Alle Beiträge von Walter

16.09.2009: Seltsame “Liberté”

Der Abend hatte etwas Seltsames. Unverkennbar waren die Entzugserscheinungen nach der Urlaubspause. Erbitterte Auseinandersetzungen um richtige und falsche Regelauslegungen. Erstmaliges Gefecht um die Ausrichtung des Spielbretts auf dem Tisch. Semiöde Spiele, die den Kopf wachhalten, doch den Fuß einschlafen lassen. Verbale Träume über die Einführung der Guillotine in der bundesdeutschen Politik.
Doch alles der Reihe nach.
1. “Tulipmania”
Zwei alte Hasen gegen drei Frischlinge. Aaron durfte erklären und wurde dabei mehrmals von Walter angezweifelt. Zu Recht und zu Unrecht. Am Ende hatten wir alle fünf ständig Merkprobleme zu den eigentlich ganz einfachen Regeln.
Reihum ist jeweils ein Spieler der “aktive Spieler”, der eine Tulpe an seine Mitspieler verkauft, eine Tulpen-Vorkaufskarte vom offenen Stapel zieht, und aus der Gärtnerei eine neue Tulpe erwirbt. Welcher Mitspieler die verkaufte Tulpe bekommt, entscheidet sich daraus:
a) wer sie überhaupt kaufen will (will ein jeder)
b) wer genug Geld dafür hat (hat ab der zweiten Runde ein jeder)
c) wer den Tie-Break gegen die Mitspieler gewinnt. Das entscheidet eine Tie-Breaker-Karte, die rund um den Tisch wandert.
Auf Grund dieser An- und Verkaufs-Aktionen ändert sich ständig der Preis der verschiedenen Tulpensorten. Erreicht dieser Preis einen Höchstwert, platzt die Spekulationsblase und holter-di-polter werden alle Tulpen dieser Sorte zu rapide fallenden Preisen verschleudert.
Man darf ein bißchen taktisch spielen. Man muß die Tulpenpreise vorsichtig in der richtigen Reihenfolge nach oben schrauben und darf dabei keinem Mitspieler freiwillig zu hohe Spekulationspreise zukommen lassen. Man kann dem schärfsten Kapital-Gegner sogar gekonnt den großen Reibach vermasseln. Vor allem mit vereinten Kräften. Und das ganze ohne direkte Kingmakerei!
Allerdings kann auch eine einzige mehr oder weniger zufällig erworbene Tulpen-Vorverkaufskarte einen Ertragsunterschied von 3000 Gulden nach sich ziehen. Das ist mehr als 10% des Gesamterlöses im Spiel. Gilt dieser Zufallseinfluß noch als ausbalanciert?
WPG-Wertung: Aaron: 7 (ein Punkt mehr, Peter kommentierte das mit “Altersstarrsinn”), Loredana: 5 (“porcărie” – nicht was ihr schon wieder denkt!), Moritz: 3 (“öd, repetitiv, dumm”), Peter: 4 (“ziemlich Sch…”) , Walter: 7 (bleibt, “leider ist das Endspiel ziemlich einförmig”).
2. “Liberté”
Parteienkampf im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Es geht nicht um Schwarze, Rote, Grüne und Blaue, es geht um Royalisten, Bürgerliche und Sansculotten. Wir ziehen Einflußkarten, die es erlauben, mit 1,2 oder 3 Abgeordneten einer bestimmten Fraktionen auf ein bestimmtes Departement Einfluß auszuüben. Dieses Prinzip hat “El Grande” bereits vorexerziert. Die Auswirkungen sind hier allerdings etwas komplexer. Ein bißchen. Aber immer noch viel zu einfach, als daß man “Liberté” ein “Die Macher – light” nennen könnte.
Wenn alle Abgeordneten einer Fraktion in den Departements plaziert sind, kommt es zur Wertung. Der Spieler mit der relativen Mehrheit erhält einen Einflußstein. Wer von einer Fraktion die meisten Einflußsteine hat, bekommt pro Runde Siegpunkte.
Hat in einem Departement kein Spieler die relative Mehrheit, so bekommt keiner etwas und alle Abgeordneten werden entfernt. “Guillotiniert” nennt dies die Spielregel. Was wäre, wenn wir im deutschen Bundeswahlrecht eine ähnliche Regelung einführen würden. Hätten wir dann bald keine schlechten Politiker mehr?
Peter bekam gleich als Startausstattung drei tolle Einflußkarten, mit denen er pro Runde insgesamt 8 bürgerliche Abgeordnete in Frankreich verteilen konnte. Damit war er unangefochten Chef der Bürgerlichen und heimste die dickste Siegpunkt-Prämie ein. Walter hatte ein ähnliches Glück mit den Royalisten und kassierte die zweitdickste Prämie. Nachdem jeder Spieler seine besten Karten von einer Runde in die andere mitnehmen kann, wiederholte sich diese Reihenfolge in jeder Runde und Peter war schnell unangefochten an der Spitze.
Loredana fragte: “Bleibt das Spiel jetzt so?” Offensichtlich. Moritz versuchte zu argumentieren, daß es Sonderkarten gäbe, die die Siegbedingungen total auf den Kopf stellen würden. Doch das zog nicht. Denn das würde als Konsequenz bedeuten: Erst erkämpft man sich mit glücklichen Einflußkarten einen Vorsprung, und dann wird man durch unglückliche Einflußkarten vielleicht noch Letzter. Kann man das ein rationales Spieldesign nennen?
Es gibt Sonderkarten, mit denen man einem beliebigen Mitspielern eine beliebige Einflußkarte vernichten kann. Das ist hundertprozentige Kingmakerei, auch wenn es ein notwendiges Korrektiv gegen die Glücksausstattung des Führenden ist. Doch der Zweck heiligt nicht die Mittel. Durch ein verwerfliches Korrektiv kann man keine Fehler im Grundsätzlichen ausbügeln. Schon allein die 300% Effizienzunterschiede in den zufälligen Einflußkarten, ob ich z.B. nur einen einzigen Abgeordneten oder derer gleich drei in die Politik schicken darf, sind eklatante Verstöße gegen Moritz’ anerkanntes Cthulhu-Prinzip.
Zu einer genialen Erfindung gehören wie zu einem genialen Spiel 1 Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration. Martin Walace und Warfrog habe es sich etwas zu leicht gemacht. Peter konstatierte: “Bei Hans-im-Glück wäre das nicht passiert!”
Der Führende stellte den Antrag zum Spielabbruch und keiner erhob Widerspruch.
Nicht einmal die handwerkliche Produktion konnte befriedigen. Muß man denn unbedingt Spiele in einem Billig-Lohn-Land herstellen lassen, wenn man dort nicht mal in der Lage ist, die notwendige Farbübereinstimmung zwischen Einflußkarten und Departements auf dem Spielbrett zu gewährleisten?
WPG-Wertung: Aaron: 4 (“extremer Glücksfaktor durch die Karten”), Loredana: 5 (gutmütig, wollte keine Tulpen-Partei ergreifen), Moritz: 7 (“nicht das Beste von Walace, aber …”) Peter: 3 (“Null Inspiration, null Transpiration”), Walter: 4 (“Viel Lärm um Unberechenbares”).
3. “Bluff”
Neue Erkenntnisse:
1) Wer gut würfelt, braucht nicht zu bluffen.
2) Wer hinter einem nicht bluffenden guten Würfler sitzt, sollte nicht anzweifeln.
3) Den Nicht-Bluffer kennt man nach 10 Jahren Westpark-Gamers, den guten Würfler nicht. Das ist Stärke und Schönheit von von “Bluff”
Moritz wollte unbedingt eine Kostprobe davon sehen, wie man ein Endspiel mit 1:5-Würfelrückstand gewinnt.
Ganz einfache Demonstration: Der Dicke legt nach der bewährten Immer-4-Strategie 1 mal die Vier vor. Der Dünne hebt auf 3 mal die Vier. Der Dicke legt zwei Vierer heraus, hebt auf 4 mal die Vier und würfelt mit den restlichen 3 Würfeln nach.
Mit 70% Wahrscheinlichkeit hat jetzt der Dicke gewonnen.
Und wenn der Dünne auf 5 mal die Vier hebt? Ich kann um diese Uhrzeit nicht mehr die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg dieses Zuges ausrechen, doch heute war es erfolgreich.
Nur noch 4 weitere solche Streiche, und man hätte gewonnen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

