Können Kinder von Haus aus problemlos verlieren? Moritz macht mit seinem knapp vierjährigen Milo gerade die Erfahrung, dass dies gar nicht so leicht ist. Ich kann mich diesbezüglich an meine eigene Kindheit und die meiner Kinder nicht mehr gut erinnern. Könnte es sein, dass die Leichtigkeit, spielerische Niederlagen zu verschmerzen – oder auch das Gegenteil davon – angeboren ist? Garantiert findet man dazu auch unter Erwachsenen ein extrem weitgestreutes Naturell. Es soll Leute geben, die sogar schon Magenkrämpfe kriegen, wenn sie ein Backgammonspiel verloren haben.
1. “Aqua Romana”
Beim Auspacken des Spielmaterials lacht sofort das alte Eisenbahnerherz: Wie beim guten alten „1830“ kommen Gleisteile mit grader und gebogener Streckenführung, mit Kreuzungen und Doppelschleifen zum Vorschein. Beim näheren Hinsehen sind es allerdings keine Eisenbahngleise, die gelegt werden, sondern Bauteile von städtischen Wasserleitungen im alten Rom. Jeder Spieler hat vier Arbeiter an vier verschiedenen Wassersträngen stehen und muß versuchen, auf dem gemeinsamen Stadtterritorium mit seinen Leuten die in der Summe längste Leitung zu legen.
Die Herausforderung dabei ist, dass man nicht einfach beliebige Bauteile an sein aktuelles Wassernetz anlegen darf, sondern dass dafür der zugehörige Arbeiter in Peilrichtung zu einem passenden der vielen „Baumeister“ stehen muß, die ständig am Spielfeldrand umherlaufen. Zum gewissen Grad ist für ein bis zwei Züge vorhersehbar, welche Baumeister in Reichweite kommen werden, doch das Ganze unterliegt natürlich zum großen Teil auch dem gewöhnlichen Mitspielerchaos. Nicht rechnen, sondern einfach spielen.
WPG-Wertung: Horst: 7 (ein strategisches 2-Personenspiel, in einer 4er Runde zu chaotisch), Moritz: 6 (ganz nett, gutes Dreierspiel, am Design gibt es nicht viel auszusetzen, allerdings keine nennenswerte Interaktion, längst nicht so spannend wie z.B. „Trans Europa“), Walter: 7 (keine große Herausforderung, dafür aber sehr schnell, konstruktiv und spielerisch).
2. “A Brief History of the World”
Von Moritz ein heiß geliebtes 10-Punkte Spiel, Walter dagegen vergab vor einem Jahr lediglich 3 Punkte: “erste Phase kontemplativ, zweite Phase promiskuitiv, dritte Phase mongoloid”. Seine Vorbehalte wurden heute durch die gute Stimmung und durch Horst’s Erwartungen in den Hintergrund gedrängt.
In insgesamt 6 Epochen wählt jeder Spieler jeweils ein Volk aus, das an einer vorgegebenen Stelle des Erdkreises die Weltbühne betritt und und so lange seine Nachbarn niederwürfelt, bis alle Pöppel untergekommen oder bereits im Statu nascendi geschlagen wurden.
Würfel sind das A und O des Spiels. Natürlich dürfen wir uns auch mit Intelligenz und Fingerspitzengefühl das jeweils beste Volk auswählen, das in einer Epoche zur Verfügung steht. Die freie Auswahlaus drei Angeboten – bei drei Mitspielern – hat allerdings nur der Startspieler, d.h. der bisher schwächste in der Runde. Die anderen müssen sehen, was übrig bleibt. Dafür hat der größte Nachseher die freie Auswahl bei den Ereigniskarten, mit denen er sein Volk noch etwas aufpäppeln kann, bevor es in den Überlebenskampf auszieht. Hiervon hat dann der Startspieler keine Alternative mehr.
Kämpfen heißt würfeln. Ausschließlich. Der Neuling darf mit zwei Würfel würfeln, die Alteingesessenen nur mit einem Würfel. Als Ausgleich muß zum Gewinnen der Neuling mit wenigstens einem Würfel höher würfeln als sein Kontrahent. Schafft er das nicht, so ist er einen seiner Neupöppel los. Allerdings bekommt er dafür als Trostpflaster für seinen nächsten Würfelkampf einen Eroberungsbonus. (So etwas könnten die Rebellen in Libyen sicherlich auch gut gebrauchen!) Würfelt er andererseits sehr viel mehr Augen als der Platzhirsch, so kann er die Augenzahl-Differenz auf einem Overrun-Konto gutschreiben lassen und damit mehr oder weniger Blut-Schweiß-und-Tränenlos gleich eine ganze Reihe von Nachfolge-Städten unter seine Kontrolle bringen. (Auch diese Technik wäre im heutigen Libyen von einigem Nutzen.)
Moritz als erfahrener Brief-Historiker gab jedem Mitspieler gemeinnützig die besten Ratschläge. Vorzugweise durch das Vorgeben der Richtung, wo die meisten Siegpunkte zu holen wären. Leider liegen keine statistisch signifikant gesicherten Beobachtungen dazu vor, ob die richtungsweisenden Tips vorwiegend gegen den dritten Spieler gerichtet waren. Honi soit qui mal y pense.
Walter wollte Horst’s Hunnen schon allein aus historischen Gründen gegen Moritz’ Stellungen in Europa lenken, doch Horst ließ sie ganz unhistorisch nach Süden auf die arabische Halbinsel vordringen. Sind sie vielleicht heute immer noch dort? (Verzeihung, für diesen Mangel an political correctness!). Moritz konstatierte dem Spiel eine extrem hohe Thematik, „man lernt die Weltgeschichte“. Es ist ja schließlich egal, wohin die Hunnen wirklich gezogen sind.
„Das Glückselement ist bei drei Spielern deutlich höher als bei sechs!“ Weil die angebotene Völkerauswahl gewaltig streut und man bei weniger Mitspielern Glück haben kann, dass die schärfsten Konkurrenzvölker vielleicht gar nicht auftauchen werden. Bei sechs Mitspielern spielen hingegen alle Völker mit, und durch die individuelle Losschlag-Reihenfolge gleichen sich die unterschiedlichen Eigenschaften stärker wieder aus. Vielleicht.
WPG-Wertung: Horst: 8 (ein sehr gutes Spiel für erfahrene Freaks), Moritz: 10 (bleibt), Walter: 4 (ein Punkt mehr für das umfangreiche Spielmaterial, die gewisse Balance in verschiedenen Elementen, aber keinen Punkt mehr für ein kompliziertes, aber verkapptes reinrassiges Würfelspiel).
3. “Akkon”
Horst hat das Spiel auf dem Flohmarkt billig erstanden. Sein Rittermilieu und das entsprechende Design haben ihn angesprochen. Doch in Realität ist von dem Rittermilieu nicht viel übrig geblieben. „Akkon“ ist ein abstraktes Entwicklungsspiel, das durch unberechenbares verdecktes Bieten auf Entwicklungs- und Ärgerkarten gewonnen wird.
Jeder Spieler bekommt insgesamt 5 Bietsteine mit den Werten 2, 5, 6, 7 und 8, einen Verdoppelungsstein und einen Rabatt-Stein, die reihum verdeckt an sechs verschiedenen Bietplätzen abgelegt werden. An einen Platz dürfen sequentiell beliebig viele Bietsteine placiert werden. Nachdem alle Spieler genügend gesetzt haben, werden die Bietsteine aufgedeckt, und wer dann an einem Bietplatz am meisten geboten hat, bekommt eine offen (wenigstens!) ausliegende Karte, mit der er sein Konto an Glauben, Gold, Macht oder Ansehen erhöhen kann. Meist darf er damit sogar das entsprechende Konto eines beliebigen (Pfui!) Mitspielers erniedrigen. Mit manchen Karten darf man im nächsten Zug zwei oder drei Bietsteine von einem beliebigen (nochmals Pfui!) Mitspieler wegnehmen und sie für seine eigenen hinterlistigen Zwecke mißbrauchen!
Wer am Ende mit der Summe seines niedrigesten und seines höchsten Kontos am besten liegt, hat gewonnen. Ein einstündiger öder Bietkampf ist zu Ende gegangen. Walter bot mehrmals einen Spielabbruch an, doch Moritz fand die monotone Auseinandersetzung mit Bietsteinen um Glaubenspunkte „total spannend“.
WPG-Wertung: Horst: 4 (zäh, zu wenig Kartenvielfalt, hätte auch gerne abgebrochen), Moritz: 5 (fand den Bietmechanismus nicht schlecht), Walter: 3 (für das simple Spielprinzip viel zu lang).
PS
Hallo Hans, wir wünschen Dir, dass es Dir mit Deiner neuen Leber ganz bald wieder ganz gut geht!
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23.03.2011: Mission in Afrika, Kartenspiel in London
Die Westpark-Katze hat letzte Woche ihr Gastspiel bei uns beendet. Eine Bridge-Partnerin hat sie übernommen. Dort wurde sie entwurmt, geimpft und darf jetzt im Schlafzimmer mit dem Frauchen kuscheln. Für ihr endgültiges Bleiben müssen die dortigen Platzhirschen, zwei „alte Zicken“ erst noch gehörig ins Gebet genommen werden.
Für die äußerst liebenswürdige Art von „Bridgie“ ist auch bereits ein Gedicht entstanden:
An meine Katze
Wenn ich zur Mittagszeit den Schlummer suche,
kommst Du zu mir und wachst an meinem Lager.
Ich weiß, wenn ich erwache, wachst Du noch bei mir,
und dieses Wissen ist unsäglich schön.
Dann tapst Du zierlich über meinen Busen,
legst Deinen Kopf vertraut auf meine Schulter,
drehst Deinen Bauch nach oben hin,
läßt Dich umfassen und ganz zärtlich kraulen.
1. “Livingstone”
Auf den Spuren des großen schottischen Afrikaforschers fahren wir auf einem Dampfboot (Holzfigur) den Sambesi hinauf bis zu den Viktoriafällen (Spielbrett-Szenerie), errichten an verschiedenen Stationen unsere Zelte (Holzpöppel) und versuchen unser Glück beim Schürfen von Edelsteinen (Plastiknuggets).
