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02.12.2009: Getreues Albion und perfide Wertungen

“Wenn ich ein wenig Geld habe, kaufe ich mir Spiele, und wenn mir dann noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung” (Erasmus von Rotterdam, leicht variiert).

1. “Albion”
Albion
Ältere Semester assoziieren mit “Albion” noch die Eigenschaft “perfide”. Bei Wikipedia kann man nachlesen, warum. Doch die Bezeichnung wurde schon von Ptolemaeus geprägt und bezieht sich schlichtweg auf das Gebiet des heutigen England (einschließlich Wales).
Wir sind römische Siedler und müssen die Insel von unseren Basislagern an der Kanalküste ausgehend besetzen. Wir lassen unsere Siedler in das Landesinnere marschieren, bauen Kastelle und Siedlungen, und erschließen Rohstoffquellen (Fisch, Holz, Stein und Gold). Die Rohstoffe benötigen wir zum Bauen, durch das Bauen erhalten wir mehr Bewegungsfreiheit für unsere Siedler und Legionäre, größere Verteidungskraft oder reichere Rohstoffquellen. Verteidigung brauchen wir, um uns gegen die Pikten zu wehren, die in immer größeren Mengen auftauchen und unsere Bauwerke zerstören, wenn wir vorher nicht genügend Verteidigungspotential zusammengetragen haben. Ein rechtes Aufbauspiel ohne Würfel und Zufallseinfluß.
Beim Vordringen nach Norden stehen wir im Wettlauf mit unseren Mitspielern: Wenn wir in einem Gebiet bauen wollen, wo sie sich bereits festgesetzt haben, müssen wir ihnen Tribut zahlen. Um die Siegbedingung zu erfüllen, müssen wir uns fast in jedem Gebiet niedergelassen haben, wir können die Gebiete unserer Mitspieler also gar nicht meiden. Tributzahlungen sind fast alltäglich. Sie sind nicht hoch, aber wer gönnt seinem Konkurrenten schon freiwillig einen Fisch. Also möchten wir überall gerne selber die ersten sein. Doch das bleibt natürlich ein unerfüllbarer Wunschtraum.
Zwangsweise müssen wir unsere Züge in die verschiedenen notwendigen Entwicklungsrichtungen verpulvern, und oft stehen wir dabei unschlüssig vor trivialen Alternativen, z.B.

  • Erst unsere Rohstoffquellen nutzen und dann damit weitere Rohstoffquellen erschließen, oder umgekehrt.
  • Erst ein Kastell auf ungefährdetem Gebiet bauen und dann in Innere vordingen, oder erst mit einem gewissen Risiko ins Innnere vordringen und dann dort ein Kastell bauen, das später in bezug auf weitere Besiedelung Bewegungsvorteile mit sich bringt.
  • Erst eine Siedlung errichten oder ausbauen, um von den Mitspielern Tribut zu kassieren, allerdings mit dem Risiko, dass sie von den Pikten zerstört wird, oder erst die Verteidung sichern, dafür aber die Mitspieler vorbeiziehen zu lassen und im Endeffekt Tribut zahlen zu müssen anstelle selber Tribut zu kassieren.
  • Wir gingen alle sehr vorsichtig ans Werk. Verteidigung wurde groß geschrieben. Nur Hans ging bewußt das Pikten-Risiko ein, und ist dabei mehrmals nur haarscharf von herben Verlusten verschont geblieben: die zufällig aufgedeckten Ureinwohner waren alle friedlich. Nur deshalb reichte es für ihn zum Sieg, im Tiebreak gegen Günther.
    An allen Ecken und Enden wurde Interaktion vermißt. Alle Spieler stehen vor der gleichen Aufgabe, die symmetrischen Vorgaben führen zwangsläufig zu gleichförmigen Entwicklungslinien. Wer sich über seinen eigenen Fortschritt freut, ohne dabei der Konkurrenz Knüppel zwischen die Beine werfen zu wollen, ist mit “Albion” gut bedient. Es ist garantiert ein vorzügliches Solitärspiel und vielleicht macht in einem Zweierspiel sogar das systemmatische Erarbeiten von minimalen Vorteilen bis zum Niederringen des Gegners einigermaßen Spaß.
    In einer Viererrunde ist diese Möglichkeit zum konsequenten Ausbau einer vorteilhaften Stellung eher von Nachteil. Das Entwicklungstempo wächst, aber die strategischen Herausforderungen nicht. Gar nicht. Wer irgendwann einmal leicht geschwächelt hat und bis zum Mittelspiel ins Hintertreffen geraten ist, kann einen späteren Sieg abschreiben, er trottelt bis zum Ende hinterher. Ja es bleiben ihm nicht einmal Nadelstiche, mit denen er seine Mitspieler – zu seiner eigenen Ermunterung – ab und zu mal ärgern kann.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (langweiliges Wettrennen ohne Interaktion, da hat schon wieder Willis Tuning gefehlt), Günther: 6 (wurde von 7 Punkten runterargumentiert, für ihn braucht ein Spiel nicht „rabiat“ zu sein), Hans: 6 (braucht ebenfalls keine Aggressivität; als Aufbauspiel hat es Spaß gemacht), Walter: 6 (ebenfalls von Aaron runterdiskutiert).

    2. “Ra – The Dice Game”
    Ra - The Dice Game
    “Hast Du noch so’n Brüller?” fragte Aaron. Günther war leicht indigniert. Hatte er doch schon die Essen-Erwerbung „Albion“ aus seiner großen grünen Spieltasche hervorgeholt. “Ich spiele jedes Spiel mindestens einmal.” Rechtfertigte er sich. „Es soll ja Kollegen geben, die manche gekauften Spiele überhaupt nicht spielen.“ Es war nicht klar, gegen wen diese Aussage gemünzt war. Wenn wir wenigstens eine Rezension darüber schreiben, dann hat sich die Investition doch schon gelohnt, da braucht man das Spiel ja nicht gespielt zu haben …
    “Ra” ist so ein Spiel, bei dem Walter bereits nach Günthers vorzüglichem Regelvortrag eine Rezension hätte schreiben können oder wollen: einen Verriß. Super Spielmaterial: 5 Würfel. Hexagon-Würfel. Jeder würfelt wie bei Kniffel mit allen 5 Würfeln, darf zweimal nachwürfeln und das Ergebnis nach einem Ra[ch]istischen Spielbrettschema einordnen und kummulieren. Und damit man seine tausendjährigen Würfelgewohnheiten gleich über den Haufen werfen kann, wurden die Zahlen 1 bis 6 durch Symbole ersetzt.
    Jedes geworfene Sonnensymbol „Ra“ ist sofort verloren und muß in der Ra-Reihe abgelegt werden, Jede “Pharaomütze” oder jedes “Schiff” bringt uns auf der Pharo/Schiff-Reihe vorwärts, wo einmal Relativ-Positionen gegenüber den Mitspielern und einmal Absolut-Fortschritte vom Startfeld aus gesehen in Siegpunkte umgerechnet werden. Jede „Pyramide“ darf in einem Zeilen-Spalten-Muster abgelegt werden, woraus bestimmte Kombinationen bei Spielende mit progressiv wachsenden Siegpunkten honoriert werden. Von „Sklaven“ benötigt man schon mindestens 3 aus 5, um sie siegpunktträchtig ablegen zu können; hat man nur 2 davon, sind sie ersatzlos verloren. Dafür gibt es dann auch noch die „Joker“, die als jedes beliebiges Symbol eingesetzt werden können und die Erreichbarkeit hoher Mindestquoten erleichtern.
    Wie die verschiedenen Würfelergebnisse kummuliert und in 2 Zwischenwertungen und einer Entwertung in Siegpunkte umgerechnet werden, ist Schwarz auf Weiß in einer einfachen Tabelle beschrieben. Doch welche Kombinationen besonders lukrativ sind, auf welche man “hinarbeiten” soll (sofern man mit Würfeln überhaupt gezielt arbeiten kann), welchen Erwartungswert a) ein einzelnes Würfelergebnis und b) die gesamten kummulativ eingetragenen Würfelergebnisse eines “Ra”-Spieler mit sich bringen, das ist natürlich unbekannt. Selbst unser Chef-Statistiker Günther wird in dazu in den nächsten Jahrzehnten keine brauchbare Tabelle erarbeiten. Wollen wir wetten?
    Wer an Würfelspielen Spaß hat, bekommt mit “Ra” einen neuen Zeitvertreib. Ihm wird dann vielleicht auch nicht auffallen, daß nicht einmal die Startspielerproblematik gelöst ist. Wenn eine festgelegte Anzahl Sonnen geworfen wurden, ist das Spiel schlagartig zu Ende, unabhängig davon, ob alle Spieler gleich oft an der Reihe waren. Dass dies gerade bei kummulativen Wertungen unbefriedigend ist, wo ein einziger zusätzlicher guter Würfel leicht 5 Punkte wert sein kann, stört doch keinen großen Geist!
    Günther verteidigte “Ra” verhement als klassisches Nullsummenspiel. Für Walter war es eher in der Summe ein klassisches Nullspiel. Aaron fand es bemerkenswert, daß das Spiel von einem diplomierten Mathematiker erfunden wurde, dem Altmeister Reiner Knizia. Dem hielt Walter entgegen: “Der hat schon längst einen Ghostwriter, der ihm seine Spiele schreibt. Er gibt nur noch seinen Namen her!” Hans würde aus “Ra” gerne die Schachspieler-Effekte herausarbeiten. Muß dazu aber noch bis zu seiner Rente warten. Mindestens.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (obwohl er nicht das Gefühl hatte, etwas steuern zu können), Günther 7 (lockeres Würfelspiel), Hans: 3 (primitiver Würfelmechanismus mit komplexer Wertung), Walter: 2 (tut mir leid, ihr lockeren Würfler, ich mag hier schon das Prinzip nicht).

    3. “Fzzzt!”
    Walter war strikt dagegen, aber sein Einspruch wird offensichtlich nicht für ernst genommen. Aaron durfte Hans die Regeln erklären, und nach seinen zwei vorhergegangenen Generalproben machte er das vorzüglich. Als er fertig war, kommentierte Hans: „Hübsch! Gefällt mir soweit!“ – Als wir seinerzeit soweit waren, haben wir das auch noch gesagt. Inzwischen hat sich die Benotung bei 5 Punkten eingependelt. Hans machte einen gewaltigen Ausreißer.
    WPG-Wertung: Hans: 8 (niedlich, locker und gut).
    Lieber Herr Blaumeise,
    Hans war heute auch bei „Startspieler“ nicht so kritisch wie wir anderen. Mehr als 5 Punkte würde er für dieses Kartendeck geben. Solche Sprüche wie: „Wer den coolsten hat, darf anfangen“ haben ihn einfach überzeugt.

