Mit “Bridge” wird gewöhnlich ein betagtes Damenkränzchen assoziiert, das in Spitzchenhäubchen ein heißes Täßchen Arsen zusammenbraut. Fast alle diese Vorstellungen sind falsch. Bridge ist (auch) ein harter Denksport für Männer, der in Bundesligen und Weltmeisterschaften praktiziert wird. Jetzt ist er sogar olympisch geworden.
Vom 3. bis 18. Oktober werden in Peking als drittes olympisches Ereignis die ersten “Weltspiele des Denksports” (1st World Mind Sports Games) ausgetragen. Vertreten sind dabei neben Schach, Go und Dame, den klassischen Zweikampfspielen, auch Bridge, das für mich hier als einziges GesellschaftsSPIEL durchgeht.
Wer sich hier über die aktuellen Ergebnisse informieren will, kann über den Liveticker des Deutschen Bridgeverbandes auf der Internetseite “www.bridge-verband.de” den jeweiligen Turnierstand abrufen.
1. “Rumis”
Das erste Spiel, das auf der Spielschachtel unser WPG-Siegel “Spiel des Monats” aufgedruckt hat. Neben vielen anderen Auszeichnungen.
Die Spieler legen kantige Bau-Klötzchen ineinander und umeinander. Wer am Ende die meisten Oberflächen besitzt hat gewonnen.
Beim Suchen nach der günstigsten Bauposition kann man nicht auf seinem Stuhl kleben bleiben, sondern muß das entstehende Gebilde aus allen drei Dimensionen begutachten. So kommt ständig sogar ein bißchen körperliche Bewegung ins Spiel. Ein harmonischer Ausgleich zwischen Geist und Körper!
WPG-Wertung: Birgit und Horst lagen mit je 8 Punkten genau im WPG-Trend. Zumindest zum Warming-Up hat das Spiel diese guten Noten verdient.
2. “Trans Europa”
Eisenbahnbau von Lissabon bis Moskau, von Stockholm bis Thessaloniki. Jeder zieht zufällig insgesamt 5 Städte quer über Europa verteilt, die er mit einem Streckennetz verbinden muß.
Die individuell gebauten Strecken gehören allen, Taktik ist es deshalb, vorwiegend dort zu bauen, wo kein anderer hin muß, und die unvermeidlich-gemeinsame Stecke im Zentrum des Spiels von den Mitspielern bauen zu lassen. Aber wo ist schon die Strecke, die kein anderer braucht?
Das Spiel ist schnell erklärt, spielt sich flott und gefällig und wird am Schluß richtig spannend.
WPG-Wertung: Auch hier lagen Birgit und Horst lagen mit 8 bzw. 9 Punkten genau im Trend des WPG-Hauptfeldes.
3. “Zug um Zug”
Eisenbahnbau von Lissabon bis Moskau, von Stockholm bis Thessaloniki. Jeder zieht zufällig insgesamt 4 Städteverbindungen quer durch Europa, die er in seinem Streckennetz realisieren muß.
Ein bißchen problematisch ist es schon, nach “Trans Europa” ein “Zug um Zug” zu spielen. In “Trans-Europa” sind alle Strecken gemeinsam und man baut am besten zuerst die Außenstrecken, an denen man alleine Interesse hat. Bei “Zug um Zug” gehört jede gebaute Strecke nur einem einzigen Spieler und es gibt den unvermeidlichen Flaschenhals in Mitteleuropa. Hier muß man sich gleich zu Beginn die richtigen taktischen Strecken unten der Nagel reißen, sonst kriegt man seine Städteverbindungen nicht mehr hin. Wer mit seinen Gedanken noch auf dem falschen Dampfer ist, dem sind im Nu die Felle davongeschwommen.
Zum ersten Mal in unserer Spielpraxis bestand die Auslage auf einmal aus fünf “langweiligen” Karten, die keiner haben wollte. Jeder zog es deshalb vor, seine Streckenkarten vom verstecken Stapel zu ziehen. Da kam für ein paar Runden ein bißchen Quartett-Stimmung auf. Doch selbst in dieser Situation hätte jeder versuchen können, aus den “langweiligen” Karten ein einfarbiges Sextett zu bilden, das auch schon seine 15 Punkte wert ist. Ich würde allerdings vorschlagen, hier eine Regelerweiterung einzubringen: Wenn eine Runde lang jeder nur vom verdeckten Stapel gezogen hat, dann wird die offene Kartenauslage abgeräumt und durch neue Karten ersetzt. (Kommentare?)
Aaron erbarmte sich. Es reichte später sogar zu seinem Sieg. Aber nicht wegen des Erbarmens.
WPG-Wertung: Wieder lagen hier Birgit und Horst lagen mit 8 bzw. 9 Punkten genau im Trend. Great minds think alike!
4. “Metropolys”
Es waren erst 2 Stunden gespielt und wir hatten schon drei Super-Spiele hinter uns gebracht. Jetzt konnte nichts mehr schief gehen, schon gar nicht mit einem Spiel aus dem Ystari-Verlag.
In Metropolys ersteigern sich die Spieler lukrative Gebiete im Stadtzentrum von Paris. Jeder bekommt andere Prioritäten vorgesetzt: seien es die Farben der ersteigerten Gebiete oder die relative Lage zueinander bzw. zu markanten Orten auf dem Plan. Die Versteigerung verläuft nach einem sehr bemerkenswerten und höchst anspruchsvollen Verfahren. Wer hier nur spielerisch seine Klötzchen setzt, hat keine Chance auf den Sieg.
Es gab eine kontroverse Diskussion, ob es Sinn macht, mit kleinen Steinen eine Versteigerung anzufangen. Natürlich nicht nur, wenn man in einer Sackgasse ohne Konkurrenz die Versteigerung ohnehin gewinnt. Man kann mit einem kleinen Stein auch irgendwo in der Landschaft anfangen und damit zu verstehen gehen: “Schlagt Euch darum, ich habe zunächst mal keine Ambitionen!” Allerdings muß man sich hier selbst das “irgendwo” genauer anschauen, damit man seinem Hintermann nicht ungewollt einen tollen Eroberungszug erlaubt.
So muß man bei “Metropolys” auch dann denken, wenn man eigentlich nur die Initiative abgeben will. Jeder einzelne Zug, jede Auswahl eines Versteigerungssteines, jede Richtung, in die man die Versteigung lenkt, erfordert scharfe Kalkulation. Schade, daß das unübersichtliche Spielbrett hier dem Verstand noch zusätzliche Leistungen abfordert. Durch eine abstrakte Farb- und Formgebung hätte man die geistigen Nebenkosten deutlich reduzieren können. Aber vielleicht war gerade das im Interesse des Erfinders.
WPG-Wertung: Diesmal übernahm Birgit mit 6 Punkten – trotz ihres Sieges – eine WPG-Außenseiterrolle ein (etwas trocken), Horst blieb mit 8 im Schnitt.
5. “Verflixxt”
Zum Absacken war es immer noch zu früh. Ein lockeres Vollspiel paßte noch gut hinein. “Verflixxt” in der Basisversion, ohne den Schnickschnack der späteren Erweiterungen; gerade so hat das Spiel im Jahre 2005 die Nominierung für das “Spiel des Jahres” verdient. (Den Sieg hätte es auch verdient gehabt!)
Gut würfeln, gut ziehen, Plus- und Minuskärtchen einkassieren und die Glückskarten zum Konvertieren dazu, ist das das ganze Geheimnis? Bei weitem nicht! Strategisches Ziehen von 3 eigenen Pöppeln und/oder 8 Wächtern ist mehr als ein simples Mensch-ärgere-Dich-nicht. Eine gute Mischung als Glück und Können. Ein Garant für Freude und Schadenfreude. Ein richtiges Spiel!
WPG-Wertung: Birgit und Horst blieben mit 7 bzw. 8 Punkten wieder im Trend.
6. “Bluff”
Schlußendlich noch der Absacker. Horst verlor aus einem 3:2-Vorsprung gegen Walter und gewann aus einem 2:4-Rückstand gegen Aaron. Er konnte die Mitspieler halt noch nicht berechnen und spielte selber auch noch unberechenbar.
Dagegen machte Birgit deutlich, daß es einen signifikanten Unterschied zwischen “unberechenbar” und “irrational” gibt. Nur eines von beiden hat mit “Bluffen” zu tun.
WPG-Wertung: Aaron: 9 (historisch), Birgit: 6 (irrational), Horst: 10 (unberechenbar), Walter: 10 (historisch)
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17.09.2008: Wölfe und Schafe in den “Empires of the Ancient World”
1. “Empires of the Ancient World”
Das Spiel hatte vor fünf Jahren die erste und bisher einzige Zerreißprobe unter den Westpark-Games ausgelöst. Eine hitzige Diskussionen hatte sich darüber entzündet, ob man beim Angriff über Wasser die Fähigkeiten eines Diplomaten für “adjacent” Felder nutzen darf oder nicht. Damals wurde das Spiel abgebrochen. Heute sollte es in erneuerter Besetzung fortgesetzt werden.
Peter hatte sich exzellent vorbereitet. Das tut er immer, wenn er die Verantwortung für ein Spiel übernommen hat. Er philosophierte vor den Neulingen bereits über die Unterschiede zwischen der Militär- und der Handelsstrategie, als seine Frau mit ihren Kollegen noch bei ihrer Einstandsfeier saß. Der Wirt brachte zu langsam das Essen auf den Tisch. Doch dann eilte sich so schnell wie möglich herbei und die zurückbleibenden Kollegen beneideten sie um den Brettspielabend am Westpark.
Die Spieler kämpfen auf einer Landkarte des Mittelmeerraums um Mehrheiten in den verschiedenen Regionen. Die einzelnen Provinzen können militärisch besetzt oder mit Handelsketten durchzogen werden. In den drei Wertungen eines Spieles werden die aktuellen Besitzverhältnisse in Siegpunkte umgewandelt. Die militärische Kontrolle bringt die volle Punktzahl, die relative Handelsmehrheit die halbe Punktzahl.
Militärisch kann jedes Gebiet nur von einer Partei besetzt sein; im Konfliktfall kommt es zu einem Eroberungskampf, der durch Kampfkarten und Würfel entschieden wird. Händler können sich hingegen in jedem Gebiet tummeln, auch in fremden. Sie dürfen in Friedenszeiten nicht vertrieben werden, gehen beim Besitzwechsel aber samt und sonders in die Sklaverei, d.h. sie bringen dem Eroberer Siegpunkte.
