Die Vorgespräche drehten sich um die korrekte Verhaltensweise am Arbeitsplatz. In Europa (Deutschland?) ist man hier in bezug auf verbale Äußerungen ja (noch) deutlich großzügiger als die Neue Welt. Wenn ich zu einer Arbeitskollegin sage, sie sei ein “tolles Weibsstück”, dann wird das im allgemeinen nicht als sexuelle Anmache, sondern eher als Kompliment aufgefaßt. Auch Wortspiele und Scherze fallen meist auf fruchtbaren Boden.
Man sollte allerdings aufpassen, wenn sich eine mobbelige Mitarbeiterin gemobt fühlt und das mit den Worten ausdrückt “Ich fühle mit gemobbelt”! Die durchaus zutreffende Antwort:
[glowred]”Ich mobbele keine Mobbelige!”[/glowred]
könnte dann schon mal vor dem Arbeitsgericht enden.
1. “Die Siedler von Nürnberg”
Nach dem catanischen “Kampf um Rom”, der vor vier Wochen bei uns nur eine gebremste Euphorie ausgelöst hatte, versprach Günther: “Die Siedler von Nürnberg sind besser!” Dazu legte er uns jetzt dieses achtjährige Mitglied aus dem Catan-Clan auf den Tisch.
Das Ernten der Rohstoffe aus Feld, Wald und Wiese verläuft wie bei allen Siedlern der Welt. Es gibt aber keine Würfel, die die Lage der Ertragsfelder bestimmen, sondern es gibt einen Kartensatz, der die Zahlen von 2 bis 12 in der gleichen Verteilung enthält, wie sie sich beim Würfeln mit zwei Würfeln ergibt. Wer sich aber noch an bestimmte Stunden aus der höheren Mathematik erinnert, der weiß, daß beim zufälligen Ziehen mit Zurücklegen (=Würfel werfen) und ohne Zurücklegen (=Karten ziehen) unterschiedlich Verteilungskurven entstehen. Die Karten, also die Nürnberger, sind gerechter!
Auf den Nürnberger Karten stehen zusätzlich noch Schikanen, z.B. “Versetze den Raubritter auf ein beliebiges Feld (= schädige die Anwohner um den dort möglichen Ernteertrag) und nimm einem beliebigen Mitspieler eine Karte weg”. Solche Ärgerkarten sind bei uns grundsätzlich nicht beliebt, abgesehen von der spieltheoretischen Kritik, daß sie einen Kingmaker-Effekt in sich tragen. Doch unsere Stimmung war gut, wir trugen alle bösen Raubritterstreiche mit Fassung. Ja ganz im Gegenteil, die resignierenden (*), keineswegs schadenfrohen Lacher über das Rad der Fortuna waren für alle Beteiligten die größte Freude des zweistündigen mühsamen Kampfes um Ernte, Tausch und Entwicklung.
Wir brachen ab, weil auch ein vorhersehbarer progressiver Endspurt keinen richtigen Drive mehr ins Spielgeschehen gebracht hätte. Aaron faßte zusammen: “Es tröpfelt so vor sich hin.” Günther, als Spielebesitzer, wollte sich verteidigen: “Es ist halt ein Aufbauspiel!”. Doch er war gar nicht angeklagt. Nicht einmal die Siedler als solche! Vor 12 Jahren waren sie eine Weltsensation. Doch alle Wunder halten nur drei Tage.
WPG-Wertung: Aaron: 6, Günther: 7, Walter: 6, Wolfgang: 6
Trotz der mageren Wertung behielt Günther recht. Für uns liegen die Nürnberger im Durchschnitt um mehr als einen ganzen Punkt über den Römern.
(*) Albert Schweitzer: Resignation ist geistige und ethische Bejahung des eigenen Daseins.
2. “Wind und Wetter”
Auf einer hübschen Urlaubslandschaft mit Meer, Strand und Grünflächen müssen sich die Spieler als Touristikunternehmer betätigen: Sie bauen Hotels und lassen Kreuzfahrtschiffe fahren. Pro Runde kassieren sie Einnahmen für ihre Anlagen, kaufen weitere Hotels und Schiffe, und hoffen, daß die eigenen Investitionen lukrativer sind als die der Mitspieler. “Keep fully invested” ist eine der Binsenweisheiten eines solchen Mechanismus.
Hotels und Schiffe bringen am meisten ein, wenn darüber die Sonne scheint. In “Wind und Wetter” ist der Sonnenschein aber keine Gabe der Natur, sondern ein konzertiertes Ergebnis der Spieleraktionen: Auf jedem Planquadrat des Spielfeldes liegt eine Wetterkarte mit der Qualifikation: Hoch, Tief, Sonne, Eintrübung oder Regen. Jeder Spieler darf bei seinem Zug diese Wettereigenschaften in der vorherrschenden Windrichtung verschieben. Es gibt keine radikalen Wetterumschwünge, aber wenn die Mehrheit der Spieler in die gleiche Richtung agiert, dann ist schnell mal ein Tief aufgezogen und die verregneten Hotels bringen herbe Verluste anstatt der gehofften satten Gewinne.
Wenn!
Wir hatten in unseren Touristikinvestitionen keine Konfrontation gesucht, sondern uns ziemlich gleichmäßig an den sonnigsten Stellen engagiert. So gab es keinen Miesnickel, der den anderen ins Swimmingpool hagelte. Jeder wäre vom schlechten Wetter auch selber betroffen gewesen. Bei keinem kam die Lust an, das Wettergeschehen entscheidend zu beeinflussen. In den vorgeschriebenen 7 Spielrunden hat tatsächlich kein einziger Spieler auch nur ein einziges Mal an der Windrichtung gedreht! Ohne Konfrontation aber ist “Wind und Wetter” wie eine Suppe ohne Salz.
Es fehlt das unvermeidlich Böse, das alle Mitspieler vor spannende Aufgaben stellt, das unberechenbare Chaos, gegen das man sich absichern muß, die Diplomatie der Wettergötter, die mit vereinten Kräften die dunklen Wolken am Himmel gegen die Konkurrenz losschicken.
Noch ein Problem: Das Spiel fängt im Ruhezustand ein, schwingt sich progressiv hoch und ist nach sieben Runden zu Ende, bevor sich die stürmische Aufbauphase auch nur abgeschwächt hat, vom Gleichgewichtszustand ganz zu schweigen.
WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther: 5 (vielleicht haben wir es falsch gespielt), Walter: 5, Wolfgang: 4
Walter hätte nach der ersten Materialsichtung gerne eine Rezension geschrieben. Nachdem sich der Wind aber nicht gedreht hat, wird er es wohl bleiben lassen.
3. “Flaschenteufel”
Für die 4er-Runde bot sich “Flaschenteufel” als Alternative zu unserem Standard-Absacker an. Ein ganz kleines Stich-Kartenspiel mit einer ganz großen Logik. Selbst alte Kartenhaie tun sich schwer, die im Prinzip einfachen taktischen Grundzüge beim Abspielen ihrer aktuellen Kartenhand fehlerfrei anzuwenden.
Walter hatte am meisten geübt und bereits nach drei Spielen die niedrige Absacker-Meßlatte von 100 Punkten überschritten. Wolfgang hatte am wenigsten geübt und war dreimal auf dem Teufelsstich sitzen geblieben.
Das war für alle vier eine Herausforderung. Es war schon leicht nach Mitternacht und es steckte ein gewisses Risiko in unserer neuartigen Ende-Bedingung für die Revanche-Runde: “Wir spielen so lange, bis Wolfgang einmal nicht den Teufelsstich bekommt.”
Günther zog im ersten Spiel mit 49 Punkten davon. Wolfgang bekam den obligatorischen Teufelsstich. Im zweiten Spiel lag die Flasche zum letzten Stich auf der gelben Fünf und Wolfgang mußte als letzte Karte die gelbe Drei zugeben. Das bedeutete für ihn schon so gut wie sicher wieder den Teufelsstich. Doch Günther hatte geschlafen; er war seine blaue Vier nicht losgeworden. Er mußte den Stich übernehmen, erlöste Wolfgang vom Teufel und führte den Sudden-Death herbei. Dabei kassierte er auch noch soviel Minuspunkte, daß er Walter an sich vorbeiziehen lassen mußte. Die “standesgemäße” Flaschenteufel-Reihenfolge war wieder hergestellt.
Alle waren sich einig: Das Spiel sollte so bald wie möglich wieder auf den Tisch kommen.
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22.08.2007: Abend mit Absackern
Was ist ein “Absacker“? Nach Wikipedia wird damit das letzte Getränk bezeichnet, das gegen Ende einer gemütlichen Runde als Ritual zum Auseinandergehen getrunken wird. Es soll einfach die gute Stimmung der Begegnung bekräftigt und in den Abschied hinübergerettet werden.
Bei Google findet man neunzigtausend Einträge zu “Absacker”, LEO hingegen kennt das Wort noch nicht, doch immerhin findet sich eine stimmige Englisch-Übersetzung bei ODGE: “One for the road“. Jetzt ist klar, was es heißt, wenn wir tief in der Nacht noch mal ein “Bluff” hervorholen. Auch wenn die “road” in München meist mit “U-Bahn” zu übersetzen ist.
Nach der zweiwöchigen Urlaubspause taten sich die 5 Westparker schwer mit der Spieleauswahl. “Ursuppe” (Basisversion) geht nur zu viert. “El Grande” und “El Cabalero” sind schon ziemlich in die Jahre gekommen, selbst bei den hochdotierten “Fürsten von Florenz” wurden die Nasen gerümpft. Aarons Mitbrinsel “Canalmania” fiel immerhin nur knapp mit 2:3 Stimmen durch. Peters Favorit “Die Erben von Hoax” wurden von Hans so entschieden abgelehnt, daß es erst gar nicht zur Abstimmung kam. Wir brauchten unbedingt einen Absacker zum Aufwärmen. Die glänzenden Augen von Peter und Loredana gaben den Ausschlag für:
1. “Zoff im Zoo”
Ein Spiel zum Absacken, zum Aufwärmen und für ganze lange Spielnächte. Im ersten Vorspiel wollte sich Aaron an Schätzchen Loredana ranmachen, doch nicht der Erste und der Letzte (, sowie der Zweite und der Vorletzte) bilden eine Koalition, sondern der Erste mit dem Vorletzten. So durfte Walter statt Aaron den Peter machen und Hans war der neutrale Dritte.
