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03.02.2010: Welthandel und Welteroberung ohne Pandemie

Seit seinen Spieltips in Galileo ist Moritz in den öffentlichen Medien auch als Brettspielexperte gefragt. Kürzlich ist Radio Brandenburg an ihn herangetreten, doch ein paar Tips zu „Monopoly“, „4-gewinnt“, und zu „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ abzugeben. („Das kennt doch jeder!“) „Und, was hast Du denen gesagt?“ „Ich hab’s halt gemacht!“
Die Radio-Euphorie schoß gleich ins Kraut: „Als Spielexperte können Sie uns dann doch bestimmt auch richtig gute Tips zum Schummeln geben … !“ Das hat Moritz dann aber doch dankend abgelehnt.
Wann die Sendung ausgestrahlt wird, könnt Ihr bei Moritz abfragen. Daß er am Freitag-Abend ein Konzert im Herkulssaal der Münchener Residenz gibt, das life im Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt wird, erfahrt Ihr hier von mir: BR 4 Klassic, 4. Veranstaltung der musica viva, 20:05 Uhr.
1. “Porto Carthago”
Letzte Test-Session, diesmal in einer 5er Runde. Mit Übersicht und Kompetenz konnte Aaron den hochbegabten Neuling Moritz in knapp 30 Minuten in das Regelwerk einführen. Wir haben mit dem Author schon ein paar Detail-Korrekturen diskutiert, doch mit gewissenhafter Tester-Ethik hielten wir uns noch an die Originalversion, auch wenn es vielleicht ein bißchen weh tat.
Aaron entschied sich von vornerherein lautstark für das Intrigenspiel, das bei uns bisher noch nicht richtig auf Touren gekommen war. Doch das Schicksal wollte es anders. Am Ende schickte er gerade noch in der letzten Runde einen zaghaften Untertanen auf diese Laufbahn. Daraus konnte er für sich nichts selbst natürlich nichts mehr herausholen.
Sven setzte wie gewohnt auf eine Karriere als Hafenmeister. Allerdings nur bis zur Mitte des Spiels. Dann war der Kulturhafen ausgelutscht und er verlegte sich auf intensive Pöppelwirtschaft. Das bringt das meiste Einkommen, die Startspielerrolle und damit auch die erste Wahl in allen Aktionen einer Runde, insbesondere auf dem Markt.
Günther spielte wie ein guter Go-Spieler: bei sich selbst. Und weil in seiner Ecke die Charterplätze lagen, engagierte er sich als Charterkapitän (das ist notgedrungen auch die Rolle des ersten Startspielers) und brachte mit Beten und Bangen beliebige Waren seiner Wahl in alle Gegenden der damals bekannten Welt.
Moritz hatte zu Beginn unsere Diskussionen über die Intrigenproblematik mitgehört, ohne des Pudels Kern noch richtig zu verstehen. Außerdem klang ihm Aarons diesbezügliche Aktivitäten-Ankündigung noch ihm Ohr, was lag also näher, als hier mitzumischen. Und als niemand Aaron hindern konnte, binnen Minuten klüger zu werden, blieb Moritz allein auf der Intrigenstrecke und seine Palastpräsenz war marginal. Dann gesellte sich Günther mit seinen Erlösen aus dem Charterverkehr hinzu, und am Ende kam auch noch Walter ins Boot. Aaron konnte in seinen letzten Aktionen gerade noch das Kraut fett machen. Aber nicht für sich! Für Moritz!
Moritz erbte in der Schlußabrechnung aus seinem Intrigen-Engagement drei ganze Palastpositionen (das entspricht der Einnahme von 4 erfolgreichen Handelsumsätzen) und wurde damit unvermutet noch auf die Siegerposition gehievt. Ist Moritz ein Blindfluggenie? Oder ist „Porto Carthago“ doch nur ein Glückspiel?
Lassen wir es offen. Noch wird an vielen kleinen Rädchen gefeilt. Es gibt sehr viele Wege nach Afrika. Auf welchem später einmal die Siegespalme verteilt werden wird, das wissen die Götter. Und vielleicht der Bernd Eisenstein.
WPG-Wertung: Moritz fand das Prinzip der Aktionen-Verteilung und Auswahl sehr gut und originell, vermißte allerdings die thematische Stimmung, Sven reduzierte seine anfänglichen 9 auf 8 Punkte, mit Tendenz zu wieder mehr, wenn das Spiel ausgereift ist, die anderen blieben bei ihren Noten zwischen 7-8, ebenfalls mit einen Ausblick auf mehr für das fertige Spiel.
2. “Pandemie”
Ein Kandidat auf der Auswahlliste „Spiel des Jahres 2009“. Die Impfungen für die Schweinegrippe zeigen gerade ihre mittelfristigen Nebenwirklungen, warum sollen wir da nicht versuchen, die Seuchen von „Pandemie“ mit vereinten Anstrengungen durch wirksame Gegenmittel in den Griff zu bekommen.
Leider geht das Spiel nur bis zu maximal vier Mitspieler. Moritz mußte seinen erwartungsvollen Einleitungssermon auf Seite 3 der Spielregel abbrechen. Sicherlich wird es auch in diesem Jahr wieder eine Grippewelle geben.
3. “Magister Navis”
Moritz hatte schon kritische Stimmen zu diesem Spiel gehört, Günther als Spielbesitzer und Vorspieler enthielt sich einer Bemerkung. Also setzte es sich durch.
Nach dem Untertitel geht es um „Handel und Erforschung im 18. Jahrhundert“. Europa ist Zentrum und Ausgangspunkt. Wir besiedeln, besetzen bzw. erobern die verschiedenen Städte auf dem alten und den neuen Kontinenten. Die folgerichtige Entwicklung unseres eigenen Expansionspotentials ist dabei von entscheidender Bedeutung. Pro Runde legen wir uns eine neue Fähigkeit zu, die entweder unsere Mannschaft verstärkt, die Rekrutierungsfrequenz erhöht, lukrativere Architekturen gestattet, den Seeweg in die Welt öffnet oder andere ähnliche Vorteile mit sich bringt. Die richtigen Entwicklungslinien innerhalb der eigenen Fähigkeiten und bei der Erforschung (= Eroberung) der Welt zu erkennen, zu verfolgen und zu verfitzeln (das ganze ist ziemlich fitzelig) ist die Herausforderung des Spiels.
Walter war schon beim Regelerklären überfordert. Danach auch noch strategische Linien zu erkennen war für sein Learning-by-Doing Prinzip einfach das Pferd von hinten aufgezäumt. Wer das Rad nicht erfindet, kann es auch nicht zum Sieg rollen lassen. Entsprechend eng war später sein Handlungsspielraum, und wenn er dann mit seinen rachitischen Zügen daherhumpelte, konnten sich die großen Geister nicht die Bemerkungen verkneifen, er würde mit seiner chaotischen Spielweise ihre schönen langfristigen Welteroberungspläne desauvieren. Chaos-Praxis statt Chaos-Theorie.
Seltsamerweise wurde er noch Dritter. Das strategische Genie Sven konnte sich mit einem Punkt Vorsprung vor dem strategischen Genie Moritz durchsetzen.
WPG-Wertung: Aaron:7 (spannend bis zum Schluß), Günther: 7 (trotz der recht minimalistischen Anfangsfreiheiten), Moritz: 7 (fand es „schocking, daß Walter trotz seines zugegebenermaßen bizarren Spiels noch Dritter wurde“), Sven: 6-7 (Planspiel ohne Glücksfaktor), Walter: 6 (enges symmetrisches Ausgangskorsett, hinterher entscheiden aggressive Kingmakerelemente über Sieg und Plätze).
4. “Bluff”
Aaron fand angesichts der 40% Minderheitsvorlieben für bestimmte Spieltypen eine neue, treffende Beschreibung für „Bluff“: „Es ist wie Axis & Allies: mit viel Würfeln!“
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

PS: Hallo Klaus, „Hansa Teutonica“ kommt bei uns bestimmt nochmals auf den Tisch. Deine und die bei BGG im Internet diskutierten vielfältigen Möglichkeiten zu Punkten zu kommen und ihre Effizienz gegenüber den verlockenden kurzfristigen Muß-Schnäppchen wird bei uns bestimmt noch einmal einer genaueren Analyse unterzogen.

