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18.03.2009: Niederkunft in der “Via Romana”

Was ist denn aus Moritz’ (brett-)spielerischem Erstlingswerk, dem “20. Jahrhundert” geworden? Ein paar Sätze aus dem ärztlichen Bulletin: Seine Entwicklung verläuft normal, der Phalanx-Verlag hat es zur Beobachtung übernommen, mit Spannung sehen wir seiner Niederkunft entgegen.
Arpad’s “Wegelagerer”, deren Reifeprozess wir vor gut 2 Jahren mit viel Vorschußlorbeeren begleitet haben, haben einen entsprechenden Härtetest bei Hans-im-Glück nicht überstanden. Aber Arpad hat sich nicht entmutigen lassen. Er hat gerade seine fünftes (oder sechstes) Spielbaby mit viel Liebe und Phantasie gezeugt und wartet bei HiG auf den göttlichen Segen. Schaun mer mal.
1. “Via Romana”
Drei Spieler konnten sich nicht erinnern, ob sie das Spiel schon gespielt haben oder nicht. Die Figuren auf der Schachtel schienen bekannt zu sein, doch das heißt nicht viel. Selbst Günther als Besitzer und Via-Verantwortlicher mußte für die Erklärung des Spielablaufs zum Regelheft greifen. Daneben hatte er ständig drei unruhige Geister im Griff zu halten, die allein aus den Piktogrammen der Spielbeilagen auf die Ablaufmechanismen schließen und seine Ausführungen besserwisserisch korrigieren wollten.
Mit einem Spielbrett nach Art von “Zug um Zug” muß man Verbindungen und Knotenpunkte bauen. Um einen altrömischen Anachronismus zu vermeiden, heißen die Gleisstücke “Meilensteine” und die Bahnhöfe “Festungen”. Am Bau jeder Strecke darf sich jeder beteiligen, und man braucht dazu mehr oder weniger zufällig gezogene Karten als Baugenehmigung am gewünschten Ort irgendwo auf dem Spielbrett.
“Da wird man doch gespielt!” warf Moritz schon mal prophylaktisch in die Runde. Einen Vorwurf, den er für seine allergrößten Spielfavoriten oft genug selbst zu hören kriegt. Postwendend fragt Aaron zurück: “Enthält es Phantasieelemente?” Aus seiner Stimme ging nicht hervor, ob er hier gerne ein “Ja” oder ein “Nein” als Antwort bekommen hätte. Günther beruhigte: “Es ist ein lockeres Familienspiel!”.
Ist die Verbindungsstrecke zwischen zwei Festungen hergestellt, erfolgt eine Zwischenwertung. Wer die meisten Meilensteine gelegt hat, bekommt Siegpunkte. Die anderen bekommen für jeden gelegten Meilenstein eine neue Baukarte, die sie sich diesmal aus einer offenen Auslage heraussuchen dürfen.
Wir spielten natürlich gleich mit der Expertenregel. Dadurch wird das Handlimit an Baukarten strenger gehandhabt und beim Gleichstand an Meilensteinen bekommt keiner was. Damit ergibt sich für jeden die Gelegenheit, bei der Fertigstellung einer Strecke den günstigsten Zeitpunkt heraussuchen, wo die beteiligten Mitspieler möglichst leer ausgehen. Aaron erkannte sogleich “Das ist ja taktisch ohne Ende”.
Ja, diese kleine Quelle reiner Schadenfreude ist für reifere Semester wohl das bemerkenswerteste Element von “Via Romana”. Die Interaktion beschränkt sich darauf, eine Nasenspitze vor den Mitspielern die lukrativste Strecke zu vollenden. Im wesentlichen wählt jeder aus seiner aktuellen Kartenhand zwei, drei Karten aus, die einen maximalen Baufortschritt gestatten. Günther hatte “dabei ständig das Bedürfnis, irgendwo gezielt zu agieren, durfte es bloß nicht”. Planung und Kartenpflege versuchen nur die rettungslosesten Optimisten.
Das war von Autor und Verlag auch nicht anders geplant. Ein lockeres Familienspiel war beabsichtigt, und das ist gelungen. Das Spielmaterial ist gefällig, die Ausstattung auch. Es muß beim Spielen nicht immer Schwerstarbeit geleistet werden. Moritz hat trotzdem gewonnen.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Moritz: 7, Walter: 6
2. “Steel Driver”
Diesmal war unzweifelhaft, daß wir das Spiel alle schon kannten, doch schon allein die Unterscheidung zwischen spielereigenen Pöppeln und Markern und dem gleichfarbigen Gemeinschaftsmaterial stellte uns vor nahezu unlösbare Probleme. Ohne Regelheft und konsequenten Regelvortrag hätten wir kapitulieren müssen.
“Steel Driver” ist ein klassisches Eisenbahn-Aktienspiel um Linien und Strecken. Bei einer gut geführten Linie gehen alle Shares zu Höchstpreisen weg und liefern so der Gesellschaft auch wieder reichlich Mittel, ihre Strecken opulent auszubauen. Eine schlecht geführte Linie dümpelt von Runde zu Runde nur so vor sich hin, ohne jemals einen rechten Liebhaber zu finden. Und ob bzw. wie eine Linie gut oder schlecht geführt wird, das entscheidet sich bereits durch den Aktienpreis der ersten Runde. Und natürlich durch die Zielsetzung des Präsidenten: “Go West” ist auf dem nordamerikanischen Kontinent immer richtig gewesen.
Eigentlich sollten da keine großen Geheimnisse ergründet werden, eigentlich ist der Streckenbau trivial. Doch wir dachten, planten und diskutieren darüber, als gelte es hinter die Kondomstrategie von Benedikt XVI zu kommen. “Ich find’s trotzdem total arschlochmäßig” entrüstete sich Moritz, als Günther seine Linie ins Abseits drängte, um seine eigene Mehrheitslinie besser herauskommen zu lassen. Er bedachte seine Mitspieler sogar mehrmals mit dem Hauptwort, das in dem etwas ungewöhnlichen Eigenschaftswort enthalten ist. Doch die Stimmung war gut, Aaron gab es ungerührt zurück.
Keine neue WPG-Wertung: Aaron und Walter bleiben bei 8 Punkten, Moritz hat vergessen, seine bisherigen 6 Punkte zu erhöhen und Günther hat vergessen, überhaupt eine Note abzugeben.
Moritz hat auch das zweite Spiel des Abends gewonnen.

11.03.2009: Umschwung in der “History of the World”

1. “History of the World”
Zwei benachbarte Männer aus der Maxvorstadt trafen sich dortselbst mit ihren Frauen im Revier des alten Hasen und konkurrierten zum tausendsten Male in der “History of the World”. Ich war nicht dabei und kann das Ergebnis nur vom Hörensagen weitergeben.
Zweifellos muß es sich um die ältere History-Version gehandelt haben, denn diese hat bei uns im Durchschnitt fast 2 Punkte mehr bekommen als ihre jüngere Gefährtin, von Moritz sogar die Traumnote 10.
Offensichtlich hat Peter bisher 999 mal verloren, denn freudestrahlend konnte er seinen ersten Sieg verkünden. (Aber absolut nicht damit prahlend, sondern erst nach hartnäckigem Nachfragen!) Der lebende HotW-Großmeister Moritz wurde in Grund und Boden gespielt. Darf ich hier mitteilen, mit welcher Position er von dannen ziehen mußte? Lieber nicht. Nur daß ihre beiden Frau irgendwo dazwischen gelandet sind.
Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel.
Peter schreibt immer noch an seiner Promotion anstatt an einer Rezension.