Kreuz und quer wurden Mücken zu Elefanten geschlagen, Krokodile von Mäusen gefressen und Haie zu kleinen Fischen mutiert. (Oder umgekehrt.) Der “Zoff” ist ein lustiges Kartenspiel um die chaotisch berechenbare Freßreihenfolge im Reich der Tiere. Peter und Loredana sind zweifellos unsere Experten, was das Berechenbare betrifft, Walter beharrt dagegen auf dem Chaos und hat noch kein rechtes Bild vom relativen Wert der einzelnen Karten. Er vermißt die göttliche Klarheit des göttlichen Bridge.
Nach dem zweiten Spiel kann Peter wenigstens nicht mehr behaupten, Walters Ressentiment läge daran, daß er immer verliert.
Keine neue WPG-Wertung für ein mit durchschnittlich über 8 Punkten hoch bewertetes Spiel.
2. “Die Erben von Hoax”
Hansens Einspruch gegen das Spiel wurde mit 4:1 abgeschmettert. Peter durfte noch mal genüßlich die Spielregeln für das (fast) wohlbekannte Spiel vortragen. Wir spielten gewissenhaft unsere verdeckten Rollen als Händler, Bauer und Dieb, als Baron und Richter, als Mönch und Magier. Wir handelten, ernteten und klauten, wir klagten an und verurteilten, gewährten Ablaß und ließen uns imunisieren. Zäh sammelten wir die Siegpunkte auf unseren Konten.
“Hoax” ging früher schon mal flotter über die Bühne. Diesmal entstanden die Lacher mehr aus Peters spielbegleitenden Erzählungen über Meilenkonten bei der Lufthansa und über seltsame Bonusprogramme von Banken, mit denen die Meilenkonten gefüllt werden, obwohl keine Euros fließen und keine Meilen geflogen werden. Vielleicht war das sogar der Grund, warum ein richtiger Spielfluß erst gar nicht entstand. Jedenfalls hatten nach 40 Minuten (einschließlich Regelwiederholung) die Besten gerade erst ein Viertel der notwendigen Siegpunkte zusammen und wir verzichteten zugunsten eines unverwüstlichen Absackers auf den Rest der hoaxialen Zauberei.
WPG-Wertung: Aaron: 6, Hans: 6, Loredana: 6, Peter: 7, Walter: 5.
Das ist quer durch die Bank ein ganzer Punkte weniger als bisher. Entweder das spielerische Einrosten im Urlaub oder die Lufthansa-Meilen müssen daran schuld sein.
3. “Bluff”
Über eine Stunde lang durfte sich Peter noch an unserem Standard-Absacker erlaben. Einmal stand er mit 3 gegen Walters 5 Würfel im Endspiel. Er hatte 2 Vierer und eine Fünf geworfen und ging mit seiner Vorgabe aufs Ganze: 4 mal die Zwei! Walter hatte leider keine einzige Zwei unter seinem Becher. Das war es dann auch.
Im nächsten Spiel verlor Aaron gleich zu Beginn alle 5 (in Worten: sechs!) Würfel, als er nach zwei geblufften Vorgaben von Hans und Peter mit einem weiteren Bluff Walter aus den Angeln heben wollte. Der hatte leider auch keine von den inzwischen bei 9 angelangten Dreiern.
Das restliche Bluff-a-Quadre konnte Peter für sich entscheiden und gab das Statement ab: “Wer Bonusprogramme versteht, der kommt auch mit Bluff zurecht.” Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptung blieb offen, schließlich konnte reihum fast jeder mal den Sieg davontragen. Doch eine andere psychologische Bluff-Wahrheit gewinnt immer mehr Zustimmung:
[glowred]”Wer schon zu Beginn unter Durchschnitt setzt, blufft!”[/glowred]
01.08.2007: Die “Abenteuer” mit dem “Kampf um Rom”
Nach unserer einseitigen Spielekritik zu “Zooloretto” (“Esel getreten und Milchmann gemeint”) meldeten sich sofort Gegenstimmen. Der gute Fritz schrieb:
“Wenn du mal wieder deinen Adrenalin-Spiegel mit Hilfe eines prämierten Titelträgers zu regulieren wünschst, empfehle ich Dir, die Krallen am TAL DER ABENTEUER vom prominenten Spiele-Autor Dr. Rainer Knizia zu wetzen. Bei den Österreichern ist das immerhin zum Spiel der Spiele gewählt worden ist. Nachdem du diese Pflaume gespielt hast, wirst du dich im Rahmen eines Canossa-Ganges zu Michael Schacht aufmachen und sein vorzügliches ZOOLORETTO fortan lobpreisen.”
Das motivierte natürlich sofort, die “Abenteuer” am Westpark aufzutischen.
1. “Tal der Abenteuer”
Das Spiel aus dem Parker-Verlag wurde tatsächlich gerade von der “Wiener Spiele Akademie” mit dem Preis “Spiel der Spiele” ausgezeichnet. Doch nach Fritzens massiver Vorwarnung mußte es am Westpark erst gegen einen dicken Wall von Vorurteilen ankämpfen. Um das Ende vorwegzunehmen: Es besaß kein einziges Mittel, den Wall zu durchstoßen. Chancenlos verlor es die Schlacht und den Krieg.
Auf einem Spielbrett stehen vier verschiedenfarbige Pöppel und müssen auf Irrwegen zu einem Ziel bewegt werden. Die Spieler bekommen Spielkarten in den vier Pöppelfarben und in einer Jokerfarbe ausgeteilt, die ihnen erlauben, die einzelnen Pöppel ein, zwei oder drei Felder zu bewegen. Hat der erste Pöppel das Zielfeld erreicht, ist Spielende und es erfolgt die Siegwertung: Für jede Karte in der Farbe des Siegerpöppels, die ein Spieler noch in der Hand hält, gibt es 3 Siegpunkte, für die Karten anderer Pöppel entsprechend weniger. Für die ausgespielten Karten gibt es nichts.
Das Problem ist: Der Weg ist lang, doch die Schritte sind kurz. Wenn alle Bewegungskarten einer Farbe ausgespielt sind, ist der entsprechende Pöppel noch lange nicht im Ziel. Aarons zutreffende Schlußfolgerung: “Das Spiel wird durch Joker entschieden!” Wie wahr! Und wie bekommt man die Jokerkarten? Leider nur in der Startausteilung, also zu 100% reines Glück.
Doch auch eine super Joker-Kartenhand ist kein Gewinn-Garant. Es bringt ja nichts, alle Karten zu spielen, mit denen man seine Favoritenpöppel bewegen kann; man muß ja auch entsprechend-farbige Karten auf der Hand behalten, um damit am Ende Siegpunkte zu holen. Da müssen die Mitspieler beim Bewegen schon kräftig mithelfen. Doch aus welcher Motivation heraus sollten sie das tun?
Fazit: 100% Glück plus 100% Abhängigkeit von der Willkür der Mitspieler ergibt 0 % Taktik + 0 % Spielfreude.
Den einzigen Lacher gab es, als Walter seine in der Startausteilung erhaltenen 6 Joker plus 4 Grünlinge in seine Kartenhand sortieren durfte. Doch das war letztendlich viel zu früh gefreut. Schlußkommentare: Hans: “Du kannst bei den Abenteuern nicht wirklich lachen.” Aaron: “Wer will den lachen?” Günther in Fritzscher Verteidigungsmanier: “Das Spiel kommt in gewissen Runden gut an!” Aaron: “Wir fragen uns, welche Runden das sind!” Von einem ungenannten Spieler “Es ist bestechend einfach und sogar spannend”. Hans: “Wie MALEFIZ, doch ohne Blockierungssteine”.Günther entdeckte etwas vom “SCHWEINERENNEN”, Aaron etwas vom SAGALAND ohne Memory-Effekt. Na ja, von SAGA war wohl auch nicht viel drin. Ein Würfel würde dem Spiel gut tun, z.B. als Multiplikator bei der Bewegung. Oder wo auch immer. Das sagt doch wohl eine ganze Menge über seine Potenz.
Aaron, schon mit abgeblendeter Lautstärke: “Was ist denn mit dem Knizia los?!”
WPG-Wertung: Aaron: 4 (für seinen Ex-Chef aus Österreich), Günther: 4 (spielbar, und sogar schnell), Hans: 3 (fast kaputt), Walter: 3 (aus Pietät gegenüber seinem Fritz)
Wenn Walters Adrenalinspiegel sich noch nicht ausreichend gesenkt hat, gibt’s eine weitere Rezension. Auch dann wird der arme Esel wieder nix dafür können, und der Milchmann bekommt von dem Fußtritt wieder nichts ab.
2. “Siedler von Catan – Kampf um Rom”
Aaron hätte die Regeln vorlesen dürfen, doch er zog das Auspöppeln vom Spielmaterial vor. Hans übernahm die Rolle mit dem Versprechen, schneller vorzulesen als üblicherweise zu spielen. Er tat sein Bestes und nach einer halben Stunde waren wir durch die Regeln. Walter war wie immer von den vielen Details überfordert. Auch Fritz hätte mit seinen “Normalos” einen ziemlich aussichtlosen Regelerklärungskampf durchstehen müssen. Doch die komplizierten Detail-Mechanismen fußen auf wenigen und logischen Prinzipien. Mit Learning-by-Doing kommt man im “Kampf um Rom” ganz gut zurecht.
Nach Siedlerart werden Ernte-Erträge ausgewürfelt, nach Kriegerart werden Städte geplündert und erobert. Ständig stößt man auf Randbedinungen von Material und Bewegung. Jeder Spieler brütet über einer Optimierung seiner vielfältigen Ausbreitungsmöglichkeiten. Jeder ist seines Zuges Schmied, aber nicht hinter jedem Zug lauert das Glück. Die Zufallselemente wie Würfelerträge, Rohstoffauswahl, tödliche Eroberungseffekte und chaotische Einflußkarten dominieren das Geschehen. Der absolute Fortschritt ist meßbar, doch über die relative Positionierung gegenüber den Mitspielern gehen die Meinungen weit auseinander.