27.01.2010: Der punische Krieg geht weiter

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß zwei willkürlich gewählte natürliche Zahlen gleich sind. Bei der unendlichen Anzahl natürlicher Zahlen ist die mathematische Wahrscheinlichkeit dafür gleich Null. Doch in der menschlichen Realität liegen die Verhältnisse ganz anders. Soll sich ein Mensch eine beliebige natürliche Zahl ausdenken, so wird er selten eine Zahl größer als Hundert wählen. Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit für die Gleichheit zweier beliebiger von Menschen ausgedachter natürlichen Zahlen schon deutlich über 1 Prozent. Noch besser ist es, wenn die beiden denkenden Menschen nur bis 3 zählen können.
Walter machte mit Aaron und Günther das Experiment: Jeder sollte verdeckt auf einen Zettel eine beliebige natürliche Zahl schreiben. Haben beide die gleiche Zahl geschrieben, so bekommt jeder einen Euro, haben sie verschiedene Zahlen geschrieben, so muß jeder einen Euro bezahlen. Hättet Ihr bei diesem Experiment lieber die Wettposition von Walter oder von Aaron/Günther eingenommen?
Am Ende schrieben beide die Zahl 0 (Null) auf. Das ist zwar keine natürliche Zahl, aber immerhin waren sie auf dem richtigen Weg. Beide! Das Experiment stammt aus einem kleinen Büchlein von Fredick Mosteller über „Statistische Herausforderungen“. Über die Hälfte seiner Probanten wählten hier die Zahl 1; weitere Favoriten waren die 3 und die 7.
Macht dieses Experiment mal mit eueren geliebten Ehefrauen. Je nachdem, wie lange ihr verheiratet seid, wählen sie entweder eueren Hochzeitstag oder ihren eigenen Geburtstag! Bestenfalls!
1. “Porto Carthago”
Bernd Eisenstein’s Neuentwicklung für Essen 2010 wurde einem erneuten Beta-Test, diesmal in einer 4er Runde unterworfen. Drei Spieler wußten schon, worum es ging und konnten ihr Augenmerk voll auf inneren Abhängigkeiten des Spielablaufs richten.
Wir sind Händler im Hafen von Karthago, kaufen verschiedene Waren, stapeln sie in unseren Lagerhäusern und Speichern, führen Schiffe fremder Kulturen zu unseren Anlegeplätzen, stillen deren Warenbedarf und werden dadurch reich. Doch nicht das meiste Geld bestimmt den Sieger, sondern der größte Einfluß im Königshaus. Regelmäßig müssen wir für unsere Clanmitglieder Plätze im Palast erwerben. Die ersten sind noch relativ billig, die letzten kosten schon 50 % mehr pro Stück. Rechtzeitig zufassen bringt Vorteile. Allerdings werden damit liquide Mittel gebunden, und Spielerpöppel einem anderweitigen Einsatz entzogen.
Fünf Runden dauert ein Spiel. Jeweils 5 Aktionen darf jeder Spieler darin ausführen. Startspieler wird, wer zu Beginn einer Runde die meisten freien Clanmitglieder aufweist. Damit ist zugleich auch das höchste Rundeneinkommen verbunden. Seine Pöppel auf möglichst kurzfristige Aktionen auszuschicken, so daß sie bei Rundenende wieder im Pool zur Verfügung stehen, bringt also Startvorteile und Zusatzeinkommen.
Der letzte innerhalb einer Zugreihenfolge kann am besten abwägen, wieviel Mitglieder er noch im Leuchtturm zur Hafeneinfahrt unterbringt. Wer hier die Mehrheit hat, kann einem beliebigen Schiff die Einfahrt in den Hafen verwehren und so einem Mitspieler einen potentiellen Kunden vermaseln. Dieser Einsatz muß zwar teuer bezahlt werden, zahlt sich in der Regel aber vielfältig aus. Die verschiedensten Vor- und Nachteile aller Aktionen scharf abzuwägen, ist die Herausforderung in “Porto Carthago”.
Günther war Neuling und Startspieler. Er allein konnte sich bei der Startaufstellung keine Ware ergattern, die an seinen Speicherplätzen im Hafen benötigt wurde. Regelbedingt waren alle seine Lagerplätze belegt, so daß er keine neue Ware vom Markt kaufen konnte. Durch die zufällige Verteilung der Aktionskarten hätte er seine Lagerplätze ausgerechnet nur dadurch erweitern können, wenn er eine Ware vom Markte gekauft hätte. Doch genau das konnte er ja nicht. Für diese Dead-lock-Situation gibt es natürlich Ersatzlösungen, doch Günther setzte auf Aussitzen. Leider war ihm Hermes, der Gott der Händler und Diebe, ihm diesmal nicht gewogen.
Sven fuhr die Leuchtturm-Strategie. Er leitete jeweils die ersten einfahrenden Schiffe auf seine Handelspätze und schickte potentielle Kunden seiner Mitspieler brutal in die Unterwelt. Auch bei den Privilegien erfolgreicher Schiffsladungen suche und fand er seinen maximalen Vorteil. Es reichte trotzdem nicht zum Sieg, weil das Zufallsangebot an Waren und Kunden einen seiner Speicherplätze von Anfang an im Stich ließ und er damit nutzlos Ressourcen vergeudete. Außerdem konnte er als Hafenmeister zufallsbedingt gerade seinen schärfsten Konkurrenten am wenigsten schädigen.
Sieger wurde Aaron, der den sparsamsten Pöppel-Einsatz verfolgte, sich im Hafen nur mit wohldosiertem Risiko engagierte und von Sven – wohlkalkuliert oder zufallsbedingt – nur am wenigsten geschädigt werden konnte.
„Irgendwie hat man immer zu wenige Aktionen!“ „Das Spiel hätte eine Runde länger dauern sollen!“ Das waren die üblichen Klagen der Nicht-Sieger. Ein deutlicher Hinweis auf ein kurzweilige, spannende Unterhaltung.
WPG-Wertung: In Günthers 7 Punkten, 1 Punkt weniger als unser bisheriger Schnitt, drückt sich gewiß auch ein gewisser Frust des Neulings aus.
2. “Hansa Teutonica”
Günther hält dieses neue Spiel vom Argentum-Verlag für einen heißen Kandidaten zum „Spiel des Jahres 2010“. In einem kybernetischen Räderwerk mit Pöppeln, Geldmitteln und Privilegien müssen wir unsere Aktionen, bestehend aus Einnahmen kassieren, Pöppel requirieren und setzen, Strecken bauen und Prämien kassieren, so einsetzen, daß wir besser punkten als unsere Mitspieler.
Mit manchen Aktionen erweiteren wir unseren Handlungsspielraum für zukünftige Entwicklungen, oder, alternativ dazu, kassieren wir Siegpunkte. Trivial ist, daß es in der Anfangsphase die Erweiterung des Handlungsspielraums am wichtigsten ist. Die hier gewonnenen zusätzlichen Freiheiten zahlen sich im weiteren Spielverlauf exponentiell aus. Deshalb ist der Run auf die ersten, eindeutig besten Zugmöglichkeiten unumgänglich. Und leider auch ein bißchen determiniert, d.h. einseitig.
Das Hantieren mit dem Spielmaterial hat eine ähnliche therapeutische Wirkung wie das Setzen von Go-Steinen oder das Bewegen der Kugeln einer Komboloi. Das ist doch immerhin etwas.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (wenigstens schnell, aber zu repetitiv), Günther: 8 (flüssig), Sven 4 (zu determiniert, zu billig in der Herausforderung), Walter: 7 (leicht und locker, das richtige Spiel für Willi’s Konsorten).
3. “Bluff”
Im ersten Spiel war Aaron im Nu ausgeschieden. Im zweiten Spiel stand er ebenso schnell mit 5:5 gegen Walter im Endspiel. Mit der taktisch richtigen Behandlung eines 5 mal die Fünf und 5 mal die Zwei konnte er als einer der seltenen absolut-ungeschorenen Sieger die Arena verlassen.
Frage an die Experten: Wie wäret ihr mit einem 5 mal die Zwei-Wurf im 5:1-Endspiel vorgegangen? Es gibt mehr als eine Lösung!
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

20.01.2010: Machtspiele in Karthago

Das Gros der Westparkgamers liebt Spiele mit wohlproportinierten, strategischen Herausforderungen, das Thema ist egal, die Komplexität darf unbegrenzt sein, die Hauptsache ist ein funktionierendes Regelwerk. Abweichend davon ist für Moritz das Thema das wichtigste Qualitätskriterium. Wenn es darum geht, die Geschichte des zweiten Weltkriegs neu zu schreiben oder sogar im dritten Weltkrieg (oder ist es schon der fünfte?) die Weltherrschaft zu erringen, dann dürfen die Regeln auch schon mal windschief sein.
Mit Sven, heute zum ersten Mal am Westpark dabei, hat er jetzt einen Kampfgenossen gefunden. Dessen Lieblingsspiel ist „Axis & Allies“. Er hat eine eigene Spielrunde, die sich fast wöchentlich dieses Spiel reinzieht. Am Westpark lag es noch nie (?) auf dem Tisch, noch keine Rezension, kein Report und keiner von Moritz’ Quickies kündigt davon. Doch es ist ein wesentlicher Bestandteil von Moritz’ Aura. Vielleicht kann er dazu jetzt bei Sven seine ungestillten Gelüste befriedigen.
1. “Porto Carthago”
Bernd Eisenstein hatte uns schon zu seinem “Peloppones” als Beta-Tester eingeladen. Für uns ist es immer eine besondere Freude, Spiele nicht nur zu kritisieren (wenn man sie nicht uneingeschränkt loben kann), sondern auch dabei zu sein, ihnen den letzten Feinschliff zu verpassen. Diesmal ist es seine Neuschöpfung “Porto Carthago”, die in diesem Jahr in Essen erscheinen soll, zu der er uns um unsere Meinung gefragt hat.
Das Thema ist der Seehandel um Carthago, der einmals mächtigsten Handelsstadt am Mittelmeer. Wir erwerben, transportieren und verschiffen die geforderten Waren über die Schiffe der verschiedenen Anrainerstaaten, die in unserem Hafen liegen. Oder wir charten selber Schiffe und bringen unsere Waren irgendwohin in die Welt, wo es ständig Abnehmer gibt.
Abgeschlossene Lieferungen bringen uns Geld und Privilegien ein, die wir in politischen Einfluß umsetzen, um uns damit bei Spielende zum Sieger zu machen. Es gibt sehr viele Rädchen im Regelwerk, die wir in unseren Handelsaktivitäten beachten müssen, wollen wir erfolgreicher sein als unsere Konkurrenten. Alle sind dabei wohlbalanciert, viele Wege führen nach Karthago, keiner davon ist alleinseligmachend. Aber alle sind anspruchsvoll. Und ein bißchen wohldosierter Zufall ist auch eingebaut. Damit neben dem Tüchtigste auch der Götterliebling eine Chance hat.
Trotz intensivster Suche, trotz explizitem Auftrag fanden wir kein Haar in der Suppe. Sogar die Spielzeit ist für ein strategisches Mehrpersonenspiel absolut passend. Einleitung, Detaildiskussionen und philosophische Grundsatzbetrachtungen kosteten eine Stunde. Nach einer weiteren Stunde war das Spiel über die Runde gebracht. Mit Spannung und offenem Ausgang bis zum Schluß.
WPG-Wertung (für die aktuelle Version): Aaron: 7, Sven: 9 (einschließlich Sieger-Euphorie), Walter: 8.
Hoffen wir, daß die Veröffentlichung in diesem Jahr wie geplant stattfinden wird.
2. “Macht$spiele”
Das Spiel ist mit Aarons Rezension für uns am Westpark eigentlich schon abgehakt. Doch Sven kannte es noch nicht, und nach Meinungen im Internet sollte es seine Qualitäten zu dritt am deutlichsten offenbaren. Die ehemaligen Industiemanager und die noch aktiven Werktätigen mit Einblick in die Machtstrukturen von (mitteleuropäischen) Unternehmen amüsieren sich über die Ironie, mit der Firmenpolitik im Regelwerk karikiert wird. Nicht allein die Unvermeidlichkeit und Honorabilität von Bestechung, auch andere gereimte Ungereimtheiten darf man sich auf der roten Zunge zergehen lassen. Abteilungen funktionieren nur mit Mitarbeitern, Hauptabteilungen auch ohne. Da deckt ein Chef den anderen.
Durch kosteneinsparende Maßnahmen der Geschäftsleitung sinkt ständig die Motivation der Mitarbeiter, doch die Bereichsleiter profitieren davon. Je tiefer die Motivation, desto wirksamer die Macht-Privilegien der Manager. Von den geschmierten Bereichsleitern erst recht.
Vor einer Woche wurden Bestechungen um jeden Preis angenommen, weil wir die negativen Begleiterscheinungen der Ehrbarkeit vermeiden wollten. Diesmal wurde fast jede Bestechung abgelehnt, weil die Chefs in anderen Kategorien ihr materielles Heil suchten.
Jeder verfolgte eine eigene Schiene. Daß er es kann, ist einer der Vorzüge des Spiele. Daß wir dies auch taten, ist einer der Vorzüge von uns! Oder die große Chance einer Dreierrunde.
WPG-Wertung: Sven konnte mit seinen 8 Punkten den bisherigen Durchschnitt nicht wesentlich verändern.
3. “Bluff”
Schnell noch als Absacker auf den Tisch gebracht. Im ersten Spiel demonstrierte Walter im Endspiel gegen Sven, wie wichtig gutes Nachwürfeln ist, im zweiten Spiel zog Aaron im 5:4 Endspiel gegen Walter Zug für Zug die Daumenschrauben enger. Bis zur bitteren Neige.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