Herzstück des ganzen sind Würfel, die ganz analog dem Ysphahan-Prinzip gehandhabt werden: Ein Spieler würfelt für alle Mitspieler mit allen Würfeln und reihum darf sich jeder Spieler einen Würfel davon heraussuchen und damit seinen Zug bestreiten. Er darf
Pro Mitspieler werden zwei Würfel eingesetzt und wenn jeder Spieler einen Würfel genutzt hat, bleiben in der Mitte noch eine Menge Würfel liegen. Jetzt darf jeder Spieler einen weiteren Würfel nehmen und damit einen Zug machen, aber nur, wenn noch ein Würfel mit einer höheren Augenzahl als sein erster gewählter Würfel übrig geblieben ist. Hierin liegt die Taktik des Spiels: Man sollte für jeden Zug in der Regel einen möglichst hohen Würfel aussuchen, allerdings sollte er nicht so hoch sein, daß man in dieser Runde keinen zweiten Zug tun darf; die Mitspieler werden natürlich ihrerseits alles tun, um den anderen den zweiten Zug zu vermasseln. Das genaue Lavieren zwischen kalkulierter Bescheidenheit und entschlossenem Zupacken bringt die entscheidenden Vorteile ins Spielgeschehen.
Der Rest ist Zufall. Der Würfelwurf als solcher ist Zufall. Werden z.B. bei drei Mitspielern und dementsprechend sechs Würfeln einmal die Fünf und fünfmal die Sechs geworfen, so kann der Startspieler zwei Würfel nutzen, nämlich die Fünf und eine Sechs, die anderen können nur je eine Sechs nutzen.
Zufall ist auch die Ausbeute bei den Diamanten. Wer extremes Glück hat, kann bei einer Augenzahl von Vier insgesamt vier rote Diamanten aus dem Säckchen ziehen und bekommt dafür 20 Taler, wer ein bißchen Pech hat, zieht vier schwarze Geröllkiesel aus dem Säckchen und bekommt dafür gar nichts.
Genauso zufallsbestimmt ist auch das Ziehen der Aktionskarte. Wer Glück hat, darf damit in einem späteren Zug gleich zwei Würfel ziehen. Er kann dann beispielsweise seinem Hintermann dessen wohlkalkulierten zweiten – in der Regel höherwertigen – Würfel vor der Nase wegschnappen und damit bei den Diamanten den glücklichen Riesenraibach machen.
Diese Zufallseinflüsse bringen in eine an sich logische und planbare Würfelkombinatorik spielerische Überraschungselemente hinein, die bis ans unberechenbare Chaos reichen.
Der Höhepunkt des Unkalkulierbaren in „Livingstone“ ist „die Spende für den König“: Jeder Spieler kann während jedes Zuges eine geheime „Geldspende“ in ein Schatzkästchen werfen. Wer bei Spielende die geringste Spendensumme aufgebracht hat, scheidet aus. In unserem Zieleinlauf rangierte Horst mit 51 vor Walter mit 45 und Günther mit 44 Siegpunkten. Doch Horst und Walter hatten beide nur je 11 Taler gespendet und schieden unisono aus. Günther blieb als Sieger übrig. Bei dieser Spendenlage hätte er eigentlich überhaupt kein Zelt zu errichten brauchen, sondern ganz locker unverzüglich alle Einnahmen für den König spenden können.
WPG-Wertung: Günther: 6 (hübsche Ideen, an manchen Stellen aber zu schicksalshart), Horst: 7 (mag die Würfel-Kombinatorik), Walter: 6 (hübsche Kombinatorik, die „Spende“ hätte aber besser weggelassen werden sollen und die Aktionskarten sind auch zu wenig ausgewogen, vor allem diejenigen mit Ärgereffekten.)
2. “London”
Ein ziemlich reinrassiges Kartenspiel, obwohl ein dickes Spielbrett mit einem Stadtplan von London auf dem Tisch liegt und wir darauf konsequent Stadtvierel ausbauen und darin „regieren“ müssen. Doch diese Aktionen dienen nur dazu, ein variable Anzahl von Karten zu ziehen, die Karten in optimaler Konstellation auszulegen und in regelmäßigen Abständen ihren Ertrag zu kassieren.
Erträge der Karten ist Geld und / oder Siegpunkte, und zuweilen können wir damit die Armut bekämpfen. Wenn wir viele Karten ausliegen haben, fließen natürlich auch reichlich Erträge in unsere Taschen, dafür steigt aber die öffentliche Armut in unseren Stadtvierteln rapide an. Am Ende führt die öffentliche Armut zu erheblichen Siegpunkteinbußen; wer hier nicht konsequent gegengesteuert hat, kann nicht gewinnen. In der richtige Balance zwischen der Menge an ausliegenden und genutzen Karten mit ihren Geld und Siegpunkteinnahmen sowie an den Maßnahmen gegen die Armut liegt der Sieg.
Dabei ist der Spielverlauf aber ziemlich solitär. Jeder spielt seine eigenen Karten nach optimalen Gesichtspunkten; Einwirkungen auf Aktionen und Besitztum der Mitspieler gibt es nicht. Für Horst war es immerhin ein gutes (mit Betonung) Solitärspiel. Zumindest über drei Viertel des Spiels. Dann ging ihm bitterlich das Licht auf: „Die Armut bricht mir das Genick!“. Er hatte sich mit seinen privaten Erwerbsquellen in eine Sackgasse manövriert; sein Armutsstand kostete ihn in der Schlußabrechnung die Hälfte seines Besitztums, es reichte gerade noch zur Bronce-Medaille.
WPG-Wertung: Günther: 7 (mit den üblichen Wallace-Fragezeichen), Horst: 7 (Das System ist klasse, aber Abzüge in der B-Note für den Armutsmalus), Walter: 7 (Einschränkung für den solitären Charakter; maximal für 3 Spieler, die vielen Zugoptionen sind in einer größeren Runde tödlich).
3. “Trans Europa”
Kam um 23 Uhr als mittellanger Absacker auf den Tisch. Schnell, flüssig, genial.
Weiterhin unentschieden ist die Frage, ob man solo an der Problemlösung mit seinem Randstädten beginnen soll oder lieber im gemeinsamen Zentrum.
Die „Ungerechtigkeit“ der Städteauswahl fällt bei dem leichten, spielerischen Charakter und den schnellen Wiederholungen überhaupt nicht ins Gewicht.
Keine neue WPG-Wertung für ein 7,8 Punkte-Spiel.
4. “Bluff”
Noch nicht genug abgesackt beim Gleisbau für die europäischen Eisenbahnen. Horst hat seine Stern-Strategie erfolgreich überarbeitet. Er würfelt jetzt mehr Sterne als er blufft.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
16.03.2011: Super GAU in Istanbul
GAU zum Ersten
Darf man sich so ohne jeden Skrupel über die weltpolitische Lage am Westpark zusammensetzen und einen lustigen Brettspielabend verbringen, während in Japan Hunderttausende ihr Zuhause verloren haben und vielleicht Millionen noch vor diesem Schicksal stehen? Wir haben es getan. Der FC Bayern hat gestern auch gespielt und seinen GAU erlebt. Die Welt dreht sich weiter und wir mit ihr. Hoffentlich noch ein Weilchen.
1. “Constantinopolis”
Wir sind Händler in der ehemaligen Kaiserstadt am Bosporus. Wir erwerben verschiedene Arten von Gebäuden (für Produktion, Wirtschaft, Versorgung und Verwaltung), produzieren Güter (Nahrung, Konsum, Gewerbe, Militär und Luxus), kaufen Schiffe, sammeln Verkaufsaufträge und verkaufen unsere Waren gegen Geld und Siegpunkte an Ort und Stelle oder in der weiten Welt.
Meisterhaft führte Horst durch die 30 Seiten des Regelbuches. Bei den vielseitigen Abhängigkeiten innerhalb der verschiedenen Spielelemente kein leichtes Unterfangen. Öfters mußte er sich mit dem bekannten Trick aus der Feuerzangenbowle behelfen: „… das kriegen wir später.“ Nach einer Stunde waren wir durch und keine Frage blieb offen. (Dass es hin und wieder jemanden gibt, der sich Details nicht merken kann und einzelne Abläufe falsch handhaben möchte, das ist am Westpark ein bekanntes und unabänderliches Phänomen. Selbst Moritz verliert hierbei schon nicht mehr seine sprichwörtliche Engelsgeduld.)
Moritz fand sofort Anklänge an Aarons „Trawler“ und auch Aaron entdeckte mehr und mehr Ähnlichkeiten, bis sich ihm der Seufzer entrang: „Ich stampfe Trawler wieder ein.“ Soviel Skrupel sind unter Spieleautoren eher selten. Dort wird in der Regel auf Teufel komm raus abgekupfert.
Sicherlich hat „Constantinopolis“ auch Anleihen gemacht bzw. sich inspirieren lassen. Ein großes Vorbild für Produktions- und Verkaufsspiele ist in jedem Fall „Puerto Rico“. Den Kern des dortigen Wirtschaftskreislaufs findet man auch „Constantinopolis“ wieder: Aus Geld mache Produktionsstätten, mit Produktionsstätten mache Waren, aus Waren mache Geld. Nebenfaktoren können diesen Kreislauf beliebig kompliziert machen. Z.B. sind muß man mit folgenden Einflussgrößen geschickt jonglieren:
Die größte Krux des gesamten Spielablaufs sind die Verkaufsaufträge. Sie werden zufällig gezogen und nur passende Aufträge darf man behalten. Doch wenn in einem Auftrag 1-2 Wareneinheiten aus einem Sortiment von 1-5 verschiedenen Wartenarten benötigt werden, und wir zu Beginn nur eine einzige Warenart produzieren, kann man leicht erkennen, dass nur ein Bruchteil der Aufträge genutzt werden kann. Das bringt das Spiel nur langsam in Gang. Und es löst natürlich Frust bei denjenigen aus, die bei der diktatorischen Zufallsauswahl längere Zeit gänzlich leer ausgehen. Dieser Effekt paßt keinesfalls zum planerischen Ausbau der Produktionsstätten.
