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11.02.2009: Mit dem Flaschenteufel durch die Kontinente

Im Internet kann man sich nicht nur einen Lebensabschnittspartner suchen, sondern auch kurzfristige Seitensprünge. Bei Google werden unter den Suchbegriffen “Seitensprung” + “Portal” immerhin dreihundertvierzigtausend Einträge angeboten, z.B. “Seitensprung mit Niveau … für Frauen und Männer, die auf der Suche nach einer Affäre oder einem One-Night-Stand sind!”
Peter hat es ausprobiert. Zumindest einige Links. Angeblich sollen dort 35 jährige Frauen “jüngere” Männer suchen. Mit 40 plus ist man schon ausgemustert. Als armer 40 Jähriger muß man schon um seinen Ruf kämpfen: “Ich bin kein Opa-Typ!”.
Ach, was hat die heutige Jugend für Sorgen! Ich gehe als gut 60-Jähriger in den Bridgeclub und bin dort … Verrate ich nicht!
1. “Chicago Express”
Walter durfte den Neulingen Loradana und Peter die Regeln erklären. Nach Peters Vorstellung von Systematik hielt er sich streng linear an das 8-seitige, klar gegliederte Regelheft und wurde als Erklärer weder angefeindet noch abgesetzt. Ein Novum am Westpark.
Wir ersteigern Aktien von Eisenbahngesellschaften, bauen Strecken, entwickeln die umliegende Geographie und kassieren Dividenden für den Eisenbahnbetrieb. Wer am Ende das meiste Geld erwirtschaften konnte, ist Sieger.
Es gibt eine Menge antagonistischer Effekte zu berücksichtigen, hier nur zwei Beispiele:
a) Die Gesamteinnahmen einer Linie werden gleichmäßig unter alle Aktienbesitzer verteilt. Je mehr Aktien einer Linie verkauft sind, desto geringer ist der Quotient. Schnell noch eine Aktie des Gegners auf den Markt zu werfen, erhöht den Nenner und reduziert die Dividende. Im Gegenzug macht jede verkaufte Aktie eine Linie reicher und entwicklungsfähiger. Zusätzlich erlaubt dies gleich mehreren Aktionären, den Ausbau einer Linie tatkräftig in die Hand zu nehmen.
b) Man versucht eine Aktien so billig wie möglich zu ersteigern, doch der Erlös fließt in die Gesellschaft, und je mehr Kapital sie hat, desto besser kann sie sich entwickeln. Der richtige Preis für eine Aktien zum gegebenen Zeitpunkt, das ist das ganze Geheimnis für gutes Spiel. Wenn man diese Rechnerei ernst nimmt, kann der Spielablauf allerdings ziemlich dröge werden.
Gott-sei-Dank hat Günther hier noch keine Optimierungsbilanz erarbeitet, sonst wäre das Spiel zu Tode analysiert. Wir (alle?) rechneten wenig und wir spielten viel. Ganz brav und ruhig verlief die Entwicklung. Ohne Aggressionen wurden die Strecken gebaut und die Industriezentren entwickelt. Fast langweilig …
Walter konnte sich erinnern, daß ab dem Mittelspiel die Aktien leicht überbewertet über den Ladentisch gingen. Heute hielt er sich von Anfang an zurück. Am Ende kam er mit einer einzigen Chesapeake-Aktie (plus einer beschisssenen Wabash-Aktie) vor den Richter. Entsprechend gering war seine Geldsummenausbeute: mit 42 Dollar hatte er gerade mal die Hälfte an Barvermögen des vorletzten Spielers erwirtschaftet und etwa ein Viertel die des Siegers Peter.
“Was habe ich falsch gemacht?” Peter: “Alles!”. Deutliche Aussage, doch die Details sind hilfreichere Information für das nächste Spiel. “Keep fully invested” gilt auch hier, zumindest am Anfang des Spiels. Immerhin werden ca. 8 mal Dividenden ausgeschüttet, die ersten Aktien bringen also schon insgesamt etwa 50 Dollars ein.
Zweites Fazit von Peter: “Ihr (wahrscheinlich meinte er wieder Walter) hättet mehr Aktien auf den Markt bringen müssen!”. Dabei hatte sich Walter gerade in der Endphase bemüht, Aktien SEINER Linie zu verkaufen, um die Gesellschaft flüssiger zu machen. Hier hätte er sich aber besser auf seiner einzigen Aktie ausruhen und etwas für die Ertragsentwicklung seiner Linie tun sollen. Dann hätten die Mitspieler automatisch auch Interesse an der Chesapeake bekommen.
Peters drittes Fazit: “Man kann das Spiel besser spielen, als es hier gespielt wurde!” Klar, wer auch diesmal damit gemeint war.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (1 Punkt weniger), Peter: 7 (trotz seiner Geld-Schwemme), Loredana: 5 (das Spiel funktioniert. Nachträgliche Frage: Was funktioniert nicht?) Walter: 8 (2 Punkte weniger, Tendenz fallend)
2. “Trans Europa”
Noch mal Eisenbahn, diesmal in Europa. “Trans Europa” ist auch kein Wirtschaftskampf, sondern ein Glücksspiel (wer zieht die besten Städte-Verbindungen) und eine psychologische Herausforderung (welche Strecken müssen die anderen ohnehin für mich bauen?).
Locker ist es allemal. Auch wenn unser Terminator es abqualifiziert: “albernes Glücksspiel”! Da frage ich mich schon, auf Grund welcher Eigenschaften “Zoff im Zoo” für ihn seit Jahren der absolute Renner ist!
Keine neue WPG-Wertung für ein Mehr-als-7-Punkte-Spiel
3. Flaschenteufel
Hier gilt Walter dank seiner Auseinandersetzung mit Günther Cornett’s PC-Implementierung als Favorit. Durch einen kapitalen Ablege-Fehler konnte sich auch gleich im ersten Spiel mit Minus 16 Punkten den Teufelsstich sichern.
Doch dann schob er sich Spiel um Spiel nach oben, und als er die Führung erobert hatte, schlug er den Spielabbruch vor. Alle waren einverstanden, insbesondere Peter, der sich hier wie bei der “Behinderten-Olympiade” gefühlt hatte. Als Zuschauer, oder als was?
4. “Bluff”
Nix Neues im Westen. Peter zweimal als erster ausgeschieden, Loredana zweimal gegen Aaron im Endspiel. Einmal oben, einmal unten. Ohne Seitensprung.

04.03.2009: “Uptown” in der “Flut”