01.09.2009: Mit “Tulipmania” aus dem Urlaub

Cannes, Malediven, Plattensee, wie reimt sich das zusammen?
In Cannes der Peter seine Loredana braucht,
auf den Malediven der Aaron in die Tiefe taucht,
am Plattensee der Walter sich sein Kreuz verstaucht –
so reimt sich das zusammen.
Die Urlaubssaison ist hoffentlich vorüber. Der Westpark ist wieder zum normalen Spiele-Alltag zurückgekehrt.
1. “Tulipmania”
Ein einfaches, hübsches Wirtschaftsspiel. Die einzige Schwierigkeit gab es am Anfang, als jeder Spieler 5 Hundert-Gulden-Scheine ausgeteilt bekommen sollte, im Spielmaterial aber insgesamt nur 24 Hunderter vorhanden waren.
Wir handeln und spekulieren mit Tulpen. Jeder Spieler muß reihum eine Tulpe aus seinem Besitztum verkaufen, in Konkurrenz zueinander bieten die anderem darum, sie zu kaufen. Entsprechend verändert sich der Kurs der gehandelten Tulpensorte. Bei einem “normalen” Kauf steigt der Aktienwert um ein paar Prozente an, bei einem “Spekulationskauf” vervielfacht sich ihr Wert.
Fünf verschiedene Tulpensorten gibt es; ihr Kurswert geht praktisch ununterbrochen nach oben, dynamisch und dennoch friedlich, folgerichtig und dennoch chaotisch. Bis der Kurs einen Höchstwert erreicht und die Spekulation platzt. Jetzt müssen alle Spieler alle Tulpen dieser Sorte auf den Markt werfen. Die Erlöse gehen dabei schrittweise drastisch in den Keller. Wer passende Marktkarten gesammelt hat, ist bei den Spitzenpreisen dabei, wer hier zu kurz gekommen ist, muß seine Restbestände für einen Appel und ein Ei verkaufen.
Bemerkenswert noch der Bietprozeß um die angebotene Tulpe: Jeder zieht verdeckt eine Aktionskarte über Kauf oder Spekulation, über Eigenerwerb oder Verkauf an die Bank. Wer die höchste Aktionskarte gezogen hat, macht den Deal. Bei Gleichheit entscheidet eine um den Tisch wandernde Prioritäts-Karte darüber, wer den Deal macht.
Am Anfang, wenn das Geld noch knapp ist, sind die Aktionen der Spieler recht zurückhaltend; da sind Interessen und Marktverhalten der einzelnen Spieler noch sehr unterschiedlich und die Aktionskarten mit ihren abgestuften Wertigkeiten machen Sinn. Doch unweigerlich schwimmen früher oder später alle im Geld. Dann spielt jeder zwangsläufig nur noch die höchstwertige Aktionskarte. In dieser Phase entscheidet allein die Prioritäts-Karte das Spiel. Schade.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“hat Potential”), Birgit: 5 (“nicht aufregend”), Günther: 6 (störte sich an der Ungerechtigkeit der Prioritäts-Karte), Horst: 7 (“hübsch, aber nicht planbar”), Walter: 7 (“interessant”).
2. “Adel verpflichtet”
Eigentlich war “Automobile” als Hauptspeise des heutigen Abends vorgesehen. Doch der Tulpenhandel hatte – einschließlich einleitendem Palaver – über anderthalb Stunden gedauert, und Birgit und Horst dürfen nicht mit der vorletzten U-Bahn nach Hause fahren, sondern müssen schon um halb zwölf im Bettchen liegen. So begnügten wir uns mit einem bewährten Gericht aus dem letzten Jahrtausend.
In “Adel verpflichtet” wählen wir mittels verdeckter Karten, ob wir ins Auktionshaus oder ins Schloß gehen. Alle Spieler, die in das Aktionshaus gegangen sind, wählen in einer zweiten verdeckten Entscheidung, ob sie dort einen Kunstgegenstand kaufen oder als Dieb den Kaufpreis klauen. Mehrere Diebe im Auktionshaus neutralisieren sich, keiner kriegt den Barscheck. Alle Spieler, die ins Schloß gegangen sind, wählen, ob sie dort ihre bisher ersteigerten Kunstgegenstände ausstellen, oder ob sie dort als Dieb die Ausstellungen beklauen, oder ob sie als Detektiv die evtl. vorhandenen Diebe ins Gefängnis bringen.
Für erfolgreiche Ausstellungen sowie für das Dingfestmachen von Dieben gibt es Siegpunkte. Am Ende bringen die wertvollsten Sammlungen nochmals Bonuspunkte ein. Wer dann die meisten Siegpunkte hat, ist Sieger.
Birgit und Walter kooperierten erfolgreich im Auktionshaus. Einer erwarb einen Kunstgegenstand, der andere klaute den Kaufpreis. Immer abwechselnd. Bis Günther dazwischenfunkte und mit seinem eigenen Dieb das Klauen neutralisierte und die Schecks in der Bank verschwanden. Birgit und Walter machten sich nun auf in das Schloß, um auch hier in Absprache zueinander abwechselnd Ausstellungen durchzuführen und dafür Punkte zu kassieren bzw. sich zu beklauen. (Daß sie beide davon hätten profitieren können, wenn jeder eine Ausstellung organisiert, das ist ihnen im Eifer des Gefechts entgangen.) Doch auch hier störte Günther wieder das einvernehmliche Techtelmechtel und zerbrach mit seinem Detektiv die schöne Harmonie.
Inzwischen hatte sich Aaron ganz klammheimlich eine unschlagbare Kunstsammlung zusammengeklaut, sattelte zielgerichtet in eine ehrbare Galeristenlaufbahn um und wurde unangefochten Sieger.
1990 wurde dieses Spiel zum “Spiel des Jahres” gekürt. Auch heute ist es in vieler Beziehung immer noch modern. Zumindest was seine Eignung als pfiffiges Familienspiel betrifft.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“ein Spiel der 80er Jahre” – Das gilt als Einschränkung!), Birgit: 7 (“lustig, aber geistig nicht besonders anspruchsvoll” – Halt wie ein Spiel des Jahres), Günther: 7 (“gelungenes Familienspiel”), Horst: 9 (“ein glatter Neuner”), Walter: 7 (“auf Dauer vielleicht etwas kantig”).
3. “Poison”
A la “6-nimmt” legen wir jeweils eine Karte aus der Hand an ausliegende Kartenstapel auf dem Tisch an: jede Karte (rot, blau, violett) muß zum passenden gleichfarbigen Stapel gelegt werden. Überschreitet die Summe der Kartenwerte eines Stapels den Wert 13, so muß der Spieler alle Karten dieses Stapels an sich nehmen.
Am Ende zählen alle kassierten Karten Minuspunkte, nur die Karten einer Farbe, von denen ein Spieler mehr als seine Mitspieler hat, sind kostenfrei.
Das Spiel ist ein schneller, gelungener Absacker. Wer glaubt, darf sich bei der Zugabe seiner Karten sogar tiefschürfende Gedanken machen. Wer weniger glaubt, lebt von der Hand in den Mund und hofft, daß ihm am Ende gar nichts oder die Mehrheit einer Farbe in den Schoß fällt.
Günther hatte eine Strategie. Verraten hat er sie allerdings nicht. Immerhin wurde er Sieger.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“6 nimmt” ist besser), Birgit: 7 und Horst: 8 (“perfekter Absacker”) konnten mir ihren Noten den bisherigen WPG-Durchschnitt nur um einen Zehntel Punkt nach unten drücken.
4. “Bluff”
Günther war in Zweifellaune. Aaron hatte das schnell durchschaut und Günther bekam Gegenwind. Bei insgesamt 12 Wertungswürfeln zweifelte er 9 mal die Fünf an. Zu früh. Jetzt wollte er mit dem Kopf durch die Wand und hob Aarons 4 mal Vier auf Fünf mal Zwei. Das war sein letztes Gebot des Abends.
Im Endkampf Walter gegen Aaron lies sich mit einer 5:1-Ausrüstung leicht Katz und Maus spielen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