Statt zu erobern oder Handel zu treiben, kann man in seinem Zug auch eine der offen ausliegenden Armeekarten auf die Hand nehmen und damit seine Kampfkraft zu erhöhen. Ein Kampf wird nämlich dadurch entschieden, daß jeder verdeckt 5 Armeekarten aus seiner Hand auswählt und gegen die 5 vom Gegner ausgewählten Karten antreten läßt. Da gibt es Elefanten und Kavallerie, Artillerie und Bogenschützen, Galeeren, Infanterie und andere Glücksritter. Alle bedeuten beim Kampf gegeneinander unterschiedliche Vor- und Nachteile; den letzten Ausschlag über den Sieg gibt dann noch der Würfel, ein stinknormaler Hexawürfel, für poetische Rezensenten ein “eleganter Kampfwürfel”.
Es gab eine Menge zu erklären und Peter, der alles im Kopf, aber (heute ausnahmsweise) wenig auf der Zunge hatte, sprang mitten aus einem Detail in das nächste. Vieles sollte (ausschließlich) durch Beispiele klargemacht werden, z.B.: Wenn ein Spieler einen Eroberungskampf mit 2:1 verliert, dann darf der Sieger dem Verlierer 2 Armeekarten aus den Hand ziehen. Schaut, so! Eine davon wird abgelegt. Verstanden? Hier kommt zweimal die “2” vor, das ist doch eine eineindeutige Abbildung, und daß unter den beiden demonstrativ gezogenen Karten eine Standardkarte war, die man behalten darf, und eine Nachziehkarte, die man abgeben muß, das war doch offensichtlich, oder?
Nach einer guten Stunde Erklärung konnte sich Aaron zu einem echten Lob aufraffen: “Zum ersten Mal, daß Du was schön erklärt hast!” Nach weiteren 20 Minuten waren wir komplett durch die Regeln. Einer hatte alles erklärt, einer hatte alles verstanden, drei Neulinge hofften auf Learning by Doing. Hätten wir uns die tausenderlei Eigenschaften und Randbedingungen auf Anhieb alle merken sollen? Nicht nur Walter war überfordert. Der Spielablauf ist bekanntermaßen etwas chaotisch und eine Kurzanleitung sowie eine mnemotechnische Hilfestellung auf Spielmaterial oder Spielbrett gibt es schon gar nicht. Keiner lastete dem Erklärer die Fülle des Materials an. Ganz im Gegenteil, wir bewunderten die Engelsgeduld, mit er immer wieder die gleichen Regelanfragen mit den gleichen Zitaten aus dem Regelheft beantwortete.
Loredana war Startspielerin und siedelte sich auf den reichen Provinzen in Kleinasien an, Peter begann seine militärische Laufbahn in Rom, Aaron versuchte sich im friedlichen Ackerbau auf der iberischen Halbinsel, Walter fühlte gleich zu Beginn seine Athener Handelsniederlassung vom Ehepaar aus der Maxvorstadt in die Zange genommen, und Hans blieb zum Einstieg nur der schmale Rand des damals bekannten Nordafrika.
Obwohl Peter einen Angriffskrieg vorangekündigt hatte, beschränkte er sich zunächst auf ein friedliches Besiedeln der näheren Umgebung und nahm hin und wieder eine Armeekarte auf, die uns Neulingen alle nicht so gefährlich erschienen. Hans war als Besamer angekündigt worden, da waren wir a priori auf friedliche Aktionen eingestellt, und daß er sich ab und zu mal eine Galeere zulegte, das war ebenfalls nicht verdächtig. Bis dann urplötzlich die Eroberungskämpfe einsetzen. Peter schlug auf den spanischen Aaron ein und gewann jeden Karten-Würfelkampf. Hans war unangefochtener Flottenchef und konnte sich jedes Stückchen Mittelmeer unter den Nagel würfeln. War das Können oder Glück?
Nach 1 ½ Stunden Spielzeit zogen wir die erste Bilanz. Die beide siegreichen Eroberer betonten ihre strategische Planung. Sie hatten sich klammheimlich die richtigen Armeekarten angeeignet, die sie für ihre hegemonialen Ambitionen gebraucht hatten. Damit konnten sie die statistische Gewinnchance bei den Eroberungskämpfe auch bei einer zufälligen Auswahl der Kampfkarten und dem zufälligen Ergebnis der Kampfwürfel zu ihren Gunsten verschieben. Die übrigen friedlichen Lämmer hatten sich eine stumpfe Mischung aus Ingenieuren mit Pflugscharen zusammengetragen und wunderten sich, daß sie damit den Zufall aus Kartenauswahl und Würfelglück nicht auf ihre Seite ziehen konnten. Irgendwie frustrierend!
Aaron ärgerte sich: “Nicht, weil ich meine Würfelkämpfe verloren habe, sondern weil ich das Spiel so blöd find.” Walter bekannte, daß sein weiterer Ehrgeiz nur noch darin bestand, das Spiel möglichst schnell über die Runden zu kriegen. Peter war schockiert, als wir ihm diese Einschätzung präsentierten. Er vertröste uns auf die angeblich Überraschungen bringenden Punktewertungen. Die erste davon war zeitlich ja schon abzusehen. Der Admiral vom Mittelmeer erhielt dann 52 Siegpunkte und der General aus dem Stiefel 31. Loredana stand sogar etwas besser als der General, das einstmals blühende Kleinasien war offensichtlich eine günstige Ausgangsbasis gewesen. Doch drohte ihr früher oder später ein Abschlachten von der Seeseite her. Aaron und Walter waren hoffnungslos abgeschlagen.
Walter stellte den Antrag, daß wir über einen Spielabbruch abstimmen sollen. Der Antrag wurde mit 3 Stimmen gegen 2 Enthaltungen angenommen. Anschließend wurde über den Spielabbruch selber abgestimmt. Aus den Enthaltungen wurden Gegenstimmen, doch die Mehrern wurden sie nicht.
Wie hätten wir weiterspielen sollen?
Peters Vorschlag:
– Aaron muß sich zwei bis drei Truppen zulegen, dann auf den afrikanischen Hans losgehen und mit dem Rest seiner Potenz den italienischen Peter besamen.
– Loredana stand sehr gut. Sie kann machen was sie will, z.B. soll sie sich eine starke Flotte gegen Hans zulegen. Leider ist Hans schon ziemlich stark und hat eine Menge Galeeren.
Für Walter hatte er keinen Tip übrig. Der war schon ziemlich totgeschlagen und hätte sich wohl am besten zur Aphrodite in die Stoa zurückziehen sollen.
Und wenn wir alle von Anfang an gleich erkannt hätten, daß das rechtzeitige Ziehen der richtigen Armeekarten die spielentscheidenden Züge sind, dann … wäre das Spiel noch fader geworden.
Loredana’s Bilanz:
[glowred]”Wenn ich gewußt hätte, was mich heute hier erwartet, hätte ich lieber mit meinen Kollegen weitergegessen.”[/glowred]
WPG-Wertung: Aaron: 6 (einen Punkt weniger), Hans: 8 (der kann’s), Loredana: 6 (nur knapp hinter den Kollegen?), Peter 10 (trotz: “Das Spiel ist nicht ausgefeilt, aber auch nicht doof!”), Walter: 5 (noch einen Punkt weniger)
3. “Bluff”
Loredana wäre bereits nach zwei Runden wieder gerne bei ihren Kollegen gesessen. Dafür konnte sie das zweite Spiel für sich entscheiden. Und es gab noch ein drittes Spiel.
10.09.2008: Dracula im Zug durch Europa
Eine knifflige Frage zum Spielen aber nicht zum Brettspielen: Wie lernt ein Dirigent seine Partitur auswendig? Ein Exbläser und Freund meiner Frau, der selbst noch unter Furtwängler gedient hat, hat dieser Tage behauptet, daß diese Korniferen das Einstudieren eines Orchesterwerkes über das Nachspielen per Klavier machen. Das kann doch wohl nicht sein, daß ein Klavierauszug alle hunderttausend Stimmen eines Orchesters aufzeigt. Moritz mußte hier Licht ins Dunkel bringen.
Erste Aussage: Auswendig Dirigieren ist ausschließlich eine Show fürs Publikum. Besser wird die Aufführung dabei nicht. Ganz im Gegenteil, wenn was schiefläuft – und nach Moritz’ Erfahrung läuft fast immer was schief – dann kann der Dirigent mit der Partitur viel eher das entstehende Malheur noch entschärfen. Vielleicht merken wir Laien das aber ohnehin nicht.
Zweite Aussage: Auch wenn ein Dirigent ganz souverän auswendig dirigiert und sichtbar viele Einsätze in vielen Richtungen vorgibt, so übersieht er dennoch dabei einen erheblichen Teil der Einsätze in den verschiedenen Teilen eines Orchesters. Normale Musiker tuten auch ohne expliziten Wink ins richtige Horn.
Dritte Aussage: Barockstücke, die eine konstante Motorik und eine lineare Phrasierung aufweisen, klingen ohne Dirigent oftmals besser als mit! Erst ab der komplizierten Dynamik von Beethoven und folgende sind Dirigenten erst wirklich gefragt.
Vierte Aussage: Früher war es vielleicht tatsächlich mal üblich, daß sich ein Dirigent mit dem Klavier über die Partitur- nicht über den Klavierauszug – hergemacht hat und Stimme um Stimme, Einsatz um Einsatz, Akt um Akt einstudiert hat. Besonders geniale oder visuell begabte Dirigenten konnten sich ein Werk allerdings auch schon damals ohne Instrument, sondern mit den bloßen Augen aus der Notenschrift erarbeiten.
Fünfte Aussage: In unserer heutigen, schnellebigen Zeit geben sich manche Dirigenten auch damit zufrieden, zum Kennenlernen ein Stück mehrfach auf CD anzuhören.
Christian Tielemann hat gerade bekannt, daß er Bayreuth auch deswegen so schätzt, weil man da dem Publikum nicht mit Auswendig-Dirigieren imponieren muß. Weil man den Dirigenten im tiefen Wagnergraben ohnehin nicht sieht, kann er es sich leisten, die Partitur vor sich lieben zu haben.