13.01.2010: Machtspiele bei “Rise of Empires”

Aaron ist ein umwerfender Trouble-Shooter im Computerbereich. Besonders die Ehefrauen lechzen nach seinen Hilfestellungen. Auch meine. Heute war Moritz seine dran. Zur Belohnung erhielt er von ihr einen Bordeaux von Baron Philippe de Rothschild, den er auch gleich zum Westpark mitbrachte und dort kredenzte. Eine vorzügliche Beigabe zum ersten Spielabend im Neuen Jahr.
Wenn Ihr (oder Euere Ehefrauen) ebenfalls in Schwierigkeiten seid, kann ich Euch Aarons Kompetenz nur wärmstens empfehlen. Allerdings solltet Ihr dann ebenfalls einen Lafite Rothschild im Keller haben. Er kann ruhig vom letzten Jahrtausend sein.
1. “Rise of Empires”
Moritz hatte es mitgebracht. „Die Spielregeln kennst Du?“ wurde er gleich mißtrauisch gefragt. „Ich habe sie durchgelesen!“ „Bei mir gerade im Auto? Zu Hause hast Du doch Klavier gespielt!“ Wir wollen dem Wahrheitsgehalt dieser Aussagen nicht weiter auf den Grund gehen, Moritz ist in seinen Stegreiferklärungen ohnehin so gewandt, daß sie fast wie gründliche Vorbereitungen wirken.
Moritz hat zu diesem Spiel auch eine besondere Affinität. Erstens mag er grundsätzlich diese Genres; zweitens hat dieses Spiel eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Erstlingswerk „Das 20. Jahrhundert“, mit dem er (ohne seine Ehefrau) immer noch schwanger geht, und dem er gerade wieder ein paar neue Überarbeitungsideen einbringt. Und drittens zeichnet für beide Spiele Phalanx Games als Herausgeber.
„Rise of Empires“ besteht aus „Spielmaterial ohne Ende“. Um den Spielplan, der die Mittelmeerregionen darstellt, liegen schichtenweise epochale Plättchen für Städte, Landschaften, Fortschritte, Weltwunder und Eroberungen. Jeder Spieler bekommt haufenweise Volksgenossen und Aktionsmarker, Warenscheiben und Geld. Pro Halb-Epoche darf jeder Spieler sechs Aktionen durchführen: Städte kaufen, die in Siegpunkte umgesetzt werden, Landschaften kultivieren, die Geld, Nahrung und/oder weitere VGs liefern, Tauschgeschäfte tätigen (Warenscheiben in Geld oder Siegpunkte) oder Mehrheiten in Mittelmeerregionen bilden, die nach jeder Halbepoche Siegpunkte und VGs oder Warenscheiben abwerfen.
Das Regelheft ist dick und mühsam, besonders für Learning-by-Doing-Charaktere. Allein die Kurzfassung der Spielregeln umfaßt zwei dicht bedruckte Seiten. Mit Halb- oder Viertelwissen gingen wir das Spiel an und Moritz tröstete „Es wird alles klar werden!“ Doch wie kann man ohne Gesamtvision ein Optimierungsspiel anfangen, bei dem jeder Zug auf den anderen aufbaut, und bei dem falsche Entwicklungslinien später nicht mehr korrigiert werden können? Moritz tönte zwar sehr schnell: „Ich habe schon eine Strategie“, doch es hörte sich mehr an wie Pfeifen im Dunkeln.
Sehr pfiffig ist die Auswahl der Aktionen. In der Hin-Epoche legt jeder Spieler jeweils einen Aktionsmarker auf ein Tableau, in dem die unterschiedlichen Aktionen der Spieler festgehalten werden. In der Rückepoche nimmt er die Marker in einer ausgetüftelten Reihenfolge wieder auf, d.h. er muß a) die gleichen Aktionen ausführen wie in der Hinepoche, aber b) nahezu in umgekehrter Reihenfolge im Vergleich zu seinen Mitspielern. Bis wir hier den richtigen Peil haben und alle Seiteneffekte verstehen und berücksichtigen können, wird noch viel Wasser die Isar herunterfließen.
Eigenartig verläuft die Inbesitznahme der Regionen. Wer mit seiner Aktion eine Eroberung wählt, darf seine VGs auf ein bis drei Regionen verteilen und zusätzlich einige evtl. dort vorhanden VGs der Gegner vom Brett nehmen. Wer zuerst eine Region besetzt, hat natürlich den Nachteil, daß er mangels Masse noch keine Gegner vom Brett nehmen kann. Da aber das nachträgliche Betreten einer Region mit keinerlei Nachteilen, sondern nur mit dem Gegner-Entfernungsprivileg verbunden ist, ist der Erst-Betreter eine Region doch zweifellos der Dumme. Oder? Haben wir hier vielleicht irgend ein Regeldetail nicht richtig verstanden?
Moritz wagte sich tatsächlich als Erster an Land und besetzte mit je einem VG drei Regionen. Prompt zogen seine drei Konkurrenten nach, und gemäß dem Maximum-Damage-Prinzip beseitigte jeder einen von Moritz VGs, so daß nach einer Runde keiner seiner VGs mehr am Leben war. Moritz zog daraufhin nicht etwa den Mechanismen des Spiels in Zweifel, sondern nur die Logik seiner Mitspieler. Doch wenn es darum geht, einen Mitspieler zu schädigen oder nicht, nach welcher Logik sollte man dann auf das Schädigen verzichten? „Ich fühle mich auf jeden Fall noch ungerecht angegriffen.“
Nach einer Stunde Erklärung und weiteren anderthalb Stunden Spielen hatten wir die erste von drei Epochen absolviert. Die ersten zaghaften Anfragen zum Spielabbruch wurden gestellt. Eine Vertröstung auf die neuen Spielelemente in den nächsten Epochen konnte die Erwartungen nicht erfüllen. Die nächsten Plättchen brachten keine neue Qualität mit sich, sondern nur eine leicht gesteigerte Quantität innerhalb der Umtauschverhältnise. Das reichte nicht, um die Begeisterung auf ein Spielende bis weit nach Mitternacht aufrecht zu erhalten. Wir brachen ab.
Das Auswahlverfahren der verschiedenen Plättchen auf dem Spielbrett ist genauso „autistisch“ wie bei „Dominion“. Wer zu erst kommt, mahlt zu erst, das ist alles. Das einzige Element, wo deutlich Interaktion ins Spiel kommt, ist der Eroberungskampf auf den Regionen. Doch gerade hier scheinen die Mechanismen noch nicht ausgereift zu sein. Entschuldigung an den Autor Martin Wallace, falls uns hier unser erster Eindruck getäuscht haben sollte.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (viel zu viel Unnötiges), Günther: 5 (die Hälfte der Spielelemente hätte genügt) , Moritz: 7 (die Vielfalt gefällt mir eigentlich), Walter: 7 (mag das Ohne-Würfel-Prinzip).
Moritz schreibt eine Rezension.
2. “Macht$piele”
Im November zum ersten Mal gespielt, drängte Aaron auf eine Wiederholung, um seine geplante Rezension nochmals besser fundieren zu können. Wir arbeiten in einem großen Unternehmen und versuchen mit unseren Einflüssen die verschiedenen Unternehmensbereichen zu dominieren. Gründungen von Abteilungen und Hauptabteilungen, Personalmanagement aber auch simple Insidergeschäfte mit Aktien bringen uns vorwärts.
„Personal ist immer gut. Personal heißt Macht“ wurde Moritz als Neuling belehrt. Das gilt offensichtlich für die internen Diadochenkämpfe im Unternehmen. (In richtigen Leben können man beim externen Aktionsfeld der Unternehmen heutzutage ja eher auf das Gegenteil schließen.)
Bemerkenswert sind die Bestechungsregeln. Ohne zu bestechen und bestochen zu werden, kann man das Spiel nicht gewinnen. Wer eine Bestechung ablehnt, verliert nicht nur einen Einflußpunkt auf der Controlling-Skala, er muß auch noch einen Mitarbeiter entlassen. Walter wurde gleich zu Beginn auf seine Standfestigkeit geprüft. Doch sein Schock bei der Zwangsentlassung seines Mitarbeiters, mit der gleich eine ganze Abteilung über den Jordan ging, hatte ihn schnellstens geheilt. Anschließend nahm er mehr oder weniger blindlinks jede beliebige Bestechungssumme an, und von seinem Beispiel angesteckt hielten es alle anderen Spieler genauso. Diese Inflation an Bestechungswille sorgte dafür, daß generell nur noch niedrigste Summen angeboten wurden. Ist das im Sinne des Spieledesigns oder haben wir wieder ein Regeldetail zu eng (zu weit) ausgelegt?
Moritz nutzte sein Privileg, Mitarbeiter von seinen Konkurrenten abzuwerben, im Sinne eines erfahrenen Wargamers und hatte innerhalb weniger Runden satte Zweidrittel-Mehrheiten in fast allen Unternehmensbereichen. Allerdings münzte er diese Vorteile zu spät um in Punkte auf den verschiedenen Siegpunktskalen. Triviale Kapitaleinnahmen durch frühzeitigen Ankauf renditeträchtiger Aktien und nicht der organische Aufbau einer Hauptabteilung, sondern der simple Zukauf einer solchen gaben den Ausschlag zum Sieg im Sudden-Death. Diesmal nicht von Günther.
WPG-Wertung: Moritz siedelte seine 8 Punkte im oberen Bereich der Westparker an. „Das beste ’Eggert-Spiel’, das ich je gespielt habe!“
Aaron hat seine Rezension schon fast fertig. Er möchte sich verstärkt dem Thema Korruption innerhalb der Machtspiele zuwenden, ohne dabei irgendwelche Erfahrungen aus dem Hause Siemens einfließen zu lassen.