12.08.2009: Zweimal Gift am Westpark

“Es ist ein schöner Zug der neueren Zeit, daß man in den größeren Zirkeln eingesehen hat, daß das Spiel eigentlich nur eine Schulkrankheit oder ein modischer Deckmantel für Geistesarmut ist. Man hat daher Whist, Tarock, Pharao und dergleichen den älteren Herren und einigen Damen überlassen, die nun einmal die Konversation nicht machen können.
In Frankreich freilich spielen in Gesellschaften Herren von zwanzig bis dreißig Jahren, es sind aber nur die armseligen Wichte, die sich nach einem englischen Dandy gebildet haben, oder die selbst fühlen, daß ihnen der Witz abgeht, den sie im Gespräch notwendig haben müßten.”
Das schrieb der sterbliche Dichter des unsterblichen “Kleinen Muck”. Von Märchen hat er mehr verstanden!
(Gralsfrage: Wurde damals etwa schon “Monopoly Deal” gespielt?)
1. “Veleno”
Das Spielbrett sieht aus wie das Innere eines Halmaspieles (oder wie ein “Abalone” bzw. ein “Einfach Genial”). Auf jedem Schnittpunkt der Linien liegt eine Glaslinse in den Farben weiß, rot, grün, gelb oder blau. Eine davon ist der “Beweger”. Jeder Spieler darf in seinem Zug diesen Beweger auf ein benachbartes Feld schieben und die dort liegende Glaslinse an sich nehmen. Wenn in der unmittelbaren Nachbarschaft des Bewegers keine Linse mehr liegt, ist das Spiel zu Ende.
Die Wertung ist einfach, aber doch bemerkenswert: Für jede weiße Kugel bekommt man 10 Siegpunkte, für jede andere Farbe bekommt man das Quadrat der Linsen-Anzahl, die man hiervon gesammelt hat. Doch das total Neue innerhalb der Abrechnung ist: Für jeden Spieler zählen die eigenen Siegpunkte plus die Siegpunkte des rechten Nachbarn. Es geht also nicht nur darum, selber die lukrativsten Glaslinsen zu ernten, man muß auch seinem nächsten Mitspieler möglichst viel gönnen und allen anderen nicht. Der nächste Mitspieler wiederum nimmt nicht einfach, was ihm zugeschustert wird, sondern er versucht seinerseits die eigene Ausbeute plus die des rechten Nachbarn zu maximieren.
Drei Spieldurchgänge zu je drei Minuten Spielzeit spielten wir mit wachsenden taktischen Überlegungen: immer mehr Altruismus für die Rechten und immer mehr Miesnickeligkeit für die Linken. Wenn Hans dabeigewesen wäre, hätte er sicherlich das Matt in 10 Zügen berechnen wollen. (Und vielleicht können.)
WPG-Wertung: Günther: 6 (“einfache Regeln, originelle Partnerschaft”), Moritz: 5 (“Das Spiel ist zu kurz. Es sollte auch bin bißchen komplexer sein.”), Walter: 5 (“Die Kürze ist ein Vorteil, das Deterministische ein Nachteil”)
2. “Cosmic Encounter”
Neueste Version: Veränderte Zielvorgaben, neue Kampfkarten, ganz neue Technologie-Karten. Moritz konnte zudem noch mit unserer aktuellen Spieleranzahl locken: “Zu dritt ist das chaotische Element deutlich reduziert.” Bei den Monopoly-Deal-gestählten Chaoten regte sich keinerlei Widerspruch.
Jeder Spieler siedelt mit seinen 20 Pöppeln auf einer eigenen Galaxie und hat gewonnen, wenn er auf fremden Galaxien insgesamt fünf Pöppel-Basen errichtet hat. Diese Fremd-Basen bekommt man durch Kampf, den man pro Zug ganz willkürlich vom Zaune bricht und dabei Mitspieler einlädt, sich an der Aggression zu beteiligen. Der Angegriffene kann ebenfalls Mitspieler zur Verteidigung einladen. Sind die Truppenstärken auf beiden Seiten festgelegt, wird der Ausgang des Kampfes ermittelt. Entscheidend für Sieg oder Niederlage sind die Kampfkarten, die das Schicksal ganz zufällig unter den Spielern ausgeteilt hat. Wer Glück hat, bekommt die Kämpfstärke 40, wer Pech hat, nur eine Kampfstärke von 0 (in Worten: Null!). Durch weitere zufällige Zusatzkarten kann man anschließend den eigenen Kampfeinsatz leicht erhöhen, durch besondere, ebenfalls zufällige Technik-Karten die Kampfstärke des Gegners gravierend dezimieren.
Moritz als alter Haudegen, der schon tausende von “Cosmic Encounter”-Partien absolviert hat, wußte natürlich, “Man muß darauf achten, welche Karten die anderen haben.” Das ist aber keine Gedächtnisleistung, das ist ein intuitiver Geniestreich, den nur erfahrene Cosmictiker im Repertoire haben.
Für den Spielausgang sind weiterhin die individuellen Charaktere bestimmend, die jedem Spieler zufällig zugeteilt werden und Vorteile verschiedenster Art mit sich bringen. Walter war z.B. Nekromant und konnte als solcher jeden verstorbenen Pöppel zur eigenen Truppenstärke hinzuzählen. Nachdem sich Walhall schon sehr früh mit ganzen Heerscharen erschlagener Krieger angefüllt hatte, war er im Kampf praktisch nicht mehr zu schlagen. Frohgemut machte er sich auf ins letzte Gefecht, da hatte Günther eine Technik-Karten gezogen, die Walters Nekromantie neutralisierte und nix wars. Moritz zog unmittelbar darauf auch noch die Wiederauferstehungskarte, die alle Toten wieder zum Leben erweckte und damit war – in Verbindung mit lauter Luschen als Kampfkarten in Walters Hand – der Spielausgang nochmals offen.
Moritz bekam jetzt Oberwasser. Nach einem deprimierenden Start, bei dem er nahezu keinen einzigen Kampf gewinnen konnte, und den nur er dank seiner tausendfachen Erfahrung überhaupt mental verkraften konnte, errichtete er jetzt erfolgreich Basis für Basis und lud zum Schluß sogar Günther in einem ungewohnten Kampfgenossen-Schulterschluß dazu ein, gemeinsam die fünfte und letzte Basis zu errichten. Vielleicht hatte er auch Walters Luschen nicht hundertprozentig auszählen können.
In jedem Fall war es ein “entspanntes, interaktives Dreierspiel”! Kein Kampf um Leben und Tod, sondern lustiges Ringen mit dem Zufall. Im Gegensatz zu “Monopoly-Deal” bewirken die mächtigsten Zufallskarten in “Cosmic Encounter” ja auch nicht, daß einer sofort gewinnt, sondern daß ein anderer Spieler sofort nicht gewinnt. Und das ist qualitativ doch etwas ganz anderes!
WPG-Wertung: Günther: 6 (nicht mein Freakspiel), Moritz: 10 (ein Muß), Walter: 6 (gelungenes Chaos)
3. “Poison”
Das Spiel besteht aus 50 Karten in 3 Farben mit Zahlenwerten zwischen 1 und 7, und einer weiteren Jokerfarbe mit lauter Vierern. Die Karten werden unter die Spieler verteilt und anschließend spielt jeder reihum jeweils eine Karte aus.
Liegen bereits Karten der ausgespielten Farbe auf dem Tisch, so muß die Karte hier angelegt werden, liegt noch keine Karte davon aus, wird damit ein neuer Stapel angefangen. Eine Karte von der Jokerfarbe darf an jeden der ausliegenden Farbstapel angelegt werden.
Überschreitet die Summe der ausgelegten Zahlenwerte eines Stapels den Wert 13, so muß der Spieler diesen Stapel einstreichen. (Leichte Ähnlichkeit mit “6-nimmt”.) Am Ende zählt hier jede Karte einen Minuspunkt, jede Jokerkarte sogar zwei Minuspunkte. Ausnahme: Wer von einer Kartenfarbe mehr Karten als die Mitspieler einstecken mußte, bekommt dafür überhaupt keine Minuspunkte.
Das Bestreben eines jeden Spielers muß es demnach sein:
a) Möglichst gar keine Karten zu bekommen.
b) Wenn sich Ziel a) nicht erfüllen läßt, dann die meisten Karten einer Farbe zu bekommen (und darunter möglichst keine Jokerkarten zu haben).
Zunächst wirkt der Spielmechanismus ziemlich einfach und im wesentlichen von der ausgeteilten Kartenhand bestimmt. Moritz schlug zur Würze sogar vor, einen Dummy-Spieler einzuführen, der regelmäßig eine zufällige Karte dazugibt und damit die Entwicklung der Kartenstapel auf dem Tisch etwas aufmischt. Doch ganz schnell kamen wir darauf, der Ablauf “ist gar nicht so dumm”, und keiner wollte mehr von Moritz’ Modifikationswürze etwas wissen.
Jeder muß seine ausgeteilte Kartenhand bewerten und dabei abwägen, in welcher Farbe er wohl unvermeidlich mindestens einen Stich bekommt. In dieser Farbe sollte er dann gleich die Mehrheit an Karten anstreben. Doch darf er seine Lieblingsfarbe nicht zu früh verraten, damit ihm die Mitspieler hier nicht alle Joker-Minuspunkte hineinhauen. Den strategischen Ambitionen sind nach oben hin keine Grenzen gesetzt.
WPG-Wertung: Günther: 8, Moritz: 7, Walter: 7.
4. “Rumis”
Kurz vor Mitternacht eine erneute Begegnung mit dem zweiten “Spiel des Monats” in der Geschichte der Westpark-Gamer. Erstmals hatten wir alle Schwierigkeiten, die Bauklötzchen ineinander zu legen, ohne das dabei entstehende Gebilde umzuwerfen. Schließlich sind wir alle fünf Jahre älter geworden und die Feinmotorik hat nachgelassen. Vielleicht lag das aber auch an den Temperaturen draußen auf der Terrasse am Westpark.
Weiterhin Freude und Entspannung. Unsere Wahl aus dem Jahre 2004 bekommt immer noch die volle Zustimmung.
5. “Monopoly Deal”
Günther hat endlich bekannt, warum er diesem geilen Spielderivat ein paar Wertungspunkte gegeben hat: “Man kann Monster plattmachen!” Gegönnt haben wir ihm und uns diese Freude allerdings nicht mehr.
Keine neue WPG-Wertung für ein Nullsummenspiel.

05.08.2009: Spiele von Günther

Die Vordiskussion bestimmte das Thema “Monopoly”. Dieses Spiel lag zwar noch nie am Westpark auf dem Tisch und es wird wohl auch niemals den Weg dorthin schaffen, doch Diskussionen, ob und wie man in diesem Spiel sein Schicksal beeinflussen kann, gibt es immer wieder.
Im Internet gibt es Statistiken, welche Felder im Spiel am häufigsten betreten werden und welche Straßen und Gebäude demnach die größten Siegchancen bieten. Irgend jemand hat ausgerechnet bzw. behauptet, daß man mit den Bahnhöfen anfangen soll und später auf die hellblaue Elisenstraße umsteigen soll. Walter hegt hier erhebliche Zweifel, ob die Randbedingungen auch richtig positioniert sind. Wie steigt man überhaupt von einem Besitzstand auf einen anderen um? Braucht man da einen Dummen, der auf Roßtäuschertricks reinfällt?
Nach allgemeiner Erfahrung wird in der Einschwingphase das Besitztum an Straßen und Gebäuden vergeben, dann folgt eine kurze bis einmalige Tauschphase, in der getauscht wird, so daß jeder mindestens eine vollständige Straßengruppe besitzt, und dann wird gewirtschaftet und monopolisiert, bis am Ende nur noch einer übrigbleibt. Da gibt es keine Umschichtung mehr. Oder habt ihr das anders in Erinnerung?
Auf lange bzw. unendliche Sicht gesehen ist Schloßallee und Parkstraße mit Häusern und Hotels voll gespickt wertvoller als alle 4 Bahnhöfe. Mit Bahnhöfen allein kann man innerhalb der 3-Sigma-Grenzen keinen in die Knie zwingen, sehr wohl aber mit den dunkelblauen Prachtstaßen. Will das jemand bezweifeln?
Moritz pochte strikt auf die Bahnhofsstatistiken im Internet. Schließlich hat er sich sehr intensiv mit der Materie beschäftigt, weil er bei “Galileo” dazu ja auch Spieltips zu besten geben mußte. Da stecken offensichtlich ganz andere Spielerfahrungen dahinter. Einig waren wir uns immerhin, daß Wasserwerk und Elektrizitätswerke die schlechtesten Investitionen des ganzen Spiels sind.
1. “Nofretete”
Auf dem Spielbrett gibt es vier Märkte, zu denen jeder Spieler seine Diener hinschicken kann. Ist der Markt gefüllt – dazu muß eine bestimmte Kombination von Dienern vorhanden sein – wird der Markt gewertet: Jeder Spieler darf jetzt für jeden seiner Diener bestimmen, ob er einen definierten Geldbetrag in die Marktkasse bezahlt und dafür eine Siegpunktkarte nimmt, oder ob er die Hälfte des Geldes, das sich gerade in der Marktkasse befindet, an sich nimmt und dafür auf eine Siegpunktkarte verzichtet.
Es gibt verschiedene Typen von Siegpunktkarten mit unterschiedlichen Werten. Am meisten bekommt man für einen Kartentyp, wenn man ihn ganz alleine besitzt. Der Wert sinkt, je mehr Spieler von diesem Kartentyp Anteile haben.
Mit manchen Siegpunktkarten auf dem Markt erhält man zusätzlich ein “Siegel”, mit dem man in einem seiner nächsten Züge Aktionskarten aktivieren kann: z.B. asynchron eine Siegpunktkarte vom Markt nehmen, Siegpunktkarten mit einem Spieler tauschen, oder Siegpunktkarten mit erhöhter Prämienausbeute sofort in Siegpunkte verwandeln.
Man kann lange nachdenken,
a) auf welchen Markt man seinen Diener schickt
b) welchen Rang (Zugreihenfolge beim Werten) der Diener dort einnehmen soll
c) ob der Diener bei der Abrechnung Geld gegen Karten hingeben oder Geld gegen nix herausnehmen soll.
d) in welcher Spielphase man sein Siegel einsetzen soll
e) für welche Aktionen man sein Siegel einsetzen soll.
Kein Zug baut auf dem anderen auf. Jedesmal, wenn man an die Reihe kommt, steht man vor einer neuen Marktsituation mit neuen konkurrierenden Dienern und einer neuen Verteilung von Siegpunktkarten in der Hand der Mitspieler. Mensch, kann man da rechnen! Jedesmal.
Das fiselige Denken ist nicht nach jedermanns Geschmack. In einer lockeren Familienrunde aus dem Bauch heraus gespielt, ist es ein schönes Spiel. Dazu paßt vorzüglich, daß unser Marathondenker Letzter und der Blitzbauchagierer Erster geworden ist!
WPG-Wertung:
Günther: 7 (“einfaches Spiel, hab’ aber doch manche Komplexität nicht überblickt.” Seine Strategie bestand darin, alle 8 Stühle zu besetzen, doch im Mittelspiel ging ihm dann das Geld aus.)
Hans: 6 (zu komplex für zu wenig Strategie, die Züge bauen nicht aufeinander auf, sondern jeder Zug erfordert einen neuen Opportunismus, unabhängig von der Vorgeschichte).
Moritz: 7 (wurde an “Amun Re” erinnert; verfolgte 2 Strategien: viel Geld zu machen und bei den Siegpunktkarten zu diversifizieren, um damit den Mitspielern den großen Reibach zu vermaseln).
Walter: 6 (Für jeden Zug kann man eine neue elende Optimierungrechnerei anstellen. Das ist am Westpark tödlich.)