Warum muß ein Dirigent eigentlich durch Auswendig-Dirigieren imponieren? Es reicht doch, wenn er das Orchester beherrscht, oder?
1. “Fury of Dracula”
Ohne Widerspruch tischte Moritz einen “Klassiker” auf. Schon im letzten Jahrtausend erschienen, dann lange Zeit vergriffen, brachte es “Fury of Dracula” bei Ebay auf Preise von “Hunderten von Dollars”, bis er im Jahre 2005 von Fantasy Flight Games neu herausgebracht wurde. Das Spiel ist kooperativ. Wie bei “Scotland Yard” kämpfen 4 Jäger gegen den bösen schwarzen Mann, müssen ihn innerhalb der gesamten Geographie von Europa suchen und finden und ihm im Zweikampf den Garaus machen.
Jeder Jäger besitzt Spezialeigenschaften, die ihm beim Töten oder beim Überleben behilflich sind. Hans war unsere Lady, die von Haus aus bereits einmal gebissen war und beim nächsten Biß in die Transsylvanischen Jagdgründe verschwinden mußte. Walter war der edle Von-Helsing, nach Moritz der “geilste Stecher” unter den Jägern, doch ausgerechnet unser ältester Spieler sollte in dieser Rolle seine Kompotenz beweisen.
Trotz der europäischen Szenerie ist das Spiel kein Eurogame. Die Jagd auf Dracula wird nicht durch taktisch-strategische Überlegungen gewonnen, sondern – falls das überhaupt möglich sein sollte – durch Zufall und Glück. Kartenzufall und Würfelglück! Dracula muß nicht in regelmäßigen Zeitabständen seine Position offenbaren, sondern nur dann, wenn die Jäger Ereigniskarten ziehen, die ihnen erlauben, diese siegentscheidende Information abzufragen. Allerdings muß Dracula in den besuchten Städten seine Spuren hinterlassen, so daß man auch durch diese zweite, weniger glücksabhängige Methode seine Position abschätzen kann.
Im Gegenzug dazu kann Dracula Karten ziehen, die es ihm ermöglichen, unterzutauchen und an einem gänzlich unbekannten Ort irgendwo in Europa wieder aufzutauchen. Wir hatten gerade um unseren Dracula in Belgrad einen Belagerungsring gezogen, da spielte er – ätsch – diese mächtige Karte auf und verkrümelte sich nach Liverpool. Keiner wußt, wo er jetzt zu suchen war. Bis wir wieder eine Ereigniskarte zogen, aufgrund der er seine Position wieder verraten mußte, tippelten wir alle fuß- und lendenlahm durchs Land der Skipetaren.
Im gesamten Spiel fand kein einziger Kampf der Jäger gegen Dracula statt. Entweder war Moritz – wer sonst sollte den Dracula spielen – längst über alle Berge oder er teleportierte – ebenfalls per Ereigniskarte – den findigen Jäger unverzüglich auf die andere Seite von Europa. Kampfesmutig hatte sich Aaron auf Dracula gestürzt, der sich unweigerlich in Edinburgh aufhalten mußte, doch Moritz griff in seine Spellkiste und als Aaron wieder zu sich kam, befand er sich an Siziliens Küsten und konnte friedlich und allein dem Spiel der Wellen lauschen.
Mit den Hilfssheriffs, die Dracula in allen besuchten Städten zurückläßt, gerieten wir häufiger aneinander. Dann kommt es zu Zweikämpfen und per Würfel wird ausgewürfelt, wer unterliegt und wie viele Leben er dabei verliert. Manchmal geht es auch mit Bissen und Wunden ab. Zuviele Bisse sind des Jägers Tod. Zuviele Wunden auch. Doch jeder hat mehrere Leben und schlimmstenfalls darf man sich als neugeborene Unschuld wieder ins Getümmel stürzen.
Nach einer guten halten Stunde Erklärung (ohne die Einzelheiten) und nach gut zwei Stunden Spielzeit waren wir durch. Fazit: Ein logisches induktives Spiel mit zufallsabhängigen krassen Teleportationskarten, krassen Ereigniskarten und krassen Kampfkarten. Zum letzteren kommt dann noch der Würfel hinzu.
Trotz allem war es bis zu Draculas Sieg äußerst spannend. Nicht weil die Jäger eine Chance hatten, sondern weil sie das nicht wußten. Zudem ist das Spielmaterial sehr gefällig und die Hunderte von Sondereigenschaften, Sonderkarten und Sonderbedingungen halten Aufnahmefähigkeit und Konzentration ständig in Atem.
Wie groß die Spiellust noch sein wird, wenn wir die abzählbar vielen Regeln alle begriffen und unter einen randomisierten strategischen Hut gebracht haben, das steht in den Sternen.
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 5 (nicht mein Spiel), Hans: 5, Moritz: 7 (Wiederspielwert fraglich), Walter: 4 (meines auch nicht)
2. “Zug um Zug – Europa”
Kein Peter mußte zur vorletzten U-Bahn, so konnten wir uns eine Stunde vor Mitternacht noch ein ausgewachsenes Großspiel vornehmen. “Zug um Zug”, das Spiel des Jahres von 2004, in der ein Jahr später herausgekommenen Europaszenerie. Die Geographie des Spielbrettes erinnerte sofort an die Szenerie von Draculas Raserei, doch der Spielablauf ist nahezu diametral entgegengesetzt. Es geht taktisch zu, und zügig, und planerisch, und spielerisch, und lustig, und interaktiv und konkurrierend.
Im Gegensatz zur amerikanischen Szenerie, in der das Spiel über den Bau langer Strecken mit quadratisch steigenden Siegpunkten gewonnen wird, muß man in Europa sein Heil in kleinen aber strategisch gut plazierten Schlüsselstrecken suchen. Beide Prinzipien stellen ihre eigene Herausforderung dar und haben ihren eigenen planerischen und spielerischen Reiz.
Ein verdientes Spiel des Jahres, das sowohl normalverbrauchende Familien als auch anspruchsvolle Vielspieler befriedigen kann.
Keine neue WPG-Wertung
03.09.2008: Die Zinnschürfer und ihr Vorbild
Walter servierte einen Villányi Cuveé – Cabernet Sauvignon – Merlot. Loredana schickte ihn noch eigens in den Keller um den Drop-Stopper zu holen, kein Tropfen sollte verloren gehen. Doch das zweite Glas war noch nicht eingeschenkt, da hatte sich das erste bereits über die Tischdecke ergossen. Vollständig. Der Griff zum Frottee-Handtuch ist schon Routine. Und glücklicherweise ist das Spielmaterial von “Tinner’s Trail” so hochwertig, daß kaum welche sichtbaren Spuren zurückblieben. Günther, Du darfst Deine Leihgabe das nächste Mal kritisch begutachten. Doch mit der Forderung nach einem neuwertigen Ersatz wirst Du uns vor unlösbare Probleme stellen. Das Spiel ist vergriffen, und eine Neuauflage ist nicht in Sicht!
Laß Dich von Peters Drohung: “Euch leih’ ich keine Spiele” nicht ins Bockshorn jagen. Man kann noch alles gut erkennen. Und die anschließend verschütteten Gläser mit Mineralwasser ließen schon gar keine roten Spuren zurück. Vor allen Dingen, so konnte Loredana die Fakten auf den Punkt bringen: “Solange das Handtuch noch da ist!”
1. “Tinner’s Trail”
Bei Auswürfeln der Startreihenfolge nutzen wir den Zinnwürfel. Kein Wunder, daß der virtuelle Moritz Startspieler wurde und Aaron Zweiter. Erst als wir danach eine Null würfelten, fiel auf, daß die statistische Zinnverteilung keine Gleichverteilung ist. Mit einem stinknormalen Hexawürfel mußten wir die Prozedur wiederholen.
Während Aaron die Startaufstellung auswürfelte, durfte Walter den Neulingen einen globalen Überblick über den Spielablauf geben. Schließlich hat er schon seine Rezension fertig und sollte das Spiel gut genug kennen. Doch bevor er anschließend in die Details gehen konnte, hatte ihm Peter schon das Wort abgeschnitten und Aaron zum “Erklärer strikt nach Regelheft” gekürt. Alles schon mal dagewesen. Jede Woche dasselbe!
Ein Disput entstand um die Formulierung, ob der “Letzte” oder der “Erste” Spieler auf der Zeitachse am Zug ist. Der Sachverhalt ist unbestritten, nur das Wording stand zur Debatte. Zur Entscheidung wurde der Text im Regelheft nachgeschlagen. “The active player is the one who has spent the least amount of Time Points”! Bewegen wir uns hier jetzt nach vorne oder nach hinten?
Walter hatte schon wie beim letzten Mal in der ersten Runde sein ganzes Pulver in Minen verschossen und mußte trotz des stolzen Kupferpreises darauf verzichten, sein Erz zu fördern und zu verkaufen. Nur über Pastries konnte er sein Minenimperium ernähren. Irgendwie lief das Spiel an ihm vorbei. Zwei Runden lang förderte er kein einziges Milligramm Erz, während die Mitspieler schon riesige Summen in die Siegpunkte investieren konnten. Er wurde mitleidig belächelt, einschließlich von sich selbst.
Aaron suchte immer wieder neue Wasser- und Weinspuren in Cornwall. Doch meist waren das nur bekannte und gewollte Farbnuancen auf Spielbrett. Schließlich geht es hier doch um Zinn und Kupfer, das ist doch auch nicht steril unifarben.
Draußen zog ein Sturm auf. Walter mußte vor der letzten Runde schnell noch die Sitzkissen von der Terrasse zusammenraffen, da rechnete Peter schon mal den theoretischen Sieger aus. Wenn der Würfel hohe Rohstoffpreise erbringt, dann wird er selber gewinnen, kommen niedrige Preise heraus, so gewinnt Loredana. Walter machte dazu den Vorschlag, nach dem Auswürfeln der Preise gleich auf die letzte Runde zu verzichten, doch Peter wollte seinen Sieg genüßlich auskosten.
Was kam schließlich dabei heraus? Der Kupferpreis wurde zu 8 Pfund und der Zinnpreis zu 6 Pfund bestimmt, keine Höchstpreise, aber gut über dem Durchschnitt. Inzwischen hatte Walter mangels Alternativen alles Wasser aus seinen Minen abgepumpt und auch die Förderkapazitäten hochgeschraubt. Kein Mitspieler hatte Ambitionen ihm Mitarbeiter streitig zu machen. So konnte er mit Minimalkosten noch alle seine Minen leerfördern und sich mit 109 Siegpunkten die Spitze erkämpfen.