04.03.2009: Ingenieure im “Im Wandel der Zeiten”

Hans schläft wie gewöhnlich vor dem Fernseher, Peter schläft irgendwo ganz ungewöhnlich mit seiner Loredana, Moritz treibt als Battlestar durch die Galaxis, ganz relaxed, weil die Vorsehung freundlicherweise keinen einzigen Kyklopen rausgelassen hat, und die sonstigen Schläfer unter den Freunden und Landsleuten haben wir diesmal nicht geweckt. Nur die rationalen Triolen Aaron, Günther und Walter sind heute zusammengekommen, um rational und sachlich den Wandel der Zeiten zu analysieren.
1. “Im Wandel der Zeiten”
Ein komplexes Aufbau- und Kampfspiel, das der junge Spieleverlag Czech Games 2007 nach Essen mitbrachte und das dort damals schlagartig ausverkauft war. Pegasus Games hat 2008 eine Neuauflage herausgebracht: Umfangreiches, gediegenes Material, unendlich viele Aktionskarten, endlich viele Rohstoffe und Nahrung, an zwei Händen abzählbare Marker und Pöppel.
Politisch korrekt sind die Arbeiter durch gelbe Pöppel dargestellt, und nicht wie im kritisierten “Puerto Rico” durch schwarze Pöppel. Chinesen kann man offensichtlich durch Arbeit nicht diskriminieren!
Die Spieler müssen in einem kybernetischen Räderwerk aus Fortschritt und Entwicklung die optimale Balance innerhalb von Produktion, Investition und Ressourcen-Management finden. Viele Gegensteuerungsmechanismen sind eingebaut, um einen führenden Spieler nicht davonziehen zu lassen: Arbeiter werden immer teuerer, ihre Ernährung immer aufwendiger und Strafen für zu extensive Betriebsauslastung immer höher. Diese Bremsklötze gehen zu Lasten der Dynamik. An keiner Stelle gibt es ein Schwelgen im Überfluß. Nicht nur Aaron war zumute: “Ich könnte heulen”, wenn die Ressourcen für die nächste Bauphase eines Weltwunders wieder gerade nicht mehr ausreichten.
Mittels Theologie müssen die Spieler für die Glückseligkeit ihrer Bevölkerung sorgen. Im 21. Jahrhundert hat man deren Basisforderung nach “Heulen und Zähneklappern” total ad acta gelegt. Als Alternative wird dafür das sich Ergehen in den “hängenden Gärten der Semiramis” angeboten. Da gab es doch noch etwas für die Wonnen des Alltags! “Im Wandel der Zeiten” scheint das verloren gegangen zu sein.
Aaron hatte sich die Neuauflage sofort zugelegt, weil dem Spiel der Ruf eines schnelleren “Civilization” vorausging. 8 Stunden Spielzeit sind auch für einen Freak keine Selbstverständlichkeit. Wir brachen nach knapp 2 Stunden Spielzeit friedlich und erwartungsgemäß ab, und hatten da vom ersten Stapel Aktionskarten gerade mal die Hälfte verbraucht. Insgesamt wären drei Stapel Aktionskarten zu bewältigen gewesen. Selbst wenn wir unsere jeweiligen Denkzeiten um 50% reduziert hätten, wäre dabei immer noch eine Gesamtspielzeit von über fünf Stunden herausgekommen. Für die gebremste Dynamik des Spielablaufs ist das entschieden zu viel.
Es gab lange Diskussionen (nach dem Spiel), ob die Vorteile von Fortschrittskarten einmalig oder jedesmal pro Runde gelten sollen. Erklärungen und Piktogramme waren nicht immer eindeutig. Vor allem war es nicht einsichtig, daß ein billiger Caesar, den man sich für einen einzigen Aktionspunkt zulegen konnte, zwei Siegpunkte pro Runde einbringen sollte, während der Koloß von Rhodos für den gleichen Ertrag vier Aktionspunkte und zusätzlich eine Menge Ressourcen kosten sollte. Die Entwicklung einer tollen Militärtheorie bringt sogar 10 Siegpunkte pro Runde ein. Ist das wohlproportioniert? Oder ist das ein verdecktes Moritz-Prinzip?
Eigens für die Mitspieler, die regelmäßig vorzeitig zur vorletzten U-Bahn abdüsen müssen, gibt es noch folgende Spielregel: “Zu Beginn Ihres Zuges haben Sie die Möglichkeit, das Ende Ihrer Zivilisation zu erklären und aus dem Spiel auszuscheiden!” Als Letzter! Die anderen dürfen dann noch stundenlang weiterspielen. Das ist wenigstens mal ein sehr bemerkenswertes Peter-Prinzip!
WPG-Wertung: Haben wir vor lauter Diskussion vergessen, wird nachgereicht. Walter vergibt schon mal 7 Punkte für Design und Ablauf, zieht davon aber wieder 2 Punkte ab, weil die Spielzeit im Verhältnis zur gebotenen Dynamik einfach viel zu lang ist.
2. “Flaschenteufel”
Zum ersten Mal zu dritt gespielt. Eine ganz andere Kartenpräsenz als zu viert. Noch durchsichtiger, noch berechenbarer. Man hat das Timing beim Stiche-Machen besser in der Hand, und jeder weiß von jedem Mitspieler mindestens eine Karte, auf die er seine die Verteidigung aufbauen kann. Ungewöhnlich oft war der spontane Satz zu hören: “Jetzt habe ich einen Fehler gemacht!”.
Natürlich gibt es wie im richtigen Leben auch beim Flaschenteufel Kartenhände, die den Besitzer zum Verlieren verurteilen. Doch dann kann man zumindest noch versuchen, den Schaden zu begrenzen.
Aaron kündigte gleich im ersten Spiel an: “Ich bleibe auf dem Teufelsstich sitzen”. Mit welcher Begründung? Er hatte keine einzige gelbe Karte auf der Hand und fürchtete, mit der gelben 1 und 2 beschenkt zu werden und diese Karten nicht mehr loswerden zu können. – So kam es dann auch.
3. “Bluff”
Walter hatte zum ersten Mal in seinem Bluff-Leben 5 Sterne unter seinem Würfelbecher. 7776 mal muß man für diesen Superstwurf würfeln. Es reicht, wenn man sich fünfzig Jahre lang jede Woche einmal zum Bluff-Spiel zusammensetzt und dann pro Tag jeweils drei Runden absolviert. Im Durchschnitt. Da wurde es auch höchste Zeit.

