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27.07.2012: Elektronik auf der Seidenstraße

Traditionsgemäß wird der Auswahl zum “Spiel-des-Jahres” am Westpark (und in anderen Vielspielerkreisen) mit einer gewissen Skepsis entgegengesehen. Ohne Günther kam der diesjährige Preisträger „Kingdom Builder“ auf glatte 5 Punkte. Am Samstag verschickte Günther per Email seine eigenen Eindrücke dazu:
„Ich habe gestern bei den Spuiratzn zweimal Kingdom Builder gespielt.
Als Familienspiel ist es schon recht komplex – speziell durch mehrere erworbene Eigenschaften und den mehreren Siegpunktbedingungen. Ja, es verführt sogar zum Grübeln – was in einigen Runden problematisch werden kann. Trotzdem spielt es sich recht flott- so ca. 1 Stunde braucht man für eine Viererpartie. In den ersten handvoll Runden muss man sehr aufpassen, denn es ist extrem wichtig, sich die für die weiteren Runden notwendigen Eigenschaftsplättchen zu sichern.
Ich gebe dem Spiel 7 Punkte- wenn der Grübelfaktor nicht wäre, sogar etwas mehr …“

1. “Octago”
2008 hat die PublicSolutions GmbH in Dresden unter dem Namen „Yvio“ eine elektronische Spielkonsole herausgebracht, die das Herzstück für eine ganze Serie von neuen Brett- und Party-Spielen sein sollte. Die Konsole steuert den Spielablauf, sie übernimmt all die lästigen Aufgaben wie Erklären, Vorgeben, Verteilen, Zählen und Werten, und kommentiert in wohlproportionierten Abständen den Spielverlauf. Eigentlich eine gute Idee.

Yvio Konsole
Die Yvio Konsole

Auch die Ausführung ist technisch sauber und spielerisch einladend gelungen. Trotzdem war das Konzept kein Markterfolg. Vielleicht hat es an dem hohen Preis von 70 bis 80 Euro pro Spiel-Realisierung gelegen. Die Firma ging geradewegs in den Konkurs und Günther hat aus der Konkursmasse für nur 50 Euro gleich 3 Spiele erstehen können.

In „Ortaco“ zieht jeder Spieler mit seinem Pöppel auf einem runden Spielbrett beliebige Felder vorwärts oder rückwärts auf rote, grüne, gelbe oder blaue Kreise, Sterne, Dreiecke oder Quadrate in einer roten, grünen, gelben oder blauen Region. Je länger eine Farbe oder Form nicht betreten wurde, desto mehr Form-Farben-Punkte gibt es für das Betreten des Feldes. Diese Punkte werden virtuell jedem Spieler zugeordnet und regionsspezifisch hochgezählt.

Durch Drücken der Wertungstaste kann ein Spieler jederzeit seine Form-Farben-Punkte einer Region in Siegpunkte umwandeln. Dabei wird die Punktanzahl mit einem Faktor multipliziert, der umso höher ist, je länger die vorhergehende Wertung in dieser Region zurückliegt. Ganz schön abstrakt, mit Hilfe der Spielkonsole aber kinderleicht zu bewältigen.

Reiner Knizia hat sich das ausgedacht und die damalige Presse hat es als „fantastisches neues Strategiespiel“ propagiert. Übliche journalistische Fehlinformation. “Octago” ist begrenzt phantastisch und enthält Null Strategie. Dafür genügend Raum für opportunistische Taktik: Es gewinnt der, der ein gutes Gedächtnis hat und sich am besten merken kann, auf welchen bunten Formen er und seine Mitspieler in jüngster Zeit gestanden haben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (funktioniert, fraglicher Wiederspielreiz), Günther: 5 (das yvio-Spielprinzip als solches erhält 7 Punkte), Walter: 5 (die elektronische Führung ist gelungen, für einen älteren Herrn zuviel Memory-Bedarf).

2. “Quizzen” in der “Partytime”
Ebenfalls ein Spiel aus der Serie für die yvio-Spielkonsole. Diemal macht uns die Konsole einen geilen Quizmaster. Er führt uns akkustisch durch ein Quiz, „das Euch in den Wahnsinn treiben wird“. Es werden Auswahlfragen gestellt, die alle Mitspieler gleichzeitig mit einer der Antwortkarten A, B, C oder D beantworten sollen. Die schnellste richtige Antwort bringt zwei Punkte, eine langsame richtige Antwort einen Punkt und für eine falsche Antwort wird ein Punkt abgezogen.

Die Fragen sind von einem mittleren Günther-Jauch-Schwierigkeitsgrad. Z.B. „Was haben die Waisen aus dem Morgenlande nicht dabei? A: Gold? B: Seide? C: Myrrhe? oder D: Weihrauch? Zwischen die Fragerunden sind Intermezzos eingestreut, bei denen die Führenden etwas Federn lassen müssen und dem Letzten ein paar Trostpunkte zugeschustert werden. Sachgerecht und partygerecht.

Lustig – zumindest für die erste Begegnung – sind die Kommentare des Quizmasters. Er bescheinigt einem „intellektuellen Schlußlicht“ schon mal eine „besonders erheiternde Unfähigkeit“. Für Fragen, die kein einziger Spieler richtig beantwortet hat, kommt der Kommentar “Ihr habt alle verkackt“.

Wenn sich die lustigen Sprüche wiederholen, ist ein Großteil des Spielreizes wohl dahin. In unserem einen Quiz-Durchgang passierte das erst ansatzweise, doch die Tendenz ist erkennbar. Dann bleibt nur noch das Quiz übrig. Immerhin können acht Spieler daran teilnehmen. Manche mögens’s heiß.

Keine WPG-Wertung für ein Unterhaltungsspiel, das im richtigen Teilnehmerkreis die Wogen hochschlagen lassen kann.

3. “Yunnan”
Aaron legte mit Freuden der Dreierrunde den aktuellen Stand seiner Eigenentwicklung über den Handel auf der Tee- und Seidenstraße auf. Das vierte Mal allein in diesem Jahr (22. Februar, 11. April, 11. Juli) und seine beiden Mitspieler waren keineswegs nur aus Höflichkeit eifrig bei der Sache.

Beim letzten Mal hatten wir in einer 5er Runde die sagenhaften Möglichkeiten der Abstauber-Rolle in der Bank kennengelernt. Wer in den ersten beiden Runden zweimal hintereinander die Spielereinsätze auf seine Seite bringen konnte, dem ist der Gesamtsieg wohl nicht mehr zu nehmen. Doch Aaron hat hier jetzt eine Bremse eingebaut: Wer in die Bank geht, muß in der gleichen Runde auf alle Entwicklungsfortschritte verzichten: er darf keine Lager errichten, keine Händler einstellen, seinen Einfluß nicht stärken und seine Reichweite nicht erhöhen.

Dessen ungeachtet ging Günther als Startspieler mit seinem ersten Pöppel unverzüglich auf die Bank los. Aaron und Walter konterten mit einer Allianz und teilten das Angebot an Entwicklungsrichtungen zu billigsten Preisen unter sich auf. Günther konnte gerade soeben mal sieben Yüan auf sein Konto buchen.

Jetzt ging niemand mehr in die Bank. Der früher so begehrte Abstauberposten hatte seinen Glanz verloren. Doch für den Spielverlauf war das kein Verlust an Spaß und Dynamik. Es taten sich neue überraschende Spielzüge aus, deren Reichweite auch für die Analysten vom Westpark noch lange nicht auskalkuliert sind. Und die Bank blieb eine ständige Droh-Option für den Fall, dass die Mitspieler versuchen sollten, sich zu hohen Preisen gleich mehrfach Entwicklungsfortschritte an Land zu ziehen.

Früher als in früheren Spielen wurde bereits in der vierten Runde der Endspurt angezogen. Ein spannender Moment, der aber auch schon im Vorbereitungsgerangel der ersten Runden ständig in den Köpfen parat ist und parat sein muß. Eine Runde später war der Kampf entschieden. Den Schaden, den Günther mit seiner Geldgier in der ersten Runde erlitten hatte, war nicht mehr gut zu machen.
Alle waren bereit, sofort ein zweites „Yunnan“ zu absolvieren. Diesmal ging im gesamten Spielverlauf keiner in die Bank. Die größere Reichweite unter Vernachlässigung der Body-Check-Qualitäten bei taktisch-richtigem Ausnutzen der Zugreihenfolge gab den Ausschlag. Günther leitete noch früher, nämlich schon in der dritten Runde, den Endspurt ein und war – bei leicht überdurchschnittlicher Denkarbeit – nach 25 Minuten Spielzeit Sieger.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Black Jack
Über die schönsten Dinge des Lebens, über Internet-Fernsehen und Niederschlagsradar kam die After-Work-Diskussion zu Black Jack. Wußtet Ihr, dass bei optimalem Vorgehen (Einsatz Verdoppen, Splitten, Versichern etc.) ein Spieler seinen Basis-Einsatz durchschnittlich um 11,67% erhöht und am Ende NUR 0,53% pro Spiel verliert (Wikipedia)! Dieser Verlust ist noch deutlich geringer als beim Roulette! Und das macht es plausibel, dass man durch genaues Beobachten der verbrauchten Karten und entsprechendes Setzverhalten an einem „heißen“ Tisch den Gewinn-Erwartungswert über die Nullgrenze heben kann. Vielleicht!

Trotzdem bin ich beim Black Jack immer schneller mein Geld los als beim Roulette. Eine Runde ist ja auch viel schneller durchgezogen (geschätzte dreißig Sekunden dauert eine Austeilung gegenüber etwa zwei Minuten zwischen zwei „Rien-ne-va-plus“). Und ich muß ununterbrochen meinen Einsatz tätigen, während ich beim Roulette abwarten kann, bis meine Favoritenzahlen lange genug nicht gekommen sind!

Um 2 Uhr 30 war heute die Bank gesprengt und die Runde löste sich auf. Zwei Stunden später (!) als die Spielbank in Garmisch, der ich eine Woche zuvor mit meiner Tochter einen Besuch abgestattet hatte, und die bei einer noch geringeren Beteiligung als heute am Westpark gegen Mitternacht die Pforten schloß.

11.07.2012 : Eigengemachtes und Wiedergekäutes

Ein deutscher Spitzenspieler, ehemaliger Präsident des Deutschen Bridge Verbandes, traf kürzlich bei einem größeren Bridge-Turnier in den USA auf einen ehemaligen Weltmeister. Auch wenn auf solchen Turnieren jeweils nur zwei Partien gegeneinander gespielt werden, kann man dabei doch an Reizung und Abspiel erkennen, wes Geistes Kind die Gegner sind. Beide waren offensichtlich nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen gekommen.

Wenige Tage später trafen die beiden Paare bei einem kleineren Club-Turnier erneut aufeinander, und der Weltmeister sagte zu seinem Partner: „Here we meet two excellent Bridge players from Germany.“ Die Frau unseres Präsidenten korrigierte bescheiden: „Only one.“ Unverzüglich ergänzte darauf der Partner (des Weltmeisters): „I am sure, he will improve fast.“
Was ist hier größer, die Schlagfertigkeit oder die Galanterie?

1. “Yunnan”
Aaron bat darum, seine geburtswehende Eigenentwicklung im Fünferkreis vorzustellen zu dürfen. In wochenlangen Studien hat er weiter an den Balance-Schräubchen gedreht. Jetzt wollte er seine aktuellen Einstellungen gegenüber den unabhängigen Vorgehensweisen von fünf kritischen Geistern testen.

Wir sind Händler auf der Tee- und Seidenstraße noch weit hinter der Türkei und müssen unser Verkaufsnetz optimal ausbauen, um damit mehr Yuans einzufahren als die Konkurrenz. Mindestens drei verschiedene Strategien stehen zur Auswahl, die alle erfolgreiche Aussichten auf den Sieg eröffnen:

  • Manpower-Strategie: Die Anzahl unserer Händler erweitern, um schließlich mit vielem Kleinvieh den großen Mist zu machen.
  • Bodycheck-Strategie: Die brachialen Fähigkeiten unserer Händler ausbauen, so dass sie mit links die Konkurrenz aus dem Feld räumen können.
  • Wide-Area-Network-Strategie: Die Reichweite unserer Händler steigern, so dass sie als erste und einzige ihren Chá in den entfernteren Winkeln der Welt vermarkten können.

Innerhalb dieser Strategien müssen wir noch unser Verhältnis zur Startspieler-Position austarieren und unser Vorgehen beim Umtausch von flüssigen Geldmitteln in stationäre Siegpunkte optimieren.
Aaron hatte im Zuge seiner Spielentwicklung noch eine weitere Strategie ausgemacht:

  • Abstauber-Strategie: Bei jeder Gelegenheit zur Bank gehen und von dort die Hälfe der eingezahlten Geldmittel unserer Mitspieler auf unsere Seite bringen. Mit diesem – zur Zeit noch – ungeheuren Geldfluß dominieren wir nach wenigen Runden alle Investionsmöglichkeiten des Spiels.

Die 90 Minuten Spielzeit waren gekennzeichnet durch Spaß, Spannung und ein Höchstmaß an Interaktion. An allen Ecken und Enden prallten Potenzen und Strategien aufeinander. Horst gewann, weil er mit kaufmännischer Überlegung seine jeweils nächsten Runden plante und als erster in den Endspurt loszog, d.h. Geldgewinn in Siegpunkte verwandelte. Aaron wurde trotz Abstauberstrategie nur Zweiter; aber nur deshalb, weil er aus Testgründen bis zum Spielende am Abstauben festhielt und auf den Siegpunkt-Endspurt verzichtete.