Warum schreibe ich das? Wenn der Würfel in der letzten Runde andere Verkaufspreise ergeben hätte, dann wäre die Einlaufsreihenfolge ganz anders geworden. Ist “Tinner’s Trail” also ein reines Glücksspiel? Nein! Aber wenn man nolens-volens alles auf eine Karte setzen muß und dies mit Umsicht tut, dann hat man bis zuletzt eine Chance auf den Sieg. Das ist doch ein legitimes Spieldesign, oder?
Peters Fazit: “Ein typischer Martin Wallace! Brilliante Ideen! Doch müßten sie hinterher nochmals bei Hans-im-Glück geschliffen werden!”
Walters Erfahrung: “Man darf nicht unbedingt gewinnen wollen. [Sonst artet es in eine elende Rechnerei aus.] Doch wenn man die Bergbau-Szenerie spielerisch angeht, dann ist sie eine hübsche Spielwiese zum Ausprobieren vielfältiger Strategie-Varianten.”
WPG-Wertung der Neulinge: Loredana: 6, Peter: 5 (die Erzpreise gaben ihm den Rest)
Walters Rezension sollte dieser Tage veröffentlicht werden.
2. “Die Fürsten von Florenz”
Eigentlich stand jetzt noch ein ‘Brass’ zur Diskussion. Doch zwei Stunden vor Peters vorletzter U-Bahn weigerte sich Aaron, die Neulinge noch in die umfangreichen Regeln einzuweisen. Wir mußten auf Altes und Bewährtes zurückgreifen.
“Modern Art” ist eines von Peters Lieblings-Fillern, doch die Kunst stammt schon aus dem letzten Jahrtausend und für die Versteigerei sind 4 Spieler nicht optimal. Da fiel sein Auge auf “Die Fürsten von Florenz”. Überzeugend riß er alle mit “In diesem Spiel bin ich Großmeister, auch wenn ich [auf der deutschen Brettspielmeisterschaft – anno dazumal] geschlagen wurde.”
Martin Wallace hat selbst bekannt, daß er bei den Tinners den “investment mechanism” von den “Fürsten” abgeschaut hat. Das sollte doch ein Anreiz sein, sich dieses Prinzip nochmals näher anzuschauen.
Peter durfte erklären. Der grobe Überblick war in einem Satz abgetan. Dann ging es in die Details. Mal von vorn und mal von hinten. Diese Stopselsei war selbst für die Eingeweihten keine Offenbarung. Ohne Konzept ist es natürlich schwer, einem Neuling (Loredana) die Privilegien zu erklären, bevor man die Bauwerke behandelt hat, oder die Gaukler, bevor die Gelehrten und Künstler vorgestellt sind. Selber weiß man natürlich alles in- und auswendig. Aber wie bringe ich es rüber? Ein ansonsten perfekter Erklärer mußte sich mehrmals selbst korrigieren: “Das war Quatsch, was ich gerade gesagt habe!” Nach einer guten halben Stunde war er durch. Aaron merkte emotionslos an: “30 Minuten für so ein luschi Spiel? Ich hätte in der Zwischenzeit schon 3 mal ‘Brass’ erklärt.” Peter war in der Defensive: “Das ist kein luschi Spiel. Das ist schönste und komplexeste Spiel das ich kenne.”
Loredane machte gute Miene zum bösen Spiel[erklären], Aaron hatte die “Fürsten” noch nie gemocht und hielt sich vornehme zurück, Walter war von Champagner am Nachmittag, Villányi am Abend und Peters Stegreifbelehrung eh bereits überfordert. Peter konnte zu den bekannten Pisa-Lesern in unserem Spielkreis schnell noch ein paar Pisa-Hörer ausfindig machen. Doch zum Spielen sollte es reichen.
Außer Peter hatte keiner einen richtigen Peil. Unangefochten konnte er die Gaukler-Technik verfolgen, während Walter mangels Gedächtnis an frühere Erfolge auf die fruchtlose Baumeister-Schiene verfiel. Loredana hielt sich an die guten Tips von ihrem Ehemann und Aaron flocht ab und zu ein “Wann war noch mal das Spiel zu Ende?” und “Das Spiel hat so was Autistisches!”
Sind wir älter geworden oder hat sich unsere Spielkultur inzwischen soviel geändert? Das Spiel wurde von uns früher doch wirklich mal gerne gespielt. Unverdrossen vergibt Peter heute immer noch 10 WPG-Punkte. Ganz gewiß nicht, weil er mit seinen 59 Siegpunkten den Rest der Spielfeldes fast überrundet hatte. Allerdings mußte er bekennen: “Das war die langweiligste Runde, die ich je gespielt habe. Weil ihr es nicht gerafft habt!” Muß man die Pisa-Versager mit so harschen Worten abtun?
Vielleicht kann er uns aber nachträglich noch erklären, von welcher Stelle in den “Fürsten” Martin Wallace seine Siegpunkt-Investitionen für die “Tinners” abgekupfert hat.
WPG-Wertung (o.B.d.a.W.): Aaron: 5, Loredana: 6, Peter: 10, Walter: 8.
3. “Bluff”
Aaron und Loredana bestritten beide Endspiele. Einmal mit 3:3 und einmal mit 4:4 Würfeln. Loredana ließ sich zweimal abschlachten. Unser sprichwörtlicher Würfelpechpilz konnte problemlos beide Endspiele für sich entscheiden.
27.08.2008: Opus und Oper
Ich frage mich, woher es kommt, daß ein Mensch vielerlei Gattungen von Spielen erlernt, und dabei sehr sorgfältig alle Übertretungen der Spielgesetze zu vermeiden sucht, aber außerhalb der Spielszenerie bei verschiedenen Anlässen Worte und Taten an den Tag legt, die alle Vorschriften der Gesetzgebung und der Moral beleidigen. Warum kostet es die Leute weniger, sich den oft bloß willkürlichen Gesetzen einer Gruppe zu unterwerfen, als den einfachen, sozialen Vorschriften, die der Gesetzgeber zum Besten unserer Gemeinschaft erlassen hat. (Sophie von la Roche)
1. “A Sort of Ökolopoly”
Verstärkt werden unsere Dienste als Spieletester in Anspruch genommen. Generell macht es uns Spaß, uns mit neuen, umfangreichen Spielideen auseinanderzusetzen. Wenn wir unsere kritischen Anmerkungen dann nicht nur einem fertigen Spiel hinterherschicken müssen, sondern gleich beim Entstehen an konstruktiven Weichenstellungen zu Design und Regelwerk mithelfen dürfen, dann sind alle eifrig dabei.
Heute hat Moritz wieder so ein Testobjekt mitgebracht. Er hat allerdings vergessen, sich beim Autor zu erkundigen, wie weit wir über das Spiel schon berichten dürfen. Deshalb möchte ich hier nur ganz allgemein und anonym darüber schreiben.
Das Spielmaterial ist schon recht gediegen, die Spielregeln auch. Das Prinzip erinnert von Ferne an “Ökolopoly”. Die Spieler müssen ihre Arbeiter an den verschiedenen Rädchen des Bruttosozialprodukts drehen lassen. Sie müssen Rohstoffe gewinnen, eintauschen oder umtauschen und letztendlich damit Siegpunktkärtchen erwerben.
Man muß gut abwägen zwischen Diversifizieren in verschiedene Rohstoffe, die man für die verschiedenen Siegpunktkärtchen braucht und Konzentrieren auf ein einziges Produkt, für das man sich einen hohen Siegpunkt-Multiplikator zulegen kann.
Die Arbeiter können für kurzfristigen Gewinn eingesetzt werden und stehen nach getaner Arbeit sofort wieder für neue Aufgaben zur Verfügung. Sie können aber auch in längerfristige Stellungen untergebracht werden. Je länger einer steht, desto höher ist die Ausbeute. Im Arbeitsleben nennt man das Zeitmanagement.
Manche Rohstoffe bekommt man in klar voraussehbaren Quanten, für andere spielt der Zufall einen erheblichen Einfluß. Einen riesigen! Wenn es dumm läuft, hat man hier mehrere Arbeiter investiert, die dann alle mit leeren Händen zurückkommen. Dagegen fallen die gleichen Rohstoffe auf die glücklichen Mitspieler herab wie die Sterntaler auf das gutherzige Kind. Dann braucht man überhaupt kein Zeitmanagement mehr.
Das neue Opus steht noch etwas schwach auf den Beinen. Nach etwa 2 Stunden Spielzeit gönnten wir unseren Arbeitern gerne eine Erholungspause.
Keine WPG-Wertung
2. “Tinner’s Trail” (Der Zug der Zinnschürfer)
Moritz hat seine neue Oper gerade fertig geschrieben. Deshalb brauchte er sich nicht um die vorletzte U-Bahn zu kümmern. Problemlos konnten wir uns noch ein gestandenes Vollzeitspiel reinziehen.
“Tinner’s Trail” ist ein Versteigerungsspiel um den Kupfer- und Zinn-Abbau in England. Auch in diesem zweiten Spiel des Abends muß ordentlich gewerkelt werden. Die Spieler ersteigern Bergwerke, stellen Grubenarbeiter an, bauen Schienen und Häfen, legen Rohre zum Abpumpen des Grundwassers, und fördern schließlich die Rohstoffe, die auf einem zufallsregulierten Markt in Geld umgesetzt werden. Mit dem Geld erwerben sie Siegpunkte. Oder sie stecken es in neue Bergwerke und weiteren Rohstoff-Abbau.
Die einzelnen Spieler-Aktionen kosten neben dem reinen Geld noch eine unterschiedlich Anzahl von Zeiteinheiten. Pro Runde darf jeder Spieler eine nur bestimmte Höchstmenge an Zeiteinheiten verbrauchen.
Bemerkenswert ist die Zugreihenfolge. Durch Verzicht auf weitere Aktionen in einer Runde kann man sich das Startspieler-Privileg für die nächste Runde erwerben. Nach teuren Aktionen muß man warten, bis die Mitspieler mit dem Wert ihrer Aktionen wieder aufgeschlossen haben. Bei der Aktionsauswahl geht es also nicht nur darum, für sich die eine beste nächste Aktion auszusuchen, man muß auch deutlich die Zeit-Kosten im Auge behalten, weil man ggf. ja mehrere zweitbeste, aber billige Züge durchführen kann, bis der nächste Mitspieler an die Reihe kommt.