9.12.2009: “Assyria” mit kleinen Fehlern

Seit Aaron und Walter im Ruhestand sind, fängt unser Spielabend schon um 19 Uhr an. Dann muss sich Günther zwischen Büroschluß und Spielbeginn nicht so lange die Zeit in der Stadt herumtreiben. Die Künstler und Handwerker können ohnehin jederzeit den Löffel fallen lassen und sich in die Freizeit aufmachen.
Die jahrzehnte-lange Gewohnheit des 20 Uhr Spielbeginns geht allerdings nicht so leicht aus den Köpfen. Moritz war noch in der alten Schiene und ließ das restliche Trio eine geschlagene Stunde warten.
Natürlich kam auch in der Dreierrunde keine Langweile auf. Auch aus der Peripherie der Spielszene gibt es immer etwas zu diskutieren, z.B. die Lieblingsfarben. Michael, vor 2 Wochen noch Stargast, heute schon Stammspieler, liebt Gelb oder Schwarz, zur Not tut’s auch Weiß oder Orange. Auf keinen Fall darf es Lila sein. Rot ist eher peripher, “das will eh immer schon jemand haben.”
1. “Rumis”
Zum Warming-up, solange Moritz noch unter der Dusche stand. Die Farbe Lila aus dem Expansion-Set blieb verpönt. Michael setzte sich mit seinem Gelb gegen Günthers Standardfarbe durch, der sich dann mit Grün begnügte, Walter bekam sein traditionelles Rot.
Wir spielten drei Durchgänge, um aus der Summe der Siegpunkte einen Gesamtsieger zu bilden. Doch da die Spielbretter jedesmal unterschiedliche Größe hatten, ist die Summe kein “gerechtes” Maß für einen Gesamtsieg. Oder etwa doch? Trivialerweise wäre die Summe dann gerecht, wenn auf jedem Spielbrett der Startspieler keinen Vor- oder Nachteil hätte. Ist das der Fall? Ich weiß es nicht!
WPG-Wertung: Der WPG-Durchschnitt liegt bei 8 Punkten, Michael hat bei H@LL 9000 die Höchstzahl 6 von 6 Punkten vergeben. Entsprechend sollte der Wert jetzt bei uns um einen Viertel Punkt nach oben gerutscht sein.
2. “Egizia”
Expliziter Spielwunsch von Michael. Walter verriet ihm Moritz’ Präferenzen für Bausteine. Moritz dementierte so eifrig wie der Fuchs, dem die Trauben sauer vorkamen. Doch als Michael und Walter als Startspieler sofort diese Schiene verfolgten, waren die anderen permanent in Baustoffnot. Als Moritz erst in der letzte Runde endlich seine Gelüste auf Steine stillen konnte, reichte es nicht mehr zu einem ihm angemessenen Ergebnis.
Walter glaubte mit den ersten Bausteinen alle seinen Probleme gelöst zu haben, vor allem als er sich auch noch die Karte zulegen konnte, Bausteine in Korn zu verwandeln. Euphorisch warf er sich in die Unternehmerrolle und nutzte jede Gelegenheit, seine Belegschaft zu erweitern, ohne zu realisieren, daß sie ihm regelmäßig seinen Kornspeicher leerfraß und sich in ihrem Heißhunger auch noch über seine Steine hermachte. Mit einer solch eindimensionalen Betrachtung kann man “Egizia” nicht gewinnen. Ganz im Gegenteil.
Michael hatte selbst als Neuling sofort die prekäre Ernährungslage seiner Mitspieler erkannt und fand auch immer den peinlichen Zug, mit dem er die Ernten auf den Sandböden zunichte machte. Damit konnte er sogar seinen schärfsten Konkurrenten Günther ins Wanken bringen, und sich am Ende knapp mit einem Punkt Vorsprung durchsetzen.
Günther durfte natürlich darüber hadern, daß er a) nicht mit seiner Standardfarbe spielen durfte und b) durch ständige Farbverwechslungen wichtige Punkte verloren hatte. Vielleicht. Andernfalls wäre es ja a) entweder ein schlechtes Zeichen für den strategischen Charakter von “Egizia”, wenn ein Neuling so mir-nichts-dir-nichts gewinnen könnte oder b) ein gutes Zeichen für die strategische Genialität von Michael!
WPG-Wertung: Zu unserm WPG-Durchschnitt von fast 9 Punkten vergab Michael zunächst mal 6 Punkte. Die anderen waren sprachlos. “Zu viele Siegpunktquellen. Der Weg zum Sieg ist nicht klar genug vorhersehbar.” Kann das nicht auch ein Vorteil sein? Sind die vielen, sich im Laufe des Spiels auch noch steigernden Möglichkeiten zu Siegpunkten zu kommen, nicht auch ein Qualitätsmerkmal? Michael legte noch einen Punkt drauf. Garantiert ohne den geringsten Druck von seiten der “HiG-gesinnten” Westpark-Gamers.
3. “Assyria”
Das neueste Werk von Emanuele Ornella aus der Spieleschmiede Ystari Games. Eigentlich ein Garant für höchste Spielkultur. Michael erklärte anhand der deutschen Spielregel, Moritz verifizierte seine Aussagen anhand der englischen.

  • Auf Gemeinschaftsfeldern wird Landwirtschaft betrieben und die Spieler wählen in vorgegebener Reihenfolge die Felder aus, auf denen sie ernten wollen. Wer die schlechteste Ernte wählt, wird Startspieler.
  • Die Spieler erweitern ihr Siedlungsgebiet, indem sie Hütten auf benachbarte Felder in einem hexagonalen Spielbrett setzen. Jedes Spielfeld benötigt einen eigenen Nahrungstyp, der in der vorigen Phase geerntet werden mußte. Jede Hütte, die nicht ernährt werden kann, wird sofort wieder vom Spielbrett genommen.
    Man braucht erst gar nicht zu versuchen, für alle Hütten genügend Nahrung zu finden. Es ist vom Spieldesign her gar nicht gewollt. Fast wie Eintagfliegen entstehen pro Runde neue Hütten und vergehen die alten.
  • Je nach Lage und Struktur der übrig gebliebenen Hütten kassiert man nun Siegpunkte oder “Kamele”, die quasi als Leitwährung für die nachfolgenden Aktionen benutzt werden.
  • Mit Kamelwährung baut man neue oder erweitert vorhandene “Zikkurate” in seiner Siedlung, die später wieder zusätzliche Siegpunkt einbringen.
    und/oder
    Man kauft Nahrung, um in der nächsten Runde mehr Hütten behalten zu können.
    und/oder
    Man opfert ein bißchen den Göttern, damit die Zikkurate mit einem besseren Umrechungsfaktor in Siegpunkte umgerechnet werden.
    und/oder
    Man besticht Würdenträger, die dafür verschiedene Vorteile in Form von Siegpunkten, Nahrung oder Kamelen gewähren.
  • Bei den Details zu den Würdenträgern kam es zu Diskrepanzen. Michaels Spielerklärer in Essen hatte behauptet, daß eine Bestechung neutralisiert wird, nachdem der zugehörige Würdenträger den Vorteil gewährt hat. Wir suchten den entsprechenden Passus im deutschen Regelheft, fanden aber nichts. Mit gemischten Gefühlen setzte sich jetzt die Meinung durch, daß die Bestechung erhalten bleibt.
    Assyria- noch ist die Welt in Ordnung
    Günther setzte zielgerichtet auf diesen kumulativen Effekt, riß sich die Mehrheit der Würdenträger unter den Nagel, und heimste Vorteil für Vorteil dafür ein. Dann entdeckte Moritz in der englischen Fassung, daß die Bestechung in der obersten Ebene der Würdenträge nach der Vorteilsnahme zurückgesetzt wird. Für einen halbwegs ausbalancierten Ablauf muß dies auch so sein, denn ohne dieses Rücksetzen hätte Günther in den letzten zwei Epochen noch ca. 40 Siegpunkte bekommen, ohne auch nur einen einzigen Finger krumm machen zu müssen. Günther wollte diese Wende in der Regelinterpretation nicht hinnehmen, schließlich hatte er sich ja ganz bewußt für diese Spielweise entschieden und dafür andere Möglichkeiten ausgelassen. Wie sollten wir unsere graviernde Fehlinterpretation korrigieren? Abbrechen und neu anfangen? Dafür war es kurz vor Mitternacht schon zu spät. Als Kompromiß brauchte Günther nur die Hälfte seiner Bestechungen zu neutralisieren, und die Züge der letzten Runde wurden komplett zurückgenommen und durften neu gesetzt werden.
    Dann fanden wir auch in der deutschen Spielregel den Passung mit dem Zurücknehmen der Bestechung, und zwar nicht nur für die Würdenträger der obersten Ebene, sondern für alle Ebenen. Deutliches Abweichen der deutschen und englischen Textfassungen. Eindeutig zu sehr versteckte Beschreibung eines ganz entscheidenden Regeldetails. Wir brachen ab.
    Die theoretische Diskussion, ob die verschiedenen Möglichkeiten, in “Assyria“ zu Siegpunkten zu kommen, ausbalanciert sind, führte von einem anfänglichen klaren Verneinen zu einem späteren “Vielleicht doch“.
    WPG-Wertung: Walter vergibt 7 Punkte für ein funktionierendes Aufbauspiel. Günther, Michael und Moritz sahen sich nach unserm Spiel mit den Regelunklarheiten dazu noch außerstande.
    4. “Flaschenteufel”
    Michael war bisher noch kein Fan dieses bei uns sehr geschätzten Absackerspiels. Für brave Stichkartenspieler ist es etwas verquer, daß in der einen Situation die höchste-hohe Karte und in einer anderen Situation die höchste-niedrigere Karte sticht. Doch er machte Fortschritte. Nach einigen Bauchlandungen hätte er unserem Seriensieger noch fast das Fürchten beibringen können. Fast.
    Michael vergibt 6 Punkte, “mit Potential nach oben”.

    02.12.2009: Getreues Albion und perfide Wertungen

    “Wenn ich ein wenig Geld habe, kaufe ich mir Spiele, und wenn mir dann noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung” (Erasmus von Rotterdam, leicht variiert).

    1. “Albion”
    Albion
    Ältere Semester assoziieren mit “Albion” noch die Eigenschaft “perfide”. Bei Wikipedia kann man nachlesen, warum. Doch die Bezeichnung wurde schon von Ptolemaeus geprägt und bezieht sich schlichtweg auf das Gebiet des heutigen England (einschließlich Wales).
    Wir sind römische Siedler und müssen die Insel von unseren Basislagern an der Kanalküste ausgehend besetzen. Wir lassen unsere Siedler in das Landesinnere marschieren, bauen Kastelle und Siedlungen, und erschließen Rohstoffquellen (Fisch, Holz, Stein und Gold). Die Rohstoffe benötigen wir zum Bauen, durch das Bauen erhalten wir mehr Bewegungsfreiheit für unsere Siedler und Legionäre, größere Verteidungskraft oder reichere Rohstoffquellen. Verteidigung brauchen wir, um uns gegen die Pikten zu wehren, die in immer größeren Mengen auftauchen und unsere Bauwerke zerstören, wenn wir vorher nicht genügend Verteidigungspotential zusammengetragen haben. Ein rechtes Aufbauspiel ohne Würfel und Zufallseinfluß.
    Beim Vordringen nach Norden stehen wir im Wettlauf mit unseren Mitspielern: Wenn wir in einem Gebiet bauen wollen, wo sie sich bereits festgesetzt haben, müssen wir ihnen Tribut zahlen. Um die Siegbedingung zu erfüllen, müssen wir uns fast in jedem Gebiet niedergelassen haben, wir können die Gebiete unserer Mitspieler also gar nicht meiden. Tributzahlungen sind fast alltäglich. Sie sind nicht hoch, aber wer gönnt seinem Konkurrenten schon freiwillig einen Fisch. Also möchten wir überall gerne selber die ersten sein. Doch das bleibt natürlich ein unerfüllbarer Wunschtraum.
    Zwangsweise müssen wir unsere Züge in die verschiedenen notwendigen Entwicklungsrichtungen verpulvern, und oft stehen wir dabei unschlüssig vor trivialen Alternativen, z.B.