    4. “Bluff”
    Erstmals spielten wir mit der „Anderschschen Warmduscherregel“ (siehe Session-Report vom 23.11.2009). Als Günther vor der Alternative stand, mit Risiko zwei Würfel (relativ) zu verlieren oder ohne Risiko einen, fand er diese Situation „doof“. Dabei ähnelt die doch schon ganz schön stark einem Nullsummenspiel!
    Im zweiten Durchgang spielten wir wieder nach Standard. Im Nu bekam er die Gelegenheit, diese unsere 180° Wende zu bedauern.
    Noch eine Knobelei für Logiker am Ende:
    Aaron stand mit 2:1 gegen Hans im Endspiel. Er legte 1 mal die Vier vor, Hans hob auf 1 mal die Fünf, Aaron auf 1 mal Stern, Hans auf 2 mal Eins und Aaron auf 2 mal Zwei. Hinterher diskutierten wir noch lange über die Fehler, die jeder innerhalb dieser Folge gemacht hatte. Schon die Vorgabe 1 mal die Vier war problematisch!
    Frage: Wer hat gewonnen und was hatte jeder von ihnen unter seinem Würfelbecher???
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    cum-mulis

    23.11.2009: Spielen mit Michael

    Michael Andersch, Profi-Kritiker von “H@LL 9000” war heute unser Ehrengast. Auf der Internet-Seite “www.hall9000.de” findet man von ihm aktuell 795 Spiel-Bewertungen. Wie hat er das nur in seinen noch jungen Jahren geschafft? Ganz einfach: Dreimal die Woche spielen: in einem Brettspiel-Verein, mit seiner nicht-spiel-abgeneigten Ehefrau und in seinem Bekanntenkreis. Es ist seine liebste Freitzeitbeschäftigung.
    Damit er für das Brüten über “Agricola” und “Il Principe” aber immer einen klaren Kopf hat, radelt er stundenlang durch die Gegend. Das kostet sogar den größten Anteil seiner Freizeit. Sein meistes Geld hingegen investiert er in Lego-Technik. Seine ferngesteuerten Tieflader und andere Lego-Creationen sind auch auf YouTube zu bewundern. Sucht nur danach!Spielen mit Michael
    1. “Machtspiele”
    In einem großen Unternehmen ziehen wir die Fäden im Hintergrund. Wir setzen Mitarbeiter ein und entlassen sie wieder. Wir bilden Abteilungen und Hauptabteilungen und strukturieren sie um. Wir reißen uns die Geschäftsbereiche Personal, Entwicklung, Buchhaltung und Kommunikation u.a. unter den Nagel, bringen unsere leitenden Angestellten in den Vorstand und wenn’s hoch kommt, machen wir einen davon zum Boss.
    Jeder Bereich, den wir kontrollieren, gibt uns Vorteile für unsere weiteren Aktionen. Wir punkten in den Kompetenzbereichen Einfluß, Aktien, Hauptabteilungen, Erfahrung und Korruption.
    Apropos Korruption: Sie ist keineswegs so verpönt, wie man das heutzutage von offiziöser Seite her manchmal liest. Wer sie iniitiiert, bekommt Pluspunkte, wer sie annimmt auch. Nur wer sie ablehnt, weil die gebotene Summe zu gering ist (oder weil er ein Ehrenmann bleiben will), wird bestaft: Er muß einen seiner Mitarbeiter entlassen. Wer kann da schon aus gewissen Gründen ein bißchen Bestechungsgeld ablehnen?
    Die Mitarbeitermotivation ist ständig am Sinken. Dafür gibt es vielerlei Gründe. Wie kann man auch nur den Aufenthaltsraum in den Keller verlegen? Bei niederiger Motivation sind unsere Kompetenzen besonders gefragt. Jetzt können wir mit unseren Kunststückchen das Management beeindrucken, und entsprechende Sonderprämien auf unser Konto buchen.
    Dabei fordern die “Machtspiele” aber einen klaren Plan. Wer auf jeden Pluspunkt in jeglichem Unternehmensbereich schielt, kann die Siegpunkt-Bedinungen leicht aus dem Auge verlieren. Konzentration auf wenige Bereiche, in denen man am schnellsten die geforderte Grenze überschreiten kann, ist unbedingt zum Sieg erforderlich, und der Schlüssel dazu ist die Kontrolle der Kommunikation. Fast wia im richtigen Leben.
    WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 7, Michael: 6 (im ersten Überschwang eine “klassische” 7, dann Reduktion wegen der Spieldauer, Walter: 8 (viele kreative Handlungsoptionen).
    Aaron oder Walter schreiben eine Rezension.
    2. “Zapadákov” bzw. “Nowheresville”
    Michael hat es aus Essen mitgebracht, weil die ungewöhnliche Aufmachung neugierig machte. Jeder Spieler führt zunächst einen “Banditen”, mit dem er die lokale Bank, die Postkutsche oder die Eisenbahn überfällt, und sich daran bereichert. Wieviel er dabei jeweils erbeutet, ist zufallsabhängig, nur die Anzahl der zu erbeutenden Scheine ist sichtbar, nicht ihr Wert.
    Für einen erfolgreichen Überfall benötigt der Bandit eine Mindeststärke, die durch zufällig gezogene Stärkekarten bestimmt wird. Den Rest zwischen aktueller Stärke und benötigter Stärke kann der Spieler versuchen, durch einen guten Würfelwurf zu erzielen.
    Wollen zwei Spieler mit ihren Banditen gleichzeitig das gleiche Objekt überfallen, dient als Tie-Break ein Geschicklichkeitswurf auf eine Zielscheibe. Wer eine Scheibe am nächsten in die Mitte wirft, fällt über, der andere fällt aus. Dieser Herausforderungswechsel vom Spiritus der Spielers an ihre Physis ist immerhin eine bemerkenswerte Erfindung in “Nowheresville”.
    Als Alternative zur Geldbeute wird das Gefängnis angeboten. Wer hier mit der entsprechenden Stärke plus ergänzendem Würfelwurf auftaucht, kann einen Banditen befreien und zieht jetzt mit zwei Banditen auf Raub aus.
    Claro, wer als erster die richtigen Stärkekarten zieht, um einen Überfall auf das Gefängnis verüben zu können, kann als erster zwei Banditen für sich arbeiten lassen und dementsprechend doppelt kassieren. Und sich natürlich auch schneller einen dritten und vierten Banditen-Mitarbeiter zulegen. Gegen dieses exponentiale Davonziehen des glücklichen Banditenführers ist kein Kraut gewachsen. Leider auch keines, das “Zapadákov” zu einem ausbalancierten reifen Spiel macht. Wir brachen ab.
    Michaels positivistische Formulierung für diese Art von Spielen: “Wieder ein Spiel, das nicht im Schrank herumliegen muß!”
    Zunächst keine WPG-Wertung: Walter vergibt nachträglich 2 Punkte.
    3. “Bluff”
    Michael brachte zwei neue Varianten mit:

    1. Alternative zur Warmduscher-Variante.
      Wenn die Vorgabe angezweifelt wird und die Würfel stimmen genau mit der Vorgabe überein, geben nicht alle Spieler (außer dem Vorgeber) einen Würfel ab, sondern nur der Anzweifler gibt einen Würfel ab, und zwar nicht in die Schachtel zurück, sondern an den Spieler, der die genau richtige Vorgabe gemacht hat.
      Vorteil: Die “unschuldigen” Spieler werden nicht mit ins Unglück gerissen.
      Nachteil: Die Spieldauer für das super kurzweilige Bluff kann sich verlängern. Worunter besonders diejenigen Spieler leiden, die frühzeitig ausgeschieden sind.
    2. Neues Zählsystem
      Es wird nicht bis zum Endspiel ausgespielt, sondern nur bis die Hälfte der Würfel abgegeben wurden. Dann bekommen alle Spieler soviele Pluspunkte, wie sie noch Würfel besitzen.
      Diese Punkte werden über eine Reihe von Durchgängen addiert und bestimmen zum Schluß den Sieger.
      Vorteil: Es gibt nur einen einzigen Sieger.
      Nachteil: Es gibt nur einen einmaligen Sieger.

    18.11.2009: Peloponnes versus Egizia

    Rotwein am WestparkWer diesen Session-Report liest, hat schon gemerkt, daß sich Aufmachung und Technik dafür geändert haben. Die bisherige Methode war ausgereizt, der verfügbare Speicher ausgeschöpft und die Möglichkeiten für die Text-Gestaltung recht begrenzt.
    Mit dem neuen System:

    1. kann jeder Berichtersteller während der Erstellung Bilder oder andere Medien in seinen Bericht einfügen;
    2. gibt ein verbessertes Kommentarsystem, bei dem nur der erste Kommentar eines Schreibers authorisiert werden muss, alle weiteren sind dann unmoderiert;
    3. sind Trackbacks und Kommentarverlinkung erlaubt und es werden passende RSS-Files erstellt. (Wofür unser Administrator die dann einsetzen wird, ist er noch am Überlegen. Was das überhaupt ist, kann ich nicht sagen, ich verstehe nix davon.)
    4. kann man nach beliebigen Zeichenfolgen suchen. Dabei werden alle Session-Reports aller WPG-Zeiten durchsucht. Ich hab’s gerade ausprobiert. „Weihnachtsmann“ kommt überhaupt nicht vor, aber immerhin einmal ein „Engelchen“! Wer vor fünf Jahren war wohl damit gemeint?