Günther wurde Letzter! (Solche Ergebnisse darf man bei unserem Seriensieger für Strategiespiele immer ins Protokoll schreiben!) Sollte das etwa ein Hinweis darauf sein, dass „Yunnan“ kein Strategiespiel ist? Nein, das kann es nicht gewesen sein. Günther fühlte sich in der originären Startspieler-Reihenfolge zu Spielbeginn benachteiligt. (Idee bei Nachschrift: den Spielern abhängig von ihrer Startspieler-Position unterschiedliche Summen an Startkapital zukommen lassen!) Zudem saß er – wie immer – direkt hinter Aaron und litt so am meisten unter dessen konsequenter Abstauber-Strategie!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Horst und Walter waren mit der augenblicklichen Fassung schon höchst zufrieden. Mindestens ein 7-Punkte Spiel. Moritz hält sich bei „Workerplacement-Spielen“ vornehm zurück. Günther war mit der aktuellen Balance für die Abstauberstrategie absolut nicht einverstanden. Seine Behauptung, als fertiges Spiel bekäme „Yunnan“ in der jetzige Fassung am Westpark das Attribut „broken“, erntete allerdings heftigen Widerspruch.

2. “Rex – Final Days of an Empire”

Dreadnoughts
Nachdem Moritz geduldig auf der Tee- und Seidenstraße malocht hatte, durfte er als nächstes seinen Fantasy-Adventure-War-Game-Favoriten „Rex“ auflegen. Es ist ein Remake von Avalon Hill’s „Dune“ aus dem Jahre 1979. Fantasy Flight Games hatte aus der AH-Konkursmasse die Rechte am Spiel und seinen Mechanismen aufgekauft, der Titel war aber schon bei der Filmproduktion gelandet, so dass das Remake unter einem neuen Namen herauskommen musste.

Auf dem galaktischen Spielbrett sind 18 Regionen luftstraßen-artig miteinander verbunden. Wir bewegen unsere Pöppel durch die Regionen der Galaxis und sind zu einem Vernichtungskrieg gezwungen, wenn wir dabei auf eine Region stoßen, die schon ein Mitspieler besetzt hat. Das Ergebnis dieser Vernichtung wird einerseits durch die – erkennbare – Anzahl von Pöppeln bestimmt, die jeder Gegner dabei zu opfern bereit ist, und andererseits durch die – unbekannte – Kraft der jeweiligen Führer und deren geheime Waffenkarten, die sie mit ins Spiel bringen.

Jeder Spieler hat unterschiedliche Eigenschaften: Einer kassiert für jede Truppenbewegung in der Galaxis, ein anderer beim Kauf von Waffenkarten durch die Mitspieler, einer kann kostenlos Rekruten von den Toten auferwecken und galaktieren, ein anderer darf sich einen Einblick in zukünftige Drohungen und Versprechungen verschaffen. Nicht alle diese Eigenschaften sind gleichwertig. Muß auch nicht sein. Wir haben es ja nicht mit einem Euro-Spiel zu tun.

Damit die Kriegstreiber nicht allein unter sich sind, gibt es noch eine neutrale Figur, die nach einem zufälligen Bewegungsschema durch die Milchstraße fliegt und alles plattmacht, wo sie sich niederläßt. Daher der sinnige Name „Dreadnought“ (Fürchte-Nichts).

Detlev-Aaron hätte gemäß seiner Basis-Eigenschaft in Waffenkarten schwelgen können. Wenn er sich nur welche hätte leisten können. Nach zwei Runden hatte er sein Pulver via Truppentransporte und Scharmützel verschossen. Kein Geld, kein Einfluß, keine Einkommensquelle, kein Aktionsradius! Er hätte nur dann wieder ins Spiel kommen können, wenn ihm einer seiner Kriegsgegner (!) freiwillig etwas abgegeben hätte. Da wir alle noch bei Trost waren, blieb ihm so als einzige Unterhaltung sein Ipod mit den neuesten Nachrichten vom Tage. Diese ungebührliche Beschäftigung wurde gaudihalber von keinem Mitspieler moniert!

Hacan-Walter gewann! Ein Fantasy-Kriegsspiel!? Kein Wunder: nachdem Hacan als Basis-Eigenschaft die Rubel zum Betreiben der Kriegsmaschinerie nur so zufliegen, war es ein Nobrainer, die drei Regionen in der Galaxis zu besetzen, die zum Sudden-Death-Sieg notwendig waren. So wurden heute alle Strategie- und Wargame-Klischees vom Westpark durcheinandergemischt!

WPG-Wertung: Aaron: 8 (das Dreadnought-Modell findet er cool, ansonsten war er drei Runden lang – 60% der Spielzeit – mit Nachrichtenlesen beschäftigt; vielleicht sind seine 8 Punkte mit den 8 Einflußpunkten korreliert, die er hätte einstreichen können, wenn ihm Moritz nicht in die Quere gekommen wäre), Günther: 3 (Atmospäre allein ist für ihn kein Güte-Kriterium. Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Er mag diesen Spieltyp grundsätzlich nicht;), Horst: 6 (ausnahmsweise – unverständlicherweise – fand er diesmal nicht ins Spiel), Moritz: 9 (Ist ein Fan von dieser Art von Spielen. Allein die verschiedenen Charaktere findet er spannend. 10 Punkte bekommt – schon pietäthalber – nur das „Dune“-Original, das er mit anhaltender Begeisterung bestimmt mehr als 100 mal gespielt hat), Walter: 4 (akzeptierte nach der Yunnan-Arbeit den Rex-Dödel-Kontrast).

3. “Bluff”
Im 1:1 Endspiel Aaron gegen Horst fing Aaron mit der ungebrochen-grandiosen Vorgabe von 1 mal die Vier an. Horst hob auf 1 mal Stern!

Ist das ein guter Konter? Von der Theorie her gewiß nicht! Hat Horst tatsächlich einen Stern unter seinem Becher, so hat Aaron gewonnen, wenn er dies glaubt; hat Horst keinen Stern unter dem Becher, so hat Aaron gewonnen, wenn er anzweifelt. Die Siegchancen für die „1 mal Stern“-Antwort sollten eigentlich weniger als 50% sein!

Doch der Erfolg gab ihm recht. Post-Mortem-Einschätzungen werden angenommen, ob Horst jetzt einen Stern gewürfelt hatte oder nicht.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

04.07.2012: Portwein für den Krieg der Genies

Bis morgens um halb Drei mit Aaron und Günther palavert. Über Beruf, Banker, Politiker, Autos und Massagen. (Anlässe sind immer gegeben.) Teilgeschlafen. Die beste aller Ehefrauen mit guten Wünschen auf ihren Weg ins Büro begleitet. Ausgeschlafen. Üblicher Rentner-Vormittag. Jakobsmuscheln auf Kartoffel-Kohlrabi-Püree zum Mittagessen gekocht. (Probekochen für den nächsten Skat-Abend.) Küchendienst. Zur ersten Massage des Lebens. (Thai-Öl-Ganzkörper-Massage.) Wie beim nächtlichen Palaver prognostiziert, keine erkennbare Wirkung. (Nulla effectus in corpore sano!) Höchste Zeit, sich an den Session-Report zu machen, bevor es zum Donnerstag-Bridge in den Club abgeht.

1. “Vintage”
Ein portugiesisches Spiel für den internationalen Markt. Der Titel läßt im Deutschen erahnen, dass es um Weinbau geht. Als Anglizismus bezeichnet es einen besonders ausgezeichneten Jahrgang eines Weines, Portweins oder Whiskys (Wikipedia). Das englische Wort „Vintage“ hat aber eine größere Spannweite. Als Eigenschaftswort reicht seine Bedeutung von „altmodisch“ bis zu „hervorragend“ (LEO), und als Hauptwort hat es sich auf die Mode verlegt und bezeichnet ein Kleidungsstück, das mittels künstlicher Löcher und ausgewaschenen Farben auf „gebraucht“ getrimmt ist. Doch das ist eine andere Geschichte.

Wir bleiben beim Wein, genauer gesagt bei der „Portweinproduktion im Douro-Tal, der ältesten abgegrenzten Weinregion der Welt“. Das Spielbrett zeigt das Douro-Tal mit den umliegenden Weinbergen. Jeder Spieler läßt seinen Aufseher und seine vier bis sechs Arbeiter darin werkeln:

  • neue Weinberge anzulegen – hierbei sind Preis, Ertragreichtum, Qualität und Transportkosten in Einklang zu bringen.
  • Rebsorten anzupflanzen – Sortenreichtum ist geboten, vollständige Bepflanzung erhöht die Qualität.
  • Trauben zu lesen – mit Schwankungen in der Jahrgangsqualität.
  • die Trauben in die heimischen Weinkeller zu transportierenen – entfernt liegende Weinberge binden erhebliche Manpower für den Transport.
  • den Wein reifen zu lassen – dieser Prozess kommt im Spiel leider überhaupt nicht vor. Eingelagerte Weine sind unverzüglich auch verkaufsfähig. Schade eigentlich, die klassische Herstellung von Vinyard Port mit dem Stoppen der Vergährung durch Zugabe von Branntwein hätte noch vielfältige weitere Aufgabenstellungen abwerfen können. Im Spiel wird der Branntwein lediglich als unabkömmliches Lockmittel für die Arbeiter im Weinberg gebraucht. Wer hier seinen letzten Tropfen verbraucht hat und bei der zugehörigen Weinlese nicht gleich im selben Atemzug für neuen Nachschub sorgt, kann nach Hause gehen. Nie wieder wird er seine Arbeiter zum Arbeiten im Weinberg verlocken können.
  • den Wein verkaufen – mit dem Würfel wird noch ein bißchen an der Qualität gedreht, die Lagerkapazitäten limitieren den Ertrag. Maximal zwei Einheiten des besten Weines gehen als „Colheita“ für vier Siegpunkte über die Kellerschwelle. Im schlimmsten Fall von Überproduktion muß man je fünf Einheiten seiner Spitzenproduktion als „Tawny“ für einen einzigen Siegpunkt verkaufen.

Das ganze riecht nach sehr viel Arbeit. Ist es auch. Eine geschlagene Stunde brauchte Günther allein, um uns die Arbeitsanweisungen näher zu bringen. Dann fängt das Spiel äußerst zäh an und hört mittelprächtig zäh auf. In der ersten Runde können wir gerade mal einen neuen Weinberg erstehen. Damit ist unser Anfangskapital von drei Siegpunkten auch schon erschöpft. Der neue Weinberg hat zunächst weder Trauben noch Arbeiter; außer der Kapitalbindung bringt er keinen Effekt.

Mit dem Miniweinberg unserer Startaufstellung können wir gerade mal einen einzigen Zuber Trauben lesen und eine einzige Flasche Branntwein erzeugen. (Wenn wir hier die Branntwein-Produktion vergessen, können wir gleich nach Hause gehen, siehe oben!) Verkaufen können wir in der ersten Runde nichts, denn für Transport und Verkauf reicht unser Stammpersonal nicht mehr hin.

Wir dürfen unser Arbeiter aber nicht so mir-nichts-dir-nichts an die Arbeitsplätze schicken. Wir müssen für jeden Arbeitsschritt zuerst eine Arbeitsgenehmigung einholen. Bezahlen müssen wir das mit Arbeitern, deshalb stehen wir auch so schnell ganz ohne da. Der Preis für die Arbeitsgenehmigung wächst zudem linear. Die erste Traubenlese pro Runde kostet einen Arbeiter. Die zweite kostet schon zwei Arbeiter. Wieviel kostet wohl die dritte Lese? Und wie oft könnte der vierte Mitspieler seine Arbeiter zur Lese schicken, wenn er, wie zu Spielbeginn, gerade drei Arbeiter im Personalbüro hat? Richtig geraten, überhaupt nicht mehr!

Zum Glück gibt es den Aufseher, der fast überall hinkommt und nur den einfach Preis bezahlen muß. Und es gibt Zauberkarten, die manche Erledigung unserer Aufgaben erleichtern oder beschleunigen; doch ihr Erwerb und ihre Nutzung kostet Zeit und bindet ebenfalls Personal, das wir gerade am Anfang nicht haben.

Wenn wir dann nach der zweiten oder dritten Runde den ersten Wein in unseren Verkaufsregalen liegen haben, dann ist er von Menge und Qualität so gering, dass wir dafür mit viel Glück höchstenfalls einen oder zwei Siegpunkte erlösen können. In der Regel reicht es nur, ein paar Flaschen in das Regal mit dem Tawny-Schrott zu stellen. Zum Leben zu viel, zum Sterben zu wenig. Nach einer Stunde Spielzeit hatten wir die Hälfte der Runden geschafft, vegetierten aber größtenteils immer noch mit unseren zwei Weinbergen herum und hatten zwischen 0 (Null!!) und 5 Punkten auf dem Siegpunktkonto! Kein Geld, kein Schnaps, keine Leute! Das sind offensichtlich die Charakteristika von Vintage.

Nach sieben Runden und zwei Stunden Spielzeit kam der Sieger über die Besitzstandswertung am Schluß auf 27 Punkte. Die er wohl durch die glückliche Startspielerposition, eine glückliche Weinbergskauf-Zauberkarte und unbehelligtes Bepflanzen des frühen zweiten Weinbergs mit schwarzem „vigna antica“ zusammenkratzen konnte.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (stumpfe Optimiererei, es fehlt der Pfiff. Unnötig viel zu überlegen), Günther: 5 (man muß was tun, um es interessant zu machen. [Im Moment weiß ich nicht mehr, was er damit sagen wollte.]), Moritz: 4 (ist halt ein Workerplacementspiel; wenn es mit Eisenbahn-Thematik zu tun hätte, bekäme es einen Punkt weniger), Walter: 4 (der Konstruktionsentwurf verdient 8 Punkte, doch an der Ausarbeitung mangelt es hinten und vorne; die einzige Spannung liegt im Hinterherlaufen bei den begehrten, bitter notwendigen Arbeitsplatz-Angeboten.).
Ich schlage „Vintage“ für den „Horst des Monats“ vor.