Nach einer Stunde Spielzeit zeichnete sich noch keine eindeutige Sieger-Linie ab. Keiner hatte eine Stadt erobert und die erzielten Raumvorteile wurden gegen Nachteile in Stärke und Material aufgewogen. Sollten wir uns noch weiter die Zeit mit zäher Fieselei vertreiben? Mit drei Stimmen, keiner Gegenstimme und einer Enthaltung votierten wir für den Spielabbruch. Einstimmig wurde die “Enthaltung” zum Sieger gekürt. Nach Eigenaussage verdient “wegen konsequenten und schnellen Spiels”. (Es war nicht der Walter!)
An die Stelle der praktischen Erprobung traten theoretische Erwägungen. “Sehe ich das richtig, daß das Spiel nach der ersten Eroberung an Geschwindigkeit verliert” fragte Aaron in die Runde? Keiner konnte widersprechen. Hans hatte noch die Vision, daß der “Kampf um Rom” nach einigen Eroberungen wieder Geschwindigkeit aufnehmen würde, doch sein angeborenes Gespür für Tempo im Spiel ist nicht unbedingt zuverlässig.
Warum heißt das Spiel “Kampf um Rom”? Hat die Stadt Rom eine Sonderstellung? Hans hat bei seiner Regelerklärung nichts darüber verlauten lassen, und auch in der post-mortem Recherche fanden wir im Regelheft keinen Hinweis. Vielleicht war lediglich der Markenname noch frei und sollte der “Siedler-Familie” einen neuen Impuls nach vorne geben. Doch das ganze römische Brimborium ist “alles Fassade”, im Film wäre der “Kampf um Rom” ein typisches “Sequential”, so etwas wie “Schulmädchenreport 6. Teil”. Günther: “Ist aber schon Teil 20!”
Hans war bekehrt: “Ihr hattet Recht mit dem Abbruch. Es ist echt stinklangweilig!”
WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 4, Hans: 4, Walter: 5
Rezensionen zu den “Siedlern” gibt es wie Sand am Meer. Erweiterungen der Spielidee auch. Bei Luding lassen sich die Einzeleinträge nur mehr schwer zählen, etwas leichter tut man sich, wenn man nur die Seiten zählt: Es sind fünf ganze Bildschirmseiten voll.
3. “San Juan”
Noch mal ein Entwicklungsspiel mit Optimierungsaufgaben und nicht viel Interaktion. Doch der Kampf der Ratsherren, Baumeister, Aufseher und Händer um Produktion und Vertrieb von Indigo, Kaffee, Tabak und Silber geht flott und flüssig über die Bühne. Und wer die Zusammenhänge am besten kennt (Günther), kann auch mit deutlichem Vorsprung davonziehen.
Aarons sprichwörtliches Würfelglück mutierte zum Kartenglück: Unter den vielleicht 100 gezogenen Karten fand er keinen einzigen hohen Punkteträger. Da hilft auch kein Wissen über die Zusammenhänge mehr!
Keine neue WPG-Wertung für ein gut funktionierendes Spiel.
4. “Bluff”
Aaron stand mit 1:5 Würfeln im Endspiel gegen Günther. Günther schoß noch schnell unfreiwillig ein Eigentor und beim 1:4 Stand durfte Aaron aufschlagen. Er hatte eine 4 geworfen und fing gemäß der Immer-4-Strategie an, verriet also keinerlei Detail-Information an Günther. Günther hatte 2 Einsen, 1 Zwei und 1 Fünf unter seinem Becher. Wie sollte er kontern?
Er hob auf 1 mal die Fünf. Eine sehr zurückhaltende Reaktion, aber mit 4 Würfeln läßt sich halt leicht Katz und Maus spielen.
Um es kurz zu machen: Aaron war in seine Vier verliebt, hob auf 2 mal die Vier, und das war das Ende.
Wir fragten Günther, wie er auf eine 2 mal die Eins-Hebung von Aaron reagiert hätte. 3 mal die Eins versus die eine Fünf herausnehmen, mit 3 Würfeln nachwürfeln und auf 2 mal die Fünf setzen.
Aaron konnte laut davon träumen, wie schön es gewesen wäre, wenn Günther auf 2mal die Fünf gesetzt hätte und er, Aaron, auch noch eine Fünf unterm Becher gehabt hätte und mit 3 mal die Fünf einen weiteren einen Teilerfolg hätte verbuchen können
Selbst bei abgebrühten Bluffern kann das geniale “Bluff” immer noch Träume hervorrufen.
25.07.2007: “Zeitalter der Entdeckungen” vor “Anno 1503”
Regelerklärungen sind für viele “Normalspieler” ein Horror. Aber auch Vielspieler haben damit eine Last, besonders wenn sie sich verpflichtet fühlen, einen Großteil der 300 bis 600 Spiel-Neuheiten eines Jahres selbst auszuprobieren. Bei uns sind es ca- 50 bis 100 neue Spiele, die wir alljährlich kennenlernen und allein mit den Regelerklärungen können wir leicht 2-3 Mannwochen pro Jahr verbringen. (Pro Nase, wohlgemerkt!)
Einer ist dann immer von Natur, Wissenstand oder Besitztum her auserkoren, die Regeln vorzutragen. Stefan Ducksch von der SdJ-Jury hat einen sehr hübschen Artikel veröffentlicht, in denen er die Menschentypen vorstellt, die sich dann zeigen. Hier davon eine kurze Zusammenfassung:
Der Autoritäre: Hat beim Erklären eine klare Linie und weicht davon keinen Millimeter ab.
Der Oberflächliche: Hat beim Erklären nicht nur Lücken, sondern auch ein schlechtes Gewissen.
Der Verwirrte: Hat die Regel zwar gelesen, kann sie aber nicht strukturiert wieder geben und vergisst beim Erklären zentrale Spielmechanismen.
Das Pärchen: Unterbricht sich gerne gegenseitig: “Du musst dazu sagen, dass
”
Der gute Gastgeber: Lässt die Mitspieler schon mal auspacken und aufbauen, holt derweil die Getränke.
Der Autodidakt: Hat die Regel gelesen und für schlecht befunden. Erklärt daher gleich mal seine Hausversion des Spieles.
Der Erzähler: Nimmt die Spielgeschichte auf und kleidet die komplette Erklärung in die Story ein.
Der Nüchterne: Für ihn ist die Spielgeschichte völlig überflüssig, er beginnt generell mit den Worten “Ziel des Spiels ist es,
”
Der Kenner: Verwirrt Wenigspieler mit permanenten Hinweisen auf andere Spiele. “Das läuft ab wie bei El Grande”
Der Vorleser: Liest die Spielregel inklusive Materialaufzählung und Texten unter allen Beispielen von A bis Z vor.
Der Versierte: Erklärt Regeln und gibt zu ihrer Anwendung bereits detaillierte taktische Hinweise.
Am Westpark ist das Regelerklären niemals eine Last sondern immer eine Lust. Dabei zeigen die Westparker folgende Gesichter:
Moritz zählt zu den Autoritären. Er mag keine Nachfragen und wir auch schon mal böse, wenn man etwas nicht verstanden hat, was er in mindestens einem Nebensatz erklärt hat. Opfer seines Unwillens ist oft genug seine Frau, in zweiter Linie der Gastgeber, der beim Getränke holen und Kartoffelchips- bzw. Gummibärchen-Auspacken schon leicht mal den Anschluß verlieren kann.
Aaron und Peter zählen zu den Didakten (ohne Auto, bitteschön!): Sie haben die Regeln gelesen und verstanden und bringen sie mit ihrem didaktischen Geschick gekonnt in solchen Portionen auf den Tisch, daß sich selbst die Schluckspechte nicht daran verschlucken. Aaron hält sich meist linear an das Regelheft, Peter bevorzugt einen eigenen roten Faden, und den kappt er auch noch, wenn er meint, daß die erste Spielphase eine angemessene und nützliche Verdauungspause darstellt. Digist by Doing.
Walter macht uns den Versierten: Während seiner unvermeidlichen taktischen Ausflüge streut er immer auch Hinweise über die Qualität des Spieles ein. Da er zugleich aber auch die Rolle des Oberflächlichen und Verwirrten zu spielen versucht, bekommt er kaum mehr eine Chance, sich zu produzieren. Seine heutigen Beiträge beschränken sich daher auf die eine Hälfte des Pärchens. Auf Dankbarkeit bei der anderer Hälfte wartet er immer noch vergebens.
Günther ist unser Vorleser: Er konzentriert sich zwar auf die Regeln, läßt hierbei aber läßt er keine einzige Zeile aus. Doch ärgerlich oder langweilig wirkt das nie. Ganz im Gegenteil: seine Erzählstimme ist so faszinierend, daß selbst die Tiere im Walde zusammenlaufen und ihm zuhören. Noch Monate später erzählen die Nachbarn von den paar wenigen Gelegenheiten, in denen sie von der Nachbarterrasse aus seinen Ausführungen lauschen durften. Und die Ehrfurcht in ihrer Stimme verrät deutlich, daß sie gerne mitgespielt hätten.
Andrea und Loredana, sowie ein paar weitere Mitspieler bilden unsere schweigende Mehrheit. Sie halten es mit Paulus der da sagt: “Die Frauen sollen schweigen in der Gemeinde der Heiligen, denn sie sollen sich unterordnen, wie es auch das Gesetz sagt.”
Kenner sind wir alle. “Das läuft wie bei EL GRANDE” und ähnliche Analogien werden ständig in die Regelerklärung eingeworfen. Zum Glück aber weniger um die jeweilige Weisheit loszuwerden, eher um diese Rolle bei uns auf die Schippe zu nehmen. Schon wenn ein Würfel in der Schachtel sichtbar wird, kann die Bemerkung fallen: “Genau wie bei BLUFF!”
1. “Zeitalter der Entdeckungen”
Eine Neuheut bei Phalanx von Alfred Viktor Schulz. Moritz durfte die Regeln erklären. Wie immer aus dem Stregreif. Aber mit einer unerreichten Begabung, die Spielregeln, das Spielmaterial und die websigen Mitspieler stets im Griff zu behalten.