Im Grunde kann man bei jedem Zug sehr viel berechnen: Restliche Erzmengen in der Mine, Förderkapazität, Förderkosten, Verkaufspreise, Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung, Konkurrenzbetrachtungen und vieles mehr. Dabei wird nach jedem Zug eine neue Ausgangssituation hergestellt, die neue Kalkulationen erfordert. Die Gefahr, daß die Denkprozesse lange dauern, ist groß. Wer am Kalkulieren Freude hat, schwelgt in seinem Element, wer sein Pulver frühzeitig verschossen hat, schaut solange in die Röhre. Deshalb gilt hier die wichtige Regel: Bleibe liquide!
WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 8, Moritz: 8, Walter 7 (oder M und W vertauscht)
Walter wird eine Rezension schreiben.
05.08.2008: Hochzeitsfeier bei den Westpark-Gamers
Peter und Loredana haben geheiratet. Die Trauerfeier fand un-heimlich aber unter Ausschluß der Öffentlichkeit in Malta statt. Am Westpark gab es heute dafür eine Nachfeier unter spielerischen Vorzeichen, heimlich vorbereitet, aber mit vollständiger Kern-Mannschaft.
Als Hochzeitsgeschenk gab es natürlich ein Brettspiel. Aarons Spiele-Finder war behilflich, ein mindestens 8 Punkte Spiel herauszufinden, für das P&L noch keine Wertungspunkte vergeben haben. Die Wahl fiel eindeutig auf “Manila”.
Die öffentliche Einladung erfolgte wie immer per Rundschreiben, die Absagen waren hingegen getürkt, weil P&L nach dem Peter-Prinzip ab fünf Teilnehmern nicht mehr dabei sind, bei kleineren Teilnehmerzahlen aber immer pflichtbewußt einspringen, um die Runde zu vervollständigen. Wie vorausgesehen ließen sie sich aus der selbstgewählten Reserverolle locken.
Die Mannschaft war schon vollständig da, als das jungvermählte Paar an der Tür klingelte und mit Wagners Hochzeitsmarsch auf die Terrasse geführt wurde. Zur Einstimmung gab es Sekt, die restliche Kost aus Choco-Crossies, Kartoffelchips und Gummibärchen war wie üblich.
1. “Bluff”
Wie bereits im Vorfeld vereinbart, spielten wir zur Einleitung ein gemeinsames “Bluff” in neunköpfiger Runde. Moritz’ und Andreas Nachwuchs Milo war auch von der Partie, sollte er dem jungen Paar doch den Mund wäßrig machen und gleichzeitig eine Zielvorgabe anzeigen. Allerdings werden die Würfel vom ihn noch weniger als Spielmaterial, sondern eher als Nahrungsmittel angesehen, so daß er diesmal in die Rolle des Supervisors abgedrängt wurde. Seine Fingerzeige und lautmalerischen Artikulationen waren aber immer zuverlässige Hinweise über die Anzahl von Sternen unter Aarons Würfelbecher.
Ein geschlagene Stunde dauerte das Spiel, wovon Hochzeits-Erinnerungen und die Erzählungen über das Gebaren von internationalen Standesbeamten einen wesentlichen Teil ausfüllten.
Andrea blieb im Endspiel Sieger gegen Günther, das Brautpaar belegte ehrenvolle Mittelplätze.
WPG-Wertung: Auch in erweiterter Runde ist Bluff eine unverwüstliche Ouvertüre.
2. “Ausgerechnet Buxtehude”
Andrea und Hans verabschiedeten sich. Sie hatten ihr Scherflein zur Überraschung des Abends beigetragen und durften sich nach dem einleitenden Absacker auf den Heimweg machen. Eigentlich hätten wir uns jetzt auf zwei Tische verteilen wollen, um dem Peter-Prinzip Genüge zu tun, doch der Bräutigam persönlich schlug vor, die lauschige Stimmung am gemeinsamen Terrassentisch fortzusetzen. Jetzt waren 7-er Spiele gefragt.
“Buxtehude” hatten wir letzte Woche schon angespielt. Als lockere spielerische Fortsetzung kam es uns jetzt wie gerufen. Deutsche Städte müssen in ihrer geographischen Lage richtig zugeordnet werden. Wichtig ist dabei natürlich auch, daß man unter schlechten Sichtbedingungen ein “Hamburg” nicht mir “Homburg” verwechselt. Die geographische Verwechslung von “Wittenberge” mit “Wittenberg” liegt aber meist weniger am spärlichen Nachtlicht.
Aaron wurde es zum ersten Mal bewußt, wie krumm der Rhein durch die deutschen Gaue fließt. Remscheid liegt westlicher als Koblenz! Günther konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob Unna südlich oder nördlich von Marl liegt. (Was sagst Du dazu, lieber Wilhelm!)
Moritz versuchte seine Wissenslücken mit einer Online-Landkarte auf seinem Handy-Display zu stopfen. Interessant ist dieses Feature für uns Telekom-Freaks auf jeden Fall. Doch die Eingabe und die Suchfunktion ist immer noch zu langsam, als daß man damit in einer gewiefen Runde profitieren könnte.
Loredana war hier von ihrer rumänischen Herkunft her entschieden gehandicapt. Sie hätte ihre Hochzeitsreise halt nicht nach Malta, sondern vielleicht nach Fulda machen sollen. Auch dort soll es stramme Oberhirten geben. Und Aschaffenburg und Hanau wäre auch auf dem Weg gelegen. So aber stand sie mit den gelben Städtekärtchen oft vor unlösbaren Problemen. Sechs gnadenlose Burschen um sie herum – einschließlich Bräutigam – lauerten nur darauf, der erste zu sein, der durch ein hartes Klopfen auf den Tisch ihre Entscheidung anzweifelt und ihr dann einen Siegpunkt abnehmen kann.
Diese Jedermann-Freiheit zum Anzweifeln ist vielleicht ein Nachteil von Buxtehude. In einer größeren Runde kann der chaotische Kampf um das “Jus-primae-Knocktis” durchaus in rechthaberischen Streit ausarten. Natürlich nicht in einer Hochzeitsgesellschaft.
Keine WPG-Wertungsabfrage am Hochzeitstag
3. “Anno Domini”
Im Anschluß an das neugeborene “Buxtehude” wurde auch gleich seine Mama “Anno Domini” auf den Tisch gelegt.
Die Mama ist behäbiger und bietet auch nicht so viel freie Interaktion, aber sie besitzt dafür eine ansehnliche Themenvielfalt, gewährt einen größeren Handlungsspielraum beim Auswahl der Karten und ist mit ihrem streng geordneten Spielablauf deutlich gereifter. (Oder für reifere Semester geeignet.)
Fragen über die Schweiz sind urig, über China sind sie immer schwierig. Loredana erinnerte sich noch genau, wann in Bukarest die Straßen asphaltiert wurden: Es war deutlich nach der Erfindung des Honigs, aber noch vor der Butter.
Der Altertumskünstler Peter war nahe am Sieg, doch dann konnte ihm Moritz noch rechtzeitig ein paar Strafkarten reinwürgen. Aaron wurde Sieger, er hat ja auch Geographie studiert. Oder paßt das besser für Buxtehude? Jedenfalls konnte er ohne Zögern auch noch die Zusatzfrage beantworten: Er wußte auf Anhieb, wann in Holland ein Ulmen-Sterben stattgefunden hatte.
4. “6 nimmt”
Thomas brachte wieder seine Uralt-These vor, daß man “6 nimmt” nicht berechnen kann, sondern mit dem gleichen Erfolg auch blind seine Ausspielkarten ziehen kann. In einer 7er-Runde mag er nicht ganz verkehrt liegen. Richtig liegt er auf keinen Fall. Aber das muß noch bewiesen werden.
Nach dem ersten Spiel machte sich das frischgebackene Ehepaar auf den Weg. Peter hatte den gesamten Abend bis zur vorletzten U-Bahn ohne Pelzmantel durchgestanden. Wenn es ihn auch ein bißchen gefroren hatte, so konnte er diesen Temperaturtiefpunkt zuhause mit Hilfe seiner anvertrauten Wärmeflasche gleich wieder überwinden.
Das Rest-Quintett zog sich noch ein weiteres “6-nimmt” hinein. Eine 5er-Runde ist deutlich überschaubarer, doch lassen sich auch hier die sporadischen “Shit-happens-Situationen” nicht vermeiden.
Bilanz: Feierlich war’s, lustig war’s, eine würdige Hochzeits-Nachfeier in einem Freundeskreis von Spielern war’s. Doch das Peter-Prinzip hat auch seine Berechtigung. Wenn es nicht gerade um geselliges Beisammensein geht, dann ist die spielerische Substanz in einer kleinen 4-5er Runde meßbar größer. Diesmal spielte das glücklicherweise aber überhaupt keine Rolle.
30.07.2008: Liegt “Ausgerechnet Buxtehude” auf der “Peloponnes”?
Zum ersten Mal in diesem Jahr konnten wir den Spielabend draußen auf der Terrasse am Westpark abhalten. Ein laues Sommerlüftchen lockte ins Freie und das Wetterleuchten in ungefährdender Entfernung bot die ideale Hintergrundkulisse.
Auch ohne seinen Pelzmantel hätte Peter problemlos die Stunden bis Mitternacht ausgehalten. Allerdings hatte er sich in noch wärmere Gefilde zurückgezogen. Wie heiß es zwischen Europa und Afrika wirklich hergegangen ist, wird er uns das nächste Mal persönlich erzählen. Wenn es nicht mehr jugendfrei ist, wird schlupp! die Sache zugemacht!
1. “Peloponnes”
Bernd Eisenstein (“Maya”) arbeitet an einem neuen Spiel, das er bis Essen 2009 herausbringen will. Uns hat er jetzt einen Prototypen zum Ausprobieren geschickt. Es ist ein anspruchsvolles Spiel, das gerade in Vielspieler-Reihen gut ankommen sollte.