25.02.2009: Der “Flaschenteufel” als Kampfstern in der Galaxis

Aaron hat jetzt in alle unsere Rezensionen ein Feedback-Kästchen eingebaut: Jeder Leser hat die Möglichkeit, einen Artikel mit den Noten von 1 bis 10 abzukanzeln. Einfach auf die entsprechende Anzahl Sterne klicken, und schon hat man Lust oder Frust zum Ausdruck gebracht.
Achtung aufgepaßt: Jeder Absender kann pro Artikel nur einmal seine Stimme abgeben, dann wird keine Wertung mehr angenommen. Bitte also den richtigen Stern anklicken.
Bis jetzt sind die Rückflüsse noch sehr spärlich. Günther bekam für seine zweite Dominion-Analyse die Traumnote 9,9. Bei 7 Wertungen. Seine erste Analyse, die mit 36 Wertungen gerade die Hälfte aller Wertungen auf sich vereinigt, kommt immerhin noch auf die Note 8,6. Im Vergleich zu unseren eigenen Spielebewertungen wäre das ebenfalls noch ein Spitzenplatz: Hier liegt “1830” mit der Durchschnittsnote von 8,8 auf den vierten Platz.
Leser, Autoren und Verlage, nutzt die Gelegenheit, Euren Daumen zu heben oder zu senken! Rächt Euch mit schlechten Noten für schlechte Kritiken! Lieber wäre es uns allerdings, wenn Ihr Euch noch ein paar Worte einfallen läßt, und gleich einen richtigen Text-Kommentar abgebt. Gelesen wird alles. Nicht nur von uns. Mehr als tausend mal pro Rezension.
1. “Battlestar Galactica”
Ein kooperatives Spiel mit sehr viel Thema. Eine ganze Fernsehserie soll dazu Pate gestanden haben. Zumindest Moritz kannte sie. 12 aufrechte Menschen sind auf der Flucht aus dem Weltraum wieder zurück zur Erde. An allen Ecken und Enden tauchen feindliche Gebilde aus, die vernichtet werden müssen, bevor sie zuviel Schaden an Treibstoff, Nahrung, Moral oder Bevölkerung angerichtet haben. Ihre Vernichtung wird ausgewürfelt, elegant und berechenbar, zumindest nach dem Gesetz der großen Zahlen.
Zusätzlich treten regelmäßige Krisen auf, die ebenfalls die empfindlichen Ressourcen anfressen. Gemeinsam müssen sie gemeistert werden, wobei “gemeistert” heißt: alle Spieler zusammen legen verdeckt farbige Zahlenkarten auf einen Haufen, dann wird der Haufen aufgedeckt, und wenn die Summe der Zahlen größer ist als das Krisenpotential, dann verpufft die Krise ohne negative Effekte.
Leider ist diese Kartensumme nicht ganz so elegant berechenbar wie ein Würfel, denn erstens weiß keiner, welche Zahlen die Mitspieler gegen das Krisenmanagement geopfert haben, zweitens kommen von einem verdeckten Stapel auch noch unbekannte Modifizierkarten hinzu, die das Krisenpotential bis zu 50 Prozent auf- oder abwerten. Und drittens können Mitspieler sogar Karten mit Minuswerten zu dem Haufen legen, die bei der Summenbildung dann kontraproduktiv sind.
Warum sollten sie so etwas tun? Weil nicht alle Mitspieler gut sind! Es gibt unerkannt böse Verräter von der Rasse der Cylonen unter ihnen, die das Spiel gewonnen haben, wenn die Menschheit untergegangen ist. Es ist also ein Kampf der Guten gegen die Bösen, gegen zufällige Gefahren in zufälligen Größenordnungen mit zufälligen Abwehrmitteln und unbekannten Allianzen. Wer zufällige die richtigen Karte auf der Hand hat, darf auch noch darum würfeln, ob die unbekannte, zufällig oben liegende Krisenkarte mit der unbekannten, zufällig darunter liegenden Krisenkarte vertauscht werden darf. Sowas geht dann schon in Richtung Metazufall.
Moritz versuchte Stimmung zu erzeugen, indem er seine Mitspieler reihum als Cylon verdächtigte. Ist so ein Vorgehen tatsächlich ein wichtiger Bestandteil des Spielspaßes in der “Galactica”? Muß man seine Freunde ernsthaft verdächtigen, und müssen die sich dann ernsthaft verteidigen? Oder darf man das blindwütig einfach so aus lauter Jux und Tollerei tun, und die Verteidigung oder sogar Selbstanklage ist auch nur ein stimmungsfördernder Faschingsscherz? Sind hier vielleicht bewußt chaotisch gehandhabte, offensichtlich falsche Schlußfolgerungen bei den Verdachtsäußerungen besonders stimmungsfördernd? – Eine philosophische Frage. Moritz hatte damit in seinen anderen Spielkreisen angeblich Erfolg. In unserer rationalen Gesellschaft funktionierte diese einfache Lustprinzip nicht so durchschlagend. Eine offensichtlich falsche Verdächtigung ist nicht a priori lustig, sondern sie ist ein logischer Fehlschluß und damit ein Ärgernis. Im Gegensatz dazu wäre eine zutreffende logische Schlußfolgerung beispielsweise: ein Spieler, der sich in einer einzigen Runde nicht an der gemeinsamen Krisenbewältigung beteiligt hat, in der aber mindestens eine kontraproduktive Karte gespielt wurde, dieser Spieler kann kein Verräter sein, falls es nur einen einzigen Verräter gibt. Logisch, oder?
Walter dachte sehr früh an die letzte Strophe eines Kirchenliedes von Paul Gerhard: “Mach’ End’, o Herr mach’ Ende …” – doch dann dachte er an Fasching, an den Aschermittwoch, an den schlechten Ruf der sauertöpfischen Protestanten und an die gute Lust und Laune unseres Lustmolches und machte nur noch gute Miene zum bösen Spiel. So machten es alle anderen auch.
Im Nachspann fand Aaron noch den irgendwie passenden Spruch:
“Mal ist man Denkmal, mal ist man Taube”.
Diesmal fühlte ich mich eher als Denkmal, doch glücklicherweise hatte die Taube genügend Terpentin geschluckt.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (Advanced “Mau Mau”), Günther: 4 (“nicht mein Fall”), Moritz: 9 (“ihr habt das Teamprinzip nicht verstanden”) , Walter: 4 (vermisst die Möglichkeiten “to have a plan”)
Bemerkenswert, daß in der Fernsehserie zu “Battlestar Galactica” im Vorspann jedesmal der markante Satz fällt: “And they have a plan!”
2. “Flaschenteufel”
Die Frage: “Spielt man oder wird man gespielt” steht immer unausgesprochen im Raum.
Zuerst wurde die Sitzordnung vertauscht, damit sich Moritz nicht mehr über die von Walter geschobenen bösen Karten ärgern konnte. Dafür ärgerte er (der M.) dann postwendend und gezielt den Günther mit der gelben Zwei. Tatsächlich erwarb Günther im letzten Stich mit seiner gelben Zwei auch den Teufelsstich und mußte mit Minus-17 Punkte ins Rennen gehen. Wird man beim “Flaschenteufel” also doch gespielt?
Mitnichten. Günther als Startspieler hatte gleich mit seiner ersten ausgespielten Karte den entscheidenden Fehler gemacht: Auf seine gelbe 22 wurde Moritz die blaue Vier und Aaron die gelbe Eins los. Walter mußte mit der gelben 18 den Stich übernehmen, doch das waren für ihn nur gerne gesehene Pluspunkte. Hätte Günther gleich als erste Karte die gelbe Zwei ausgespielt, dann wäre ihm todsicher im ersten Spiel der Teufelsstich erspart geblieben.
So diskutierten wir post mortem nach jedem Spiel die spielentscheidenden Fehler. Sie ließen sich immer identifizieren. Und alle hätten vermieden werden können! Also wird man im “Flaschenteufel” auch nicht gespielt. Q.e.d.

18.02.2009: Mit der “Gulf, Mobile & Ohio” zum “Palais Royal”

