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04.05.2011: Cuba und andere große Fische

Fliegende Panzer in Flugverbotszonen, Privatvillen als Kommandozentralen, Lynchjustiz aus Notwehr, mörderische Mitfreuden unter christlicher Führung, Meerbestattung als Entsorgung, das waren die thematischen Schlagwörter nach dem Absacken.
Ach laßt uns doch lieber die Augen zu machen und spielen!
1. “Cuba”
Wir befinden uns auf der Zuckerinsel noch vor der Revolution. Wir lassen muskulöse Arbeiter darin werkeln, um Baustoffe (Wasser, Holz und Stein) für unsere Plantagen herzustellen, wir bringen unsere Rohstoffe (Tabak, Zuckerrohr und Zitrusfrüchte) von attraktiven Händlerinnen zum Markt, um damit Geld zu machen. Wir lassen uns von hemdsärmeligen Architekten Fabriken bauen, in denen unsere wohlgeformten Vorarbeiter für die Veredelung unserer Rohstoffe (zu Rum und Zigarren) sorgen. Und unsere smarten Bürgermeister lassen die Waren zu den Schiffen im Hafen bringen und streichen die Siegpunkt-Erlöse ein.
Dazwischen beeinflussen wir die Gesetzgebung, um auf unsere eigenen Resourcen und Besitztümer größere staatliche Subventionen zu lenken als auf die unserer Konkurrenten.
Der Ablauf ist im Prinzip (natürlich nicht in den Details) ähnlich wir bei den „Burgen von Burgund“: Im Schweiße unseres Angesichtes müssen wir uns den Siegpunktsegen erarbeiten. Komplex, kompliziert und funktionell. Eine stimmige neue Kombination von vorhandenen bewährten Mechanismen.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viele fummelige Elemente), Günther: 7 (man braucht viel Erfahrung, um die Wirkungsweise und die optimale Position der verschiedenen Fabriken zum Umwandeln von Baustoffen und Rohstoffen in Produkte und Siegpunkte zu verstehen und zu beherrschen), Horst: 8 (hat das Spiel schon 4 mal gespielt, spielt es aber immer noch aus dem Bauch einfach drauflos), Walter: 7 (die Abläufe, vor allem bei der Konkurrenz, sind klarer vorhersehbar als bei den „Burgen“, insofern ist „Cuba“ planbarer. Wenn man es versteht.)
2. “Trawler”
Trawler PrototypAaron’s Eigenbau „Trawler“ hat mal wieder einen Reifegrad erreicht, der unter die Lupe genommen werden sollte. Schon die Schachtel, der Spielplan und das Material sahen so hübsch und professionell aus, dass Walter gleich den Prototyp-Status vergaß und gleich mit ergonomischen Verbesserungsvorschlägen ankam. Doch Aaron wehrte ab: „Bitte redet mir nicht über das Spielmaterial!“
Wir sind Fischer, schicken unsere Trawler auf Fischfang aus, erfüllen mit vorgeschriebenen Mengen an Krabben, Schollen oder Heringen unsere Lieferaufträge, verkaufen den überschüssigen Fang auf dem Markt, um mit dem Gelderlös unsere Flotte aufzurüsten, und versuchen bei all diesen Aktivitäten, möglichst viele Siegpunkte auf unser Konto zu bringen.
Die Konkurrenz ist groß, besonders die Fanggebiete in der Umgebung des Fischereihafens sind im Nu leergefischt. Wir müssen sehr schnell die Reichweite unserer Schiffe ausbauen, damit wir mit ihnen überhaupt noch ein Fischlein nach Hause bringen können.
Der Startspieler hat gewaltige Vorteile. Manchmal kann nur er noch mit seinem kleineren Kutter eine Beute einfahren; die anderen Spieler sollten in solchen Runden besser ihre Boote zur Aufrüstung in die Werft bringen,wenn sie sich nicht mit dem harten Brot von Hafenrundfahrten über Wasser halten wollen. Natürlich wechselt die Startspielerrolle reihum, und über jeden ergießt sich einmal ihr Füllhorn. Und natürlich kann man auch vorausrechnen, wann das sein wird, und seine Planungen entsprechend darauf einrichten. Doch krass ist dieser Effekt allemal.
Auch die anderen Spielelemente prasseln ziemlich brutal auf die Spieler herab. Wenn alle Dockplätze belegt sind, gibt es kein Aufrüsten, wenn die Hafenrundfahrten ausgebucht sind, bleibt das Schiffspersonal selbst von diesem Hartz-IV-Einkommen ausgeschlossen; wenn am – immer engen – Markt der letzte Hering verkauft ist, können wir evtl. unsere Lieferaufträge nicht erfüllen und müssen mindestens eine Runde länger auf neue Liquidität warten, was u.U. unseren Entwicklungszeitplan gewaltig durckkreuzen kann.
Doch wenn man sich erst einmal an diese krassen Elemente gewöhnt hat, dann zeigt sich die Farbigkeit des Gesamt-Designs. Alle Elemente funktionieren. Man darf nicht alles auf eine Karte setzen, sondern muß mit Augenmaß die verschiedenen notwendigen Schritte tun, um flüssig zu bleiben, eine wohlproportionierte Fischereiflotte zu besitzen, reiche Fanggründe zu erreichen und in der Summe die lohnendsten Lieferaufträge zu erfüllen.
Dabei geht das alles sehr flott über die Bühne. Grade fangen wir an, in Geld und Flotte zu schwelgen, sind die Aufträge auch schon alle vergeben und das Spielende erreicht. Es braucht nur noch an wenigen Stellschrauben minimal gedreht werden, und wir haben ein rundes neues Spiel vor uns, das mit seinen schnellen, klaren und doch überraschenden Spielzügen gefällt bis entzückt.
Noch keine WPG-Wertung für diese Entwicklungsphase.
3. “Great Western”
Great Western - Spielbox EditionDer April-Ausgabe der „Spielbox“ lag dieses erste Spiel der “spielbox Wallace Edition” bei: zwei Papierseiten mit einer Landkarte von Südengland, auf der wir Eisenbahnstrecken bauen, Städteverbindungen herstellen und damit Siegpunkte einheimsen.
Der Spielablauf ist ganz einfach:
Pro Runde wird pro Spieler ein Zug zum Einsatz gebracht. Die Züge haben unterschiedliche Wertigkeit, die durch Würfel ermittelt wird: die mickrigsten Züge bringen gerade mal 0 (Null!) bis 1 „Marker“ (Währungseinheit) ein, die üppigsten Züge erlauben einen stolzen Ausbau zu siegpunktträchtigen Strecken.
Die Züge werden versteigert, Geld ist knapp. “Keep fully invested” ist sicherlich eine gute Devise, denn je mehr Städte man bereits verbunden hat, desto höher sind die rundlichen Einnahmen. Wer am Ende in Summe die lukrativsten Städte verbunden hat, ist Sieger.
Horst konnte sich – mehr oder weniger unfreiwillig – in den ersten Runden eine ganze Reihe billiger Städte südöstlich von London zulegen und hatte ständig die höchsten Rundeneinnahmen. Er konnte auch noch einen großen Satz von Portsmouth nach Yeovil tun, um auch im Westen Cornwalls mitzumischen. Damit sah er wie der sichere Sieger aus. Doch mit dem letzten Satz hatte er sich total verausgabt; in der anschließend notwendigen pekuniären Erholungspause wurde er von der weiteren Entwicklung nach Westen abgesperrt und konnte nur noch ohne weiteren Zugewinn vor sich hindümpeln.
Walter hatte – teils geplant, teils notgedrungen, teils zufällig – die Verbindung Swindon – Gloucester herstellen können und war damit unversehens in den Besitz des alleinigen Zugangs zur Krösus-Strecke nach Port Taliban gelangt. Während die Mitspieler mit langen Gesichtern das Auswürfeln der restlichen Züge abwarten mußten, ohne selber noch ins Geschehen eingreifen zu können, konnte Walter entspannt auf die Vollendung der Verbindung zu den letzten vier Städte warten, die sein Siegpunktpolster verdoppelte. Wir verzichteten auf das bittere Ende.
Peters übliche, etwas bösartige Einschätzung von Wallace’ Design-Technik war diesmal vollauf berechtigt: Einige hübsche Ideen, die aber in der Realisierung ein erhebliches Feintuning vermissen lassen.
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 5, Horst: 5, Walter: 6.
4. “Bluff”
Horst kämpfte als David mit einem einzigen Würfel im Endspiel gegen die vier Würfel vom Goliath Günther.
Seine erste Vorgabe: 2 mal die Eins. Günther hatte selber 2 Einsen, 1 mal die Drei und 1 mal die Fünf unter dem Becher. Anstelle mit dem logischen Goliath-Konter, 3 mal die Eins, den Sack zu zu machen, wollte er lieber einen eleganten Bluff-Sieg hinlegen und erhöhte auf 2 mal die Fünf. Horst hatte keine andere Chance als anzuzuweifeln und verkürzte so auf 1:3.
Seine zweite Vorgabe: 1 mal die Fünf. Günther hatte eine Fünf und einen Viererpasch unter dem Becher und fürchtete sich sowohl vor der logischen Goliath-Ansage 2 mal die Vier wie auch vor dem Risiko-Gebot 2 mal die Fünf. Sein abwartendes Zwischengebot von 1 mal Stern wurde von Horst ungerührt angezweifelt. Es stand nur noch 1:2.
Horst schwenkte jetzt auf Walters überlegene Immer-4-Strategie um und begann mit 1 mal die Vier. Günther hatte nur eine Eins und eine Drei unter dem Becher, da konnte ihm auch seine berüchtigte Immer-5-Strategie nicht aus der Patsche helfen.
Auch das 1:1-Endspiel konnte Horst spielend mit der Immer-4-Strategie zu seinen Gunsten entscheiden. Großes 3:1-Gelächter!
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