Auf dem Tisch werden Karten für Handelsaufträge und Entdeckungsreisen ausgebreitet. Die Spieler müssen Schiffe kaufen, Handelsaufträge erfüllen, und damit Geld machen. Mit dem Geld muß man weitere Schiffe kaufen und sich gegen Ende auch noch auf Endeckungsreisen um Siegpunkt-Multiplikatoren kümmern. Es gibt eine Zwischen- und eine Endwertung wie bei EVO. Alle Züge kosten Geld, freiwilliges Aussetzen bringt Geld ein, ist aber garantiert nicht der winning Move. Das Geld ist knapp wie bei ZOOLORETTO. Es liegen jede Menge Karten auf dem Tisch, deren Bedeutung eine Menge Gedächtnisleistung erfordert. Ihre “Symbolik ist Scheiße”! Wie bei PHALANX.
Walter ging mit seinem potentesten Handelsschiff gleich auf Entdeckungsreise, doch das Opfer für die Wissenschaft zahlte sich nicht aus. Als er langsam eine Ahnung davon bekam, wohin der Hase läuft, war die Meute schon längst über alle Berge. Er konnte sich nur noch mit Aussetzern über die Runden schleppen.
Günther hatte ihn eindringlich vor diesem KO-Zug in der ersten Runde gewarnt. Aaron konnte ihm beim Nachtarocken nur noch Altersstarrsinn attestieren. Aber immerhin hatte er noch seinen Ehrgeiz, mit einer Gesamt-Denkzeit in der Größenordnung von Null auszukommen, weitgehend befriedigen können.
Moritz machte uns ausnahmsweise den Hans und den Walter zugleich. Er überlegte an seinen Zügen so lange wie Hans und nahm sie so oft zurück wie Walter (üblicherweise). Doch wir waren alle großzügig. Kein einziges Mal wurde der Arpad vom Fensterbrett geholt. Moritz’ Podcast über die “10 Gebote eines Spielers” machte sich positiv bemerkbar.
Etwas lauter wurden die Stimmen, als die Zwischenwertung nahte und Walter behauptete, der Startspieler habe bei den Wertungen einen Vorteil und er, als Letzter, einen Nachteil: Zu drei Vierteln hatte er einen Zug weniger gemacht als alle anderen und höchstensfalls zu einem Viertel gleichgezogen. Moritz verwies mit Vehemenz auf die Schlußwertung. Doch dort liegen die gleichen Verhältnisse vor. Wissen gegen Meinung? Günther gestand wenigstens einen Effekt von Prozent-Bruchteilen zu. Aaron warf lässig ein: “Dies ist genau das, was die Finnen den Deutschen vorwerfen: Sie wüßten alles besser!”
Im Grunde waren die ganzen zwei Stunden Spielzeit lediglich eine Demo-Runde zu den Spielregeln. Es gibt so viele Randbedingungen, gegen die ein jeder ankämpfen muß, so daß man erst nach einer vollständigen Abrechnung erkennen kann, welche Engpässen man unbedingt vermeiden muß, um nicht a priori alle Siegchancen zu verlieren:
– Geld
– Schiffe in den richtigen Farben
– Handelsaufträge mit den richtigen Farben
– Engagement bei den Enddeckungsreisen
– Anzahl erfüllter Handelsaufträge
– Sonderbedinung für die Majorität an den Entdeckungsreisen
In den ersten beiden Dritteln der Spielzeit sollte man mit der Spirale Schiffe-Handel-Geld-Schiff
soviel Substanz aufbauen wie möglich, im letzten Drittel muß man seine Besitztümer dann optimal auf die Siegpunkt-Quellen verteilen. Und dabei hoffentlich alle tödlichen Engpässe vermieden haben.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Moritz: 7, Walter: 7, Günther: 7 (Solidarität)
Wir haben in den letzten Wochen unzählige Emails über Definition und Bestimmung des Glückfaktors von Spielen ausgetauscht. Noch ist unsere Meinungsbildung nicht abgeschlossen. Nur das eine ist anerkannt: Roulette hat einen Glücksfaktor von 1 und Schach einen von 0. Beim “Zeitalter der Entdeckungen” konnte Günther dazu eine neue Erkenntnis einbringen: “Wenn Walter gewonnen hätte, dann hätte das Spiel einen Glücksfaktor von 1”. Hat er aber nicht, ganz im Gegenteil.
2. “Anno 1503”
Mit seinen vier Lenzen schon etwas angejährt. Die Umsetzung eines Computer-Spieles in eine Brettspiel-Version. Aaron war grundsätzlich skeptisch gegenüber den dabei erzielbaren Ergebnissen, doch Günther konnte ihn beschwichtigen. Schließlich steht der Altmeister Klaus Teuber dahinter.
Gegen Rohstoffkarten tauschen die Spieler Schiffe und Pioniere ein. Die Schiffe fahren aufs Meer und bringen Handelskontore oder Rohstoffquellenveredelungskarten mit, die Pioniere muß man mittels Rohstoffkarten in Siedler, Bürger und Kaufleute und Gebäude verwandeln. Die Rohstoffkarten werden ausgewürfel wie bei SIEDLER VON CATAN. Wer als erster drei von fünf Siegbedingungen bezüglich Geld, Kontoren oder Häusern erfüllt, gewinnt das Spiel.
Jeder Spieler hat eine ganze Menge von Aktionsmöglichkeiten, doch Interaktion gibt es keine, es sei denn, man will die “Klaukarte” dazu rechnen, mit der man von einem Mitspieler eine Ware klauen kann.
Die Spieler können unbegrenzt Denkzeit investieren, um sich die leichtesten Siegpunktbedingungen herauszusuchen und die optimalsten Verwandlungstechniken anzuwenden. Doch im Grunde sind sind alle Effekte gleich. Unisono haben wir das zu dritt immer wieder behauptet, und immer wieder hat Günther heftig widersprochen.
Wie sprachen von keinen Entscheidungsmöglichkeiten und von minimalen Entscheidungsmöglichkeiten, Günther legte jedesmal sein Veto ein. Erst als wir das Wort “banal” in die Waagschale warfen, gab er sich geschlagen. Die letzte Runde gab den Ausschlag. Jeder hatte mit oder ohne Plan am Entwicklungs- und Verwandlungsprozeß teilgenommen, der Sieger war aber schlußendlich nur das Produkt von Zufall und Würfel: Jeder der viel Teilnehmer hätte bei anderen Würfelergebnissen oder anderer Zufallsverteilung der Meeresgaben noch gewinnen können.
Auf der Schachtel steht ein Glücksfaktor von 5. Soviel billigt ein Westparker nicht mal dem Roulette zu!
WPG-Wertung: Aaron: 4 (Sieger!), Günther 6 (Spielebesitzer), Moritz: 5, Walter: 5
3. “Bluff”
Im Endspiel stand zweimal ein einzelner David gegen eine Vielzahl von Goliaths. Beidesmal mußte er sich der mehrfachen Übermacht der Philister geschlagen geben.
18.07.2007: Unbekanntes und Vergessenes
Der Small-Talk auf der Terrasse am Westpark drehte sich um Luftlinien und ihre Preise. Wie kann ein Flug nur 8 Euro kosten, wenn damit noch nicht einmal die Stromkosten für die Leselampe abgedeckt sind.
Peter machte sich Gedanken (und intensive Recherchen im Internet), mit welchen Tricks man die meisten Meilen einstreicht. Es soll sich z.B. lohnen, bei Langstreckenflügen erst noch ein bißchen in Deutschland hin und her zu fliegen – auf kosten der Fluglinie natürlich – bevor man sich auf die Reise nach Übersee begibt.
Wenn er es dereinst mal zum Lufthansa-Honorable geschafft hat, dann quartiert er sich in Frankfurt im First-Class-Terminal ein und kommt bis zu seinem Lebensende – dauert hoffentlich noch ein knappes Jahrhundert – nicht mehr heraus. Er wird verköstigt und vertränkt, hat Dusche und Liegebett zur Verfügung und läßt seinen Kreislauf in regelmäßigen Abständen mit Fußmassagen in Schwung bringen.
Lieber Peter, hier noch eine Information aus berufener Quelle: Du darfst das First-Class-Terminal als Honorable nur dann betreten, wenn Du eine gültige Bordkarte für einen Flug am gleichen Tag in der Hand hast. Und das Terminal wird nach dem letzten Tagesflug (gegen 23 Uhr) geschlossen. Da mußt Du erst noch das Aufheben des Nachtflugverbotes in Rhein-Main abwarten.
1. “On the Underground”
Nach dem Vorspiel-Thema wollte Peter wollte eigentlich “Airlines” spielen, doch darauf waren wir natürlich nicht eingestellt. Dafür stand ein anderes Linien-Spiel bereit: “On the Underground”, ein Aufbauspiel um die U-Bahnlinien in London.
Die Spieler bauen eifrig an ihren verkehrsgünstigen Linien und transportieren einen Passagier-Pöppel zu auswählbaren Zielorten durch das entstehende Netz. Der Passagier muß von allen möglichen Strecken diejenige mit dem kürzesten Fußweg wählen, und möglichst wenig umsteigen. Zu Spielbeginn kann man schnell noch ein paar Verbindungswege bauen, um damit den Passagier auf die eigene Linie zu locken und Siegpunkte zu kassieren. Wenn das Netz schon einigermaßen ausgebaut ist, geht das nicht mehr so einfach. Dann zahlt es sich aus, wenn man seine Linienführung strategisch gut geplant hat und große Verkehrsräume verbindet. Unweigerlich müssen dann alle Spieler bei ihren Passagier-Bewegungen diese Super-Linien berücksichtigen und Siegpunkte herschenken.
Beim Ermitteln des vorgeschriebenen besten Weges stellten sich immer wieder (un)liebsame Überraschungen ein, wenn der Passagier nicht die eigenen Linien benutzen durfte, sondern die Linie eines Mitspielers, die zwar deutlich länger war, aber Umsteigen ersparte. Aaron machte uns diesmal den Walter: Blitzschnell (na ja) hatte er seine Linien verlängert, und genauso blitzschnell nahm er seinen Zug wieder zurück, weil die Fahrstrecken nicht die erhofften Siegpunkte einbrachten.