Unsere Notengebung für Spiele ist keine Doktorarbeit. Oft genug entspricht sie lediglich dem Bauchgefühl des ersten Eindrucks. Wenn man allerdings 500 verschiedenen Spiele bewertet hat, dann reicht oft eine bescheidene Auseinandersetzung mit einem neuen Spiel, um treffsicher gute oder schlechte Noten zu vergeben. Meist vergeben wir fast punktgenau die gleichen Noten, wenn wir Jahre später ein Spiel nochmals auf den Tisch bekommen.
Ein Ausnahme ist jetzt “Chicago Express”, das innerhalb von 3 Monaten in unserer Sympathie deutlich Federn lassen mußte. Ganz ähnlich wie ein Wein, der beim Winzer auf Anhieb überzeugt, aus dem eigenen Weinkeller auf den Tisch gebracht aber nur noch schale Erinnerungen wecken kann. Keiner ist perfekt, “Chicago” nicht, der Wein nicht und die Westpark-Gamers auch nicht.
1. “Palais Royal”
Jeder Spieler hat 20 Pöppel, die er in die Amtsstuben um den französischen Königshof zum Antichambrieren ausschickt. In der Münzerei besorgen sie Kleingeld, im Ehrenhof verschaffen sie für sich und ihresgleichen Bewegungsfreiheit, im Kabinett des Königs erhalten sie türkisfarbene Orden und im Kabinett der Madame de Pompadour gibt es violette Orden. Hat man die benötigten Utensilien zusammen, darf man sie gegen Adelige eintauschen, die Siegpunkte bedeuten.
Im richtige Verteilen der Pöppel zum optimalen Anschaffen liegt der ganze Witz. Wem das nicht reicht, der darf sich auch noch über die rechte Nutzung von “Vorhöfen” und “Hintereingängen” lustig machen. Ansonsten ist nicht viel dran am königlichen Palast. Nach wenigen Zügen weiß man, wohin der Hase läuft und im weiteren Verlauf ändert sich daran auch nichts mehr. Dynamik fehlt gänzlich. Aaron: “Es ist ein einfaches Spiel mit wenigen Elementen und ziemlich repetitiv.” Als Kinderspiel ist es auch nicht geeignet, dazu enthält es zu viele verschluckbare Kleinteile. Moritz, der sich besonders auf das Boudoir von der Pompadour gefreut hatte, war enttäuscht: “Es ist ein total abstraktes Spiel, ohne jedes Thema. Dagegen konnte ich mich selbst bei Puerto Rico noch als richtiger Plantagenbesitzer fühlen.”
Das einzige Spannungselement besteht darin, ob der Vorgänger einem den Adeligen wegnimmt, auf den man gerade seinen Erwerbsinn gerichtet hat. Deswegen kann man leider auch nicht denken, wenn man nicht am Zug ist; der gerade anvisierte Adelige könnte ja noch in die falschen Hände geraten. Wenn Günther später auch noch das Setztableau analysiert hat, d.h. wenn die Fragestellung geklärt ist, in welcher Reihenfolge und Quantität man seine Pöppel auf Anschaffe schicken soll, dann ist das Spiel nicht nur tot, sondern mausetot.
Moritz lief mit 63 Siegpunkten vor Günther mit 59, Aaron mit 46 und Walter mit 37 Punkte ins Ziel ein. Bei der Summe der jeweiligen Denkzeiten war es umgekehrt.
WPG-Wertung: Aaron: 6, Günther: 5, Moritz: 5, Walter: 5
2. “Gulf, Mobile & Ohio”
Der Verlag “Winsome Games” hat zu Essen 2008 eine ganze Reihe von Eisenbahnspielen herausgebracht, die wir uns aus alter 18xx-Tradition heraus natürlich nicht entgehen lassen dürfen. Jedes Spiel hat einen anderen Autor und neue Ideen für die Hexateile zum Streckenbau, die bunten Holzwürfel für den Gleisbesitz und die Mini-Anzahl freier Shares für eine Maxi-Anzahl verschiedener Eisenbahngesellschaften.
Das besondere bei “Gulf, Mobile & Ohio” ist der konfliktbelastete Bau von Gleisstrecken durch die verschiedenen Eisenbahngesellschaften. Jede Gesellschaft bekommt bei ihrer Gründung eine feste Farbe zugewiesen, mit der sie ihr Streckennetz bauen muß. Dabei darf sie mit dem Netz gleichfarbiger fremder Linien nicht in Berührung kommen. Das schafft kniffelige topologische Denkübungen, wieviel eine Linie in einer gegebenen Bauphase gerade wert ist.
Nur der Gleisbau liefert Siegpunkte; Geld und Aktienanteile sind in der Endabrechnung absolut bedeutungslos. Leider spielt hier auch der Zufall eine erhebliche Rolle: Wer Glück hat, der hat gerade dann die notwendigen Barmittel auf der Hand, wenn eine lukrative Linie gegründet werden kann. Genau auf solche Zeitpunkte hin zu sparen und allzeit bereit zu sein, funktioniert auch nicht, denn der bisherige Aktienbesitz wird regelmäßig mit Beträgen in der Größenordnung von Infineon-Dividenden honoriert, und Kleinvieh macht auch Mist.
So ist das ganze eine ziemlich unübersichtliche, mühsame Siegpunkt-Erbauereri. Fehler werden nicht verziehen. Wer – warum auch immer – in der Frühphase mit Besitz und Punkten davongezogen ist, ist bald nicht mehr einholbar. Die Dummen oder die Pechvögel haben sehr bald das Nachsehen und können dann die restliche Stunde Spielzeit zuschauen, wie der Führende seine Position Infineon auf Infineon ausbaut.
Viel kann man beim Kauf des Spieles nicht falsch machen: Es ist nicht mehr erhältlich. Die Miniauflage von 80 Stück war bereits verkauft, bevor der Verlag seinen Stand in Essen aufgebaut hatte. Günther hatte bereits im Vorverkauf das handsignierte 64. Exemplar erstanden. Einfach aus Liebe zum Eisenbahnspielprinzip. Zum gleichen Spielprinzip, das Moritz nach wiederholtem Bekunden zutiefst haßt: Eisenbahnaktien und Hexagons. Doch auch Günther gestand: “Das nächste Mal werde ich es wohl nicht mehr kaufen.”
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 6, Moritz: 4, Walter: 5
3. “Bluff”
Ungewöhnlich emotionale Anfeindungen zwischen dem Übertreiber Moritz und seinem anzweifelnden Hintermann Aaron. Nach zwei Spielen war Moritz ausgeschieden und sann nur noch auf Rache.
Doch Aaron ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er korrigierte Moritz sogar später im nächsten Durchgang, als der irrtümlich einen Würfel mehr als notwendig abgeben wollte: “Ein bißchen will ich Dich noch quälen!”