  • Erst unsere Rohstoffquellen nutzen und dann damit weitere Rohstoffquellen erschließen, oder umgekehrt.
  • Erst ein Kastell auf ungefährdetem Gebiet bauen und dann in Innere vordingen, oder erst mit einem gewissen Risiko ins Innnere vordringen und dann dort ein Kastell bauen, das später in bezug auf weitere Besiedelung Bewegungsvorteile mit sich bringt.
  • Erst eine Siedlung errichten oder ausbauen, um von den Mitspielern Tribut zu kassieren, allerdings mit dem Risiko, dass sie von den Pikten zerstört wird, oder erst die Verteidung sichern, dafür aber die Mitspieler vorbeiziehen zu lassen und im Endeffekt Tribut zahlen zu müssen anstelle selber Tribut zu kassieren.
  • Wir gingen alle sehr vorsichtig ans Werk. Verteidigung wurde groß geschrieben. Nur Hans ging bewußt das Pikten-Risiko ein, und ist dabei mehrmals nur haarscharf von herben Verlusten verschont geblieben: die zufällig aufgedeckten Ureinwohner waren alle friedlich. Nur deshalb reichte es für ihn zum Sieg, im Tiebreak gegen Günther.
    An allen Ecken und Enden wurde Interaktion vermißt. Alle Spieler stehen vor der gleichen Aufgabe, die symmetrischen Vorgaben führen zwangsläufig zu gleichförmigen Entwicklungslinien. Wer sich über seinen eigenen Fortschritt freut, ohne dabei der Konkurrenz Knüppel zwischen die Beine werfen zu wollen, ist mit “Albion” gut bedient. Es ist garantiert ein vorzügliches Solitärspiel und vielleicht macht in einem Zweierspiel sogar das systemmatische Erarbeiten von minimalen Vorteilen bis zum Niederringen des Gegners einigermaßen Spaß.
    In einer Viererrunde ist diese Möglichkeit zum konsequenten Ausbau einer vorteilhaften Stellung eher von Nachteil. Das Entwicklungstempo wächst, aber die strategischen Herausforderungen nicht. Gar nicht. Wer irgendwann einmal leicht geschwächelt hat und bis zum Mittelspiel ins Hintertreffen geraten ist, kann einen späteren Sieg abschreiben, er trottelt bis zum Ende hinterher. Ja es bleiben ihm nicht einmal Nadelstiche, mit denen er seine Mitspieler – zu seiner eigenen Ermunterung – ab und zu mal ärgern kann.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (langweiliges Wettrennen ohne Interaktion, da hat schon wieder Willis Tuning gefehlt), Günther: 6 (wurde von 7 Punkten runterargumentiert, für ihn braucht ein Spiel nicht „rabiat“ zu sein), Hans: 6 (braucht ebenfalls keine Aggressivität; als Aufbauspiel hat es Spaß gemacht), Walter: 6 (ebenfalls von Aaron runterdiskutiert).

    2. “Ra – The Dice Game”
    Ra - The Dice Game
    “Hast Du noch so’n Brüller?” fragte Aaron. Günther war leicht indigniert. Hatte er doch schon die Essen-Erwerbung „Albion“ aus seiner großen grünen Spieltasche hervorgeholt. “Ich spiele jedes Spiel mindestens einmal.” Rechtfertigte er sich. „Es soll ja Kollegen geben, die manche gekauften Spiele überhaupt nicht spielen.“ Es war nicht klar, gegen wen diese Aussage gemünzt war. Wenn wir wenigstens eine Rezension darüber schreiben, dann hat sich die Investition doch schon gelohnt, da braucht man das Spiel ja nicht gespielt zu haben …
    “Ra” ist so ein Spiel, bei dem Walter bereits nach Günthers vorzüglichem Regelvortrag eine Rezension hätte schreiben können oder wollen: einen Verriß. Super Spielmaterial: 5 Würfel. Hexagon-Würfel. Jeder würfelt wie bei Kniffel mit allen 5 Würfeln, darf zweimal nachwürfeln und das Ergebnis nach einem Ra[ch]istischen Spielbrettschema einordnen und kummulieren. Und damit man seine tausendjährigen Würfelgewohnheiten gleich über den Haufen werfen kann, wurden die Zahlen 1 bis 6 durch Symbole ersetzt.
    Jedes geworfene Sonnensymbol „Ra“ ist sofort verloren und muß in der Ra-Reihe abgelegt werden, Jede “Pharaomütze” oder jedes “Schiff” bringt uns auf der Pharo/Schiff-Reihe vorwärts, wo einmal Relativ-Positionen gegenüber den Mitspielern und einmal Absolut-Fortschritte vom Startfeld aus gesehen in Siegpunkte umgerechnet werden. Jede „Pyramide“ darf in einem Zeilen-Spalten-Muster abgelegt werden, woraus bestimmte Kombinationen bei Spielende mit progressiv wachsenden Siegpunkten honoriert werden. Von „Sklaven“ benötigt man schon mindestens 3 aus 5, um sie siegpunktträchtig ablegen zu können; hat man nur 2 davon, sind sie ersatzlos verloren. Dafür gibt es dann auch noch die „Joker“, die als jedes beliebiges Symbol eingesetzt werden können und die Erreichbarkeit hoher Mindestquoten erleichtern.
    Wie die verschiedenen Würfelergebnisse kummuliert und in 2 Zwischenwertungen und einer Entwertung in Siegpunkte umgerechnet werden, ist Schwarz auf Weiß in einer einfachen Tabelle beschrieben. Doch welche Kombinationen besonders lukrativ sind, auf welche man “hinarbeiten” soll (sofern man mit Würfeln überhaupt gezielt arbeiten kann), welchen Erwartungswert a) ein einzelnes Würfelergebnis und b) die gesamten kummulativ eingetragenen Würfelergebnisse eines “Ra”-Spieler mit sich bringen, das ist natürlich unbekannt. Selbst unser Chef-Statistiker Günther wird in dazu in den nächsten Jahrzehnten keine brauchbare Tabelle erarbeiten. Wollen wir wetten?
    Wer an Würfelspielen Spaß hat, bekommt mit “Ra” einen neuen Zeitvertreib. Ihm wird dann vielleicht auch nicht auffallen, daß nicht einmal die Startspielerproblematik gelöst ist. Wenn eine festgelegte Anzahl Sonnen geworfen wurden, ist das Spiel schlagartig zu Ende, unabhängig davon, ob alle Spieler gleich oft an der Reihe waren. Dass dies gerade bei kummulativen Wertungen unbefriedigend ist, wo ein einziger zusätzlicher guter Würfel leicht 5 Punkte wert sein kann, stört doch keinen großen Geist!
    Günther verteidigte “Ra” verhement als klassisches Nullsummenspiel. Für Walter war es eher in der Summe ein klassisches Nullspiel. Aaron fand es bemerkenswert, daß das Spiel von einem diplomierten Mathematiker erfunden wurde, dem Altmeister Reiner Knizia. Dem hielt Walter entgegen: “Der hat schon längst einen Ghostwriter, der ihm seine Spiele schreibt. Er gibt nur noch seinen Namen her!” Hans würde aus “Ra” gerne die Schachspieler-Effekte herausarbeiten. Muß dazu aber noch bis zu seiner Rente warten. Mindestens.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (obwohl er nicht das Gefühl hatte, etwas steuern zu können), Günther 7 (lockeres Würfelspiel), Hans: 3 (primitiver Würfelmechanismus mit komplexer Wertung), Walter: 2 (tut mir leid, ihr lockeren Würfler, ich mag hier schon das Prinzip nicht).

    3. “Fzzzt!”
    Walter war strikt dagegen, aber sein Einspruch wird offensichtlich nicht für ernst genommen. Aaron durfte Hans die Regeln erklären, und nach seinen zwei vorhergegangenen Generalproben machte er das vorzüglich. Als er fertig war, kommentierte Hans: „Hübsch! Gefällt mir soweit!“ – Als wir seinerzeit soweit waren, haben wir das auch noch gesagt. Inzwischen hat sich die Benotung bei 5 Punkten eingependelt. Hans machte einen gewaltigen Ausreißer.
    WPG-Wertung: Hans: 8 (niedlich, locker und gut).
    Lieber Herr Blaumeise,
    Hans war heute auch bei „Startspieler“ nicht so kritisch wie wir anderen. Mehr als 5 Punkte würde er für dieses Kartendeck geben. Solche Sprüche wie: „Wer den coolsten hat, darf anfangen“ haben ihn einfach überzeugt.