Walter hatte sich in die Spielregeln eingearbeitet. Allein deshalb durfte er heute die Regeln erklären. Sein didaktisches Geschick wird ja sonst nur außerhalb der eigenen vier Wände anerkannt. Im eigenen Lande gilt der Prophet nix. Kritisch wurde jedes Regeldetail abgeklopft. Schon mitten in seinem Vortrag wanderte die Spielregel von Hand zu Hand, um zu verifizieren, was er da mit sicheren, klaren Sätzen zum Besten gab. Niemals wurden schon im Vorfeld die möglichen Gewinnstrategien so ausgiebig diskutiert wie heute. Eigentlich wünsche ich mir solche Einleitungen bei allen neuen Spielen, aber offensichtlich kann das nur für Prototypen gehandhabt werden, weil dann jeder noch heimlich dem Autor etwas am Zeug flicken zu können vermeint. Doch “Peloponnes” hat schon einen sehr ausgereiften Zustand, die Mechanismen sind gut aufeinander abgestimmt und das Regelwerk ist bereits wasserdicht formuliert. Wenn wir bei der Erarbeitung von “1830” genauso gründlich vorgegangen wären, dann hätten wir wahrscheinlich einen ganzen Abend opfern müssen, um die Entfaltung der Gesellschaften und ihrer Strecken entsprechend ausführlich darzulegen. Bei “Peloponnes” waren wir in einer guten Stunde durch.
Die Spieler repräsentieren archaische Zivilisationen auf der griechischen Halbinsel und müssen ihren Marktwert gegen die unvermeidlichen Naturkatastrophen vorwärts bringen. Es geht um Rohstoffe, Geld und Bevölkerung. Die einzelnen Vorwärtsschritte erfolgen mittels offen ausliegender Plättchen, die von den Spielern ersteigert werden. Auktionen sind ja grundsätzlich kein neuartiges Spielelement, hier aber erhalten sie einiges pfiffige Beiwerk. Warum sollte man für ein Objekt mehr bieten als unbedingt notwendig? In “Peloponnes” gibt es gewichtige Gründe dafür. Nicht nur denjenigen, daß der Bieter mit dem höchsten Gebot als erstes ziehen darf! Aaron fluchte in den ersten Runden auch noch aus einem anderen Grund und nannte in regelmäßigen Abständen alle seine Mitspieler reihum mit dem bekannten Wort aus 4 oder 5 Buchstaben! Ich habe mich extra vergewissert, daß mich meine Ohren nicht getäuscht haben und daß ich es hier protokollieren darf:”X [X = “Günther” | “Hans” | “Walter”, Du bist ein Arsch!” kam bei jeder Bietaktion über seine Lippen, weil er seine reichlich vorhandenen Kröten geizig im Beutel verwahrte hatte, statt sich gemäß dem Prinzip “keep fully invested” bei den Objekten seiner Begierde zu engagieren. Doch mit diesen selbst im Bayernland anfechtbaren Ausdruck war unsere Stimmung keinesfalls gekennzeichnet. Günther flocht hier seine Lebenserfahrung ein: “Einer ist immer der Arsch!”
Die in zufälligen, aber kalkulierbaren Abständen hereinbrechenden Katastrophen lösten natürlich keine überschäumenden Begeisterungsstürme aus. Doch auf der Peloponnes lernt man hier schnell den Sokratesschen Gleichmut zu bewahren. Und als Günther verzweifelt fragte: „Wie werde ich meine Leute los“, tröstete ihn Hans mit der Hoffnung auf die Pest. Am Ende fühlte sich jeder im Katastrophenchaos erst richtig wohl.
Dafür gab es Heulen und Zähneklappern, als einige Spieler schon vor den letzten Runden ihr Geld leichtfertig verpulvert hatten und nun mit neidischen Gesichtern auf ihre potenten Mitspieler schielen mußten, die ihre Sparstrümpfe jetzt erst öffneten und sich die letzten dicken Fische aus dem Landschaftsgarten herausangelten. Kein Wunder, daß der knauserige Culus-Creator schließlich als Sieger hervorging. Die anderen wußten alle nur zu erklären, warum sie NICHT gewonnen hatten.
100 Minuten dauerte unser Spiel, aber nur weil wir jeden Zug ausgiebig kommentierten und uns immer mal wieder über das zutreffende Regelverständnis zusammenraufen mußten. Aber eigentlich muß diese Begleiterscheinung auf der Habenseite verbucht werden. Man kann ein Spiel sicherlich auch in der Hälfte der Zeit über die Runden bringen, aber warum? Jede Minute war kurzweilig und hinterher diskutierten wir noch eine weitere Stunde lang relativ kontrovers über die Verteilung von Können, Glück, Chaos und Planbarkeit auf der Peloponnes. Am schärfsten plädierte Aaron für die Unwägbarkeiten zum Sieg. Als ob er wieder verdrängen wollte, warum er gewonnen hatte.
Beim nächsten Mal werden wir uns am Anfang ganz fest um die besten Einnahme-Quellen schlagen und erst in den letzten 3 Runden auf Bevölkerungswachstum ausgehen. Das, was dazwischen passiert, die Zuwächse an Rohstoffen und Luxusgütern überlassen wir dann mehr oder weniger der spielerischen Opportunität. Ein neuer Kampf um die Siegpunkte auf der Peloponnes wird in jedem Fall nochmals stattfinden.
WPG-Wertung: Das Spiel ist ja noch nicht fertig, aber in seiner jetzigen Fassung würde es zwischen 7 oder 8 WPG-Punkten angesiedelt werden.
2. “Ausgerechnete Buxtehude”
Ein Spiel nach den Prinzipien von “Anno Domini”: Anstatt die zeitliche Reihenfolge von Ereignissen der Weltgeschichte zu bestimmen oder zu erraten, müssen die Spieler die relative geographische Position von Städten in Deutschland richtig einordnen. Liegt Westerland jetzt südlicher oder nördlicher von Kiel? Wenn noch genügend Freiheiten gegeben sind, kann man es wenigstens westlicher davon einordnen. Oder wird das etwa bezweifelt?
Anzweifeln ist erlaubt und bringt oder kostet einen Siegpunkt. In zwei Zwischenwertungen und einer Endwertung kann man nochmals raten, wie viele auf den beiden geographischen Achsen ausliegenden Städte insgesamt falsch eingeordnet sind. Hier sind weitere Siegpunkte zu ergattern.
Kurz und bündig! Ein gelungener Absacker, der heute sogar unserem “Bluff” die letzten Minuten rauben konnte.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7, Walter: 7
16.07.2008: “Latein für die Enkel”
Peter brachte Christoph mit, einen “hochintelligenten Ex-Siemensianer Mathematiker, zu dem ich bewundernd aufblicke”. Von Brettspielen noch unverdorben sollte er einen Eindruck in eine geile Brettspielrunde bekommen und sich beim Nach-Hause-Gehen fragen, “wie er solange ohne Brettspiele leben konnte”.
Die WPG-Löwen waren vorgewarnt; sie sollten vorsätzlich ihre Krallen einziehen und sich als Schmusekätzchen geben. Kein Problem, Löwen zerfleischen sich ja nur, wenn sie Hunger haben und allein unter sich sind.
Walter schlug zum Einstieg ein “Keltis” vor. Kurz und schmerzlos, und nach Wilhelms soeben dementierter Einschätzung gerade für Schmuse-Runden besonders geeignet. Doch der Vorschlag wurde gnadenlos abgeschmettert. Nicht demokratisch, sondern rein Petrokratisch, und die schweigende Mehrheit gab mal wieder das Zünglein an der Waage.
Dafür kamen Spiele zum Zug, die Peter extra für heute ausgewählt und mitgebracht hatte. Bewährte german-style Games, kurzweilig und spielerisch reizvoll.
1. “Ra”
Ein 1999 erschienenes Knizia-Spiel, das Peter nach vielen Jahren Enthaltsamkeit wieder der Brettspielerei zugeführt haben soll. Jetzt durfte er es erklären.
Reihum werden Plättchen aufgedeckt und auf dem Spielplan abgelegt. Wer meint, die Gelegenheit sei günstig, ruft sie alle zusammen zur Versteigerung auf. “Günstig” ist hier der entscheidende Begriff, darin liegt der ganze Spielreiz von “Ra”. Wenn man nicht viel zu bieten hat, löst man schon bei kleinsten Angeboten eine Versteigerung aus, in der Hoffnung, daß die dicken Fische nicht anbeißen. Wenn man potente Ersteigerungssubstanz besitzt, wartet man damit auf das große Glück.
Die ersteigerten Plättchen sind von verschiedenster Art und geben manigfaltige Vorteile. Es gibt kummulative Werte und selektive Werte, manchmal gibt es Strafpunkte, wenn man von einer Sorte kein einziges Plättchen ersteigert hat, manchmal bekommt man nur dann Siegpunkte, wenn man die meisten von einer Sorte hat. Ansonsten zählen die Plättchen linear in ihrer Anzahl und progressiv in ihrer Häufung.
Einige Plättchen sind “persistent”. So erklärte es der Altphilologe dem Mathematiker, schlicht ausgedrückt, sie zählen in jeder Wertung. Andere Plättchen sind “volatile” oder “fugiens” – diese Ausdrücke fanden wir zumindest im Latein-Lexikon. Auf deutsch: sie sind flüchtig und zählen nur für eine einzige Wertung. Der richtige Fachausdruck wird wohl “transient” sein, doch das offenbarte erst nachträglich die Suche bei “Wikipedia”.
Dreimal pro Spiel gibt es eine Siegpunkt-Ausschüttung, in der die Gesamt-Kollektion an erworbenen Plättchen prämiert wird. Wer nach der dritten Ausschüttung die meisten Siegpunkte auf dem Konto hat, hat gewonnen.
“Ra” ist rund und vielseitig. Die Gier nach Vorteilen und Siegpunkten geht in verschiedenste Richtungen. In einer gemischten Anfänger-Experten-Runde bietet es den Vorteil, daß alles offen ist und man jeden Zug erklären und plausibilisieren kann, ohne damit wesentlich zum Nachteil anderer Mitspieler zu argumentieren.
Christoph kam gut mit, aber er betrachtete das Spiel doch eher mit den Augen seiner real existierenden Enkel. Da ahnt er Probleme, das Regelwerk mit den komplexen Wertungstabellen rüber zu bringen. Verständlich, wenn man nicht selbst schon Hunderte von Spielregeln geschultert hat.