    Liebe Leser, ob es Euch gefällt oder nicht, zurückgerudert wird nicht mehr. Dafür hat Aaron viel zu viele Tage mit Forschen, Programmieren, Testen und Migrieren geopfert. Aber wenn Ihr wollt, könnt Ihr uns mitteilen, welche Bilder Euch in unseren bisherigen „Blei-Wüsten“ abgegangen sind und welche Ihr gerne drin hättet. Wir werden Euren Wünschen nach Möglichkeit gerne nachkommen.
    1. “Peloponnes”
    2009 in Essen herausgekommen. Wir Westpark-Gamers haben als Beta-Tester zum letzten Schliff beitragen können, doch die jetzige Produktionsfassung war für uns von Aufmachung und finalen Details her noch unbekannt.
    Walter hatte sich in das Regelheft eingearbeitet und durfte vortragen, natürlich unterbrochen von Fragen zu Logik und Strategie und zuweilen angezweifelt von den Besserwissen der Testversion. Am Ende kam aus Peters Mund der Kommentar: „Du hast in deinem ganzen Leben noch nie so gut erklärt.“ Skeptische Rückfrage von Günther: „War das jetzt eine Kritik oder ein Lob?“ Die Aufklärung blieb offen.
    Wir repräsentieren Zivilisationen auf der Peloponnes und versuchen, unsere Regionen besser zu entwickeln als unsere Mitspieler. Wir ersteigern Gebäude- und Landschaftsplättchen, die unsere Bevölkerung wachsen lassen, Reserven an Nahrungsmitteln und Baumaterial aufstocken, und unsere liquiden Geldmittel für die nächsten Versteigerungsaktionen wachsen lassen.
    Bemerkenswert und sehr gelungen ist der Verdrängungswettbewerb beim Versteigern. Wieviele Spieler, soviele Nutzplättchen liegen pro Runde zur Versteigerung aus. Jedes Plättchen besitzt einen Mindestwert, der geboten werden muß, jeder Spieler darf nur einmal einen beliebigen Betrag bieten. Wird für das gleiche Plättchen ein höherer Betrag geboten, muß der Spieler unverzüglich abziehen. Er darf sich ein anderes Plättchen aussuchen, muß dabei aber den Mindestwert beachten. Gibt es für die gebotene Erstsumme kein freies Plättchen mehr, so geht der Spieler leer aus, d.h. er bekommt gerade noch eine kleine Entschädigung für seinen Zug, sonst aber nichts.
    Dieser Verdrängungsmechanismus ist das Herzstück des Spieles und erzeugt oft schallendes Gelächter, meist aus Schadenfreude, weil einem Mitspieler beim Versteigern das anvisierte Plättchen durch die Lappen gegangen ist. Und Schadenfreude, vor allem im Verhältnis alle gegen einen ist in jedem Fall ein positives Design-Element. Peter, der durch die Sommer-Neuheiten auf unserem Spieltisch keineswegs verwöhnt war, konnte recht schnell ausrufen: „Ich bin zum ersten Mal zufrieden mit einem Spiel!“ – Na ja, so gut ist sein Gedächtnis auch nicht mehr.
    Beim Auslegen der zur Versteierung anstehenden Nutzplättchen, die mit umfangreichen Piktogrammen zu ihrer Funktionalität ausgeschmückt sind, gab es erstmals richtige Rangeleien um den Orientierungssinn. Peter wollte, daß die Schriftzeichen und Zahlen von seiner Seite aus zu lesen seien, Aaron gestand zu, daß sie abwechselnd von Peters und von seiner Seite aus zu lesen seien. Loredana hatte keine Schwierigkeiten, die Piktogramme auf dem Kopf zu lesen, aber sie plädierte für Konstanz und war dagegen, sie immer abwechselnd einmal auf dem Kopf und einmal richtig herum zu lesen. Günther erfand eine um 90 Grad gedehte Alternative, die eindeutig seinen Blickwinkel bevorzugt hätte. Peter sah seine Felle davonschwimmen und wollte dann am liebsten niemandem etwas gönnen, also 180 Grad gegenüber Günthers Optimallage. Walter als Frauenversteher schlug sich auf Loredanas Seite, und das gab den Ausschlag. (Frage an die Internen: Welche beiden WPGler hatten diesmal die Sitzplätze getauscht?)
    Die Entwicklung verläuft in der „Peloponnes“ keinesweg linear aufsteigend. Wie im richtigen Leben brechen in unregelmäßigen Zeitabständen Katastrophen über uns herein, und unweigerlich müssen wir dabei Federn lassen: wir verlieren Bevölkerung, Nahrung oder andere Ressourcen. Als Günther durch die „Verfalls“-Katastrophe alle seine Luxusgüter verlor, frohlockte Peter: „Welch eine Freude, daß es Günther getroffen hat.“ „Wieso ich“, tönte Günther zurück, „ich bin doch gar nicht vorne.“ „Das ist ja die Freude daran!“ – So schlecht ist Günthers Image bereits als Immer-Sieger.
    Diesmal konnte Aaron sein Schiffchen sicher durch die Stürme des Schicksals lenken und allen Anfeindungen seiner Mitspieler trotzen. In einer ausgewogenen Mischung aus Population und Machtpunkten zog er allen anderen weit davon.
    WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 7 („ 7 Punkte bedeuten schon ein Superspiel“), Loredana: 8 („nicht langweilig“), Peter: 7 (macht Spaß, vermißt Willi’s Feintuning), Walter: 9 (vermißt Willi’s Feintuning NICHT)
    Walter schreibt eine Rezension.

    2. “Egizia”
    Von Peter schon im Vorfeld auf der Wunschliste für den heutigen Tag, doch das Spiel geht nur maximal bis 4 Mitspieler. Der Gastgeber verzichtete freiwillig auf eine eigene Rolle und durfte dafür mit Loredana eine Tisch- und Brett-Gemeinschaft eingehen. Erfolgreich, hinter dem Immer-Sieger Günther belegten sie den zweiten Platz.
    WPG-Wertung: Loredana mit 10 („hat mir gefallen, hab’ schon lange keine 10 Punkte vergeben“) und Peter 8 („intelligent, aber (?) mit Glückselementen) blieben mit ihrer Punktvergabe im Durchschnitt beim Durchschnitt.
    3. “Bluff”
    Aaron konnte ein 2:4-Endspiel gegen Walter noch zu seinen Gunsten drehen.
    Im zweiten Endspiel ging es mit 3:3 – Würfeln gegen Günther. Den Vorgaben zu schließen hatte jeder jede Menge Zweier und/oder Sterne unter dem Becher. Nach dem Gebot von 5 mal Zwei durch Günther ging Aaron auf 3 mal Stern. Was hättet Ihr jetzt wohl an Günther’s Stelle mit 2 Zweien und 1 Stern unter dem Becher geboten?
    Anzweifeln wäre richtig gewesen, doch Günther hob auf 6 mal die Zwei und das war bei Aaron’s Wurf von Zwei, Drei und Stern genau 1 zuviel. Von da an ging’s bergab.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    11.11.2009: Sumeria vor den Toren der Welt

    Nie mehr Streit darum, wer anfängt. Das verspricht Ted Alspach mit einer speziellen Erfindung: Ein Kartendeck namens “Startspieler”. Man zieht daraus blind eine Karte, und diese enthält dann eine Anweisung, wer Startspieler wird. Z.B.: “Startspieler wird, wer die größten Hände hat.” Oder “Startspieler ist, wer als nächstes Geburtstag hat”.
    Nach den “exakten Berechnungen” des Verlages BeWitched-Spiele “könnten jedes Jahr 2,5 Millionen Spiele mehr gespielt werden, wenn es nicht so lange dauern würde, einen Startspieler zu bestimmen. Sie behaupten sogar noch ganz kühn: “Wir haben das Problem gelöst.”
    Natürlich ist das Ganze nur ein Scherz, doch mit erheblichem Ärgerpotential. Einem redlichen Mensch dreht sich nämlich – wie im richtigen Leben – der Magen rum, wenn lauthals Problemlösungen versprochen werden, die keine sind. Wenn eine Startspieler-Bestimmung z.B. lautet: “Startspieler wird, wer seine Augen am längsten geschlossen hält”, dann frage ich mich doch ernsthaft, ob mit solchen Vorschrifen nicht nur 2,5 Millionen Spiele nicht mehr gespielt werden, sondern gleich 2,5 Milliarden. Ein rechter Scheiß!
    1. “Sumeria”
    Startspieler wurde, wer zuletzt Tomatensaft getrunken hat. Das war zunächst nicht so leicht zu ermitteln, und damit hätte schon fast der Abend draufgehen können. Da aber der Hausherr heute Tomaten zum Abendbrot verspeist hatte, wurde diese Behauptung a) geglaubt und b) als Ersatzlösung angenommen. Wahrlich, der “Startspieler” ist schon ein rechter Quadrat-Scheiß!
    In “Sumeria” gibt es auf einer fiktiven Landkarte des Zweistromlandes 8 Regionen, die zu Spielbeginn in eine willkürliche Rangfolge gebracht werden. Jeder Spieler darf jetzt pro Zug “Händler” in Städte und Dörfer der Region placieren, und damit die ursprüngliche Rangfolge ändern. Kommt in eine Region ein zusätzlicher Händler, so steigt die Region in der Rangfolge um einen Platz nach oben. Nimmt man einen Händler aus einer Region heraus, so fällt die Region entsprechend herab. In festen Runden-Abständen werden die führenden drei Regionen gewertet. Wer hier die meisten Händler hat, darf sich ein oder zwei Bonuskärtchen nehmen. Wer die zweitmeisten Händler hat, bekommt meist auch noch ein Bonuskärtchen, alle anderen Spieler gehen leer aus.
    Die erworbenen Bonuskärtchen werden am Spielende nach einer quadratischen Summenformel in Siegpunkte umgerechnet. Es kommt nicht allein darauf an, die absolut meisten Kärtchen zu haben, sondern möglichst viele von der gleichen Sorte. Und dazu muß man zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Regionen die meisten Händler placiert haben.
    In “Sumeria” läuft ein hübscher Verschiebungsmechanismus auf der Rangfolge-Skala ab. Der Besitzstand der Mitspieler muß genau beobachtet und die freien Dörfer in den Regionen müssen scharf analysiert werden, um die führenden Regionen und ihr Rangfolge-Potential zu ermitteln. Ein weiterer, wichtiger Kampf ist der Kampf um die Startspieler-Reihenfolge, wobei hier nicht der erste sondern der letzte Spieler entscheidende Vorteile hat. Er kann mit seinem letzten Zug in jedem Fall noch die Rangfolge der beiden führenden Regionen umkehren, oder er kann bestimmen, welche Region als vierte gänzlich aus der Wertung fällt.
    Die gesamte Entwicklung läßt sich nur schwer gänzlich vorhersehen, trotzdem läuft ein Spiel bei den einfachen Zugmöglichkeiten sehr flott ab.
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (Grübelspiel, trotz der wenigen Regeln), Günther 7 (abstraktes Spiel mit starken Chaos-Elementen), Walter: 7 (schnelles geistreiches Spiel).
    2. “Die Tore der Welt”
    Wiederum hat ein Bestseller von Ken Follett (“Die Säulen der Erde”) als thematischer Hintergrund für ein Kosmos-Brettspiel herhalten müssen. Jeder Spieler bekommt einen Satz von Aktionskarten, aus dem er pro Runde sechs Stück beliebig auswählt. Er sammelt Baumaterial, baut öffentlich oder privat, kassiert Geld, erntet Korn, spinnt Wolle, webt Tücher oder übt sich in Frömmigkeit. Einige dieser Tätigkeiten sind Pflicht, und man wird streng bestraft, wenn man sie innerhalb einer bestimmten Rundenzahl nicht gewissenhaft erfüllt hat. Andere sind Kür und werden in Siegpunkte umgesetzt.
    Günther zog im Nu davon und hatte nach wenigen Runden fast doppelt soviele Siegpunkte auf seinem Konto wie seine beiden Mitstreiter. Keiner wußte so genau warum, nur er selber, doch davon hatte er mit seinem Wissensvorsprung am Anfang natürlich nichts verraten.
    Öffentliche Bauvorhaben bringen die meisten Siegpunkte ein, in den letzten beiden “Kapiteln” kann man auch als Pestheiler gut punkten. Private Häuser sind eine Hoffnung auf spätere Sicherheit, doch damit gewinnt man in einem scharfen Wirtschaftsspiel keinen Pappenstil. Bei den Pflichtübungen das Minimum tun, und ansonsten immer die punkteträchtigste Aktion durchführen, das ist der Schlüssel zum Sieg.
    WPG-Wertung: Aaron: 6 (Schön aufgemacht, aber das Spiel dümpelt so vor sich hin.) , Günther: 6 (nicht kompliziert, aber auch nicht planbar), Walter: 6 (thematisch aufwändig, doch vom Spielerischen her nicht ganz überzeugend)
    3. “Savannah Tails”
    Der Aufbau des Streckenparcous war ein erster topologischer Intelligenztest, den wir nur mit Mühe bestanden. Bei den vielen Linien und Motiven auf den einzelnen Streckenteilen war es gar nicht so einfach zu erkennen, ob die Streckenführung jetzt in eine Linkskurve oder in eine Rechtskurve übergeht.
    Auf der Strecke verlaufen Straußenspuren in den Farben rot, gelb, blau und schwarz. Jeder Spieler besitzt einen Strauß, den er in einem Wettlauf über die Strecke schickt. Wie bei vielen ähnlichen Rennwettbewerben (z.B. “Formula De”) besitzt jeder Spieler den gleichen Set von Karten, mit denen die Schrittweite eines Zuges bestimmt wird. In “Savannah Tails” wird damit zugleich die Farbspur vorgegeben, auf der ein Zug enden muß. Es kommt also ständig zu zwangsweisem Spurwechseln.
    Großes Gerechtigkeits-Problem: Die Spieler dürfen nicht ihr vollständiges Kartendeck in die Hand nehmen, sondern immer nur 4 Karten davon. Wer Pech hat, muß mit seinen Karten für Zweier- und Dreier-Schrittweiten anfangen und hat dabei noch unglückliche Farbkombinationen. Er wird zu häufigen Spurwechseln gezwungen, kann keine Kurven schneiden, kann Hindernisse nicht stromlinienförmig überwinden und gerät hoffnungslos ins Hintertreffen. Während seine Sechser- Reichweiten noch friedlich im Kartendeck schlummern, ist die Konkurrenz bereits am Ziel angelangt. Das kann zwar lustig und – für die Sieger – unterhaltsam sein, ein Prädikat für ausgereiftes Design wird dafür nicht vergeben.
    Gewollter Aufbau von Engpässen, Ausnutzung der Streckenführung, den Gegner Schneiden und Abdrängen, all diese schönen Ärgerfaktoren gibt es nicht. Jegliche Interaktion innerhalb des Rennens bleibt ausschließlich dem Zufall (innerhalb der winzigen Kartenhand) überlassen.
    WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther 4, Walter: 5 (zum Warming-Up durchaus geeignet)
    4. “Fzzzt!”
    Eigentlich hatte aus den Erfahrungen der letzten Wochen keiner so richtig Lust, dieses Spiel nochmals zu spielen, doch Aaron wollte noch eine Mission erfüllen:
    a) Günther mit dem Spiel vertraut machen.
    b) einen intelligenteren Anfang hinlegen.
    Mit Karten ersteigern wir Karten zum Ersteigern von Karten um zum Erringen von Siegpunkten. Günthers Kommentar am Ende: “Ich bin mir noch nicht so ganz klar darüber, was ich von dem ganzen halten soll.”
    Den zweiten Punkt seiner Mission konnte Aaron erfolgreich abschließen. Als Sieger verließ er das Feld.
    Günthers 5 Punkte sind an der unteren Grenze der bisherigen WPG-Wertung angesiedelt.