    4. “Bluff”
    Erstmals spielten wir mit der „Anderschschen Warmduscherregel“ (siehe Session-Report vom 23.11.2009). Als Günther vor der Alternative stand, mit Risiko zwei Würfel (relativ) zu verlieren oder ohne Risiko einen, fand er diese Situation „doof“. Dabei ähnelt die doch schon ganz schön stark einem Nullsummenspiel!
    Im zweiten Durchgang spielten wir wieder nach Standard. Im Nu bekam er die Gelegenheit, diese unsere 180° Wende zu bedauern.
    Noch eine Knobelei für Logiker am Ende:
    Aaron stand mit 2:1 gegen Hans im Endspiel. Er legte 1 mal die Vier vor, Hans hob auf 1 mal die Fünf, Aaron auf 1 mal Stern, Hans auf 2 mal Eins und Aaron auf 2 mal Zwei. Hinterher diskutierten wir noch lange über die Fehler, die jeder innerhalb dieser Folge gemacht hatte. Schon die Vorgabe 1 mal die Vier war problematisch!
    Frage: Wer hat gewonnen und was hatte jeder von ihnen unter seinem Würfelbecher???
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    cum-mulis

    23.11.2009: Spielen mit Michael

    Michael Andersch, Profi-Kritiker von “H@LL 9000” war heute unser Ehrengast. Auf der Internet-Seite “www.hall9000.de” findet man von ihm aktuell 795 Spiel-Bewertungen. Wie hat er das nur in seinen noch jungen Jahren geschafft? Ganz einfach: Dreimal die Woche spielen: in einem Brettspiel-Verein, mit seiner nicht-spiel-abgeneigten Ehefrau und in seinem Bekanntenkreis. Es ist seine liebste Freitzeitbeschäftigung.
    Damit er für das Brüten über “Agricola” und “Il Principe” aber immer einen klaren Kopf hat, radelt er stundenlang durch die Gegend. Das kostet sogar den größten Anteil seiner Freizeit. Sein meistes Geld hingegen investiert er in Lego-Technik. Seine ferngesteuerten Tieflader und andere Lego-Creationen sind auch auf YouTube zu bewundern. Sucht nur danach!Spielen mit Michael
    1. “Machtspiele”
    In einem großen Unternehmen ziehen wir die Fäden im Hintergrund. Wir setzen Mitarbeiter ein und entlassen sie wieder. Wir bilden Abteilungen und Hauptabteilungen und strukturieren sie um. Wir reißen uns die Geschäftsbereiche Personal, Entwicklung, Buchhaltung und Kommunikation u.a. unter den Nagel, bringen unsere leitenden Angestellten in den Vorstand und wenn’s hoch kommt, machen wir einen davon zum Boss.
    Jeder Bereich, den wir kontrollieren, gibt uns Vorteile für unsere weiteren Aktionen. Wir punkten in den Kompetenzbereichen Einfluß, Aktien, Hauptabteilungen, Erfahrung und Korruption.
    Apropos Korruption: Sie ist keineswegs so verpönt, wie man das heutzutage von offiziöser Seite her manchmal liest. Wer sie iniitiiert, bekommt Pluspunkte, wer sie annimmt auch. Nur wer sie ablehnt, weil die gebotene Summe zu gering ist (oder weil er ein Ehrenmann bleiben will), wird bestaft: Er muß einen seiner Mitarbeiter entlassen. Wer kann da schon aus gewissen Gründen ein bißchen Bestechungsgeld ablehnen?
    Die Mitarbeitermotivation ist ständig am Sinken. Dafür gibt es vielerlei Gründe. Wie kann man auch nur den Aufenthaltsraum in den Keller verlegen? Bei niederiger Motivation sind unsere Kompetenzen besonders gefragt. Jetzt können wir mit unseren Kunststückchen das Management beeindrucken, und entsprechende Sonderprämien auf unser Konto buchen.
    Dabei fordern die “Machtspiele” aber einen klaren Plan. Wer auf jeden Pluspunkt in jeglichem Unternehmensbereich schielt, kann die Siegpunkt-Bedinungen leicht aus dem Auge verlieren. Konzentration auf wenige Bereiche, in denen man am schnellsten die geforderte Grenze überschreiten kann, ist unbedingt zum Sieg erforderlich, und der Schlüssel dazu ist die Kontrolle der Kommunikation. Fast wia im richtigen Leben.
    WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 7, Michael: 6 (im ersten Überschwang eine “klassische” 7, dann Reduktion wegen der Spieldauer, Walter: 8 (viele kreative Handlungsoptionen).
    Aaron oder Walter schreiben eine Rezension.
    2. “Zapadákov” bzw. “Nowheresville”
    Michael hat es aus Essen mitgebracht, weil die ungewöhnliche Aufmachung neugierig machte. Jeder Spieler führt zunächst einen “Banditen”, mit dem er die lokale Bank, die Postkutsche oder die Eisenbahn überfällt, und sich daran bereichert. Wieviel er dabei jeweils erbeutet, ist zufallsabhängig, nur die Anzahl der zu erbeutenden Scheine ist sichtbar, nicht ihr Wert.
    Für einen erfolgreichen Überfall benötigt der Bandit eine Mindeststärke, die durch zufällig gezogene Stärkekarten bestimmt wird. Den Rest zwischen aktueller Stärke und benötigter Stärke kann der Spieler versuchen, durch einen guten Würfelwurf zu erzielen.
    Wollen zwei Spieler mit ihren Banditen gleichzeitig das gleiche Objekt überfallen, dient als Tie-Break ein Geschicklichkeitswurf auf eine Zielscheibe. Wer eine Scheibe am nächsten in die Mitte wirft, fällt über, der andere fällt aus. Dieser Herausforderungswechsel vom Spiritus der Spielers an ihre Physis ist immerhin eine bemerkenswerte Erfindung in “Nowheresville”.
    Als Alternative zur Geldbeute wird das Gefängnis angeboten. Wer hier mit der entsprechenden Stärke plus ergänzendem Würfelwurf auftaucht, kann einen Banditen befreien und zieht jetzt mit zwei Banditen auf Raub aus.
    Claro, wer als erster die richtigen Stärkekarten zieht, um einen Überfall auf das Gefängnis verüben zu können, kann als erster zwei Banditen für sich arbeiten lassen und dementsprechend doppelt kassieren. Und sich natürlich auch schneller einen dritten und vierten Banditen-Mitarbeiter zulegen. Gegen dieses exponentiale Davonziehen des glücklichen Banditenführers ist kein Kraut gewachsen. Leider auch keines, das “Zapadákov” zu einem ausbalancierten reifen Spiel macht. Wir brachen ab.
    Michaels positivistische Formulierung für diese Art von Spielen: “Wieder ein Spiel, das nicht im Schrank herumliegen muß!”
    Zunächst keine WPG-Wertung: Walter vergibt nachträglich 2 Punkte.
    3. “Bluff”
    Michael brachte zwei neue Varianten mit:

    1. Alternative zur Warmduscher-Variante.
      Wenn die Vorgabe angezweifelt wird und die Würfel stimmen genau mit der Vorgabe überein, geben nicht alle Spieler (außer dem Vorgeber) einen Würfel ab, sondern nur der Anzweifler gibt einen Würfel ab, und zwar nicht in die Schachtel zurück, sondern an den Spieler, der die genau richtige Vorgabe gemacht hat.
      Vorteil: Die “unschuldigen” Spieler werden nicht mit ins Unglück gerissen.
      Nachteil: Die Spieldauer für das super kurzweilige Bluff kann sich verlängern. Worunter besonders diejenigen Spieler leiden, die frühzeitig ausgeschieden sind.
    2. Neues Zählsystem
      Es wird nicht bis zum Endspiel ausgespielt, sondern nur bis die Hälfte der Würfel abgegeben wurden. Dann bekommen alle Spieler soviele Pluspunkte, wie sie noch Würfel besitzen.
      Diese Punkte werden über eine Reihe von Durchgängen addiert und bestimmen zum Schluß den Sieger.
      Vorteil: Es gibt nur einen einzigen Sieger.
      Nachteil: Es gibt nur einen einmaligen Sieger.

    18.11.2009: Peloponnes versus Egizia

    Rotwein am WestparkWer diesen Session-Report liest, hat schon gemerkt, daß sich Aufmachung und Technik dafür geändert haben. Die bisherige Methode war ausgereizt, der verfügbare Speicher ausgeschöpft und die Möglichkeiten für die Text-Gestaltung recht begrenzt.
    Mit dem neuen System:

    1. kann jeder Berichtersteller während der Erstellung Bilder oder andere Medien in seinen Bericht einfügen;
    2. gibt ein verbessertes Kommentarsystem, bei dem nur der erste Kommentar eines Schreibers authorisiert werden muss, alle weiteren sind dann unmoderiert;
    3. sind Trackbacks und Kommentarverlinkung erlaubt und es werden passende RSS-Files erstellt. (Wofür unser Administrator die dann einsetzen wird, ist er noch am Überlegen. Was das überhaupt ist, kann ich nicht sagen, ich verstehe nix davon.)
    4. kann man nach beliebigen Zeichenfolgen suchen. Dabei werden alle Session-Reports aller WPG-Zeiten durchsucht. Ich hab’s gerade ausprobiert. „Weihnachtsmann“ kommt überhaupt nicht vor, aber immerhin einmal ein „Engelchen“! Wer vor fünf Jahren war wohl damit gemeint?