Bis zum Sonntag waren erst drei Spieler für den Mittwoch-Spielabend angemeldet. Am Montag rührte sich Hans per EMail: “Ich kann diesen Mittwoch dabei sein und komme gern! – mindestens einer fehlt doch noch?”
Fehlen? Der Ausdruck war ein kleines bißchen zu stark, denn auch ein Trio-Abend hat seine Reize, z.B. wenn “Friedrich” auf dem Tisch liegt. Mit “Imuri” hat es sogar schon faszinierende 2er-Spielabende am Westpark gegeben. Gerade mit Hans.
Walters Erinnerung daran quittierte er mit “Du sagst es, 'Imuri' und 'Salta', das war wirklich eine gehaltvolle Kombination!” – War das jetzt eine Zusage oder nicht?
Geduldig wartete das Trio vom Sonntag auf den angekündigten vierten Spieler vom Montag. Doch er kam nicht! Hans, wo bist Du abgekommen? Wolltest Du dem Gastgeber etwa einen Soloabend bereiten?
1. “Uptown”
Es galt, die Zeit zu überbrücken, bis der vierte Mann eintrudelt. “Uptown” ist dafür ein ideales, schnelles Spiel zum Aufwärmen. Jeder Spieler hat den gleichen Satz von insgesamt 27 Plättchen, die reihum auf vorgeschriebene Felder des Spielbrettes gelegt werden. Dabei sollen möglichst zusammenhängende Ketten gebildet werden. Wer am Ende die wenigsten getrennten Ketten erzeugt hat, ist Sieger.
Im ersten Spiel wiesen am Ende alle Spieler genau zwei zusammenhängende Ketten auf, dabei hatte Günther die dickste, was im Femininum allerdings nix Besonderes ist. Auch kein Kriterium als Tie-Breaker.
Alle brachten ihre Ideen und Vorschläge für ein strategisch optimales Vorgehen vor. Trivial ist das Ablegen der Plättchen auf keinen Fall. Ein überlegter Plan ist erforderlich, auch wenn die Auswahl der Plättchen, die man aktuell legen darf, jeweils auf fünf beschränkt ist. Zufällig gezogene! Doch gute Ratschläge unter klugen Mitspielern fallen genauso wenig auf fruchtbaren Boden wie gute Ratschläge vorsichtiger Mütter an ihre klugen Töchter. Das zweite Spiel sollte die Nagelprobe für die kontroversen Strategiediskussionen ergeben.
Doch wie der Zufall so spielt: Ausgerechnet unser Spieler, der anerkanntermaßen beim “Mensch-ärger-Dich-nicht” die schlechtesten Würfel hinlegt und der beim “Schafkopfen” anerkanntermaßen die schlechteste Kartenhand zugeteilt bekommt, der hatte ständig auf seinem Vorratsbänkchen auch nur “Scheiß-Plättchen” liegen. – So muß die Entscheidung über die beste Uptown-Strategie auf einen späteren Termin verschoben werden.
Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte Spiel
2. “After the Flood
Hans war immer noch nicht da. Ohne Skrupel konnten wir als Schwerpunkt des Abends ein neues, dickes 3er-Spiel von Martin Wallace auf den Tisch legen: “After the Flood”. Aaron hatte von einer numerierten Auflage das Exemplar Nummer 1442 erstanden. Letztes Jahr in Essen (oder wo auch immer). Frei nach seinem Motto: “Mit Martin Wallace liegt man immer richtig”.
2-3 Stunden soll das Spiel dauern. Zusätzlich zur Regelerklärung! Da kommt so ein unvorhergesehener Hans-Ausfall wie gerufen. Friedlich machten sich drei reife Männer über die Spielregeln her. Vier Seiten Einleitung, fünf dicht bedruckte Seiten Regelwerk, eine Seite Zusammenfassung. Parallel zum Klüger-Werden erzeugten wir den Spielaufbau, die Startaufstellung und die erste Ernte.
Die Szenerie liegt rund um das alte Sumerien (oder wie hieß das Land der Sumerer?). Wir schicken unsere Arbeiter zu den verschiedenen Baustellen aufs Land. “Irrigation” heißt eines dieser Betätigungsfelder auf Englisch; drei Männerhirne fanden dazu natürlich sofort eine phonetische Assoziation. Auch das – nach Wikipedia – “paradiesische Land” Dilmun wurde unverzüglich abgewandelt. Ohne dabei den Ernst des Spieles aus den Augen zu verlieren.
Wir erarbeiten uns Rohstoffe und treiben Handel, um unsere billigen Rohstoffe gegen höherwertige einzutauschen. Wir gründen Städte und bauen sie aus, wir gründen Reiche, d.h. wir stellen Armeen auf, die – wie im richtigen Leben – den Handel behindern, die Städte zerstören und eine Menge Ressourcen verbrauchen.
Das Spiel verläuft über fünf Runden a sechs Phasen. Die dickste Phase ist die Aktionsphase, in der alle Mitarbeiter und alle Generäle ihre Tätigkeiten entfalten. Die Anzahl der Aktionen ist a priori nicht limitiert: Jeder darf solange agieren, wie es ihm Spaß macht, d.h. bis er alle seine Rohstoffe auf den optimalen Veredelungsgrad gebracht hat. Manchmal schränken die gegnerischen Armeen den Aktionsradius ein, oft genug aber auch nicht. Hier prallt die volle schöpferische Fülle an Zugmöglichkeiten in einer abzählbar endlichen Folge auf die armen Spieler herab und sie sind – zumindest als Anfänger – total überfordert, darin eine auch nur einigermaßen optimale Linie zu finden.
Ein paar grundsätzliche Fragenstellungen:
1) Bis zu welchem Einsatz soll man um die Vorherrschaft in den vorteilhaftesten Reichen kämpfen?
2) Wieviel ist der Vorteil als Startspieler wert?
3) Wieviele Zusatzarmeen soll man sich leisten? Mit welchen Mitteln soll man sie ausstatten, um sich damit Kampfvorteile zu sichern?
4) Wo gründet man die sichersten Städte? Wann gründet man sie und wann entwickelt man sie zur Hochkultur?
5) Soll man gegnerische Städte und Armeen angreifen und an welchen Stellen?
6) Wieviel Arbeiter sind auf dem Land und in den Fabriken jeweils notwendig?
7) An welchen Marktplätzen braucht man unbedingt Händler, um die benötigten Tauschaktionen lückenlos abwickeln zu können.
8) Wieviele Angestellte schickt man ins Dildoparadies, damit sie dort ungestört ihre Kreise ziehen? Nach jeder Runde müssen sie erschöpft aufgeben!
Fragen über Fragen. Die richtige Priorität ist spielentscheidend. Nach zweieinhalb Stunden hatten wir zwei der fünf Runden absolviert, aber immer noch keinen Peil darüber, was zu welchem Zeitpunkt wichtig, wichtiger oder am wichtigsten ist. Noch kein Gefühl dafür, wie man die nächste Runde angehen soll.
In jedem Fall verläuft der Kampf um die beste Entwicklung mit einer maximalen Spieler-Interaktion. Jede vorteilhafte Position ist umkämpft. Der Sieger in einer Auseinandersetzung gewinnt eine gute Ausgangsstellung, muß dafür aber eine erhebliche Menge an Ressourcen verpulvern, und schafft sich sofort zwei Feinde, die ihm die Früchte seiner Dominanz so sauer wie möglich werden lassen. In dieser Hinsicht ist das 3-Personenspiel vorzüglich konstruiert und auch gut ausbalanciert.
Letztere Einschätzung ist allerdings nicht unumstritten. Im Gegensatz zu “Friedrich”, bei dem allen sofort klar war, daß hier ein großes Spiel auf dem Tisch liegt, muß “After the Flood” seine wirkliche Größe erst noch unter Beweis stellen. Zum Nochmals-Spielen um seine Geheimnisse zu ergründen reizt es auf alle Fälle. Aaron wird noch ein bißchen im Internet nachschauen, was andere Geister dazu bereits herausgefunden haben.
Preliminary WPG-Wertung: Aaron: 6 (befürchtet, daß es “kippelig” ist), Günther: 6 (noch skeptisch), Walter: 7 (mit Tendenz zu mehr)
3. “Bluff”
Nach vielen Stunden Planen und Wundern brauchten wir noch ein abschließendes Spielerlebnis. Dazu ist “Bluff” ein nicht zu überbietendes Medium.
Das erste Spiel gewann Aaron vor Günther, im zweiten war es umgekehrt. Jeweils vor einem weiteren Teilnehmer.

29.01.2009: “Die Säulen der Erde”