    04.11.2009: Nagelprobe für Egizia

    Die Einschätzungen unserer Essen-Fahrer über “Vor den Toren von Loyang” sind schlecht bis vernichtend. Der Agricola Vorgänger wurde in Essen hoch gehandelt, und deshalb hat es Günther selbstverständlich in seinen Koffer gepackt. Heute urteilt Moritz “Es ist mit Abstand eines der langweiligsten Spiele, die ich je gespielt habe, 3 1/2 Stunden ödeste Buchhalterei.” Die Siegpunkt-Vergabe ist anti-progessiv. Wer am Anfang ins Hintertreffen gerät, bleibt im Punktemühsal der letzten Phase hoffnungslos hinten. “Ihr werdet es hassen!”
    Günther setzt die Hoffnung auf einen Spielabend ohne Moritz: “Da ich es habe, werden wir es dann irgendwann auch am Westpark probieren …” Wie lautet das bekannteste Zitat von unserem noch lebenden Kaiser: “Schaun mer mal!”
    1. “Egizia”
    Günther, Moritz und Peter hatten bei Hans im Glück schon den Prototyp ausprobieren können und waren begeistert. In der Serienversion ist ein Spielbrett mit Anleihen vom Stone-Age-Design dazugekommen, bunt und antik, aber mit Einbußen in der funktionalen Übersichtlichkeit. Der Nil mäandert sich in einem diagonalen Zickzack-Bogen quer durchs Spielbrett und es ist beim flüchtigen Hinsehen nicht immer klar, in welcher Reihenfolge die Stationen angeordnet sind.
    Die Spieler setzen reihum ein Schiffchen auf eine beliebige Station auf dem Spielbrett und bekommen dafür die individuellen Vorteile der Station: Ernährung für die Arbeiter, Steine für allerlei Bauwerke, Zuwachs an Arbeitern, Baugenehmigungen und dergleichen. Diese verschiedenen Vorteile werden pro Runde als “Nil-Karten” zufällig auf die Stationen verteilt.
    Die Beliebigkeit beim Setzen ist allein dadurch eingeschränkt, daß man ein weiteres Schiffchen nur nilabwärts zu seinem Vorgängerschiff plazieren darf. Wer sich also sehr früh weit nach vorn auf eine besonders begehrte Station begibt, überläßt seinen Mitspielern ohne Gegenwehr alle dazwischenliegenen Stationen. Wer die letzte Station erreicht hat, für den ist die Setzrunde zu Ende, unabhängig davon, wieviele Schiffchen die anderen noch setzen.
    Jeder hat sein Glück weitgehend in der Hand. Natürlich im scharfen Wettbewerb mit seinen Mitstreitern. Die ständig wechselnde Szenerie mit den ausliegenden Nil-Karten, die konkurrierenden Ambitionen der Mitspieler und ihr sich sehr schnell unterschiedlich entwickelnder Besitzstand sind die Herausforderung des Spiel. Engpässe gibt es in jeder Beziehung, aber gleichzeitig auch Entwicklungspotential in jede Richtung; Freud und Leid halten sich vorzüglich die Waage. Ein harmonisches Weiterbringen der benötigten Fortschrittskräfte ist der Schlüssel zum Sieg.
    Der Spielverlauf bietet für jeden Spieler eine deutliche Steigerung seines Handlungsspielraums: die vergebenen Siegpunkte wachsen von Runde zu Runde, und die zu Beginn unvermeidlichen Engpässe können immer leichter beseitigt werden. Ein solches Design zeigt eine erfahrene Handschrift beim Autor und vor allem in der jahrelangen Testphase im Verlag.
    Günther und Moritz mit ihrer HiG- und Essen-Erfahrung rissen sich sofort um das Baumaterial. Moritz konnte sich dann auch noch die Ernährung sichern und mit ein paar günstigen Siegpunktquellen den Sieg davon tragen. Aber nur knapp. Doch auch für die Neulinge in “Egizia” waren die zwei Stunden Spielzeit ein ungetrübtes spannendes Vergnügen.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (stimmige Mechanismen), Günther: 9 (bisher bestes Spiel aus Essen), Moritz: 9 (spannende Konkurrenz), Walter: 9 (auf angenehme Weise komplex)
    Walter schreibt eine Rezension.
    2. “The Adventurers”
    Für einen zweiten Hauptgang reichte die Zeit nicht mehr. Moritz durfte ohne Widerspruch ein mittellanges Spiel aus seinem großen, zuweilen auch eigenwilligen Fundus auf den Tisch legen. Natürlich nicht ohne ein gewisses Mißtrauen durch die Mitspieler. “Ist das ein Fantasy Thema?” “Nein, ein Indiana Jones Thema! Und es hat einfach ein sehr schönes Spielmaterial”.
    Auf ein kariertes Spielbrett werden zwei hübsche Mauerabschnitte (nach Art des Ischtar-Tores im Pergamonmuseum) gelegt und ein Stein, der an die Aufgabenstellung vom Sisiphus erinnert. Die Spieler laufen mit ihren Pöppeln von Feld zu Feld, müssen aufpassen, daß sie von den sich aufeinanderzubewegenden Mauern nicht zerdrückt werden, nicht in tödliche Fallen fallen oder vom Sisiphus-Stein niedergewälzt werden. Unterwegs können sie Schätze aufnehmen, die natürlich ihre weitere Laufgeschwindigkeit beeinträchtigen. Auf dem Weg zum Ziel können sie auch einen Teil schwimmend zurücklegen, wobei sie aber Gefahr laufen, nicht wieder sie rechtzeitig herauskommen, und dann einen Wasserfall hinterfallen und ausscheiden.
    Wer die wertvollsten Schätze ans Ziel bringt, hat gewonnen.
    Und was ist der Motor des Spiels? Der Würfel! Sogar fünf Stück davon. Ein Würfelwurf entscheidet, wieviele Felder wir pro Zug zurücklegen dürfen, wieviele Felder der Sisiphus-Stein hinter uns her rollt, wie schnell sich die Ischtar-Mauern schließen, ob wir lebend über eine baufällige Brücke kommen, und ob wir in den Wasserfall fallen. Wie nennt man auf gut deutsch so ein Spiel? Ein Würfelspiel, und nichts anderes!
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (Wenn ich in Stimmung bin, würde ich es nochmals spielen), Günther: 4 (mag das Alles-oder-Nichts-Prinzip nicht, mit hohem Aufwand wenig erreicht), Moritz: 7 (schönes Material, schnell, eigentlich ein Meisterwerk), Walter: 3 (Sisiphus reicht nicht. Meine Noten beziehen sich auf die WPG-Runde und nicht auf eine fiktive lustige Kinderrunde).
    Moritz war über die schlechte Noten seiner Mitstreiter aufgebracht. Es war doch ein lustiges Spiel! Wir haben doch auch viel gelacht! “Du mußt jedes Spiel nehmen wie eine Frau. Manche sind rot, manche sind blond, manche sind dick, andere dünn. Alle haben ihre Vorzüge, und die mußt Du sehen.” Aaron: “The Adventurers ist in diesem Sinne keine intelligente Frau, sondern eine, die einfach nur aufgemotzt ist.” Walter: “Ich vögele nicht jede Frau!”
    3. “Bluff”
    Aaron schlug eine neue WPG-Variante vor: Jeder darf sich unter seinem Würfelbecher aus Herzenslust eine beliebige Würfelkombination zusammendrehen. Dann läuft das Spiel wie normal an. Gesagt getan!
    Walter startete mit der Vorgabe: 10 mal der Stern. Eigentlich wollte er auf 20 mal den Stern setzen, aber soweit reichte das Spielbrett nicht. Hilfsweise addierten wir beim Überrunden des Startfeldes noch 10 Sterne hinzu, so daß Moritz auf 11 mal den Stern heben konnte. Aaron zweifelte an.
    Günther und Walter hatten je fünf Sterne unter ihren Bechern, Aaron zwei Sterne und Moritz keinen. One Down is good Bluff.
    Die Variante – obwohl überraschend, lustig und sogar praktizierbar – wurde zunächst noch einmal zurückgestellt.