Moritz fand aus diesem Dilemma allerdings eine geniale Lösung: Er verzichtete mehr oder weniger vollständig auf Aufträge, sondern legte sich bei seinen Investitionen eine Menge Kauf-Tausch-Verkaufsoptionen zu, die ihm im in internen Binnenhandelsschleifen zu Reichtum und Ehren kommen ließ. Günther meinte zwar: „Wenn jemand in Constantinopolis den Handel ohne Schiffe betreibt, dann nimmt er dem Spiel die Seele“, doch die Designer haben das offensichtlich zugelassen. Nach drei Stunden war Moritz mit seinem Binnenhandel Sieger geworden, hatte dabei aber auch in selbstloser Weise einen Großteil der gewinnträchtigen Stadtmauern errichtet.
WPG-Wertung: Aaron: 5 („Hans-im-Glück hätte daraus ein gutes, resp. besseres Spiel gemacht“), Günther: 5 („Man hätte die Aufträge besser in den Griff kriegen sollen, z.B. könnten die Aufträge offen liegen und ersteigert werden bzw. in der Spielerreihenfolge gezogen werden“), Horst: 7 („Die Spielmechanismen sind klar und logisch, die Aufmachung ist gefällig“), Moritz: 7 („solide und austariert, der Wiederspielwert ist offen.“), Walter: 6 („viele reizvolle Optimierungsaufgaben, in der Summe zu solitär und zu lang.“)
2. “Bluff”
Horst bemeckerte, dass in unserer Runde zu wenig geblufft wird. Doch auch darin kann eine Strategie liegen. Wer nahezu 100% „ehrlich“ spielt – soweit dies möglich ist – bewirkt bei seinen Nachfolgern einen Vertrauensvorschuß, der in vielen Situationen durchaus auch hilfreich sein kann. Wer zu 50% blufft, schneidet zu 100% schlechter ab als der Durchschnitt der Mitspieler. (Begründung!)
Aaron ging mit 2:1 Würfeln gegen Günther ins Endspiel. Als Anhänger der Immer-4-Strategie legte er 1 mal die Vier vor, Günther ging standardmäßig auf 1 mal die Fünf. Aaron hatte eine Eins und eine Vier unter dem Becher; was tun?
Mit welcher Wahrscheinlichkeit hatte Günther geblufft? Aaron nutzte die einzige Chance, mit 33% Wahrscheinlichkeit das Spiel siegreich zu beenden. Welche ist das?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
GAU zum Zweiten
Zum Schluß wieder eine lange Diskussion über die GAU-Situation in Japan. Die Restenergie, die ein stillgelegtes Atomkraftwerk noch jahrelang (!) produziert, beträgt ca. 20 Megawatt. Wieviel Liter Wasser müssen pro Stunde verdampft werden, damit die Temperatur konstant bleibt? Woher nimmt man die Freiwilligen, die all die notwendigen Arbeiten durchführen, um die Kühlsysteme in Funktion zu erhalten? Vorschlag: 50% unserer Parlamentarier sollten zwangsverpflichtet werden, sich im Notfall für solche Harikiri-Einsätze bereit zu halten. Besonders diejenigen mit den markigen Sprüchen über die „sicherste Kerntechnik der Welt“.
09.03.2011: Siedeln und Fliehen im Weltraum
Im Vorfeld haben wir über die traurige Situation beim FC Bayern gesprochen. Innerhalb einer Woche drei wichtige Spiele verloren, und das mit den gleichen Spielern, die bei der Weltmeisterschaft letztes Jahr einen grandiosen dritten Platz erreicht haben. Liegt es tatsächlich am Trainer, wenn eine Fußballmannschaft gute Ergebnisse erkickt? Oder liegt es am Geld? Dann aber müßte der FC Bayern unangefochten an der Spitze liegen.
Mein Neffe hat mit mir gewettet, dass von einer ausgewählten “Neuner-Liste“ von Bundesliga-Mannschaften (Bayern, Bremen, Dortmund, HSV, Hoffenheim, Leverkusen, Schalke, Stuttgart, Wolfsburg) in den nächsten fünf Jahren, d.h. bis zum Saison-Abschluß im Jahre 2015, jeweils mindestens 3 Mannschaften im Europapokal spielen, und dass der Meister lediglich aus dem Kreise dieser 9 Mannschaften stammt.
Wer wettet dagegen?
1. “Ad Astra”
Nach Moritz Aussage „kein „Freak-Game, sondern ein richtiges Euro“. Faidutti ist Coautor und es gibt in eine tadellose deutsche Spielanleitung dazu. Horst hatte sich vorbereitet und trug perfekt vor. Eine echte Konkurrenz zu … wem?
Wir sind immer noch Menschen, doch unsere Sonne ist uns zu langweilig geworden, wir besiedeln Planeten in fernen Sonnensystemen. Dazu benötigen wir natürlich Energie, Wasser, ein bißchen was zum Kauen und Baumaterial für Kolonien und Fabriken. Eine Grundmenge der benötigten Rohstoffe gehört zu unserer Startaufstellung, den Rest müssen wir auf den besuchten Planeten im All finden und exploitieren.
Für die Spielzüge steht jedem Spieler ein Satz von Aktionskarten zur Verfügung, gemäß dem wir Bewegungen, Resourcen-Produktion, Bautätigkeit oder Spiegpunkt-Ernten durchführen. Reihum plazieren wir drei unserer Aktionskarten verdeckt auf einem gemeinsamen „Planungsfeld“ und arbeiten den Stapel sequentiell ab. Bemerkenswert dabei ist, dass jede Aktionskarten für alle Spieler gilt. Wird also z.B. eine Bewegungskarte aufgedeckt, so dürfen alle Spieler mit ihren Raumschiffen von Planet zu Planet hüpfen, nicht nur derjenige, der diese Karte beigesteuert hat.
Wenn man aber gerade keine Energie mehr hat, dann nützt die fremde Bewegungskarte gar nichts. (Die eigene übrigens auch nicht.) Die Art der von den Mitspielern ausgewählten Karten ist eine Unbekannte und man sollte in seiner Zugplanung nicht damit spekulieren. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, und es ist eher selten, dass man von fremden Karten wirklich profitiert.
Nur ganz am Anfang zog Horst irrtümlich eine falsche Produktionskarte und setzte damit Walter’s statt seiner eigenen Produktion in Gang. Dieser Irrtum brachte Walter gleich in der ersten Runde eine gewisse materielle Dominanz auf den Spielbrett ein, die sich auch unverzüglich in einen Vorsprung von 10-15 Siegpunkten umsetzen ließ, ca. 25 % der Gesamtpunktzahl zum Sieg!
Alle waren sprachlos, wie das blinde Huhn mit dem irrtümlich geschenkten Korn seine Runden drehte und dabei seinen Vorsprung stetig und uneinholbar ausbaute. „Das Spiel ist nicht gut, wenn Walter gewinnt!“ Das Spiel war nicht gut!
Vor allem der Stapel mit den unberechenbaren und damit ziemlich chaotischen Aktionskarten erntete Kritik. Moritz forderte hierfür ein sequentielles offenes Auslegen der Karten. „Typisch Faidutti, gute Ideen aber nicht konsequent durchdacht.“
WPG-Wertung: Aaron: 5 („zu wenig planbar“), Günther: 5, Horst: 7 (mag diese Art von Spielen, war auch atmospärisch zufrieden), Moritz: 5 („es darf nicht sein, dass man auch ohne Aufbau allein mit Siegpunkt-Ernte-Karten das Spiel gewinnt“), Walter: 5 (einschließlich Siegerbonus).
2. “Escape from the Aliens in Outer Space”
Letzte Woche in einer Dreierrunde schon angespielt, sollte das Spiel heute in einer Fünferrunde seine volle Pracht entfalten. Im Prinzip funktioniert es ganz ähnlich wie Scotland Yard, einem Oldtimer aus dem Jahre 1983. Anstelle eines bösen Mister X gibt es 2 gute Menschen, anstelle von 4 guten Detektiven gibt es 3 böse Aliens. Alle bewegen sich auf wohldefinierten Strecken über das Spielbrett, bei Scotland Yard ist es der reale Stadtplan von London, bei „Escape“ eine abstrakte Ebene von Raumschiff-Hexagons. Als Spielziel muß in Scotland Yard der Mister X dingfest gemacht werden, bei „Escape“ müssen die Menschen gefressen werden, bevor sie sich in ihre Fluchtkapseln retten.
Absprachen sind erlaubt, aber nicht notwendig, da die Aliens praktisch bei jedem Zug mitteilen, wo sie sind und sich entsprechend aufeinander einstellen können. Die Menschen müssen das – mit zufälligen Schwankungen – etwa bei jedem zweiten Zug kundtun. Da die Aliens eine doppelt so große Reichweite haben, sind die Menschen mehr oder weniger chancenlos. Zumindest auf der Raumschiff-Struktur, die wir zugrunde gelegt haben. Noch aussichtsloser wäre es gewesen, wenn wir mit der optionalen Erweiterung gespielt hätten, dass die Fluchtkapsel mit 50% Wahrscheinlichkeit kaputt ist, wenn ein Mensch sie halb aufgefressen erreicht hat. Aber was ist schon die Hälfte von Null?
WPG-Wertung: Moritz: 9 („Originell, lustig, mir machte es Spaß“), Aaron: 5 („nicht lustiger als 5 Punkte“), Günther: 4 („hat mir es schon in der Dreierrunde nicht gefallen“), Horst: 4 (abhängig von der Spielrunde; nicht besser als „Ad Astra“), Walter: 3 (war einer der chancenlosen Menschen).