11.02.2009: Mit dem Flaschenteufel durch die Kontinente

Im Internet kann man sich nicht nur einen Lebensabschnittspartner suchen, sondern auch kurzfristige Seitensprünge. Bei Google werden unter den Suchbegriffen “Seitensprung” + “Portal” immerhin dreihundertvierzigtausend Einträge angeboten, z.B. “Seitensprung mit Niveau … für Frauen und Männer, die auf der Suche nach einer Affäre oder einem One-Night-Stand sind!”
Peter hat es ausprobiert. Zumindest einige Links. Angeblich sollen dort 35 jährige Frauen “jüngere” Männer suchen. Mit 40 plus ist man schon ausgemustert. Als armer 40 Jähriger muß man schon um seinen Ruf kämpfen: “Ich bin kein Opa-Typ!”.
Ach, was hat die heutige Jugend für Sorgen! Ich gehe als gut 60-Jähriger in den Bridgeclub und bin dort … Verrate ich nicht!
1. “Chicago Express”
Walter durfte den Neulingen Loradana und Peter die Regeln erklären. Nach Peters Vorstellung von Systematik hielt er sich streng linear an das 8-seitige, klar gegliederte Regelheft und wurde als Erklärer weder angefeindet noch abgesetzt. Ein Novum am Westpark.
Wir ersteigern Aktien von Eisenbahngesellschaften, bauen Strecken, entwickeln die umliegende Geographie und kassieren Dividenden für den Eisenbahnbetrieb. Wer am Ende das meiste Geld erwirtschaften konnte, ist Sieger.
Es gibt eine Menge antagonistischer Effekte zu berücksichtigen, hier nur zwei Beispiele:
a) Die Gesamteinnahmen einer Linie werden gleichmäßig unter alle Aktienbesitzer verteilt. Je mehr Aktien einer Linie verkauft sind, desto geringer ist der Quotient. Schnell noch eine Aktie des Gegners auf den Markt zu werfen, erhöht den Nenner und reduziert die Dividende. Im Gegenzug macht jede verkaufte Aktie eine Linie reicher und entwicklungsfähiger. Zusätzlich erlaubt dies gleich mehreren Aktionären, den Ausbau einer Linie tatkräftig in die Hand zu nehmen.
b) Man versucht eine Aktien so billig wie möglich zu ersteigern, doch der Erlös fließt in die Gesellschaft, und je mehr Kapital sie hat, desto besser kann sie sich entwickeln. Der richtige Preis für eine Aktien zum gegebenen Zeitpunkt, das ist das ganze Geheimnis für gutes Spiel. Wenn man diese Rechnerei ernst nimmt, kann der Spielablauf allerdings ziemlich dröge werden.
Gott-sei-Dank hat Günther hier noch keine Optimierungsbilanz erarbeitet, sonst wäre das Spiel zu Tode analysiert. Wir (alle?) rechneten wenig und wir spielten viel. Ganz brav und ruhig verlief die Entwicklung. Ohne Aggressionen wurden die Strecken gebaut und die Industriezentren entwickelt. Fast langweilig …
Walter konnte sich erinnern, daß ab dem Mittelspiel die Aktien leicht überbewertet über den Ladentisch gingen. Heute hielt er sich von Anfang an zurück. Am Ende kam er mit einer einzigen Chesapeake-Aktie (plus einer beschisssenen Wabash-Aktie) vor den Richter. Entsprechend gering war seine Geldsummenausbeute: mit 42 Dollar hatte er gerade mal die Hälfte an Barvermögen des vorletzten Spielers erwirtschaftet und etwa ein Viertel die des Siegers Peter.
“Was habe ich falsch gemacht?” Peter: “Alles!”. Deutliche Aussage, doch die Details sind hilfreichere Information für das nächste Spiel. “Keep fully invested” gilt auch hier, zumindest am Anfang des Spiels. Immerhin werden ca. 8 mal Dividenden ausgeschüttet, die ersten Aktien bringen also schon insgesamt etwa 50 Dollars ein.
Zweites Fazit von Peter: “Ihr (wahrscheinlich meinte er wieder Walter) hättet mehr Aktien auf den Markt bringen müssen!”. Dabei hatte sich Walter gerade in der Endphase bemüht, Aktien SEINER Linie zu verkaufen, um die Gesellschaft flüssiger zu machen. Hier hätte er sich aber besser auf seiner einzigen Aktie ausruhen und etwas für die Ertragsentwicklung seiner Linie tun sollen. Dann hätten die Mitspieler automatisch auch Interesse an der Chesapeake bekommen.
Peters drittes Fazit: “Man kann das Spiel besser spielen, als es hier gespielt wurde!” Klar, wer auch diesmal damit gemeint war.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (1 Punkt weniger), Peter: 7 (trotz seiner Geld-Schwemme), Loredana: 5 (das Spiel funktioniert. Nachträgliche Frage: Was funktioniert nicht?) Walter: 8 (2 Punkte weniger, Tendenz fallend)
2. “Trans Europa”
Noch mal Eisenbahn, diesmal in Europa. “Trans Europa” ist auch kein Wirtschaftskampf, sondern ein Glücksspiel (wer zieht die besten Städte-Verbindungen) und eine psychologische Herausforderung (welche Strecken müssen die anderen ohnehin für mich bauen?).
Locker ist es allemal. Auch wenn unser Terminator es abqualifiziert: “albernes Glücksspiel”! Da frage ich mich schon, auf Grund welcher Eigenschaften “Zoff im Zoo” für ihn seit Jahren der absolute Renner ist!
Keine neue WPG-Wertung für ein Mehr-als-7-Punkte-Spiel
3. Flaschenteufel
Hier gilt Walter dank seiner Auseinandersetzung mit Günther Cornett’s PC-Implementierung als Favorit. Durch einen kapitalen Ablege-Fehler konnte sich auch gleich im ersten Spiel mit Minus 16 Punkten den Teufelsstich sichern.
Doch dann schob er sich Spiel um Spiel nach oben, und als er die Führung erobert hatte, schlug er den Spielabbruch vor. Alle waren einverstanden, insbesondere Peter, der sich hier wie bei der “Behinderten-Olympiade” gefühlt hatte. Als Zuschauer, oder als was?
4. “Bluff”
Nix Neues im Westen. Peter zweimal als erster ausgeschieden, Loredana zweimal gegen Aaron im Endspiel. Einmal oben, einmal unten. Ohne Seitensprung.

04.03.2009: “Uptown” in der “Flut”