    28.10.2009: Erste Früchte aus Essen

    Aaron, Günther und Moritz sind aus Essen zurück. Die Spielmesse wird von Jahr zu Jahr größer, voller und gigantischer. “Wie war die Stimmung?” Besser als letztes Jahr, wo die Wirtschaftskrise gerade zum Durchbruch kam. Wenn die Leute weniger Geld für Vergnügen und Gastronomie ausgeben, dann bleiben sie zu Hause und spielen auch häufiger. Inshallah!
    1. “Im Wandel der Zeiten – Das Würfelspiel”
    Ein Würfelspiel zum Erwürfeln von weiteren Würfeln, zum Erwürfeln des Rechts auf Erneutes-Würfeln, zum Erwürfeln von Erträgen an Waren und Nahrungsmitteln und zum Erwürfeln von erhöhten Erträgen bei Waren und Nahrungsmitteln. Dieses Prinzip ist von “Um Krone und Kragen” her bestens bekannt, allerdings ist die Aufmachung etwas pfiffiger, jeder hat das Gefühl, er sei seines Glückes Schmiedchen und recht zügig – in 30 Minuten – ist ein Spiel über die Runden gebracht.
    Unser Moritz hatte die Gewinn-Strategie als erstes durchschaut: Die höchste Priorität beim Würfeln hat die Erhöhung der Würfelzahl, mit denen man ab der nächsten Runde würfeln darf, dann erst muß man sich um die siegpunkte-trächtigen Würfelergebnisse kümmern. Am Ende ergibt sich der Sieg aus der Summe aller Errungenschaften, die man sich im Laufe des Spiels erwürfeln konnte.
    Zum Spielmaterial gehört ein hübsches Holzbrett auf dem jeder Spieler seinen Besitzstand an Waren und Nahrungsmitteln markieren kann. Weiterhin bekommt jeder ein ausgefeiltes Formularblatt, auf dem er seine Errungenschaften notieren kann. Didaktisch gelungen und übersichtlich. Aber halt nur ein Würfelspiel.
    Frage am Rande: Ist im Grunde nicht auch der Massenanziehungssport Fußball nur ein Würfelspiel? Man betrachte nur das Pokal-Ergebnis zwischen der Spielvereinigung Greuther Fürth – und dem Schwabenstolz VfB.
    WPG-Wertung: Moritz: 8 (schnell und gelungene Thematik), Aaron: 6 (schnell, sucht noch die Thematik), Walter: 6 (schnell, sucht auch noch die Thematik).
    2. “Tammany Hall”
    Wir sind New Yorker Aborigines auf der Südspitze von Manhattan und müssen den Einwandererstrom auf unsere politische Seite ziehen, damit wir Bürgermeister werden und Siegpunkte verbuchen können.
    Ein Spiel besteht aus 4 Phasen (“Amtszeiten”) zu je 4 Zügen (“Jahren”). Einwanderer verschiedener Nationalität tauchen vor der Küste auf, und wir dürfen pro Zug zwei Pöppel (“Bezirksbosse unserer Partei”) auf beliebige Regionen in Manhattan setzen oder einen Einwanderer-Kubus in unsere Region lassen und dafür einen Einwanderer-Bonus kassieren.
    Alle 4 Jahre wird gewertet, wer in einer Region die meisten Bezirksbosse sitzen hat und wer von den verschiedenen Einwanderer-Nationen jeweils die meisten auf seine Seite gezogen hat. Entsprechend werden Siegpunkte verteilt.
    Gegen die Bezirksbosse der Mitspieler dürfen wir Verleumdungskampagnen entfachen. Der Verleumdete kann sich nicht wehren, sondern ist unweigerlich ein toter Mann; allerdings muß der Verleumder dafür einen Einwanderer-Bonus abgeben, so daß sich die Vor- und Nachteile auf beiden Seiten ziemlich ausgleichen. Nur der unbeteiligte dritte und vierte Mitspieler kommt ungeschoren davon. Klares Prinzip: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte.”
    Dieses Prinzip ist natürlich kontraproduktiv zum naheliegenden und gewollten Verleumdungskampf gegen den politischen Gegner. Ein wichtiges Spielelement schadet dem, der es anwendet und dem, gegen den es angewendet wird. Das erscheint zweifellos als eine Schwäche des Spiels. Unsere Lämmer Aaron und Walter gingen sich gegenseitig wie die Wölfe an die Wolle und unser Wolf Moritz spielte friedlich wie ein Lamm und konnte so haushoch gewinnen.
    Moritz übernahm ab der zweiten Amtsperiode den Bürgermeisterposten und gab Walter einen lukrativen Unterposten innerhalb der Administration. Hocherfreut nahm Walter den Posten an und bot Moritz gleich einen Deal an: “Wenn Du mir in der nächsten Amtsperiode den gleichen Posten gibst, greife ich Dich in dieser Amtperiode nicht an!” Moritz sagte bedenkenlos zu. Da ereiferte sich Aaron: “Das ärgert mich jetzt richtig! Moritz, das ist dumm, was Du jetzt machst! Das ist Kingmakerei!” Dabei half Moritz mit seinem Eingehen auf diesen Nichtangriffspakt nicht einem Dritten auf dem Thron, sondern er sicherte sich seinen eigenen Thron und verhalf Walter damit nur auf den zweiten Platz. Also war das höchstenfalls Queenmakerei. “Honi soit qui mal y pense!”
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (wie “El Grande” komplex), Moritz: 6 (reizt nicht zum Wiederholen; wie “El Grande” simple), Walter: 7
    3. “Fzzzt!”
    Der Name soll an den Zischlaut erinnern, wenn ein elektrischer Funke überschlägt. Auf der Schachtel steht als Kurzbeschreibung: “A futuristic robot auction game with some dodgy mechanics”, auf Babelfish-Deutsch: “Ein futuristisches Roboterauktionspiel mit einigen zweifelhaften Mechanikern”.
    Ein Kartenspiel zum Ersteigern von Karten, mit denen man erstens Siegpunkte gewinnt oder mit denen man zweitens seine Kartenhand laufend verbessert. Also quasi ein Biet-Dominion.
    Im eingeschwungenen Zustand darf sich jeder Spieler 6 Auktionskarten aus seiner Kartenhand auswählen und damit auf ausliegende Karten bieten. Verdeckt bieten! Dieses Bietchaos ist der ganze Witz des Spiels. Immerhin. Wer am Ende die beste Kombination von Karten ersteigert hat, ist Sieger.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (aus Ärger über seinen grottenschlechten ersten Zug, der seinen Totalverlust besiegelte, Moritz: 7 (besitzt Lerneffekt; beim nächste Mal würde ich manches anders spielen), Walter: 6 (ganz lustig, mag aber keine blinden Auktionsspiele)

    21.10.2009: Feilen an der weichen Landung

    Das Gros der Westpark-Gamer ist auf dem Weg nach Essen. Nur das Urgestein Aaron und Walter trafen sich als frischgebackene Frührentner, um über ihre künftige Zusammenarbeit beim Spieldesign oder Spielredesign zu reden. Die Gemahlin des Gastgebers bot sich sogar noch als dritter Mann für einen Skat an, doch die harte Arbeit an der Zukunft des deutschen Brettspiels ging vor.

    1. Soft Landing
    Als Objekt für das erste Feilen wurde “Soft Landing” ausgewählt, ein Spiel zum Selberbasteln aus dem Internet. Bei der ersten Begegnung hatten wir durchaus den Eindruck, daß das Spiel gute Ideen enthält, aber noch gewaltig holpert.
    In einem Wirtschaftsspiel sollen wir als Global Player Waren produzieren und damit auf dem Weltmarkt Siegpunkte machen. Doch die Produktion ist zähflüssig, die Logistik zwischen Produktionsstätten und Lager unbefriedigend, die Dynamik beim Spielende abgeflacht und der Zufallseinfluß für ein Planspiel viel zu hoch.
    Folgende Verbesserungen wurden im Stile eines guten Westpark-Gamers-Design einstimmig beschlossen und getestet:
    a) Mehr Spielraum in der Produktion
    Die eng begrenzten Lager-Kapazitäten werden aufgehoben. Beliebig viele Waren jeder Sorte können produziert, gelagert und von Runde zu Runde übertragen werden.
    b) Eliminiation der Kingmakerei
    Mit den Sondereigenschaften darf man nur eigene Spielsteine bewegen, nicht aber die von Mitspielern. Man kann keine fremden Spieler in Katastrophengebieten zusammenziehen, und man darf auch nicht den Lieblingsspieler aus dem Katastrophengebiet retten, während man den Lieblingsgegner dort untergehen läßt.
    c) Reduzierter Zufallseinfluß
    a) Der Eintritt von Katastrophen ist nicht mehr vom Ergebnis dreier Würfel mit einer Schwankungsbreite von 3 bis 18 abhängig, sondern tritt ganz definiert auf, wenn sich eine feste Anzahl von Spielsteinen im jeweiligen Katastrophengebiet befindet. Angemessen ist dafür bei kleinen Katastrophen die Anzahl der Mitspieler plus 1, und bei großen die doppelte Spieleranzahl.
    b) Von den Siegpunkten für die “New Era” profitiert nicht nur der Spieler, der zufällig gerade die meisten Steine in diesem Feld abgelegt hat, wobei hier sogar noch ein additiver Würfelwurf dem Zufall Tür und Tor öffnet, sondern alle Spieler erhalten so viele Siegpunkte, wie sie hier Steine deponiert haben.
    d) Keine Dynamikbremse gegen Spielende
    – Die Preise für einen Siegpunkt steigen nicht von 1 Ware am Spielanfang bis zu 5 Waren am Spielende, sondern bleiben konstant bei 1 bis 3 Waren.
    – Die vergebenen Siegpunkte für das Nutzen von Sondereigenschaften fallen nicht unter ein Minimum, das in der Endphase oft genug bei Null liegt, sondern sie werden zu Begin jeder Runde auf mindestens einen Siegpunkt angehoben. Zusätzlich werden nicht nur Spielerzahl/2 neue Siegpunkte, sondern jeweils Spielerzahl neue Siegpunkte (jeder Spieler legt einen) auf die Attributfelder gelegt.
    e) Reduzierung des Behindertenbonus
    In der Originalfassung darf allein der am weitesten hinten liegende Spieler die zusätzlichen Siegpunkte beliebig auf die Attributfelder verteilen. Natürlich berücksichtigt er dabei ausschließlich seine eigenen Sondereigenschaften, und da er auch noch in der Zugreihenfolge vorne liegt, ist seine Siegpunktausbeute allein aus diesem “Behindertenbonus” heraus leicht um vier Siegpunkte höher als die seiner Mitspieler. Das ist vom Prinzip her zwar eine gute Idee, in der Ausführung aber viel zu kraß. Der Bonus soll doch die Spielerpositionen nicht völlig auf den Kopf stellen. Nach der Originalregel dümpeln die vorderen Spieler in dieser Phase nur noch vor sich hin und kommen kaum einen Siegpunkt vorwärts.
    Von den, bei 4 Spielern, vier neuen Siegpunkten – gemäß Punkt d) – darf jeder Mitspieler einen Punkt auf das Attributfeld seiner Wahl legen. Der letzte Spieler profitiert dann immer noch davon, daß er als erster ziehen darf und pro so Attributfeld die meisten Siegpunkte abkassieren darf.
    f) Weniger Denkzeit zwischen den Zügen
    Mit diesen Regeländerungen ist das Spiel gerechter und berechenbarer. Da hiermit aber auch die Denkzeit für jeden Spieler steigt, und das den anderen auf die Nerven fallen kann, darf in der Aktionsphase jeder Spieler reihum immer nur einen Zug machen, bis alle passen. Das bringt gleich drei Vorteile mit sich:
    – Jeder Spieler braucht bloß den nächsten Zug vorauszudenken und nicht gleich alle seine 10 und mehr Züge in den vier Aktionsphasen Use-special-abilities, Trade, Streß und Purchase.
    – Die anderen Spieler kommen schneller wieder an die Reihe.
    – Die untragbar extreme Benachteiligung der vorderen Spieler bei den sinkenden Preisen auf den Attributfeldern entfällt.
    g) Fazit
    Mit diesen Änderungen können vier gründlich planende Spieler in weniger als 2 Stunden ein anspruchsvolles Wirtschaftspiel über die Runden bringen. Über weitere Möglichkeiten der Spielzeitverkürzung wird nachgedacht.