“Ich bewundere und liebe die Erfindung des Spielens, da ich sie als ein Zauberband ansehe, durch welches in einer Zeit von wenigen Minuten Leute von allerlei Nationen, ohne daß sie sich sprechen können, und von Personen von ganz entgegengesetzten Charakteren viele Stunden lang sehr gesellig verknüpft werden; da es ohne dieses Hilfsmittel beinahe unmöglich wäre, eine allgemeine gefällige Unterhaltung vorzuschlagen.”
(Sophie von la Roche, vor knapp 250 Jahren)
1. “Die Säulen der Erde”
Letzte Woche waren wir alle davon überzeugt, “Steel Driver” schon einmal gespielt zu haben; wir wunderten uns, wie schlecht wir die Regeln wieder zusammenbrachten. Dabei hatte keiner von uns das Spiel gekannt, es taucht in keiner unserer Aufzeichnungen auf. Diesmal waren Aaron und Walter davon überzeugt, “Die Säulen der Erde” noch nie gespielt zu haben, obwohl es bei uns schon einmal zum “Spiel des Monats” gekürt worden war. Walter hatte sich getäuscht: vor gut zwei Jahren, am 13.12.2006 hatte es bereits am Westpark auf dem Tisch gelegen und war mit guten Noten entlassen worden.
Peter durfte seine (zwei Jahre) alte Liebe den Nicht-Kennern und die sich dafür hielten vorstellen. Wie immer gab er eine perfekte Einführung, und schnell war er durch das recht anspruchsvolle Regelwerk hindurch. Wir wußten jetzt, wie man das Spiel spielt. Doch um zu wissen, wie man es gut spielt, dazu reicht die bloße Regelkenntnis natürlich nicht aus, dazu braucht es eine jahrelange Spielerfahrung.
Hier war Peter vorbildlich generös. Ganz uneigennützig gab er jedem herumrätselnden Konkurrenten Tips für den nächsten besten Spielzug. Zudem konnte er die noch-planlosen Mitspieler trösten: “Das Spiel vergibt”! Das hieß soviel wie: Fehler in der Anfangsphase können in der Schlußphase noch problemlos ausgebügelt werden. Allerdings sollte man bis dahin gelernt haben, wohin der Hase läuft.
Die Spieler müssen mit den Elementen Arbeit, Geld, Baumeister und Rohstoffe jonglieren und den effizientesten Weg finden, schlußendlich alles in Siegpunkte zu verwandeln. Sie schicken ihre Arbeiter in Wald und Heide, um Rohstoffe Holz, Steine und Kies zusammenzutragen, sie investieren Geld um ihre Veredelungsverfahren zu verbessern, und sie wandeln ihre Fertigprodukte in Siegpunkte um.
Es gibt einen Konkurrenzkampf um die Rohstoffplätze und um die lukrativsten technischen Fortschritte. Alles ist begrenzt, wer zu spät kommt, den bestraft das Schicksal. Dabei unterliegt das Gesamtangebot sogar einer Zufallsauswahl: man kann keineswegs darauf bauen, daß in einer Runde überhaupt Plätze für den Abbau eines bestimmten Rohstoffes angeboten werden. Auch in der Zugreihenfolge hat der Zufall seine Hände drin: Die Zug-Pöppel werden blind aus einem Säckchen gezogen: Wer Glück hat, dessen Pöppel werden früh gezogen und ihm steht die volle Auswahl an Entwicklungsoptionen zur Verfügung, die Nachfolger müssen sich mit einer immer kleiner werdenen Auswahl begnügen. Dieser starke Reihenfolgenvorteil wird allerdings leicht abgeschwächt: Für frühesten Züge muß man das meiste Geld berappen, und Geld ist knapp.
Alles ist knapp: die Arbeiter, die freien Arbeitsplätze, Rohstoffe und Veredelungstechniken. So stellen “die Säulen der Erde” ein schöne Herausforderung an die Anpassungsfähigkeit der Optimierungstechniken an günstige Gelegenheiten dar. Immer wieder bieten sich den Spielern spontane Situationen, die im allgemeinen Entwicklungsfluß eine bestimmte Richtung begünstigen. Diese gilt es zu erkennen und auszubauen.
Die Fortschritte sind alle stark progressiv, d.h. die Umsetzung von Besitztümern in Siegpunkte geschieht in immer größeren Raten und zu immer vorteilhafteren Quoten. So kann man auch noch in den letzten Runden erheblichen Boden wieder gutmachen. Vielleicht zu viel! Fast die Hälfte der Siegpunkte wurde in der letzten Runde vergeben. War das jetzt dank des guten Aufbauspieles, oder auf Grund des enormen Hochschießens der Umwandlungseffizienz, oder hat da schlichtweg Fortuna entscheidend mitgeholfen?
Peter wurde Letzter. Das spricht nicht gegen ihn, sondern für die geschlossene Potenz am Westpark! (Eifriges An-die-eigene-Brust-Klopfen!) Dank seiner uneigennützigen Unterstützung mit Rat und Tat wurde Walter Zweiter. “Daß Du nicht Erster geworden bist, das spricht für das Spiel.” Für seine Berechenbarkeit. Dafür spricht vielleicht auch, daß Günther gewonnen hat. Aber es bleiben leichte Zweifel offen. Ansonsten könnte man über Peters letzten Satz sicherlich manche dicke psychologische Abhandlung schreiben.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (mag keine Glücksspiele), Günther: 8 (“ist schon ziemlich gut; 10 Punkte sind für die 18xx-Spiele reserviert”), Peter: 10 (“gehört zu den wenigen Spielen, die ich ständig spielen kann”), Walter: 8 (spielerische Mischung aus Planung und Zufall)
2. “Bluff”
Nach der zweiten Runde war Günther bereits ausgeschieden. Natürlich auf Grund von Untertreibung. Dumm gelaufen. Das vorgezogene lange Endspiel mit 5:5:5-Würfeln konnte Aaron nach zähem Kampf für sich entscheiden.

21.01.2009: Deutsche Hausmannskost

Keiner hatte Walters Wunschspiele, die “Die Prinzen von Machu Picchu” von Mac Gerdts und Rüdiger Dorns “Diamonds Club” mitgebracht. Von Moritz’ amerikanischem 4-Stünder “Battles Star Galactica” als einleitung fühlten wir uns überfordert. So kam heute nur Aaron’s Auswahl an deutscher Hausmannskost (gilt als Qualitätskriterium) zur Auswahl, und zumindest Peter war damit mehr als zufriedengestellt.
1. “Linq”
Eigentlich kein richtiges Brettspiel, sondern eher eine Party-Unterhaltung für gebildete Kreise. Vor knapp einem Jahr zum ersten Mal gespielt und gleich mit vorzüglichen 8 Punkten bedacht, war es heute für Moritz und die beiden Peters eine Premiere.
Je zwei Spieler werden per Zufallsauswahl verbandelt, doch keiner kennt die paarweisen Zugehörigkeiten. Schlüssel zur Aufklärung sind Begriffe, die jedem Paar geheim zugeordnet sind. Beispielsweise habe das rote Paar den Begriff “Europa” und das blaue Paar den Begriff “Bangkok” erhalten. Durch Nennen von Assoziativ-Begriffen sollen jeder die Paar-Zuordnung herausfinden.
Findet ein Paar die eigene Zusammengehörigkeit heraus (jeder vom anderen), dann bekommen beide Siegpunkte. Finden die anderen ebenfalls diese Zusammengehörigkeit heraus, so muß das Paar Siegpunkte abgeben. Es geht also darum, sich dem Partner durch geeignete Begriffe erkenntlich zu zeigen, für die anderen aber verdeckt zu bleiben.
Zu den obigen Beispielen “Europa” und “Bangkok” nannte Aaron “Göttin”, Peter “Asien”, Moritz “Liebesperlen” und Walter “Sex”. Wer gehört jetzt zu wem? Als Alternativbegriff nannte Aaron “Schnell” (das war ein gewollte Irreführung, denn er wußte schon, zu wem er gehörte und er wußte auch, daß sein Partner das ebenfalls bereits wußte), Peter nannte einen “Daro al Gelto” (oder so ähnlich, einen bekannten Sex-Regisseur. Peter Du kannst den Namen ja noch korrigieren), mit dem er Moritz bluffen wollte. Was ihm auch vollkommen gelang. Moritz wollte mit “Fritzl” (dem aus Amstetten) noch ein bißchen Nebel verbreiten, aber es reichte nur noch für die eigene Vernebelung.
Loredana war hier das Fragezeichen (Sonderfigur bei unpaariger Spielerzahl). Als unglückliche Anfangsspielerin wollte sie hier mit “Link” und “Modul” eine falsche Fährte legen, aber bei den vorgegebenen geographischen Schlüsselworten konnte sie damit keinen auf ihre Seite ziehen.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (damals), 8, Loredana: 6 (sprachliches Handicap), Peter: 7, Moritz: 8 (Donnerlittchen), Walter: 8 (Reminiszenz an ähnliche Spielchen aus seiner Jugend)
2. “Steel Driver”
Unsere Erinnerung an die Linq-Regeln hatten wir überschätzt und viel Zeit mit Probeläufen und Fehlversuchen verloren, für Moritz Potzenzspiel war es deshalb bereits zu spät. Mit gehobener Hausmannskost ging es weiter.
“Steel Driver” ist ein Eisenbahnaktienspiel und insofern ein Leib- und Magenspiel unserer Gruppe. Nach unserem Gefühl sollte wir es schon einmal gespielt haben, doch in unseren Sessionreports taucht es noch nicht auf. Ist es da irgendwo verschütt gegangen?
Obwohl sich Aaron und Walter im Groben und Ganzen an Einzelheiten des Spielablaufs erinnerten, hatten wir alle erhebliche Probleme, erstens beim Vortragen der Regeln, zweitens mit dem Verstehen der Regeln, und drittens beim Behalten und Beachten der Regeln.
Dabei ist alles ganz einfach: In jeder Runde kauft jeder 1-2 Aktien einer Eisenbahn-Gesellschaft; entsprechend der Liquidität dieser Gesellschaft baut er 1-3 Gleisstücke, verbindet Städte und erzielt damit einen Ertrag, der in Form von Siegpunkten an die Aktionäre ausgeschüttet wird.
Am Spielende werden die Gesellschaften nochmals auf Grund ihrer Streckenstruktur bewertet und bringen jedem Aktionär eine abschließende Siegpunkt-Prämie ein. Diese Endbewertung ist ein bißchen tricky, denn hier werden in Konkurrenz aller gegen alle die Städte auf dem Spielplan einzeln abgebaut und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer als zweiter kommt, mahlt überhaupt nicht mehr!
Hier steckt natürlich ein gewisser Kingmaker-Effekt drin. Man kann einem ungeliebten Gegenspieler einen Streckenbonus vor der Nase wegschnappen und damit einem unbeteiligten Dritten zum Sieg verhelfen. Peter meinte dazu: “Nett gedacht, aber typisch Martin Wallace; die Kingmakerei hat er noch nie wegbekommen!” – Eigentlich wäre das doch ganz einfach gewesen: Man brauchte in der Schlußwertung bloß nicht die Städte einzeln abzuräumen, sondern jede Linie darf jede Stadt werten, die sie in ihrem Schienennetz angeschlossen hat! Damit würde ein verstärkter Nachdruck auf strategischen Gleisbau gelegt, was dem ohnehin schon guten Spiel sicherlich noch zusätzlich zugute käme.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (bei Nachschrift), Loredana: 8 (kein Handicap), Peter: 6 (Wallace-Trauma), Moritz: 7 (ist kein 18xx-er), Walter: 7 (vertauschbar mit Aarons Punkten)
3. “Zoff im Zoo”
Peter stellte seine Regelkenntnis heraus und schaute leicht auf die Mitspieler herab, die mit der Freßreihenfolge in der Tierwelt immer noch nicht so vertraut waren. Selbst Loredana fragte ungewöhnlich aggressiv in die Runde: “Kennst Du keine Tiere?” – Ach, in allen intelligenten Freizeitbeschäftigungen ist es schwierig, auf schwächere konkurrierende Mitspieler nicht herabzuschauen! Für die Charakterbildung ist es in jedem Fall gut, wenn man auch beim Spielen ab und zu mal auf seinen Meister trifft. Vor allem, wenn der es einem auch noch unverblümt vorhält! Davon können besonders die Bridgespieler ein Liedchen singen.
Diesmal landeten P&L bei “Zoff im Zoo” abgeschlagen auf dem letzten und vorletzten Platz. Das muß hier auch einmal gesagt werden!
4. “Bluff”
Die vorletzte U-Bahn hatte unsere Reihen schon dezimiert, nur noch Aaron, Moritz und Walter setzen sich zum Absacker zusammen. Es wurde ungewohnt defensiv gespielt. Soviele Einser, Zweier und Dreier als Vorgabe und Erhöhung hat es bei uns noch nie gegeben.
Walter betrieb eifrig Würfelpflege (unverzügliches Nachwürfeln bei jeder Gelegenheit, auch wenn es absolut noch nicht notwenig ist), doch es half ihm nichts. Im Nur war er alle Würfel los und mußte Moritz und Aaron mit 5:3 Würfeln ins Endspiel lassen. Hier konnte Moritz den Sack zumachen.
Walter bestand auf einen Platzwechsel mit dem undurchsichtigen Moritz, doch auch das half nix, in der zweiten Runde mußte er sich ebenfalls frühzeitig verabschieden und seinen Konkurrenten das Endspiel überlassen.
Aber im dritten Spiel …