WPG-Wertung: Peter blieb bei seinen 8 Punkten, Loredana steuerte bisher nicht notierte 10 dazu, Walter erhöhte seine Note von 8 auf 9. Christoph’s “indifferenten” 5 Punkte waren außer Konkurrenz.
2. “Trans Europa”
Ein einfaches, flüssiges Spiel um den Gleisbau zu ausgewählten Städten in Europa. Christoph war begeistert: Er sieht Chancen für eine sofortige Umsetzbarkeit bei seinen Enkeln.
Keine neue WPG-Wertung.
3. “Zoff im Zoo”
Ein weiteres Lieblingsspiel von Peter, das er erst kürzlich als Absacker-Alternative am Westpark deponiert hat. Wir suchten seine Gabe längere Zeit erst vergeblich unter einem unüberblickbaren Haufen von Notizen und leeren Gummibärchen-Tüten auf Walter’s Schreibtisch. Dann fand sie Loredana im Stapel der “recent” Games. (Wie sagt man hier zu “recent” auf Deutsch?)
Selbst für einen Skatspieler wie Christoph ist das Stichprinzip bei “Zoff” immer noch eine Herausforderung. Freiwilliges Passen, Erhöhen mit bessern Werten oder mit längeren Werten, dazu das zyklische Stich-Potential (Fuchs sticht Maus, Elefant sticht Fuchs, Maus sticht Elefant) erfordern ein erhebliches Umdenken gegenüber den braven Herz-Bube-Kreuz-Dame-Betrachtungen eines normalen französischen Kartenspiels. Ganz zu schweigen von der Mücke, aus der man auch noch einen Elefanten machen kann.
Peter stellte fest: “Ein faszinierendes Spiel, weil die Zusammenhänge nicht so klar sind!”. Normalerweise gilt für Spiele mit “to-have-a-plan”-Charakter eher das Gegenteil, doch hier hat er recht. Und zweifellos kann man “Zoff im Zoo” planen!
Keine neue WPG-Wertung für ein Spiel, für das Loredana die Höchstnote von 10 Punkten vergibt.
4. “Bluff”
Peter war weichgeklopft und hätte jetzt sogar auch noch ein “Keltis” geschluckt, wenn die Zeit nicht schon soweit fortgeschritten gewesen wäre. Die vorletzte U-Bahn erlaubte gerade noch ein kurzes Vorstellen von “Bluff”.
Christoph hat unsere tausendfältigen Diskussionen um Vorgaben und Endspiel, um Immer-4- und Immer-5-Strategie natürlich nicht mitbekommen, insofern kämpfte er noch mit den Prinzipien von Anzweifeln oder Erhöhen. Dazu heißt das Spiel ja “Bluff” und nicht “Calc”. Die Mechanismen mit dem roten und den gelben Würfeln, mit den Unstetigkeitsstellen an der Stern-Positionen und mit den genauen bzw. den Mindest-Anforderungen kosteten das Noagerl im Maß seiner freien Kapazität. Nachdem diesmal auch Loredana nicht das rechte Maß zwischen Glauben und Nicht-Glauben gefunden hatte, teilten sich Peter und Walter die Lorbeeren.
Keine neue WPG-Wertung für ein Superspiel.
9.07.2008: “Keltis” mit “Brass”
Aaron kam direkt von einem Kurs für “Model Driven Soltware Design” (MDSD) aus Nürnberg. Er verriet allerdings nicht, wie die Models aussahen, die ihn in seinem Software-Design vorwärts gebracht haben. Günther stellte sich hier so etwas wie Extrem Pair Programming (XP / XPP) vor, d.h. der eine denkt, der andere pixelt. Doch auch er rückte nicht mit der Sprache heraus, als er gefragt wurde, was er mit “pixeln” meinte. Bei den Gartenzwergen im Gartenhäuschen war das alles viel klarer.
1. “Keltis”
Aaron schlug vor, daß wir uns die Spielregeln mittels MDSD erarbeiten sollten, doch bei nur 1 1/2 Seiten Spielregeln ist die Methode wohl etwas oversized.
Zunächst mal vermißten wir die Spielfarben gelb (für Günther), rot (für Walter) und blau (für Aaron), dafür war grau (für unsere Mäuschen) und schwarz (für Peter) vorhanden. Leider waren weder Peter noch Maus da. Und für welchen Spieler braun angemessen wäre, das hat unser Zensor schon wieder weggeschnitten.
Günther führte uns durch die Spielregeln und erklärte, wofür es alles “Siechpunkte” gibt. Die Spieler ziehen Karten, die es ihnen erlauben, ihre Spielsteine auf bis zu fünf verschiedenen Bahnen vorwärts zu bringen. Die Karten müssen in einer monotonen Reihenfolge ausgespielt werden.
Für einen Mathematiker läßt das simple “monoton” eine Menge Varianten offen: die Reihenfolge muß nicht streng monoton sein, sie muß nicht stetig sein, und sie muß nicht aufsteigend sein, aber man darf eine einmal gewählte Zahlenreihenfolge unterwegs nicht umkehren. Nicht-monotone Karten sind für die Katz und müssen ersatzlos abgeworfen werden. Alles klar?
Je weiter ein Spieler seine Spielsteine vorwärts bewegen kann, desto mehr Siechpunkte gibt es. Unterwegs liegen auf der Strecke sogenannte “Wegekärtchen”, die das Vorwärtskommen natürlich noch lustiger machen. Siechpunkt-Plättchen liefern direkt Siechpunkte, Wunschsteine bringen in der Kumulation Siechpunkte und Kleeblätter erlauben ein zusätzliches Vorwärtsziehen. “Man kann hier ja taktieren” meinte ein Skeptiker, “das Spiel ist besser als sein Ruf”.
Aaron wurde von seinem sprichwörtlichen Würfelunglück getroffen. Doch da es in “Keltis” keine Würfel gibt, mußte Fortuna ihm eigens eine Hand voll “Scheißkarten” austeilen. Zum Glück brauchte er sich nur 10 Minuten in seinem Pech grämen, da ist ein Spiel schon vorbei. Wer die passenden Karten gezogen hat, ist glücklich und zufrieden. Wer die falschen Karten gezogen hat, ruft sofort: “Wir spielen das aber gleich nochmals, weil ich sehen will, ob ich nochmals so Scheißkarten ziehe oder ob
”
Natürlich ist es frustrierend, wenn man im Endspiel mit seiner vollen Kartenhand keine einzige monoton-passende Karte mehr spielen kann, das Spiel entsprechend auch nicht beenden kann und hilflos zusehen muß, wie die anderen Schritt für Schritt an einem vorbei ziehen.
Preliminary WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 7, Hans: 4, Walter 7.
Beim zweiten Spiel wurde Walter gerade soeben noch das oben beschriebene frustrierende Endspiel erspart. Er blieb bei seiner guten Note; jede Frustrunde hätte dem Spiel einen Punkt gekostet. Aaron und Hans wurden in ihrer Notengebung rabiater. Das Spiel hat bei uns offensichtlich ein genauso kontroverses Meinungsbild hinterlassen wie seinerzeit “Zooloretto”, das es nach anfänglicher Kritik schließlich doch noch bis zu unserem “Spiel des Monats” gebracht hat. Wer weiß, welche WPG-Zukunft “Keltis” noch vor sich hat.
WPG-Wertung: Aaron: 3 (nichts entscheidbar, man wird gespielt), Günther: 7 (gediegenes Material, schnell, locker, passend für Wilhelms Runden), Hans: 3 (vermißt Kartenmanagement), Walter 7 (Vorfreude auf die Enkel).
Walter schreibt eine Rezension.
2. “Brass”
Hierbei handelt es sich nicht um Blasmusik aus Tijuana oder um eine Stadt in Nigeria, sondern um schlichtes englisches Messing, das offensichtlich in den Typenschildern an den industriellen Frühwerken enthalten war.
Günther durfte uns als Experte wieder durch die diesmal 11 seitige Gebrauchsanleitung führen. Die erste halbe Stunde machte er es in lockerer Erzählweise nach eigener, nicht immer nachvollziehbarer Systematik, den Rest verteilte er auf die folgenden drei Stunden Spielzeit nach dem Motto “Teaching by doing”. Bei den nachgeschobenen Regelergänzungen wurde ihm ein gewisser Moritz’scher Nützlichkeits-Effekt unterstellt, den er entrüstet zurückwies. Wer weiß schon wirklich, was er alles auf den Tisch legte und bei welchem Detail er sich vornehm zurückhielt?
Es gibt eine Menge zu erklären. Eine ziemlich komplizierte Entwicklungsmaschinerie wird hier in Gang gesetzt. Die Spieler konkurrieren um die industrielle Entwicklung in Mittelengland, sie bauen Kohlegruben, errichten Ölförderpumpen, Baumwollfabriken, Hafenanlagen und Schiffe. Sie verbinden ihre Produktionsstätten entlang einer vorgegebenen Streckenführung mit Kanälen und Gleisen, um darauf Kohle und Eisen zu transportieren. Doch – im Gegensatz zu “1830” – bringt nicht der Transport Einnahmen und Siechpunkte, sondern nur Anzahl und Ausbau der Industrieanlagen.
Eine gut ausgebaute Strecken bringt am Ende natürlich auch ein paar Punkte, doch ihr wesentlicher Vorteil ist die Erweiterung der Freiheiten bei den weiteren Planungen der Spielzüge. Strecken dürfen von allen benutzt werden, unabhängig vom Erbauer, Produktionsanlagen können sich teilweise nur gemeinsam entwickeln. So enthält das Spiel bei allem Wirtschaftsegoismus doch auch ein erhebliches kooperatives Element.
Alles kostet Geld, das immer knapp ist, es sei denn man geht gleich zu Anfang in die Vollen und stopft sich die Taschen mit Krediten voll. Je früher man sie nimmt, desto weniger Verluste muß man dafür in Kauf nehmen. Unsere Standard-Devise “Keep fully invested” sollte hier besser heißen “Keep fully liquid”!
Für mich hat das Spiel keinen Fehler. Es ist voll planbar, wobei selbstverständlich das übliche Mehr-Spieler-Chaos eine eindeutige Gewinnstrategie verhindert. Diese Einschätzung bliebt nicht unwidersprochen. Aber was ist heutzutage schon eine allgemeingültige Wahrheit.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (preliminary, mit der gemachten Erfahrung nochmals spielen), Günther: 8 (hat schon drei mal gespielt), Hans: 8 (unser Denker mußte zu lange warten!) , Walter: 9 (voll planbar).