2. “Wiz War”
Auf einem schachbrettartigen 10 x 10 Labyrith liegen von jedem Spieler verstreut zwei „Schätze“. Jeder Spieler hat einen Genie-Pöppel (vielleicht auch Zauberer genannt), den er durch das Labyrinth bewegt. Aufgabe ist es, so schnell wie möglich zwei fremde Schätze aufzulesen und im eigenen Heimat-Quadrat abzuliefern. Wem das als erstes gelingt, der hat gewonnen.

Pro Zug dürfen wir uns uns standardmäßig um drei Felder vorwärts-rückwärts-seitlich-bei bewegen. Durch Ausspielen entsprechender (Energie-)Karten auch noch um bis zu fünf Felder (pro Karte!) weiter. Diese Karten, von denen wir bis zu sieben auf den Hand haben, die wir pro Zug alle ausspielen dürfen, und von denen wir pro Zug zwei nachziehen dürfen, sind das Salz in der Suppe. Sie dienen nicht nur zur Erweiterung unseres Bewegungspotentials, mit ihnen können wir auch Breitseiten auf unsere Gegner abfeuern (Gegner sind alle unsere Mitspieler), wir können sie in ein Salzsäure-Bad tauchen oder wir bauen Mauern, um uns und unsere Schätze vor ihnen in Sicherheit zu bringen.

Natürlich gibt es auch Karten, um uns zu schützen, um die Mauern wieder einzureißen oder um gegnerische Schadenspunkte auf sie zurück zu lenken. Und es gibt Karten, mit denen wir die Kartenhand der Gegner bestehlen oder dezimieren können.

Zum Spielziel erklärte Moritz: „Man gewinnt, wenn man zwei Siegpunkte hat!“ Großes Gelächter auf allen Seiten. Selbst beim äußerst ertragsarmen „Vintage“ waren es mehr Siegpunkte gewesen. Seine Einführung beendete Moritz mit der Behauptung: „Der Kampf ist total strategisch! Ohne Glück!“ Großes Gelächter von seiner Seite. Galgenhumor zum Überspielen seiner üblichen Zwecklüge.

Der ideelle Konflikt bei allen Aktionen besteht darin, dass wir einerseits ausrücken müssen, um freme Schätze aufzuladen und nach Hause zu transportieren; dass wir andererseits aber damit unsere eigenen Schätze als Beute für die Gegner frei herumliegen lassen müssen. Im Mittelspiel trug Günther wie eine gute Känguru-Mutter einen seiner eigenen Schätze auf seinen Beutezügen mit sich herum. Solange, bis er einen fremden Schatz aufnehmen konnte und dafür seinen eigenen Schatz dort abladen mußte. Vielleicht ganz tricky, beim dem Angebot an herumliegenden Schätzen aber leicht überflüssig.

Um zu gewinnen muß man gute Kartenpflege betreiben. (Nachdem man ausreichend gute Karten gezogen hat.) Vor allem Potential für den Schlußspurt. (Wenn man keine bösen Gegner hat, die einem die besten Karten der Hand wegstehlen.)

Ein Wiz, eine Mauer, eine Heimatbasis und ein Schatz

Walter wußte – wie immer bei solchen Fantasy-Adventure-Kriegsspielen – nicht, was er mit seinen Karten anfangen sollte. Wenn schon Waffen-Karten in der Hand, dann auch abfeuern. Auf wen? Auf den, der am nächsten steht. Wenn schon Mauern-Karten in der Hand, dann auch Mauern bauen. Wohin? Dorthin, wohin der Nächste nicht weglaufen sollte. Beidesmal traf es Aaron. Strategisch und taktisch unsinnig. Er ertrug es tapfer. Stellt Euch mal das Lamentieren vor, wenn Walter seine irrationale Spielweise gegen Moritz ausgeübt hätte! Hallo Aaron, es tut mir jetzt noch leid, dass ich uns dieses Vergnügen vorenthalten habe!

Günther äußerte Verständnis: „Das Spielziel liegt darin, möglichst viel Chaos zu erzeugen und dann irgendwie durch Zufall zu gewinnen.“

WPG-Wertung: Aaron: 3 (funktioniert, möchte es aber nicht nochmals spielen. Vielleicht frustriert von Walters Chaos-Strategie), Günther: 4 (das Spiel lebt vom Chaos, die [Pseudo-Stimmung-suggerierenden] Texte auf den Karten sind lächerlich.), Moritz: 6 (das Spiel ist lustiger als „Vintage“), Walter: 3 (nur wenn man in Chaos-Stimmung ist)

Zu Beginn des Spiels wollte Moritz nicht jedem Spieler seine traditionellen Farben geben, sondern verteilte sie zufällig. Großer Protest. Bevor er auch nur das Spielbrett ausbreiten konnte, hatte sich jeder durch heimliches Tauschen wieder seine Favoritenfarbe an Land gezogen. Moritz versuchte zwar, dagegen zu argumentieren, doch gegen die Phalanx der befriedigten Favoriten kam er nicht an.
Auch beim Aufstellen des Spielbretts ging Moritz (spielregel-gerecht?) nach einem Zufallsprinzip vor. Anstatt jedem seine Lieblingsfarbe vor die Tür zu legen, wie es sich für die Go-Maxime: „Ein guter Go-Spieler spielt bei sich selbst!“ gehört. Gibt es für die strenge Verfolgung der Zufallsverteilungen eine im Spielablauf liegende logische Begründung? Ich sehe keine. Nicht für das erste Spiel und nicht für das hunderste Spiel. Die Zufallsauswahl der Karten, das was man damit anfängt, und die freien Bewegungen bringen die Abwechslung ins Spiel. Sie alleine!

27.06.2012: Spiele des Jahres, Fußball des Tages

Die Goethe-Universität in Frankfurt hat nach einem statistischen Modell berechnet, wer die diesjährige Fußball-Europameisterschaft gewinnen wird. Basis für die Rechnerei ist die schlichte Erkenntnis, dass die Ergebnisse von Fußballspielen Zufallsereignisse mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten sind. Jede Mannschaft schießt etwa 9 mal direkt aufs Tor. Die eine Mannschaft trifft aber häufiger als die andere. Die Wahrscheinlichkeit für das Häufiger-Treffen wird aus den Ergebnisse von früheren Begegnungen und aus der derzeitigen FIFA-Punktzahl gebildet.
Finales Ergebnis der jungen Goethes:
Deutschland kommt mit 62,14% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 31,92%.
Italien kommt mit 41,61% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 19,77%.
Spanien kommt mit 57,71% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 29,64%.
(Näheres unter http://www.fussballmathe.de)

Diese Ergebnisse stammen offensichtlich aus der Zeit vor dem heutigen Portugal-Spanien-Spiel, denn jetzt ist Spanien bereits mit 100% im Finale. Und warum die Summe aus den Final-Wahrscheinlichkeiten für Deutschland und Italien keine 100% ausmacht, das ist auch nicht ganz plausibel. Mir zumindestens nicht. Ich weiß nur, dass der alte Goethe als Naturwissenschaftler ein paar dicke Kalauer vom Stapel gelassen hat. Warum nicht auch die jungen Goethes?
Morgen wissen wir mehr, und am Sonntag wissen wir alles.

1. “Vegas”
Auf die recht harsche Kritik von letzter Woche hat uns Rüdiger Dorn eine ruhige, sachliche Antwort zukommen lassen. Er verwies auf die Störer-Variante: Jeder Spieler bekommt zu seinen acht eigenen Würfeln noch zwei fremde Würfel eines Dummy-Mitspielers dazu, die er unabhängig von seinen eigenen Würfeln legen kann. Damit kommt etwas mehr Schadenfreude ins Spiel. Es geht nicht mehr allein darum, mit Blut, Schweiß und Tränen an ein paar Dollars ran zu kommen, jeder hat a priori zwei Würfel in der Hand, die ausschließlich dazu da sind, den Mitspielern beim Aneignen begehrter Pfründen in die Suppe zu spucken.
Moritz spürte sofort, dass das Spiel „deutlich lustiger“ wurde. Günther schränkte ein: „Aber nicht weil das Spiel auf diese Weise lustiger ist, sondern weil wir uns darüber lustig machen!“ Aaron bilanzierte. „Es ist halt ein gehässiges Spiel:“ Zur Versöhnung gab Moritz noch eine seiner unendlichen Weisheiten zum Besten:
„Das Spiel will nicht mehr als es ist!“.
Wir hätten alle gerne etwas mehr gehabt und bastelten an Varianten. Beispielsweise:

  • Es gibt Joker-Würfel
  • Die letzten drei Würfel dürfen / brauchen nicht mehr ausgelegt werden.
  • Eine Spielrunde endet mit Sudden Death, sobald ein Spieler alle seine Würfel plaziert hat.
  • Würfel müssen nicht immer ausgelegt, werden, sie dürfen auch einfach beiseite gelegt werden.
  • Augenzahlen sind kombinierbar.

Sicherlich haben Autor und Verlag viele Vegas-Varianten ausprobiert. Das oberste Ziel war aber offensichtlich die Einfachheit der Regeln. Schließlich kann heutzutage nur so ein Spiel-des-Jahres entstehen.
WPG-Wertung für Vegas mit der Störer-Variante: Aaron: 6 (glatt, vorher 6-minus), Günther: 4 (bleibt), Moritz: 4 (die erste Runde war noch ganz lustig, nach der zweiten Runde habe ich mich gelangweilt), Walter: 4 (vorher 3).

2. “Infiltration”
Infiltration“In ‘Infiltration’ two to six players control futuristic thieves, known as operatives, infiltrating a highly secure corporate facility to steal digital files. Each operative attempts to outwit his counterparts and collect the most data. But most importantly, each operative must escape the facility before the security mercs arrive.” – So steht es in der Game-Overview. Der Google-Translator übersetzt das (leicht verbessert) zu: „In ‚Infiltration’ steuern zwei bis sechs Spieler futuristische Diebe, als Arbeiter bekannt, die eine hochsichere Corporate Facility infiltrieren, um digitale Dateien zu stehlen. Jeder Arbeiter versucht, seine Amtskollegen zu überlisten und die meisten Daten zu sammeln. Am wichtigsten ist aber, dass der Arbeiter die Anlage verläßt, bevor die Sicherheits-Söldner ankommen.”
Wie infiltrieren wir die Facility? Indem wir die Aktionskarte „Advance“ spielen. Mit jeder Advance-Karte kommen wir ein Feld (=Raum der Facility) vorwärts. Wie stehlen wir Dateien? Indem wir die Aktionskarte „Download“ spielen. Solange der Vorrat reicht. Wenn die letzte Datei vom Feld, auf dem wir gerade stehen, entwendet wurde, gibt es nichts mehr zu holen. Dann sollten wir ins nächste Feld ziehen. Wie? Siehe oben.
Wie kommen wir aus dem Spielfeld wieder heraus? Indem wir die Aktionskarte „Retreat“ spielen. Damit gehen wir ein Feld zurück in Richtung Ausgang. Wenn wir “Retreat” mindestens so oft gezogen haben, wie wir im bisherigen Spielverlauf advanciert sind, sind wir draußen. Wann kommen die Sicherheits-Söldner? Wenn die Summe aller Augen, die wir mit dem Zeitwürfel gewürfelt haben, die Hundert überschreitet. Durchschnittlich könnte man mit 100 geteilt durch 3 ½ Zeitwürfel-Würfen rechnen. Da die Uhr aber schneller geht und immer wieder eine zusätzliche Zeitspanne addiert wird, ist das Spiel schneller aus als man denkt.
Wer noch schneller fertig werden will, spielt gleich im ersten Zug die „Retreat“-Karte. Unverzüglich ist er draußen und kann sich das aufregende Portugal-Spanien-Spiel anschauen.
Gibt es noch was? Ja, jeder hat ein paar Item-Karten auf der Hand, die er anstatt oder zusätzlich zu seiner Aktionskarte spielt. Damit kann er sich ein bißchen schneller bewegen. Vorwärts und rückwärts!
Nachdem jeder ein paar Runden lang advanced und downloaded hatte, entfuhr es Aaron: „Das kann es doch nicht sein, was wir jetzt machen.“ Moritz beruhigte: „Es ist halt ein No-Brainer“. Zu Deutsch: Ein Kinderspiel! Höchstenfalls!
Günther stieg als erster aus. Dabei wollte er nicht einmal das Fußballspiel anschauen. Er hatte nur eine Item-Karte in der Hand, mit der er die Restspielzeit gleich um ein Drittel verkürzte. Er war der einzige, der überlebte. Für alle anderen reichte die Zeit nicht mehr, im Retreat-Tempo den Ausgang zu erreichen. Moritz hat es trotzdem Spaß gemacht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (störte sich an der unterschiedlichen Wertigkeit des Diebesgutes. Der zufall-bestimmte Unterschied kann bis zu 300% betragen), Günther: 4+ (zu viel Text, d.h. Brimborium, für die einfachen Züge), Moritz: 7 (würde ich sofort wieder spielen. Thematisch überzeugend), Walter: 3 (würde es nicht nocheinmal spielen, wenn man ein Drittel der Feld-Effekte kennengelernt hat, ist das abstrakte Thema ausgelutscht).
Walters Ausgelutscht-Aussage konterte Aaron mit dem Hinweis auf die Geisterbahnen auf Rummelplätzen. „Jeder weiß, was da drin ist, und trotzdem gehen alle rein.“ Ach! In den Geisterbahnen will man doch nicht neue Geister kennen lernen. Zum Küssen sind sie da!