Bis zum Sonntag waren erst drei Spieler für den Mittwoch-Spielabend angemeldet. Am Montag rührte sich Hans per EMail: “Ich kann diesen Mittwoch dabei sein und komme gern! – mindestens einer fehlt doch noch?”
Fehlen? Der Ausdruck war ein kleines bißchen zu stark, denn auch ein Trio-Abend hat seine Reize, z.B. wenn “Friedrich” auf dem Tisch liegt. Mit “Imuri” hat es sogar schon faszinierende 2er-Spielabende am Westpark gegeben. Gerade mit Hans.
Walters Erinnerung daran quittierte er mit “Du sagst es, 'Imuri' und 'Salta', das war wirklich eine gehaltvolle Kombination!” – War das jetzt eine Zusage oder nicht?
Geduldig wartete das Trio vom Sonntag auf den angekündigten vierten Spieler vom Montag. Doch er kam nicht! Hans, wo bist Du abgekommen? Wolltest Du dem Gastgeber etwa einen Soloabend bereiten?
1. “Uptown”
Es galt, die Zeit zu überbrücken, bis der vierte Mann eintrudelt. “Uptown” ist dafür ein ideales, schnelles Spiel zum Aufwärmen. Jeder Spieler hat den gleichen Satz von insgesamt 27 Plättchen, die reihum auf vorgeschriebene Felder des Spielbrettes gelegt werden. Dabei sollen möglichst zusammenhängende Ketten gebildet werden. Wer am Ende die wenigsten getrennten Ketten erzeugt hat, ist Sieger.
Im ersten Spiel wiesen am Ende alle Spieler genau zwei zusammenhängende Ketten auf, dabei hatte Günther die dickste, was im Femininum allerdings nix Besonderes ist. Auch kein Kriterium als Tie-Breaker.
Alle brachten ihre Ideen und Vorschläge für ein strategisch optimales Vorgehen vor. Trivial ist das Ablegen der Plättchen auf keinen Fall. Ein überlegter Plan ist erforderlich, auch wenn die Auswahl der Plättchen, die man aktuell legen darf, jeweils auf fünf beschränkt ist. Zufällig gezogene! Doch gute Ratschläge unter klugen Mitspielern fallen genauso wenig auf fruchtbaren Boden wie gute Ratschläge vorsichtiger Mütter an ihre klugen Töchter. Das zweite Spiel sollte die Nagelprobe für die kontroversen Strategiediskussionen ergeben.
Doch wie der Zufall so spielt: Ausgerechnet unser Spieler, der anerkanntermaßen beim “Mensch-ärger-Dich-nicht” die schlechtesten Würfel hinlegt und der beim “Schafkopfen” anerkanntermaßen die schlechteste Kartenhand zugeteilt bekommt, der hatte ständig auf seinem Vorratsbänkchen auch nur “Scheiß-Plättchen” liegen. – So muß die Entscheidung über die beste Uptown-Strategie auf einen späteren Termin verschoben werden.
Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte Spiel
2. “After the Flood
Hans war immer noch nicht da. Ohne Skrupel konnten wir als Schwerpunkt des Abends ein neues, dickes 3er-Spiel von Martin Wallace auf den Tisch legen: “After the Flood”. Aaron hatte von einer numerierten Auflage das Exemplar Nummer 1442 erstanden. Letztes Jahr in Essen (oder wo auch immer). Frei nach seinem Motto: “Mit Martin Wallace liegt man immer richtig”.
2-3 Stunden soll das Spiel dauern. Zusätzlich zur Regelerklärung! Da kommt so ein unvorhergesehener Hans-Ausfall wie gerufen. Friedlich machten sich drei reife Männer über die Spielregeln her. Vier Seiten Einleitung, fünf dicht bedruckte Seiten Regelwerk, eine Seite Zusammenfassung. Parallel zum Klüger-Werden erzeugten wir den Spielaufbau, die Startaufstellung und die erste Ernte.
Die Szenerie liegt rund um das alte Sumerien (oder wie hieß das Land der Sumerer?). Wir schicken unsere Arbeiter zu den verschiedenen Baustellen aufs Land. “Irrigation” heißt eines dieser Betätigungsfelder auf Englisch; drei Männerhirne fanden dazu natürlich sofort eine phonetische Assoziation. Auch das – nach Wikipedia – “paradiesische Land” Dilmun wurde unverzüglich abgewandelt. Ohne dabei den Ernst des Spieles aus den Augen zu verlieren.
Wir erarbeiten uns Rohstoffe und treiben Handel, um unsere billigen Rohstoffe gegen höherwertige einzutauschen. Wir gründen Städte und bauen sie aus, wir gründen Reiche, d.h. wir stellen Armeen auf, die – wie im richtigen Leben – den Handel behindern, die Städte zerstören und eine Menge Ressourcen verbrauchen.
Das Spiel verläuft über fünf Runden a sechs Phasen. Die dickste Phase ist die Aktionsphase, in der alle Mitarbeiter und alle Generäle ihre Tätigkeiten entfalten. Die Anzahl der Aktionen ist a priori nicht limitiert: Jeder darf solange agieren, wie es ihm Spaß macht, d.h. bis er alle seine Rohstoffe auf den optimalen Veredelungsgrad gebracht hat. Manchmal schränken die gegnerischen Armeen den Aktionsradius ein, oft genug aber auch nicht. Hier prallt die volle schöpferische Fülle an Zugmöglichkeiten in einer abzählbar endlichen Folge auf die armen Spieler herab und sie sind – zumindest als Anfänger – total überfordert, darin eine auch nur einigermaßen optimale Linie zu finden.
Ein paar grundsätzliche Fragenstellungen:
1) Bis zu welchem Einsatz soll man um die Vorherrschaft in den vorteilhaftesten Reichen kämpfen?
2) Wieviel ist der Vorteil als Startspieler wert?
3) Wieviele Zusatzarmeen soll man sich leisten? Mit welchen Mitteln soll man sie ausstatten, um sich damit Kampfvorteile zu sichern?
4) Wo gründet man die sichersten Städte? Wann gründet man sie und wann entwickelt man sie zur Hochkultur?
5) Soll man gegnerische Städte und Armeen angreifen und an welchen Stellen?
6) Wieviel Arbeiter sind auf dem Land und in den Fabriken jeweils notwendig?
7) An welchen Marktplätzen braucht man unbedingt Händler, um die benötigten Tauschaktionen lückenlos abwickeln zu können.
8) Wieviele Angestellte schickt man ins Dildoparadies, damit sie dort ungestört ihre Kreise ziehen? Nach jeder Runde müssen sie erschöpft aufgeben!
Fragen über Fragen. Die richtige Priorität ist spielentscheidend. Nach zweieinhalb Stunden hatten wir zwei der fünf Runden absolviert, aber immer noch keinen Peil darüber, was zu welchem Zeitpunkt wichtig, wichtiger oder am wichtigsten ist. Noch kein Gefühl dafür, wie man die nächste Runde angehen soll.
In jedem Fall verläuft der Kampf um die beste Entwicklung mit einer maximalen Spieler-Interaktion. Jede vorteilhafte Position ist umkämpft. Der Sieger in einer Auseinandersetzung gewinnt eine gute Ausgangsstellung, muß dafür aber eine erhebliche Menge an Ressourcen verpulvern, und schafft sich sofort zwei Feinde, die ihm die Früchte seiner Dominanz so sauer wie möglich werden lassen. In dieser Hinsicht ist das 3-Personenspiel vorzüglich konstruiert und auch gut ausbalanciert.
Letztere Einschätzung ist allerdings nicht unumstritten. Im Gegensatz zu “Friedrich”, bei dem allen sofort klar war, daß hier ein großes Spiel auf dem Tisch liegt, muß “After the Flood” seine wirkliche Größe erst noch unter Beweis stellen. Zum Nochmals-Spielen um seine Geheimnisse zu ergründen reizt es auf alle Fälle. Aaron wird noch ein bißchen im Internet nachschauen, was andere Geister dazu bereits herausgefunden haben.
Preliminary WPG-Wertung: Aaron: 6 (befürchtet, daß es “kippelig” ist), Günther: 6 (noch skeptisch), Walter: 7 (mit Tendenz zu mehr)
3. “Bluff”
Nach vielen Stunden Planen und Wundern brauchten wir noch ein abschließendes Spielerlebnis. Dazu ist “Bluff” ein nicht zu überbietendes Medium.
Das erste Spiel gewann Aaron vor Günther, im zweiten war es umgekehrt. Jeweils vor einem weiteren Teilnehmer.

29.01.2009: “Die Säulen der Erde”

“Ich bewundere und liebe die Erfindung des Spielens, da ich sie als ein Zauberband ansehe, durch welches in einer Zeit von wenigen Minuten Leute von allerlei Nationen, ohne daß sie sich sprechen können, und von Personen von ganz entgegengesetzten Charakteren viele Stunden lang sehr gesellig verknüpft werden; da es ohne dieses Hilfsmittel beinahe unmöglich wäre, eine allgemeine gefällige Unterhaltung vorzuschlagen.”
(Sophie von la Roche, vor knapp 250 Jahren)
1. “Die Säulen der Erde”
Letzte Woche waren wir alle davon überzeugt, “Steel Driver” schon einmal gespielt zu haben; wir wunderten uns, wie schlecht wir die Regeln wieder zusammenbrachten. Dabei hatte keiner von uns das Spiel gekannt, es taucht in keiner unserer Aufzeichnungen auf. Diesmal waren Aaron und Walter davon überzeugt, “Die Säulen der Erde” noch nie gespielt zu haben, obwohl es bei uns schon einmal zum “Spiel des Monats” gekürt worden war. Walter hatte sich getäuscht: vor gut zwei Jahren, am 13.12.2006 hatte es bereits am Westpark auf dem Tisch gelegen und war mit guten Noten entlassen worden.
Peter durfte seine (zwei Jahre) alte Liebe den Nicht-Kennern und die sich dafür hielten vorstellen. Wie immer gab er eine perfekte Einführung, und schnell war er durch das recht anspruchsvolle Regelwerk hindurch. Wir wußten jetzt, wie man das Spiel spielt. Doch um zu wissen, wie man es gut spielt, dazu reicht die bloße Regelkenntnis natürlich nicht aus, dazu braucht es eine jahrelange Spielerfahrung.
Hier war Peter vorbildlich generös. Ganz uneigennützig gab er jedem herumrätselnden Konkurrenten Tips für den nächsten besten Spielzug. Zudem konnte er die noch-planlosen Mitspieler trösten: “Das Spiel vergibt”! Das hieß soviel wie: Fehler in der Anfangsphase können in der Schlußphase noch problemlos ausgebügelt werden. Allerdings sollte man bis dahin gelernt haben, wohin der Hase läuft.
Die Spieler müssen mit den Elementen Arbeit, Geld, Baumeister und Rohstoffe jonglieren und den effizientesten Weg finden, schlußendlich alles in Siegpunkte zu verwandeln. Sie schicken ihre Arbeiter in Wald und Heide, um Rohstoffe Holz, Steine und Kies zusammenzutragen, sie investieren Geld um ihre Veredelungsverfahren zu verbessern, und sie wandeln ihre Fertigprodukte in Siegpunkte um.
Es gibt einen Konkurrenzkampf um die Rohstoffplätze und um die lukrativsten technischen Fortschritte. Alles ist begrenzt, wer zu spät kommt, den bestraft das Schicksal. Dabei unterliegt das Gesamtangebot sogar einer Zufallsauswahl: man kann keineswegs darauf bauen, daß in einer Runde überhaupt Plätze für den Abbau eines bestimmten Rohstoffes angeboten werden. Auch in der Zugreihenfolge hat der Zufall seine Hände drin: Die Zug-Pöppel werden blind aus einem Säckchen gezogen: Wer Glück hat, dessen Pöppel werden früh gezogen und ihm steht die volle Auswahl an Entwicklungsoptionen zur Verfügung, die Nachfolger müssen sich mit einer immer kleiner werdenen Auswahl begnügen. Dieser starke Reihenfolgenvorteil wird allerdings leicht abgeschwächt: Für frühesten Züge muß man das meiste Geld berappen, und Geld ist knapp.
Alles ist knapp: die Arbeiter, die freien Arbeitsplätze, Rohstoffe und Veredelungstechniken. So stellen “die Säulen der Erde” ein schöne Herausforderung an die Anpassungsfähigkeit der Optimierungstechniken an günstige Gelegenheiten dar. Immer wieder bieten sich den Spielern spontane Situationen, die im allgemeinen Entwicklungsfluß eine bestimmte Richtung begünstigen. Diese gilt es zu erkennen und auszubauen.
Die Fortschritte sind alle stark progressiv, d.h. die Umsetzung von Besitztümern in Siegpunkte geschieht in immer größeren Raten und zu immer vorteilhafteren Quoten. So kann man auch noch in den letzten Runden erheblichen Boden wieder gutmachen. Vielleicht zu viel! Fast die Hälfte der Siegpunkte wurde in der letzten Runde vergeben. War das jetzt dank des guten Aufbauspieles, oder auf Grund des enormen Hochschießens der Umwandlungseffizienz, oder hat da schlichtweg Fortuna entscheidend mitgeholfen?
Peter wurde Letzter. Das spricht nicht gegen ihn, sondern für die geschlossene Potenz am Westpark! (Eifriges An-die-eigene-Brust-Klopfen!) Dank seiner uneigennützigen Unterstützung mit Rat und Tat wurde Walter Zweiter. “Daß Du nicht Erster geworden bist, das spricht für das Spiel.” Für seine Berechenbarkeit. Dafür spricht vielleicht auch, daß Günther gewonnen hat. Aber es bleiben leichte Zweifel offen. Ansonsten könnte man über Peters letzten Satz sicherlich manche dicke psychologische Abhandlung schreiben.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (mag keine Glücksspiele), Günther: 8 (“ist schon ziemlich gut; 10 Punkte sind für die 18xx-Spiele reserviert”), Peter: 10 (“gehört zu den wenigen Spielen, die ich ständig spielen kann”), Walter: 8 (spielerische Mischung aus Planung und Zufall)
2. “Bluff”
Nach der zweiten Runde war Günther bereits ausgeschieden. Natürlich auf Grund von Untertreibung. Dumm gelaufen. Das vorgezogene lange Endspiel mit 5:5:5-Würfeln konnte Aaron nach zähem Kampf für sich entscheiden.