Das Hin- und Zurück wurde auch für die anderen langsam zum Standard. Für Ungeübte gibt einfach zu viele Irrtumsmöglichkeiten. Wir waren aber eine sehr konstruktive Runde und solidarisch suchte jeder für jeden die besten Bau-und Fahrgelegenheiten aus. In einer Fünferrunde bleibt einem auch nichts anderes übrig. Soll sich jeder 10 Minuten und länger gelangweilt zurücklehnen, bis die anderen ihren optimalen Zug ausgerechnet und durchgeführt haben? Der geduldige Aaron stöhnte: “Es dauert viel zu lange, bis man wieder dran ist”. Selbst der schlitzohrige Peter mit dem ausgeprägten Siegeswillen konstatierte: “Man muß eigentlich partnerschaftlich spielen [, um überhaupt Spaß am Spielablauf zu bekommen]!”. Und er hielt sich sogar dran.
Gegen Ende kritisierte er die ausgeprägten Kingmaker-Möglichkeiten in “On the Underground”. Bei gleichguten Streckenalternativen entscheidet der aktive Spieler in freier Willkür, wen er am Punktesegen beteiligt. Es gibt dafür zuweilen rationale Entscheidungsgründe. (Übliches Diskussionsthema: Soll der Letzte gegen den Vorletzten oder gegen den Ersten spielen?), doch oft genug fehlen sie. Wolfgang beförderte mit seinem letzten Zug die zweite Loredana auf gleiche Höhe wie den ersten Peter. Die einzige dazu plausible Begründung kann nur die eines stinknormalen Heteros sein.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (wie früher), Loredana: 6 (siegen macht froh), Peter: 5 (wie unser Moritz), Walter: 7 (wir dürfen doch keine Eisenbahnspiele verkommen lassen), Wolfgang: 7 (die große Seele)
Walter wird eine Rezension schreiben. Das hat er schon vor einem halben Jahr versprochen
2. “Zoff im Zoo”
Es war noch eine Menge Zeit übrig und Peter grub sein Lieblingskartenspiel aus. Loredanas Augen fingen sofort zu glänzen an. “Zoff im Zoo” ist ein kombiniertes Ablage- und Stichspiel: Die Spieler punkten in der Reihenfolge, wie sie ihre Karten losgeworden sind. Außerdem bekommen sie Prämien für bestimmte Karten, die sie in ihren Stichen eingesammelt haben.
Die Karten bestehen aus Tierbildern, von denen eines das andere frißt: Mücke – Fisch – Otter – Krokodil – Elefant. Und viele mehr. (Beim Fressen wollen wir es mit Brehms Tierleben nicht so genau nehmen.) Die tatsächlich höchstwertige Tierart läßt sich nicht eindeutig bestimmen: Der Elefant ist der Maus unterlegen (dann fängt die Fresserei wieder von vorne an), und aus einer Mücke darf man einen Elefanten machen (wenn man noch einen zweiten in der Hand hat). Sicherlich wäre es eine lohnende Aufgabe für Excel und Konsorten, die Freß-Reihenfolge und die Zusatz-Qualifikation der verschiedenen Karten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Mit gewohntem didaktischen Geschick (Hi Peter, das ist eine Aushänge-Qualifikation für Deine Kandidatur zum Bezirksausschuß! Oder bist Du dafür etwa in der falschen Partei?) erklärte Peter den Neulingen und den Vergeßlichen erst nur die Minimalregeln und lies damit eine Runde spielen. Die weiteren, komplizierteren Regeln setzen auf den jetzt aktuellen Spielstand auf. Der Erste bildet mit dem Vorletzten und der Zweite mit dem Letzten ein Team. (Aaron: “Wie? Teambildung??!!” Das Schicksal hat ihn glücklicherweise als fünftes Rad am Wagen davor bewahrt.)
Die Teamzusammengehörigkeit bestimmt das Austauschen von Karten und die Möglichkeit, dem Partner beim Stich-Gewinnen zu helfen. Doch jeder ist sich selbst der Nächste. Gemeinsam ins Team gehen nur die Siegpunkte für die Reihenfolge beim Karten-Loswerden ein, die Prämien für Sonderkarten streicht jeder ganz allein ein. Zuweilen läßt man seinen Teampartner dann schon mal kurz und herzlos im Regen stehen.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (gleichbleibend), Loredana: 10 (hört, hört!), Peter: 10 (2 Punkte mehr), Walter: 8 (Kartenpfleger), Wolfgang: 7(diesmal kein Mahatma)
3. Glücksfaktor
Letzte Woche hatten wir noch lang und breit diskutiert, wie man den Glücksfaktor eines Spiels definierten kann. Ohne abschließendes Ergebnis. Diese Diskussion nahmen wir zum Ausklang noch einmal auf und hätten fast wieder kein Einvernehmen erzielt, bis Peter die geniale Idee hatte.
“Laßt uns anstelle von Glücksfaktor einfach Freiheitsgrad sagen”: Die Entscheidungsmöglichkeiten, unter intelligenten Alternativen beliebig auszuwählen, ist genau das Spiel-Charakteristikum, für das wir eine Metrik gesucht haben. Bietet ein Spiel einen hohe Entscheidungsspielraum, dann hat es einen geringen Glücksfaktor. Und umgekehrt.
Die Definition ist fertig. Jetzt ist es nur noch ein kleiner Weg, für ein gegebenes Spiel die Alternativen auszuzählen, zu normieren und zu addieren. Es gibt eine Lösung. Der Mathematiker ist zufrieden und geht zum nächsten Problem über.
11.07.2007: Iroquoia mit untergärigen Regelvariationen
Sechser-Runden sind bei uns verpönt. Die sinkende Aktionsfrequenz läßt bei den Sensiblen den Gallendruck übermäßig ansteigen, besonders wenn sie dann noch auf Denkpausen der Marathon-Logiker warten müssen. Deshalb wird am Westpark nach 5 Anmeldungen die Teilnehmerliste geschlossen.
Doch diesmal kam eine besondere Sechser-Runden am Westpark zustande. Andritzens brachten ihren frisch gebackenen Milo mit. Sieben Wochen ist er alt, hat aber schon das Durchhaltevermögen eines Profis. Sowohl an der Mutterbrust als auch in seiner Liege-Trage-Tasche. Kein Mucks war zu hören, als er den Regelerklärungen seines Vater lauschen durfte. In den nachfolgenden 4 Stunden Spiel-Gelächter kam kein einziges zurechtweisendes Wort über seine Lippen. Und als er weit nach Mitternacht mit seinen beiden Eltern unter dem Arm von dannen zog, war er immer noch eitel Lächeln und Sonnenschein. Von einem solchen Non-Playing-Captain kann jede Bridge-Nationalmannschaft nur träumen.
1. “Iroquoia”
Moritz hat das Spiel letztes Jahr in Essen von seinem original-indianischen Autor gekauft. (50% Westpark-Gamer-Rabatt.) Ein dreiviertel Jahr hat es gedauert, bis er es endlich auf den Tisch legen konnte.
Die Spieler versuchen in Stammeskämpfen um Biberfälle die meisten Siegpunkte auf ihre Seite zu ziehen. Bevor Moritz die wenigen Seiten Regelheft rübergebracht hatte, wurde er schon von Aaron (!) unterbrochen “Und wie bekommt man die Biberfelle?” “Durch Würfeln!” war die spontane Antwort. Doch als Moritz darauf in entsetzte Gesichter von vier WPGlern blickte, schob er schnell nach: “Durch gute Entscheidungen!”
Pro Zug würfelt jeder mit fünf Farb-Würfeln, sucht sich davon zwei Farben heraus und darf damit zwei Aktionen ausführen:
1) Sich entsprechend-farbige Krieger zulegen.
2) Auf entsprechend-farbigen Felder Einflußmarker legen
3) Die Stärke der Biberfell-Verteidiger ausspionieren.
4) Einen Krieg vom Zaun brechen.
Am Krieg darf sich jeder beteiligen, der im Besitz mindestens eines Kriegers ist. Die Stärke der Gegenseite wird durch verdeckt liegende Punkte-Karten bestimmt. Zu Beginn eines Kampfes wird per Würfel ermittelt, welche Krieger ins Gras beißen müssen. Bleiben dann noch mehr Krieger übrig als Verteidiger, werden die Biberfelle unter allen Kriegsteilnehmern verteilt. Der Kriegsverbrecher selbst bekommt noch ein zusätzliches Biberfell. Wer am Ende die meisten Biberfelle besitzt, ist Sieger.
Der Abend war eine Krönung von mangelnden Regelverständnissen. Moritz hatte das englische und Aaron das deutsche Regelheft auf dem Schoß. Aber vor lauter Spielgier ließen es beide beim oberflächlichen Durchlesen sein und wir fingen als Halb- oder Viertelwissende sofort mit dem Spiel an. Learning by playing!
Erster Fehler war der Glaube, daß die Krieger, die ein jeder erwürfelt, Allgemeingut wären. Ein kluger Spieler wählt dann doch lieber Einflußmarker aus; die gehören ihm alleine. Ein äußerst friedlicher Wettlauf um die Vorherrschaft über 0 (in Worten: Null) Krieger begann.
Der zweiter Fehler war, daß wir den Führungsbonus für die Einfluß-Majorität immer dann vergaben, wenn ein Spieler am Zug war. Eigentlich sollte das zu Beginn jeder Runde erfolgen. Dieser kleine Unterschied gewährt dem jeweilige Startspieler einen deutlichen Vorteil: Bei der üblichen asymmetrischen Verteilung kassiert er seinen Bonus und vermasselt mit seinem anschließenden Zug den Bonus des nächsten. Und so weiter.
Gravierend kam hinzu, daß wir den Startspielerr nicht reihum wechseln ließen. Günther war als Startspieler ausgewürfelt worden und nach gewohnter Sitzordnung war Aaron Letzter. Irgendwann ging ihm dann auf, daß er beim Verteilen der Einflußmarker benachteiligt war und bestenfalls immer nur gleichziehen konnte. Das konnte kein vernünftiges Spieldesign sein. War es ja auch nicht, nur eine Regelwidrigkeit unsererseits. Aaron akzeptierte, daß wir das Spiel beim aktuellen Spielstand mit richtiger Regel fortsetzen.