    2. Wünnenbergs “Quitt”
    Zum Absacken noch ein 2-Personen Strategiespiel aus dem Wünnenberg Verlag Dortmund. Der Verlag hat vor rund einem Jahrzehnt in einheitlicher Aufmachung insgesamt rund 50 solcher “Spiele der Welt” herausgebracht, ist damit aber offensichtlich nicht über die Runden gekommen. Bei Luding ist kein einziges davon rezensiert und Quitt fehlt vollständig.
    In “Quitt” wird ein quadratisches 7 mal 7 Felder großes Spielbrett diagonal zwischen die Spieler gelegt. Jeder Spieler besetzt mit seinen 15 Spielsteinen die ihm zugewandte Ecke. Die Spieler ziehen geradeaus oder schräg vorwärts auf benachbarte freie Felder. Steht ein Stein unmittelbar vor einem gegnerischen Stein und ist das dahinterliegende Feld frei, so muß der Gegner diesen Stein schlagen. Wer als erster keine Steine mehr hat, hat gewonnen.
    Unklar in den Regeln blieb, ob man auch rückwärts schlagen darf. Wenn das nicht der Fall ist, dann befinden sich früher oder später hinter beiden gegnerischen Reihen Steine, die nicht mehr geschlagen werden können. Das Spielziel, nämlich “der Verlust aller eigenen Steine” ist somit oft genug für keine der beiden Seiten erreichbar. Was dann?
    Keine WPG-Wertung

    14.10.2009: Neue, alte und ganz alte Spiele

    “Wenn ich heute etwas überzwergs schreibe, so ist das kein Wunder. Hinter mir spielt man ein Spiel du Pharao, auf meiner Rechten ein Hoca, auf meiner linken ein Ombre und Schachspiel und nahe bei dem Bett ein Berlan. Also könnt ihr wohl denken, welch ein abscheulicher Lärm in meiner Kammer sein muß.”
    Wer kennt heute noch die Spiele, mit denen die beklagenswerte Liselotte von der Pfalz vor 300 Jahren bei ihrem Briefeschreiben belästigt wurde?
    1. “Waterloo”
    Moritz war heute nach Nostalgie-Stimmung. “Waterloo” hat immerhin schon ein sechstel der Zeitspanne zwischen heute und der guten Liselotte auf dem Buckel: 1974 wurde es von Parker Brothers in deutscher Version herausgebracht, die amerikanische Urversion “Campain” stammt aus dem Jahre 1962.
    Bei vier Mitspielern kämpfen Rußland, Österreich, Spanien und Frankreich den bösen Kampf des Lebens um die Vorherrschaft in Europa. Auf dem Spielbrett sind ihre Länder symmetrisch in den vier Ecken angeordnet. Ähnlichkeiten zur lebenden oder toten Geographie sind rein zufällig.
    Die Spieler besitzen Infanterie, Kavallerie und je einen General, die ganz brav in den Ecken ihrer Spielfeldecken ihre Ausgangsstellung einnehmen. Die Figuren bewegen und schlagen sich auf dem karierten Spielbrett waagrecht und/oder diagonal ganz wie Türme, Läufer und Dame im Schach. Die jeweilige Reichweite wird wie bei “Monopoly” mit 2 Würfel ausgewürfelt. Die Augenzahl darf beliebig auf die einzelnen Figuren verteilt werden. Dabei muß sich der “Turm” aber pro Augenzahl um genau zwei Felder weiterbewegen. Konsequenz daraus ist, daß es wie bei den Läufern “weiße” und “schwarze” Türme gibt, die ihre Farbe nicht wechseln und sich gegenseitig nicht schützen können. Überhaupt erfordert es eine elende Analyse, für jede einzelne Figur zu berechnen, wen sie schützt – wenn überhaupt – und wie oft sie geschützt ist – wenn überhaupt!
    Gewinner ist, wer als erster 8 fremde Städte (von 20) erobert hat und sie halten kann, was natürlich im chaotischen Planspiel gegen drei Mitspieler fast nicht möglich ist, es sei denn, man hat die Figuren der (meisten) Gegenspieler wie beim Anfängerschach erst mal auf Null reduziert. Wenn ein Spieler alle seine Figuren verloren hat, ist für ihn das Spiel zu Ende, leider aber für die anderen Spieler nicht. Wie beim “Monopoly” scheidet er aus und muß warten, bis sich am Ende ein einziger Monopolist gegen alle übrigen Mitstreiter durchgesetzt hat.
    Zu Beginn wird angenommen, daß alle Spieler die vier Städte im eigenen Land “besetzt halten”. Die Spielanleitung benutzt hier ganz eindeutig nicht den Begriff “besitzen”. Auch in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts galt noch, daß das Militär nichts “besitzt”, sondern alles nur “besetzt”!
    Es dürfen Bündnisse und Nichtangriffspakte geschlossen werden. Z.B. können sich zwei Mitspieler darauf einigen, sich gegenseitig die eigenen vier Städte erobern zu lassen. Dann hat jeder schon mal die Hälfte der Siegbedingungen erfüllt. Doch wie im richtigen Leben kann jede Seite jederzeit ihr Bündnis aufkündigen und den vertrauensseligen Partner abmurksen, sobald er im Kampf gegen die Unbündigen schwächelt.
    Moritz knüpfte sofort ein Bündnis zwischen Rußland und Frankreich und bevor das Spiel auch nur aus den Startlöchern kam hatten beide Länder schon die preußischen Städte unter sich aufgeteilt. Dann erst wachten die etwas behäbigeren Habsburger aus Madrid und Wien auf, und teilten sich die italienischen Städte auf dem rechteckigen Zwischenstiefel.
    Das Spiel war aber immer noch nicht in Schwung, Bewegungswürfe von 3 und kleiner trugen dazu bei, daß die Truppen nur langsam in die erforderlichen strategischen Positionen zum Losschlagen kamen. Aaron ahnte schon nach wenigen Minuten, daß unsere aktuelle Ausdauer für ein erneutes “Waterloo” wohl nicht ausreichen würde. Moritz war dem grundsätzlich nicht abgeneigt, doch wollte er wenigstens den ersten Kampf sehen.
    Das topologische Problem der weißen und schwarzen Türme – schwer zu meistern, da das Spielbrett kein Schachbrettmuster enthält, sondern aus einfarbigen Karos besteht – war früh erkannt, doch nicht gelöst worden. Walter kam selbst nach einer Stunde Spielzeit immer noch nicht mit den Bewegungsregeln zurecht, viel weniger noch mit der Beherrschung der Angriffs- und Verteidigungsstärken jeder einzelnen seiner 12 Figuren. Wie ein Blinder im Nebel kann man in Waterloo keinen Pappenstil gewinnen.
    Moritz hatte das Spiel vor Jahrzehnten mit seinen Freunden gespielt. Damals sind sie mit König und wenigen Mitläufern durch die Lande gezogen und haben sich gegenseitig platt gemacht, bis am Ende mit wenigen Figuren das Endspiel erreicht war. Wie Anfänger beim Schach. Das ganze dauerte jeweils mehr als drei Stunden. Soviel wollten wir diesmal von unserem kostbaren Abend nicht opfern.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (möchte es nicht nochmals spielen), Günther: 4 (fühlt sich bei dieser Note etwas schuldig), Moritz: 5 (in memoriam 1974), Walter: 5 (hat die Raffinesse noch nicht durchdrungen).
    2. “Das Spiel der Nationen”
    Noch ein Spiel von Parker aus den siebziger Jahren. Als Spielmotor wurden vom Autor diesmal nicht die “Monopoly”-Würfel, sondern das Geld und die Ereigniskarten herangezogen. Ein Ölkontinent ist in verschiedene Länder mit Ölvorkommen und Ölverlade-Anlagen eingeteilt. Pro Zug können / müssen / dürfen die Spieler:
    1) Geldeinnahmen aus ihrer Ölförderung erzielen
    2) Eine neue Landesregierung einrichten bzw. vorhandene Regierungen bewegen
    3) Einen Geheimagenten bewegen (er erschwert die Bewegung der fremden Regierungen)
    4) Schiffe zu ihren Ölverlade-Anlagen hinzukaufen
    5) Pipelines zwischen Binnenländern und Meeranrainern bauen
    Alles ist sakrisch teuer. Mit 8 Mille geht jeder Spieler ins Rennen. Eine demonarchische Regierung kostet schon allein 2 Mille. Pro Spielerzug muß sie bewegt werden, auch wenn das sinnlos ist; das kostet auch schon wieder 2 Mille. Eine anarchische Regierung kostet immerhin noch 1 Mille pro Einrichtung und Bewegung. Und wenn die Regierung nicht in der Hauptstadt ist, gibt es kein Fördergeld. Schon allein wegen des Bewegungszwanges braucht man eine zweite billige anarchische Regierung, mit der man die die teuren und sinnlosen Bewegungen ausführt, damit wenigsten die andere Regierung in ihrer Hauptstadt bleiben und Einnahmen erzielen kann.
    Ein Schiff kostet 5 Mille, eine Pipeline auch. Da ist man seine Peanuts-Geldausstattung schneller los, als die bayerische Landesbank unsere Ersparnisse an den Lehmann bringen kann. Wer kein Geld mehr hat, scheidet aus. Ohne das Spiel zu beenden – aber das hatten wir schon.
    Ein anhaltendes homerisches Gelächter erhob sich, als die krassen Zugmöglichkeiten analysiert wurden: Walter konnte in seinem dritten (!) Zug bereits mit seiner Revoluzzer-Regierung Günthers König entthronen und seine Ölvorkommen übernehmen. Günther konnte gerade noch seine Schiffe retten, blieb aber hilflos ohne jede Einnahmequelle und wäre nach weiteren drei Zügen unausweichlich pleite gewesen, wenn … ? Ja, wenn er nicht aus lauter Verzweiflung auf ein Ereignisfeld gezogen wäre, das ihm 6 Mille zuschusterte, mit denen er in einem neuen Land ein neues Leben beginnen konnte. Diese Spielbalance ist absurd. Moritz verteidigte sie als “normale” Erscheinung in den Spielen der siebziger Jahre. Aber so ganz kann ich ihm diese Behauptung nicht abnehmen.
    Walter konnte der Verlockung der Ereignisfelder ebenfalls nicht widerstehen. Doch hier wurde sein Leichtsinn bitter bestraft. Er verlor die Hälfte seiner Schiffstonage und konnte mit dem Rest seine laufenden Ausgaben für Regierung und Exploration nicht mehr bestreiten. Es war tatsächlich sein Aus, und nach WPG-Verständnis war es auch das Ende des Spiels.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (im Gegensatz zu “Waterloo” keine Topologie-Probleme), Günther: 3 (reines Glücksspiel), Moritz: 6 (weil so viel gelacht wurde + weil es damals gut war), Walter: 3 (könnte funktionieren, wenn die vielen krassen Effekte restlos eliminiert würden).
    3. “Kunststück”
    Ein “Krimi-Kartenspiel für clevere Kunsthändler”.
    Aus verdeckten Kartenstapeln ziehen die Spieler Karten für “Kunstwerke” verschiedener Stilrichtungen (Renaissance, Barock, Romantik etc.) bzw. für verschiedene “Galerien” (Pinakothek, Städel Museum, Kunsthalle etc.) und Aufträge, nach denen sie Kunstwerke vorgegebener Stilrichtung an beliebige Galerien oder beliebige Kunstwerke an vorgegebene Galerien verkaufen können.
    Es geht also darum, passende Sets von Karten zu ziehen, zu sammeln und abzulegen. Das ganze riecht nach Romme oder Quartett. Allerdings gibt es dabei ein Regelbeiwerk, das dem ganzen schon eine intellektuelle Note verleiht.
    Die Spieler dürfen maximal 3 Karten in der Hand haben. Alle weiteren Karten müssen sie in eine private Ablage tun (Kapazität: 3 Karten) oder an öffentliche Stapeln offen ablegen, wo sie jedem Mitspieler zur freien Verfügung stehen. Beim Ziehen einer jeder Karte muß man also herumschauen, welche passenden Karten öffentlich herumliegen, welche Karten man privat in der Ablage hält und welche Karten auf der Hand sind. Ergibt sich daraus ein passendes Quartett (es reicht schon ein Trio), dann kann die entsprechenden Karten einsacken.
    Die wichtigsten strategischen Überlegungen gehen darum:
    1) Wie viele Karten soll man in der Hand behalten, zwei oder drei? Mit zwei Handkarten ist man flexibler beim Aufnehmen der nächsten Karte, bei drei Karten hat man mehr unbekannte Überraschungen für die Mitspieler auf der Hand.
    2) Sammelt man Kunstwerke oder Aufträge innerhalb der maximal drei Handkarten?
    Das ist der ganze Witz, die Herausforderung, die Spannung und das chaotische Zufallselement des Spiel. Ein lockerer Spaß für hochbegabte Schulanfänger.
    Und welches sind das Krimi-Elemente? Es gibt eine “Razziakarte”, mit der man einen Mitspieler zwingen kann, seine in der Privat-Ablage ausliegenden Karten auf die öffentlichen Ablagen zu verteilen. Wir nutzten diese Möglichkeit während des ganzen Spieles gerade zwei mal. Aus Faulheit oder Bequemlichkeit, oder weil der Effekt relativ unerheblich ist. Moritz: “Und das waren die spannendsten Momente im ganzen Spiel!”
    In der Spielregel steht noch, daß “Timing” gefragt ist. “Jawohl” bestätigte Günther “zum richtigen Zeitpunkt vom verdeckten Stapel die richtige Karte ziehen”.
    Moritz: “Die heutigen Spiele sind auch nicht besser als die alten!” Und damit meinte er nur das letzte Jahrhundert, gewiß nicht die Spiele, mit denen am Hofe des Sonnenkönigs die Luder und Luderinnen ihre Zeit vertrieben, und bei denen die gute Liselotte es vorzog, lieber Klagebriefe zu schreiben.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (etwas zu lang, sonst OK), Günther: 4 (für Kinder zu komplex), Moritz: 4 (Grundidee ganz hübsch, die Karten auch, aber es fehlen Höhen und Tiefen), Walter: 5 (für Kinder OK).