27.04.2011: Götzenbilder in Burgund

In seinem Begleittext zu „London“ als unserem neuesten “Spiel des Monats” hatte Walter geschrieben: „Es gilt, in Bescheidenheit und ölologischer Vernunft seine Kartenfreiheit zu nutzen“. Aaron, der die Übersetzung ins Englische besorgt und schon häufiger über Walters Schreibfehler gestolpert ist, hat rückgefragt, ob “ölologische Vernunft” ein Wortspiel ist oder “ökonomische Vernunft” heißen soll. Eigentlich hatte Walter „ökologisch“ gemeint, aber dies ließ Aaron nicht gelten. Dieser Begriff war ihm einfach zu neu und zu deutlich auf den Umweltschutz des 20. bzw. 21. Jahrhunderts gemünzt.
Frage an die Londoner Experten: Ist das Vorgehen, dass man für ein erfolgreiches Vorgehen in „London“ benötigt jetzt “ökologische Vernunft” oder “ökonomische Vernunft”?
1. “Pantheon”
Seine schlechte Wertung für „Pantheon“ (pures „Chaos“) hat Aaron nicht schlafen lassen. Die ganzen Osterfeiertage über hat er Abläufe und Schwachstellen unserer ersten Begegnung vom 20. April analysiert und wollte seine Ergebnisse heute am lebenden Objekt nochmals verifizieren.
Wie gehabt ziehen wir in sechs Runden unsere Trampelpfade vom Zentral-Tempel zu verschiedenen Markern und hinterlassen unsere Duftmarken in Form von Füßen und Gebetstrommeln. Nach jeder Runde sammeln wir unsere Füße wieder ein, die Trommeln bleiben stehen und liefern uns am Ende nach einer quasi quadratischen Formel einen riesigen Batzen Siegpunkt-Einkommen. „Riesig“ ist das Einkommen zumindest für den, der in der Quadrat-Formel auf der Trommel-Abszisse gewisse Schwellwerte überschritten hat. Wer hier nur gekleckert hat, wird in der Schlußwertung auch entsprechend klecklich behandelt.
Auch die Götzenstrategie hat ihren Charme. Wir verschaffen uns damit fortlaufend Vorteile für unsere künftigen Spielzüge: größere Reichweite, größeres Einkommen, linear anwachsende Siegpunktprämien und gegebenenfalls die Erlaubnis für Doppelzüge, mit denen wir – mit ein bißchen Glück – in der letzen Runde ebenfalls gewaltige Siegpunkt-Summen einstreichen können.
Die explosionsartig anwachsende Siegpunkten-Flut, die über uns Spieler hereinbricht, ist im Design von „Pantheon“ sicherlich etwas außer Balance geraten. Ganz kleine Effekte, wie z.B. der Aufbau einer einzigen weiteren Gebetstrommel oder eine einzige, mehr oder weniger zufällig passende Aktionskarte zum Erwerb des letzten Götzenbildes, das dann in einer Kettenreaktion ganze Siegpunkt-Lawinen über uns herunterkommen läßt, machen eine seriöse Planung sehr fragil. Aber vielleicht ist das auch das Schöne daran: Kaum hat man sich mit den Mechanismen angefreundet und schmiedet Pläne für reiche Siegpunkternten, da ist mit einem rasanten Knalleffekt das Spiel auch schon zu Ende.
Heute lief alles ganz anders als beim letzten Mal. Trotzdem konnte sich auch diesmal wieder die Trommelstrategie (im Tie-Break) vor der reinen Götzenstrategie durchsetzen. Beide Strategien wurden jeweils durch das individuelle Privileg zur Startaufstellung (1 Bewegungsschritt mehr bzw. 1 Aktionskarte mehr) nahegelegt. Der Startspieler, für den kein solches richtungsweisendes Privileg mehr übrig war, büßte notgedrungen einen Milligramm Strategie-Konsequenz ein und hatte so keine Chance mehr auf einen der vorderen Plätze.
In einer Stunde waren wir durch. Daraus folgerte Aaron einen deutlich gestiegenen Wiederspielreiz. Seine Gleichsetzung von „Pantheon“ mit „7 Wonders“ konnte Walter allerdings nicht unwidersprochen hinnehmen: Freilich lebt „Pantheon“ auch von Karten, doch der Freiheitsgrad beim Ziehen der Karten und den daraus resultierenden möglichen Aktionen ist in „Pantheon“ um ein Mehrfaches größer. Freilich bringen auch in „Pantheon“ die gezogenen Aktionskarten einen deutlichen Zufallseinfluß mit sich. Doch hier sind noch wesentlich mehr Zufallseinflüsse gegeben, aber alle fein, wohlabgestimmt und spielerisch in den Gesamtablauf integriert. Für mich!
WPG-Wertung: Aaron: 7 („kurzweilig“, 2 Punkte mehr), Günther und Walter blieben bei ihren 8 Punken: .
2. “Die Burgen von Burgund”
In einem (gemäß Regelheft) „außergewöhnlichen Aufbauspiel um Weiden, Waren und Würfel“ sollen wir unsere hexagonalen „Ländereien durch überlegten Handel und Wandel aufblühen lassen.“
Zunächst einmal würfeln wir, jeder mit zwei Würfeln. Der Würfel bestimmt, welches der offen ausliegenden Landschaftsplättchen wir in unseren Vorrat, und welches Plättchen wir vom Vorrat auf welches Feld in unseren Ländereien legen dürfen. Passt uns das Würfelergebnis nicht, dürfen wir uns für einen Würfel zwei Arbeiter zulegen, die es uns erlauben, beim nächsten Wurf die geworfene Augenzahl nach oben oder unten zu verschieben. So ganz stupide sind wir dem Würfel also nicht ausgeliefert. Ein bißchen aber schon.
Mit jedem Plättchen in unseren Länderreien gewinnen wir Vorteile: die Erlaubnis, noch ein weiteres Plättchen legen, ein paar Arbeiter für die Würfelaugen-Modifikation, Geld (zum Erwerb von Landschaftsplättchen völlig am Würfelergebnis vorbei), oder Siegpunkte. Alle Rädchen wirken ineinander und alle Aufbauleistung wird belohnt. Allerdings riecht alles unweigerlich nach Schweiß, der von der Stirne tropfen muß, damit das Werk den Meister loben kann. Würfel-Modifier durchrechnen, die Erreichbarkeit von Plättchenauslagen abschätzen, die Ambitionen der Mitspieler vorhersehen und sich dagegen vorsehen, das ist alles ziemlich anspruchsvoll. Aaron und Walter fanden hier sogleich Ähnlichkeiten zu „Agricola“. Wer dieses Spiel liebt, wird auch an den „Burgen von Burgund“ seine Freude haben. Und wenn die Jury von „Spiel des Jahres“ wieder einen Sonderpreis für das „komplexeste Spiel des Jahres“ vergeben will, dann sind die „Burgen“ ein heißer Anwärter.
Doch für Spielen im eigentlichen Sinn des Wortes fehlen deutlich spielerische Elemente. Und die Interaktion beschränkt sich auf den Wettlauf um die Prämienplätze bei den vielfältigen Etappenzielen. Und das Thema? Der Rioja auf dem Tisch hat mehr Assoziationen mit Burgund aufkommen lassen als die Masse der 240 Spielelemente.
WPG-Wertung: Aaron: 6 („der Spannungsbogen fehlt, 5 Runden lang der gleiche Ablauf“), Günther: 8 („für Freaks, komplexes Aufbauspiel mit zahlreichen Entfaltungsmöglichkeiten, objektiv ein Highlight des Jahres 2011, subjektiv vielleicht nicht“), Walter: 6 („ein Hoch für den Schweiß, den der Autor bei der Spielentwicklung vergossen hat, kein Hoch für den Schweiß, den die Spieler beim Spielablauf vergießen müssen“).