14.01.2009: Der “Dorn” im “Flaschenteufel”

1. “Dorn”
Kein Spiel von Rüdiger Dorn, sondern ein “kooperatives Fantasy-Spiel ohne Glücksfaktor” (Originalton Moritz) von Czech Board Games. Aaron meinte, Fantasy ohne Glücksfaktor wäre ein Widerspruch in sich selbst, doch Moritz bestand auf seiner Einschätzung. Daran merkt man den Unterschied zwischen Künstler und Techniker. Walter wollte vorsichtshalber wissen, wie lange das Spiel dauert, doch Moritz wußte es selber noch nicht. Er war aber bereit “es jederzeit abzubrechen, ich will euch zu nichts zwingen”.

Das Spiel wird von drei bis fünf “Guten” gegen einen “Bösen” gespielt. Klar, daß hier die Allianz Aaron, Günther und Walter gegen Moritz gebildet werden würde. Wir bewegen uns über Tempel, Sümpfe und Minen zu Schätzen und Artifakten, wir finden Segnungen (viele) und Flüche (wenige), manchmal auch Nieten (winziger Glücksfaktor). Monster tauchen auf, die es abzumurksen gilt, sonst murksen sie uns selber ab. Wir gewinnen oder verlieren Blutpunkte, werden mächtiger und unverletzlicher, oder wir hauchen unser letztes Leben aus.

Auch der Böse rüstet natürlich auf. Seine fortlaufend entstehenden Monster gewinnen ihm Kraft- und Lebenspunkte, bevor sie wieder dahinscheiden. Fast zwei Stunden dauert der Aufmarsch, bis er in den entscheidenden Endkampf übergeht. Jetzt zeigt sich, wer die bessere Aufrüstung betrieben hat und die größere Potenz in die Waagschale werfen kann.

Hier war – fast wie geahnt – Moritz als Böser nicht zu schlagen. Mit seiner explosionsartig anwachsenden Angriffstärke machte er die Guten nieder, bevor sie auch nur erkannt hatten, von wo ihnen überall die Gefahren drohten. Walter war sofort hin und Günther verlor seine bessere Hälfte, ohne einen einzigen Schuß Pulver eingesetzt zu haben. Der Rest war Formsache.

Wir hätten unsere Segnungen beim Aufmarsch nicht so leichtfertig verplempern sollen, sondern alles konsequent behalten und erst im letzten Gefecht einsetzen sollen. Dann hätten wir den Erstschlag überlebt und eine Chance beim Zurückschlagen gehabt. Aber das wußten wir beim ersten Mal natürlich noch nicht.

Sicherlich werden wir das beim zweiten Spiel besser machen. Es bleibt aber der unangenehme Beigeschmack, daß man stundenlang planmäßig aufrüsten muß, um am Ende gegen eine chaotische Zusammenballung von Gewalten anzutreten, die im Prinzip nicht mehr recht kalkulierbar sind. Beim Schachspiel wäre diese Situation vergleichbar damit, wenn es im Endspiel unvermutet hieße: Weiß bekommt noch eine zusätzliche Dame und Schwarz darf seine Türme beliebig umplazieren.

In jedem Fall ist das Spiel spannend, die Kooperation funktioniert, der Aufmarsch gibt Raum für vielfältige strategische und taktische Überlegungen, die einzelnen Elemente und Mechanismen sind gut ausbalanciert und der Ablauf ist kalkulierbar. Es gibt keine Würfel und auch keine Ereigniskarten, die den Spielverlauf auf den Kopf stellen. Das Spielmaterial ist ausgezeichnet, solider Karton, hübsche Glassteine, klare Graphiken, gutes europäisches Spieldesign! “Wenn man ein bißchen Freak dafür ist, mag es wohl interessant sein” bemerkte ein nüchterner Technokrat.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (besseres Fantasy-Game, kein Ameritrash), Günther: 5 (nicht Geist-reich genug), Moritz: 6 ½ (ein gelungenes Experiment, Gefahr für Analysis-Paralysis), Walter: 6 (für die Balance)
Moritz wird eine Rezension schreiben.

2. “Flaschenteufel”
In der Konkurrenz zwischen “Uptown” und “Zoff im Zoo” konnte sich unsere alte bzw. Moritz neue Liebe durchsetzen.
Wir mußten uns erneut wieder klarmachen, ob es besser ist, dem rechten Nachbarn die niedrigere und dem linken Nachbarn die höhere von zwei kleinen Karten weiterzuschieben oder umgekehrt. Nachdem hier Moritz’ Nachbarn entgegengesetzte Prinzipen verfolgten, bekam er von beiden Nachbarn jeweils die gelben Einser zugeschustert und fiel in seine alte Verzweiflung zurück: “Ich hasse das Spiel wieder!”

Dann drängte er auf eine neue Sitzordnung und tauschte mit Aaron den Platz. Tatsächlich machte uns jetzt Aaron den Moritz; aber wenigstens blieb er in der Endabrechnung im Plus.

Moritz wird in Zukunft nur noch mit der aktuellen Sitzordnung spielen. Gut Blatt!

Keine neue Wertung für ein super Absacker-Spiel.