21.01.2009: Deutsche Hausmannskost

Keiner hatte Walters Wunschspiele, die “Die Prinzen von Machu Picchu” von Mac Gerdts und Rüdiger Dorns “Diamonds Club” mitgebracht. Von Moritz’ amerikanischem 4-Stünder “Battles Star Galactica” als einleitung fühlten wir uns überfordert. So kam heute nur Aaron’s Auswahl an deutscher Hausmannskost (gilt als Qualitätskriterium) zur Auswahl, und zumindest Peter war damit mehr als zufriedengestellt.
1. “Linq”
Eigentlich kein richtiges Brettspiel, sondern eher eine Party-Unterhaltung für gebildete Kreise. Vor knapp einem Jahr zum ersten Mal gespielt und gleich mit vorzüglichen 8 Punkten bedacht, war es heute für Moritz und die beiden Peters eine Premiere.
Je zwei Spieler werden per Zufallsauswahl verbandelt, doch keiner kennt die paarweisen Zugehörigkeiten. Schlüssel zur Aufklärung sind Begriffe, die jedem Paar geheim zugeordnet sind. Beispielsweise habe das rote Paar den Begriff “Europa” und das blaue Paar den Begriff “Bangkok” erhalten. Durch Nennen von Assoziativ-Begriffen sollen jeder die Paar-Zuordnung herausfinden.
Findet ein Paar die eigene Zusammengehörigkeit heraus (jeder vom anderen), dann bekommen beide Siegpunkte. Finden die anderen ebenfalls diese Zusammengehörigkeit heraus, so muß das Paar Siegpunkte abgeben. Es geht also darum, sich dem Partner durch geeignete Begriffe erkenntlich zu zeigen, für die anderen aber verdeckt zu bleiben.
Zu den obigen Beispielen “Europa” und “Bangkok” nannte Aaron “Göttin”, Peter “Asien”, Moritz “Liebesperlen” und Walter “Sex”. Wer gehört jetzt zu wem? Als Alternativbegriff nannte Aaron “Schnell” (das war ein gewollte Irreführung, denn er wußte schon, zu wem er gehörte und er wußte auch, daß sein Partner das ebenfalls bereits wußte), Peter nannte einen “Daro al Gelto” (oder so ähnlich, einen bekannten Sex-Regisseur. Peter Du kannst den Namen ja noch korrigieren), mit dem er Moritz bluffen wollte. Was ihm auch vollkommen gelang. Moritz wollte mit “Fritzl” (dem aus Amstetten) noch ein bißchen Nebel verbreiten, aber es reichte nur noch für die eigene Vernebelung.
Loredana war hier das Fragezeichen (Sonderfigur bei unpaariger Spielerzahl). Als unglückliche Anfangsspielerin wollte sie hier mit “Link” und “Modul” eine falsche Fährte legen, aber bei den vorgegebenen geographischen Schlüsselworten konnte sie damit keinen auf ihre Seite ziehen.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (damals), 8, Loredana: 6 (sprachliches Handicap), Peter: 7, Moritz: 8 (Donnerlittchen), Walter: 8 (Reminiszenz an ähnliche Spielchen aus seiner Jugend)
2. “Steel Driver”
Unsere Erinnerung an die Linq-Regeln hatten wir überschätzt und viel Zeit mit Probeläufen und Fehlversuchen verloren, für Moritz Potzenzspiel war es deshalb bereits zu spät. Mit gehobener Hausmannskost ging es weiter.
“Steel Driver” ist ein Eisenbahnaktienspiel und insofern ein Leib- und Magenspiel unserer Gruppe. Nach unserem Gefühl sollte wir es schon einmal gespielt haben, doch in unseren Sessionreports taucht es noch nicht auf. Ist es da irgendwo verschütt gegangen?
Obwohl sich Aaron und Walter im Groben und Ganzen an Einzelheiten des Spielablaufs erinnerten, hatten wir alle erhebliche Probleme, erstens beim Vortragen der Regeln, zweitens mit dem Verstehen der Regeln, und drittens beim Behalten und Beachten der Regeln.
Dabei ist alles ganz einfach: In jeder Runde kauft jeder 1-2 Aktien einer Eisenbahn-Gesellschaft; entsprechend der Liquidität dieser Gesellschaft baut er 1-3 Gleisstücke, verbindet Städte und erzielt damit einen Ertrag, der in Form von Siegpunkten an die Aktionäre ausgeschüttet wird.
Am Spielende werden die Gesellschaften nochmals auf Grund ihrer Streckenstruktur bewertet und bringen jedem Aktionär eine abschließende Siegpunkt-Prämie ein. Diese Endbewertung ist ein bißchen tricky, denn hier werden in Konkurrenz aller gegen alle die Städte auf dem Spielplan einzeln abgebaut und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer als zweiter kommt, mahlt überhaupt nicht mehr!
Hier steckt natürlich ein gewisser Kingmaker-Effekt drin. Man kann einem ungeliebten Gegenspieler einen Streckenbonus vor der Nase wegschnappen und damit einem unbeteiligten Dritten zum Sieg verhelfen. Peter meinte dazu: “Nett gedacht, aber typisch Martin Wallace; die Kingmakerei hat er noch nie wegbekommen!” – Eigentlich wäre das doch ganz einfach gewesen: Man brauchte in der Schlußwertung bloß nicht die Städte einzeln abzuräumen, sondern jede Linie darf jede Stadt werten, die sie in ihrem Schienennetz angeschlossen hat! Damit würde ein verstärkter Nachdruck auf strategischen Gleisbau gelegt, was dem ohnehin schon guten Spiel sicherlich noch zusätzlich zugute käme.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (bei Nachschrift), Loredana: 8 (kein Handicap), Peter: 6 (Wallace-Trauma), Moritz: 7 (ist kein 18xx-er), Walter: 7 (vertauschbar mit Aarons Punkten)
3. “Zoff im Zoo”
Peter stellte seine Regelkenntnis heraus und schaute leicht auf die Mitspieler herab, die mit der Freßreihenfolge in der Tierwelt immer noch nicht so vertraut waren. Selbst Loredana fragte ungewöhnlich aggressiv in die Runde: “Kennst Du keine Tiere?” – Ach, in allen intelligenten Freizeitbeschäftigungen ist es schwierig, auf schwächere konkurrierende Mitspieler nicht herabzuschauen! Für die Charakterbildung ist es in jedem Fall gut, wenn man auch beim Spielen ab und zu mal auf seinen Meister trifft. Vor allem, wenn der es einem auch noch unverblümt vorhält! Davon können besonders die Bridgespieler ein Liedchen singen.
Diesmal landeten P&L bei “Zoff im Zoo” abgeschlagen auf dem letzten und vorletzten Platz. Das muß hier auch einmal gesagt werden!
4. “Bluff”
Die vorletzte U-Bahn hatte unsere Reihen schon dezimiert, nur noch Aaron, Moritz und Walter setzen sich zum Absacker zusammen. Es wurde ungewohnt defensiv gespielt. Soviele Einser, Zweier und Dreier als Vorgabe und Erhöhung hat es bei uns noch nie gegeben.
Walter betrieb eifrig Würfelpflege (unverzügliches Nachwürfeln bei jeder Gelegenheit, auch wenn es absolut noch nicht notwenig ist), doch es half ihm nichts. Im Nur war er alle Würfel los und mußte Moritz und Aaron mit 5:3 Würfeln ins Endspiel lassen. Hier konnte Moritz den Sack zumachen.
Walter bestand auf einen Platzwechsel mit dem undurchsichtigen Moritz, doch auch das half nix, in der zweiten Runde mußte er sich ebenfalls frühzeitig verabschieden und seinen Konkurrenten das Endspiel überlassen.
Aber im dritten Spiel …