20.04.2011: Vermessung von Göttern und Halbgöttern

Der 20. April ist der 110. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 111. in Schaltjahren), somit verbleiben noch 255 Tage bis zum Jahresende.
Im Jahre 1653: In England vertreibt Oliver Cromwell mit 30 Bewaffneten die rund 100 Abgeordneten des Rumpfparlaments, die sich in den Tagen zuvor geweigert haben, die Selbstauflösung des Parlaments zu beschließen.
Im Jahre 1902: Marie und Pierre Curie gelingt die Isolierung des chemischen Elements Radium.
Im Jahre 2010: Die Ölplattform Deepwater Horizon explodiert und sinkt zwei Tage später. Das größte Ölleck der Geschichte entsteht, mit unabsehbaren Folgen für die Menschheit.
Im Jahre 2011: Hauptversammlung der Münchener Rück im Messegelände. Ein Schwerpunktthema: Erdbeben, Tsunami und Atom-GAU in Japan. Wertung der Experten: Die Japan-Katastrophe ist „nur“ ein Jahrhundertereignis. Sie wird die Firma ca. 1,5 Mrd Euro kosten. Das schmälert den Gewinn, frißt ihn aber nicht auf. Die „Rück“ ist grundsätzlich auch für Jahrtausendereignisse gewappnet und hat dafür Geschäftsmodelle entwickelt.
Nachfrage: Was ist ein „Jahrhundertereignis“? Eines, das in hundert Jahren durchschnittlich einmal auftritt? Das also bei 100 Versicherungsfällen durchschnittlich einmal im Jahr auftritt? Keine Nachfrage und keine Antwort zu der denkwürdigen Konstellation: Wieviele Atomkraftwerke sind auf der Welt versichert?
1. “Cinco”
Cinco EndstandDas Spielbrett ist in hexagonale Flächen aufgeteilt und die Spieler setzen abwechselnd je einen Spielstein aufs Brett. Wem es als erstes gelingt, in einer Linie fünf seiner Spielsteine nebeneinander abzulegen, hat gewonnen. Auf den ersten Blick erinnert das an das wohlbekannte ehrwürdige Gobang. Auf den zweiten Blick auch. Nur gibt es sechs anstelle von vier Richtungen zu berücksichtigen.
Ein Spieler darf seine Spielsteine aber nicht auf beliebige Felder des Spielbretts legen, sondern er zieht Karten mit einer Zahl, die die ihm erlaubten Felder angeben: Die Einschränkung erschwert natürlich eine konsequente Gewinn-Planung, im gleichen Zuge natürlich aber auch die Gegenmaßnahmen der Mitspieler. Doch in einem Mehr-Personen-Spiel ist eine Planung ohnehin obsolet. Gegen zwei mittelmäßig aufmerksame Mitspieler hat selbst ein Genie keine Chance, eine nicht mehr verhinderbare 5er-Kette viele Züge lang voraus zu planen.
Zwei von uns konnten sich vorstellen, dass das Spiel ein hübsches, abstraktes 2-Personen-Strategie-Spiel ist. Einer konnte oder wollte sich das nicht vorstellen.
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 6 (zu zweit, 4 zu dritt oder mehr), Walter: 7 (zu zweit, 4 zu dritt oder mehr).
2. “FITS”
Tetrisartige Bausteine fallen vom Himmel bzw. werden jedem Spieler zum Einräumen in sein Spielbrett vorgegeben. Wer am Ende die meisten vollständig überdeckten Reihen aufweist hat gewonnen.
Vor anderthalb Jahren zum ersten Mal am Westpark gespielt, hat das semi-rationale Geometrie-Puzzle noch positiv überraschen können. Diesmal ist nur Günther bei seinen Punkten geblieben. Aaron und Walter haben den möglichen objektiven Spielreiz für andere beiseite gelassen und eine knallharte subjektive Wertung abgegeben.
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 7, Walter: 4.
3. “Pantheon”
Ein Spiel des bekannten Petersburger Trios Michael Tummelhofer. Günther hat es schon viermal gespielt: während der Prototyp-Entwicklung bei Hans-im-Glück, bei den Münchener Spuiratzn und in anderen Non-WPG-Spielrunden. Alle waren von dem Spiel sehr angetan.
Gegen die kritischen To-have-a-plan-Fanatiker vom Westpark baute Günther aber gleich vor: „Es geht absolut ungerecht zu. Schließlich spielen wir mit Göttern und Halbgöttern.“ Das Glück soll sich im Laufe des Spiels allerdings ausgleichen, zumindest nach dem Gesetz der großen Zahlen. Was aber nicht bedeutet, dass in der Realität die Glücksbilanz beliebige Ungleichgewichte aufweisen kann.
In sechs Epochen sammeln wir Aktionskarten mit Geldscheinen, Bewegungspunkten und Opferzertifikaten. Mit den Geldscheinen kaufen wir Fußvolk, Gebetstonnen und Opferrabatte. Mit Fußvolk und Bewegungspunkten erzeugen wir Trampelpfade durch das hexagonale Spielbrett, und zwar vom Ausgangstempel bis zu besonderen Markern, die uns Vergünstigungen und Prämien einbringen. Mit genügend Opferscheinen (volatile) und Opferrabatten (permanent) erwerben wir Halbgötter, Götter und Siegpunkte. Auch der Besitz von Gebetstonnen wird periodisch belohnt.
Die Menge unseres Fußvolkes, die Potenz unserer Opferrabatte und der Götterlohn für den Erwerb eines Hausaltars steigen permanent an. 10-15 Siegpunkte für einen Zug sind in der letzten Epoche keine Seltenheit, in der ersten Epoche muß man sich mit vielleicht nur einem Siegpunkt pro Zug begnügen. Diese Steigerung enthält natürlich genügend Dynamik, um die Spielerpositionen von Epoche zu Epoche gehörig durcheinanderzumischen, und sie läßt auch dem Schlußlicht bis zur letzten Runde eine Hoffnung auf den Sieg. Unser Moritz hatte sich von vornherein auf die lukrativen Gebetstonnen verlegt, die erst in der allerletzten Schlußwertung die in ihnen enthaltene Musik aufspielen lassen. Mit 48 Siegpunkten für alle seine 12 Gebetstonnen konnte er sein bisheriges Punktekonto etwa verdreifachen und sich damit unangefochten an die Spitze setzen.
„Pantheon“ erlaubt ganz verschiedene Schienen zu fahren. Das ist eine der Stärken des Spieles. Nicht nur Moritz’ Gebetstonnen, auch Hausaltäre können zum Sieg führen. Nur konsequent muß man dabei vorgehen und ein feines Gleichgewicht zwischen dem permantenten und den volatilen Opfereinsatz finden.
Eine andere Stärke ist der wohldosierten Einbau von Zufallselementen, die den spielerischen Charakter unterstreichen und eine trockene ingenieursmäßige Optimierung der Spielzüge abwehren. In den Karten, die jeder zieht, und im Angebot an Göttern, die es zu erwerben gibt, liegt eine gewisse zufällige Streuung drin. Aber keinesfalls so, dass alles chaotisch und unplanbar wäre. Für diese Qualität bürgt schon allein das Haus Hans-im-Glück.
WPG-Wertung: Walter 8 (erlaubt viele verschiedene, miteinander ausbalancierte Strategien), Aaron: 5 (es gibt den Anschein, als erlaube es viele verschiedene Strategien, doch im Grunde herrscht nur Mitspielerchaos) , Günther: 8 (bestreitet das Chaos), Moritz: 8 (fiel nur „Phallus“ ein, wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Säule auf dem Deckblatt).
Bei „Pantheon“ haben wir zum ersten Mal in unserer Geschichte den DGT-Cube zum Messen der Denkzeiten eingesetzt. Das sorgte für eine gewisse Nervosität und konstruktive Spannung während des gesamten Spiels. Jeder achtete darauf, das die Zeit für Klärungsfragen oder allgemeingültige Spielabläufe nicht zu Lasten seiner privaten Denkzeit gingen. Das überraschende Ergebnis: Die Summe aller Denkzeiten der einzelen Spieler lag um weniger als 20% auseinander. Walter war (selbstverständlich!) mit 10:42 Minuten der Schnellste, ganz knapp vor Aaron mit 10:44 Minuten, Günther lag (darauf sollten wir in Zukunft vielleicht achten!), mit 12:21 Minuten an der Spitze, doch diese Differenzen sind noch tragbar.
Zu diesen Individual-Denkzeiten von insgesamt gut 45 Minuten kommen nochmals etwa 45 Minuten für Spielvorbereitung, Epochenvorbereitung, Zwischenwertung und Endwertung. Die somit 1 ½ Stunden Gesamt-Spieldauer für ein Aufbauspiel a la „Pantheon“ geht durchaus in Ordnung. Vielleicht hat diesmal aber der DGT-Cube dazu beigetragen, dass es nicht wesentlich länger wurde.
4. “Artus”
Die Altmeister Kramer und Kiesling zeichnen als Autoren. Aber vielleicht haben sie Ghostwriter bemüht. Oder sie bereiten sich gerade vor auf einen Absprung in die Abteilung „Kinderspiele“ beim Zoch-Verlag.
Auf dem Tisch liegt eine Drehscheibe, die am Rand grüne positive Zahlen von 1-10, rote negative Zahlen von -1 bis -15 und gelbe Nullen enthält. Die Spieler bewegen jeweils einen ihrer je 4 Pöppel um diese Drehscheibe herumlaufen und buchen für jeden Zug soviele Pluspunkte bzw. Minuspunkte, wie die Drehscheibe am Beginn des Zuges für den bewegten Pöppel angibt.
Die Schrittweite, wieviel sich ein Pöppel bewegt, wird durch Bewegungskarten angegeben, von denen jeder Spieler bei Spielbeginn einen identischen Satz erhält.
Damit das Ganze nicht zu berechenbar wird, kann man mit bestimmten Bewegungskarten auch die Drehscheibe selbst bewegen, so dass ein Spielstein, der gerade soeben noch auf der grünen Plus-10 gestanden hat, im nächsten Zug bereits auf der roten Minus-15 steht. Und da jeder Spieler erst wieder dann am Zug ist, wenn vor ihm drei andere Spieler Pöppel und Drehscheibe bewegt haben, kann man sich leicht ausmalen, wieviel eigenes Glück jeder Schmied in seiner Hand hat.
Um wenigens zwei oder drei Milligramm davon eigenhändig schmieden zu können, durfte – gemäß Fortgeschrittenen-Regel – jeder Spieler pro Zug zwei Bewegungskarten ausspielen. So konnte er wenigens mit der ersten In-den-sauren-Apfel-beißenden-Karte dafür sorgen, dass er mit der zweiten Karte in einen süßen Apfel beißen durfte. Am Westpark gehen solche Vergünstigungen natürlich auf Kosten der Denkzeit. Jetzt hat man ja was zu denken! Und weil man erst Denken kann, wenn man wirklich am Zug ist, sind alle Denkvorgänge linear, d.h. additiv. Destruktiv lang.
Weil bei man der langen Denkzeit (der anderen) so selten dran kommt, muß man seinen Zug dann sehr gut überlegen. Und je länger man überlegt, desto länger müssen die anderen warten, und umso seltener (pro Zeiteinheit) kommen sie dran. Ein richtiger Teufelskreis. Da hätte wohl auch ein DGT-Cube nicht viel ausrichten können.
Wir hätten doch nur die 9-Jährigen-Version hernehmen sollen, wo jeder nur eine Bewegungskarte spielen darf. Den einen optimalen Zug herauszufinden ist dann die Trivial-Aufgabe: Bestimme den höchsten Drehscheibenwert, auf dem einer Deiner Pöppel steht! Diese Aufgabenstellung und der daraus resultierende Spielablauf hätte zu „Artus“ besser gepaßt.
WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther: 4, Moritz: 5 (das Thema paßt: Kingmakerei), Walter: 4.

13.04.2011: Das Plagiat des 20. Jahrhunderts

Aaron und Moritz arbeiten beide unabhängig voneinander an je zwei verschiedenen Spielen. (Insgesamt also an vier Spielen.) Auch zum Spiele-Erfinden gehört, wie zu jeder anderen künstlerich kreativen Arbeit 1 % Inspiration und 99 % Transpiration. Eine ihrer gemeinsamen Erfahrungen in diesem Metier: Kleine Änderungen im Design können ganz große Wirkungen auf die Balance haben. Negative natürlich.
Spiele-Erfinder der Welt, hört die Signale: Auch wenn wir Euere Produkte zuweilen explizit zerreißen, eine Hochachtung vor Euerer produktiven Arbeitsleistung und Euerem vertropften Schweiß wollen wir hiermit doch in jedem Fall implizit ausgedrückt haben.
1. “Rumis”
Eine Test-Session für Moritz erstes Werk (auf dem Spielesektor) war angesagt. Der vierte Spieler kam extra aus Frankfurt angereist. Seine Verspätung nutzen wir zu einem Warming-Up mit „Rumis“, einem lockeren Spiel um das konkurrierende Aufstellen von Bauklötzchen, bei dem selbst ältere Herren ihren Kreislauf in Schwung bringen können.
Auch die topologische Phantasie ist gefordert. Und hinterher ist es natürlich leicht, klüger zu sein. „Schon Dein erster Zug war falsch. Eine Reihe weiter zur Mitte hättest Du Dir gleich ein größeres Eigengebiet abstecken können.“ Die Kritik wurde akzeptiert und mit der vorgeschlagenen Anfangsposition sofort ein neues Spiel angefangen. „Nach Deinem Tip bin ich jetzt ja noch schlechter gefahren als vorher!“ „Jetzt war Dein zweiter Zug zu defensiv, in dieser Phase darf man nicht absichern, sondern muß aggressiv nach vorne spielen!“ „Stimmt, ich widerspreche Dir nicht. Ich spiele nicht gut, aber ich mag das Spiel!“
Lauter friedliche Kommentare zu einem konstruktiven Konkurrenzkampf, bei dem trotz unterschiedlichsten Grundeinstellungen niemals die sachliche Argumentationsebene verlassen wurde. Das war bisher in all den hundert Partien der Fall, die ich schon gespielt habe. Auch diese Sachlichkeit ist ein Qualitätsmerkmal von „Rumis“.
Keine neue WPG-Wertung für ein 7,7 Punkte Spiel.
2. “Das verfliXXte Jahrhundert”
Bereits vor zweieinhalb Jahren setzte uns Moritz seine Eigenentwicklung zum ersten Mal vor, und am 12.11.2008 wurde seine Spielidee mit seinem richtigen Namen „Das 20. Jahrhundert“ bereits in unserem Session-Report vorgestellt. Doch das Spiel hat die notwendige Reife immer noch nicht erreicht. Jetzt hat Vladimír Suchý bei Czech Games Edition auf der Spiel 2010 in Essen ein eigenes „Das 20. Jahrhundert“ herausgebracht, das mit Moritz’ Erfindung auch nicht das Geringste zu tun hat. Es ist also keinesfalls ein Plagiat. Nur der Name ist weg. Und Moritz ist auf der Suche nach einem neuen. Wie wär’s mit „Das verfliXXte Jahrhundert“?
Mit von der Partie war heute ein Gast aus Frankfurt: Christof Tisch, Chefgraphiker bei Hans-im-Glück, der gemeinsam mit Moritz die Kanten und Ecken des ehemaligen 20. Jahrhunderts abschleifen hilft.
Wir bewegen unseren Pöppel durch die Epochen des (immer noch) 20. Jahrhunderts, beteiligen uns an den Kriegen, die damals rund um die Welt stattgefunden haben (es sind viel mehr, als sich der gesunde Menschenverstand träumen läßt), wir entwickeln unsere Kompetenzen in sieben Forschungsgebieten (Wissenschaft, Kultur, Politik, Militär, Industrie, Religion und Krieg), wir nehmen politischen Einfluß in über 20 verschiedenen geographischen Zonen auf vier Kontinenten, und wir steigern unser Potential in fünf Aktionsfeldern (Einfluß, Globale Kontrolle, Schicksal, Diplomatie und Forschung).
Motor unserer Bewegung sind Aktionskarten, von denen jeder Spieler zu Beginn einen identische Satz erhält. Im Laufe des Spiels kann man sich weitere und mächtigere Aktionskarten zulegen, die alle mehr oder weniger wrap-around genutzt werden. Eine Art Währung sind Einflußwürfel, die wir bei verschiedenen Aktionen in unterschiedlichen Quantitäten einsetzen dürfen oder müssen, und von denen wir uns immer eine genügende Reserve zurückhalten sollten.
Kriege sind kurz und schmerzlos. Sie werden en-passant abgewickelt, sofern sich mindestens eine kriegsführende Partei dafür gefunden hat. Die Gewinner erhalten politischen Einfluß in den unterlegenen Länderzonen, was zwar erfreulich, aber keinesfalls spielentscheidend ist. Kriege bieten auch eine günstige Gelegenheit, Einfluß in Geld zu verwandeln. Hier fiel das böse Wort von den „Gnomen von Zürich“.
“Das verfliXXte Jahrhundert” ist ein äußerst komplexes Spiel. Es enthält hunderte von Schräubchen und Rädchen, die alle mehr oder weniger stark voneinander abhängen. Am liebsten möchte man an allen ein bißchen drehen, aber manchmal sind sie zu weit weg, manchmal hat man nicht genug Kraft und manchmal braucht man einfach eine Menge Geduld. Alle Elemente bieten eine progressive, zuweilen sogar explosive Steigerung; der Umsatz an Einfluß, Diplomatie und technischem Fortschritt nimmt gewaltig zu. Das Spielmaterial auf dem Spielbrett, von denen die Effizienz unserer verschiedenen Züge abhängt, wird immer umfangreicher. Das hat natürlich auch zur Folge, dass die Spielzüge immer langsamer werden. 90 Minuten brauchten wir für die erste Epoche, zwei Stunden für die zweite Epoche. Die vorletzte U-Bahn verhinderte die dritte und letzte Epoche. Wir konnten zwar unisono feststellen: „Die Zeit ist schnell vergangen“, was grundsätzlich ein Kompliment an das Spieldesign ist, doch für Eurogames ist eine 6-stündige Spielzeit noch nicht zumutbar.
Wir diskutierten einige der zahlreichen Möglichkeiten, das Spiel zu vereinfachen und zu verkürzen. Moritz war mit keiner davon sehr glücklich. Jedes einzelne Element ist für ihn ein unter Schmerzen geborenes und liebgewordenes Kind seiner Thematik. Der stromlinienförmige Euro- oder gar German-Style soll keine Dominanz bekommen.
Für das Gelingen der Synthese von Funktionalität, Spielbarkeit und Thema wünschen wir Dir und Christof noch glückliche Händchen in vielen glücklichen Stunden künstlerischer Kreativität.
Noch keine WPG-Wertung.