17.12.2008: Durch die Grube zum römischen Ruhm

Moritz hat seine Spielentwicklung zum “20. Jahrhundert” abgeschlossen. Jetzt ist der Verlag dran. Natürlich kann das Spiel nicht sofort in die Produktion gehen. Jetzt stehen noch viele Monate harter Arbeit auf dem Prüfstand an, um das Spiel rund und schön zu machen.
Unser Mitwirken ist nicht mehr gefragt. Wir bleiben aber am Ball und werden mit Interesse verfolgen, welche Schritte bis zur Serienreife eines Spieles noch alle getan werden müssen.
1. “Cavum”
Ein Brettspiel erschienen beim amerikanischen QWG-Verlag, der bekanntermaßen Außenseiterideen eine Chance gibt. Es überrascht, daß ausgerechnet der Altmeister Wolfgang Kramer als Spielautor hier untergekommen ist.
Nach einer Art “Zug um Zug” müssen wir mit Hexagons Strecken über das Spielbrett bauen, allerdings keine Eisenbahnlinien, sondern Grubenbahnen in Diamantenfelden, mit denen wir die geschürfte Ausbeute zum Markt transportieren. Wo die Edelsteine entdeckt werden, das darf jeder Spieler in eigener Regie bestimmen. Abbauen dürfen alle Spieler von allen Fundstellen, sofern sie nur eine geeignete Gleisanschlußstelle haben.
Der Spielaufbau ist nix für Grobmotoriker. Allein auf ein kleines Hexagon in der Mitte müssen 9 gelbe Diamanten in Form von mickrigen Pappscheiben aufeinandergeschichtet werden. Sowohl das Aufstapeln als auch das Nicht-runter-fallen-Lassen stellen erhebliche Anforderungen an die Zitterfreiheit unserer Hände. Sicherlich hatte der Autor hier mal richtige Edelplastiksteine als Spielmaterial im Sinn gehabt, doch wohl aus Kostengründen ist diese Umsetzung unterblieben.
Der Spielablauf besteht aus 3 Phasen a 12 Aktionen, darunter ist das Bauen von Strecken, das Bauen von Ladestationen, das Entdecken von Edelsteinfeldern und das Zünden von Sprengstoff, mit dem man dem Gegner einen lukrativen Streckenbau wieder wegpusten kann.
Bemerkenswert ist die Aktions-Dynamik: Jeder Spieler darf wählen, ob er pro Zug 1, 2, 3 oder gar 4 Aktionen ausführt. Ein voreiliger Spieler hat in minimal 3 Zügen seine 12 Aktionen verbraucht und muß dann warten, bis die Trischler in 12 Zügen a einer Aktion ebenfalls mit ihren Zügen fertig sind. Wer schnell ist, kann sich gegebenenfalls gute Strecken unter den Nagel reißen, er kann aber nicht mehr auf die Diamantenfunde seiner Mitspieler reagieren. Hier ist ein echtes Abwägen gefordert.
Ach ja, “Cavum” erfordert in jedem Zug ein Abwägen und Austüfteln: Wie kann ich meine Streckenbau sinnvoll erweitern? Wo lege die die Diamantenfundstätten hin? Wie kann ich den Mitspielern den Zugang zu den lukrativsten Stellen versperren? Wo können sie mit den Zugang versperren und wie kann ich das verhindern? Hier prallt eine gewaltige Menge Interaktion aufeinander. Moritz bezeichnete das Geschehen sogar als eine Art von “Go”.
Leider geht “Cavum” für bis zu vier Personen! Stellt Euch mal ein Go-Spiel für vier Personen vor! Wäre dabei noch der geringste göttliche Funke des kaiserlichen Denkspiels übrig geblieben? Wohl kaum! Was für zwei Spieler ein edler Denksport ist, versinkt als Mehrpersonenspiel unweigerlich im Chaos. So ist es auch bei “Cavum”. Am Westpark tüftelt zudem noch jeder Spieler wie ein Weltmeister, um doch noch ein Licht am Ende des Chaos-Tunnels zu entdecken. Und das ist tödlich. Besonders weil man nicht denken kann, wenn man nicht dran ist.
45 Minuten brauchte Günther, um uns und sich selbst die 10 Seiten Regelheft zu verklickern. Genauso lange brauchten wir für ein Drittel des Spiels, d.h. für genau eine Phase. Dann ließen wir uns noch von der ersten Wertungsorgie überraschen und brachen ab. Immerhin diskutierten wir hinterher noch eine halbe Stunde über die Mechanismen des Spiels. Das spricht schließlich für seine Qualität. Die hat es ganz gewiß, nur nicht zu viert am Westpark.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (zuviel Tüftelei), Günther: 7 (denkt ohnehin gerne), Moritz: 4 (vermißt Spaßfaktor), Walter: 7 (für das 2-PS)
2. “Glory to Rome”
Auf der Schachtel steht “Das ernsthaft strategische Strategie-Kartenspiel”. Kartenspiel ist richtig, “Strategiespiel” ist vielleicht auch noch richtig, aber “ernsthaft” ist sicherlich verkehrt.
Jeder Spieler bekommt eine Kartenhand mit unterschiedlichen Arbeitern zugeteilt, die beim Errichten von Bauwerken unterschiedliche Rollen übernehmen. Ein Architekt wird für den Plan benötigt, Arbeiter tragen das Material zusammen, Handwerker bauen auf und der Patron wirbt zusätzliche Hilfskräfte an.
Für jedes errichtete Bauwerk erhält man Vorteile für das weitere Vorgehen, z.B. braucht man dann weniger Material zur Vollendung ein Bauwerk, oder anstelle eines bestimmten kann ein beliebiges Material zum Bauen eingesetzt werden. Manche Vorteile tragen dabei solch extrem progressive Effekte in sich, daß das Spiel damit aus den Fugen gerät. Moritz nannte sie “abartig”.
Wenn man konsequent auf diese Vorteile hinarbeiten könnte, dann könnte man die “ernsthafte Strategie” vielleicht noch gelten lassen. Da aber sicherlich zu mehr als 50% das zufällige Kartenangebot das Spielgeschehen beherrscht, kann das “ernsthaft” nicht ernsthaft gemeint sein.
WPG-Wertung: Aaron 6, Günther: 6 (nicht richtig ausbalanciert), Moritz: 6 (hätte einfacher realisiert werden können), Walter: 6 (immerhin besser als Mau-Mau)
3. “Flaschenteufel”
Moritz konnte seine Haßliebe in eine reine Liebe umwandeln. Nachdem er im ersten Spiel gewohnheitsgemäß mit Minus 13 Punkten in den Keller gewandert war, konnte er sich nach einer Serie von drei tollen Punktausbeuten mit 91 Punkten an die Spitze setzen. Mit Sonne im Herzen enteilte er zur U-Bahn.