    4. “Bluff”
    Zwei ganz extreme Würfelkombinationen:

    Erstens: Im Endspiel Aaron (5 Würfel), Günther (2) und Moritz (4) legte Aaron 4 mal die Vier vor, Günther hob auf 5 mal die Zwei und Moritz auf 6 mal die Zwei.
    Aaron strahlte, er hatte unter seinen 5 Würfeln keine einzige Zwei: “Das geht nur, wenn ihr alle nur Zweier habt” Und genau so war es. Aus mit dem Strahlen.Beim Absacken
    Zweitens: Alle vier Spieler hatte noch ihre 5 Würfel und Aaron begann mit 7 mal die Fünf. Günther hob auf 8 mal die Drei, Walter auf 5 mal Stern und Moritz auf 10 mal die Zwei.
    Aaron hatte wieder keine einzige Zwei unter seinem Becher und zweifelte hoffnungsvoll an. Jetzt strahlte auch Günther, er hatte ebenfalls keine einzige Zwei geworfen. Walter zeigte mit gemischten Gefühlen seine 3 Sterne und 2 Zweier. Moritz konnte erneut triumphieren: Er hatte ebenfalls lauter Zweien unter dem Becher und konnte seinen Mitspielern je einen Würfel abknöpfen.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    30.09.2009: Entdeckungen in Marracash

    Aaron und Walter hatten heute beide ihren letzten Arbeitstag. In ihrem Leben!
    Wenn dieser Session-Report im Internet steht, fängt das Leben an.
    1. “Zeitalter der Entdeckungen”
    Ein Wirtschaftsspiel mit Geld, Schiffen, Handel und siegpunkt-trächtiger Beteiligung an Forschungsunternehmen. Die Spieler haben ihr Schicksal vollständig in der Hand. Sie kaufen Schiffe aus der offenen Auslage (große teuere oder kleine billige), erledigen Handelsaufträge aus der offenen Auslage (große oder kleine , kurz- oder langfristige), erzielen Gewinne und kaufen sich wieder neue Schiffe. Irgendwann muß man seine Schiffe aus dem Handelskreislauf ziehen und sie auf Forschungsreisen schicken, denn nur so werden Siegpunkte gemacht.
    Für die verschiedenen Spielentscheidungen ist ein wohlproportioniertes Abhängigkeitsnetz aufgebaut: Große Schiffe kosten mehr Geld, können dafür aber ein größeres Handelsvolumen bewältigen; in der Siegpunktwertung auf Forschungsreisen zählen dagegen alle Schiffe gleich viel. Größere Handelsaufträge benötigen höhere Tonnagen, bringen aber auch einen höheren Gewinn ein. Dabei kann frei gewählt werden, ob ein Handelsauftrag in 1, 2 oder 3 Runden abgewickelt wird. Längerfristige Abwicklung bindet Schiffskapazitäten, erzielt am Ende aber auch einen höheren Erlös. Alles rational und stimmig.
    Beim Handel ist Interaktion kaum spürbar; sie beschränkt sich auf die wetteifernde Auswahl um die am besten passenden Schiffe und Handelsaufträge.
    Hier mußte mutwillig etwas Schmalz dazugegeben werden. Moritz hatte gerade das erste Schiff gekauft, da fuhr ihn Aaron auch schon von der Seite an: “Das war äußerst aggressiv gegen mich!” “Ich habe selten einen unaggressiveren Zug gemacht!” “Ich war aber doch noch gar nicht dran, du Blödmann!” “Sag doch gleich: 'Du W.c.s.r' zu mir!” – Keine Panik, kein Sittenverfall, alles nur Oktoberfeststimmung!
    Erst wenn der Run auf die Forschungsaufträge einsetzt, entsteht Konkurrenz, und zwar ziemlich abrupt. Wer sich hier nicht schnell genug engagiert, kann seine teuer erworbenen Schiffe und die damit gewonnenen Barmittel in der Pfeife rauchen. Er bringt sie auf dem begrenzten Forschungsareal nicht mehr unter und kriegt dafür keine Siegpunkte.
    Die offen erzielbaren Siegpunkte werden durch eine für jeden Spieler verschiedene Sonderwertung ergänzt: Spieler A bekommt 9 Punkte für jeden Forschungsauftrag, den er ganz alleine durchführt. Spieler B bekommt 7 Punkte für jeden Forschungsauftrag, bei dem er die absolut meisten Schiffe eingesetzt hat. Spieler C bekommt 6 Punkte für jeden Forschungsauftrag, bei dem er mindestens die Hälfte aller eingesetzten Schiffe besitzt. Spieler D bekommt 5 Punkte für jeden Forschungsauftrag, bei dem er mit mindestens einem Schiff beteiligt ist. Diese Punktwerte werden noch mit der Anzahl erledigter Handelsaufträge multipliziert. Dieses ist der einzige Schwachpunkt des Spiels. Kann da nicht bereits ein Blinder mit der Krücke fühlen, daß Spieler D am besten dran ist? Hans war der Glückliche und zog mit 30 Sonderpunkten an die Spitze.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (früher 7. “Das Spiel macht Spaß, die Frustbedingung kommt hinter”), Hans: 4 (“Ohne die Sonderwertung wäre es ein 7 Punkte Spiel”), Moritz: 5 (“So viele Punkte weil’s funktioniert. So wenig Punkte, weil’s beim ersten Mal toller war.”), Walter: 6 (“für die Balance, abzüglich Sonderwertung”).
    Walter hat schon eine Rezension geschrieben.
    2. “Marracash”
    1996 von Kosmos herausgebracht lag das Spiel schon im vorigen Jahrtausend am Westpark auf dem Tisch. Allerdings hatten wir damals noch keine Internet-Seite, und deshalb hat das Spiel noch keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Selbst die Freaks unter uns waren nicht einmal sicher, ob sie das Spiel schon gespielt hatten oder nicht.
    Wir ersteigern oder versteigern Läden, bringen Käufergruppen in die Altstadt, führen die Käufergruppen durch die Straßen, wo sie sich in den verschiedenen Läden verlieren. Für ersteigerte Läden zahlen wir viel Geld, für versteigerte Läden bekommen wir Provision. Jeder Kunde in unserem Laden bringt progressive Einnahmen; wurden sie von Mitspielern angeschleppt, müssen wir ihnen Provisionen zahlen. Die Topologie der Straßen von Marracash in Verbindung mit der Verteilung des Ladenbesitzes der einzelnen Mitspieler, die Zusammensetzung und die Größe der vor den Stadtmauern wartenden Käufergruppen und die nur zu ahnenden Ambitionen der Mitspieler stellen eine hübsche Herausforderung dar. Mitspielerchaos eingeschlossen. Immerhin befand unser Hausdenker ziemlich schnell: “Schon lustig, das Spiel!” Klar, für einen Hobbydenker!
    Irgendwie lag heute ein bemerkenswerter Spieleifer in der Luft. Versteigerungen um lauter gleichartige Läden wurden mit einer Ernsthaftigkeit durchgeführt, als gelte es die Präsidentschaft der Baltimore & Ohio zu erwerben. Bei einem Aktionspreis von 475 Dirham wurden gewaltige Denkprozesse in Gang gesetzt, nur um zu bestimmen, ob ein Laden nicht doch 500 Dirham wert sei.
    Dabei wird das Spiel nicht durch die meisten oder besten Läden entschieden, sondern durch eine gute Mischung aus Geben und Nehmen. Vielleicht kann man sogar ohne eigenen Laden das Spiel gewinnen, wenn man nur immer seinen Mitspielern genügend Kunden zuführt und die Provisionen kassiert. Walter hatte nur einen einzigen Laden, Aaron einen einzigen Laden zuviel ersteigert. Dazwischen lagen die Welten von Sieg und Niederlage.
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (“flott”), Hans: 7 (“richtiges Timing gefordert”), Moritz: 6, Walter: 7 (“locker”).
    3. “6 nimmt”
    Dieser frühere Standardabsacker lag vor gut 2 Jahren zum letzten Mal bei uns auf dem Tisch. Bis heute hat er nichts von seinen Qualitäten verloren.
    Wir erfanden zwei neue Verteilungsprinzipien:
    a) Moritz-Variante : Um mehr Verteilungsgerechtigkeit zu erzielen und die bisherigen Gewinn-Strategien zu erschüttern: Jeder Spieler bekommt aus jedem Zehnerbereich (1-10, 11-20, … , 91-100) genau 1 Karte.
    Effekt (statistisch noch nicht gesichert): Die Zahlen in den ausliegenden Stapel liegen deutlich näher beisammen. Die Minuspunkte in der Endabrechnung ebenso.
    b) Flaschenteufel-Variante: Die Karten werden normal ausgeteilt, hinterher gibt jeder Spieler an jeden anderen je eine beliebige Karte ab.
    Effekt: Extreme Ungleichgewichte in der Kartenverteilung werden ausgeglichen, da ein Spieler mit vielen hohen Karten in der Hand eher ein paar hohe Karten abgibt, und ein Spieler mit vielen niedrigen Karten eher ein paar niedrige. (Statistisch noch nicht gesichert, aber pfiffig.)
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    23.09.2009: Weiche Landung bei Prinzessinnen