    Liebe Leser, ob es Euch gefällt oder nicht, zurückgerudert wird nicht mehr. Dafür hat Aaron viel zu viele Tage mit Forschen, Programmieren, Testen und Migrieren geopfert. Aber wenn Ihr wollt, könnt Ihr uns mitteilen, welche Bilder Euch in unseren bisherigen „Blei-Wüsten“ abgegangen sind und welche Ihr gerne drin hättet. Wir werden Euren Wünschen nach Möglichkeit gerne nachkommen.
    1. “Peloponnes”
    2009 in Essen herausgekommen. Wir Westpark-Gamers haben als Beta-Tester zum letzten Schliff beitragen können, doch die jetzige Produktionsfassung war für uns von Aufmachung und finalen Details her noch unbekannt.
    Walter hatte sich in das Regelheft eingearbeitet und durfte vortragen, natürlich unterbrochen von Fragen zu Logik und Strategie und zuweilen angezweifelt von den Besserwissen der Testversion. Am Ende kam aus Peters Mund der Kommentar: „Du hast in deinem ganzen Leben noch nie so gut erklärt.“ Skeptische Rückfrage von Günther: „War das jetzt eine Kritik oder ein Lob?“ Die Aufklärung blieb offen.
    Wir repräsentieren Zivilisationen auf der Peloponnes und versuchen, unsere Regionen besser zu entwickeln als unsere Mitspieler. Wir ersteigern Gebäude- und Landschaftsplättchen, die unsere Bevölkerung wachsen lassen, Reserven an Nahrungsmitteln und Baumaterial aufstocken, und unsere liquiden Geldmittel für die nächsten Versteigerungsaktionen wachsen lassen.
    Bemerkenswert und sehr gelungen ist der Verdrängungswettbewerb beim Versteigern. Wieviele Spieler, soviele Nutzplättchen liegen pro Runde zur Versteigerung aus. Jedes Plättchen besitzt einen Mindestwert, der geboten werden muß, jeder Spieler darf nur einmal einen beliebigen Betrag bieten. Wird für das gleiche Plättchen ein höherer Betrag geboten, muß der Spieler unverzüglich abziehen. Er darf sich ein anderes Plättchen aussuchen, muß dabei aber den Mindestwert beachten. Gibt es für die gebotene Erstsumme kein freies Plättchen mehr, so geht der Spieler leer aus, d.h. er bekommt gerade noch eine kleine Entschädigung für seinen Zug, sonst aber nichts.
    Dieser Verdrängungsmechanismus ist das Herzstück des Spieles und erzeugt oft schallendes Gelächter, meist aus Schadenfreude, weil einem Mitspieler beim Versteigern das anvisierte Plättchen durch die Lappen gegangen ist. Und Schadenfreude, vor allem im Verhältnis alle gegen einen ist in jedem Fall ein positives Design-Element. Peter, der durch die Sommer-Neuheiten auf unserem Spieltisch keineswegs verwöhnt war, konnte recht schnell ausrufen: „Ich bin zum ersten Mal zufrieden mit einem Spiel!“ – Na ja, so gut ist sein Gedächtnis auch nicht mehr.
    Beim Auslegen der zur Versteierung anstehenden Nutzplättchen, die mit umfangreichen Piktogrammen zu ihrer Funktionalität ausgeschmückt sind, gab es erstmals richtige Rangeleien um den Orientierungssinn. Peter wollte, daß die Schriftzeichen und Zahlen von seiner Seite aus zu lesen seien, Aaron gestand zu, daß sie abwechselnd von Peters und von seiner Seite aus zu lesen seien. Loredana hatte keine Schwierigkeiten, die Piktogramme auf dem Kopf zu lesen, aber sie plädierte für Konstanz und war dagegen, sie immer abwechselnd einmal auf dem Kopf und einmal richtig herum zu lesen. Günther erfand eine um 90 Grad gedehte Alternative, die eindeutig seinen Blickwinkel bevorzugt hätte. Peter sah seine Felle davonschwimmen und wollte dann am liebsten niemandem etwas gönnen, also 180 Grad gegenüber Günthers Optimallage. Walter als Frauenversteher schlug sich auf Loredanas Seite, und das gab den Ausschlag. (Frage an die Internen: Welche beiden WPGler hatten diesmal die Sitzplätze getauscht?)
    Die Entwicklung verläuft in der „Peloponnes“ keinesweg linear aufsteigend. Wie im richtigen Leben brechen in unregelmäßigen Zeitabständen Katastrophen über uns herein, und unweigerlich müssen wir dabei Federn lassen: wir verlieren Bevölkerung, Nahrung oder andere Ressourcen. Als Günther durch die „Verfalls“-Katastrophe alle seine Luxusgüter verlor, frohlockte Peter: „Welch eine Freude, daß es Günther getroffen hat.“ „Wieso ich“, tönte Günther zurück, „ich bin doch gar nicht vorne.“ „Das ist ja die Freude daran!“ – So schlecht ist Günthers Image bereits als Immer-Sieger.
    Diesmal konnte Aaron sein Schiffchen sicher durch die Stürme des Schicksals lenken und allen Anfeindungen seiner Mitspieler trotzen. In einer ausgewogenen Mischung aus Population und Machtpunkten zog er allen anderen weit davon.
    WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 7 („ 7 Punkte bedeuten schon ein Superspiel“), Loredana: 8 („nicht langweilig“), Peter: 7 (macht Spaß, vermißt Willi’s Feintuning), Walter: 9 (vermißt Willi’s Feintuning NICHT)
    Walter schreibt eine Rezension.

    2. “Egizia”
    Von Peter schon im Vorfeld auf der Wunschliste für den heutigen Tag, doch das Spiel geht nur maximal bis 4 Mitspieler. Der Gastgeber verzichtete freiwillig auf eine eigene Rolle und durfte dafür mit Loredana eine Tisch- und Brett-Gemeinschaft eingehen. Erfolgreich, hinter dem Immer-Sieger Günther belegten sie den zweiten Platz.
    WPG-Wertung: Loredana mit 10 („hat mir gefallen, hab’ schon lange keine 10 Punkte vergeben“) und Peter 8 („intelligent, aber (?) mit Glückselementen) blieben mit ihrer Punktvergabe im Durchschnitt beim Durchschnitt.
    3. “Bluff”
    Aaron konnte ein 2:4-Endspiel gegen Walter noch zu seinen Gunsten drehen.
    Im zweiten Endspiel ging es mit 3:3 – Würfeln gegen Günther. Den Vorgaben zu schließen hatte jeder jede Menge Zweier und/oder Sterne unter dem Becher. Nach dem Gebot von 5 mal Zwei durch Günther ging Aaron auf 3 mal Stern. Was hättet Ihr jetzt wohl an Günther’s Stelle mit 2 Zweien und 1 Stern unter dem Becher geboten?
    Anzweifeln wäre richtig gewesen, doch Günther hob auf 6 mal die Zwei und das war bei Aaron’s Wurf von Zwei, Drei und Stern genau 1 zuviel. Von da an ging’s bergab.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    11.11.2009: Sumeria vor den Toren der Welt

    Nie mehr Streit darum, wer anfängt. Das verspricht Ted Alspach mit einer speziellen Erfindung: Ein Kartendeck namens “Startspieler”. Man zieht daraus blind eine Karte, und diese enthält dann eine Anweisung, wer Startspieler wird. Z.B.: “Startspieler wird, wer die größten Hände hat.” Oder “Startspieler ist, wer als nächstes Geburtstag hat”.
    Nach den “exakten Berechnungen” des Verlages BeWitched-Spiele “könnten jedes Jahr 2,5 Millionen Spiele mehr gespielt werden, wenn es nicht so lange dauern würde, einen Startspieler zu bestimmen. Sie behaupten sogar noch ganz kühn: “Wir haben das Problem gelöst.”
    Natürlich ist das Ganze nur ein Scherz, doch mit erheblichem Ärgerpotential. Einem redlichen Mensch dreht sich nämlich – wie im richtigen Leben – der Magen rum, wenn lauthals Problemlösungen versprochen werden, die keine sind. Wenn eine Startspieler-Bestimmung z.B. lautet: “Startspieler wird, wer seine Augen am längsten geschlossen hält”, dann frage ich mich doch ernsthaft, ob mit solchen Vorschrifen nicht nur 2,5 Millionen Spiele nicht mehr gespielt werden, sondern gleich 2,5 Milliarden. Ein rechter Scheiß!
    1. “Sumeria”
    Startspieler wurde, wer zuletzt Tomatensaft getrunken hat. Das war zunächst nicht so leicht zu ermitteln, und damit hätte schon fast der Abend draufgehen können. Da aber der Hausherr heute Tomaten zum Abendbrot verspeist hatte, wurde diese Behauptung a) geglaubt und b) als Ersatzlösung angenommen. Wahrlich, der “Startspieler” ist schon ein rechter Quadrat-Scheiß!
    In “Sumeria” gibt es auf einer fiktiven Landkarte des Zweistromlandes 8 Regionen, die zu Spielbeginn in eine willkürliche Rangfolge gebracht werden. Jeder Spieler darf jetzt pro Zug “Händler” in Städte und Dörfer der Region placieren, und damit die ursprüngliche Rangfolge ändern. Kommt in eine Region ein zusätzlicher Händler, so steigt die Region in der Rangfolge um einen Platz nach oben. Nimmt man einen Händler aus einer Region heraus, so fällt die Region entsprechend herab. In festen Runden-Abständen werden die führenden drei Regionen gewertet. Wer hier die meisten Händler hat, darf sich ein oder zwei Bonuskärtchen nehmen. Wer die zweitmeisten Händler hat, bekommt meist auch noch ein Bonuskärtchen, alle anderen Spieler gehen leer aus.
    Die erworbenen Bonuskärtchen werden am Spielende nach einer quadratischen Summenformel in Siegpunkte umgerechnet. Es kommt nicht allein darauf an, die absolut meisten Kärtchen zu haben, sondern möglichst viele von der gleichen Sorte. Und dazu muß man zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Regionen die meisten Händler placiert haben.
    In “Sumeria” läuft ein hübscher Verschiebungsmechanismus auf der Rangfolge-Skala ab. Der Besitzstand der Mitspieler muß genau beobachtet und die freien Dörfer in den Regionen müssen scharf analysiert werden, um die führenden Regionen und ihr Rangfolge-Potential zu ermitteln. Ein weiterer, wichtiger Kampf ist der Kampf um die Startspieler-Reihenfolge, wobei hier nicht der erste sondern der letzte Spieler entscheidende Vorteile hat. Er kann mit seinem letzten Zug in jedem Fall noch die Rangfolge der beiden führenden Regionen umkehren, oder er kann bestimmen, welche Region als vierte gänzlich aus der Wertung fällt.
    Die gesamte Entwicklung läßt sich nur schwer gänzlich vorhersehen, trotzdem läuft ein Spiel bei den einfachen Zugmöglichkeiten sehr flott ab.
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (Grübelspiel, trotz der wenigen Regeln), Günther 7 (abstraktes Spiel mit starken Chaos-Elementen), Walter: 7 (schnelles geistreiches Spiel).
    2. “Die Tore der Welt”
    Wiederum hat ein Bestseller von Ken Follett (“Die Säulen der Erde”) als thematischer Hintergrund für ein Kosmos-Brettspiel herhalten müssen. Jeder Spieler bekommt einen Satz von Aktionskarten, aus dem er pro Runde sechs Stück beliebig auswählt. Er sammelt Baumaterial, baut öffentlich oder privat, kassiert Geld, erntet Korn, spinnt Wolle, webt Tücher oder übt sich in Frömmigkeit. Einige dieser Tätigkeiten sind Pflicht, und man wird streng bestraft, wenn man sie innerhalb einer bestimmten Rundenzahl nicht gewissenhaft erfüllt hat. Andere sind Kür und werden in Siegpunkte umgesetzt.
    Günther zog im Nu davon und hatte nach wenigen Runden fast doppelt soviele Siegpunkte auf seinem Konto wie seine beiden Mitstreiter. Keiner wußte so genau warum, nur er selber, doch davon hatte er mit seinem Wissensvorsprung am Anfang natürlich nichts verraten.
    Öffentliche Bauvorhaben bringen die meisten Siegpunkte ein, in den letzten beiden “Kapiteln” kann man auch als Pestheiler gut punkten. Private Häuser sind eine Hoffnung auf spätere Sicherheit, doch damit gewinnt man in einem scharfen Wirtschaftsspiel keinen Pappenstil. Bei den Pflichtübungen das Minimum tun, und ansonsten immer die punkteträchtigste Aktion durchführen, das ist der Schlüssel zum Sieg.
    WPG-Wertung: Aaron: 6 (Schön aufgemacht, aber das Spiel dümpelt so vor sich hin.) , Günther: 6 (nicht kompliziert, aber auch nicht planbar), Walter: 6 (thematisch aufwändig, doch vom Spielerischen her nicht ganz überzeugend)
    3. “Savannah Tails”
    Der Aufbau des Streckenparcous war ein erster topologischer Intelligenztest, den wir nur mit Mühe bestanden. Bei den vielen Linien und Motiven auf den einzelnen Streckenteilen war es gar nicht so einfach zu erkennen, ob die Streckenführung jetzt in eine Linkskurve oder in eine Rechtskurve übergeht.
    Auf der Strecke verlaufen Straußenspuren in den Farben rot, gelb, blau und schwarz. Jeder Spieler besitzt einen Strauß, den er in einem Wettlauf über die Strecke schickt. Wie bei vielen ähnlichen Rennwettbewerben (z.B. “Formula De”) besitzt jeder Spieler den gleichen Set von Karten, mit denen die Schrittweite eines Zuges bestimmt wird. In “Savannah Tails” wird damit zugleich die Farbspur vorgegeben, auf der ein Zug enden muß. Es kommt also ständig zu zwangsweisem Spurwechseln.
    Großes Gerechtigkeits-Problem: Die Spieler dürfen nicht ihr vollständiges Kartendeck in die Hand nehmen, sondern immer nur 4 Karten davon. Wer Pech hat, muß mit seinen Karten für Zweier- und Dreier-Schrittweiten anfangen und hat dabei noch unglückliche Farbkombinationen. Er wird zu häufigen Spurwechseln gezwungen, kann keine Kurven schneiden, kann Hindernisse nicht stromlinienförmig überwinden und gerät hoffnungslos ins Hintertreffen. Während seine Sechser- Reichweiten noch friedlich im Kartendeck schlummern, ist die Konkurrenz bereits am Ziel angelangt. Das kann zwar lustig und – für die Sieger – unterhaltsam sein, ein Prädikat für ausgereiftes Design wird dafür nicht vergeben.
    Gewollter Aufbau von Engpässen, Ausnutzung der Streckenführung, den Gegner Schneiden und Abdrängen, all diese schönen Ärgerfaktoren gibt es nicht. Jegliche Interaktion innerhalb des Rennens bleibt ausschließlich dem Zufall (innerhalb der winzigen Kartenhand) überlassen.
    WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther 4, Walter: 5 (zum Warming-Up durchaus geeignet)
    4. “Fzzzt!”
    Eigentlich hatte aus den Erfahrungen der letzten Wochen keiner so richtig Lust, dieses Spiel nochmals zu spielen, doch Aaron wollte noch eine Mission erfüllen:
    a) Günther mit dem Spiel vertraut machen.
    b) einen intelligenteren Anfang hinlegen.
    Mit Karten ersteigern wir Karten zum Ersteigern von Karten um zum Erringen von Siegpunkten. Günthers Kommentar am Ende: “Ich bin mir noch nicht so ganz klar darüber, was ich von dem ganzen halten soll.”
    Den zweiten Punkt seiner Mission konnte Aaron erfolgreich abschließen. Als Sieger verließ er das Feld.
    Günthers 5 Punkte sind an der unteren Grenze der bisherigen WPG-Wertung angesiedelt.