Die Einflußmarker gingen langsam aus und wir mußten wohl oder übel auch die Krieger ins Spiel würfeln. Wer sich jetzt durch einen guten Wurf auf einem Einflußfeld die Mehrheit erwürfelte, durfte gleich 5 oder 8 Krieger unter seine Fittiche nehmen. Klar, daß er sie dann umgehend in die Kämpfe um Biberfelle schickte. Aber weil ihm in der Regeln niemand zu Seite stand (erstens waren überhaupt nur wenige Krieger auf dem Spielbrett und zweitens gab es für die meisten auch noch keine Einflußmehrheiten), wurden die Kämpfe verloren und die Biberfelle nicht verteilt. Ein vierfaches Gelächter pro einem langen Gesicht war die Quittung. Über den verlorenen Kampf. Und ein fünffaches Gelächter über die Ungereimtheit des Spielregeln. Ausgerechnet unser Konstrukteur Günther konstatierte: “Irgendwie fehlt das destruktive Element”.
Bis uns das Licht über unsere Regelfehler aufging. Aaron war froh, daß er noch kein Foto über die Spielszenerie ins Internet gestellt hatte. Es gibt nämlich immer aufmerksame Leser, die sich dann beschweren, daß eine Figur am falschen Platz steht. (Mit solchen regelwidrigen Fotos könnte man ein ganzes eigenständiges Spielequiz abwickeln.) Ein Spielabbruch war unvermeidlich.
Zwei Stunden waren um, eine halbe davon für die Bewunderung von Milo, eine weitere halbe für den (unvollständigen) Vortrag der Spielregeln und eine Stunde mit Ziehen und Lachen oder mit Lachen und Ziehen. Doch das Spiel war eigentlich unschuldig. Einvernehmlich ließen wir “Bluff” und “Weiß-der-Kuckuck-Was” sausen, die Irokesen haben einen zweiten Versuch verdient.
Walter wurde neuer Startspieler und blieb bei seiner Präferenz für Einflußmarker vor Kriegern. Die anderen ließen schneller ihre angeborene Neigung zum Kriegshandwerk erkennen. Moritz lud zum ersten Biberfell-Krieg ein. Niemand wollte sich beteiligen, nicht mal sein anvertrautes Weib. Sie war gerade mit dem Stillen ihrer Erstgeburt beschäftigt und zog diese Heimchen-am-Busen-Rolle derjenigen einer Amazone vor.
Moritz hatte 3 rote und 2 lila Krieger im Einsatz. Da er alleine geblieben war, war der Kampf schon nicht mehr zu gewinnen. Allerdings würfelte er mit 5 Würfeln genau 3 rote und 2 lila Flächen und verlor mit einem Schlag alle seine Krieger. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Maximum-Damage-Wurf ist (wenn ich mich nicht irre): 5-über-3 mal 5-über-2 geteilt durch 6-hoch-5, also immerhin 1,286 Prozent. Es war nicht Moritz’ Tag, der da zur Neige ging. Ausgerechnet er, der unbestritten beste Warrior in unserem Kreis, stieß solche Verzweiflungssätze aus wie “Ich mach jetzt einfach irgendwas, mir ist es wurscht” oder, mit etwas mehr Klageschmalz auf den Lippen: “Jetzt möchte ich gerne mal einen Kampf initiieren, aber da kommt eh wieder keiner mit.”
Günther initiierte einen Krieg und alle kamen mit. Nach dem vorletzten Kampfwürfeln zum Ausdünnen der Angreifer waren nur noch je 7 Krieger von Aaron und Moritz auf dem Brett sowie 6 eigene Krieger. Beim letzten Wurf würfelte er Blau und durfte entweder von Aaron oder von Moritz oder von sich selber einen blauen Krieger entfernen. Für wen wird er sich wohl entschieden haben? Natürlich für den, der allen anderen den lautesten Schwanengesang garantierte! Doch er blieb diesmal in piano!
Bis weit nach Mitternacht begleiteten wir unsere Spielzüge mit ausladenden Diskussionen über optimales Engagement im Krieg und Frieden und über beste Irokesen-Taktiken. Gibt es hier denn so etwas? Andrea, Moritz und Walter schätzten den reinen Glücksfaktor von “Iroquoia” auf 70%, Aaron und Günther wollten nur 50% zugestehen, bis Aaron seine Zahl ganz zurückzog und die grundsätzliche Frage stellte, wie überhaupt Zahlenwerte für den Glücksfaktor zu definieren seien. Zu vorgerückter Stunde kamen wir auf keine allgemein akzeptierte Formel mehr.
Am Ende hatte Andrea die meisten Biberfelle gewonnen. Sie bekannte, daß sie keine eindeutige Strategie verfolgt hat, sondern lediglich versucht hat, spontan aus jedem Wurf das Beste zu machen. Was sagt das jetzt über den Glücksfaktor bei “Iroquoia” aus?
Es bleibt die bemerkenswerte Tatsache, daß das einzige, noch dazu stillende Lamm-Weib gegen vier Wolfs-Männer gewonnen hat. Einfach durch weiblich-pragmatisches Vorgehen. Die theoriegeilen Strategen blieben auf der Strecke. Ist “Iroquoia” doch nur ein Glücksspiel? Nein, diese Wertung wäre ungerecht. “Iroquoia” ist – um Moritz’ Worte zu gebrauchen – ein sehr gut ausbalanziertes, elegantes Kampfwürfelspiel. Es ist wert, ein “Eurogame” genannt zu werden. Wenigstens honoris causa. (Für “Indianer” hatten die alten Lateiner noch kein eigenes Wort!)
WPG-Wertung: Aaron: 7, Andrea: 7, Günther 7, Moritz: 5, Walter: 7
Ich bin sicher, bevor sich Moritz das nächste Mal an den Stand seines indianischen Spiele-Autors begibt, hat er zu seinen mageren 5 Ausreißerpunkten 2 weitere hinzugefügt.
03.07.2007: Zooloretto zum Warming-Up
Seit kurzem besitze ich ein eigenes Exemplar von “Friedrich”. Wenn sich jetzt bei uns nur eine Dreierrunde abzeichnet, dann bin ich nicht mehr traurig, wie bisher, sondern ich freue ich mich auf die jedesmal phantastische Begegnung mit Friedrich. Aaron betonte allerdings, daß er sich lieber auf eine “Friedericke” freuen würde. – Wie einseitig sind doch die normalen Heteros!
Günther kündigte schon vorher an, daß er noch den diesjährigen Preisträger von “Spiel des Jahres” mitbringen würde. Da war die Vorfreude umso größer: es kam also nicht nur alter Harung, sondern auch ein neuer Backfisch auf den Tisch.
1. “Zooloretto”
Von vorneherein nur als Warmup für das Friedrichs-Trio gedacht. Günther hatte den Vorgänger “Coloretto” zuhause vergessen, sonst hätten wir als Vorspiel zum Vorspiel noch die Ausgangsversion gespielt, die Michael Schacht zu seinem Preisträger “Zooloretto” weiterentwickelt hat.
Die Spieler decken der Reihe nach vom verdeckten Stapel ein Tierplättchen auf und legen es offen auf einen von drei Haufen auf den Tisch. Alternativ zum Aufdecken kann ein Spieler auch einen der offenen Haufen an sich nehmen und die Tiere auf die Gehege in seinem Spielbrett verteilen. In ein Gehege dürfen nur Tiere einer Art, und wer für eine bestimmte Tierart kein freies Gehege mehr hat, muß für das Tierplättchen in den “Stall” legen und kassiert am Ende dafür Strafpunkte.
In dem verdeckten Stapel liegen außer Tierplättchen auch “Verkaufsstände” oder Geldmünzen (nach Aaron “Knopfnacktschnecken”), die dem Erwerber auf andere Arten Siegpunkte einbringen können. Hübsch zusammengestellt, ausgewogen, flott und bunt, aber keineswegs aufregend. Ich fühle mich von den vielen Zufallseinflüssen gespielt und von meinen Mitspielern bevormundet. Keiner konnte und wollte mich darüber belehren, wie ich hier mein Schicksal selber in der Hand haben könne.
Gewinnen heißt soviel wie:
1) Das richtige Tierplättchen aufdecken (100 % Zufall)
2) Das gezogene Tierplättchen so auf den Haufen legen, daß die mitspielende Konkurrenz möglichst die mieseste Auswahl hat (100 % Entscheidungsfreiheit bei einem Freiheitsgrad von 2)
3) Rechtzeitig keine Tierplättchen mehr ziehen (100 % Entscheidungsfreiheit bei 100% Unsicherheit, ob das nächste gezogenen Plättchen von Vorteil oder Nachteil wäre)
4) Von den ausliegenden Haufen den Besten auswählen (100 % Entscheidungsfreiheit bei einem durchschnittlichen Freiheitsgrad von 1-2; oft genug steht man vor der Auswahl zwischen Skylla und Charibdis, oder wie das heißt.)
Aaron fand die Spielregel “komplexer als ich dachte”. Seine Meßlatte für ein “Spiel des Jahres” liegt offensichtlich nicht hoch. Mit Recht, denn diese große Auszeichnung hat bekanntermaßen als Zielpublikum die brav spielende Familie mit Kindern und keine vielspielenden Profis. Entsprechend muß auch “Zooloretto” eingeordnet werden, und unser Echo war ziemlich verhalten.
WPG-Wertung: Aaron: 6, Günther: 7, Walter: 6
Ein Rezensionschreiber hat sich noch nicht gefunden. Als Spiel des Jahres ist es natürlich eine Rezension wert, und es läßt sich eine Menge dazu sagen; als “Zoloretto” allein würde es uns aber wohl nur schwer animieren, die Zeit für einen Spielkritik aufzubringen.
2. “Friedrich”
Wir haben schon so viel über Friedrich geschrieben, ohne auch nur im geringsten die Tiefen dieses Kriegsspiels ausgelotet zu haben. Auch heute strotzte unsere Partie wieder nur so vor Anfängerfehlern:
1) Friedrich ließ sich in Rußland auf einen absolut aussichtslosen Kampf ein, bei dem er seine bewußt schwach ausgestatteten Armeen gleich von vorneherein hätte aufgeben müssen.