3. “Gisborne”
Gemäß Regelheft sind wir die ersten Seefahrer Europas, die in Neuseeland gelandet sind und anfangen, die Insel zu kartographieren. Stück für Stück wird ein neues unbekanntes Stück Land aufgedeckt, und wir bewegen unseren Kartographen-Pöppel entlang eines Trampelpfades in Richtung Ziel. Die Strecke, die wir pro Zug zurücklegen dürfen, ergibt sich aus der Summe der Schritte auf den Bewegungskarten, die wir dafür einsetzen. Die Bewegungskarten werden von einem verdeckten Stapel gezogen, und es ist natürlich einsichtig, dass hier Lady Fortuna einen erheblichen Einfluß ausübt.
Auf dem Trampelpfad gibt es in unregelmäßigen Abständen Sonderfelder: wer mit seinem Pöppel hier darauf zieht, bekommt einen Siegpunkt-Chip und löst eine Wertung auf. Der vorderste Spieler erhält eine Menge neuer Bewegungskarten, die nachfolgenden erhalten weniger. Den Letzten beißen die Hunde.
Zum Ausgleich beißen den Ersten die Wölfe, nämlich wenn er bei seinem Vorwärtsschreiten auf ein neues Stück Land kommt, auf dem zufällig und keinesfalls voraussehbar noch Wölfe leben. Der Erste kann auch ungewollt in einen Sumpf fallen, aus dem er nur mit erhöhtem Aufwand an Bewegungskarten wieder herauskommt.
So ist in „Gisborne“ einfach alles zufällig:
Locker ist es auch. Zwangsweise.
WPG-Wertung: Aaron: 5 („genauso gut wie Ad Astra“), Günther: 6 („schnelles Spiel mit Ärgerfaktor“), Horst: 7 (fand ein „Schluchten-Feeling“), Moritz: 7 („lockeres Glücksspiel“), Walter: 6 („einschließlich Enkelbonus“).
4. “Bluff”
Horst’s vor zwei Monaten noch als erfolgreiche Überraschung vorgetragene Sternenstrategie kann keinen Stich mehr machen. Er wird sich etwas Neues ausdenken müssen. Aaron, Günther und Walter waren mit 3, 2 und nochmals 2 Würfeln im Endspiel. Walter begann standardmäßig mit 1 mal die Vier und Aaron hob ohne Zögern auf 2 mal die Vier. Günther hatte 2 Vieren unter dem Becher und kämpfte mit den Setz-Alternativen 3 mal die Vier oder 4 mal die Vier.
Was hatten die anderen mit ihren 5 Würfeln gewürfelt, als sich nach Walters Anzweifeln unverzüglich ein homerisches Gelächter erhob. Anders gefragt: Was hatten die anderen NICHT gewürfelt und wer stimmte nur unwillig in das Gelächter ein?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
PS: Die Katze kriegt immer noch am Westpark täglich ihre Milch. Und nach den Indizien im Katzenklo zu schließen, ist ihre Verdauung in Ordnung.
PS2: Immerhin hat Schalke gewonnen und Mailand nur Unentschieden gespielt. Der dritte Champions-League-Platz für Deutschland scheint gesichert. Hallo FC Bayern, nochmals die Ärmel hoch gekrempelt!
23.02.2011: Luna und die Patrizier
Am Westpark ist uns heute eine junge Katze zugelaufen. Als meine Frau morgens die Zeitung holen wollte, stand sie zitternd vor der Tür. Ohne zu fragen trat sie ein und genoß sichtlich die Zimmerwärme. Milch gibt es in jedem Haushalt, Katzenfutter war auch gleich besorgt, sowie ein Katzenklo, mit der Befürchtung, dass die Katze nicht weiß, was das ist, und dass wir in Bälde den Katzendurchfall aus dem Teppich waschen müssen.
Doch das süße Kätzchen übertraf alle Erwartungen. Es war sofort gegen jedermann zutraulich, zeigte keinerlei Schreckreaktionen, trank massig Milch, ging stündlich aufs Katzenklo, verzog bei den Klaviergeräuschen keine Miene, und begrüßte die ankommenden Westpark-Gamers mit einem freundlichen Um-die-Beine-Streichen.
Leider kann sie nicht ewig bei uns bleiben, der Hausherr und auch Aaron (der erst heute Abend aus Bangkok zurückkehrts, sind allergisch gegen Katzenhaare. Deshalb eine Frage an die nettesten unserer Leser: Wer will eine süße, kleine, gesunde, liebenswerte und kluge Katze haben? Gegen Liebe.
1. “Sixon und Ming Mang”
Horst hatte eine einstündige Verspätung angekündigt und Günther und Walter machten sich, wie in ihrer Zweierrunde schon Gewohnheit, über die Spielesammlung aus dem Wünnenberg Verlag her.
In „Sixon“ setzen wir zuerst – ähnlich wie bei Mühle – unsere Steine auf beliebige Felder eines in 6 Richtungen orientierten Spielbrettes, und ziehen anschließend einzelne unserer Steine (in eine der 6 möglichen Richtungen), um damit einen gegnerische Steine zu schlagen. Dies ist erfolgreich, wenn wir unseren Stein so ziehen können, dass er mit zwei weiteren unserer Steine ein gleichseitiges Dreieck (beliebiger Größe) bildet, in deren Zentrum der gegnerische Stein ist.
Das klingt vielleicht kompliziert, ist aber ganz einfach und am Anfang praktisch bei jedem Zug möglich. Muss es auch sein, denn wer als erster mit seinem Zug keinen gegnerischen Stein schlagen kann, hat verloren.
In „Ming-Mang“ stellen wir unsere Steine an je zwei Randseiten eines 8×8 Plätze großen Spielfeldes auf. Anschließend dürfen wir horizontal oder vertikal auf benachbarte freie Felder ziehen. Wenn wir damit einen gegnerischen Stein von zwei Seiten eingeschlossen haben, gehört er uns. Wie bei „Reversi“ wird er dazu auf die andere Farbseite gedreht. Einzelne Vorteile kumulieren sich sehr schnell zu einer unwiderstehlichen Übermacht. Wer alle gegnerischen Steine geschlagen hat, ist Sieger. Den konnten wir allerdings nicht mehr ermitteln, denn Horst war aufgetaucht.
Keine WPG-Wertung für 2-Personen-Spiele.
2. “Luna”
Horst hatte das Spiel schon zweimal auf dem Tisch liegen gehabt, um es mit seiner Frau zu spielen. Doch jedesmal kam sein Erstling Sebastian mit seinen Nachwuchs-Wünschen dazwischen, und aus der Partie wurde nichts. Für alle Unentschiedenen, die noch über die geboten Alternativen nachdenken, ist hieraus ein wesentlicher Unterschied zwischen Säuglingen und jungen Katzen erkennbar: Katzen kann man in die Ecke stellen. Die Westpark-Noch-Katze störte unsere Kreise nicht.
In „Luna“ spielen wir nicht auf oder hinter dem Mond, sondern wir tanzen um den irdischen Tempel der Mondpriesterin. (Was eine „Mondpriesterin“ ist, kann man bei Google nachschlagen, es gibt dafür immerhin 9 mal soviele Treffer wie für das männliche Pendant.) Der Tempel liegt im Zentrum des Spielbretts und drum herum gibt es sieben Inseln, auf denen wir die Glückseligkeit erwerben. Dazu bewegen wir unsere Pöppel, “Novizen” genannt, über die Inseln, bauen Kultstätten, werben neue Novizen an (Horst würde das „Kinderkriegen“ nennen), bauen Schiffe für das Inselhopping, lernen Gezeiten beherrschen, um unsere Pöppel schwimmend zu den verschiedenen Inseln treiben zu lassen, lernen Heilkräuter kennen, um die Novizen länger bei der Labora zu halten, und bringen ab und an einen Pöppel für gehobene Siegpunktquoten in den Tempel.
Wie viele Novizen ein Spieler auf dem Spielbrett hat, so viele Züge hat er pro Runde. Und mit Hilfe der Heilkräuter werden es noch ein paar mehr. Es gibt viel zu tun, anfangs mehr für die Verbreiterung der Resource-Basis, hinterher mehr zum Punkten. Am besten versucht man beides von Anfang an zu verbinden, also nicht nur Kultstätten bauen und Novizen zeugen, sondern sein Material auch gleich konsequent auf die besten Punktequellen ansetzen.
Interaktion gibt es durch die Konkurrenz um die Plätze im Tempel, in Mehrheiten für verschiedene Siegpunktprämien und im aktiven Verkürzen der Rundenzahl.
Ein hübsches Spiel, Stefan Feld hat es gut komponiert.
WPG-Wertung: Günther: 8 (nette Mechanismen; enthält im Laufe des Spiels zwar keine nennenswerte Steigerung, aber eine Änderung der Aktions-Schwerpunkte), Horst: 8 (war von der Stimmung – nicht gleichzusetzen mit Thematik – angetan, schätzte die Vielzahl der Zugmöglichkeiten), Walter 8 (lauter funktionierende, konstruktive Elemente, alles ist wohl aufeinander abstimmt).
3. “Patrizier”
Ein Kartenspiel von Michael Schacht. Bei der Klassifizierung „Kartenspiel“ kann man natürlich sofort aufschreien, denn die „Patrizier“ haben ein richtiges Spielbrett mit Patrizierstädten des mittelalterlichen Italiens, es gibt hölzerne Stockwerke, mit denen wir in den Städten Geschlechtertürme a la San Gimignano errichten, und es gibt Wertmarkten, mit denen die besten Türme prämiert werden.
Doch der Motor des Spiels sind ausschließlich Karten. Sie allein bestimmen, in welchen Städten wir bauen dürfen. Und abhängig davon, wo wir gebaut haben, ziehen wir offen ausliegende neue Karten für unsere nächsten Baugenehmigungen.
Jeder Spieler hat drei Karten in der Hand, aus der er jeweils eine auswählen kann. Der Freiheitsgrad ist also nicht besonders berauschend. Doch da man mit jeder gelegten Karte auch bestimmt, welche nächste Karte man dafür zieht, gibt es doch eine ganze Menge Zukunftsplanung, und man fühlt sich keinesfalls gespielt. Selbst wenn so manche gewünschte Karte nicht erreichbar ist.