Das Spiel ist eine Rezension wert, doch allein die Spielregel abzuschreiben kostet schon 11 Seiten.
02.07.2008: Keltis, Messe und gute Spiele
Die Schlacht um das “Spiel des Jahres 2008” ist geschlagen. Traditionell sind manche (hallo Wilhelm, nicht alle!) Vielspielerkreise über das Ergebnis aufgebracht. Wir wollen uns diesmal mit Schelte zurückhalten.
“Keltis” hat gewonnen. Am Westpark hat es noch nicht aufgelegen. Moritz hatte ihm in seinem jüngsten Podcast die größten Chancen eingeräumt. Ein einfaches Familienspiel, “Stone Age” war dagegen viel zu überqualifiziert.
Laut Aaron muß man es mit hohem Risiko spielen, sonst ist es sinnlos. Günther kannte es als aufgepepptes “Lost City” schon von den Münchener Spuiratzn her und hat es sich angeschafft. Demnächst wird es wohl auch bei uns einmal gespielt werden.
In vier Tagen wird auch Moritz’ erste geistliche Komposition zum ersten Mal gespielt. Moritz kann nämlich nicht nur Fußball-Oratorien und Fußballetts schreiben, sondern auch eine richtige Messe für Vokalsextett, Chor und Orchester. Zum Weihefest der Münchener Michaelskirche wird sein Werk uraufgeführt. In der Fußgängerzone stehen schon dicke Plakate, die seine “Eggert-Messe” ankündigen: für den 6. Juli um 9 Uhr. Eintritt frei.
1. “Wie verhext!”
Vor zwei Monaten zum ersten Mal am Westpark gespielt, konnte es damals nur eine verhaltene Begeisterung auslösen. Inzwischen hat Aaron offensichtlich neue Eingebungen erhalten, mit deutlicher Euphorie schlug er es heute als Ouvertüre vor. Günther und Walter waren sofort bereit, dem Spiel eine neue Chance zu geben, schließlich hat es sich bis in die Endausscheidung zum “Spiel des Jahres” durchschlagen können. Peter und Loredana waren eher skeptisch, doch was können schon Elite-Denker gegen die unbegründeten Euphorien der Masse ausrichten.
Alle Spieler bekommen die gleichen 12 Karten und müssen für eine Spielrunde 5 Karten daraus auswählen. Der Startspieler spielt davon jeweils eine beliebige Karte aus. Alle nachfolgenden Spieler müssen die gleiche Karte zugeben, falls sie sie auch in ihrem 5er Stoß ausgewählt haben. Wer keine gleiche Karte ausgewählt hat, paßt und gibt überhaupt keine Karte zu.
Die letzte ausgespielte Karte gewinnt den “Stich”, alle anderen sind nutzlos vertan. Warmduscher, die gegen die gleiche Karte der Vordermänner gewonnen haben, dürfen allerdings auf den Sieg verzichten – aus Angst, daß ein weiterer Hintermann ihn noch wegschnappen könnte – und sich mit einem Teilsieg begnügen.
Wer den “Stich” gewonnen, darf entsprechend der ausgespielten Karte:
a) Zutaten sammeln
b) Gold einhandeln
c) den Mitspielern Karten oder Geld wegnehmen
d) mit Zutaten Zaubertränke herstellen
e) mit Zutaten Zaubersprüche erfüllen
Ist “Wie verhext!” jetzt ein Stich-Kartenspiel? Irgendwie schon, denn jeweils eine der ausgespielten Karten gewinnt. Allerdings sind die Freiheitsgrade beim Spielen äußerst gering. Die Freiheiten beim Auswählen der 5 Karten aus der Kartenhand von 12 Karten kann man sich lediglich einbilden, herrscht hier doch nur ein mehr oder weniger blinder Hols-der-Geier-Zufall. Der Freiheitsgrad des Startspielers beim Ausspielen der ersten Karte besteht im Wesentlichen ebenfalls nur aus Illusion. Man kann höchstenfalls versuchen, als Startspieler die am wenigsten brauchbare Karte loszuwerden, weil man damit ohnehin nur selten einen Blumenpott gewinnen wird. Das Zugeben zur ausgespielten Startspielerkarte enthält dann absolut keinen Freiheitsgrad mehr: entweder hat man die gleiche Karte in der Hand und muß sie zugeben, oder man hat sie nicht auf der Hand und muß passen.
Beim Zugeben kann man noch zwischen Warmduscher-Alternative oder Alles-oder-nichts-Haltung wählen. Reicht das schon für ein gelungenes Familienspiel? Ach, lassen wir die traditionelle Schelte an den SdJ-Entscheidungen sein. Es ist, was es ist, sagt die Liebe.
Walter versuchte eine “gemischte” Strategie. Er wählte 1 bis 2 Karten aus, die er für sinnvoll hielt, die anderen 3-4 Karten zog er blind aus seiner gemischten Kartenhand dazu. Erfolgreich war das nicht, ganz im Gegenteil. Allerdings hatte er beim seinem Loser-Vorgehen auch mehrmals die Warmduscher-Variante übersehen, die bei seinen gestapelten Gold- und Zutaten-Vorräten durchaus angemessen gewesen wäre. Peter kommentierte: “Das ist die einzige strategische Entscheidung im Spiel, und die vermasselt er auch noch!” Aaron fügte prophylaktisch hinzu: “Das kreidest Du bitte dem Spiel nicht an!” Er hält “Wie verhext!” also immer noch für SdJ-auswahlwürdig.
Bei uns dauerte das Spiel weit über eine Stunde. Lag es vielleicht an Walter Mischen? Oder an Günthers konsequentem Denken. Selbst mit nur zwei Karten in der Hand grübelte er als Startspieler stundenlang, welche er jetzt davon zum besten geben sollte. Als wir die lange Spielzeit seinem maßlosen Überlegen zum Vorwurf machten, meinte er nur lakonisch: “Wir überlegen ja bei jedem Spiel”. Darf man hier fragen: “Wer”?
WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt), Günther: 4 (bleibt), Loredana: 7 (hört, hört), Peter: 6, Walter: 5 (one down)
Diese zweite Erwähnung in einem Sessionreport der Westparker wird wohl unsere höchste Auszeichnung für “Wie verhext!” bleiben.
2. “Manila”
Eines der vielen Kandidaten, die Aaron mit seinem neu-implementierten Spiele-Finder für heute Abend herausgesucht hatte.
Die Spieler ersteigern den Hafenmeister und die besten Arbeitsplätze rund um die kaufmännische Seefahrt. Wer erfolgreich Waren transportiert, bekommt seinen Anteil am Warenerlös. Wer im Hafen die Löscharbeiten übernimmt, bekommt einen angemessenen Lohn. Wer liegengebliebene Schiffe in der Werft repariert, wird dort bezahlt. Weiterhin kann man sich als Versicherungsagent oder als Pirat beteiligen. Alles kann Gewinn einbringen, und wie im richtigen Leben gilt hier: je solider die Arbeit, desto geringer der Lohn.
Bei uns kostete der Hafenmeister wie immer zwischen 25 und 35 Gulden. Ist er das wert? Sicherlich ist der Hafenmeister umso wertvoller, je häufiger man ihn ersteigert. Am besten ist es, wenn man ihn JEDES MAL ersteigert und somit als einziger Warenkarten erwirbt und zum Höchstpreis bringt. Kann man aber JEDES MAL den Hafenmeister ersteigern?
Meine Behauptung, daß das ginge, steht auf wackligen Füßen. Als Hafenmeister hat man zwar bei allen Postenbesetzungen die erste Wahl und sollte dementsprechend den größten Gewinn machen. Weiterhin kann man auch als einziger für 5 Gulden eine Warenkarte kaufen und dafür einen 12-Gulden-Kredit aufnehmen, man gewinnt also um 7 Gulden mehr Liquidität als seine Mitspieler. Doch wenn der Hafenmeister mehr kostet als der Liquiditätsgewinn plus den Vorteil, den man vielleicht über die Priorität beim Postenschacher bekommt, dann hat man hinterher weniger Barmittel als die Konkurrenz. Wehret den Anfängen, heißt es also auch hier!
Ein wunderschönes Spiel mit viel Interaktion und vielen hübschen Spielideen. Keinesfalls zu kompliziert und ein Quell der Freude für jede normale Spielerfamilie. Es hätte in seinem Erscheinungsjahr die Auszeichnung zum Spiel des Jahres gewiß verdient gehabt. Doch es hat es nicht einmal bis in die Auswahlliste gebracht. Immerhin wurde es von der Menge der Spielbegeisterten im Jahr 2005 mit dem 3. Platz beim Deutschen Spielepreis geehrt.
“Das ist ein German Game, bei dem ich stolz bin, ein Deutscher zu sein!” sagte heute einer unserer Westparker. Allerdings ist er patriotisch so zart besaitet, daß er in der Öffentlichkeit die Autorenschaft für diesen markigen Spielersatz nicht übernehmen will. Ohne eine Sekunde zu zögern sprang hier deshalb seine rumänische Lebensgefährtin für ihn ein.
WPG-Wertung: Peter und Loredana blieben mit je 8 Punkten im oberen Wertungsfeld.
3. “Trans Europa”
Ebenfalls ein konstruktives, lockeres Familienspiel, das seinerzeit einen Platz in den Siegerlisten zum Spiel des Jahres verdient hätte. Wenn Jury und Auswahlkriterien
– ach, lassen wir das.
Peter bekannte, daß er das Spiel schon oft gespielt, aber noch nie gewonnen habe. Aaron schlug deshalb vor, Peter heute gewinnen zu lassen. Peter bat, das solle dann bitte nicht allzu offensichtlich geschehen. Ist das denn möglich?
Aaron baute ganz unmotiviert eine Strecke zu Peters Bukarest und Peter konnte einen Rundensieg für sich reklamieren, ohne überhaupt das letzte Gleisstück legen zu müssen. Am Ende standen sie beide zusammen auf dem obersten Siegertreppchen. Wenn das keine göttliche Fügung war!
Keine neue WPG-Wertung für ein mit 7,6 Punkten gehandeltes Spiel