06.04.2011: Wunder um die Ost-Erweiterung

Seit gut 10 Jahren veröffentlichen wir Berichte und Kommentare zu Brettspielen. Das genaue Datum der ersten Veröffentlichung liegt im Dunkeln, lediglich Aarons Eintrag: „Zusätzlich zu den Informationen über die Spiele der 18xx-Reihe habe ich Kritiken über Spiele, die wir bei den Westpark Gamer Treffen gespielt haben, eingebaut. Als kleine Besonderheit besprechen wir englische Spiele in deutsch und deutsche Spiele in englisch.“ ist mit dem Datum 14.3.2001 genau festgehalten.
Seit diesem Datum ist die Zusammensetzung unserer Gruppe ziemlich stabil. Moritz und Peter haben inzwischen ihre Mitspielerinnen geheiratet. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass die Westparkgamers ein Heiratsmarkt wären. Ihre Anvertrauten haben sie selber in die Westpark-Gemeinschaft eingebracht. Die Sitzungen hier waren lediglich eine der Prüfungen, die die Heiratskandidatinnen zu absolvieren hatten.
Die Handhabung der Sprachen englisch/deutsch ist auch schon längst nicht mehr so, wie mal angedacht. Wenn Politiker, ja sogar ganze Parteien schon klüger werden können – mal schneller, mal langsamer -, dann fällt das uns vergeistigten Spielerseelen doch gleich tausendmal leichter.
1. “7 Wonders”
Walter hing das Spiel schon seit seinem Hochgejubelt-Werden in Essen zum Halse heraus. Doch Günther ist ein eifrige Puscher davon und hat es seit Wochen jedesmal in seiner Tasche, wenn sich am Westpark ein größerer Teilnehmerkreis abzeichnet. Und wenn Günther eine positive Wertung abgibt, dann ist Peter nicht mehr zu halten und Walter überstimmt. Für dieses stramme Sich-Durchsetzen als Alpha-Tierchen bekam Peter von seine Anvertrauten den Kosenamen „Kurkanoi“. Klingt sicherlich liebevoller als „Diktagoge“.
Doch schon beim Verteilen der Spielertableaus mußte „7 Wonders“ bei unserem Historiker ein paar Federn lassen. Beim Mausoleum von Halikarnassos fehlen in der Graphik die Statuen zwischen den Säulen. Hier hat der Designer schlichtweg geschlampt.
Das Spiel tröpfelt mit dem jeweiligen Ausspielen einer Wertungekarte und dem Weitergeben der übrigen Handkarten an den rechten bzw. linken Nachbarn so vor sich hin. Na ja, langsam geht das nicht, eher flott – glücklicherweise -, doch ein mächster Spielstrom mit Planung, Finten und Interaktion entsteht dabei auch nicht. Eigentlich spielt jeder Spieler für sich allein. Keiner hat eine Ahnung, wer die direkten Konkurrenten sind, das läßt schon die umfangreiche Schlußwertung nicht zu. „To have a plan“ ist nur für Traumtänzer möglich. Bei den ersten Karten heißt es notgedrungen, diejenigen zu wählen, bei denen man sein vorhandenes Potential am besten ausnutzt. Später gilt das immer noch, nur ein kleines bißchen weniger notgedrungen. Eine Freude für Liebhaber von konstruktiven Aufbauspielern mit minimaler Feindeinwirkung.
Die größte Stärke des Spieles ist, dass es auch mit 7 Mitspielern funktioniert. „Ich will aber nicht mit 7 Leuten spielen.“ Am Westpark schon gar nicht! Von wenigen, begründeten Ausnahmen abgesehen liegt unser Maximum bei 5.
Als Schlußresummee forderte Peter im Protokoll seine Aussage: „Walter hatte recht!“ Hier ist sie.
WPG-Wertung: Loredana mit 7 und Peter mit 5 Punkten siedelten sich am unteren Ende unserer Wertungsskala an.
2. “Hansa Teutonica – Die Osterweiterung”
Während Günther sich auf seine Rolle als Erklärer vorbereitete und intensiv Regelheft und Erweiterungsseiten studierte, wurden Fakten und völkische Vorurteile (Jodtabletten und verstrahlte Lebensmittel) des GAUs in Fukushima diskutiert. Lordana erweiterte die Szenerie um ein paar tausend Kilometer in unsere Richtung: Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass die Havarie von Tschernobyl bemerkenswerte Spuren im rumänischen Alltagsleben hinterlassen hätte. Damals war sie allerdings noch keine 5 Jahre alt!
Dann kam die Frage an unseren Doktor über das Thema Nummer 1 aus der Vor-Fukushima-Zeit. Hier seine wesentlichen Beiträge zum Plagiat und zum Ghostreiten:

  • Juristen lernen vom ersten Tag des Studiums an, fremde Texte zu kopieren, um sie für die eigene Lebensarbeit zu nutzen. Das ist legitim bis notwendig.
  • Ein Ghostwriter schreibt einen einheitlichen Stil, und zwar seinen eigenen. Es sei denn, der Stil des Klienten wäre bekannt und leicht zu kopieren.
  • Ein Ghostwriter würde maximal nur 200 Seiten schreiben, aber keine 475. Das kostet nur unnötig Geld, das man natürlich nicht hat, wenn man noch Frau und Kinder ernähren muß.
  • Die daraus zwangsläufig resultieren Schlußfolgerungen für den Geist des Kindes überlassen wir den Lesern.
  • Übrigens findet Google zu den drei Stichwörtern: „Gbg“ + „Doktorarbeit“ + „Seitenzahl“ zur Zeit genau 487.000 Einträge.
    Günther konnte mit seinen Ausführungen zu „Hansa Teutonica“ beginnen. Wir haben ein neues Spielbrett, das nach Osten bis Königsberg und Krakau erweitert wurde. Die beiden lebenswichtigen Städte, wo wir die Anzahl unserer Aktionen und unsere Nachschubkapazitäten erweitern können, ist auf eine einzige Stadt mit drei Zugängen konzentriert. Das ist jetzt das Herzstück des Spielplans. Hier spielt die Musik der ersten Runden. Doch durch Blockierungen und Verdrängen entsteht eine absolut neue Startszenerie mit größtenteils nicht vorhersehbaren Entwicklungen. Keiner kann behaupten, dass dieser Ablauf zu deterministisch wäre. Es gibt jede Menge Strategien und Gegenstrategien, jeder spielt jederzeit mit und gegen jeden, ein Höchstmaß an spielerischer Interaktion.
    Es gibt viele verschiedenartige kräftige Siegpunktquellen, man kann nur einen Teil davon anzapfen. Manche wirken sofort, andere langfristig. Wer erst aufrüstet, um dann später mit geballter Kraft den Stadtplan von „Hansa Teutonica“ von hinten her aufzurollen, wird von denjenigen in Schach gehalten, die auf ein schnelles Ende drängen.
    Peter hatte sich – als Startspieler, mit klarer Planung und dank glücklicher Umstände – blitzschnell die Höchstzahl an zulässiger Aktionen und die totale Regenerierungsfähigkeit entwickelt und sah wie der sichere Sieger aus. Doch in der Zwischenzeit hatte Günther alles vorbereitet, um aufs Tempo zu drücken und den Sudden Death zum Spielende auszulösen. Mit weitem Vorsprung wurde er Sieger.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt), Günther: 8 (bleibt), Loredana: 8 („will ich nochmals spielen“), Peter: 8 („es macht Spaß, die verschiedenen Möglichkeiten des Spiels zu entdecken“), Walter: 9 (bleibt).
    PS: Hallo Argentum Verlag: Leipzig liegt zweifellos nicht an der Seehandelsroute der Ost-West-Verbindung. Aber wahrscheinlich haben diesen Fehler in der Regelerweiterung andere Spieler auch schon mokiert.
    3. “Bluff”
    Peter stand mit 2:1 Würfeln im Endspiel gegen Günther. Günther legte gemäß seiner Immer-5-Strategie 1 mal die Fünf vor. Peter hatte zwei Sterne unter dem Becher und hob mit 5/6-Siegesgewißheit auf 2 mal den Stern. Doch Fortuna stand mit seiner 1/6 Wahrscheinlichkeit auf Günthers Seite und hatte ihm auch einen Stern gegeben. Mit seiner 3 mal Stern-Antwort konnte er Peter den ersten und bald auch den zweiten Würfel abnehmen.
    Hinterher gab es eine breite Diskussion, ob Peters Hebung auf 2 mal Stern die optimale Chancen-Ausbeute war. Wäre nicht 1 mal Stern viel besser gewesen? Wenn Günther darauf mit 2 mal Zahl geantwortet hätte, wäre 2 mal Stern sicherlich mit einer höher als 5/6-Wahrscheinlichkeit der Sieg gewesen. Und wenn Günther mit 2 mal Stern geantwortet hätte, dann wäre 3 mal Stern eine gute Wette gewesen. Walter Argumentation fanden Günther und Aaron nicht schlüssig genug. Wer hilft uns, darüber Klarheit zu gewinnen?
    Zumindest konnten wir uns auf das Fazit einigen: Günthers Immer-5-Strategie war hier wohl nicht der besten Anfang. Mit der Vorgabe 1 mal Vier hätte er viel mehr von Peters Superwurf erfahren können! Oder wird das auch schon wieder bestritten?
    In allen diesen Berechungen schaffen die Bluffs in Vorgaben bzw. Antworten einen Graubereich, der mathematisch nur schwierig zu erfassen ist.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    30.03.2011: Wasser für die Welt