2) Friedrich bewegte sich in Mitteleuropa viel zu wenig, um seine Gegner mit kurzen aber überzeugenden Streichen zu treffen. Er hätte auch konsequenter untersuchen müssen, wie seine Gegner ihre Armeen verteilt haben, um gezielt erfolgreiche Kämpfe zur Schwächung der Gegner einzugehen.
3) Österreich zögerte sowohl die kleinen Scharmützel als auch die großen Entscheidungsschlachten viel zu lange heraus. Es was mehr ein Glück, das es unversehens sein Kriegsziel erreicht und das Spiel gewonnen hatte.
4) Schweden hat nicht viel falsch gemacht. Aber auch nicht viel richtig. Seine Rolle ist mehr die einer Stecknadel, mit der Friedrich hin und wieder gepiekst wird.
5) Rußland verzettelte sich zu sehr in den ostpreussischen Gebieten. Hierfür sollte es nur eine kleine Auskehrer-Armee einsetzen, mit seiner Hauptmacht aber in Richtung Berlin vorstoßen. Damit es den Krieg gewinnt, bevor die Zarin stirbt und ihr Nachfolger den Krieg abbricht.
6) Frankreich ging den Hannoveranern nicht konsequent ans Leder, sondern begnügte sich am Ende sogar mit einem Stellungskrieg und verlor das Kriegsziel mit der Eroberung der Zielstätte fast ganz aus den Augen. Oder war das der Respekt vor Friedrich?
Als Österreich gewonnen hatte, war es 2 Uhr nachts. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Und wenn wir am nächsten Morgen nicht alle wieder am Bruttosozialprodukt feilen müßten, hätten wir problemlos noch in eine Revanche-Runde einsteigen können.
Günther als Neuling vergab zunächst nur magere 7 Punkte. Erst als er mit seiner Kritik nicht so recht Boden unter den Füßen bekam, erhöhte er auf 8 Punkte. Auch wenn “Friedrich” vielleicht kein “Günther-Spiel” ist, ist doch nicht ausgeschlossen, daß er demnächst auch noch auf 9 Punkte heben könnte.
27.06.2007: Remake von “Euphrat und Tigis”
“Wir haben die Feiertage recht angenehm zugebracht, wir haben nämlich an allen Tagen gespielt und die Würfelbecher nicht kalt werden lassen. Dein Bruder hat wie immer heftig gejammert, doch aufs ganze gesehen hat er nicht viel verloren, sondern nach großen Anfangsverlusten das meiste wieder wettgemacht. Ich persönlich habe fünftausend verloren, doch nur, weil ich beim Spiel über alle Maßen großzügig gewesen bin. Wie fast immer, Du kennst mich ja. Denn wenn ich alle Summen, die ich gewonnen habe, auch immer eingefordert hätte, oder wenn ich all das behalten hätte, was ich den einzelnen Mitspielern geschenkt habe, so hätte ich sogar achttausend gewonnen. Aber so ist es mir lieber. Mit meiner Güte werde ich mir nämlich Schätze im Himmelreich erwerben.”
Das ist kein Ausschnitt aus einem Briefwechsel von heute, das schrieb ein alter Römer vor bereits mehr als zweitausend Jahren! Wer war’s?
Nur ein Gerücht ist es allerdings, daß er bei jeden Sechserpasch den Lieblingsspruch “Alea jacta est” seines weltberühmten Onkel ausgerufen haben soll, und ihn so in die Top-Ten-Liste der Aussprüche berühmter Personen gehievt haben soll.
1. “Euphrat und Tigris”
Gehen wir weitere dreitausend Jahre zurück, so landen wir in der Szenerie von “Euphrat und Tigris”. Hans-im-Glück hat das Knizia-Spiel bereits 1997 herausgebracht. Es wurde sofort ein Kultspiel unter Spielefreaks und gewann ein Jahr später den “Deutschen Spielepreis”. Als die Käuferwelle verebbt war, nahm Hans-im-Glück das Spiel aus seinem Programm; sein Liebhaberpreis bei ebay stieg daraufhin auf astronomische Höhen.
Jetzt hat sich der Pegasus-Verlag erbarmt und eine neue Auflage herausgebracht. Es gelten noch die Original-Regeln. Günther durfte sie zur Erinnerung vorlesen. Walter suchte und fand in jedem Satz eine Regel-Erweiterung. Aaron führte ihm jedes Mal unerbittlich vor Augen, daß dies nur eine Folge seiner fortschreitenden Altersdemens war. An der Basisversion hat sich kein Jota geändert.
– Jeder Spieler erhält vier Spielsteine für König, Priester, Händler und Bauern seiner Dynastie.
– Jeder Spieler legt “Zivilisationsplättchen” auf das Spielbrett, um damit farbige Siegpunkt-Klötzchen zu ergattern.
– Bestimmte Plättchenkombinationen darf ein Spieler in einen Tempel umwandeln, der dann für seinen Besitzer eine ständig sprudelnde Quelle von Siegpunkt-Klötzchen darstellt.
– Es gibt die bekannten inneren und äußeren Konflikte, mit denen um die Vorherrschaft an den besten Siegpunktquellen gekämpft wird.
– Jeder Spieler wird mit zwei “Katastrophen-Plättchen” ausgestattet, mit denen er vor allem im Endkampf noch versuchen kann, seinen Mitspielern das Wasser abzugraben.
– Es gewinnt der Spieler, der in seiner schwächsten Farbe die meisten Siegpunkt ergattert hat,
Nachdem Günther das 10-seitige Regelbuch vorgelesen hatte, fanden wir auf der elften Seite sogar noch eine echte Erweiterungsregel: Wer drei oder mehr Zivilisationsplättchen einer Farbe in einer Reihe gelegt hat, darf darauf ein “Zivilisationsgebäude” bauen und kassiert dann beim späteren Legen von gleichfarbigen Plättchen einen Siegpunkt mehr. Vielleicht dient das im Endspurt dazu, eine minderentwickelte Farbe doch noch beschleunigt auf Vordermann zu bringen.
Alles funktioniert vorzüglich und läßt eine kultige Spiel-Spannung aufkommen. Hans fand in der Kampftaktik eine gewisse Ähnlichkeit mit “Friedrich”: Wer auf einem Gebiet erkennbar schwach geworden ist, wird schnell noch das Angriffsziel der Mitspieler, solange er nicht wieder aufgerüstet hat. Für welches der beiden Spiele ist diese Gleichsetzung ein Kompliment?
Trotz der kämpferischen Szenerie war die Stimmung friedlich. Ohne Drängelei durfte jeder über seinem Zug grübeln. Alle taten es auch ausgiebig (bis auf einen). Konflikte wurde nicht nur gerechnet, sondern auch gespielt und zuweilen sogar von den größten Denkern ziemlich gedankenlos vom Zaun gebrochen. In der Schlußphase fielen allen noch ihre längst vergessenen Katastrophen-Plättchen ein. Die Sieg-Anwärter bauten sie in ihr taktisches Konzept ein, die weit Abgeschlagenen erzeugten damit ein bißchen Chaos und demonstrierten die Mächtigkeit dieses Spielelements und die Qualität vom Gesamtdesign.
Lange kämpften Aaron und Günther ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die stärkste schwächste Farbe, dann verzichtete Aaron in seinem letzten Zug überraschend auf Gegenwehr gegen einen leichten Body-Check von Hans und Günther errang bei 16:16-Punkten Gleichstand über seine Tie-Breaker-Farbe den Sieg.
WPG-Wertung: Es wurde keine neue Wertung vergeben, der bisherige WPG-Durchschnitt von 9.0 dürfte wohl weiterhin bestehen bleiben.
Walter schreibt eine Rezension, besonders weil wir – o Schande – für die 1997er Ausgabe von “Euphrat und Tigris” noch keine geschrieben haben.
2. “Heckmeck am Bratwurmeck”
Als Absacker legte Günther ein weiteres ein Knizia-Spiel auf den Tisch, diesmal aus dem Zoch-Verlag. Ein lustiges Würfelspiel, bei dem es darum geht, die besten Würfe hinzulegen und sich die höchstwertigen Wurm-Plättchen zu erwürfeln. Günther hat eine Ader für solche lockeren Spielchen. Und schließlich gehörte “Heckmeck” voriges Jahr zu der Pflichtspielen bei den Vorentscheidungen zur Deutschen Brettspielmeisterschaft.
Walter durfte 5 mal seine Startspielerwürfe wiederholen, weil er immer noch nicht die Regeln verstanden hatte:
– Pro Wurf muß mindestens eine Zahl herausgelegt werden.
– Pro Wurf darf man nur Würfel einer Zahl herauslegen
– Pro Wurf muß man alle Würfel einer Zahl herauslegen.
– Es darf keine Zahl herausgelegt werden, die bei einem vorherigen Wurf bereits herausgelegt wurde.
– Am Ende eines Wurfes muß mindestens ein Wurm-Würfel herausgelegt worden sein, sonst ist der gesamte Wurf ungültig.
Wer mit seiner Würfelsumme gut genug liegt, darf sich von der Auslage auf dem Tisch ein Plättchen mit Siegpunkt-Würmern nehmen. Da kommt Freude auf.
Wer sogar genau die Zahl eines Wurmplättchens seiner Mitspielern gewürfelt hat, darf es ihm wegnehmen und in seinen eigenen Besitz einreihen. Da kommt ebenfalls Freude auf. Aber nicht auf der anderen Seite.
Wer nichts Passendes würfelt, muß ein Wurmplättchen aus seinem Besitz zurückgeben. Auch da kommt Freude auf. Diesmal aber nur bei den anderen.
“Heckmeck am Bratwurmeck” ist ein chaotisches Spielchen, bei dem man nicht verbissen auf den Sieg schauen darf, sonst ist der Frustfaktor entschieden zu hoch. Atmosphäre ist alles. Wir haben viel gelacht, nicht so sehr wegen des Spiels, aber immerhin während des Spiels und mit dem Spiel.
Es ist leider nicht bekannt, zu welchem Würfelspiel der Kaiser Augustus den oben aufgeführten Briefausschnitt in die Weltliteratur eingehen lies. “Heckmeck am Bratwurmeck” war es sicher nicht, denn dann hätte er nicht ständig “Alea jacta est” gerufen, sondern “Ein Wurm ist ein Wurm”!