2. “Fits”
Ein Spiel aus der diesjährigen Vorschlagsliste zum Spiel-des-Jahres, also ein Pflichtprogramm am Westpark.
Jeder Spieler hat den gleichen Satz von Bauklötzchen, wie wir sie von “Tetris” her kennen. Pro Runde muß jeder Spieler seine Bauklötzchen mehr oder weniger lückenlos auf seinem Spielbrett einsortieren. Die Klötzchen fallen allerdings nicht von Himmel, sondern die Reihenfolge, in der sie – von allen Spielern simultan – verwendet werden müssen, wird zufällig bestimmt, und jeder hat beliebig lange Zeit darüber nachzudenken, wie er das jeweils nächste Klötzchen auf dem Spielbrettboden verbaut.
Die Spielbretter enthalten ein Karomuster, auf dem bestimmte Kästchen markiert sind. Wenn diese Kästchen am Spielende frei geblieben sind, gibt es dafür Punkte, positive oder negative. Wer nach einer bestimmten Anzahl von Runden am Ende die meisten Pluspunkte gesammelt hat, ist Sieger.
Die sattsam bekannten Mechanismen von Tetris sind die Basis des Spieles. Dazu gibt es eigentlich nichts weltbewegend Neues. Doch die Gestaltung als Gruppenspiel ist gelungen und kann in einer geometrisch-ausgerichteten Patchwork-Familie viel Freude bereiten.
WPG-Wertung:
Günther: 7 (ein Muß für ihn als Allesspieler. Viele Grüße an Unna!)
Hans: 6 (die geometrische Herausforderung sollte ihm eigentlich liegen)
Moritz: 5 (zu wenig Aktionismus)
Walter: 6 (für die unbekannteFamilie)

3. “Monopoly Deal”
“In diesem atemlos schnellen Spiel kann das Glück von einer einzigen Karte abhängen.” Damit protzt die Spielanleitung. In der “Banana Republik” hat man dieses Prinzip mit der simplen Karte “Schröder’sche Neuwahl” realisert. Wer dort diese Karte zieht und ausspielt beendet das Spiel und ist Sieger. Am Westpark kann so ein Prinzip nicht punkten. Überhaupt nicht. “Monopoly Deal” kam heute auch nur deshalb auf den Tisch, weil eine lockere Dödelstimmung herrschte.
Das Kartenspiel versucht die Prinzipien von “Monopoly” zu nutzen und die Spieler mit dem Besitztum von Schloßallee und Parkstraße zu beglücken.
Es gibt kein Spielbrett und keine Pöppel, die hier ihre Würfelrunden drehen, sondern man zieht Karten vom verdeckten Stapel und erhält damit entweder Geld, oder Bahnhöfe, oder Straßen oder Häuser, oder Hotels, oder man kassiert Miete (die man von einem beliebigen Mitspieler fordern darf!) oder man kann irgendwelche Phantasiesummen von irgendwelchen Mitspielern eintreiben.
Das funktional Beste ist noch die “Zwangstausch”-Karte, die es erlaubt, ein beliebiges Grundstück mit einem Mitspieler zu tauschen. So eine Ereigniskarte fehlt im Original-Monopoly, denn dann brauchte ein Spieler, der in der Einschwungphase keinen vollständigen Straßenzug erhalten hat, die Hoffnung auf einen solchen bis zu seiner endgültigen Pleite nicht aufzugeben.
Nach Erklärung der verschiedenen Karten hätte Walter das Spiel am liebsten gar nicht erst begonnen. Zufällig irgendwelche verdecken Karten zu ziehen und damit seinen Reichtum zu fördern bzw. den Mitspielern etwas wegzunehmen, bis einer die Siegbedingung erfüllt hat, kommt doch wohl gleich hinter einem reinem Zeittotschlagen. Doch Moritz, der grundsätzlich für jede spielerischen Idee aufgeschlossen ist, drängte auf den Start: “Besser als Snuff”!
Das Schicksal rächte sich bitterlich. Er bekam keine einzige Geldkarte auf die Hand und mußte reihum seine wenigen anvertrauten Pfunde auch noch an die gnadenlos wuchernden Mitspieler abgeben. Seinen einzigen Trost mußte er im vielgeschmähten Wasser- und Elektrizitätswerk suchen! Ziemlich sicher fand er ihn dort auch nicht!
Hans hatte fast die Siegbedingung erfüllt, als Günther die Karte zog, mit der er Hans einen vollständigen Straßenzug wegnehmen durfte. Hans konnte zwar noch mit einer “Nix da”-Karte kontern, doch Günther konnte diese Abwehr mit einer eigenen “Nix-da”-Karte unterlaufen. Mit einer weiteren Jokerkarte komplettierte er noch die Bahnhöfe und beendete das Spiel als Sieger. Das erste und letzte “Quasi-Monopoly” am Westpark.
WPG-Wertung:
Günther: 4 (in memoriam Unna! “Es gibt andere Monopoly-Derivate, die wirklich grottenschlecht sind!”)
Hans: 2 (kein Kommentar)
Moritz: 1 (“Aus dem Thema hätte man was machen können!”)
Walter: 1 (“nix für mich”)

Es gibt nur 4 von weit über 500 Spielen, die am Westpark schlechtere Noten bekommen haben.
4. “Flaschenteufel”
Moritz durfte zwischen “Flaschenteufel” oder “Bluff” wählen. Er entschied sich für sein 9 Punkte gegenüber seinem 8 Punkte Spiel.
Keiner der Spielrunde hatte Zweifel darüber, daß jeder im “Flaschenteufel” sein Schicksal selber in der Hand hat. Auch wenn bestimmte Kartenkonstellationen das Leben schwer machen können.
Jeder ertrug seine Niederlagen mit Fassung, jeder konnte auch plausibel begründen, wegen welchen spieltechnischen Fehlern er den Teufelsstich nicht mehr losgeworden ist. Fast so analytisch wie im Individual-Bridge.
5. “Bluff”
Trotz des späten Abend entstand bei diesem Spiel die größte Spielfreude und es wurde am meisten gelacht.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