3. “Pictomanic”
PictomaniaEin Unterhaltungs- und Familienspiel, das es heuer bis auf die Empfehlungsliste zum “Spiel des Jahres” gebracht hat. Jeder bekommt einen unterschiedlichen Begriff vorgegeben (Auto, Ball, Cafe), dann malen alle gleichzeitig ihren Begriff und versuchen, als erster die Begriffe zu raten, die ihre Mitspieler malen. Ein ähnliches Prinzip wurde schon sehr erfolgreich mit dem Spiel-des-Jahres „Barbarossa“ verfolgt.
Punkte gibt es für das richtige Raten, für das richtige Geraten-Werden und für die Geschwindigkeit, mit der man das erledigt.
Das Spiel hat einen netten Unterhaltungswert, wie alle Spiele dieser Art. Tragisch ist es nur für den, der als einziger vom Fach ist, und dessen fachkundigen Gemälde nicht erkannt werden. Wie leicht kann für einen Nicht-Astronomen aus der Jungfrau ein Stier werden. Moritz hielt Walters Gitarre für eine Geige, Günthers Steinpilz war zweifellos ein Fliegenpilz und alle hielten Aarons Hyäne für einen Fuchs.
Die vorgegebenen Begriffe haben einen steigenden Schwierigkeitsgrad. Wir waren bald überfordert. Nicht nur mit Gitarren, Hyänen und Steinpilzen. Wie malt man denn einen „Algorithmus“? Reumütig und einsichtig kehrten wir zu den Anfängerbegriffen zurück.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (hoher Wiederspielwert, die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade sind eine gute Idee, vorzügliche Skalierbarkeit für 4 bis 6 Personen), Günther: 7, Moritz: 7 (das Punktesystem ist das genialste am Spiel), Walter: 6 (die Idee ist nicht neu, der Zeitdruck stört die Kontemplation, das geilste sind die abwaschbaren Mal-Tableaus).

4. “Sequence”
Das Spielbrett zeigt ein Muster von Bridge-Karten. Jeder Spieler hat eine Kartenhand von 6 Karten und spielt reihum eine frei wählbare Karte daraus aus. Die ausgespielte Karte gibt das Feld auf dem Spielbrett an, wo der Spieler einen Chip hinlegen darf. Ist es einem Spieler gelungen, fünf Chips in waagrecht, senkrecht oder diagonal benachbarte Felder zu legen, so hat er gewonnen. Bei vier Spielern bilden die beiden gegenübersitzenden Spieler ein Team und gewinnen (oder verlieren) gemeinsam.
Wie beim Gobang-Spiel müssen ständig zwei Ziele im Auge behalten werden: eine eigene Fünfer-Sequenz zu bilden und beim Gegner eine solche zu verhindern. Beim Gobang hat dabei aber jeder Spieler unendliche künstlerische Freiheit, in „Sequence“ können nur die maximal 6 verschiedenen Felder gemäß der eigenen Kartenhand belegt werden. Ein kleines bißchen Aufpassen über die Gebilde der Gegner schadet nicht, der Rest ist Kartenglück.
Der italienische Untertitel des Spiels lautet: “Un emozionante gioco di strategia“, der englische Untertitel: „An exciting game of Strategy“. Deutscher Untertitel: Fehlanzeige. In Mini-Schrift darunter gesetzt: „Mit Strategie und Glück gewinnen.“ Wir Deutschen sind entweder sauertöpfisch oder humorlos. Oder schlichtweg wahrheitsliebend.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (möglicherweise als Absacker geeignet), Günther: 7 (nur zum Zeitvertreib), Moritz: 5, Walter: 5 (reines Glücksspiel, plus ein bißchen Wahrnehmen, was das Glück uns geboten hat).
Inzwischen hat Spanien das Elfmeterschießen gewonnen.

5. “Zooloretto – Würfelspiel”
Zooloretto WürfelspielEin Spiel-des-Jahres ist immer eine Variation wert. 2007 hat das Brettspiel „Zooloretto“ den begehrten Titel gewonnen, 2012 kam die jetzige Würfelversion heraus.
Mit Hexawürfeln, auf denen Zooloretto-Tiere abgebildet sind, würfeln wir die Tierearten aus, die auf dem Markt zu haben sind, und laden sie auf Transporter. Jeder Spieler kann wählen, ob er zwei weitere Tiere herausbringt oder ob lieber die Tiere auf einem der beladenen Transporter in seinen Zoo einreiht. Am Ende bestimmt der beste Zoo den Sieger.
Für Aaron eine gelungene Kombination von „Choice“ und „Vegas“. Für Walter war auch noch ein bißchen „Kniffel“ dabei.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (nicht besonders spannend), Günther: 7 (die beste Umsetzung eines Brettspiels als Würfelspiel), Moritz: 6 (das Original-Zooloretto ist besser), Walter: 5 (Würfelspiel mit der üblichen chaotischen Abhängigkeit von den Aktionen der Mitspieler).

20.06.2012: Zocken und Malochen

Kritik und Freude
Kritik, einseitige und ungerechte ebensogut wie verständige, macht dem, der sie übt, so viel Vergnügen, dass die Welt jedem Werk, jeder Handlung Dank schuldig ist, welche viel und viele zur Kritik auffordert: denn hinter ihr her zieht sich ein blitzender Schweif von Freude, Witz, Selbstbewunderung, Stolz, Belehrung, Vorsatz zum Bessermachen. – Der Gott der Freude schuf das Schlechte und Mittelmäßige aus dem gleichen Grunde, aus dem er das Gute schuf. (Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches II)

1. “Vegas”
Erstens von Rüdiger Dorn, zweitens bei Alea verlegt, drittens in der „Spielbox“ hoch gepriesen, viertens in wenigen Tagen zum „Spiel des Jahres 2012“ gekürt (vielleicht). Für Aaron genügend Gründe, das Spiel trotz massiver Unkenrufe von Günther (negativer Spannungsbogen, am Ende wird man gespielt) zu erstehen.

Auf dem Tisch liegen sechs Stapel („Casinos“) mit ein bis drei Geldscheinen in der Stückelung von 10 bis 90 (Tausend) Dollar. Jedem Stapel ist eine der Würfelaugen 1 bis 6 zugeordnet.Vegas 2012
Jeder Spieler würfelt zu Beginn mit 8 Würfeln, wählt davon alle Würfel einer Augenzahl aus und legt sie zum zugehörigen Geldstapel. Das geht reihum so. Wenn ein Spieler wieder an der Reihe ist, würfelt er mit seinen restlichen Würfeln, wählt wiederum eine Augenzahl aus und legt sie an den entsprechenden Geldstapel. Das geht so lange, bis alle Spieler alle ihre Würfel irgendwie auf die Geldstapel verteilt haben. Zuerst mit einer gewissen Auswahlmöglichkeit, zuletzt ohne jeden Freiheitsgrad, denn der letzte Würfel muß zwangsläufig an den einzig vorbestimmten Geldstapel gelegt werden. Wenn die beiden letzten Würfel die gleiche Augenzahl haben, ist ihr gemeinsamer Bestimmungsort auch schon vorbestimmt. Wenn ein Spieler zufälligerweise gleich beim ersten Wurf acht gleiche Zahlen würfelt (die Wahrscheinlichkeit dafür ist 1: 279936), dann muss er alle seine Würfel ebenfalls an den einzigen vorbestimmten Geldstapel legen und beendet für diese Runde seinen Zug.

Jetzt erfolgt die Würfelwertung: Wer an einem Geldstapel die meisten Würfel liegen hat, bekommt den höchsten dort ausliegenden Geldschein, die zweitmeisten Würfel bekommen den zweihöchsten Geldschein usw. Gleichviel Würfel patten sich aus, keiner der Würfelbesitzer bekommt etwas und es lacht der Dritte.

Was gehört zur Taktik des Spieles? Bevor Aaron dem reinen Glücksspiel auf der Soll-Seite ein „gutes Würfelmanagement“ zubilligen konnte, hatte Günther auf der Ist-Seite schon ein „Man muß gut würfeln“ untergebracht. Claro, wenn jeder Spieler reihum seine letzten Würfel plazieren muß, können leicht noch neue Mehrheiten entstehen oder Führungshoffnungen mittels Patt sich in Luft auflösen. Zwangsweise, wohlgemerkt.

Natürlich gibt es was zu freuen, wenn sich zwei starke Goliaths eliminieren und der kleine David den Reibach absahnt. Aber mindestens zwei Mitspieler freuen sich dann NICHT. Birgit flehte: „Oh Gott, lass es eine 5 sein!“ Es war eine 5 und sie übernahm die Anwartschaft auf 80 Kilo Dollars. Doch dann bekam Aaron auch eine 5, zog mit ihr gleich und die 80 Kilos erhielt schlußendlich der mickrige Zufalls-Dritte. Als Günther vor seinem letzten Würfelwurf stand, murmelte irgend jemand: „Wenn er jetzt eine 3 würfelt, ist das Spiel blöd!“ Das Spiel war blöd!

Wir hätten vielleicht nicht mit „Vegas“ anfangen sollen! Wir waren noch nicht vorgeglüht. Erst wenn jeder eine Flasche Rotwein in sich hat, kann das saublöde Würfeln seine volle Unterhaltungskraft entfalten.

WPG-Wertung: Aaron: 6- (das Spiel funktioniert, ist schnell erklärt und ansonsten ein reines Glücksspiel), Birgit: 4 (hat am Anfang ein bißchen Spaß gemacht, dann war es langweilig), Günther: 4 („Kniffel“ ist wesentlich besser), Horst: 6+ (zum Ködern von Nicht-Spielern, könnte sogar Suchteffekte auslösen, andere Spieler ärgern ist schließlich eine positive Emotion), Walter: 3 (nach zunächst euphorischen 7 Punkten! Ist dem Alter entwachsen, wo Sich-ärgern oder Sich-über-den-Ärger-anderer-Freuen“ genügend Wiederspielreiz ergibt.)

Lieber Rüdiger, mit Schrecken habe ich in der After-Party-Diskussion erfahren, dass Du der Autor dieses Spiels bist. Tut mir leid, mein Spiel ist es nicht. Zu meinem Spielspaß gehören:

  • Eine nette Spielrunde. – Das haben wir auch ohne Dich.
  • Neue, hübsch ausgedachte Spiel-Ideen kennenlernen. – Das mit dem sukzessiven Würfel-Verteilen ist höchstenfalls eine Richtung, aber noch kein Ziel.
  • Vor und während des Spiels einen Plan haben können. – Bei Glücksspielen ist das Fehlanzeige.
  • In Konkurrenz kämpfen und mit spielerischen Mitteln ein Ziel verfolgen. – Bei Glücksspielen ist …

Günther hatte heute zufälligerweise auch Dein „Goa“ dabei. Vor kurzem hat ihm das bei den Münchener Spuiratzn mal wieder außerordentlich gefallen. Mit diesem Superspiel kannst Du auch bei mir punkten. Mit „Vegas“ leider nicht. Glücklicherweise – für Dich – hat die Jury von „Spiel des Jahres“ aber einen anderen Geschmack als ich. Und sie läßt sich von unseren Spielkritiken auch nicht beeinflussen.

2. “Stone Age – Mit Stil zum Ziel”
Walter forderte einen Platztausch mit Günther. Offiziell wollte er dabei der Birgit besser in die Augen schauen können, inoffiziell fürchtete er im Steinzeitalter die ständige Interessenkollisionen mit Günther und wollte sich dafür die Zug-Priorität sichern. Was kann man daraus schließen? Zumindest diese beiden hatten bereits vor dem Spiel einen taktisch-strategischen Plan. Entweder Kinder-Kriegen und Hungern-Lassen oder Schmuck-Handel und damit die Welt-Aufkaufen. 1:0 für „Stone Age“ gegen „Vegas“.

Aaron wurde Startspieler und riß sich gleich den Kreißsaal unter den Nagel, so dass Walter – erfreulicherweise – nur noch der Juwelierladen übrigblieb. Selbstverständlich wählte er auch als Startspieler in der zweiten Runde diese Option. Günther hatte (zunächst) beide Male das Nachsehen.

An dieser Stelle kritisierte Birgit das Einschwingverhalten von „Stone Age“. Offensichtlich gehört es unabdingbar zur Siegstrategie, in den ersten Runden mit höchster Priorität den Schmuckhandel zu wählen und als zweites das Kinder-Kriegen. Stimmt das? Das entspräche einem strategischen Freiheitsgrad von Null. Günther – Theoretiker oder HiG-Parteigänger – legte dagegen sofort Widerspruch ein: „Und wie steht es mit Nahrung, wie mit der zusätzlichen Würfel-Kampfstärke?“

Nun ja, als er selber die freie Auswahl hatte, engagierte er sich selbstverständlich ebenfalls ohne Zögern im Schmuckhandel. Allerdings folgt im „Stone Age“ nach dem Recht der ersten Nacht noch ein wahres Feuerwerk an weiteren Zugriffsmöglichkeiten. Günther wählte die „Symbolstrategie“. Er sorgte dafür, dass er immer ausreichend Schmuckstücke im Beutel hatte und erwarb sich damit immer – sofern noch verfügbar – die offen ausliegende Mit-Stil-zum-Ziel-Sonderkarte und zugleich auch noch die verdeckte Zusatzkarte, um sich mittels der quadratisch anwachsenden Schlußprämie für die Anzahl verschiedener Symbole auf den ersten Platz hochzukatapultieren. Das gelang. 64 Siegpunkte für die Symbole und ein paar weitere Prämienkarten hievten ihn in der Schlußwertung vom letzten auf den ersten Platz. Besitzt die Stil-Erweiterung von „Stone Age“ schlußendlich doch eine eindeutige und damit triviale Gewinnstrategie?