Neben den Siegpunkten für die Mehrheiten an der Geschlechtertürmen („Wer den längsten hat, bekommt die höchste Prämie; wer den kürzesten hat, geht leer aus.“) gibt es noch Siegpunkte für bestimmte Kartenkombinationen, die wir im Laufe des Spiels gezogen und genutzt haben.
WPG-Wertung: Günther 7 (angenehm schnell, auch durch die geringen Auswahlmöglichkeiten), Horst: 7 (ein hübsches Spielchen für zwischendurch), Walter 7 (lockeres Kartenspiel mit Glücksspielcharakter).
4. “Bluff”
Nichts Neues vom Westpark. Günther zog sich schnell aus dem Geschehen zurück und der 5:4 Endkampf zwischen Horst und Walter ging immerhin noch über 6 Runden.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
14.02.2011: Sammeln und Bauen mit Würfeln und Karten
„Elisabeth Schneider wendet das Strategiespiel Monopoly auf die Berliner Kulturlandschaft an“, so hieß heute eine Bildunterschrift in der Abendzeitung. Dieser Satz enthält mindestens fünf sachliche Fehler.
1. “Kingsburg”
Ein Brettspiel mit vielen Würfeln als dominierendes Spielelement, bei dem aber doch nicht vorwiegend die Summe der zufälligen Würfelergebnisse den Ausschlag über Sieg oder Niederlage gibt. Jeder Spieler wirft mit drei (oder mehr) Würfeln und darf die Ergebnisse einzeln oder in beliebigen Kombinationen für seine Züge ausnützen. Er besetzt damit entsprechende Zahlenfelder („Gouverneure“), die ihm Einkommen in Form von Rohmaterial (Holz, Stein oder Gold) gewähren, Kampfstärke gegen regelmäßige feindliche Angriffe verleihen, oder Bonuspunkte für seine nächsten Würfelkombinationen vergeben.
Jedes Zahlenfeld (mit den Werten von 1 bis 18) kann pro Runde nur von einem Spieler genutzt werden. Wer mit seinen Würfelergebnissen nur noch auf Felder kommen kann, wo schon Mitspieler stehen, verliert diesen Zug. Deshalb setzt nach jedem Würfelwurf (gleichzeitig und öffentlich von allen Spielern) ein eifriges Analysieren ein, welche Kombinationen die Mitspieler auch erzielen können, welche Felder also umkämpft sind, und welche Zahlenwerte man nur allein kombinieren kann, für deren Zug man sich also noch Zeit lassen kann. Diese Phase dauerte bei uns zu dritt schon recht lange, bei vier oder mehr Mitspielern (Denkern) kann sie vielleicht sogar unterträglich werden.
Mit dem erworbenen Rohmaterial kann man Gebäude errichten, die erstens Siegpunkte einbringen, zweitens Kampfstärke gegen die bereits erwähnten Angriffe, drittens Vorteile bei weiteren Aktionen, und viertens vor allem Modifier für zukünftige Würfelkombinationen. Vor allem durch die Modifier werden die Auswirkungen von Fehlkalkulationen bei der Würfelanalyse gemäßigt, man darf ja noch etwas zulegen, um vielleicht ein benachbartes Zahlenfeld zu erreichen, das noch frei ist. Diese Modifier geben einem Profidenker aber noch mehr Gelegenheit, die insgesamt 10 bis 15 geworfenen Würfel ausgiebig zu analysieren, um für sich und seine Bauvorhaben die optimalste Ausbeute zu erzielen. Heute war glücklicherweise keine dieser zuweilen unangenehmen Spezies am Werk.
Horst verlegte sich bei seinen Bauwerken schwerpunktmäßig auf den religiösen Sektor. Allein über Standbild, Kapelle, Kirche und Kathedrale erzielte er 96 % seiner ingesamt 25 Siegpunkte. Doch seine Götter ließen ihn beim Kampf gegen Drachen und Dämonen im Stich. Hier mußte er zu viel Federn lassen, um noch aufs Treppchen zu kommen. Moritz ließ nichts anbrennen; seine planmäßige Konzentration auf Kneipen und Kasernen brachte ihm den Sieg.
WPG-Wertung: Host: 9 (hübsche Würfel-Kombinatorik, auch für Gelegenheitspieler bestens geeignet), Moritz: 7 (alles funktioniert, wirkt auf Dauer allerdings repetitiv, es kommen im Laufe des Spiels keine neuen Abläufe mehr hinzu, Walter: 7 (alles ist konstruktiv und sehr gut ausbalanciert).
2. “Partacus”
Ein neues hübsches Kartenspiel von Bernd Eisenstein, das er zur Spiel 2011 in Essen herausbringen will. Wir sammeln „Besitzkarten“ verschiedener Kategorien (Armeen und Flotten, Land und Leute, Reichtum und Macht), die wir einerseits kostenlos von einem verdeckten Stapel ziehen, andereseits aus einer offen Auslage käuflich erwerben. Die unterschiedlichen Kategorien haben alle Einfluß auf Rabatte und Vergünstigungen bei unseren nächsten Zügen.
Wenn der Stapel mit den 74 Besitzkarten durch ist, ist das Spiel zu Ende, und der Spieler mit dem optimalsten Besitzstand hat gewonnen. Bevor wir uns recht versahen – nach knapp 30 Minuten – war das Spiel auch schon zu Ende. „Viel zu schnell“ war der einhellige Kommentar. Das Sammeln, Kaufen und Auslegen der Karten und das effiziente Wirtschaften mit den beeinflußbaren Einnahmen hat allen viel Spaß gemacht.
Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel im Beta-Test.
3. “Rumis”
Ein schönes Spiel mit Bauklötzchen für Ingenieure und Topologen. Wir stecken unsere Elemente zu einem kompakten Gebilde zusammen, und Sieger wird der, von dessen Farbe am Ende die größte Fläche noch zu sehen ist.
Vor sechs Jahren hatte ich meinen Großneffen ein Exemplar dieses Spiels zu Weihnachten geschenkt, letztens – 5 Jahre später – erhielt ich von ihrem Vater dazu folgenden Kommentar:
Rumis war, nachdem Du es uns geschenkt hattest, einige Male ausprobiert worden, dann aber, wie so viele andere Spiele, erstmal im Spieleschrank verschwunden. An diesem Wochenende feierte das Spiel dann seine Auferstehung – nachdem Du dass Spiel in München unseren Kindern “näher” gebracht hattest. Ich muss allerdings gestehen, dass sich das Spiel – wie schon nach den ersten Testrunden, in grauer Vorzeit – bei mir sicher nicht so hoch platzieren wird, wie bei den WPG. Das Spiel ist “nett”, um es mit den Kindern zu spielen, kurzweilig, schnell, ohne komplizierte Regeln, aber offen gestanden für mich ein reines Glücksspiel. Bei zwei Spielern ist das mit Sicherheit anders zu bewerten, aber bei vier Spielern ist man absolut vom Wohl der anderen Mitspieler abhängig und es gilt sich eigentlich hübsch zurück zu halten, weil man, wenn man durch zu viele eigene Oberflächen, den Missmut der anderen Spieler auf sich zieht, gnadenlos gemobbt werden kann (bis hin zum “Spielausschluss”).
Wir werden das Spiel, weil es jetzt bei uns – speziell den Kindern – gerade “in” ist, in den nächsten Tagen/Wochen noch viele Male spielen, und ich werde mich dem auch nicht verweigern, weil es, wenn es um das Spielen an sich geht, wie beschrieben “nett” ist, hübsch aussieht und auch den Kleinen und Unbedarften eine Siegchance bietet. Wie aber diese Spiel sich den “Monatstitel” der WPG erworben hat erschließt sich mir momentan noch nicht.
Diese provozierende Kritik war der Auftakt zu einem vielseitigen Briefwechsel über Techniken und Strategien, sowie über eine mathematische Definition des Begriffs „Glücksspiel“. Rumis ist definitiv keines, doch ich bin nicht sicher, ob ich meinen Neffen davon überzeugen konnte.
Heute durfte Horst die Initiationsriten von Rumis über sich ergehen lassen. Er fand das Spiel „toll, aber nicht für mich“. Als Wertung vergab er eine „objektive“ 8, und eine „subjektive“ 3! Hallo Aaron, wie bringst Du diese Klassifikation in unser Wertungsschema?
WPG-Wertung: Lassen wir den WPG-Durchschnitt bei 8, auch Birgit ist dafür.
4. “Bluff”
Große Verluste im ersten Spiel, vor allem bei denen, die nicht mehr bezahlen konnten.
Dann setzte Horst zum großen Bluffen an und bevor wir hinter seine Masche kamen, hatte er dreimal hintereinander gewonnen. Jetzt ging es nur noch darum, ihn wieder zu enttronen. Es dauerte immerhin noch zwei Durchgänge, bis das geschafft war.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
PS: Hallo Birgit, ich wünsche Euch, dass Sebastian seine Nach-Impf-Probleme bald überwunden hat und auch Du mal wieder bei uns vorbeischauen kannst.
09.02.2011: Heimstatt und Heimarbeit
„Manche mußten sich vorhalten lassen, sie hätten nicht weniger mäßig, doch noch weit weniger ersprießlich ’die Sonne vor dem Aufgehen verspielt’, angeblich um die Zeit zu vertreiben, als ob nicht die Zeit vielmehr sie vertriebe.
Tatsächlich fand sich bei einem von ihnen ein Spiel Karten. Sie ließen es auf der Stelle verbrennen, wegen der Ansteckungsgefahr; denn wo man Karten mischt, da mischt man auch die Fäuste, auf alle Fälle die Gefühle; beim Ablegen legt man auch jedes Gefühl ab für Anstand und Ruf, Bescheidenheit und Würde. Man wird verspielt und gar bald hat man es.“
(Balthasar Gracián in seiner Gesellschaftssatire „Das Kritikon“ um 1650)
1. “Pergamemnon”
Bernd Eisenstein hat uns wieder den Prototypen seiner Neuentwicklung für Essen 2011 zum Testen zukommen lassen. Diesmal ist es ein Kartenspiel.