29.07.2009: Der Westpark in der Isarvorstadt

Die Moritzens sind umgezogen und luden die Westparker zur vorläufigen Wohnungseinweihung auch gleich in die neue Wohnung ein: eine wunderschöne Etagenwohnung in der Isarvorstadt, mit einladender Gastronomie direkt vor der Tür. Baugerüste vor den Fenstern und Dixi-Klo vor der Haustür müssen noch abgeräumt werden, aber das Spielzimmer ist schon perfekt: rund herum bis unter die Decke ist die umfangreiche Spielesammlung auf die hohen Altbauregale verteilt, und zwei wunderschöne Spieltische lassen alle Teilnehmerbegrenzungen vergessen machen.
Natürlich sind die Parkplätze knapp und die Anreise per Auto ist problematisch. Unser ländlicher Autofahrer ist zuhause geblieben und die innerstädtische Gäste standen bei der Wahl zwischen Fahrrad oder U-Bahn plus Fußweg zwischen Scylla und Karybdis: Was an U-Bahn gewonnen wird, geht an Fußweg verloren, denn die Isar fließt halt nicht neben der U6. Doch sowohl die jungen als auch die älteren Herrschaften verzichteten heute trotz des herrlichen Sommerwetters aufs Fahrrad.
1. “Schatten über Camelot”
Ein kooperatives Spiel, bei denen die Spieler gemeinsam gegen die Unbilden des Kartenzufalls antreten müssen und in Kämpfen gegen Drachen und Magier, Sachsen und Pikten, Verzweiflung und Trostlosigkeit punkten und über die Runden kommen müssen.
Entschieden werden die Kämpfe über zufällige gezogene Karten, die die Mitspieler rechtzeitig in richtiger Anzahl und Nomination an die verschiedenen Turnierplätze transportieren müssen. Gewinnen sie die einzelnen sich zufällig aufbauenden Herausforderungen, bekommen sie weiße Schwerter und neue Leben, verlieren sie diese “Quests”, so gibt es schwarze Schwerter und Lebenspunkte werden abgezogen. Sind bei Spielende mehr weiße als schwarze Schwerter auf dem Brett, dann haben alle zusammen gewonnen.
Einer der Mitspieler kann verdeckt und zufällig die Schurkenrolle zugeschustert bekommen. Er kann dann den Guten im Kampf gegen das Böse auch noch Knüppel zwischen die Beine werfen, und er gewinnt, wenn die Guten ihre Siegbedingung nicht rechtzeitig erfüllen können. Das schafft einen gewollten Mißtrauensfaktor: es gilt herauszufinden, ob der Schurke dabei ist und wer es ist. Wenn er identifiziert wurde, sind seinen Aktionen eingeschränkt.
Zufällig war in unserer 7er Runde der Schurke nicht dabei. Verdächtigungen gab es natürlich trotzdem. Warum hortet einer Aktionskarten in der Hand, anstelle sich am Kampf gegen die Ossis zu beteiligen? Warum reißt sich einer das Excalibur unter den Nagel, obwohl doch andere Spieler die Vorarbeiten dazu geliefert haben? Warum quasselt einer so fahrig, obwohl er das Rentenalter noch nicht erreicht hat? Überzeugende rationale und irrationale Indizien für unfehlbare Hexenprozesse!
Die tödlichen Siegbedingungen des Bösen konnten leicht abgewehrt werden, und der Siegeszug der Guten war mehr oder weniger ein ungefährdeter Durchmarsch. Eigentlich eine unglückliche Konstellation.
Obwohl solche kooperativen Spiele in der Mehrheit nicht zu unseren Lieblingsspeisen gehören, und obwohl auch der erweiterte Spielerkreis erhöhte Anforderungen an die zeitliche Geduldstoleranz stellte, blieb die Stimmung gut. Die Hauseinweihung hatte den Ausschlag gegeben. Glücklicherweise. Jeweils fünf Minuten zu warten, um einen Zug tun zu dürfen, der im Prinzip von Anfang an feststeht, dafür muß man seine spielerischen Ambitionen schon recht deutlich zurücknehmen. Es funktioniert nur, wenn Gesellschaft und Kommunikation im Vordergrund stehen. Wie heute.
WPG-Wertung: Aaron gibt zwei Punkte mehr (war das ernsthaft?), Walter einen Punkt weniger. Die anderen äußerten sich nicht explizit.
2. “Die Erben von Hoax”
Die Spieler bekommen verdeckt Rollen zugeteilt und müssen versuchen, diese ihre Rolle so lange wie möglich geheim zu halten.
Jeder Mitspieler darf sich jede Rolle anmaßen und deren Privilegien genießen, z.B. Brot, Wein oder Gold von der Bank einzustreichen, diese Gaben von den Mitspielern wegzunehmen oder sie zu tauschen. Jeder Mitspieler darf den anderen diese Anmaßung streitig machen. Der “Baron” erklärt es für illegal, der “Richter” verurteilt das, der “Mönch” verzeiht es, der “Magier” ist gegen alles immun, der “Dieb” kümmert sich einen Scheißdreck darum und der “Bauer” hat eh keine Rechte.
Wenn einem Spieler mehrheitlich angezweifelt wird, ob er eine bestimmte Rolle besitzt, und die Mehrheit hat recht, dann darf er diese Rolle nicht mehr einnehmen. Hat die Mehrheit unrecht, dann bekommt dieser Spieler Siegpunkte und scheidet für diese Runde aus dem Spiel aus. Zwangsweise müssen die Spieler nach und nach ihre Rolle offenbaren und scheiden aus, bis zum Schluß nur noch einer übrigbleibt und dafür Siegpunkte bekommt.
Ein wesentlicher Bestandteil von gutem Spiel besteht darin, seine zugeteilte Rolle so lange wie möglich zu verbergen. Wie macht man das?
Nimmt man jetzt immer die gleiche Rolle ein, um nichts zu verraten oder nimmt man aus dem gleichen Grunde statistisch verteilt alle möglichen verschiedenen Rollen ein? Meldet man sich oft genug vorlaut gegen die Rollenspiele der anderen, um mit Gewinn daraus hervorzugehen, oder hält man sich vornehm zurück und wartet auf das Endspiel?
Peter legte vorzügliche Bluffs hin, die durch ihre metaphysische Undurchsichtigkeit dann doch wieder durchsichtig wurden. Loredana sonnte sich mit soviel Selbstzufriedenheit in ihrer Immunität als Magier, daß ihr auch dies zum Verhängnis wurde. Genauso ging es Walter mit seinen Rollen-Emotionen als Richter und Dieb. Nur mit Hans taten sich alle schwer. Und was war sein Geheimnis? Dreimal dürft ihr raten! – Er dachte über seinen jeweiligen Zug so lange nach, bis den Mitspielern einfach die Lust verging, seine Denkvorgänge auch nur ansatzweise nachzuvollziehen. So blieb er bis zum Schluß der große Unbekannte. Ein probates Mittel um “Hoax” gewinnen. Vor allem, wenn die Konkurrenten nervös werden, weil sie zu vorletzten U-Bahn abdüsen müssen.
Keine neue WPG-Wertung für ein 6.5 Punkte Spiel.
Aaron und Walter konnten zum ersten Mal am eigenen Leib nachvollziehen, was es heißt, zur vorletzten U-Bahn aufbrechen zu müssen.

22.07.2009: Nach der Flut ging es um Kopf und Kragen

Sonnenfinsternis in China und Moritz fährt mit dem Fahrrad zum Westpark. Wie reimt sich das zusammen?
Ganz einfach: Die Sonne zieht ihre Kreise um die Erde und manchmal kommt ihr der Mond in die Quere. Moritz zieht mit Sack und Pack um in die Isarvorstadt und ihm kommt leider niemals eine U-Bahnstation in die Quere.
Doch mit dem Fahrrad schafft er den Weg in 12 Minuten. Ab sofort wird Peter alleine zur vorletzten U-Bahn hetzen müssen.
Moritz' Frau hofft dagegen bis jetzt immer noch vergeblich auf ein Pedelec. In letzter Sekunde sagte sie die Tour d’ Ouest ab und überlies den Westpark einem unverdrossenen männlichen Trio.
1. “After the flood”
Vor weniger als einem halben Jahr zum ersten Mal gespielt, konnte sich heute keiner mehr an die Regeldetails erinnern. Moritz mit dem englischen Regelheft und Aaron mit der deutschen Version durften mit vereinten Kräften sich und dem einsamen Zuhörer die Regeln vortragen. Nach kaum einer Stunde war die allseitige Wiederholung bewältigt.
Im alten Sumerien müssen wir Reiche gründen und entweder durch Tauschen und Bauen oder durch Mord und Totschlag Siegpunkte erwerben. Während sich Aaron und Walter noch mit dem Polieren ihrer Pflugscharen die Zeit vertrieben, hatte Moritz im Nu daraus Schwerter geschmiedet und die Welt erobert. Nach der ersten Runde hatte er bereits den vierfachen Punktevorsprung vor dem Zweiten und einen Unendlichfachen vor dem dritten Spieler.
In der zweitem Runde war er nicht so erfolgreich, und wir durften wieder hoffen, daß die kommerzielle Variante der sumerischen Welteroberung der militärischen vielleicht doch noch Parioli bieten könnte. Immerhin gibt es sogar noch einen goldenen Mittelweg: Wer weder als Eroberer noch als Krämer direkt punkten kann, der kann seine Aktionen aufs Sparkonto einzahlen und auf eine ertragreichen Zukunft bauen.
In jedem Fall gilt, daß lukrative Reiche den Mitspielern so teuer wie möglich gemacht werden müssen. Wer hier allerdings seine Mittel verpulvert und trotzdem den kürzeren zieht, hat sich selbstlos für die Konkurrenz aufgeopfert. Gedankt wird es ihm nicht.
Weiterhin gibt es Landstriche, z.B. dort, wo der blaue Lapislazuli eingehandelt wird, die für den Sieg quasi unverzichtbar sind. Wer sich hier festsetzt, hat den Sieg auch schon halb in der Tasche. Nach unseren bisherigen Erfahrungen konnte sich immer relativ früh einer der Spieler irgendwo irgendwie eine uneinholbare Monopolstellung erwerben. War das Können oder ist der Glückliche hier jedesmal zufällig in eine Balance-Schwäche des Spieldesigns gefallen?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“nicht ausbalanciert”) , Moritz: 8 “stimmige Thematik, Kampfsituation für 3 Spieler sehr gut gelöst”), Walter: 7 (“für mehr Punkte etwas zu trocken”)
2. “Um Krone und Kragen”
Moritz’ erstes selbst-entwickeltes Brettspiel harrt noch seiner Publizierung, “Um Krone und Kragen” verdankt ihm immerhin schon seinen Namen.
Jeder würfelt mit einer ständig steigenden Anzahl von Würfeln. Damit erwürfelt man sich Bonuskarten, die beim weiteren Würfeln helfen sollen, noch bessere Würfelergebnisse zu erzielen. Entweder darf man damit zusätzliche Würfel einsetzen oder ein bißchen an den Würfelergebnissen herummanipulieren. Wer am Ende das allerbeste Würfelergebnis hinlegt, wird Sieger.
Wenn man die Bonuskarten alle kennt, kann man sich vielleicht eine optimale Bonuskartenerwerbsstrategie zulegen. Wenn Fortuna dann auch noch die notwendigen Würfelkombinationen gewährt, hat man gewonnen. Wenn die Glücksgöttin einen Spieler allerdings schon ganz am Anfang übersieht, hat sie Schwierigkeiten, diesen Fehler wieder gutzumachen. Wahrscheinlich ist ihr das aber egal.
Aaron wurde unangefochten Sieger. Wo blieb da sein sprichwörtliches Würfelpech!
WPG-Wertung: Moritz: nimmt dem Spiel einen Wertungspunkt, Walter gibt ihm einen. Die Summe bleibt gleich. Der Durchschnitt auch.
3. “Flaschenteufel”
Haben wir nicht gespielt, aber Moritz hat es nachdrücklich gefordert und als eines seiner Lieblingsspiele apostrophiert. Aaron und Walter waren platt! Haben sie doch tatsächlich seine Hebung auf 9 Punkte übersehen. Wurde ja auch schon vor mehr als einem Jahr bekanntgegeben.
4. “Bluff”
Paradoxien in der Wahrscheinlichkeit. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, mit 2 Würfeln eine Fünf zu würfeln? Zwei Drittel? Moritz bestand auf “Zweimal ein Drittel!” Ist das nicht das gleiche? Mindestens zwei Drittel der Mitspieler waren verblüfft. Schlußendlich war einer von zwei Würfeln unter Moritz’ Becher eine Fünf und Aaron hatte verloren.
Der Faden wurde noch weitergesponnen. Im Gegenzug gelang es ihm nicht, mit 4 Würfeln eine Zwei zu würfeln, obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür schon bei Einhundertdreiunddreißig Prozent lag! Und schließlich mußte Moritz einen Würfel abgeben, weil von 6 Würfeln keiner ein Stern war. Obwohl auch dafür die Chance hundertprozentig war.
Lag das vielleicht an der Fragestellung? Hätten wir etwa danach fragen sollen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, mit einer bestimmten Anzahl von Würfeln KEINE Zwei zu würfeln?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