10.12.2008: Zwei Männer und ein Paar

Günther ist erkrankt, Loredana und Peter mästeten sich auf einer Weihnachtsfeier, Hans ebenfalls, die Zaungäste des Westparks hatten sich im Vorfeld nicht gerührt. Nur Aaron und Walter, die Begründer der Westpark-Gamers, und das ideell-jugendliche Ehepaar Eggert, das einen Babysitter für den klügsten aller kleinen Jungen gefunden hatte, stürzten sich heute auf die Saft-Gummis von Trolli und die Erdbeer-Rhabarber-Bärchen von Bear’s & Friends.
1. “Das 20. Jahrhundert”
Moritz hatte seine Spielerfindung in statu nascendi nach Amerika mitgenommen und bei den Boardgame-Geeks einer Nagelprobe unterzogen. Mit vielen neuen Ideen kam er zurück. Beim Spielaufbau war er ungewöhnlich nervös; wie ein Vater, der seine Lieblingstochter auf den Heiratsmarkt bringt. “Vergeßt alles, was wir vorher gespielt haben!”
Das stimmt nicht ganz, denn immer noch besteht das Spielbrett aus Regionen rund um den Globus, geht es immer noch um Aspekte wie Kultur, Industrie und Militär, immer noch wird der Sieg über Einflußpunkte, Errungenschaften, Ländermehrheiten und gewonnene Kriege bestimmt. Doch die Aktionen der Spieler sind deutlich konzentrierter. Die Auswahlmöglichkeiten sind durch feste Verteilungen deutlich beschränkter als in früheren Versionen, ohne daß hier bei den Planungsmöglichkeiten etwas verloren gegangen wäre. Zur Festlegen der Züge durch die Spieler hat Moritz ganz neue Wege beschritten, die in ihrer Art wahrscheinlich noch in keinem Spiel der Welt vorkommen. Jede Aktion der Spieler gewinnt zudem im Laufe des Spiels ein Mehrfaches an Durchschlagskraft und verleiht damit dem Spielablauf die angestrebte progressive Dynamik.
Das Spiel ist ein gewaltiges Ressourcen-Management um politischen Einfluß, militärische Schlagkraft, und geographische Dominanz, die mittels Geld, Fortschritt und Ereigniskarten errungen werden. Kriege finden auch statt, schließlich steht das 20. Jahrhundert thematisch im Hintergrund und das war ja bekanntlich keineswegs eine friedliche Epoche in der Menschheitsgeschichte. Kriege zu gewinnen hat selbstverständlich einen vorteilhaften Einfluß auf die Stellung eines Spielers, sie sind aber längst nicht so dominant, daß man “Das 20. Jahrhundert” als Wargame bezeichnen könnte.
Für gewonnene Kriege gibt es keine Pluspunkte, sondern nur Minuspunkte. Für die anderen! Für alle anderen! “Nanu?!” denkt hier der Mathematiker. Doch dem Kulturschaffenden ist dieses Rechenprinzip “pädagogisch wichtig”. Vielleicht hat hier aber nur ein Politiker Sand in die Augen seiner Fangemeinde streuen wollen.
Trotz einer ganzen Reihe von Vereinfachungen ist das Spiel immer noch ziemlich kompliziert. Sogar Moritz nahm einen längst getätigten Zug zurück und bekannte entschuldigend: “Ich muß das Spiel ja selber erst mal verstehen!” Seine normalerweise recht aggressiv vorgetragene Aussage: “Das habe ich doch vorhin schon erklärt” wurde heute in einer leicht ironischen, ja fast sogar liebevollen Art zum Motto des Abends. Von jedermann gegen jedermann.
Moritz gewann mit Italien den zweiten Weltkrieg. Auf der Seite der Aliierten. (Ist das etwa selbstverständlich?) Walter versetzte seine gesamte ungarische Verwandtschaft an die Front, doch sie konnten die Entscheidung nicht mehr kippen. Alle tot! Zugleich mit der Trauer setzte sein Lamentieren über das hier eingebaute Kuhhandelsprinzip ein. Er hätte die Niederlage ja noch akzeptiert, wenn nur die geliebten Bacsis alle am Leben geblieben wären. Moritz will das in den Regeln nochmals überdenken.
Zum Schluß noch eine Weisheit des angehenden Spielerfinders: “Was einem beim Design simple vorkommt, das ist für die anderen schon viel zu kompliziert. Nur was einem super-simple vorkommt, das ist OK!”
Allmählich könnte eine WPG-Vorwertung für “Das 20. Jahrhundert” beginnen.
2. “Tain”
Aaron legte es auf den Tisch: “Ein polnisches Spiel. Es geht ums Klauen!” – Nahezu ohne Gedankenpause fingen Moritz und Walter ein schallendes Gelächter an: “Das ist eine Tautologie!” (Pardon, kochana Jola, das ist nur eines dieser saublöden Harald-Schmitt-Klischees!)
Jeder Spieler besitzt den gleichen Satz von Spielkarten: 1 Hausherr, 1 Tochter, 2 Kämpfer, 6 Burschen und 8 “Blefs”. Diese Karten werden verdeckt entweder zum Viehdiebstahl vor die Eingänge der fremden Stallungen gelegt oder zur Abwehr des Diebstahls hinter die Eingänge der eigenen Stallung. Sind alle Angriffs- und Verteidigungsplätze auf allen Stallungsplänen belegt, werden die Karten aufgedeckt und die zugehörigen Außen- und Innenpositionen nach der Methode Stein-Schere-Papier ausgewertet: Der Hausherr gewinnt gegen alle, der Krieger gegen das Mädel und die Burschen, der “Blef” verliert gegen alle. Letzterer ist nur ein Dummy, ein halbes Gesicht mit einer heraushängenden Zunge, und wenn man die Spielkarte verkehrt herum betrachtet, dann ist es ein rechter Arsch.
Von Ferne erinnert der Mechanismus an “Hols der Geier”, doch dort spielen alle gegen alle und zwar um hohe Siegpunkt-Differenzen, noch dazu mit lauter verschiedenen Karten. In “Tain” stehen sich immer nur zwei Mitspieler gegenüber, es geht nur um eine einzige Kuh und als Einsatz hat man 50 Prozent identischer Ärsche in der Hand! Kann man damit eine “Kartenpflege” betreiben?
Da Burschen und das Töchterlein im eigenen Hause vergewaltigt werden können, schickt man sie am besten zum Diebstahl in fremde Häuser, da können sie wenigstens nicht ver- oder entführt werden; der Hausherr geht am besten ins fremde Königreich, von dort bringt er garantiert immer eine Kuh mit nach Hause; die Kämpfer verteidigen die Eingänge und die Ärsche füllen die restlichen leeren Plätze aus. Folgen jedoch alle Spieler dieser Triviallogik, dann wird das Spiel noch öder.
Moritz konstatierte sofort: “Was dem Spiel fehlt, ist ein Spion. Er verliert gegen alle, deckt aber eine fremde Karte auf.” Oder so ähnlich. Dem Spiel fehlt noch viel mehr!
WPG-Wertung: Aaron: 4, Moritz: 6 (stimmig und hübsch; ich schlage es als unser nächstes Spiel des Monats vor), Walter: 4

03.12.2008: Mit 5 Personen von “Le Havre” bis “Sankt Petersburg”