WPG-Wertung: Birgit: 8 (macht Spaß), Horst: 8 (die Wartezeit bei 5 Spielern tendiert ins Negative), Aaron reduziert in einer 5-Spieler-Runde seine Wertung auf 6-Punkte.

Frage: Ist Geschwindigkeit und Spielspaß in einer 5er Runde nicht bei jedem Spiel geringer als in einer 4er Runde. Aus dem Stegreif fielen uns als Ausnahmen von der Regel nur „Bluff“ und „1830“ ein!

3. “Rapa Nui”
Nach dem anstrengenden 2 ½ stündigen Werkeln im Steinzeitalter waren Birgit und Horst abgeschlafft und begaben sich mit dem vorvorletzten Fahrrad zu Kind und Kegel nach Hause. Das Rest-Trio suchte für die letzte Stunde noch einen angemessenen Absacker. Beim Vorschlag „Rapa Nui“ leuchteten alle Augen auf. Ein flottes, leichtes, gefälliges, interaktives Kartenspiel zum Sammeln, Auslegen und Werten von Karten, mit reichlich Freiheitsgraden, mit einer heuristischen Planung und mit sanften Zufallseffekten.

Diese hübschen Eigenschaften hat sogar die Jury von „Spiel des Jahres“ entdeckt. Das Spiel wurde in die Empfehlungsliste zum “Spiel des Jahres 2012“ aufgenommen. Ein Oberlehrer und eifriger Leses unserer Homepage ist mit dieser Einschätzung allerdings nicht einverstanden. Er schrieb: “Mit HANSA TEUTONICA, LONDON und BUBU habt Ihr sogar drei meiner absoluten Top Five der letzten Jahre auf den Schild als Spiel des Monats gehoben. Bravo! Da kann ich über Belanglosigkeiten wie zuletzt SEELAND und RAPA NUI gern mal hinwegblicken.“

Lies und blicke weiter, lieber Leser!

Keine neue WPG-Wertung für ein hübsches Spiel.

06.06.2012: Karten, Karten, Karten und ein paar Würfel

Seit Moritz an der Musikhochschule Lektionen gibt, ist er Beamter und genießt damit auch den Segen einer Privatversicherung. Seine Frau Andrea ist als freischaffende Künstlerin weiterhin nur gesetzlich versichert. Anfang Mai haben beide ein Kind bekommen. Welche Versicherung zahlt wohl die Entbindungskosten?
Claro, versicherungstechnisch ist Schwangerschaft eine Krankheit, die die Mutter befallen hat. Die Versicherung der Mutter trägt die vollen Kosten. Doch jetzt flatterte dem guten Moritz eine Klinik-Rechnung über 2000 Euro ins Haus. Für eine ominöse „Analyse“ des Kindes. Er war bei der Untersuchung selber dabei gewesen. Eine Minute lang hat man mit einem Scanner an dem Frischling herumgefummelt und anschießend konstatiert, dass alles in Ordnung sei. Ohne Auftrag, ohne Vorwarnung über die Kosten, Exklusiv-Behandlung für Privatversicherte, eine klinische Selbstbedienung.
Im Bereich von Äsculap und Hippokrates herrschen auch bei uns weithin griechische Verhältnisse.

1. “Der Ausreisser”
Schon vor Jahrzehnten mit bester Laune gespielt. Selbst Erwin, eigentlich ein Nichtspieler, aber ein begeisterter Radfahrer und Fan von Fausto Coppi und dem Giro d’Italia, war – im letzten Jahrtausend – auf einer zufälligen Spielrunde am Westpark so sehr davon entflammt, dass er sich sogleich ein Exemplar dieses Spiels zulegte.
Jeder Spieler hat sechs Karten auf der Hand, zieht zuerst vom verdeckten Stapel eine Karte nach und spielt dann eine seiner sieben Karten aus. Die Karten zeigen Geschwindigkeiten zwischen 39 und 50 km/Std an. Die Geschwindigkeitskarte des Spitzenreiter ist das vorgegebene Tempo. Alle weiteren Spieler müssen Karten mit einem entsprechend hohen Tempo zugeben. Man darf höchstensfalls 2 km/Std langsamer sein, diese Differenz wird vom „Windschatten“ aufgefangen. Spielt ein Spieler eine Karte mit einer höheren Geschwindigkeit aus, so wird er sofort neuer Spitzenreiter und gibt das neue Tempo vor. Spielt ein Spieler eine Karte mit einer deutlich niedrigeren Geschwindigkeit, so fällt er ab. Er kriegt erstens Minuspunkte und kann im folgenden auch keinen Windschatten mehr ausnützen. Er muß mit hohen Geschwindigkeiten erst wieder ganz aufgerückt sein. „Die Letzten beißen die Hunde“ hieß es schon im alten Rom.

Horst schlug das Spiel zum Warming-up vor und alle stimmten erfreut zu. Schließlich liegt das Spiel mit 6,2 Punkten schon im oberen Bereich unserer Vorlieben. Doch heute zeigte es sich von seiner schlechtesten Seite: Horst als Startspieler versuchte noch, mit einer 39er Karte etwas Kartenpflege zu betreiben, da schockierte Aaron den Rest der Runde mit einer 50er Karte plus einer Spurtkarte. Bei diesem Tempo konnte keiner der Mitspieler mithalten, alle fielen sogleich aus dem Windschatten heraus. Die Hoffnung auf gutes Nachziehen trog. Nur Aaron zog eine hohe Karte nach der anderen vom Stapel und legte sie unverzüglich als neue Tempovorgabe auf den Tisch. Die Mitspieler konnten ihm nicht das Wasser reichen, hilflos erhöhte sich Runde für Runde ihr Konto mit den Minuspunkten auf erschröckliche Höhen. Es gab keine einzige taktische Kartenpflege, keinen einzigen Wechsel des Spitzenreiters, kein Einschießen auf den Endspurt und kein einziges überraschendes, spielerisches, lustiges Element.

Das mag zwar Zufall gewesen sein. So etwas ist in unserer bisherigen Praxis auch noch nicht vorgekommen. Doch ist die Wahrscheinlichkeit für diese extreme Unwucht deutlich größer Null, und sie ist a priori im Spieldesign enthalten. Aaron beteuerte zwar den angeblich lustigen Charakter dieses Spiels und Horst verteidigte seinen Spielvorschlag, doch bei Moritz und Walter kamen sie damit nicht durch. Walter verweigerte sich für einen zweiten Durchgang und Moritz murmelte entrüstet: „… und dann ’Nightfall’ nicht mögen! Das hier ist der größte Scheiß!“

Bei so viel scharfer Kritik pochte Günther auf eine Vergleichbarkeit mit dem halb-göttlichen Skatspiel. Auch hier kann man sich gegen unglückliche Verteilungen und einen Grand-mit-Vieren des Gegners nicht wehren. Doch der Vergleich hinkt. Gewaltig. Näheres dazu brauche ich wohl nicht aufzuführen.

WPG-Wertung: Horst blieb mit seinen 7 Punkten im oberen WPG-Durchschnitt, Moritz reduzierte seine bisherigen 6 Punkte auf 3 („Kann ich vielleicht noch mal mit meinen Kindern spielen“) und Walter reduzierte von 7 auf 4 Punkte.

Sind wir um soviel älter geworden oder klüger?
Wenn ich mich recht erinnere, haben wir früher Modifierkarten zum Reduzieren der Höchstgeschwindigkeit asynchon gegen den Spitzenreiter spielen können. Wer dann zu früh mit seinen guten Karten das Tempo verschärfen wollte, wurde schnell wieder mit vereinigten Kräften zurück ins Rudel gebracht. Erst im Endspurt hatten man eine reale Chance, seine Kartenüberlegenheit bis ins Ziel hinüberretten zu können. Und das ganze Spiel war ein Vorbereiten und Lauern auf diese Gelegenheit. Haben wir früher etwas falsch gemacht oder haben sich die Spielregeln geändert? Im 2-seitigen Regelheft steht darüber nichts (mehr) drin!

2. “Draco”
„Ein abenteuerlicher Wettlauf von Leo Colovini“ heißt es im Regelheft. Italienische Spieleautoren haben bei uns einen zweideutigen Ruf. Einerseits sind sie ideenreich, andererseits neigen sie zum Chaos. In „Draco“ sind viele hübsche kleine Ideen zu einem hübschen großen Chaos zusammengeschnürt.

Jeder Spieler hat eine Kartenhand mit Karten in zehn verschiedenen Farben und Zahlen zwischen 2 und 7. Jede Farbe ist einem gleichfarbigen Drachen zugeordnet. Die Zahl gibt an, um wieviele Felder sich der Drachen auf dem Spielplan bewegt, wenn die entsprechende Karte gespielt wird. Spielt man z.B. eine rote Drei, so zieht der rote Dachen um drei Felder nach vorn.

Jeder Spieler reitet auf genau einem Drachen, doch er wechselt sein Reittier genauso oft wie manche Schauspielerin die Ehemänner. Jedesmal wenn man die Farbekarte eines Drachens spielt, der gerade von niemandem geritten wird, kommt man dort in den Sattel. Der Besitz eines Drachens ist aber ganz unabhängig von den Bewegungskarten, die man spielen darf und von der Bewegung, die sie bewirken.

Das Spielbrett besteht aus einem Zahlenpfad mit wechselnden Zahlen zwischen 0 und 7. Einige Felder sind „Wertungsfelder“: Wenn die Bewegung eines Drachen auf einem solchen Feld endet, bekommen alle Spieler soviele Siegpunkte wie die Zahl, auf der ihr aktueller Drachen gerade steht. Dabei gibt es zwei Wertungsarten: Bei der „großen“ Wertung, werden Siegpunkte für alle Felder ausgeschüttet, bei der „kleinen“ Wertung gibt es nur Punkte für die Felder mit Zahlen zwischen 1 bis 3.

Beim Spielen seiner Karten muß es das Ziel eines jeden Spieler sein:

  • mit seinem Drachen auf einem Feld mit hohen Zahlen zu stehen, wenn die große Wertung ausgelöst wird.
  • mit seinem Drachen auf einem Feld mit der 3 zu stehen, wenn die kleine Wertung ausgelöst wird.
  • die Drachen der Mitspieler auf Felder mit niedrigen Zahlen zu bringen, bevor die große Wertung ausgelöst wird
  • die Drachen der Mitspieler auf Felder mit mindestens dem Wert 4 zu bringen, bevor die kleine Wertung ausgelöst wird.

Verstanden?

Dahinter steckt natürlich kein langfristig durchsetzbarer Plan. Da jeder Spieler jeden Drachen bewegen und etwa mit jedem zweiten Zug eine Wertung auslösen kann, ist die antagonistischen Zahlen-Theorie Hoch-Niedrig nicht zu beherrschen. Gutes Spiel besteht ausschließlich darin, jeweils den nächsten Zug zu optimieren und diejenige Karte zu spielen, mit der wir im Falle einer Wertung mehr Spiegpunkte bekommen, als der Durchschnitt aller Mitspielern. Nach diesem simplen Kriterium, müssen wir die sechs Karten in unserer Hand abchecken. Können wir eine Wertung auslösen, liegen mit den zu vergebenden Punkten dabei aber unter dem Durchschnitt, dann sollten wir die Karte besser nicht spielen. Dann lieber den gut plazierten Drachen eines Mitspielers auf ein schlechteres Feld vorziehen. Was immer man darunter verstehen kann.

Fazit: Es gibt etwas zu überlegen. Jede Karte ist gut, im schlechtesten Fall bringt sie nichts ein. (Im Gegensatz zu „Der Ausreisser“, wo u.U. jede gespielte Karte massig Minuspunkt einbringt!). Und man kann auch schon überlegen, wenn man nicht dran ist. Die Szenerie ändert sich nicht so krass, als dass die Favoritenkarte, die man als nächstes spielen möchte, ständig wechseln würde.

Locker spielen. Sich freuen am Wettreiten der Drachen. Sich freuen, wenn uns in einer Wertung reichlich Siegpunkte aufs Haupt regnen. Sie besonders freuen, wenn man eine solche Wertung selber auslösen konnte. (Oder sollte man sich etwa mehr freuen, wenn ein Mitspieler diesen Goldregen auslöst? Philosophische Frage!) Schnell genug sind drei Drachen im Ziel und das Spiel ist vorbei.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (keine Spannung, kein Spielspaß), Günther: 4 (weniger Spaß als „Der Ausreißer“), Horst: 6 (würde ich jederzeit wieder spielen), Moritz: 6 (ähnlich wie ein Pferderennen mit Wetten, mehr Spaß als „Der Ausreißer“), Walter: 6 (locker; ist zwar nicht planbar, habe ich hier aber nicht vermißt)

Bekanntermaßen sind die Spielvorlieben in unserem Kreise nicht einheitlich. Günther schlug vor, den „Horst des Monats“ für das Spiel zu vergeben, das von keinem anderen Westpark-Gamer gemocht wird außer von Horst.

3. “Cardcarssonne”
Das einzige gemeinsame zwischen dem großen Brettspiel „Carcassonne“ und der hier angebotenen Kartenspiel „Cardcarsonne“ sind Autor, Verlag und vielleicht auch noch die Designer für Burgenfräuleins und Spielpöppel. Alles andere ist verschieden.

Wir haben Karten in den Farben rot, grün, gelb und blau in der Hand und legen sie einzeln reihum auf die farblich passenden Stapel. Einmal pro Runde legen wir keine Karten sondern einen Besitzpöppel, mit dem wir den Anspruch auf einen der gerade ausliegenden Kartenstapel geltend machen.