15.07.2009: Spielen mit Willi

Willi ist ein begnadeter Viel- und Alles-Spieler aus dem hohen Norden (Deutschlands). Seine Spiel-Vorlieben decken sich nicht hundertprozentig mit den Schwerpunkten am Westpark. Dann gibt es harte Diskussionen über die weichen Formulierungen in unseren Spielberichten und Kritiken.
Willi vertritt mehr die schweigende Mehrheit der Spieler und hat auch für Wenig- und Gelegenheitsspieler immer einen guten Kauftipp auf Lager.
Sein größtes Verdienst um die Welt des Spiels ist sein konsequentes Bemühen, allen seinen Schülern vor dem Abitur wenigstens die Grundzüge vom “Doppelkopf” beizubringen. Wenn er sich mit der gleichen Leidenschaft auf die Einführung in das Bridgespiel verlegen könnte, wäre ihm gewiß schon das Verdienstkreuz des Deutschen Bridgeverbandes verliehen worden.
Alle paar Jahre wagt er sich in den Freistaat am Fuße der Alpen und kommt dann auch für einen Abend am Westpark vorbei. So auch heute.
1. “Automobile”
Das Thema ist der Automobilbau mit seinen Problemen von Weiterentwicklung, Produktion und Absatz. Wir bauen Fabriken, engagieren Manager mit unterschiedlichen Vertriebskompetenzen, heuern Verkäufer an, produzieren Wagen und setzen sie ab. Wer am Ende das meiste Geld damit verdient hat, ist Sieger.
Aaron und Günther hatten letzte Woche schon eine Proberunde gedreht, heute durften sie die Neulinge mit den Geheimnisse der Globalisten vertraut machen. Aber ganz vorsichtig, den kleinen Wissensvorsprung darf man ja nicht so leichtsinnig herschenken. Auf die Frage nach dem besten Manager rückte keiner mit der Sprache heraus. Doch als sich Willi intuitiv für Mister Howard entschieden hatte (“sells two cars”), tönten sie sofort: “Den hätte ich auch genommen!”
Es ist eine ziemliche betriebswirtschaftliche Herausforderung, den wechselnden Marktbedarf (zufallsabhängig) und die unterschiedlichen Produktionskapazitäten und Produktionsambitionen der Mitspieler mit seinem eigenen Potential unter einen Hut zu bringen. Jeder Zug bietet einen riesigen Handlungsspielraum, bei jedem Zug könnte man unendlich rechnen, um Kosten und Gewinne zu optimieren. Oft genug wird die Produktion nicht voll ausgereizt, weil man Absatzschwierigkeiten fürchtet, oft genug hat man Überkapazitäten nicht berücksichtigt und bleibt unter hohen Verlusten auf seiner Produktion sitzen. Das richtige Timing ist alles.
Die Zugreihenfolge wechselt nach strategischen Überlegungen. Der Startspieler hat bei allen Zugalternativen den Vorteil der freien Auswahl, die nachfolgenden Spieler können dafür schon leichter den Trend erkennen und Marktnischen erspähen. Die wirtschaftlichen Überlegungen sind ähnlich vielschichtig wie bei “1830”. Was an Streckenbau verloren geht, wird an Warenumsatz gewonnen.
Wir brauchten einschließlich der halbstündigen Einführung knappe drei Stunden für ein Spiel, das nur aus vier Runden von etwa zehn Aktionen pro Runde besteht. Solange die neu zu entdeckenden Abläufe fesselnd sind, ist das tragbar. Später könnten ungeduldige Spieler schon mal ihre Probleme damit bekommen. Damit das ganze ein Spiel bleibt und nicht in eine Übungsaufgabe für BWL-Studenten ausartet, sollte man unbedingt die Denkzeit limitieren und alles, was darüber hinausgeht, durch Geldbußen bestrafen!
Willi dachte garantiert nicht am längsten nach, aber durch eine harmonische Investitions-, Produktions- und Absatzpolitik wurde er – als Neuling! – Sieger. Ein Kompliment an den guten Geist des Nordens! Allerdings wäre er nicht auf das Siegespodest gekommen, wenn Fortuna in der letzten Runde für den Absatz von Mittelklasselimousinen nicht einen Wert nahezu beim Minimum vorgegeben hätte. Das stimmt natürlich bedenklich: Sollte ein dreistündiger Wirtschaftskampf durch einen einzigen zufälligen Würfelwurf entschieden werden? Dabei gäbe es dafür leicht Abhilfe: Warum werden die zufallsbestimmten Absatzzahlen einer Runde nicht schon aufgedeckt, bevor man mit Managern und Verkäufern in die Marktsituation eingreift? Damit die geborenen BWLler bei ihren Zügen nicht noch länger nachdenken?
WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt), Günther: 7 (“hätte auch 8 sein können”), Walter 7 (“8 Punkte mit Schachuhr und eingeschränktem Zufall”), Willi: 5 (“habe 3 Stunden meines Lebens geopfert”)
Die Rotweinflecken auf dem Spielgeld stammen nicht von der heutigen Runde am Westpark, sondern von letzter Woche in Aarons Hauptquartier.
2. “Flaschenteufel”
Die alte Diskussion, ob Flaschenspiel nur ein Chaos-Spiel ist, wurde durch Willi wieder neu angefacht. Doch wie fast immer, mußte der Vertreter der Chaos-Fraktion einsehen, daß das hier dominierende “Größte-Kleinere”-Prinzip durchaus eine Logik besitzt. Wenn etwas schief geht, liegt es nicht an der Unberechenbarkeit des Spiels, sondern am falsch zugrunde gelegten Axiomensystem.
WPG-Wertung: Willi: 4 (“ich möchte es nicht nochmals spielen”. Kein Kommentar vom Rest der Westparker.)
3. “Bluff”
Willi demonstrierte, daß man selbst beim Bluff lange nachdenken kann. Manchmal sogar mit Erfolg. Das hätte er mal beim “Flaschenteufel” tun sollen. Und zwar im richtigen Axiomensystem!
WPG-Wertung: Willi lag mit seinen 10 Punkten voll im Trend.

24.06.2009: Spielen mit Lisi

Heute war Walters Hochzeitstag. Er hatte dieses Jubiläum bereits gestern in den Tag hineingefeiert und heute mit einem feierlichen Champagner-Abendessen abgeschlossen. Die Tischdecke bekam auch ein Gläschen ab. Die Westpark Gamers konnten ohne eheliche Gewissensbisse empfangen werden.
Aaron brachte auch einen Schaumwein mit. Damit durften wir seinen letzte Woche erfolgreich unterschriebenen Vorruhestands-Vertrag begießen. Zunächst mal nur in den jeweiligen Kehlen. Günther steuerte ein B0027JTCN8 bei : “Leitfaden für Spieleerfinder und solche die es werden wollen.” Moritz wird Konkurrenz bekommen!
Lisi, eine junge Nachbarin, war heute auch mit von der Partie. Ihr Debut am Westpark hatte sie bereits in den neunziger Jahren des letzten Jahrtausends gegeben. Damals war sie halb so alt wie heute, aber schon durchaus ein ernsthafter Konkurrent bei unserem Patronatspiel “1830”. Ihr Lieblingsspiel praktiziert sie allerdings auf der Geige. Meisterhaft. Mit bereits vielen Debuts in allen Teilen Europas.
1. “Trans Europa”
Walter durfte erklären. Kurz, knapp, zwingend! Einfach Spitze. Keine einzige Rückfrage zu den Regeln, nicht mal von Lisi. So genial erklärt? Oder so genial verstanden?
Wir bauen Gleise von Madrid bis Moskau und von Sankt Petersburg bis Yspahan. Jeder für sich und im Grunde doch alle gemeinsam. Sobald der erste Spieler seine fünf Pflichtstädte verbunden hat, ist eine Runde zu Ende. Für alle Streckenabschnitte, die den Mitspielern zu ihren Pflichtstädten noch fehlen, gibt es Minuspunkte. Wer nach mehreren Runden die wenigsten Minuspunkte hat, ist Sieger.
Zuerst spielten wir ohne die Expansion mit den privaten Gleisabschnitten. Sie bringt im Prinzip kein neues Element ins Spiel, sondern verlangsamt nur durch Einbau leicht-überwindbarer Schikanen.
Nach drei Runden lagen wir immer noch alle dicht beieinander, und Aaron schlug vor, jetzt doch die Expansion hinzuzunehmen. Durch geeignetes Abschotten teuerer Bauabschnitte kann der am glücklichsten operierende Spieler den anderen noch ein paar zusätzliche Minuspunkte aufdrücken. Die Siegpunkt-Differenzen werden größer.
Nach wie vor ist die Frage ungeklärt, ob man besser im Zentralbereich oder in der Peripherie anfängt.
WPG-Wertung: Lisi bliebt mit 7 Punkten leicht unter dem bisherigen Durchschnitt.
2. “Dice Town”
Aaron muß noch eine Rezension schreiben. Da kommt jede Gelegenzeit zum Üben recht. Er durfte auch das Spiel erklären, ist er doch “einer unser besten Erzähler, besonders, wenn er vorliest!”
Jeder muß sich mit Spezialwürfeln eine optimale “Pokerkombination” zusammenwürfeln. Anschließend wird – im Gegensatz zu Poker – nicht das beste Ergebnis bewertet, sonder alle Blätter (Würfelkombinationen) bringen ihrem Besitzer irgend etwas Nützliches ein: Goldnuggets, Dollars oder Sonderkarten. Entweder bekommt man das von der Bank oder man darf es von den Mitspielern stehlen. Wie lustig! Am Ende wird die gesamte zusammengeraffte Habe in Siegpunkte umgerechnet.
Die Fitzeligkeit , d.h. die Betrugsmöglichkeit mit dem heimlichen Würfeln und Würfel-Zusammenstellen ist nach wie vor ein deutlicher Kritikpunkt. Die Freude am randomisierten Chaos verebbt schnell, leider sehr viel schneller als die Spieldauer lang ist. Wie schon beim ersten Versuch brachen wir nach ca. 1 Stunde Spieldauer ab. Es tut sich nichts Neues mehr. Gleichförmiges Würfeln und den Mitspielern Sonderkarten Wegnehmen verliert am Westpark schnell seinen Nährwert.
Wir trösteten uns mit Aaron Cremant, so erfolgreich, daß auch diesmal wieder Tisch und Bänke etwas davon mitbekamen. Wie diese Substanz dabei auch in Walters Augen geriet, ließ sich nachträglich nicht mehr genau rekonstruieren. Wenigstens fand er dabei eine neue Wette für Thomas Gottschalks berühmte Sendung: “Wetten, daß ich alle Schaumweine der Welt am Brennen in meinen Augen erkennen kann!”
WPG-Wertung: Lisi konnte auch mit gnädigen 6 Punkten den WPG-Durchschnitt nicht über die 5 Punkte-Hürde heben.
3. “Wind River”
Aaron strapazierte wieder von vorneherein die geringen Kingmaker-Kapazitäten dieses tadellosen strategischen Meisterwerkes des Jahres 2009. “Ich spiele so, daß ich möglichst schnell einen Spieler eliminiere” bekannte er, als sein auffällig asymmetrisches Agieren kritisiert wurde. Wen hatte er “zufällig” wieder als Opfer ausgesucht? Natürlich weder den heeren Strategen Günther noch den attraktiven Sonnenschein Lisi. Es war Walter, der selbst an seinem Hochzeitstag seinem Schicksal nicht entgehen konnte.
Der hielt (und hält) diese Spielweise für “bescheuert”, widerspricht sie doch dem Kantschen kategorischen Imperativ: “Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.” Wenn wir in “Wind River” alle danach streben würden, möglichst schnell einen Spieler zu eliminieren, geht das sehr schnell gegen den schwächsten, der gegen die vereinigte Übermacht niemals eine Chance hat. Zumindest für diesen wird das Spiel dann a priori frustrierend! Auch so kann man ein Super-Spiel kaputtmachen.
Walters Menetekel: “Du hast noch keine Wind River Partie gewonnen, du wirst auch in Deinem ganzen Leben keine mehr gewinnen. Solange ich mitspiele”.
WPG-Wertung: Lisi lag mit 8 Punkten ziemlich genau im WPG-Durchschnitt
4. “Flaschenteufel”
Walter durfte wieder erklären. Ein Kartenspiel, das auf den ersten Blick chaotisch abläuft, das in seiner inneren Struktur aber klare logische Schlußfolgerungen erfordert. Dann kann man auch überdurchschnittlich oft gewinnen.
Nach vier Spielen mit hohen Umsätzen hatte Lisi gewonnen. Lag es an ihrer spielerischen Genialität oder lag es auch diesmal wieder an Walters genialem Regelvortrag?
5. “Bluff”
Mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen legte Lisi einen Riesenbluff aufs Parkett und schickte Aaron damit ins Grab: Vier Würfel auf einen Streich reduzierten seine Lebensflamme auf ein spärliches Flackern, das der nächste Windhauch gänzlich ausblies. Balsam auf Walters Wind-River-Wunden.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