Jeder Spieler erhält ein eigenes Kartenset mit Kämpfern der verschiedenen Waffengattungen (Schwert, Speer und Pfeil), mit unterschiedlicher Angriffsstärke, unterschiedlicher Verteidiungskraft, mit unterschiedlichen Charismawerten zum Anheuern von Support-Kreaturen, mit verschiedenen Sondereigenschaften wie z.B. Flüchten-Können und mit unterschiedlichen Siegpunkten für die Endwertung.
Jeder Spieler spielt sein Kartendeck portionsweise wrap-around durch und kann damit pro Zug entweder einen Kampf gegen einen Mitspieler vom Zaun brechen oder eine offen ausliegende Kreaturen-Karten anheuern und damit sein Kartendeck und/oder sein Siegpunktkonto aufbessern.
Der Ausgang eines Kampfes ist a prioi offen, d.h. der Angreifer hat keinerlei Vorzeichen oder gar Gewißheit für seinen Sieg. Er kann lediglich mit seiner stärksten Angriffskarte mit der aufgedruckten Waffe gegen ein Volk antreten, dessen Verteidigung in dieser Waffenart bekanntermaßen unterdurchschnittlich ausgestattet ist. Doch wenn der Schlag pariert wird (nichts genaues weiß man nicht), dann wird er dem Gegenschlag in unbekannter Waffengattung vermutlich nichts Angemessenes entgegensetzen können.
Die Austarierung der unterschiedlichen Kampfaustattung der verschiedenen Völker ist noch eines der Problemfelder, auf denen Bernd arbeitet. Bei uns gewannen die Römer problemlos dank ihrer Charisma-Startvorgabe, mit der sie sich viele siegpunktträchtige Kreaturen an Land ziehen konnten. Hannibal nahm sich Quintus Fabius Maximus zum Vorbild und versuchte möglichst friedlich in den Gauen am Westpark zu überleben. Damit wurde er Letzter.
Moritz meinte, mit ein paar Vereinfachungen hätte das Spiel auf dem amerikanischen Markt durchaus Chancen. Horst fragte, was denn der Unterschied zum europäischen Markt wäre. „Die haben weniger Probleme damit, mal einfach so drauf los zu spielen.“
Keine WPG-Wertung für einen Prototypen.
2. “Homesteaders”
In LEO wird für „Homesteader“ keine Übersetzung angeboten. Doch mit wenig Phantasie erkennt man darin das Wort „Heimstatt“ und ahnt, dass es sich um eine Ansiedlung in ländlicher Gegend handelt, in der wir im Schweiße unseres Angesichts unser Brot essen. In „Homesteaders“ sind wir Siedler in den Weiten des nordamerikanischen Kontinents, errichten unsere Bauereien, Marktplätze und Gewerbebetriebe und versuchen durch landwirtschaftliche und industrielle Produktion sowie günstigen Handel die meisten Siegpunkte zu erwirtschaften. Entwicklung zur Entwicklung von Entwicklung ist das Prinzip des stark progressiven Spielablaufs.
Die ersten Schritte sind mühsam, doch schnell sprudeln die Quellen für Holz, Kupfer, Eisen, Gold, Äpfel, Rindviecher und Menschenkinder reichlich für uns hin. Das Recht für den Erwerb von Grundstücken wird durch einen Bietvorgang ganz ähnlich wie in Aarons „Manipur“ („aber hier funktioniert’s“ !?) erworben: wer bei der Versteigerung aussteigt (mangels Geldmasse aussteigen muß), bekommt eine Ersatzvergütung, mit der sich ebenfalls gut leben läßt. Um das ersteigerte Grundstück mit der vorgeschriebenen Homestead zu bebauen, muß man hinterher noch unterschiedliche Materialien vorweisen.
Konstruktiv, kontemplativ, friedlich, nahezu konfliktfrei verläuft der individulle Aufbau. Sehr viele Wege führen nach Rom und dabei kommt keiner keinem so recht in die Quere. Die vielen, alle sehr gut gehbaren Wege erfordern (und erlauben) keine strategische Planung. Es ist natürlich erfolgreich, wenn man am Ende ein Besitzstands-Ensemble beisammen hat, das zu den internen Siegpunktquellen optimal paßt. Doch wie das alles zusammen zusammenkommt, das ist zu großen Teilen zufällig. Selbst unser Sieger Moritz bekannte freimütig, dass er ohne Strategie und Taktik vorgegangen war.
Moritz hat das Spiel als Teilnehmer der Boardgamegeek-Com geschenkt bekommen und persönlich von Über-dem-großen-Teich mitgebracht. Auf dem europäischen Markt wird es wohl lange nicht käuftlich sein. Doch die Qualität und das reichliche, hübsch ausgearbeitete Spielmaterial wären durchaus konkurrenzfähig.
WPG-Wertung: Günther: 5 („zu viel Kleinkram, nicht so pfiffig wie Puerto Rico“), Horst: 8 („viele Möglichkeiten, kein Ausgegrenzt sein“, hätte gerne noch ein paar Runden gespielt), Moritz: 7 („das Spiel ist etwas fibbelig, aber es funktioniert“), Walter: 7 („ausgewogene konstruktive Elemente“, hätte allerdings ungern noch ein paar Runden länger gespielt)
3. “Bluff”
Moritz war mit 2 Würfeln im Endspiel gegen Günther und Horst mit je einem Würfel. Günther legte gemäß seinem Markenzeichen mit 1 mal Fünf vor. Horst hob auf 2 mal Vier und Moritz auf 2 mal Fünf.
Wieviele Runden dauerte das Spiel noch und welche Würfel hatten Horst und Moritz unter dem Becher?
Die Fragestellung ist leichter, wenn ich den Satz zum Spielverlauf leicht umbaue:
Günthers Vorgabe von 1 mal die Fünf war gemäß seiner Immer-5-Strategie absolut nichtssagend; Horst hob verzweifelt auf 2 mal die Vier und Moritz schob mit reservierter Spannung auf 2 mal die Fünf.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
26.01.2011: Dominant Species
“Gott hat weder einen Menschen noch ein Tier geschaffen, das nicht irgendwie seinen Widerpart hat. Dem Königreich Frankreich hat er als Gegner die Engländer gegeben; den Engländern die Schotten. In Deutschland sind sich zu allen Zeiten die Häuser Österreich und Bayern feind und besonders die Bayern untereinander und das Haus Österreich den Schweizern.
Weder die natürliche Vernunft noch unser Verstand, noch die Gottesfurcht, noch die Nächstenliebe hat uns davor bewahrt, gegeneinander aggressiv zu sein, dem anderen etwas vorzuenthalten, oder ihm auf jede mögliche Weise etwas wegzunehmen.” (Philippe de Commynes um 1490 in seinen „Memoiren“)
1. “Dominant Species”
In diesem Spiel um den Kampf aller gegen alle gehen wir gegenüber unserem guten Philippe noch ein paar hunderttausend Jahre weiter zurück und betreten die junge Bühne der Evolution, in der Spinnen, Insekten, Amphibien, Fische, Vögel und Säugetiere um Lebensraum und Überleben kämpfen.
Moritz hat das Spiel des amerikanischen GMT-Games-Verlag per Subscription erstanden. 28 € hat es gekostet. Die Frachtgebühren wären nochmals in etwa der gleichen Größenordnung, wenn man seine Bestellungen nicht bündelt. Für unseren Großabnehmer Moritz machen diese Nebenkonsten in der Regel nur ein paar Pfennige aus.
In „Dominat Species“ repräsentiert jeder Spieler eine der oben genannten biologischen Klassen und erhält jede Menge Spezies (kleine Holzwürfel), die er im Kampf gegen die Spezies anderer Klassen peut-a-peut auf geeignete Hexagons einer wachsenden Spielfläche mit unterschiedlichem Nahrungsangebot bringen muß. Pro Runde kann jeder Spieler vier Aktionen aus einer ganzen Reihe von Auswahlmöglichkeiten durchführen:
Alle diese Aktionen sind begrenzt. Wenn eine bestimmte Anzahl Spieler eine Aktion ausgewählt haben, ist sie für alle weiteren Spieler in dieser Runde gesperrt. Da ist es natürlich wichtig, möglichst früh am Zug zu sein. Diese Startspielerposition wechselt nun aber nicht reihum, sondern sie ist fest. Und lediglich ein Spieler kann mit der Sonderaktion „Initiative“ sich in der Zugreihenfolge um einen Platz nach vorne arbeiten.
Der Spielablauf ist ein unterhaltsamer Kampf um eigene Vorteile und um die Schädigungen der Gegner. Strategisch ist das Ganze nicht, nicht einmal taktisch, höchstenfalls opportunistisch: Aus den gerade angebotenen Möglichkeiten kann man die beste auswählen und innerhalb der gewählten Möglichkeit möglichst den schärfsten Konkurrenten schädigen. Doch zuweilen ist nicht einmal der nächste Zug vorhersehbar, vielleicht hat ein Gegner schon die Plattform versenkt, vor der aus man seine nächste Aktion starten wollte, bevor man dann am Zug ist.
Ein bißchen Prophylaxe gegen Unbilden von Natur und Gegnern ist vielleicht ratsam, doch wo die Lage am kritischsten ist, in welcher Richtung die Tundra wächst, welcher Gegner am aggressivsten ist, wo neue Nahrungsquellen entstehen oder existierende versiegen, das ist im Grunde nicht kalkulierbar.
Die unvermeidlich-gewollten Schädigungen der Gegner erzeugen Revanchegelüste. Dagegen verteidigte der spätere Sieger Moritz seine Aggressionen: „Ich mache alles mit Sinn, nicht aus Haß.“ Durch diesen Trost wurden unserer getöteten Spezies allerdings auch nicht mehr lebendig. Aber unsere Rachegefühle hielten sich in Grenzen. Wenn das Chaos erst einmal verinnerlicht ist, geht es nur noch um die spielerische Beschäftigung mit vielseitigen Ablaufmechanismen. Auch die Kingmakerei wurde akzeptiert. Wenigstens als praktische Beigabe, nicht als theoretisches Prinzip.