Auf den Karten sind Personen, Tiere und Gebäude aufgedruckt. Für Personenkarten erhalten wir einmalig Siegpunkte, deren Betrag mit der Anzahl der Personen stark progressiv wächst. Für Tierkarten erhalten wir kumulativ Siegpunkte, d.h. alle ausliegenden Tiere werden in jeder Runde, in der wir Tierkarte hinzufügen, erneut gewertet. Die Gebäudekarten werden erst bei Spielende in Siegpunkte umgesetzt. Superprämien gibt es für Sets von Gebäuden in allen vier Farben.

Die Herausforderung von „Cardcarssonne“ besteht im gezielten „Anfüttern“ der Farbstapel: vorsichtig und dosiert den Stapel mit den Karten anreichen, die wir selber haben wollen, aber zur Ablenkung der Mitspieler-Begierlichkeiten auch den nicht-gewünschten Farbstapeln etwas zukommen lassen. Und rechtzeitig einen Stapel in Besitz nehmen, bevor ein Mitspieler sein Auge darauf geworfen hat. Diese Dosierungsbilanz erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl und geht nicht ohne Fehlspekulation ab.

Moritz verriet seine Gewinnstrategie: Tierkarten bringen den Sieg. Mit dem Sammeln frühzeitig anfangen und in jeder Runde beim verdeckten Kartenlegen gleich eine begehrte Tierart verstecken. Klingt plausibel.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (hat die Hoffnung, dass es mit vier Mitspielern ein 8-Punkte Spiel sein könnte), Günther: 5 (einen Punkt Abzug für die Fünferrunde; einen Punkt Abzug für den Mißbrauch des geheiligten Namens „Carcassonne“), Horst: 7 (Spielspaß), Moritz: 6 (weniger Chaos als bei „Draco“; spielt es schon sehr eifrig mit seinem 5 jährigen Milo), Walter: 5 (Mitspielerchaos, der Mensch denkt, aber Gott lenkt.)

Moritz möchte das seltene Ereignis zu Protokoll geben, dass Günther in einem Spiel Letzter wurde.

4. “Havoc”
Ein simples Pokerspiel, für das selbst wir alte Hasen, die das Spiel schon vor Jahren mehrfach gespielt haben, noch 30 Minuten Regelerklärung benötigten. Unterschied zum stinknormalen Poker: Statt Kreuz, Pik, Herz und Karo gibt es rot, grün, gelb und blau. Und noch zwei Farben. Jeder Spieler spielt nicht nur mit 5 Karten, sondern hat eine ständig wachsende Kartenhand; die bald mehr Karten umfaßt, als ein Normalsterblicher halten kann. Jeder Spieler kann bei jedem umkämpften Einsatz mitbieten und muß dann die gespielten Karten abgeben; oder er steigt sofort aus und behält alle Karten für den nächsten Pokerkampf. Man kann die Einsatzsummen nicht in astronomische Höhen treiben, sondern muß sich mit den vorgedruckten 6-11 Siegpunkten begnügen.

In jedem Fall ist es taktischer als das echte Poker. Manche von uns halten dies dann auch schon für besser.

Moritz konnte sich mehr oder weniger sichtbar 6 Vierer aneignen und ging damit in einen Alles-oder-Nichts-Kampf um 8 Siegpunkte. Alle hatten mitansehen können, wie Moritz seine Vierer ansammeln konnte und verzichteten auf eine Teilnahme am Kampf. Nur Horst wollte Moritz den Sieg nicht schenken und zog mit. Als er so peut-a-peut rote Karten mit den Zahlen 8, 9, 10, 11 und 12 auslegte, ging Moritz schon langsam der Arsch auf Grundeis. Ein Straight-Flush aus 6 Karten hätte seinen Sechsständer getoppt. Doch dann waren es auf Horsts Seite nur 5! Wie wäre dieser Gigantenkampf wohl bei Texas-Holdem ausgegangen?

Keine neue WPG-Wertung für unser Spiel des Monats vom November 2005.

5. “Bluff”
Günther bekannte freimütig die Überlegenheit von Walters Immer-4-Strategie. Mit der Einschränkung: „Wenn Horst eine Vier würfelt!“

Dann stand er mit 3 Würfeln gegen ebenfalls 3 Würfel von Moritz im Endspiel. Er fing mit 2 mal die Fünf an und Moritz hob auf 3 mal die Fünf. Wer hat geblufft und wieviele Fünfer lagen unter den Bechern, wenn mit dieser Ansage das Endspiel entschieden war?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

6. “Poison”
Moritz war schon auf dem Heimweg, doch es war noch vor Mitternacht und oaner geht oiwei. Mit einem lockeren, leichten, taktischen, spielerischen Stichkartenspiel mit der alternativen Aufgabenstellung, entweder die meisten Karten in einer Farbe zu gewinnen oder gar keine einzige, ging der Abend zu Ende.

Einmütige Übereinstimmung: Das beste Kartenspiel des heutigen Abends.

Keine neue WPG-Wertung für unser Spiel des Monats vom August 2009.

23.05.2012: Spiele des Jahres, des Monats und nationale Vorlieben

Die Nominierungsliste zum „Spiel des Jahres 2012“ ist erschienen und wir haben nur eines davon (Kingdom Builder) mit mäßigem Erfolg ausprobiert. Kein Wunder, unser Metier ist ja wohl eher das „Kennerspiel des Jahres“. Hier sind wir immerhin bei 2 von 3 Spielen am Ball gewesen.
Aaron forderte schon im Vorfeld auf, für heute alles mitzubringen, was ein jeder vom Rest der SdJ-Kandidaten bereits im Regal hat. Insbesondere hatte er dabei an den 2012-Favoriten „Vegas“ gedacht. Doch Günther lehnte – ungewöhnlich kritisch – entschieden ab „Das ist nichts für uns!“ Er hat zwar prinzipiell nichts gegen Würfelspiele, wenn aber die Dynamik während des Spiels ständig nur sinkt und die Entscheidungsmöglichkeiten immer eingeschränkter werden, scheint ein Konstruktionsprinzip verkehrt herum angewandt worden zu sein. Die Jury wird’s schon wissen.

1. “Poison”
Der Schock vom Chelsea-Spiel saß noch tief in den Knochen und Horst wünschte sich ein Warming-Up. Da kam „Poison“ gerade recht, schon vor drei Jahren von uns zum „Spiel des Monats“ gewählt.
In einem hübschen flotten Kartenspiel spielen wir unsere Kartenhand ab, indem wir jeweils eine Karte (drei Farben + eine Jokerfarbe) an ausliegende Farbstapel anlegen. Wenn durch die von uns zugegebene Karte der Wert eines Stapels die 13 übersteigt, müssen wir diesen Stapel nach der Art von „6-nimmt“ an uns nehmen. Am Ende zählt jede „gewonnene“ Farbkarte einen Minuspunkt, die Jokerkarten sogar zwei Minuspunkte. Nur bei der Kartenfarbe, von der wir mehr Karten als alle Mitspieler haben, kommen wir ungestraft davon.
Kartenpflege wird ganz groß geschrieben. Dabei sind verschiedene Alternativen möglich:

  • Karten mit hohen Werten zuerst loswerden! (Oder lieber die niedrigen Werte zuerst?)
  • Möglichst viele Optionen offen halten, d.h. alle Kartenfarben gleichmäßig loswerden und von jeder Farbe möglichst viele verschiedene Werte behalten! (Oder vielleicht doch lieber möglichst schnell eine Farbe frei-spielen?).

Moritz verriet uns hinterher seine Siegesstrategie:

  • Jokerkarten so lange wie möglich behalten.
  • Die Karten von einer Farbe möglichst umgehend loswerden.
  • Danach die Joker grundsätzlich zu der Farbe legen, von der man nichts mehr auf der Hand hat!

Diesmal war das erfolgreich. Ein mathematischer Beweis für die Stichhaltigkeit dieser Theorie wird wohl nicht erbracht werden. Und der nächste Praxistest steht erst nach dem nächsten verlorenen Endspiel in der Champions League an.
WPG-Wertung: Die drei mal 7,33 Punkte von Günther, Moritz und Walter wurden bestätigt: Aaron: 7 (schnell erklärt, locker gespielt, unterhaltsam), Horst: 7 (sehr unterhaltsam).

2. “Aquileia”
„Aquileia“ ist nach Wikipedia heutzutage eine Stadt in der italienischen Provinz Udine mit 3493 Einwohnern. Vor 2000 Jahre war es eine große Stadt im römischen Reich. In ihr blühten Handel und Kunsthandwerk, der Hafen brachte Reichtum, eine monumentale Arena für Gladiatorenkämpfe entstand, und im Stadion fanden spannende Wagenrennen zu Pferde statt. In diese Szenerie hat der Spielautor Cielo d’Oro 22 Arbeitsplätze verteilt, die wir uns in Konkurrenz mit unseren Mitspielern unter den Nagel reißen müssen:

  • Auf dem Markt decken wir uns mit Waffen, Pferden und Sklaven ein.
  • In der Arena kämpfen wir mit Waffenstärke und Sklaven-Unterstützung gegen die entsprechende Ausrüstung unserer Mitspieler. Es geht allerdings nicht um Alles-oder-Nichts, sondern nur um Viel-oder-ein-bißchen-Weniger.
  • Im Stadion treten wir gegen die Pferde der Konkurrenz an. Auch hier werden alle Teilnehmer allein für ihre Teilnahme mehr oder weniger reichlich bedacht.
  • Auf dem Forum holen wir uns die Baugenehmigung für Villen, Handswerksbetriebe und Warenhäuser.
  • Via Hafen erzielen wir Sofort-Siegpunkt-Zinsen für unser aktuelles Besitztum.
  • Im Theater er- oder ver-steigern wir Multiplikator-Karten, mit denen unser Besitztum am Ende effizient in Siegpunkte umgesetzt wird.
  • Daneben gibt es einen legalen Betrüger, der auf krummen Würfel-Wegen sein Bargeld vermehrt, es gibt einen Geldwechsler, der Euros in Dollar oder chinesische Renminbi wechselt. Und es gibt einen Taschendieb, der im Hafen sein Unwesen treibt.

Alles ist sehr schön komponiert und erlaubt bzw. erfordert die Beachtung vieler Abhängigkeiten im Aquileiischen Stadt-Leben. Damit in das gewaltige Plan- und Optimierungswerk aber noch eine spielerische Linie hineinkommt, sind an allen Ecken und Enden Zufallseffekte eingefügt. Die Erträge im Waffen und Sklavenhandel schwanken um bis zu 300 Prozent. Ohne dass man das vorhersehen kann. Zur Wettkampfstärke der Spieler in Arena und Stadion kommt grundsätzlich noch ein Zusatzanteil von potentiell einigen 100 Prozent, der per Würfelwurf ausgewürfelt wird. Auch der Erfolg von Betrüger und Dieb wird über Würfel entschieden.
Horst fragte sich (verzweifelt?): „Was hat sich der Autor bei allen diesen Zufallselementen eigentlich gedacht?“ Aaron wußte die Antwort: „Er ist halt ein Italiener!“ Und Walter schob nach: „Wes Geistes Kind er ist, kann man schon an der simplen Reihenfolge der Aktionen in der Arena erkennen: Jeder Deutsche hätte zuerst würfeln lassen und dann das Defizit durch nachgeschobene Waffen- und Sklavenkarten ausgegleichen lassen. D’Oro zwingt die Spieler dazu, zuerst ihren Waffen- und Sklavenbesitz auf Nimmerwiedersehen zu investieren, und dann per Würfelwurf nachzuschauen, ob es zum Sieg gereicht hat. Manche mögen’s heiß. Doch die anderen verbrennen sich beim oralen Genuss die Zunge.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (zäh, zu lange Spieldauer für den hohen Glücksanteil), Günther: 5 (vom Herzen her 1 Punkt mehr als vom Verstand: Die Mechanismen sind gut.), Horst: 7 (es macht Spaß, es gibt super Verzahnungen, das Setzen ist anstrengender als bei „Village“), Moritz: 4 (ohne Kämpfe und Rennen kann man nicht gewinnen, und gerade hier ist das Glückselement besonders groß), Walter: 4 (ohne die dominierenden Zufallseffekte hätte das Spiel das Potential zu 7 Punkten.).
Ein neuer Justizfall in unserer Geschichte: Im Laufe des Spiels erkannten wir eine falsche Regelhandhabung: Auf den drei Arbeitsplätzen im Hafen darf sich jeder Spieler nur höchstens einmal betätigen. Horst hatte es richtig erklärt, doch dieses Detail war untergegangen. Als Horst diese Regel später noch einmal klarstellte und wir uns danach richten sollten, legte Moritz Widerspruch ein: „Ich habe meine ganze Potenz auf die Villen-Hafen-Schiene gesetzt. Wenn wir jetzt diese Regel richtig spielen, breche ich das Spiel sofort ab!“ Aaron protestierte sanft, Walter heftig; ihm hätte es auch nichts ausgemacht, das Spiel an dieser Stelle zu beenden.
Hallo, liebe Vielspieler, wie würdet ihr diese Situation lösen?
Heute gab es in unserem Konflikt glücklicherweise noch eine Trivial-Lösung, ohne dadurch einen Präzedenzfall zu schaffen. Wir spielten ohne klare Entscheidung weiter. Nachdem die Bedeutung der Hafenerträge erkannt war, engagierte sich jeder Spiel umgehend auf diesem Gebiet, so dass ohnehin nur drei der fünf Spieler sich einen (einzigen) Platz reservieren konnten.