17.06.2009: Spieleabend versus Spieleabend

“Spieleabend” heißt unser regelmäßiges Treffen Mittwochs am Westpark. Zur Koordination, Vor- und Nachbereitung fließen eifrig EMails in alle Richtungen. Seitdem wir die Briefe archivieren, ist daraus ein über 1600 Seiten dickes Word-Dokument geworden.
Heute hat unser “Spieleabend” Konkurrenz bekommen. Die A•DEvantgarde veranstaltet im Kleinen Konzertsaal vom Gasteig einen eigenen “Spieleabend”, d.h. ein Konzert rund um das Spiel. Auf dem Programm stehen u.a.:
“Schere, Stein und Papier”, ein Musikstück für 3 Spieler, kleines Ensemble und Publikum von Gregor Mayrhofer,
“Tactics” für Violoncello, Klarinette, Fagott, Klavier und Schlagzeug von Arash Safaian, und
“Multiversum á la Carcassonne” für Schauspielerin, Zuspielband, Klarinette, Fagott und Schlagzeug von Alexander Sternemann.
Der Name des letzten Stückes rührt tatsächlich von dem berühmtesten Hans-im-Glück-Spiel und nicht etwa von der namengebenden Stadt in Südfrankreich. Moritz hat eine Kompositionsklasse der Münchener Musikhochschule extra zu einem Spielabend in die Verlagsräume bei HiG geführt, damit sich die angehenden Komponisten einen Eindruck von dem verschaffen können, was andere Leute so alles an einem “Spieleabend” betreiben.
HiG war nicht nur gastfreundlich wie immer, er hat dem heutigen Konzert auch eine finanzielle Unterstützung zukommen lassen.
Nur mit Gewissensbissen konnten wir heute dem Konkurrenz-Spieleabend im Gasteig entsagen und unserem traditionellen Spieleabend am Westpark den Vorzug geben. Lediglich Moritz mußte zum anderen Ufer (der Isar). Schließlich ist er künstlerischer Leiter des A•DEvantgarde Festivals.
1. “Wind River”
In diesem super Spiel wird bei uns noch kontrovers diskutiert, ob Kingmakerei die vorzüglichen strategischen Linien des Spielverlaufs unterminieren könne. Günther schlug vor – um seine Kingmaker-These zu unterstreichen “gleich von Anfang an gegen Walter zu spielen”. Ausgerechnet Günther! Der erste charakterliche Minuspunkt in zehn Jahren Spielen!
Sein Vorschlag fiel auf fruchtbaren Boden: Aaron hatte sich selbst “für heute vorgenommen, von vorneherein einseitig” gegen Walter zu spielen. “Ich wollte so schnell wie möglich ein 3er Spiel daraus machen. ” Absolut irrational, denn in der Ausführung beförderte er sogar seine eigene linke Büffelherde ins Jenseits, nur um Walter damit den Garaus zu machen. Mitunter auch volksverhetzend. Wie soll man denn sonst seinen Satz werten: “Wir könnten jetzt den Walter rausschicken! ” Selbstredend vollständig! – Zum Glück zogen nicht alle mit.
Walter hatte ursprünglich geplant, sein zweites Start-Tipi probehalber unmittelbar vor die Ziellinie zu positionieren, um vom ersten Augenblick an hier seinen Nachwuchs zu erzeugen und mit einem einzigen Schritt als Siegpunkte ins Reservat übertreten zu lassen. Doch nach den Drohgebärden seiner Gegner war ihm dieses Experiment dann doch zu riskant. Er beschränkte er sich auf ein gemäßigt-offensives Spiel: Er ließ ein Fütter-Tipi im Hintergrund und setzte das zweite brav an der Grenze zur Büffelweide ein. Dann bewegte er es recht zügig in Richtung Ziel. Leider soviel zügiger als die anderen, daß seine tragische Stilisierung zum Feindbild sogar noch eine gewisse Berechtigung bekam.
Aarons brutaler Harakiri-Miesnickeligkeit war sein creativ-elegantes Vorgehen nicht gewachsen. Er brachte zwar weit vor allen anderen als erster ein Tipi ins Ziel, hauchte dann aber sein noch junges Leben aus und konnte nur noch durch Büffel-Bewegungen ins Chaos eingreifen. Doch auch so blieb für ihn das Spiel äußerst spannend.
Aaron irrationale Eskapaden hatten ihn selbst äußerst verwundbar gemacht. Mit letzter Kraft konnte er ebenfalls nur ein einziges Tipi ins Ziel retten. Wenn die Reihenfolge, mit der man ins Ziel kommt, als Tie-Breaker gelten würde, wäre er jetzt Letzter geworden!
Hans und Günther blieben übrig und lieferten sich einen harten Zweikampf aus dem Rückraum rechts. Die Ziellinie war für beide noch längst nicht in greifbarer Nähe. Das verständliche Bestreben der ausgeschiedenen Aaron und Walter war jetzt, mit ihren einsamen Büffelzügen Hans auf ebenfalls maximal ein Ziel-Tipi zu begrenzen. Auch Günther spielte – gegen wenn denn sonst? – gegen Hans und trieb dessen versprengte Herde unerbittlich in den Hungertod. Hansens Verzweiflungsruf:
“Duuu brauchst doch nicht gegen mich zu spielen!”
war zwar emotional verständlich, rational aber durch nichts argumentierbar. Er konnte damit nur rundum ein Gelächter auslösen.
Fazit der provozierten Kingmakerei: Auch mit experimentellen einseitigen Aggressionen ist “Wind River” bis zum Schluß ein perfektes Spiel. Selbst das bloße Zuschauen beim Überlebenskampf der letzten Rothäute und ein sporadisches rächendes Knüppel-zwischen-die-Beine-Werfen ist fesselnd bis zur letzten Minute.
WPG-Wertung: Aaron hob seine Wertung auf 8, Walter sogar auf 9 Punkte, Günther blieb bei seinen 7 (er ist halt ein Allesspieler). Hans vergab – trotz seines finalen Frustes – 8 neue Punkte (“Das Spiel ist toll! So was von elegant! Auch thematisch super!”)
2. “Diamonds Club”
Auf Aaron’s: “Spielt sich wie Finca, nur ohne Muschis” bekannte Hans etwas unsicher, daß er froh sei, bei unseren Muschi-Spielen der letzten Wochen nicht dabeigewesen zu sein. Die erfahrenen älteren Herren wunderten sich!
In Rüdiger-Dorn-Spielen hat niemand Pech. Das ist ein eiserner Grundsatz seiner Spiel-Design-Prinzipien. In “Diamonds Club” gibt es dazu eine winzige Ausnahme: Die Startspieler-Bestimmung, daß der emsigste Zylinder-Investor neuer Startspieler wird, ist super; daß die weitere Zugreihenfolge dann aber nach der Sitzordnung bestimmt wird und nicht nach der weiteren Zylinder-Reihenfolge, ist nur bedingt gerecht! Vielleicht ein Zugeständnis an die Vereinfachung als Familienspiel?
Die verschiedenen Investitionsmöglichkeiten in Geldquellen, Waldbesitz, Technik-Entwicklung und Park-Triolen bieten auch anspruchsvollen Spielern ein weites Betätigungsfeld. Allerdings muß man wissen, daß ohne Wald nichts geht. Hans bekam fast alle Sonderpunkte für vollständige Sammelobjekte, doch er wurde Letzter. Er hatte als einziger kein Waldstück. Vielleicht sollte der Waldfaktor auf maximal 5 (statt 6) begrenzt sein.
Die restlichen Punktezahlen blieben trotz sonst unterschiedlicher Park-Entwicklung ziemlich dicht beieinander. Das haben wir schon früher festgestellt. Ist Dorn’s Ausgleichspolitik hier etwa in Gleichmacherei ausgeartet? Frage an die eigenen Reihen: Dann ist der Waldfaktor also noch zu niedrig, oder?
Hans empfand das Spiel als “Antithese zu Wind River: Unheimlich viel Regeln, unheimlich viel Material, dagegen zu wenig Interaktion.” Zudem fühlte er sich strategisch zu wenig herausgefordert: “Die Dinge, die ich falsch gemacht habe, waren so pippifax, daß ich keinen Ehrgeiz habe, meine Strategie zu verbessern.” Nach einer harten Auseinandersetzung mit “Wind River” ist diese Einschätzung gerade noch verständlich.
“Diamonds Club” geht deutlich in Richtung Familienspiel, auch wenn es dafür verhältnismäßig viele Regeln enthält. Aaron schlug vor, das geniale Setz-Tableau durch spezielle Verteilungswürfel zu ersetzen: Schiffe, Verträge, Farb-Loren und das ganze Drum und Dran benötigen dann keine scharfe Optimierungs-Kalkulation mehr, sondern werden durch einfachen Würfelwurf erworben. Dieser Vorschlag ist genauso revolutionär wie seine halsbrecherischen Killermethoden gegen die aussterbenden Indianer im “Wind River”.
WPG-Wertung: Hans senkte mit seinen 6 Punkten den WPG-Durchschnitt um 0,2.
3. “Bluff”
Im ersten Spiel schied Hans als erster aus, im zweiten Spiel wurde er Sieger. Bei Walter war es umgekehrt. Ist Bluff doch nur ein reines Glücksspiel?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