Peter stellte Vorbedingungen: “Falls Ihr Freakspiele spielen wollt, würden wir auf Andreas Triebs Kulturhaus Milbertshofen ausweichen! “. Keiner wußte so genau, was “Freakspiele” sind, zweifellos hat hier jeder eine andere Vorstellung, doch Feaks hin oder her, die Früchte erster Wahl aus der neuen Essener Ernte sollten in jedem Fall vorzeigbar sein.
1. “Le Havre”
Ein Nachfolger von “Agricola”, vom gleichen Autor Uwe Rosenberg. Nach zwei Sätzen Erklärung schlug Günther das Leaning by Doing vor und wir begannen mit der Startaufstellung. Offensichtlich braucht man in den ersten Runden keinen Plan zu haben; egal was man tut, es bringt einen auf keinen Fall ins Abseits. Stellt Euch ein solches Vorgehen mal bei “1830” vor?
Es gibt eine Langversion, die 200 Minuten dauern soll und eine Kurzversion (jeder bekommt mehr Startmaterial und insgesamt werden weniger Spielrunden absolviert), die 60 Minuten kürzer sein soll. (Hinweis an Moritz’ “20. Jahrhundert”: Vielleicht baust Du auch eine Kurzversion, die nach dem zweiten Weltkrieg bereits zu Ende ist!) Am Westpark sollten wir jedenfalls mit Rosenberg’s Kurzversion als Anfangsspiel sicherlich kein zeitliches Risiko eingehen. Mit der Langversion wäre das am Westpark nicht so sicher.
“Le Havre” ist eine wohlbekannte Hafenstadt, und die einzige Assoziation zu Rosenbergs Spiel ist Handel und Erwerb. Wir eignen uns Rohstoffe an, bauen Fabrikanlagen, in denen die Rohstoffe veredelt werden (Eisen wird zu Stahl, Lehm zu Ziegeln, Fell zu Leder, und Fische zu Räucheraalen.) Es gibt viele verschiedene Fabriken mit unterschiedlichen Preisen, unterschiedlichen Veredelungseffekten und unterschiedlichen Betriebskosten. Irgendwie waren wir nicht darauf eingestellt, uns das alles reinzuziehen. Sehr schnell gab es die ersten kritischen Stimmen (von ungenannt): “Das ist ein Scheiß, daß man sich den ganzen Murcks erst durchlesen muß!” Wer traditionsgemäß vom Würfelpech verfolgt wird, fühlt sich bei “Le Havre” sofort “immer in der Situation, daß ich nur Mist daliegen habe”.
Die einzige Interaktion innerhalb des Spieles ist das Blockieren von Aktionsfeldern, auf denen man Fabriken bauen kann. Nicht gerade konstruktiv. Nach wenigen Runden kündigten Aaron und Peter mit der Wertungsnote 4 den Spielabbruch an. Loredana war ganz überrascht: “Was, da kommt nix Neues mehr?” Nein, wahrlich, das zähe Wandeln und Handeln zieht sich ohne neue Effekte zur bitteren Neige hin. Ein paar weitere Fabriken machen das Kraut nicht fett. (Hallo Moritz, auch darin kann eine Lehre für Dich stecken!)
Wir haben uns die Liste der Tester angeschaut: 270 namentlich genannte Personen haben zu “Le Havre” ihren Senf dazugegeben und eine Danksagung dafür erhalten. Sind wir jetzt Freaks oder keine, wenn uns dazu nur ein kalter Schauer den Rücken herunter fährt bei dem Gedanken, daß wir mal in der gleichen Rolle der Bedankten sein könnten?
WPG-Wertung: Aaron: 4 (vorzeitig), Günther: 5-6 (“Material hat es genug”), Loredana: 4 (ohne Kommentar), Peter: 4 (vorzeitig), Walter: 4 (“zu zäh und zu wenig Spiel”)
2. “Sankt Petersburg” – 5 Personenspiel
Es war erst kurz nach 9 Uhr; Peter war bereits angeschlagen und schlug vor, über einen “Zoff im Zoo” zu “Bluff” überzugehen. Die anderen ließen sich nicht so schnell entmutigen. Als Vergleich zur “Preußischen Ostbahn”, die letzte Woche bei uns gar nicht punkten konnte, sollte der ältere Bruder “Chicago Express” vom gleichen Vater herhalten, der vor ein paar Wochen auf Anhieb sogar großes Lob geerntet hatte. Er hätte sich zweifellos durchgesetzt, wenn Günther nicht die Erweiterung von “Sankt Petersburg” zu einem 5-Personenspiel dabeigehabt hätte. Dazu gab es von allen Seiten sofort eine euphorische Zustimmung.
Wir haben alle lange nicht mehr Günthers PC-Implementierung gespielt und mußten uns so nach und nach wieder in den Details des Spiels zurechtfinden.
Für das 5-Personenspiel gibt es ein paar neue Personenkarten. Zudem ist der fünfte Spieler innerhalb einer Runde bei keinem Personentyp Startspieler. Dafür bekommt er vor der Handwerkerrunde 2 Rubel Einkommen zusätzlich. Die Startspieler werden im Doppelschritt gewechselt, so daß die Übergänge beim Zugriff auf Handwerker, Architekten, Adelige und Upgrader schneller wechseln. Wie man es von den Qualitätsmaßstäben bei Hans-im-Glück erwartet, ist die Spielerweiterung mit einer Neujustierung der Gesamtabläufe absolut stimmig eingebaut. Die Interaktionen auf dem Personenmarkt und beim Vorausberechnen von freien Plätzen für die nächste Gruppe sind eher noch größer geworden. Das Spannungsfeld zwischen Geld und Siegpunkten und die automatische Steigerung der Spieldynamik durch gewaltig steigende Einnahmen und entsprechend gesteigertem Umsatz halten das Spielgeschehen bis zum Schluß in Atem.
Günther lag das ganze Spiel über auf dem letzten Platz. Es erhob sich schon eine allgemeine Schadenfreude mit oder gegen den erfahrenen Entwickler der PC-Version. Doch mit acht verschiedenen Adeligen und den daraus resultierenden 36 Siegpunkten konnte er sich in der Schlußwertung noch an die Spitze setzen.
Für das Archiv noch eine bemerkenswerte Aussage von unserem Peter: “Ich bin gegen Nachdenken“, verkündete er, als er ein paar Sekunden auf Aarons Zug warten mußte. Doch auf solch überraschende Maximen darf man bei einem Politiker nicht bauen. Spätestens dann, wenn sie selber am Zug sind …
Wir haben die WPG-Wertung vergessen, doch nach Peters und Loredanas positiven Kommentaren wird auch die Erweiterung sicherlich bei 9 Punkten landen. Zumindest von mir werden sie hiermit nachgereicht.
3. “Bluff”
Walter stand mit 4:2 Würfeln gegen Aaron im Endspiel. Er hatte 3 Dreier und eine Fünf unter dem Becher und begann mit 1 mal die Fünf. Aaron hob auf 2 mal die Fünf. Inzwischen hatte Walter sein Würfelergebnis wieder vergessen (Altersdemens) und hob seinen Becher hoch, um den Wurf anzuzweifeln. Da entdeckte er wieder die Fünf unter den Dreiern, nahm blitzschnell seinen Zweifler zurück und steigerte auf 3 mal die Drei. War das zulässig?
Im Bridge gilt die Regel, daß man eine Ansage zurücknehmen darf, wenn die neue Ansage “ohne Gedankenpause” gemacht wird. Bei uns war die Zeitspanne zwischen Zweifeln-Wollen und Erhöhen zwar extrem kurz, aber zweifellos sind dazwischen ein paar neue Wahrscheinlichkeitsberechungen durchgeführt worden. Ein Turnierleiter hätte die Änderung wohl nicht anerkannt, aber Aaron war geduldig (wie immer) und ließ sie zu.
Im Eifer des Gefechts hatte er sogar noch Walter 3 Dreier übersehen und zweifelte an. Dann war nix mehr zu machen.

26.11.2008: “Middle Kingom” zur “Preußischen Eisenbahn”