3. “Bluff”
Auch hier ereignete sich in der Jahrzehnte langen Geschichte des Westpark-Bluffens ein Novum: Im 2:2:1-Endspiel legte Günther 2 mal die Fünf vor. Sicherlich war eine von Günthers beiden Würfeln eine Fünf. Aber mit welcher Wahrscheinlichkeit waren unter den restlichen drei Würfeln auch noch mindestens eine Fünf? Seine eigene Nicht-Fünf konnte Moritz ja ablesen, aber wie stand es mit Aaron’s zwei Würfeln? Fragende Blicke und ein leichtes Kopfschütteln gaben den Ausschlag. Moritz zweifelte an und Günther war einen Würfel los.
Auf ausdrückliche Bitte des Geschädigten erhalten hiermit Aaron und Moritz einen Rüffel wegen unzulässiger Absprache. Ludens causa.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

09.05.2012: Väter und Großkopferte auf dem Lande

Wir sind Vater.
Siri (umgangssprachlich für Sigrid = die schöne Siegerin) Marie (Nebenform von Maria = widerspenstig) Eggert (Abwandlung von Eckehart = starke Waffe) heißt sie, heute, Mittwoch um 14:44 Uhr ist sie zur Welt gekommen und das schönste neugeborene Mädchen der Welt.
Herzlichen Glückwunsch, liebe Andrea und lieber Moritz, von allen Westpark-Gamers, die sich mit großer Freude als ihr Vater (wegen mir auch als ihre Mutter) fühlen möchten oder dürfen.

1. “Village”
Wir sind Oberhaupt einer bis zu elfköpfingen Sippe und müssen unsere Familienmitglieder eifrig und umsichtig durch die verschiedenen Stationen wirtschaftlicher und politischer Betätigung innerhalb eines Dorfverbandes führen.

  • Wir fahren die Ernte in die Scheuer.
  • Wir tauschen Getreide in Pferde, Ochsen, Pflüge, Karren, Schreibwaren oder Geld.
  • Pferde und Ochsen steigern unsere Ernte-Erträge. Außerdem läßt sich das ganze Geraffel auf dem Markt in klingende Siegpunkte umsetzen.
  • Wir steigen in die kommunale Rathauspolitik ein und streichen dafür öffentliche Privilegien ein.
  • Wir gehen auf Reisen und lernen die Welt kennen.
  • Wir heiraten und kriegen Kinder (Andrea hat das vorgemacht; das ist eine der leichtesten Übungen auf dem Lande.)
  • Wir schicken unsere Familienmitglieder zum Beten in die Kirche und lassen uns unsere überirdische Dominanz mit irdischem Segen vergelten.
  • Wir lassen unsere Familienmitglieder altern und sterben, und füllen anschließend mit ihren Heldentaten die Blätter der Dorfchronik.

Die Auswahl unserer Aktionen wird von Aktionssteinen begrenzt, die in jeder Runde auf die dörflichen Tummelplätze ausgelegt werden (Ernte, Handwerk, Markt, Rathhaus, Reise, Hochzeit, Kirche, Chronik und Friedhof). Jeder Spieler wählt aus dem Angebot an Aktionssteinen einen Stein und führt die entsprechende Aktion aus. Wenn der Hochzeitvorrat erschöpft ist, gibt es keine Kinder mehr. Wenn der Kirchenvorrat erschöpt ist, wird die Kirche geschlossen.

Ein neuartiges und sehr gelungenes Element des Spiel ist das Hantieren mit dem Alter. Anstatt auf den dörflichen Aktionsfelder unseren Tauschhandel mit Ware gegen Ware abzuwickeln, können wir fast alle unsere Begehrlichkeiten auch mit Alter bezahlen: Anstatt einen Ochsen zu verkaufen halsen wir lieber unserer Oma ein paar Jährchen auf und schicken sie umgehend über den Jordan. Die Dorfchronik wird sie stets in lebendiger Erinnerung behalten.

Es gibt an vielen Rädchen zu drehen, viele innere Abhängigkeiten und Progressionen sind zu berücksichtigen, um besser zu fahren als unsere Mitspieler. Alles bringt Siegpunkte ein, mal mehr mal weniger, mal schneller mal langsamer.

Walter ging ganz besonders ökonomisch mit seinem Polster an Altersguthaben um. Das war nicht der Hit.

Aaron favorisierte das Herumreisen. Reisen ist angenehm und bildet. Doch der Reiseproviant ist teuer und das Ummünzen der Welterfahrung in Siegpunkte ist limitiert.

Horst schickte Kind und Kegel ganz konsequent in die Kirche. Der Kasten klingelte und die Seele sprang aus dem Fegefeuer in den Himmel. Nur nicht weit genug.

Günther ließ seine Manschgerl sterben wie die Fliegen und füllte mit ihren Untaten Blatt für Blatt in der Dorfchronik. Das reichte zum Sieg.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (reizvoller Denksport, viele kleine Baustellen, ohne damit zu überfordern), Günther: 8 (locker, nicht so kniffelig wie „Ora et labora“), Horst: 9 (Optimierungsspiel auf hohem spielerischen Niveau, athmosphärisch sehr schön, hoher Wiederspielreiz), Walter: 8 (sehr rund, sehr schön, allerdings mit einem erheblichen Solitär-Patience-Anteil und gebremster Interaktion).

2. “Handelsfürsten – Herren der Meere”
Seit langem mal wieder ein Knizia-Spiel am Westpark. Jeder Spieler hat zwei Schiffe vor sich liegen, die mit je einem bunten Warenstein (rot, grün, gelb, blau etc.) beladen sind. Jeder Spieler bestimmt die Farben auf seinen Schiffen selber – langsam aber sicher: pro Zug darf er je einen der Warensteine gegen eine beliebige andere Farbe umtauschen.

In der Mitte des Tisches gibt es einen Markt mit sechs Plätzen für bunte „Warenkarten“ in der gleichen Farbe wie die Warensteine. Hierin legen die Spieler reihum Karten aus ihrer Kartenhand ab.

Die Farben kommen auf dem Markt unterschiedlich häufig vor. Es kann sein, dass in einem Augenblick keine einzige rote, dafür aber fünf gelbe Karten dort liegen. Oder umgekehrt.

Wenn ein Spieler eine Karte einer bestimmten Farbe (oder mehrere Karten der gleichen Farbe) auf den Markt gebracht hat, werden alle Warensteine dieser Farbe auf allen Schiffen aller Spieler prämiert: Jeder Warenstein ist soviel Siegpunkte wert, wie insgesamt Warenkarten dieser Farbe auf dem Markt ausliegen. Abstrakt aber fassbar.

Das Betreben jedes Spielers muss es sein, auf seinen Schiffen möglichst viele Warensteine einer bestimmten Farbe zu haben und möglichst viele Karten dieser Farbe auf dem Markt ausspielen zu können.

Die Karten in der Hand bestimmt der Zufall, bei den Farben auf dem Markt haben die Mitspieler ein gewaltiges Wörtchen mitzureden. Sie versuchen ja das gleiche zu tun und die Farben ihrer eigenen Schiffsladungen zur Geltung zu bringen. Im chaotischen Kampf aller gegen alle kommt keiner so recht auf einen grünen Zweig.

Deswegen muß man auch bestrebt sein, ein bißchen Ordnung in das Chaos zu bringen und sich die Farb-Interessen und Farb-Potenzen seiner Mitmenschen zunutze zu machen. Hier zählt insbesondere der Vordermann. Wenn er sich z.B. viel Grün aufgeladen hat und die Farbe Grün mit reichlich grünen Karten auf dem Markt werten läßt, können wir bei einer eigenen Grünorientierung in seinem Zug gehörig mitabsahnen und mit unserm eigenen nachfolgenden Zug die grünen Prämien noch toppen. (Warum wir anschließend allerdings mehr Siegpunkte auf unserem Konto haben sollen als er, das entzieht sich dieser vordergründigen Logik.)

Im Spannungsfeld zwischen eigener Hegemonie und Trittbrettfahrerei bewegt sich der Reiz der Handelsfürsten. Keine tiefschürfende Kalkulation, aber ein flexibles Regieren auf die Farbvorlieben der Mitspieler und die Farbkarten in der eigenen Hand. Zum Aufwärmen gut geeignet.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ein einziges zufälliges Dahinplätschern), Horst: 5 (das Spiel plätschert nicht, man braucht einen „Handelsriecher“), Günther: 4 (fast 5, vermisst die Möglichkeit „to have a plan“), Walter: 5 (schnell, einfach, anspruchslos aber stimmig, enthält einen Schuß Hoffnung und einen Schluß Psychologie, in diesem Sinne ist es besser als „Die Tore der Welt“).

3. “Die Tore der Welt – Das Kartenspiel”
Letzte Woche war unsere Notengebung recht streng bei diesem eigentlich sauberen Kartenspiel um Bausteine, Tücher, Medizin und Frömmigkeit. Unisono nur 4 Punkte für unsere enttäuschten Erwartungen, die sich am großen Brettspiel-Bruder orientiert hatten. Wir vermißten Herausforderung, Engpässe und Dynamik. Beim Kartenspiel ist alles gemäßigter, alles geht konstant aufwärts, ca. 30 Minuten lang mehr oder weniger immer im gleichen Trott.

Heute waren Horst und Günther waren deutlich gnädiger gestimmt: “4 Punkte sind absolut unterbewertet”!

WPG-Wertung: Günther: 5 (weiß nicht, wie er die Steinlastigkeit einordnen soll), Horst: 7 (besser als die „Handelsfürsten“, ein idealer Absacker, danach hat man richtig Lust, ins Bett zu gehen“. Wir haben vergessen zu fragen: „Alleine?“), Aaron bleibt bei seinen 4 Punkten, Walter legt einen Punkt zu.
Das Spiel kostet z.Zt nur 6 Euro beim Hugendubel am Marienplatz. Bei diesen Preis ist es für jede friedliche, konstruktiv eingestellte Familie durchaus empfehlenswert.

4. “Irre genug”
Wie kommt die Erotikdame zur Demokratie? Oder die Koks-Edith mit dem Ampelidiot wer weiß wohin? Günther wußte es und stellte uns auf die Probe. Wer sich für die Auflösung dieser Buchstabenverdrehungen und eine Menge zugehörige Wissensfragen aus Staat und Politik interessiert, wende sich an die Bundeszentrale für politische Bildung. Für 1,50 Euro ist man dabei.

Keine WPG-Wertung für ein nur oberflächlich vorgestelltes Bildungsspiel.

02.05.2012: Housebreaking at Nightfall

Letzten Donnerstag ist im Domizil der Westpark-Gamers eingebrochen worden. Als der Hausherr von einem Bridge-Turnier nach Hause kam, war die Haustür von innen mit einem Stuhl verrammelt. Wollte sich die beste aller Ehefrauen etwa gegen eine unerwartete Rückkehr des besten aller … schützen? Nein, sie war es nicht gewesen, das Haus war leer und stockdunkel. Nur die Terrassentür stand sperrangelweit offen und im ersten Stock hing ein Fenster schräg im Rahmen.

Wie man es von Film und Fernsehen weiß, hatten die ungebetenen Gäste Schränke, Kommoden, Schubladen und Nachtischkästchen durchsucht und dabei ihren Inhalt (relativ säuberlich) auf dem Boden verstreut. Sie waren allerdings sehr geschmacklerisch: Für Computer, Pässe, Kreditkarten und ähnliche Dinge zeigten sie keinerlei Interesse. „Stone Age“, „Bluff“ und sogar ein fabrikneu eingeschweißtes „1830“ würdigten sie keines Blickes. Mengen von Gummibärchen, Crossies und Kartoffelchips, sowie der gesamte Weinkeller blieben unangetastet. Nur Bargeld – ausgerechnet ungarische Forinth – und Modekluncker fanden sie auflesenswert. Kein einziges der vielen, frei herumhängenden Original-Gemälde der Hausfrau ließen sie mitgehen. Dabei hätten sie sich damit bei der Künstlerin wahrscheinlich sogar ein bißchen Sympathien erwerben können …
Die Polizei kam um Mitternacht. Zuerst ein Streifenwagen zum Verfizieren, dass keine Finte vorlag. Die beiden grünen Männchen vermittelten auch gleich einen 2-Tages-Psycho-Kurs bei der Polizei, auf dem sich die Hausherren von ihrem Schock erholen können. Dann kamen drei Kriminale zur Vernehmung, und schließlich ein Spezialist von der Spurensicherung, der auch auf Anhieb den zunächst rätselhaften Einbruchsweg zum Fenster im ersten Stock ermittelte. Um halb vier Uhr morgens war die Arbeit beendet, zur gleichen Zeit wie einen Tag vorher der WPG-Spielbericht. (Und wie der von heute.)

1. “Nightfall”
„Einbruch der Dunkelheit“ übersetzt LEO den Titel. Das wird wohl auch die Stunde vom Einbruch bei den Westparkgamer gewesen sein. In „Nightfall“ sind es keine Einbrecher, mit denen wir fertig werden müssen, wir sind eher selber welche. In Form von Monster-Karten. Alle Spieler bekommen zu Spielbeginn ein identisches Kartendeck mit Anfangs-Monstern. Jedes Monster kämpft oder verteidigt, erzeugt Schadenspunkte und Wunden, verliert Leben und wird früher oder später in die Spielschachtel zurück “verbannt”.