10.06.2009: Mensch-ärgere-Dich-nicht beim Schach

“Das Spiel hat seine Unschuld verloren. Auch wenn sich die Kulturphilosophie einig ist, daß Elemente des Spiels alle Ebenen unserer Gesellschaft durchdringen, ja daß Kulturgeschichte an sich ohne Spiel nicht möglich ist, erleben wir gleichzeitig, wie das Spiel immer mehr instrumentalisiert wird. Wir leben in einer dem Spiel als Massenphänomen unterworfenen Zeit. Man verspielt seine Zeit mit Computerspielen, man verspielt sein Geld bei Lotterien, man wird gespielt. Aus dem Spiel ist Ernst geworden. Im Sport – der einmal Spiel war – ist ein Wettkampf ohne Doping oder nationalen Fanatismus kaum noch denkbar, eben weil das Spiel nicht mehr zweckfrei ist.” – Moritz in seinem Vorwort zum 10. Internationalen A-DEvantgarde-Festival für neue Musik vom 14. Juni bis 1. Juli 2009 in München.
1. “Frage der Ähre”
Aaron muß noch eine Rezension schreiben. Das gab den Ausschlag für das erste Spiel des Abends.
Wir legen reihum Saatplättchen auf die Almende und kassieren Siegpunkte für die Flächenformation, die dabei entsteht. Keiner hat sein Glück in der Hand, sondern ist abhängig von der Formation, die uns unser Vordermann hinterlassen hat, sowie von den Saatplättchen, mit denen die Mitspieler unsere siegpunktträchtigen Formationen zerstückeln.
Es gibt keine vorausschauende Planung. Jeder legt sein Plättchen so, daß es ihm für den Augenblick die meisten Punkte einbringt, und versucht dabei als Nebeneffekt, einem Mitspieler möglichst viele Punkte zu zerstören. Der beste Zug ist determiniert, den nächsten besten gibt es nicht. Ein einfaches Computerprogramm könnte die triviale Auszähltechnik mit links bewerkstelligen. Moritz: “So ein Programm würde immer gewinnen!” Günther bezweifelte die Gewinnstrategie. Seine Computer-Programme berücksichtigen in der Regel noch einen zweiten Zug. Mindestens. Doch welcher wäre das in der “Frage der Ähre”?
WPG-Wertung: Moritz lag mit seinen 5 Punkten ziemlich nahe am WPG-Durchschnitt.
Aaron wird eine Rezension schreiben.
2. “Maori”
Moritz gab klare Alternativen vor: “Das Spiel erklärt entweder Aaron ODER Günther. UND Walter hält den Mund.” Der Nebensatz enthielt keine Alternative mehr.
Die Spieler dürfen sich nach bestimmten Regeln vom offen ausliegenden Stapel (Halb-)Insel-Plättchen heraussuchen und damit auf dem eigenen Spielbrett eine Insellandschaft aufbauen. Am Ende entscheiden die meisten Palmen mit und ohne Strohhütten sowie das Maximum an Muscheln und Schiffen über den Sieg.
Wie schon beim ersten mal ergaben die Wortspiele um die Muschis den größten Spaßfaktor. Moritz wollte Muschikönig werden. Solange du Muschis hast, geht was. Die Schiffsplättchen dürfen seitenverkehrt abgelegt werden, Muschis dürfen ja auch verkehrt herum liegen.
Günther praktizierte zum wiederholten Male mit Erfolg seine Schiffsstrategie. Aaron hätte ebenfalls jedes Schiff-Plättchen genommen, das er hätte kriegen können, doch Günther war einfach irgendwie schneller. Obwohl er hinter ihm saß. Das ist das sogenannte Maori-Schiffsparadoxon.
Das Muschiparadoxon hingegen wird vom wahren Leben geschrieben.
WPG-Wertung: Moritz lag mit seinen 6 Punkten genau 1 Punkt unter dem WPG-Durchschnitt.
3. “Wind River”
Hat das Spiel eine Gewinnstrategie?
Gibt es eine Situation, in der das Spiel kippt, d h. in der ein Spieler aus dem ausbalancierten allgemeinen Spannungszustand heraus zu einem uneinholbaren Vorsprung gelangt?
Gibt es eine vernünftig-begründbare Kingmakerei? (Ist sie vernünftig, dann ist es keine Kingmakerei mehr!)
Auf alle diese Fragen haben wir trotz intensiver Auseinandersetzung mit dem Spiel noch keine schlüssige Antwort. Das spricht eindeutig für seine strategischen Qualitäten.
Wir bewegen eine Büffelherde über die Prärie, ziehen mit unseren Tipis hinterher, ernähren unsere Indianer, zeugen zuweilen auch Nachwuchs und bringen möglichst viele Stammesangehörige ins Ziel.
Irgendwann im Laufe des Spieles muß man vom defensiven Aufbau in den Angriff übergehen. Aber wann? Auch beim Schachspiel ist das nicht eindeutig. Und “Wind River” ist nach Walters Meinung das einzig funktionierende 4-Personen-Schachspiel der Welt!
Zum Schluß triumphiert einer. Wie bei mittelprächtigen Schachspielern, wo irgendwann mal einer dem anderen die Dame wegnimmt. Moritz fand das “Endspiel blöd”. Claro, wie ein Schachendspiel nach dem Verlust der Dame.
Günther meinte die problematische Kipp-Situation (Wegnehmen der Dame) identifiziert zu haben. Aber nur als Vision. In Worte fassen konnte er sie nicht, und praktizieren erst recht nicht.
Moritz gab erste vage Tips für gutes Spiel (genauso zutreffend wie der tägliche Wetterbericht im Monat Juni):
1) Baue so schnell wie möglich das dritte Tipi.
2) Baue dir eine Büffelbahn.
Günther ergänzte: 3) Halte dich aus Konflikten heraus.
Nachfrage: “Wie macht man das?” “Ja, das weiß ich nicht!” Zumindest die Randlage könnte dazu eine Chance geben. Genauso sicher wie die englische Vierspringer-Variante im Nimzowitsch-Indisch.
Keine neue WPG-Wertung
Walter wird eine Rezension schreiben.
4. “Dog”
Das Spiel sieht aus wie ein Mensch-ärgere-Dich-nicht. Ein kleines bißchen runder.
Das Spiel spielt sich wie ein Mensch-ärgere-Dich-nicht. Ein kleines bißchen unberechenbarer. Noch unberechenbarer!
Das vorherrschende Element soll die Gaudi sein. Doch dauerte es eine halbe Stunde, bis sich jeder ein dickes Fell zugelegt hatte und die Schicksalsschläge der Tausch- und Chaoskarten mit Gleichmut ertragen konnte. Dann gab es sogar hin und wieder ein allgemeines Gelächter.
Etwas unglücklich ist die Regel, daß man eine ganze Kartenrunde aussetzen muß, wenn man ein einziges Mal nicht ziehen kann. Zwei Klappen ohne eine einzige Fliege! Ist einem Gaudispiel nicht zuträglich. Oder vielleicht gerade?
Zu viert wird “Dog” paarweise über Kreuz gespielt, nur gemeinsam kann man gewinnen oder verlieren. Sobald der erste alle seine vier Pöppel im Loch hat, ziehen beide Parteien die übriggebliebene Farbe. Der große Vorteil: Man ist praktisch bei jedem zweiten Zug am Zug.
Mit überlegener Geisteskraft gewannen Günther und Moritz.
WPG-Wertung: Moritz lag mit seinen 5 Punkten wieder genau 1 Punkt unter dem WPG-Durchschnitt. “Nettes Familienspiel.” Meinst Du, es reicht schon für Deinen Milo?
5. “Bluff”
Neuheit am Westpark: Moritz verpaßte nicht nur die vorletzte, sondern auch die letzte U-Bahn.