In „Dominat Species“ ist der Weg das Ziel. Es gibt jede Menge Weg und das ist die unbestreitbare Schönheit des Spiels. Dass man vor lauter Weg leicht das Ziel aus den Augen verliert, dass ein Kompass zum Ziel fehlt, das ist zweifellos seine Unschönheit.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (10 Punkte für das Spiel als solches, minus 1 Punkt für die krassen „Dominant Cards“ und minus 1 Punkt für jede Stunde, die wir gespielt haben), Günther: 6 (schöne Elemente, aber fehlende Gesamtlinie), Horst: 6 (zu viel Chaos), Moritz: 9 (alles funktioniert), Walter: 6 (die Spielelemente sind 9 Punkte wert, doch fehlen Planbarkeit und Steigerung).
19.01.2011: Broken Hearts
Mit dem Vergnügen nur als Ziel erfand
der Mensch für sich das Spiel,
wobei ihm meistenteils entgeht,
dass er ihm seinen Sinn verdreht:
Er will nicht spielen, bloß gewinnen.
Verliert er, schlägt das tief nach innen,
und er verliert, weshalb ich staune,
zugleich auch immer seine Laune.
Ob du es, Mensch, wohl einmal lernst,
zu spielen – ohne deinen Ernst?
(Karl-Heinz Söhler)
1. “Attribute”
Uns war nach einem Warming-up zumute. Zum Vergleichen gegenüber “Dixit“ hatte Günther “Attribute“ mitgebracht, das schon 2003 in Essen zur Welt gebacht worden war. Hier wie dort nennt der „Erzähler“ einen beliebigen Begriff und die Mitspieler müssen dazu aus ihrer Kartenhand eine passende Karte finden. Bei “Dixit“ ist das ein Bild, bei “Attribute“ ein Wort. Hier kommt noch eine Erschwernis hinzu: Jedem Spieler wird zu jedem Begriff vorgeschrieben, ob sein Attribut passend oder unpassend sein soll. Z.B. würde “scharf“ zum Begriff “Senf“ und “süß“ zu “Zucker“ passen, “bunt“ wäre bei Senf eher unpassend, genauso wie “riesig“ beim Zucker.
Der Erzähler sammelt alle Attibutekärtchen verdeckt ein und legt sie dann offen auf dem Tisch. In unserer Spiel-Variante durfte sich dann jeder Spieler ein Kärtchen aussuchen, dass seiner Meinung nach „passend“ ist. (Solange der Vorrat reicht.) Dann wird gewertet. Für jedes passende Kärtchen, das ausgewählt wurde, erhält der Einreicher und der Auswähler je einen Punkt. Für jeder unpassende Kärtchen, das ausgewählt wurde, erhalten beide einen Minuspunkt. Sinngemäß das Umgedrehte gilt für die Kärtchen, die keiner ausgewählt hat.
Mindestens 15 Minuten lang kämpften wir mit dem Verständnis von Spielablauf und Wertungsmodus, bis Moritz einwarf: „Meine Oma hätte schon längst angefangen, und wir Profil-Spieler diskutieren stundenlang über solch einfache Mechanismen!“ Gesagt, getan. Horst gab den Begriff „Ameise“ vor und Moritz griff sich von den ausliegenden Attributen gleich das Wort „riesig“. Das war aber unpassend. Riesenameisen gibt es zwar bei Wikipedia, nicht aber in Horsts Vorgarten. Beide ernteten dafür einen Minuspunkt.
Walter fand diese Wertung total bescheuert. Wie kann man bestraft werden, nur weil ein Mitspieler zu wenig Realitätssinn besitzt? Moritz setzte ein „ist total OK“ dagegen. Begriff auf Begriff und Wertung auf Wertung schaukelte sich bei Walter der Unmut hoch. Günther gab den Begriff „Sonne“ vor und Walter mußte aus seinen vier Attributkärtchen „scharf“, „süß“, „solide“ und „unverbraucht“ ein passendes heraussuchen. Als Hobby-Astronom schien ihm dabei „unverbraucht“ noch am passendsten, doch niemand erkannte die darin liegende astro-physikalische Halbwahrheit. Er plädierte für Abbruch.
Moritz zwang in gewohnt-sadistischer Art zum Weitermachen und wurde darin vom nibelungentreuen Aaron unterstützt. Doch nach einer Runde – jeder war einmal „Erzähler“ gewesen – warf Walter massiv das Handtuch.
Er will nicht spielen, bloß gewinnen.
Verliert er, schlägt das tief nach innen.
WPG-Wertung: Aaron 5 (nicht so gut wie „Dixit“; Irina wird damit wohl nicht beglückt werden), Günther: 6, Horst 5, Moritz: 6 (freiwillig von spontanen 10 Punkten runtergekommen), Walter: 1 (broken, konsequent und obstinat nach Peter’s Terminologie).
2. “Dixit”
Horst hat das Spiel immerhin schon zweimal gespielt und durfte erklären.
Friedlich, poetisch, kontemplativ, konstruktiv, rund und phantasievoll legten alle die passenden Bilder zu den Begriffen des Erzählers auf den Tisch.
WPG-Wertung: Passend zu unseren 8 Irina- und 6 Pro-Domo-Punkten vergab Moritz 7 Punkte.
3. “Small World”
Kaum zwei Jahre alt hat der Verlag “Days of Wonder” für sein erfolgreiches Produkt schon ungezählte Erweiterungen herausgebracht. Diesmal ist es für uns der “Geisterbeschwörer“. Ein Spieler übernimmt diese asymmetrische Rolle: Er bekommt alle Rassenplättchen der Mitspieler, die im Laufe bei Eroberungen ihr Leben aushauchen mußten. Im Verhältnis 4:1 darf er sie in seine eigene Rasse verwandeln und damit auf Eroberungen ausgehen. Gelingt es ihm, alle seine Plättchen ins Spiel zu bringen, bevor die Partie standardmäßig endet, hat er gewonnen.
Dadurch gewinnt das Spiel eine neue, kooperative Komponente. Wenn die übrigen Spieler wie üblich nur gegenseitig aufeinander losschlagen und nicht konsequent gegen den Geisterbeschwörer spielen, hat der sein Spielziel schnell geschafft. Doch am Westpark wird Kooperation ganz klein geschrieben. Von Natur aus spielt jeder zu selbstsüchtig. Bevor er sich im Kampf gegen den gemeinsamen Feind aufopfert, sucht er lieber einen Positionsvorteil gegen seinen lieben Nachbarn.
Nur einer von uns erkannte diese wesentliche Aktzentverschiebung in der Spieltaktik recht früh. Allerdings hielt er sich selber nicht daran. Penetrant rupfte er jeweils den Kombattanten, der seinem führenden Punktestand am nächsten kam und fragte bei rächenden Gegenaktionen – der übrigen Blinden – ganz unschuldig: „Und warum bin ICH jetzt Dein Gegner?“ Wer war’s?
Als er dann endlich zum gemeinsamen Halali blies: „Wir müssen jetzt alle gegen Günther [den Geisterbeschwörer] gehen, sonst haben wir alle verloren!“ und händeringend allen Kampfgenossen Nichtangriffpakte anbot, war es bereits zu spät. Aaron konnte gerade noch korigieren: „… sonst hat Günther gewonnen!“, da war es auch schon so weit.
In einer ähnlich veranlagten Runde wie der unsrigen ist der Geistesbeschwörer zweifelos der Spielbalance entglitten. Aber lustig ist es schon.
Mit dem Vergnügen nur als Ziel
erfand der Mensch für sich das Spiel.
WPG-Wertung: Horst blieb mit seinem 8 Punkten genau im bisherigen Schnitt; Walter reduziert seine Wertung um 1 Punkt auf jetzt 7 Punkte.
Bei Horst teilt „Small World“ das Schicksal der meisten gekauften Brettspiele in Deutschland: Seit zwei Jahren liegt es bei ihm im Schrank und wurde noch kein einziges Mal hervorgeholt. Doch seiner Vermutung nach ist es ein Spiel für Birgit!
Übrigens, liebe Birgit, sind wir inzwischen belehrt worden: a) Du magst auch komplexe Spiele. b) Wenn Horst demnächst eine Aussage über Dich macht, darf das zunächst mal lediglich als Vermutung angesehen werden. Ich sehe, dass Du auch im Mutterschaftsurlaub Deinen beruflichen Alltag nicht vergessen hast.
4. “K2”
Beim Besteigen des Schicksalsberges hatten wir zum Ausklang des letzten Jahres die Kinderversion gespielt. Heute wurde alles erschwert: Es war harter Winter und die Wetterverhältnisse zwangen zu einer gründlichen Planung des Timing für den Aufstieg. Die beengten Platzverhältnisse auf den Aufstiegspfaden blockierten das Vorkommen besonders auf den letzten Stationen zum Gipfel.
Mit der Blockade ist auch unweigerlich ein Chaoselement verbunden. Wer in der Zugreihenfolge weiter hinten angesiedelt ist, kann überhaupt nicht vorhersehen, welche Plätze für ihn überhaupt noch frei sind, wenn er endlich am Zug ist. Aaron passierte sogar als Startspieler das Unglück, dass er seinen unter Sauerstoffmangel leidenden Bergsteiger nicht bewegen konnte, weil die Felder um ihn herum alle besetzt waren.
Doch der Spielverlauf war deutlich spannender als in der Kindervariante und jeder überlegt sich ein besseres Vorgehen, wenn das Spiel nochmals auf den Tisch kommen sollte.
Die Grafik wurde erneut bemängelt. „Total beknackt – um es mal ganz klar zu sagen.“ Mit der sparsamen grau-blauen Farbgebung kann man vielleicht das Aufkommen einer Günther-Messner-Gedächtnis-Stimmung fördern, doch funktional ist es nicht. Vom Spieldesign her bedenklich ist die – bei der Symmetrie des Spielmaterials auch nicht verwunderliche – Tatsache, dass bei Spielende alle Spieler ganz eng beieinander liegen. Bis auf diejenigen, die Tote unter ihrer Seilschaft zu beklagen haben.
