glück.

Der Doppelname dieser beiden Frauengestalten (bzw. Frauen & Metall-Gestalten) ist der Arbeitstitel von Bernd Eisensteins neuester Schöpfung, das er in diesem Jahr auf seinem Stand in Essen seinem Spielensemble von „Peloponnes“, „Pergamemnon“, „Pax“ und „Porto Carthago“ hinzufügen will. (Hallo Bernd, liegt in der konsequenten Verwendung des Anfangsbuchstabens „P“ eine Methode?) Wir am Westpark durften einen schon recht weit gediehenen Prototyp unter die Lupe nehmen.

In einem Workerplacement-Spiel lassen wir unsere Gefolgsleute auf zehn verschiedenen Aktionsfeldern des Spielbretts werkeln. Zwei grundsätzlich verschiedene Schienen werden angeboten. Auf der friedlichen Schiene erwerben wir Waren, verscherbeln sie an Händler oder Reeder und machen damit Siegpunkte. Auf der kriegerischen Schiene schwängern wir unsere Mannschaft mit Siegpunkt-Embryos, und schicken sie mit einem reichlichen Vorrat an Titanium (was immer das ist, im Plural heißt es wohl „Titania“) in den Geschlechterkampf. Mit Titanium lassen sich auch Pandoras Plagen, die wir gezielt oder frivol über die Menschheit hereinbrechen lassen, heil überstehen, ja sogar in Siegpunkte ummünzen.

Unabdingbar ist die Stärkung unserer Leute für den Konkurrenzkampf durch Brot und Muckies.

Walter hatte sich gut vorbereitet und durfte eine Stunde lang in den Spielablauf einführen. Die vielen verschiedenartigen, vielleicht sogar gewöhnungsbedürftigen, Spielelemente, ihre Sinnhaftigkeit und gegenseitigen Abhängigkeiten machen es nicht kürzer. Gut zwei Stunden lang verlustifizierten wir uns damit, Pandora und Titania unterzukriegen. Es war ein kurzweiliges Vergnügen, auch wenn am Ende mit Bedauern festgestellt wurde, dass die Mengen an Titan, die jeder auf seiner Seite angescheffelt hatte, keinen Pfifferling mehr wert waren.

WPG-Wertung (prophylaktisch für ein noch reifendes Spiel): Günther: 7 (wenn die Kampf-Mechanismen noch befriedigend geklärt werden), Horst: 6 (die Auswirkungen der Kämpfe – selbst wenn der Mechanismus funktioniert – sind zu krass), Melanie: 5 (die „Pandora“ ist ein unbefriedigendes Element), Walter: 7 (Vorschußlorbeeren bezüglich letzter Klärungen).

2. “El Paso”
In einem hübschen kleinen Würfel-Zockerspiel sind wir Banditen und plündern Wild-West-Städte von Abilene bis El Paso. Plündern heißt: Jeder spielt eine Karte für das Objekt seiner Begierde aus, sei es in Bank, Saloon, Goldmine, Rinderweide, Hotel oder Pferdekoppel. Erbeutet wird, solange der Vorrat reicht. Dann würfeln wir – zu Beginn mit fünf, später mit immer weniger Würfeln – darum, ob Rinderweide und Saloon überhaupt betreten werden dürfen, und ob nicht Sheriffs auftauchen, vor denen wir rechtzeitig geflohen sein sollten.

Wenn auch der letzte Würfel einen Sheriff zeigt, muss eine Stadt geräumt sein. Wer das versäumt hat, muss seine komplette bis dahin gemachte Beute stehen und liegen lassen und mit leeren Händen in die nächste Stadt ziehen.

El Paso
El Paso

Solange die Sheriffs nicht zugeschlagen haben, darf jeder seine Beutestücke in Goldnuggets (sprich: Siegpunkte) umtauschen und / oder eine bestimmte Anzahl davon mit in die nächste Stadt nehmen. Die Umtauschrate steigt von Ort zu Ort, allerdings sind die Taschen sehr klein: wer als erster eine Stadt verläßt, kann nur ein einziges Beutestück mitnehmen, der zweite kann zwei mitnehmen, und so weiter.

Das Zocken besteht also darin, in einer Stadt solange auszuharren, bis der Erwartungswert für zusätzliche Beute und dem Verlust der gesamten Beute kleiner als Null ist. Wer nichts zu verlieren hat, der bleibt. Wer ohnehin Letzter ist, oder wer Zweiter ist und unbedingt noch Erster werden will (und kann), der bleibt auch. Schnell und schmerzlos.

WPG-Wertung: Günther: 5, Horst: 6 (Der Spannungsbogen ist nicht so groß wie erwartet), Melanie: 6 (macht Spaß, ist locker und gibt Raum für ein bißchen taktische Überlegungen, Abstriche für das Design: die Bonus- und Malus-Kategorien in den verschiedenen Städten sind nur schwer zu erkennen), Walter: 6 (stimmiges Würfelspiel, doch die Steigerung der Siegpunkt-Ausbeute in der letzten Stadt ist selbst für ein Zockerspiel zu krass.)

3. “Bluff”
Aufgrund des dringenden Bedürfnisses unseres charmanten Gastes Melanie erfanden wir eine weibliche Bluff-Variante: Man darf die Würfel-Vorgaben des Vorgängers beliebig erhöhen oder ERNIEDRIGEN.

Günther brachte ein weiteres Regelkuriosum zur Diskussion: Darf der Startspieler einige Würfel rauslegen und nachwürfeln, bevor er seinen allerersten Tip abgibt? Mir kommt das vor wie die Erweiterung der natürlichen Zahlen bis zur Null. Für einen Mathematiker ist das eine triviale natürliche Extrapolation, Pythagoras hätte sich der Magen umgedreht.

WPG-Wertung: Unsere super Bluff-Noten verwässerte Melanie mit einer 7.