    Können Kinder von Haus aus problemlos verlieren? Moritz macht mit seinem knapp vierjährigen Milo gerade die Erfahrung, dass dies gar nicht so leicht ist. Ich kann mich diesbezüglich an meine eigene Kindheit und die meiner Kinder nicht mehr gut erinnern. Könnte es sein, dass die Leichtigkeit, spielerische Niederlagen zu verschmerzen – oder auch das Gegenteil davon – angeboren ist? Garantiert findet man dazu auch unter Erwachsenen ein extrem weitgestreutes Naturell. Es soll Leute geben, die sogar schon Magenkrämpfe kriegen, wenn sie ein Backgammonspiel verloren haben.
    1. “Aqua Romana”
    Beim Auspacken des Spielmaterials lacht sofort das alte Eisenbahnerherz: Wie beim guten alten „1830“ kommen Gleisteile mit grader und gebogener Streckenführung, mit Kreuzungen und Doppelschleifen zum Vorschein. Beim näheren Hinsehen sind es allerdings keine Eisenbahngleise, die gelegt werden, sondern Bauteile von städtischen Wasserleitungen im alten Rom. Jeder Spieler hat vier Arbeiter an vier verschiedenen Wassersträngen stehen und muß versuchen, auf dem gemeinsamen Stadtterritorium mit seinen Leuten die in der Summe längste Leitung zu legen.

    Die Herausforderung dabei ist, dass man nicht einfach beliebige Bauteile an sein aktuelles Wassernetz anlegen darf, sondern dass dafür der zugehörige Arbeiter in Peilrichtung zu einem passenden der vielen „Baumeister“ stehen muß, die ständig am Spielfeldrand umherlaufen. Zum gewissen Grad ist für ein bis zwei Züge vorhersehbar, welche Baumeister in Reichweite kommen werden, doch das Ganze unterliegt natürlich zum großen Teil auch dem gewöhnlichen Mitspielerchaos. Nicht rechnen, sondern einfach spielen.
    WPG-Wertung: Horst: 7 (ein strategisches 2-Personenspiel, in einer 4er Runde zu chaotisch), Moritz: 6 (ganz nett, gutes Dreierspiel, am Design gibt es nicht viel auszusetzen, allerdings keine nennenswerte Interaktion, längst nicht so spannend wie z.B. „Trans Europa“), Walter: 7 (keine große Herausforderung, dafür aber sehr schnell, konstruktiv und spielerisch).
    2. “A Brief History of the World”
    Von Moritz ein heiß geliebtes 10-Punkte Spiel, Walter dagegen vergab vor einem Jahr lediglich 3 Punkte: “erste Phase kontemplativ, zweite Phase promiskuitiv, dritte Phase mongoloid”. Seine Vorbehalte wurden heute durch die gute Stimmung und durch Horst’s Erwartungen in den Hintergrund gedrängt.
    In insgesamt 6 Epochen wählt jeder Spieler jeweils ein Volk aus, das an einer vorgegebenen Stelle des Erdkreises die Weltbühne betritt und und so lange seine Nachbarn niederwürfelt, bis alle Pöppel untergekommen oder bereits im Statu nascendi geschlagen wurden.
    Würfel sind das A und O des Spiels. Natürlich dürfen wir uns auch mit Intelligenz und Fingerspitzengefühl das jeweils beste Volk auswählen, das in einer Epoche zur Verfügung steht. Die freie Auswahlaus drei Angeboten – bei drei Mitspielern – hat allerdings nur der Startspieler, d.h. der bisher schwächste in der Runde. Die anderen müssen sehen, was übrig bleibt. Dafür hat der größte Nachseher die freie Auswahl bei den Ereigniskarten, mit denen er sein Volk noch etwas aufpäppeln kann, bevor es in den Überlebenskampf auszieht. Hiervon hat dann der Startspieler keine Alternative mehr.
    Kämpfen heißt würfeln. Ausschließlich. Der Neuling darf mit zwei Würfel würfeln, die Alteingesessenen nur mit einem Würfel. Als Ausgleich muß zum Gewinnen der Neuling mit wenigstens einem Würfel höher würfeln als sein Kontrahent. Schafft er das nicht, so ist er einen seiner Neupöppel los. Allerdings bekommt er dafür als Trostpflaster für seinen nächsten Würfelkampf einen Eroberungsbonus. (So etwas könnten die Rebellen in Libyen sicherlich auch gut gebrauchen!) Würfelt er andererseits sehr viel mehr Augen als der Platzhirsch, so kann er die Augenzahl-Differenz auf einem Overrun-Konto gutschreiben lassen und damit mehr oder weniger Blut-Schweiß-und-Tränenlos gleich eine ganze Reihe von Nachfolge-Städten unter seine Kontrolle bringen. (Auch diese Technik wäre im heutigen Libyen von einigem Nutzen.)
    Moritz als erfahrener Brief-Historiker gab jedem Mitspieler gemeinnützig die besten Ratschläge. Vorzugweise durch das Vorgeben der Richtung, wo die meisten Siegpunkte zu holen wären. Leider liegen keine statistisch signifikant gesicherten Beobachtungen dazu vor, ob die richtungsweisenden Tips vorwiegend gegen den dritten Spieler gerichtet waren. Honi soit qui mal y pense.
    Walter wollte Horst’s Hunnen schon allein aus historischen Gründen gegen Moritz’ Stellungen in Europa lenken, doch Horst ließ sie ganz unhistorisch nach Süden auf die arabische Halbinsel vordringen. Sind sie vielleicht heute immer noch dort? (Verzeihung, für diesen Mangel an political correctness!). Moritz konstatierte dem Spiel eine extrem hohe Thematik, „man lernt die Weltgeschichte“. Es ist ja schließlich egal, wohin die Hunnen wirklich gezogen sind.
    „Das Glückselement ist bei drei Spielern deutlich höher als bei sechs!“ Weil die angebotene Völkerauswahl gewaltig streut und man bei weniger Mitspielern Glück haben kann, dass die schärfsten Konkurrenzvölker vielleicht gar nicht auftauchen werden. Bei sechs Mitspielern spielen hingegen alle Völker mit, und durch die individuelle Losschlag-Reihenfolge gleichen sich die unterschiedlichen Eigenschaften stärker wieder aus. Vielleicht.
    WPG-Wertung: Horst: 8 (ein sehr gutes Spiel für erfahrene Freaks), Moritz: 10 (bleibt), Walter: 4 (ein Punkt mehr für das umfangreiche Spielmaterial, die gewisse Balance in verschiedenen Elementen, aber keinen Punkt mehr für ein kompliziertes, aber verkapptes reinrassiges Würfelspiel).
    3. “Akkon”
    Horst hat das Spiel auf dem Flohmarkt billig erstanden. Sein Rittermilieu und das entsprechende Design haben ihn angesprochen. Doch in Realität ist von dem Rittermilieu nicht viel übrig geblieben. „Akkon“ ist ein abstraktes Entwicklungsspiel, das durch unberechenbares verdecktes Bieten auf Entwicklungs- und Ärgerkarten gewonnen wird.
    Jeder Spieler bekommt insgesamt 5 Bietsteine mit den Werten 2, 5, 6, 7 und 8, einen Verdoppelungsstein und einen Rabatt-Stein, die reihum verdeckt an sechs verschiedenen Bietplätzen abgelegt werden. An einen Platz dürfen sequentiell beliebig viele Bietsteine placiert werden. Nachdem alle Spieler genügend gesetzt haben, werden die Bietsteine aufgedeckt, und wer dann an einem Bietplatz am meisten geboten hat, bekommt eine offen (wenigstens!) ausliegende Karte, mit der er sein Konto an Glauben, Gold, Macht oder Ansehen erhöhen kann. Meist darf er damit sogar das entsprechende Konto eines beliebigen (Pfui!) Mitspielers erniedrigen. Mit manchen Karten darf man im nächsten Zug zwei oder drei Bietsteine von einem beliebigen (nochmals Pfui!) Mitspieler wegnehmen und sie für seine eigenen hinterlistigen Zwecke mißbrauchen!
    Wer am Ende mit der Summe seines niedrigesten und seines höchsten Kontos am besten liegt, hat gewonnen. Ein einstündiger öder Bietkampf ist zu Ende gegangen. Walter bot mehrmals einen Spielabbruch an, doch Moritz fand die monotone Auseinandersetzung mit Bietsteinen um Glaubenspunkte „total spannend“.
    WPG-Wertung: Horst: 4 (zäh, zu wenig Kartenvielfalt, hätte auch gerne abgebrochen), Moritz: 5 (fand den Bietmechanismus nicht schlecht), Walter: 3 (für das simple Spielprinzip viel zu lang).
    PS
    Hallo Hans, wir wünschen Dir, dass es Dir mit Deiner neuen Leber ganz bald wieder ganz gut geht!

    23.03.2011: Mission in Afrika, Kartenspiel in London

    Die Westpark-Katze hat letzte Woche ihr Gastspiel bei uns beendet. Eine Bridge-Partnerin hat sie übernommen. Dort wurde sie entwurmt, geimpft und darf jetzt im Schlafzimmer mit dem Frauchen kuscheln. Für ihr endgültiges Bleiben müssen die dortigen Platzhirschen, zwei „alte Zicken“ erst noch gehörig ins Gebet genommen werden.