Ganz allgemein ist es für uns schon erstaunlich, warum “K2“ in Essen so hoch gelobt war. Aber wir haben ja auch oft genug unsere Probleme mit der Auswahl zum „Spiel des Jahres“.
Ob du es, Mensch, wohl einmal lernst,
zu spielen – ohne deinen Ernst?
WPG-Wertung: Aaron 6 („man wird gespielt“), Günther: 5 (bleibt), Horst 7 („solide“. Nach-Frage : Etwas für Birgit?), Moritz: 6 („kein Superhit, aber es funktioniert“), Walter: 7 (spannend, planbar).
12.01.2011: “Troyes” hat er gesagt
Im Dezember haben wir unsere Spielabende oft genug geschwänzt. Jetzt sucht Moritz händeringend nach Vorschlägen für unser Spiel des Monats.
„Ich habe nicht so viel notiert, bisher nur: K2 (Bergsteigerspiel), Junta: Viva el Presidente, und Asara.
Asara kenne ich nicht, aber die ersten beiden Spiele sind glaube ich nicht konsensgeeignet. Gibt es noch weitere Ideen?“
Aaron klingt sich aus:
“Habe im Dezember nur Asara gespielt und war nicht so überzeugt. Daher von mir keine Vorschläge.“
Günther bekundet für seinen Zieleinlauf:
“1) Asara – 2) Navegador“
Moritz dreht das um: „Dann bin ich solange für Navegador bis mich jemand von Asara überzeugt.“
Aaron ist das nicht recht: „Na ja, von Navigador war ich nicht so überzeugt. Kaigan haben wir am gleichen Abend gespielt und das hat die gleiche Durchschnittsbewertung (6,8). Wenn wir schon ein Spiel mit einer Wertung unter 7 auswählen wollen/müssen, dann bin ich doch eher für Kaigan.“
Walter kann mit diesem Vorschlag leben, doch er macht ebenfalls einen: „Ceterum censeo Gran Cru esse selectandam!“
Hier hakt Peter ein. Erstens ist er gegen ’Gran Cru’ als solches: „Für mich sind die Spiele des Monats Spiele, die man “unbesehen” kaufen kann, weil sie was taugen.“ Und zweitens denkt er, „dass ’Gran Cru’ definitiv nicht feminin ist.“ Von ‘selectare’ wollte er ganz schweigen.
Mal schauen, ob wir heute noch etwas finden oder ob Moritz seinen Mut zu Lücke offenbaren kann.
1. “Troyes”
Troyes war der Hauptort des Keltenstammes der Trikassen und wurde trotz Asterix von den Römern einnommen. Westlich von Troyes fand die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern statt, das die Hunnen auf ihren Vormarsch nach Westeuropa stoppte. Hier schuf der mittelalterliche Dichter Chrétien de Troyes für Wolfram von Eschenbach die Vorlage zu seinem Parzival. Und vor 900 Jahren gab es auch schon mal ein christlich-katholisches Konzil in Troyes.
Dies ist der geschichtliche Hintergrund von ’Troyes’ (gesprochen Tro-a), dem Spiel. Das Regelheft gibt dazu keine Details wieder, es erwähnt lediglich kurz und schmerzlos, dass um 1200 in Troyes eine Kathedrale begonnen wurde, und dass wir Spieler jeweils eine reiche Familie verkörpern und unseren Einfluß in den drei Bereichen Militär, Religion und Verwaltung geltend machen, um die meisten Siegpunkte einzuheimsen.
Unser Einfluß wird durch jede Menge Würfel entfaltet. Insgesamt 18 Würfel sind pro Runde im Spiel, allein auf der Seite der „Guten“. Alle werden zu Beginn einer Runde geworfen und sequentiell abgehandelt. Mit Würfeln bekämpfen wir böse Ereignisse, aktivieren Aktionskarten, bauen an der Kathedrale, placieren Pöppel in den Einflußbereichen der Stadt oder betreiben Landwirtschaft. Für alle diese Zugmöglichkeiten erhalten wir früher oder später Siegpunkte.
Ist Troyes deshalb ein Würfelspiel? Nach Wikipedia „ist ein Würfelspiel ein Glücksspiel, das im Wesentlichen daraus besteht, dass mit einem oder mehreren Spielwürfeln ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden muss. Bisweilen sind kombinatorische Fähigkeiten seitens des oder der Spieler erforderlich.“ In Troyes sind eine ganze Menge kombinatorische Fähigkeiten notwendig. Wir brauchen uns nämlich nicht allein mit unserem eigenen Würfelwürfen zu begnügen, wir können und sollten auch kräftig – gegen Geld – die Würfel aller Mitspieler nützen. Gerade zu Beginn einer Runde darf sich keiner scheuen, den Mitspielern die besten Würfel wegzukaufen. Das ist vielleicht sogar eine mangelnde Balance des Spiels: Die guten Würfel sind so schnell weg, dass für den letzten Spieler einer Runde auf dem Markt schon kein einziger hoher Würfel mehr übrig bleibt, BEVOR er nur seinen ERSTEN Zug getan hat. Dann muß er mit dem schäbigen Rest seiner eigenen Würfel auskommen. Tröstlicherweise darf er – gegen Einflußpunkte – ein bißchen daran herummanipulieren.
Das einzige Korrektiv gegen diesen Würfel-Ausverkauf ist Geldknappheit, die zu Beginn des Spiels zweifellos herrscht. Doch nach wenigen Runden ist es damit vorbei und der Run auf die besten Würfel der Mitspieler setzt unmittelbar ein. Vielleicht ist das etwas zu krass gesehen; in jedem Fall muß dieser Effekt in unseren nächsten Begegnungen intensiv beobachtet werden.
Daß „Troyer“ bei uns noch häufiger auf den Tisch kommt, das ist klar. Jeder ist noch ganz beeindruckt von den vielfältigen Zugmöglichkeiten für die sich progressiv ergänzenden progressiven Entwicklungsfortschritte. Das Spiel ist rund und schön. Die drei Stunden Netto-Spielzeit vergingen wie im Fluge.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (Es gibt noch viel zu entdecken, das kann die Note noch nach oben bringen. Aktuell gibt es Einschränkungen wegen des deutlichen Würfeleinflusses), Günther: 8 (fürchtet allerdings Balance-Schwächen), Horst: 9 (die Spielelemente sind stimmig und rund; er steht auf Spielen mit Würfelkombinatorik), Walter: 8 (Vielfalt gelungener Ideen, hoher Wiederspielreiz).
2. “Dixit”
Spiel des Jahres 2010, höchste Zeit, dass es bei uns auf den Tisch kommt. Zudem hast es Horst von seiner Birgit zu Weihnachten bekommen.
Die gefällige bunte Graphik und die „richtigen“ Spielerfarben (Gelb für Günther und Rot für Walter) sind ein subjektiver Vorzug gebenüber „Troyes“. Ansonsten ist es ein braves Unterhaltungsspiel im Stil von „Nobody is perfekt“.
Jeder Spieler erhält 6 Karten, auf denen mit Phantasie irgendwelche Motive abgebildet sind. Jeweils ein Spieler übernimmt die Rolle des „Erzählers“: Er wählt eine seiner Karten aus, legt sie verdeckt auf den Tisch und überlegt sich dazu eine passende Ansage: ein einzelnes Wort, eine Lautmalerei, einen Satz oder eine ganze Geschichte.
Jetzt müssen alle anderen Spieler eine ihrer Handkarten auswählen, die ihrer Meinung nach am besten zur Ansage des Erzählers passt. Alle diese Karten, einschließlich der Karte des Erzählers werden jetzt offen auf den Tisch gelegt und die Spieler müssen raten, welche der Karten vom Erzähler stammt.
Dazu gibt es dann ein geeignetes Siegpunkteschema für die verschiedenen Rateergebnisse: ob alle Spieler die richtige Erzählerkarte geraten haben, oder keiner, oder nur einige.
Das Unterhaltsamste am Spiel sind anschließend die Erklärungen des Erzählers, warum er zu seinem Bild seine spezifische Ansage gemacht hat, und die Erklärungen der anderen Spieler, warum sie gerade ihr Bild dazu passend fanden. Wer assoziiert mit dem Schlagwort „Robert“ schon ein Bild, in dem Blätter durch die Luft wirbeln? Doch nur ein Kenner des guten alten Struwwelpeter. Und welche Assoziationsmöglichkeiten eröffnet uns unser guter Aaron, wenn er die „Fruchtbarkeit“ zum Besten gibt?
WPG-Wertung: Aaron: 8 (mit meiner Schwester und meinem Schwager würde ich das den ganzen Abend lang spielen), Günther: 6 (für mich selbst, in bestimmten Spielerrunden ist das Spiel 8 Punkte wert), Horst: 8 (nicht nur, weil es ein Weihnachtsgeschenk der Liebsten ist), Walter: 8 (für die Schwester und als Absacker).
Hallo Birgit: Hier noch eine kleine Bemerkung zu Deiner Spielkompetenz. In jedem Fall wird sie bei uns hoch geschätzt. Horst hat neulich nur behauptet, dass Du keine besonders große Vorliebe für komplexe Spiele hast. Da waren wir alle etwas verunsichert. Liefere uns doch mal eine Liste von Spielen, die von Dir die Noten 1 bis 10 erhalten.
3. “Trawler”
Horst war schon auf dem Weg zu Birgit, da präsentierte Aaron dem hinterbliebenen Personal seine Neuentwicklung „Trawler“ zum „Anspielen“. Wir entwickeln unsere Fischtrawler in Geschwindigkeit, Seetüchtigkeit, Kapazität usw. um damit aufs weite Meer zu ziehen, die verschiedenen Fischsorten zu fangen und sie am Hafen für Höchstpreise zu verkaufen.
Das Spiel ist recht rasant in seinem Ablauf; für alle tun sich sehr schnell lukrative Einnahmequellen auf, und das Im-Geld-Schwimmen läßt überall Freude aufkommen. Auch verschiedene berufliche Interessensschwerpunkte kommen auf ihre Kosten:
Ein vielversprechender Entwurf, dessen „Anspielen“ sehr viel Spaß gemacht hat.
Noch keine WPG-Wertung