    04.11.2009: Nagelprobe für Egizia

    Die Einschätzungen unserer Essen-Fahrer über “Vor den Toren von Loyang” sind schlecht bis vernichtend. Der Agricola Vorgänger wurde in Essen hoch gehandelt, und deshalb hat es Günther selbstverständlich in seinen Koffer gepackt. Heute urteilt Moritz “Es ist mit Abstand eines der langweiligsten Spiele, die ich je gespielt habe, 3 1/2 Stunden ödeste Buchhalterei.” Die Siegpunkt-Vergabe ist anti-progessiv. Wer am Anfang ins Hintertreffen gerät, bleibt im Punktemühsal der letzten Phase hoffnungslos hinten. “Ihr werdet es hassen!”
    Günther setzt die Hoffnung auf einen Spielabend ohne Moritz: “Da ich es habe, werden wir es dann irgendwann auch am Westpark probieren …” Wie lautet das bekannteste Zitat von unserem noch lebenden Kaiser: “Schaun mer mal!”
    1. “Egizia”
    Günther, Moritz und Peter hatten bei Hans im Glück schon den Prototyp ausprobieren können und waren begeistert. In der Serienversion ist ein Spielbrett mit Anleihen vom Stone-Age-Design dazugekommen, bunt und antik, aber mit Einbußen in der funktionalen Übersichtlichkeit. Der Nil mäandert sich in einem diagonalen Zickzack-Bogen quer durchs Spielbrett und es ist beim flüchtigen Hinsehen nicht immer klar, in welcher Reihenfolge die Stationen angeordnet sind.
    Die Spieler setzen reihum ein Schiffchen auf eine beliebige Station auf dem Spielbrett und bekommen dafür die individuellen Vorteile der Station: Ernährung für die Arbeiter, Steine für allerlei Bauwerke, Zuwachs an Arbeitern, Baugenehmigungen und dergleichen. Diese verschiedenen Vorteile werden pro Runde als “Nil-Karten” zufällig auf die Stationen verteilt.
    Die Beliebigkeit beim Setzen ist allein dadurch eingeschränkt, daß man ein weiteres Schiffchen nur nilabwärts zu seinem Vorgängerschiff plazieren darf. Wer sich also sehr früh weit nach vorn auf eine besonders begehrte Station begibt, überläßt seinen Mitspielern ohne Gegenwehr alle dazwischenliegenen Stationen. Wer die letzte Station erreicht hat, für den ist die Setzrunde zu Ende, unabhängig davon, wieviele Schiffchen die anderen noch setzen.
    Jeder hat sein Glück weitgehend in der Hand. Natürlich im scharfen Wettbewerb mit seinen Mitstreitern. Die ständig wechselnde Szenerie mit den ausliegenden Nil-Karten, die konkurrierenden Ambitionen der Mitspieler und ihr sich sehr schnell unterschiedlich entwickelnder Besitzstand sind die Herausforderung des Spiel. Engpässe gibt es in jeder Beziehung, aber gleichzeitig auch Entwicklungspotential in jede Richtung; Freud und Leid halten sich vorzüglich die Waage. Ein harmonisches Weiterbringen der benötigten Fortschrittskräfte ist der Schlüssel zum Sieg.
    Der Spielverlauf bietet für jeden Spieler eine deutliche Steigerung seines Handlungsspielraums: die vergebenen Siegpunkte wachsen von Runde zu Runde, und die zu Beginn unvermeidlichen Engpässe können immer leichter beseitigt werden. Ein solches Design zeigt eine erfahrene Handschrift beim Autor und vor allem in der jahrelangen Testphase im Verlag.
    Günther und Moritz mit ihrer HiG- und Essen-Erfahrung rissen sich sofort um das Baumaterial. Moritz konnte sich dann auch noch die Ernährung sichern und mit ein paar günstigen Siegpunktquellen den Sieg davon tragen. Aber nur knapp. Doch auch für die Neulinge in “Egizia” waren die zwei Stunden Spielzeit ein ungetrübtes spannendes Vergnügen.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (stimmige Mechanismen), Günther: 9 (bisher bestes Spiel aus Essen), Moritz: 9 (spannende Konkurrenz), Walter: 9 (auf angenehme Weise komplex)
    Walter schreibt eine Rezension.
    2. “The Adventurers”
    Für einen zweiten Hauptgang reichte die Zeit nicht mehr. Moritz durfte ohne Widerspruch ein mittellanges Spiel aus seinem großen, zuweilen auch eigenwilligen Fundus auf den Tisch legen. Natürlich nicht ohne ein gewisses Mißtrauen durch die Mitspieler. “Ist das ein Fantasy Thema?” “Nein, ein Indiana Jones Thema! Und es hat einfach ein sehr schönes Spielmaterial”.
    Auf ein kariertes Spielbrett werden zwei hübsche Mauerabschnitte (nach Art des Ischtar-Tores im Pergamonmuseum) gelegt und ein Stein, der an die Aufgabenstellung vom Sisiphus erinnert. Die Spieler laufen mit ihren Pöppeln von Feld zu Feld, müssen aufpassen, daß sie von den sich aufeinanderzubewegenden Mauern nicht zerdrückt werden, nicht in tödliche Fallen fallen oder vom Sisiphus-Stein niedergewälzt werden. Unterwegs können sie Schätze aufnehmen, die natürlich ihre weitere Laufgeschwindigkeit beeinträchtigen. Auf dem Weg zum Ziel können sie auch einen Teil schwimmend zurücklegen, wobei sie aber Gefahr laufen, nicht wieder sie rechtzeitig herauskommen, und dann einen Wasserfall hinterfallen und ausscheiden.
    Wer die wertvollsten Schätze ans Ziel bringt, hat gewonnen.
    Und was ist der Motor des Spiels? Der Würfel! Sogar fünf Stück davon. Ein Würfelwurf entscheidet, wieviele Felder wir pro Zug zurücklegen dürfen, wieviele Felder der Sisiphus-Stein hinter uns her rollt, wie schnell sich die Ischtar-Mauern schließen, ob wir lebend über eine baufällige Brücke kommen, und ob wir in den Wasserfall fallen. Wie nennt man auf gut deutsch so ein Spiel? Ein Würfelspiel, und nichts anderes!
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (Wenn ich in Stimmung bin, würde ich es nochmals spielen), Günther: 4 (mag das Alles-oder-Nichts-Prinzip nicht, mit hohem Aufwand wenig erreicht), Moritz: 7 (schönes Material, schnell, eigentlich ein Meisterwerk), Walter: 3 (Sisiphus reicht nicht. Meine Noten beziehen sich auf die WPG-Runde und nicht auf eine fiktive lustige Kinderrunde).
    Moritz war über die schlechte Noten seiner Mitstreiter aufgebracht. Es war doch ein lustiges Spiel! Wir haben doch auch viel gelacht! “Du mußt jedes Spiel nehmen wie eine Frau. Manche sind rot, manche sind blond, manche sind dick, andere dünn. Alle haben ihre Vorzüge, und die mußt Du sehen.” Aaron: “The Adventurers ist in diesem Sinne keine intelligente Frau, sondern eine, die einfach nur aufgemotzt ist.” Walter: “Ich vögele nicht jede Frau!”
    3. “Bluff”
    Aaron schlug eine neue WPG-Variante vor: Jeder darf sich unter seinem Würfelbecher aus Herzenslust eine beliebige Würfelkombination zusammendrehen. Dann läuft das Spiel wie normal an. Gesagt getan!
    Walter startete mit der Vorgabe: 10 mal der Stern. Eigentlich wollte er auf 20 mal den Stern setzen, aber soweit reichte das Spielbrett nicht. Hilfsweise addierten wir beim Überrunden des Startfeldes noch 10 Sterne hinzu, so daß Moritz auf 11 mal den Stern heben konnte. Aaron zweifelte an.
    Günther und Walter hatten je fünf Sterne unter ihren Bechern, Aaron zwei Sterne und Moritz keinen. One Down is good Bluff.
    Die Variante – obwohl überraschend, lustig und sogar praktizierbar – wurde zunächst noch einmal zurückgestellt.