    Für die äußerst liebenswürdige Art von „Bridgie“ ist auch bereits ein Gedicht entstanden:
    An meine Katze
    Wenn ich zur Mittagszeit den Schlummer suche,
    kommst Du zu mir und wachst an meinem Lager.
    Ich weiß, wenn ich erwache, wachst Du noch bei mir,
    und dieses Wissen ist unsäglich schön.
    Dann tapst Du zierlich über meinen Busen,
    legst Deinen Kopf vertraut auf meine Schulter,
    drehst Deinen Bauch nach oben hin,
    läßt Dich umfassen und ganz zärtlich kraulen.
    1. “Livingstone”
    Auf den Spuren des großen schottischen Afrikaforschers fahren wir auf einem Dampfboot (Holzfigur) den Sambesi hinauf bis zu den Viktoriafällen (Spielbrett-Szenerie), errichten an verschiedenen Stationen unsere Zelte (Holzpöppel) und versuchen unser Glück beim Schürfen von Edelsteinen (Plastiknuggets).
    Herzstück des ganzen sind Würfel, die ganz analog dem Ysphahan-Prinzip gehandhabt werden: Ein Spieler würfelt für alle Mitspieler mit allen Würfeln und reihum darf sich jeder Spieler einen Würfel davon heraussuchen und damit seinen Zug bestreiten. Er darf

  • Taler einstreichen – entsprechend der Augenzahl des gewählten Würfels
  • Diamanten verdeckt aus einem Säckchen ziehen – soviele wie Augen auf dem gewählten Würfel. Die Diamanten kann er unverzüglich in klingende Münzen verwandeln
  • Ein Zelt errichten auf einem Feld, das mit der Augenzahl korreliert. Das kostet in steigendem Maße Geld und dafür gibt es früher und später, mehr und weniger Siegpunkte
  • Eine Aktionskarte ziehen – unabhängig von der Augenzahl. Die Aktionskarte liefert entweder Geld oder Siegpunkte oder Vorteile beim Zeltbau.
  • Pro Mitspieler werden zwei Würfel eingesetzt und wenn jeder Spieler einen Würfel genutzt hat, bleiben in der Mitte noch eine Menge Würfel liegen. Jetzt darf jeder Spieler einen weiteren Würfel nehmen und damit einen Zug machen, aber nur, wenn noch ein Würfel mit einer höheren Augenzahl als sein erster gewählter Würfel übrig geblieben ist. Hierin liegt die Taktik des Spiels: Man sollte für jeden Zug in der Regel einen möglichst hohen Würfel aussuchen, allerdings sollte er nicht so hoch sein, daß man in dieser Runde keinen zweiten Zug tun darf; die Mitspieler werden natürlich ihrerseits alles tun, um den anderen den zweiten Zug zu vermasseln. Das genaue Lavieren zwischen kalkulierter Bescheidenheit und entschlossenem Zupacken bringt die entscheidenden Vorteile ins Spielgeschehen.
    Der Rest ist Zufall. Der Würfelwurf als solcher ist Zufall. Werden z.B. bei drei Mitspielern und dementsprechend sechs Würfeln einmal die Fünf und fünfmal die Sechs geworfen, so kann der Startspieler zwei Würfel nutzen, nämlich die Fünf und eine Sechs, die anderen können nur je eine Sechs nutzen.
    Zufall ist auch die Ausbeute bei den Diamanten. Wer extremes Glück hat, kann bei einer Augenzahl von Vier insgesamt vier rote Diamanten aus dem Säckchen ziehen und bekommt dafür 20 Taler, wer ein bißchen Pech hat, zieht vier schwarze Geröllkiesel aus dem Säckchen und bekommt dafür gar nichts.
    Genauso zufallsbestimmt ist auch das Ziehen der Aktionskarte. Wer Glück hat, darf damit in einem späteren Zug gleich zwei Würfel ziehen. Er kann dann beispielsweise seinem Hintermann dessen wohlkalkulierten zweiten – in der Regel höherwertigen – Würfel vor der Nase wegschnappen und damit bei den Diamanten den glücklichen Riesenraibach machen.
    Diese Zufallseinflüsse bringen in eine an sich logische und planbare Würfelkombinatorik spielerische Überraschungselemente hinein, die bis ans unberechenbare Chaos reichen.
    Der Höhepunkt des Unkalkulierbaren in „Livingstone“ ist „die Spende für den König“: Jeder Spieler kann während jedes Zuges eine geheime „Geldspende“ in ein Schatzkästchen werfen. Wer bei Spielende die geringste Spendensumme aufgebracht hat, scheidet aus. In unserem Zieleinlauf rangierte Horst mit 51 vor Walter mit 45 und Günther mit 44 Siegpunkten. Doch Horst und Walter hatten beide nur je 11 Taler gespendet und schieden unisono aus. Günther blieb als Sieger übrig. Bei dieser Spendenlage hätte er eigentlich überhaupt kein Zelt zu errichten brauchen, sondern ganz locker unverzüglich alle Einnahmen für den König spenden können.
    WPG-Wertung: Günther: 6 (hübsche Ideen, an manchen Stellen aber zu schicksalshart), Horst: 7 (mag die Würfel-Kombinatorik), Walter: 6 (hübsche Kombinatorik, die „Spende“ hätte aber besser weggelassen werden sollen und die Aktionskarten sind auch zu wenig ausgewogen, vor allem diejenigen mit Ärgereffekten.)
    2. “London”
    Ein ziemlich reinrassiges Kartenspiel, obwohl ein dickes Spielbrett mit einem Stadtplan von London auf dem Tisch liegt und wir darauf konsequent Stadtvierel ausbauen und darin „regieren“ müssen. Doch diese Aktionen dienen nur dazu, ein variable Anzahl von Karten zu ziehen, die Karten in optimaler Konstellation auszulegen und in regelmäßigen Abständen ihren Ertrag zu kassieren.
    Erträge der Karten ist Geld und / oder Siegpunkte, und zuweilen können wir damit die Armut bekämpfen. Wenn wir viele Karten ausliegen haben, fließen natürlich auch reichlich Erträge in unsere Taschen, dafür steigt aber die öffentliche Armut in unseren Stadtvierteln rapide an. Am Ende führt die öffentliche Armut zu erheblichen Siegpunkteinbußen; wer hier nicht konsequent gegengesteuert hat, kann nicht gewinnen. In der richtige Balance zwischen der Menge an ausliegenden und genutzen Karten mit ihren Geld und Siegpunkteinnahmen sowie an den Maßnahmen gegen die Armut liegt der Sieg.
    Dabei ist der Spielverlauf aber ziemlich solitär. Jeder spielt seine eigenen Karten nach optimalen Gesichtspunkten; Einwirkungen auf Aktionen und Besitztum der Mitspieler gibt es nicht. Für Horst war es immerhin ein gutes (mit Betonung) Solitärspiel. Zumindest über drei Viertel des Spiels. Dann ging ihm bitterlich das Licht auf: „Die Armut bricht mir das Genick!“. Er hatte sich mit seinen privaten Erwerbsquellen in eine Sackgasse manövriert; sein Armutsstand kostete ihn in der Schlußabrechnung die Hälfte seines Besitztums, es reichte gerade noch zur Bronce-Medaille.
    WPG-Wertung: Günther: 7 (mit den üblichen Wallace-Fragezeichen), Horst: 7 (Das System ist klasse, aber Abzüge in der B-Note für den Armutsmalus), Walter: 7 (Einschränkung für den solitären Charakter; maximal für 3 Spieler, die vielen Zugoptionen sind in einer größeren Runde tödlich).
    3. “Trans Europa”
    Kam um 23 Uhr als mittellanger Absacker auf den Tisch. Schnell, flüssig, genial.
    Weiterhin unentschieden ist die Frage, ob man solo an der Problemlösung mit seinem Randstädten beginnen soll oder lieber im gemeinsamen Zentrum.
    Die „Ungerechtigkeit“ der Städteauswahl fällt bei dem leichten, spielerischen Charakter und den schnellen Wiederholungen überhaupt nicht ins Gewicht.
    Keine neue WPG-Wertung für ein 7,8 Punkte-Spiel.
    4. “Bluff”
    Noch nicht genug abgesackt beim Gleisbau für die europäischen Eisenbahnen. Horst hat seine Stern-Strategie erfolgreich überarbeitet. Er würfelt jetzt mehr Sterne als er blufft.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    16.03.2011: Super GAU in Istanbul

    GAU zum Ersten
    Darf man sich so ohne jeden Skrupel über die weltpolitische Lage am Westpark zusammensetzen und einen lustigen Brettspielabend verbringen, während in Japan Hunderttausende ihr Zuhause verloren haben und vielleicht Millionen noch vor diesem Schicksal stehen? Wir haben es getan. Der FC Bayern hat gestern auch gespielt und seinen GAU erlebt. Die Welt dreht sich weiter und wir mit ihr. Hoffentlich noch ein Weilchen.
    1. “Constantinopolis”
    Wir sind Händler in der ehemaligen Kaiserstadt am Bosporus. Wir erwerben verschiedene Arten von Gebäuden (für Produktion, Wirtschaft, Versorgung und Verwaltung), produzieren Güter (Nahrung, Konsum, Gewerbe, Militär und Luxus), kaufen Schiffe, sammeln Verkaufsaufträge und verkaufen unsere Waren gegen Geld und Siegpunkte an Ort und Stelle oder in der weiten Welt.
    Meisterhaft führte Horst durch die 30 Seiten des Regelbuches. Bei den vielseitigen Abhängigkeiten innerhalb der verschiedenen Spielelemente kein leichtes Unterfangen. Öfters mußte er sich mit dem bekannten Trick aus der Feuerzangenbowle behelfen: „… das kriegen wir später.“ Nach einer Stunde waren wir durch und keine Frage blieb offen. (Dass es hin und wieder jemanden gibt, der sich Details nicht merken kann und einzelne Abläufe falsch handhaben möchte, das ist am Westpark ein bekanntes und unabänderliches Phänomen. Selbst Moritz verliert hierbei schon nicht mehr seine sprichwörtliche Engelsgeduld.)
    Moritz fand sofort Anklänge an Aarons „Trawler“ und auch Aaron entdeckte mehr und mehr Ähnlichkeiten, bis sich ihm der Seufzer entrang: „Ich stampfe Trawler wieder ein.“ Soviel Skrupel sind unter Spieleautoren eher selten. Dort wird in der Regel auf Teufel komm raus abgekupfert.
    Sicherlich hat „Constantinopolis“ auch Anleihen gemacht bzw. sich inspirieren lassen. Ein großes Vorbild für Produktions- und Verkaufsspiele ist in jedem Fall „Puerto Rico“. Den Kern des dortigen Wirtschaftskreislaufs findet man auch „Constantinopolis“ wieder: Aus Geld mache Produktionsstätten, mit Produktionsstätten mache Waren, aus Waren mache Geld. Nebenfaktoren können diesen Kreislauf beliebig kompliziert machen. Z.B. sind muß man mit folgenden Einflussgrößen geschickt jonglieren:

  • Lagerfähigkeit von Waren
  • Zukauf oder Tausch von Waren
  • Preise und Rabatte für Waren
  • Preise und Rabatte für Produktionsstätten
  • Anzahl durchsuchter Verkaufsaufträge
  • Reservierbarkeit von Verkaufsauträgen
  • Die größte Krux des gesamten Spielablaufs sind die Verkaufsaufträge. Sie werden zufällig gezogen und nur passende Aufträge darf man behalten. Endstand nach 3 StundenDoch wenn in einem Auftrag 1-2 Wareneinheiten aus einem Sortiment von 1-5 verschiedenen Wartenarten benötigt werden, und wir zu Beginn nur eine einzige Warenart produzieren, kann man leicht erkennen, dass nur ein Bruchteil der Aufträge genutzt werden kann. Das bringt das Spiel nur langsam in Gang. Und es löst natürlich Frust bei denjenigen aus, die bei der diktatorischen Zufallsauswahl längere Zeit gänzlich leer ausgehen. Dieser Effekt paßt keinesfalls zum planerischen Ausbau der Produktionsstätten.
    Moritz fand aus diesem Dilemma allerdings eine geniale Lösung: Er verzichtete mehr oder weniger vollständig auf Aufträge, sondern legte sich bei seinen Investitionen eine Menge Kauf-Tausch-Verkaufsoptionen zu, die ihm im in internen Binnenhandelsschleifen zu Reichtum und Ehren kommen ließ. Günther meinte zwar: „Wenn jemand in Constantinopolis den Handel ohne Schiffe betreibt, dann nimmt er dem Spiel die Seele“, doch die Designer haben das offensichtlich zugelassen. Nach drei Stunden war Moritz mit seinem Binnenhandel Sieger geworden, hatte dabei aber auch in selbstloser Weise einen Großteil der gewinnträchtigen Stadtmauern errichtet.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („Hans-im-Glück hätte daraus ein gutes, resp. besseres Spiel gemacht“), Günther: 5 („Man hätte die Aufträge besser in den Griff kriegen sollen, z.B. könnten die Aufträge offen liegen und ersteigert werden bzw. in der Spielerreihenfolge gezogen werden“), Horst: 7 („Die Spielmechanismen sind klar und logisch, die Aufmachung ist gefällig“), Moritz: 7 („solide und austariert, der Wiederspielwert ist offen.“), Walter: 6 („viele reizvolle Optimierungsaufgaben, in der Summe zu solitär und zu lang.“)
    2. “Bluff”
    Horst bemeckerte, dass in unserer Runde zu wenig geblufft wird. Doch auch darin kann eine Strategie liegen. Wer nahezu 100% „ehrlich“ spielt – soweit dies möglich ist – bewirkt bei seinen Nachfolgern einen Vertrauensvorschuß, der in vielen Situationen durchaus auch hilfreich sein kann. Wer zu 50% blufft, schneidet zu 100% schlechter ab als der Durchschnitt der Mitspieler. (Begründung!)
    Aaron ging mit 2:1 Würfeln gegen Günther ins Endspiel. Als Anhänger der Immer-4-Strategie legte er 1 mal die Vier vor, Günther ging standardmäßig auf 1 mal die Fünf. Aaron hatte eine Eins und eine Vier unter dem Becher; was tun?
    Mit welcher Wahrscheinlichkeit hatte Günther geblufft? Aaron nutzte die einzige Chance, mit 33% Wahrscheinlichkeit das Spiel siegreich zu beenden. Welche ist das?
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    GAU zum Zweiten
    Zum Schluß wieder eine lange Diskussion über die GAU-Situation in Japan. Die Restenergie, die ein stillgelegtes Atomkraftwerk noch jahrelang (!) produziert, beträgt ca. 20 Megawatt. Wieviel Liter Wasser müssen pro Stunde verdampft werden, damit die Temperatur konstant bleibt? Woher nimmt man die Freiwilligen, die all die notwendigen Arbeiten durchführen, um die Kühlsysteme in Funktion zu erhalten? Vorschlag: 50% unserer Parlamentarier sollten zwangsverpflichtet werden, sich im Notfall für solche Harikiri-Einsätze bereit zu halten. Besonders diejenigen mit den markigen Sprüchen über die „sicherste Kerntechnik der Welt“.

    09.03.2011: Siedeln und Fliehen im Weltraum

    Im Vorfeld haben wir über die traurige Situation beim FC Bayern gesprochen. Innerhalb einer Woche drei wichtige Spiele verloren, und das mit den gleichen Spielern, die bei der Weltmeisterschaft letztes Jahr einen grandiosen dritten Platz erreicht haben. Liegt es tatsächlich am Trainer, wenn eine Fußballmannschaft gute Ergebnisse erkickt? Oder liegt es am Geld? Dann aber müßte der FC Bayern unangefochten an der Spitze liegen.
    Mein Neffe hat mit mir gewettet, dass von einer ausgewählten “Neuner-Liste“ von Bundesliga-Mannschaften (Bayern, Bremen, Dortmund, HSV, Hoffenheim, Leverkusen, Schalke, Stuttgart, Wolfsburg) in den nächsten fünf Jahren, d.h. bis zum Saison-Abschluß im Jahre 2015, jeweils mindestens 3 Mannschaften im Europapokal spielen, und dass der Meister lediglich aus dem Kreise dieser 9 Mannschaften stammt.
    Wer wettet dagegen?
    1. “Ad Astra”
    Nach Moritz Aussage „kein „Freak-Game, sondern ein richtiges Euro“. Faidutti ist Coautor und es gibt in eine tadellose deutsche Spielanleitung dazu. Horst hatte sich vorbereitet und trug perfekt vor. Eine echte Konkurrenz zu … wem?
    Wir sind immer noch Menschen, doch unsere Sonne ist uns zu langweilig geworden, wir besiedeln Planeten in fernen Sonnensystemen. Dazu benötigen wir natürlich Energie, Wasser, ein bißchen was zum Kauen und Baumaterial für Kolonien und Fabriken. Eine Grundmenge der benötigten Rohstoffe gehört zu unserer Startaufstellung, den Rest müssen wir auf den besuchten Planeten im All finden und exploitieren.
    Für die Spielzüge steht jedem Spieler ein Satz von Aktionskarten zur Verfügung, gemäß dem wir Bewegungen, Resourcen-Produktion, Bautätigkeit oder Spiegpunkt-Ernten durchführen. Reihum plazieren wir drei unserer Aktionskarten verdeckt auf einem gemeinsamen „Planungsfeld“ und arbeiten den Stapel sequentiell ab. Bemerkenswert dabei ist, dass jede Aktionskarten für alle Spieler gilt. Wird also z.B. eine Bewegungskarte aufgedeckt, so dürfen alle Spieler mit ihren Raumschiffen von Planet zu Planet hüpfen, nicht nur derjenige, der diese Karte beigesteuert hat.
    Wenn man aber gerade keine Energie mehr hat, dann nützt die fremde Bewegungskarte gar nichts. (Die eigene übrigens auch nicht.) Die Art der von den Mitspielern ausgewählten Karten ist eine Unbekannte und man sollte in seiner Zugplanung nicht damit spekulieren. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, und es ist eher selten, dass man von fremden Karten wirklich profitiert.
    Nur ganz am Anfang zog Horst irrtümlich eine falsche Produktionskarte und setzte damit Walter’s statt seiner eigenen Produktion in Gang. Dieser Irrtum brachte Walter gleich in der ersten Runde eine gewisse materielle Dominanz auf den Spielbrett ein, die sich auch unverzüglich in einen Vorsprung von 10-15 Siegpunkten umsetzen ließ, ca. 25 % der Gesamtpunktzahl zum Sieg!
    Alle waren sprachlos, wie das blinde Huhn mit dem irrtümlich geschenkten Korn seine Runden drehte und dabei seinen Vorsprung stetig und uneinholbar ausbaute. „Das Spiel ist nicht gut, wenn Walter gewinnt!“ Das Spiel war nicht gut!
    Vor allem der Stapel mit den unberechenbaren und damit ziemlich chaotischen Aktionskarten erntete Kritik. Moritz forderte hierfür ein sequentielles offenes Auslegen der Karten. „Typisch Faidutti, gute Ideen aber nicht konsequent durchdacht.“
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („zu wenig planbar“), Günther: 5, Horst: 7 (mag diese Art von Spielen, war auch atmospärisch zufrieden), Moritz: 5 („es darf nicht sein, dass man auch ohne Aufbau allein mit Siegpunkt-Ernte-Karten das Spiel gewinnt“), Walter: 5 (einschließlich Siegerbonus).
    2. “Escape from the Aliens in Outer Space”
    Letzte Woche in einer Dreierrunde schon angespielt, sollte das Spiel heute in einer Fünferrunde seine volle Pracht entfalten. Im Prinzip funktioniert es ganz ähnlich wie Scotland Yard, einem Oldtimer aus dem Jahre 1983. Anstelle eines bösen Mister X gibt es 2 gute Menschen, anstelle von 4 guten Detektiven gibt es 3 böse Aliens. Alle bewegen sich auf wohldefinierten Strecken über das Spielbrett, bei Scotland Yard ist es der reale Stadtplan von London, bei „Escape“ eine abstrakte Ebene von Raumschiff-Hexagons. Als Spielziel muß in Scotland Yard der Mister X dingfest gemacht werden, bei „Escape“ müssen die Menschen gefressen werden, bevor sie sich in ihre Fluchtkapseln retten.
    Absprachen sind erlaubt, aber nicht notwendig, da die Aliens praktisch bei jedem Zug mitteilen, wo sie sind und sich entsprechend aufeinander einstellen können. Die Menschen müssen das – mit zufälligen Schwankungen – etwa bei jedem zweiten Zug kundtun. Da die Aliens eine doppelt so große Reichweite haben, sind die Menschen mehr oder weniger chancenlos. Zumindest auf der Raumschiff-Struktur, die wir zugrunde gelegt haben. Noch aussichtsloser wäre es gewesen, wenn wir mit der optionalen Erweiterung gespielt hätten, dass die Fluchtkapsel mit 50% Wahrscheinlichkeit kaputt ist, wenn ein Mensch sie halb aufgefressen erreicht hat. Aber was ist schon die Hälfte von Null?
    WPG-Wertung: Moritz: 9 („Originell, lustig, mir machte es Spaß“), Aaron: 5 („nicht lustiger als 5 Punkte“), Günther: 4 („hat mir es schon in der Dreierrunde nicht gefallen“), Horst: 4 (abhängig von der Spielrunde; nicht besser als „Ad Astra“), Walter: 3 (war einer der chancenlosen Menschen).
    3. “Gisborne”
    Gemäß Regelheft sind wir die ersten Seefahrer Europas, die in Neuseeland gelandet sind und anfangen, die Insel zu kartographieren. Stück für Stück wird ein neues unbekanntes Stück Land aufgedeckt, und wir bewegen unseren Kartographen-Pöppel entlang eines Trampelpfades in Richtung Ziel. Die Strecke, die wir pro Zug zurücklegen dürfen, ergibt sich aus der Summe der Schritte auf den Bewegungskarten, die wir dafür einsetzen. Die Bewegungskarten werden von einem verdeckten Stapel gezogen, und es ist natürlich einsichtig, dass hier Lady Fortuna einen erheblichen Einfluß ausübt.
    Auf dem Trampelpfad gibt es in unregelmäßigen Abständen Sonderfelder: wer mit seinem Pöppel hier darauf zieht, bekommt einen Siegpunkt-Chip und löst eine Wertung auf. Der vorderste Spieler erhält eine Menge neuer Bewegungskarten, die nachfolgenden erhalten weniger. Den Letzten beißen die Hunde.
    Zum Ausgleich beißen den Ersten die Wölfe, nämlich wenn er bei seinem Vorwärtsschreiten auf ein neues Stück Land kommt, auf dem zufällig und keinesfalls voraussehbar noch Wölfe leben. Der Erste kann auch ungewollt in einen Sumpf fallen, aus dem er nur mit erhöhtem Aufwand an Bewegungskarten wieder herauskommt.
    So ist in „Gisborne“ einfach alles zufällig:

  • die Wertigkeit der gezogenen Karten
  • die Struktur der neu entdeckten Landesteile
  • die Schrittweite der Mitspieler und deren sonstigen Ambitionen
  • Locker ist es auch. Zwangsweise.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („genauso gut wie Ad Astra“), Günther: 6 („schnelles Spiel mit Ärgerfaktor“), Horst: 7 (fand ein „Schluchten-Feeling“), Moritz: 7 („lockeres Glücksspiel“), Walter: 6 („einschließlich Enkelbonus“).
    4. “Bluff”
    Horst’s vor zwei Monaten noch als erfolgreiche Überraschung vorgetragene Sternenstrategie kann keinen Stich mehr machen. Er wird sich etwas Neues ausdenken müssen. Aaron, Günther und Walter waren mit 3, 2 und nochmals 2 Würfeln im Endspiel. Walter begann standardmäßig mit 1 mal die Vier und Aaron hob ohne Zögern auf 2 mal die Vier. Günther hatte 2 Vieren unter dem Becher und kämpfte mit den Setz-Alternativen 3 mal die Vier oder 4 mal die Vier.
    Was hatten die anderen mit ihren 5 Würfeln gewürfelt, als sich nach Walters Anzweifeln unverzüglich ein homerisches Gelächter erhob. Anders gefragt: Was hatten die anderen NICHT gewürfelt und wer stimmte nur unwillig in das Gelächter ein?
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    PS: Die Katze kriegt immer noch am Westpark täglich ihre Milch. Und nach den Indizien im Katzenklo zu schließen, ist ihre Verdauung in Ordnung.
    PS2: Immerhin hat Schalke gewonnen und Mailand nur Unentschieden gespielt. Der dritte Champions-League-Platz für Deutschland scheint gesichert. Hallo FC Bayern, nochmals die Ärmel hoch gekrempelt!

    23.02.2011: Luna und die Patrizier

    Am Westpark ist uns heute eine junge Katze zugelaufen. Als meine Frau morgens die Zeitung holen wollte, stand sie zitternd vor der Tür. Ohne zu fragen trat sie ein und genoß sichtlich die Zimmerwärme. Milch gibt es in jedem Haushalt, Katzenfutter war auch gleich besorgt, sowie ein Katzenklo, mit der Befürchtung, dass die Katze nicht weiß, was das ist, und dass wir in Bälde den Katzendurchfall aus dem Teppich waschen müssen.
    Doch das süße Kätzchen übertraf alle Erwartungen. Es war sofort gegen jedermann zutraulich, zeigte keinerlei Schreckreaktionen, trank massig Milch, ging stündlich aufs Katzenklo, verzog bei den Klaviergeräuschen keine Miene, und begrüßte die ankommenden Westpark-Gamers mit einem freundlichen Um-die-Beine-Streichen.
    Leider kann sie nicht ewig bei uns bleiben, der Hausherr und auch Aaron (der erst heute Abend aus Bangkok zurückkehrts, sind allergisch gegen Katzenhaare. Deshalb eine Frage an die nettesten unserer Leser: Wer will eine süße, kleine, gesunde, liebenswerte und kluge Katze haben? Gegen Liebe.
    1. “Sixon und Ming Mang”
    Horst hatte eine einstündige Verspätung angekündigt und Günther und Walter machten sich, wie in ihrer Zweierrunde schon Gewohnheit, über die Spielesammlung aus dem Wünnenberg Verlag her.
    In „Sixon“ setzen wir zuerst – ähnlich wie bei Mühle – unsere Steine auf beliebige Felder eines in 6 Richtungen orientierten Spielbrettes, und ziehen anschließend einzelne unserer Steine (in eine der 6 möglichen Richtungen), um damit einen gegnerische Steine zu schlagen. Dies ist erfolgreich, wenn wir unseren Stein so ziehen können, dass er mit zwei weiteren unserer Steine ein gleichseitiges Dreieck (beliebiger Größe) bildet, in deren Zentrum der gegnerische Stein ist.
    Das klingt vielleicht kompliziert, ist aber ganz einfach und am Anfang praktisch bei jedem Zug möglich. Muss es auch sein, denn wer als erster mit seinem Zug keinen gegnerischen Stein schlagen kann, hat verloren.
    In „Ming-Mang“ stellen wir unsere Steine an je zwei Randseiten eines 8×8 Plätze großen Spielfeldes auf. Anschließend dürfen wir horizontal oder vertikal auf benachbarte freie Felder ziehen. Wenn wir damit einen gegnerischen Stein von zwei Seiten eingeschlossen haben, gehört er uns. Wie bei „Reversi“ wird er dazu auf die andere Farbseite gedreht. Einzelne Vorteile kumulieren sich sehr schnell zu einer unwiderstehlichen Übermacht. Wer alle gegnerischen Steine geschlagen hat, ist Sieger. Den konnten wir allerdings nicht mehr ermitteln, denn Horst war aufgetaucht.
    Keine WPG-Wertung für 2-Personen-Spiele.
    2. “Luna”
    Horst hatte das Spiel schon zweimal auf dem Tisch liegen gehabt, um es mit seiner Frau zu spielen. Doch jedesmal kam sein Erstling Sebastian mit seinen Nachwuchs-Wünschen dazwischen, und aus der Partie wurde nichts. Für alle Unentschiedenen, die noch über die geboten Alternativen nachdenken, ist hieraus ein wesentlicher Unterschied zwischen Säuglingen und jungen Katzen erkennbar: Katzen kann man in die Ecke stellen. Die Westpark-Noch-Katze störte unsere Kreise nicht.
    In „Luna“ spielen wir nicht auf oder hinter dem Mond, sondern wir tanzen um den irdischen Tempel der Mondpriesterin. (Was eine „Mondpriesterin“ ist, kann man bei Google nachschlagen, es gibt dafür immerhin 9 mal soviele Treffer wie für das männliche Pendant.) Der Tempel liegt im Zentrum des Spielbretts und drum herum gibt es sieben Inseln, auf denen wir die Glückseligkeit erwerben. Dazu bewegen wir unsere Pöppel, “Novizen” genannt, über die Inseln, bauen Kultstätten, werben neue Novizen an (Horst würde das „Kinderkriegen“ nennen), bauen Schiffe für das Inselhopping, lernen Gezeiten beherrschen, um unsere Pöppel schwimmend zu den verschiedenen Inseln treiben zu lassen, lernen Heilkräuter kennen, um die Novizen länger bei der Labora zu halten, und bringen ab und an einen Pöppel für gehobene Siegpunktquoten in den Tempel.
    Wie viele Novizen ein Spieler auf dem Spielbrett hat, so viele Züge hat er pro Runde. Und mit Hilfe der Heilkräuter werden es noch ein paar mehr. Es gibt viel zu tun, anfangs mehr für die Verbreiterung der Resource-Basis, hinterher mehr zum Punkten. Am besten versucht man beides von Anfang an zu verbinden, also nicht nur Kultstätten bauen und Novizen zeugen, sondern sein Material auch gleich konsequent auf die besten Punktequellen ansetzen.
    Interaktion gibt es durch die Konkurrenz um die Plätze im Tempel, in Mehrheiten für verschiedene Siegpunktprämien und im aktiven Verkürzen der Rundenzahl.
    Ein hübsches Spiel, Stefan Feld hat es gut komponiert.
    WPG-Wertung: Günther: 8 (nette Mechanismen; enthält im Laufe des Spiels zwar keine nennenswerte Steigerung, aber eine Änderung der Aktions-Schwerpunkte), Horst: 8 (war von der Stimmung – nicht gleichzusetzen mit Thematik – angetan, schätzte die Vielzahl der Zugmöglichkeiten), Walter 8 (lauter funktionierende, konstruktive Elemente, alles ist wohl aufeinander abstimmt).
    3. “Patrizier”
    Ein Kartenspiel von Michael Schacht. Bei der Klassifizierung „Kartenspiel“ kann man natürlich sofort aufschreien, denn die „Patrizier“ haben ein richtiges Spielbrett mit Patrizierstädten des mittelalterlichen Italiens, es gibt hölzerne Stockwerke, mit denen wir in den Städten Geschlechtertürme a la San Gimignano errichten, und es gibt Wertmarkten, mit denen die besten Türme prämiert werden.
    Doch der Motor des Spiels sind ausschließlich Karten. Sie allein bestimmen, in welchen Städten wir bauen dürfen. Und abhängig davon, wo wir gebaut haben, ziehen wir offen ausliegende neue Karten für unsere nächsten Baugenehmigungen.
    Jeder Spieler hat drei Karten in der Hand, aus der er jeweils eine auswählen kann. Der Freiheitsgrad ist also nicht besonders berauschend. Doch da man mit jeder gelegten Karte auch bestimmt, welche nächste Karte man dafür zieht, gibt es doch eine ganze Menge Zukunftsplanung, und man fühlt sich keinesfalls gespielt. Selbst wenn so manche gewünschte Karte nicht erreichbar ist.
    Neben den Siegpunkten für die Mehrheiten an der Geschlechtertürmen („Wer den längsten hat, bekommt die höchste Prämie; wer den kürzesten hat, geht leer aus.“) gibt es noch Siegpunkte für bestimmte Kartenkombinationen, die wir im Laufe des Spiels gezogen und genutzt haben.
    WPG-Wertung: Günther 7 (angenehm schnell, auch durch die geringen Auswahlmöglichkeiten), Horst: 7 (ein hübsches Spielchen für zwischendurch), Walter 7 (lockeres Kartenspiel mit Glücksspielcharakter).
    4. “Bluff”
    Nichts Neues vom Westpark. Günther zog sich schnell aus dem Geschehen zurück und der 5:4 Endkampf zwischen Horst und Walter ging immerhin noch über 6 Runden.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.