Aaron kam eine Viertelstunde zu spät. Das Büro hatte ihn nicht weggelassen. Dabei hat morgen um 6:30 Uhr schon wieder eine Telefonkonferenz. Irgendwelche Entscheidungen sollen bis zum Mittag gefällt werden. In Indien. Lokalzeit! Da bleiben ihm heute noch 4 Stunden Schlaf. Gute Nacht! (Mal sehen, wie viele Stunden Schlaf mir heute noch bleiben, wenn dieser Bericht im Internet steht.)
1. “Middle Kingdom”
Nach Aaron sollte dieses Spiel von Tom Lehmann 30 Minuten dauern. Er trug wie immer klar und deutlich die Spielregeln vor, aber mit einer so schweren Zunge, als wäre es jetzt schon 6:30 Uhr in der Früh. So brauchten wir einschließlich der Regelerklärung immerhin eineinhalb Stunden. Ohne Hans!
Wir haben alle die gleichen Biet-Karten auf der Hand uns müssen uns damit a la “Hol’s der Geier” ausliegende Berufsgruppen ersteigern: Farmer, Nobles, Warlords, Bürokraten, Händler und Philosophen. Verdeckt zieht jeder eine Biet-Karten, alle decken sie dann gemeinsam auf: der Spieler mit der höchsten Karte darf zuerst wählen, der Spieler mit der niedrigsten Karte geht leer aus. Es sei denn, es gibt einen Tie und zwei Spieler haben die gleiche Karte gezogen: Diese bekommen dafür in dieser Runde gar nix. Das übliche psychologische Spiel um die höchste Karte, die kein anderer ausgewählt hat.
Mehrheiten in erworbenen Berufsgruppen bringen Bonuseffekte: Entweder bekommt man einen halben Punkt Bonus und kann damit jeden Tie vermeiden, oder man darf beim Bieten eine Karte nachlegen, oder man hat grundsätzlich das erste Zugriffsrecht innerhalb der ausliegenden Berufsgruppen, oder man darf sich zusätzlich eine der beim Tie übriggebliebenen Karten aneignen. Alle diese Bonusse haben sehr extreme Auswirkungen. Zu extrem! Selbst wenn das Spiel nur ganz kurz dauert, machen sie die eigentlich recht kurzweilige Versteigerungschaoslogik kaputt.
Peter bekam durch Glück oder Können ganz früh den Bonus der zusätzlichen Karte und häufte Besitztum auf Besitztum. Günther als Letzter profitierte lange von dem ersten Zugriffsrecht, doch deswegen sollte man sich wohl nicht gewollt die rote Laterne zulegen.
Sicherlich läßt es sich berechnen, welche Bonusse zu welchem Spielzeitpunkt den größten Nutzen bringen. Doch was hilft das alles, wenn der Erwerb der benötigten Karten jeder geordneten Planung entzogen ist und allein dem Tie-Zufall unterliegt.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (sieht einen gewissen Wiederspielwert), Günther: 4 (sieht keinen), Peter: 6 (ja wenn man ständig Karten geschenkt bekommt), Walter: 3 (sieht auch keinen).
2. “Preußische Ostbahn”
Genauso wie der “Chicago Express” ist die “Preußische Ostbahn” ein Eisenbahnaktienspiel von Harry Wu, diesmal mit einer Szenerie im Deutschland des vorletzten Jahrhunderts. Wir kaufen Aktien von Eisenbahngesellschaften, bauen Streckenverbindungen und erzielen damit Einnahmen.
Trotzdem des ersten Eindrucks ist die “Preußische Ostbahn” kein 18xx-Derivat. Es gibt keine Präsidenten, keine Aktienverkäufe, keine technischen Innovationen und keinen Betrug. Alle Anteile bleiben fest in den Händen des Ersterwerbers. Jeder darf für jede Gesellschaft handeln (sofern er mindestens eine Aktie von ihr besitzt), und Ausschüttungen gibt es nur für das Herstellen neuer Städteverbindungen, nicht aber als Standardeinnahme pro Operationsrunde.
“Keep fully invested” trifft hier keineswegs zu. Nicht derjenige, mit dem höchsten Aktienbesitz ist schlußendlich der Sieger, sondern derjenige mit dem meisten Bargeld, und da die Gesellschaften in der Regel nur 1-3 mal Dividende ausschütten, kann der Erwerb einer Aktie leicht mehr kosten, als sie insgesamt einbringt.
Bemerkenswert (nach Peters Einschätzung: beklagenswert) ist die Ermittlung der Zugreihenfolge: Der Führende gibt eines seiner Klötzchen in ein Säckchen, der Zweite gibt zwei, der Dritte drei usw.; aus diesem Säckchen werden insgesamt vier Klötzchen herausgezogen und bestimmen entsprechend die Spieler, die Handeln dürfen. Wer Pech hat – und der Führende hat statistisch gesehen besonders viel Pech – von dem wird kein einziges Klötzchen gezogen und der darf in einer kompletten Runde überhaupt nicht agieren. Das mag ein Korrektiv gegen den Führenden sein, aber ein ganz schön krasses!
Ein heißer Disput entstand zwischen Peter und Walter darüber, ob ein Spieler einem anderen einen guten Ratschlag geben darf. Walter war strikt dagegen; die vielfältigen Interessenverflechtungen könnten lange kontroverse Argumentationsschlachten auslösen. Zudem versteht er nix von Diplomatie. Peter als geborener Diplomat war strikt dafür, und wollte Aaron unbedingt zu einen guten Zug überreden, von dem er selbst (natürlich) auch einiges profitiert hätte. Das Schicksal ließ den Disput gütlich enden: Peters gute Ratschläge waren mangels Liquidität gar nicht durchführbar.
Ja, ja, die Durchführbarkeit! Im Gegensatz zu den Spielen der 18xx-Reihe, wo am Ende jeder Spieler und fast jede Gesellschaft nur so im Geldsegen schwimmt, klemmt es bei der “Preußische Ostbahn” mehr oder weniger an allen Ecken und Enden: Entweder hat die Gesellschaft kein Geld um ihr Streckennetz zu erweitern, oder sie hat keine Gleise mehr, oder die dividende-trächtigen Verbindungen sind bereits alle zugebaut.
Wer im Einkommen hinten dran liegt, hat auch kein Interesse mehr, konstruktiv zu bauen, denn bei jeder Gewinnausschüttung verdienen die anderen mehr als er. Keine Motivation für die Suche nach besten Entwickungsmöglichkeiten, eher danach, die Minderheitsgesellschaften an die Wand zu fahren. Doch lustvoll ist das auch nicht.
Nach der Spielregel endet das Spiel, “wenn jede Gesellschaft an mindestens zwei anderen Gesellschaften angeschlossen ist, oder alle Spieler übereinstimmen, daß dies nicht mehr möglich ist.” Eine ziemlich hohe Anforderung an Einsicht und guten Willen der Mitspieler. Doch Günther versicherte: “Wer Winsome Spiele spielt, der sieht das auch ein!” Doch hinter solchen Regelformulierungen verbirgt sich mit Sicherheit eine Design-Schwäche.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (Wiederspielwert – schon wieder!), Günther: 7 (die Spielschachtel läßt sich gut stapeln. [Peter: gut entsorgen!]), Peter: 2 (wurde zu selten aus dem Säckchen gezogen), Walter: 5 (die vielen Beschränkungen dämpfen die Spielfreude)
3. “Bluff”
Immer häufiger fangen wir alle schon bei vollen Würfelbechern mit der Einmal-die-4-Strategie an. Das macht auch Sinn! Wichtiger, als die Mitspieler mit hohen Vorgaben unter Druck zu setzen, ist es, nichts von seinem eigenen Wurf zu verraten, sondern rumzuhören, wie die Mitspieler sich so langsam offenbaren (oder bluffen). Eine hohe Anfangsvorgabe ist dagegen ein Alles-oder-Nichts-Vorgehen, das oft genug im Nichts endet.

19.11.2008: Lucius Cornelius Sulla Felix, genannt “Sylla” von Ystari

Das Vorgespräch drehte sich um die Schlagwörter: Multi Radio, Standort, Ulm, Tampere, Taxi und Flugzeug, lauter Begriffe aus Geographie und Kommunikation, die die Menschen verbinden. Warum diese Begriffe heute bei den Westpark-Gamers eine solche emotionale Anteilnahme erfuhren, das kann sich ein aufmerksamer Verfolger der Wirtschaftsnachrichten der letzten Tage selber zusammenreimen.
1. “Sylla”
Weil der Ystari-Verlag aus Prinzip in den Namen aller seiner Spiele ein “Y” hinein-designed, hat er den guten alten Sulla, jawohl den Diktator aus der Spätphase der römischen Republik, in Sylla umgetauft und dann sein Spiel nach ihm benannt.
Schauplatz ist also Rom und wir bestechen den Senat, daß er uns zum Konsul zu wählt, wir heuern Personal an, lassen unsere Einnahmequellen fließen, errichten Bauwerke, lenken Katastrophen auf den Besitzstand der Mitspieler und münzen unsere gelungenen Aktionen in Siegpunkte um.
Immer wieder gilt es, die richtige Auswahl zu treffen, bei Versteigerungen die Betriebsmittel an Geld und Personal richtig einzuteilen, die vielfältigen Restriktionen zu beachten und die kurz- bzw. langfristigen Auswirkungen aufeinander abzustimmen.
Seine Aktionen immer wieder zu optimieren ist am Westpark aber tödlich. Hier wird ja nicht nur kalkuliert, was man selber am besten tun soll, hier wird auch noch analysiert, was die Gegner als bestes tun könnten und dann wird noch überlegt, wie man Letzteres am besten verhindern kann. So kann ein vom Charakter her schnelles, zielstrebiges Spiel ganz schön zäh dahinfließen.
Natürlich ist es nicht einfach, die vielen inneren Abhängigkeiten alle unter einen Hut zu bringen. Das Spiel ist komplex (ein anerkanntes Markenzeichen von Ystari) und sehr gut ausbalanciert. Es gibt kein Regelelement, das nicht seine wohlkalkulierte Berechtigung hätte. Ein Dank an die Geduld der vielen Tester, die im Regelheft namentlich erwähnt werden. Nachdem es sich in der letzten Generation durchgesetzt hat, die Spielautoren herauszustreichen, sind jetzt die Tester dran, der Öffentlichkeit bekannt gemacht zu werden. Verdient haben sie es bei einem gelungenen Spiel allzumal.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7 (6-7), Walter: 7 (7-8)
Ob eine Rezension geschrieben wird ist noch offen.
PS: Hallo Peter, kannst Du uns erklären, was die Buchstaben “TRS” auf einer römischen Münze bedeuten?
2. “Uptown” statt “Bluff”
Das Spielbrett von Bluff lag schon auf dem Tisch, da schlug Günther schnell noch den neuen Absacker des Jahres 2008 vor: “Uptown”, für Hans noch eine Unbekannte. “Ist ja wirklich hübsch” kommentierte der, als er nach 10 Minuten den Kampf um die besten Legemuster auf einem 9 mal 9 Spielbrett gewonnen hatte.
Es schloß sich sofort eine theoretische Diskussion darüber an, wie viele Flächen ein Spieler mindestens benötigt, um alle seine Quadrate – ohne Feindeinwirkung – auf das Spielbrett zu plazieren. Günther und Hans behaupteten ohne nachzudenken, daß man mit einer einzigen zusammenhängenden Fläche auskäme. Sie konnte es sogar umgehend am Spielbrett demonstrieren.
Nach den Uptown-Spielregeln ist die Aufgabe allerdings vereinfacht: Die letzten 4 Quadrate brauchen nicht mehr gelegt zu werden. Neue Aufgabenstellung: Wie viele Flächen sind es mindestens, wenn ALLE Quadrate gelegt werden müssen?
WPG-Wertung: Hans blieb mit seinen 8 Punkten voll im einstimmigen WPG-Trend, “mit dem Hang zu mehr”.
One for the Road
Sicherung, Versicherung, Pension, Rentenfond, Garantiekapital, mündelsicher, deferred Compensation, Betriebsvereinbarung, Geheimhaltung, angewärmte Bürostühle, Schock, Betrug und Gefängnis waren die Schlagwörter, mit denen wir den Abend beschlossen. Bastelt Euch selber eine Geschichte, die all diese Begriffe sinnvoll verbindet. Vielleicht ergibt das am Ende aber doch keinen Sinn.