    Es gibt Tage, da kann ein beliebig-mieses Spiel auf den Tisch kommen, trotzdem ist die Stimmung gelöst, locker, konstruktiv und der Abend hinterläßt eine spielerische und emotionale Befriedigung. Es gibt aber auch Tage, da liegt Spannung, Kratzbürstigkeit und Aggressivität in der Luft, die Spiele werden abgebrochen und bekommen schlechte Noten. Wenn dann die Gummibärchen nicht so nahrhaft wären, würde ein jeder hungrig nach Hause gehen.
    Woran das liegt, das ist noch nicht ermittelt. Sicherlich spielt die individuellen Zusammensetzung der Runde eine gewisse Rolle. Doch weitere Details bedürfen noch einer gründlicheren Analyse. Packen wir’s an.
    1. “Genji”
    Autorenname Dylan Kirk und Verlag Z-Man Games sind amerikanisch, doch das Thema, in dem sich “Genji” tummelt, ist absolut japanisch: “Eine romantische Flamme aus der Hochzeit der Heian Epoche”, so lautet der Untertitel in der Spielregel.
    Wir müssen an 12 Höfen die Prinzessinnen mit Gedichten becircen. Dazu erhält jeder Spieler pro Runde 5 Karten mit Gedicht-Anfängen oder Gedicht-Enden. Lesen können wir die japanischen Zeichen natürlich nicht, und auch die amerikanischen Übersetzungen sind beim Spielen nicht von Bedeutung. Wichtig ist, daß die Gedichte zur gerade herrschenden Jahreszeit und zu den Vorlieben der jeweiligen Dame passen, und das ist an entsprechenden Piktogrammen eindeutig abzulesen. Manche Damen bevorzugen Melancholie, andere Romantik oder Naturliebe.
    Jeder Spieler zieht mit seinem Pöppel von Hof zu Hof und legt seiner Dame entweder eine Karte mit einem halben Gedicht oder zwei Karten mit einem ganzen Gedicht zu Füßen. Er kann dabei auch mit einem besser passenden Gedicht die Gedichtskarten seinen Vorgänger verdrängen. Man braucht nicht alle Höfe zu besuchen, sondern darf weniger attraktive oder unpäßliche Objekte überspringen. Sobald der erste Spieler wieder an seinem Ausgangshof angekommen ist, ist eine Runde zu Ende und die ausliegenden Gedichte werden gewertet. Der Besitzer des besten Gedichtes bekommt 2 Siegpunkte; Gedichte, mit denen man die Kirschen in Nachbars Garten pflücken konnte, bringen je 1 Siegpunkt ein. Wer vom Rest noch die meisten Gedichte bei seinen Favoritinnen unterbringen konnte, bekommt sogar 3 Siegpunkte.
    Vier Männer mit einem Gesamtalter von über 200 Jahren lassen bei diesem Thema natürlich ihrer Phantasie freien Lauf. Flachlegen, beschlafen, beischlafen und Hörner aufsetzen stammen noch aus dem Sprachgebrauch der Gebrüder Grimm. Doch auch das weitaus modernere Poppen wurde weidlich zitiert. “Ist eine Runde zu Ende, wenn man alle gepoppt hat?” Diese Frage muß natürlich mit “Nein” beantwortet werden, man darf ja einige Höfe auslassen. “Dreimal gut gepoppt ist besser als viermal schlecht!” Diese Lebensweisheit gilt auch in “Genji”.
    Die Spielregel fordert im Gedenken an gute japanische Kulturtradition auf, den Pinsel in die Hand zu nehmen, um eine wankelmütige Prinzessin rumzukriegen. Im alten Europa scheint das ebenfalls eine lange Tradition zu haben. Ansonsten sind bei uns die Anforderungen an den “Master of the Quickies” schon etwas höher. “Genji” weist in bezug auf Ausgewogenheit doch erhebliche Defizite auf.
    1) Pro Runde erhält jeder Spieler ganze fünf halbe Gedichtkarten. Wenn sie nicht zur aktuellen Jahrezeit passen oder gar nur Gedicht-Anfänge aber kein einziges Gedichte-Ende enthalten, wird man damit wohl keinen Stich machen. Hier unterscheiden sich die zufälligen Grundausstattungen der verschiedenen Mitspieler in ihrem Stichpotential leicht um mehrere 100 Prozent.
    2) Der Startspieler hat die größten Chancen, sich als erster durch alle Höfe gepoppt zu haben. Jetzt wird sofort gewertet, ohne daß die anderen Spieler noch zum Zug kommen dürfen. Ist das gerecht? Doch widersinnig ist geradezu, daß der Startspieler nicht reihum wechselt, sondern daß derjenige, der die Runde als erster beendet, auch noch bestimmen kann, wer der nächste Startspieler wird. Muß das sein? Hätte nicht problemlos jede Runde zu Ende gespielt werden können?
    Es gibt viele Möglichkeiten, bei “Genji” punkten zu wollen. Doch alle diese Vorgehensweisen sind weitgehend zufallsabhängig und risikoreich-unkalkulierbar. Die einzige plausible Technik ist, immer hinter einem Spieler her zu gehen, denn gemachte Betten sind wärmer. Hans wurde Sieger. Er hatte nach seinen eigenen Worten “unumstrittene Frauen gesucht und ihnen halbseidenen Gedichte vorgesetzt”.
    Aaron träumte von einer Erwachsenen-Version. Sicherlich in Wort und Bild mit aller Schärfe unseres libertinistischen Kontinents.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (nix kalkulierbar), Hans: 5 (weil er’s hat), Moritz: 4 (einschließlich Graphik-Bonus), Walter: 3 (Zeitvertreib).
    2. “Soft Landing”
    Aaron hat sich das Spielbrett aus dem Internet beim “Blacksbury Tactical Research Center” runtergeladen. Selbst für hunderte von Pöppeln gab es Vordrucke, doch hier hat sich Aaron die Schneide- und Klebearbeit gespart und die Steine vom Flohspiel als Anleihe genommen.
    Jeder Spieler ist Herrscher über einen eigenen Teil der Welt und muß durch Produzieren, Handeln, Investieren und Planen den wirtschaftlichen Konkurrenzkampf gegenüber seinen Mitspielern bestehen. Es gibt einen gemeinsamen Markt mit gemeinsamen Preisen, die sich auf Grund von Käufen und Verkäufen systematisch verschieben. Man kann auch auf “Markt-Manipulation” setzen und darf dann willkürlich an der Preiseschraube drehen.
    Jeder Weltteil hat unterschiedliche wirtschaftliche Fähigkeiten: den einen fällt die Produktion fast von alleine in den Schoß, die anderen müssen gut würfeln, um Industrie, Technik, Lifestyle, Ressourcen und Reserven in Schwung zu halten. Die Schwächen in der Produktion werden durch erhebliche Vorsprünge auf der Siegpunktskala ausgeglichen. Z.B. fängt Westeuropa mit 3 Siegpunkten an, Indien bekommt gleich 16 Stück davon. Bei einem erwarteten Finale in der Größenordnung von 30 Siegpunkten ist das mehr als die Hälfte. Im Großen und Ganzen sind die Vor- und Nachteile zwar ausbalanciert, doch wer mit einer hohen Punktzahl anfängt, hat so wenig Handelsfreiheiten, daß das Spielgeschehen im Wesentlichen an ihm vorbeigeht: keine Produktion, kein Handel, nur Beteiligung an den unausweichlichen Katastrophen.
    Nach drei Runden hatte sich Indien von 16 auf gerade mal 19 Siegpunkte hochgearbeitet, während Westeuropa von 3 Startpunkten ausgehend bereits bei 13 Punkten angelangt war. Ähnlich lagen die Verhältnisse in Osteuropa. Bei jeglicher Art von Umweltkatastrophen waren sie mit Mehrheit beteiligt. In den nachfolgenden vier Runden schwankten alle Spieler zwischen 17 und 20 Punkten: Was über Militäreinsätze gewonnen wurde, ging durch die Katastrophen wieder verloren.
    Unser indischer Moritz fiel immer mehr aussichtslos zurück. Doch er plädierte nicht für einen Spielabbruch. Schon aus Prinzip spielt er jedes Spiel ohne Murren zu Ende. Diesmal war von ihm nur ab und zu ein leichtes verlangendes Stöhnen nach der letzten erlösenden Katastrophe zu hören. Doch als sie dann endlich eintrat und die Schlußrunde einläutete, wurde er mit einem Schlag in eine unanfechtbare Siegesposition gehievt: Er hatte jegliche Produktion in die “New Era Research” gepumpt und bekam dafür in der Schlußabrechnung 9 zusätzliche Siegpunkte gutgeschrieben. Gut gebrüllt, Löwe! “Aber das Spiel war für mich total langweilig. Diese Strategie hätte auch ein 3-Jähriger verfolgen können.”
    Es war aber auch ein bißchen Glück dabei. Westeuropa hätte das Spielende auch durch zwei Mega-Katastrophen auslösen können. Dann wäre der “New Era Research”-Bonus erst gar nicht nicht mehr ausgezahlt worden. War das ein noch kalkulierbares Risiko?
    Bleibt noch zu sagen, daß Aaron durch einen Verstoß gegen die Spielregel deutlich benachteiligt wurde: Seine unzureichenden Produktionskapazitäten zwangen ihn unaufhörlich, Flohsteine in die Katastophenerwartungsgebiete abzugeben, so daß er schnell überall die Mehrheit hatte und von den ausgewürfelten Katastrophen ständig als Hauptschuldiger betroffen wurde. Er hätte aber pro Katastrophe einen Flohstein wieder zurücknehmen dürfen und so deutlich größere Chancen aufs Überleben gehabt. Er trug’s mit Fassung.
    Das Spiel hat ein paar gute Ideen, aber es holpert noch. Der Würfel, der zu 80% die Produktionsvorgänge bestimmt, macht aus dem Wirtschaftsplanspiel ein Roulette. Die Handelsphase braucht mehr Bewegungsfreiheit und die Fesseln im Markt-Lager-Mechanismus müßten gelockert werden. Immerhin hat der Autor Greg Porter auf der notwenigen Strecke von 99% Transpiration zu einem guten Spiel schon ein erhebliches Stück erfolgreich zurückgelegt.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (Abwertung wegen Würfelglück), Hans: 3 (für jedes Foul 1 Punkt weniger), Moritz: 5 (er steht über der Langeweile), Walter: 5 (für die guten Ansätze).
    3. “Bluff”
    Nein, heute kein Bluff. Moritz mußte mit seinem Radl noch durch die Bierleichen vom Oktoberfest kommen.