14.01.2009: Der “Dorn” im “Flaschenteufel”

1. “Dorn”
Kein Spiel von Rüdiger Dorn, sondern ein “kooperatives Fantasy-Spiel ohne Glücksfaktor” (Originalton Moritz) von Czech Board Games. Aaron meinte, Fantasy ohne Glücksfaktor wäre ein Widerspruch in sich selbst, doch Moritz bestand auf seiner Einschätzung. Daran merkt man den Unterschied zwischen Künstler und Techniker. Walter wollte vorsichtshalber wissen, wie lange das Spiel dauert, doch Moritz wußte es selber noch nicht. Er war aber bereit “es jederzeit abzubrechen, ich will euch zu nichts zwingen”.

Das Spiel wird von drei bis fünf “Guten” gegen einen “Bösen” gespielt. Klar, daß hier die Allianz Aaron, Günther und Walter gegen Moritz gebildet werden würde. Wir bewegen uns über Tempel, Sümpfe und Minen zu Schätzen und Artifakten, wir finden Segnungen (viele) und Flüche (wenige), manchmal auch Nieten (winziger Glücksfaktor). Monster tauchen auf, die es abzumurksen gilt, sonst murksen sie uns selber ab. Wir gewinnen oder verlieren Blutpunkte, werden mächtiger und unverletzlicher, oder wir hauchen unser letztes Leben aus.

Auch der Böse rüstet natürlich auf. Seine fortlaufend entstehenden Monster gewinnen ihm Kraft- und Lebenspunkte, bevor sie wieder dahinscheiden. Fast zwei Stunden dauert der Aufmarsch, bis er in den entscheidenden Endkampf übergeht. Jetzt zeigt sich, wer die bessere Aufrüstung betrieben hat und die größere Potenz in die Waagschale werfen kann.

Hier war – fast wie geahnt – Moritz als Böser nicht zu schlagen. Mit seiner explosionsartig anwachsenden Angriffstärke machte er die Guten nieder, bevor sie auch nur erkannt hatten, von wo ihnen überall die Gefahren drohten. Walter war sofort hin und Günther verlor seine bessere Hälfte, ohne einen einzigen Schuß Pulver eingesetzt zu haben. Der Rest war Formsache.

Wir hätten unsere Segnungen beim Aufmarsch nicht so leichtfertig verplempern sollen, sondern alles konsequent behalten und erst im letzten Gefecht einsetzen sollen. Dann hätten wir den Erstschlag überlebt und eine Chance beim Zurückschlagen gehabt. Aber das wußten wir beim ersten Mal natürlich noch nicht.

Sicherlich werden wir das beim zweiten Spiel besser machen. Es bleibt aber der unangenehme Beigeschmack, daß man stundenlang planmäßig aufrüsten muß, um am Ende gegen eine chaotische Zusammenballung von Gewalten anzutreten, die im Prinzip nicht mehr recht kalkulierbar sind. Beim Schachspiel wäre diese Situation vergleichbar damit, wenn es im Endspiel unvermutet hieße: Weiß bekommt noch eine zusätzliche Dame und Schwarz darf seine Türme beliebig umplazieren.

In jedem Fall ist das Spiel spannend, die Kooperation funktioniert, der Aufmarsch gibt Raum für vielfältige strategische und taktische Überlegungen, die einzelnen Elemente und Mechanismen sind gut ausbalanciert und der Ablauf ist kalkulierbar. Es gibt keine Würfel und auch keine Ereigniskarten, die den Spielverlauf auf den Kopf stellen. Das Spielmaterial ist ausgezeichnet, solider Karton, hübsche Glassteine, klare Graphiken, gutes europäisches Spieldesign! “Wenn man ein bißchen Freak dafür ist, mag es wohl interessant sein” bemerkte ein nüchterner Technokrat.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (besseres Fantasy-Game, kein Ameritrash), Günther: 5 (nicht Geist-reich genug), Moritz: 6 ½ (ein gelungenes Experiment, Gefahr für Analysis-Paralysis), Walter: 6 (für die Balance)
Moritz wird eine Rezension schreiben.

2. “Flaschenteufel”
In der Konkurrenz zwischen “Uptown” und “Zoff im Zoo” konnte sich unsere alte bzw. Moritz neue Liebe durchsetzen.
Wir mußten uns erneut wieder klarmachen, ob es besser ist, dem rechten Nachbarn die niedrigere und dem linken Nachbarn die höhere von zwei kleinen Karten weiterzuschieben oder umgekehrt. Nachdem hier Moritz’ Nachbarn entgegengesetzte Prinzipen verfolgten, bekam er von beiden Nachbarn jeweils die gelben Einser zugeschustert und fiel in seine alte Verzweiflung zurück: “Ich hasse das Spiel wieder!”

Dann drängte er auf eine neue Sitzordnung und tauschte mit Aaron den Platz. Tatsächlich machte uns jetzt Aaron den Moritz; aber wenigstens blieb er in der Endabrechnung im Plus.

Moritz wird in Zukunft nur noch mit der aktuellen Sitzordnung spielen. Gut Blatt!

Keine neue Wertung für ein super Absacker-Spiel.