Regelmäßig kaufen wir uns mit unserem Kartendeck neue und stärkere Monster und reichern damit unser Kartendeck an. Diese systematische Verbesserung der Kartenhand erinnerte Moritz an „Dominion“. Wohlwollend. In “Nightfall” geht es nämlich nicht konstruktiv darum, mit einem guten Kartendeck möglichst viele Siegpunkte für sich selbst zu erwerben, es geht ausschließlich destruktiv darum, mit dem Kartendeck die Mitspieler möglichst viel zu schädigen. Wer am Schluß die wenigsten Wunden hat, ist Sieger, alles andere zählt nicht: auch keine Super-Totschläger und Wunderheiler, die man unter Vertrag hat.
Nach einer vorgegebenen Farb-Harmonie-Regel schicken wir die Monster in den Kampf. Wer sich an die Farb-Harmonie gut angepaßt hat, kann einen Großteil seiner Kartenhand zum Einsatz bringen, wer hier nicht aufgepaßt hat oder vom Glück weniger begünstigt ist, macht sich als Solist auf die Socken. Letzteres allerdings nicht besonders erfolgreich. Heißt es doch schon in der Spielregel: “Sei aggressiv! Du kannst die unbarmherzige Welt von Nightfall nicht beherrschen, wenn du nur dasitzt und wartest.”

Gegen welchen Mitspieler wir losziehen, ist unserer Willkür überlassen. Dass damit von Haus aus eine gewaltige Portion Kingmakerei in das Spielgeschehen integiert ist, stört einen geborenen Warrior natürlich nicht. Er findet dahinter vielleicht sogar eine Logik.

Moritz schlug die ersten Wunden bei Aaron und erhielt postwendend von Aaron die ersten Wunden zurück. Walter war beide Male lachender Dritter und hoffe schon auf eine Allianz der reiferen Generation gegen den jungen Spielebesitzer. Schon aus tiefster Freude an diesem Genre schlug auch er auf Moritz ein. Als Aaron auch noch seinen zweiten Schag – 6 vollständige Wunden – komplett bei Moritz unterbringen wollte, regte sich von dort rhetorischer Widerstand. Das kann doch kein rationaler Vorgang sein! Um zu gewinnen müsse sich Aaron unbedingt gegen Walter wenden. Und was dergleichen Argumente mehr sind, um in einem chaotischen Rundumschlagsmodell die Schläge von sich abzuwenden. Nenne man diesen Vorgang jetzt taktisches Jammern oder nicht. Impliziert die Aussage: “Wir spielen es nachher nochmal richtig!”, dass wir – wer immer das war – es jetzt falsch gespielt haben?

Lautstark wurden Argumente ausgetauscht, denen geglaubt werden konnte oder auch nicht. Die Vergleiche bei der Unterstellung von spiel-religösem Fanatismus reichten von Benedikt XVI bis zu den Zeugen Jehovas. Aaron lies sich nicht erweichen; Moritz mußte seine geballte Monsterschlagkraft einstecken und war quasi schon aus dem Spiel. Doch moralisch war die Front aufgeweicht; in den nächsten Zügen gingen die Senioren dann schon gegenseitig aufeinander los und häuften Wunde für Wunde auf ihr Altenteil. Als der Wundendampf verzogen war, war Aaron mit 9 Wunden Sieger, ganz knapp vor Moritz und Walter. Es hatte sich also doch gelohnt, zunächst mal erst den einen Gegner total auszuschalten, bevor man sich an den zweiten heranmacht. Hätte aber auch schief gehen können.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (1 Punkt weniger als Dominion, mag keine Deck-Building-Spiele), Moritz: 9 (genausoviel wie „Dominion“), Walter: 2 (genausoviel wie „Pergamemnon“, hat keine Lust, irgendwelche Schadenspunkte nach einem nicht verstandenen Algorithmus auf seine Mitspieler zu verteilen).

2. “Die Tore der Welt – Das Kartenspiel”
Sehr ähnlich wie im Brettspiel sammeln wir die „Güter“ Baumaterial, Tuch, medizinischen Wisses und Frömmigkeit, um sie bei günstiger Gelegenheit in Siegpunkte umzutauschen.
Im Gegensatz zu „Nightfall“ handelt es sich um ein absolut friedliches, kontemplatives Spiel. Keiner kann dem andern etwas am Zeug flicken, ganz im Gegenteil: Indem man seinen eigenen Zuwachs an Gütern optimiert – hierauf legt man wohl das einzige Augenmerk- , schustert man auch den Mitspielern nur Gutes zu.

Ab und zu einmal kommen Kirche und Staat vorbei und verlangen ihren Obolus. Den sollte man beizeiten angespart haben, um bei Siegpunkten keine Verlust zu erleiden. Aber weh tut es auch nicht, wenn man Papst und Kaiser leer nach Hause schicken muss.

Ja, nichts tut weh in diesem Kartenspiel. Das Ansammeln von Gütern und der Umtauschkurs von Gütern in Siegpunkte bleibt während des gesamten Spiels annähernd konstant. Hier haben wir ein bißchen Dynamik vermißt. Und wenn es auch nur eine größere Fressgier seitens der Kirche gewesen wäre.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (1 Punkt weniger als das Brettspiel), Moritz: 4(langweilig, ich weiß nicht, ob ich es noch einmal spielen wollte), Walter: 4 (zu flach).

3. “Mondo sapiens”
Das Landschaftslegespiel von letzter Woche wurde am Wochenende mit dem Fortuna-Düsseldorf-Neffen Thilo (44 Jahre) und seinem Sohn Jonas (14 Jahre) wiederholt. Als schneller Absacker vor dem Schlafen-Gehen kam es recht gut an, 6 Punkte vom Neffen und 8 Punkte vom Großneffen („anspruchsvoll“).

Heute durfte es Moritz kennenlernen. Mit der Topologie der Landschaft kam er bestens zurecht. Erstaunlich wie konstruktiv bis fehlerfrei er seine Felder und Wiesen, Wege und Regionen, Holzhacker und Schäferinnen in Szene setzte. Selbst für die Optimierungen nach der Expertenregel hatte noch genügend Gehirnwindungen frei.

WPG-Wertung: Moritz blieb mit seinen 7 Punkten beim bisherigen Durchschnitt („Das Spiel ist zwar recht solitär, dafür aber kurz.“, Überlegt ernsthaft, ob er es für seinen Milo (4 Jahre) anschafft).

25.04.2012: Stadt und Spiel in neuer und alter Welt

Drei gesetzte, friedliche Herren trafen zusammen. Im Nachspann ging das Thema über Grass zu Friedman, Löwenthal, Bohlen, Harald Schmidt, Loddar Maddäus, Wulff, Firmenwagen und Kurzarbeitergeld. Harmonischer Austausch von Fakten und Meinungen.
Genauso harmonisch gingen wir auch die Spieleauswahl an. Ohne uns in die getroffene Auswahl eingepreßt zu fühlen. Einvernehmlich hätten wir jedes Spiel bei Nichtgefallen abgebrochen.

1. “Mondo sapiens”
Ein „Hektik“-Spiel, d.h. eine Art von Patience-Legen im Wettrennen gegen die Uhr.
Aus einer offenen Auslage suchen wir asynchron – d.h. jeder so schnell, wie er kann – quadratische Landschaftsplättchen mit Mischformen von Feld, Wald und Wasser heraus und bauen uns daraus – jeder für sich – eine neue Welt. Hinterher wird jede Welt prämiert. Kriterien dabei sind:

  • Anzahl getrennter abgeschlossener Feld-Wald-Wassergebiete
  • Anzahl Figurenbilder in der neuen Welt
  • Länge des gebildeten Straßennetzes
  • Anzahl von aktiven Vulkane in der neuen Welt (ergibt Minuspunkte)

Die Plättchen in jeder Welt müssen an ihren Kanten landschaftlich zusammenpassen. Jeder abrupte Übergang einer Landschaftsart in die andere wird mit Punktabzug bestraft.
In den Spielvarianten für Fortgeschrittene und Experten kommen weitere Landschaftspättchen zum Zug und die Prämierungsregeln werden (noch) komplizierter. Am besten setzt man sich erst einmal ganz alleine mit dem Spielmaterial auseinander, schaut welche Plättchen wie oft vorhanden sind, wie sie sich zusammenfügen lassen, wie daraus abgeschlossene Gebiete entstehen und welche Eigenschaften beim Straßenbau berücksichtigt werden müssen. In diese topologischen Betrachtungen nimmt man dann die angebotenen Figurenbilder (positiv) und die Vulkane (negativ) auf. Erst wenn man damit ausreichend Erfahrung gesammelt hat, sollte man sich an die Konkurrenz mit den Mitspielern und der mitgelieferten Stoppuhr wagen.
Bei uns legte das Spiel die unterschiedlichen Spielertypen an den Tag. Walter war in jedem Durchgang der schnellste und strich dafür die Geschwindigkeitsprämien ein; allerdings hatte seine Welt die meisten Fehler und Defizite und er landete weit abgeschlagen am Ende. Günther nahm jedes einzelne Plättchen genau unter die Lupe bevor er es in seine Welt einbaute, er war in jeder Runde der langsamste, doch die Qualität seiner Welt machte dieses Handicap mehr als wett. Aaron besetzte die goldene Mitte.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (schnell, zum Aufwärmen gut geeignet, die Expertenversion trägt die Gefahr einer Gehirnverknotung in sich), Günther: 6 (oder waren es 7?, lockeres Familienspiel), Walter: 6 (es hat Spaß gemacht, doch der Wiederspielreiz ist fraglich. Fände es noch besser, wenn eine Runde auf 1 Minute Legezeit begrenzt würde …).

2. “Die Speicherstadt – Kaispeicher”
Vor zwei Jahren erschien die Grundversion und hatte uns auf Anhieb sehr gut gefallen. Herzstück des Ganzen ist ein Bietsystem um siegpunktträchtige Karten (Aufträge, Waren, Sondergebäude, Sondereffekte). Der erste Spieler, der auf eine Karte geboten hat, bekommt das Vorkaufsrecht. Allerdings muß er auch am meisten für diese Karte berappen: Für jeden Spieler, der beim Bieten noch dabei ist, muss er eine Münze zahlen. Er kann auf den Kauf auch verzichten, dann darf nächste Spieler entscheiden, ob er seinerseits kauft oder verzichtet.
Das Geld ist immer sehr knapp. Manchmal krebsen wir mit nur 2-3 Münzen in der Hand durch den Hafen. Allein durch das Mitbieten auf eine Karte können uns die miesnickeligen (= strategisch ausgerichteten) Mitspieler eine Karte unerschwinglich teuer machen.
Mit der Erweiterung „Kaispeicher“ kommen neue Karten (für Aufträge etc.) ins Spiel. Doch das wesentlich Neue daran ist eine weitere Kartenauslage, in der die Karten nicht nach dem ursprünglichen Bietsystem vergeben werden, sondern in der sich jeder Spieler in Zugreihenfolge eine beliebige Karte vorreservieren kann. Die Anzahl der Vorreservierungen entscheidet am Ende über den Preis. Hier gibt es eine sehr destruktive Interessen-Tendenz: Begehrte Karten, die man nicht selber ersteigern will, wählt man zuerst für die Vorreservierung aus. Die werden dann die teuersten und kommen oft nicht zum Zug.
Aaron gefiel diese Erweiterung nicht. Sie verlängert die Spielzeit und räumt dem Zufall (zufällig optimale Karten in der Auslage bei günstiger Startspielerreihenfolge) einen größeren Einfluß ein. Günther und Walter fanden die Erweiterung deutlich als Bereicherung. Die Preisbildung paßt sich gut in die Mechanismen beim bisherigen Bietsystem ein, doch man muß man nicht so viel Hoffnungs-Biet-Schweiß vergießen, um eine bestimmte gewünschte Karte zu bekommen; man kann zur Abwechslung einfach zulangen.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (ein Punkt weniger als ohne Erweiterung), Günther: 8 (für Vielspieler ist die Erweiterung besser, für Gelegenheitsspieler empfielt er eher die „reine“ Variante, Walter: 8 (ein Punkt mehr; das Spiel wird besser, mehr Geld, weniger Entwicklungssackgassen).

3. “Elfmeterschießen Real – FCB”
Gerade rechtzeitig zum Elfmeterschießen war die Speicherstadt zusammengepackt worden. Jubel beim Gastgeber, verhaltene Emotionen bei den Non-Fußballern.
Aus Barcelona kam per Facebook noch blitzschnell der Kommentar:
“Felicidades desde Catalunya !! Aquí la gente tira petardos, Bayer campeón. Força Bayer !!!“

4. “Trans Europa”
Zu früh für einen Absacker, zu spät für ein spielerisches Vollprogramm. Die Frage: „Zu welchem der vielen, von uns hochbewerteten Brettspielen hätten jetzt ein jeder noch wirklich Lust?“ Keine spontane Antwort. Bedenklich, oder? Günther entdeckte oben auf einem Spielestapel das „Trans-Europa“. Unangefochten für alle die beste Wahl des Augenblicks.
Eingekleidet in das Verlegen von Eisenbahnschienen werden wir vor ein hübsches Transportoptimierungsproblem gestellt. In einem mehr oder weniger gemeinsam zu bauenden Eisenbahnnetz muß jeder Spieler fünf vorgegebene Städte verbinden. Sobald es der erste geschafft hat, ist das Spiel zu Ende.
In einer Dreierrunde gibt es viel weniger Gewurrl in der Mitte des Spielplans als mit vier, fünf oder gar sechs Mitspielern. Viel länger kann jeder sein eigenes Streckensüppchen kochen, und hoffen, dass die Mitspieler nolens volens die notwendigen Verbindungen in den anderen Teilen Europas herstellen. Voraus-zu-Ahnen, wohin die anderen bauen müssen, ist der halbe Sieg. Die andere Hälfte liefert ein günstiges Glück beim Verteilen der individuellen Städteaufgaben, die jeder Spieler lösen muss.
Im Regelheft steht: „Es ist meist vorteilhaft, nicht zu nahe neben dem Startpunkt eines anderen Spielers mit seiner Strecke zu beginnen.“ Ist das zutreffend? Wahrscheinlich ein bis heute ungelöstes geographisches, mathematisches und psychologisches Problem.
Keine neue WPG-Wertung für 8-Punkte Spiel.