Die heutige WPG-Wertung stimmt sehr gut mit den Noten von vor zwei Jahren überein:
Aaron: 5, Günther: 7, Hans: 6, Walter: 6
12.06.2007: Caylus – Magna Charta, Wikinger und Bluff
Woher bekommen wir die vielen neuen Spiele, über die wir regelmäßig berichten? Ist es so, daß uns die Spielverlage sponsoren und mit Rezensionsexemplaren überschütten? Ja und nein. Überschüttet werden wir nicht, aber in Essen sind Aaron, Moritz und Günther gern gesehene Stammgäste und können so manches Spiel kostenlos in ihren Ranzen packen. Aber wir kaufen auch viele Spiele gegen bares Geld und ohne Rabatt. Manche Kleinverlage können sich kostenlose Rezensionsexemplare einfach nicht leisten und manche Großverlage haben einfach ihre Taschen zugeknöpft.
In unserem Spielkritiken machen wir allerdings keine Unterscheidung, ob uns ein Verlag entgegengekommen ist oder nicht. Wir weisen es auch nicht in einem Nebensatz aus. Schlechte Spiele versuchen wir ohnehin erst gar nicht zu verkosten. Nicht mal geschenkt!
1. “Caylus – Magna Charta”
Eine nagelneue abgespeckte Version des großen “Caylus”, das im Jahr 2006 den Sonderpreis “komplexestes Spiel das Jahres” gewonnen hat. Aaron hat das Spiel ganz frisch gekauft (!). Günther legte auch gleich noch den Extension-Kit dazu, den die Abonnenten der “Spielbox” bekommen haben: Eine zusätzliche Karte für einen weiteren “Prestigebau”.
Was ist in “Magna Charta” anders als in der großen Urversion? Hierzu ein paar Stichworte:
– Es gibt kein Spielbrett, das Geschehen mit dem Bauen und Nutzen von Gebäuden spielt sich direkt auf der Tischplatte ab.
– Jeder Zug kostet 1 Dinar, unabhängig davon, ob schon gepaßt wurde oder nicht.
– Es gibt keinen Kampf um die Prestige-Punkte beim Schloß. Wer sich im Schloß engagiert, bekommt lediglich Siegpunkt-Bonusse und ggf. auch noch ein Stück Gold.
– Das Engagement im Schloß gehört auch nicht zu den regulären Zügen, sondern wird erst hinterher angehängt. Wer vorher zuerst gepaßt hat, darf hier zuerst ziehen; damit wird ein (weiterer) Anreiz gegeben, sein Zugpotential nicht bis zum letzten Heller auszureizen.
Peter wollte uns nicht den Moritz machen und verzichtete auf unsere Standard-Methode zur Bestimmung des Startspielers. Er nahm einfach von jedem einen Pöppel in die Hand und lies daraus den Startspieler ziehen. Frei nach Einstein’s Motto: “Everything should be made as simple as possible, but not simpler”.
Wir gingend das Spiel sehr konstruktiv an. Kein einziges Mal wurde der Vogt zurückgesetzt, um einen Spieler um seine Geschäftseinkünfte zu bringen. Walter wurde von Günther (unter allseitiger Billigung) prophylaktisch auf mögliche Spielfehler aufmerksam gemacht, die auf Grund von mangelnder Regelkenntnis schon in der Luft lagen. Die unvermeidliche Konkurrenz beim Nutzen der Ressourcen war die einzige gegenseitige spielerische Aggressivität. Aber sie gehört ja zu den Qualitäten von Caylus, auch zu denen von “Magna Charta”.
Nach knapp zwei Stunden führte Günther gewollt das Spielende herbei, bevor die anderen noch mal mit Prestige-Bauten einen Sprung nach vorne tun konnten. Fast hätte es zum Sieg gereicht, doch der alte Caylus-Fuchs Peter behielt mit 2 Punkten Vorsprung die Oberhand.
Einhellig waren wir der Meinung, das “Caylus” gegenüber “Magna Charta” sehr gut abgespeckt ist. Für Peter ist es übrigens neben “San Juan” von Alea die einzige verkürzte Spielvariante, die vom Glanz des Original nichts verloren hat. Ich wollte letzteres auch von “Euphrat & Tigris” behaupten, erntete dabei aber erheblichen Widerspruch.
WPG-Wertung: Unisono vergaben Aaron, Günther, Peter und Walter 8 Punkte. Sicherlich hat dabei der eine oder andere sogar zu 9 Punkten hintendiert.
2. “Wikinger”
Unser gerade erst gekürtes “Spiel des Monats” bekam gleich noch mal eine Chance, die Berechtigung seiner Wahl zu demonstrieren. Es konnte überzeugen.
Jeder Spieler baut sich seine Inselwelt zusammen und ergattert dabei Siegpunkte. Es gibt laufend Wertungen, mit Geld- und Siegpunkt-Prämien, und es gibt eine Schlußwertung mit Sonderprämien für die längsten, die dicksten, die meisten und andere Qualitätsmerkmale, die ein Wikinger auf seiner Inselwelt hochgezogen hat.
Es gibt eine Regelvariante, bei der der Startspieler versteigert wird. Er bekommt dann zusätzlich eine Auswahloption bei den Bevölkerungsfiguren und er darf auch noch eine Spielfarbe (=Berufsgruppe) bevorzugt auf der Preistafel positionieren. Für harte Rechner sollte diese Regel unbedingt eingeführt werden; wer die “Wikinger” mehr spielerisch angeht oder am Ende eine Entschuldigung braucht, warum er nicht gewonnen hat, der kann darauf verzichten.
Keine neue WPG-Wertung: der bisherige sehr gute Schnitt von 8.3 Punkten wurde vollauf bestätigt.
3. “Bluff”
Peter kam in der Sitzreihenfolge nach Walter und tat gut daran, dessen hohe Vorgaben zu glauben und Aaron mit noch höhren Werten zu konfrontieren. Es reichte aber nicht zum Sieg; ganz im Gegenteil, als erster war er alle Würfel los und konnte ohne Hetze zur U-Bahn abdüsen.
Im Endspiel standen sich Walter und Günther gegenüber, doch da es kein 1:1-Endspiel war, bekam keine Immer-X-Strategie Wasser auf seine Mühlen. Die besseren Würfel gaben den Ausschlag.
Im zweiten Spiel, jetzt in der Dreierrunde, hatte Günther im Nu sein letztes Hemd ausgeziehen müssen. Er hätte ebenfalls zur U-Bahn abdampfen können, wenn er nicht mit dem Auto angereist wäre. Aaron und Walter bestritten mit je 5 Würfeln das Endspiel. Aaron blieb sein sprichwörtliches Würfel(un)glück treu: Er konnte Walter keinen einzigen Würfel abluchsen.
Walter war auch im dritten Endspiel. Mit 2:1-Würfeln in der Unterzahl gegen Aaron hatte er eine Fünf unter seinem Würfelbecher. Was sollte er vorgeben? 2 mal die Fünf? Nicht schlecht gedacht, aber gegen Aarons Würfel(un)glück hätte 1 mal die Fünf gerade gereicht. Und 2 mal die Fünf war einfach zu hoch.
30.05.2007: Wiedersehn mit “Friedrich”
Moritz wiegt seinen Milo in der Maxvorstadt, Andrea versucht sogar, ihn zu stillen. Peter wiegt seine Loredana in der Sahara und Wolfgang seine Carmen am Soyensee. Günther kämpft um Sponsoren für sein Yspahan-Puzzle. (Könnte es sein, daß wir WPG-Hobby-Spieler nicht nur den Aufwand für den geplanten Spiel-Wettbewerb a la St. Petersburg tragen müssen, sondern auch noch die Sieger-Preise aus der eigenen Amateur-Kasse tragen? “Ystari” ist halt noch kein Großverlag, der diese Kampagne aus seiner kleinen Porto-Kasse finanzieren kann! Günther kämpft noch.) So kam diesmal nur eine kleine intime Dreier-Runde zustande.
1. “Friedrich”
In der Konkurrenz gegen “Tempus” und “Mykerinos” setzte sich “Friedrich” problemlos durch und ließ auch gleich die Stimmung in die Höhe schnellen. Schon beim Vorbereiten der Startaufstellung konnte Aaron seine euphorische Erinnerung nicht zügeln: “Das Spiel ist wahnsinnig gut ausbalanciert! Das ist faszinierend!”
Eine Stunde durfte Aaron die Regeln vortragen, für Hans als Neu-Information und für mich zur Auffrischung. Wir hörten andächtig zu, nicht nur, weil er eine angenehme Stimme hat und gut vortragen kann, auch weil das Spiel einfach stimmig ist und das in jedem Satz des Regelwerkes zum Ausdruck kommt.
“Friedrich” ist ein Kriegsspiel. Kampf, Deckung, Eroberung, Versorgung, Rückzug und Flucht sind die Begriffe, in denen sich das Spielgeschehen abspielt. Die Parteien müssen ihre Armeen aufmarschieren lassen, Schlachten schlagen, gegnerische Truppen dezimieren oder deren Tross zerstören, und als Siegbedingung eine Reihe von Städten erobern. Friedrich, der Große, ist der große, asymmetrische Gegenspieler aller anderen Parteien. Er kann das Spiel nur gewinnen, wenn er einen Sieg aller seiner Gegner verhindert. Truppen sind schlichte, zufällig verteilte Kampfkarten, die in einer Art Stichspiel den Sieger einer Schlacht bestimmen. Doch trotz unverkennbarer Zufallseinflüsse bestimmt letztendlich eine überlegene Planung, abgestimmte Truppenaufstellung, dosierte Angriffe und ein geordneter Rückzug den Sieger:
“Das Kriegsglück wechselt mit dem Können!”
Aaron machte uns den Friedrich. Es war das erste Mal in seinem Leben, daß er diese Rolle spielen durfte. Normalerweise haben sich die streitlustigeren unter den Westparkgamers diese Rolle schnell unter den Nagel gerissen. Er schwächte freiwillig den linken Flügel gegenüber Russland und konzentrierte sich auf die Auseinandersetzung mit Maria Theresia um die schlesischen Besitzstände. Elisabeth von Russland konnte sich widerstandslos die ostpreussischen Siegstädte einverleiben, bis dann der Vorstoß ins preussische Zentrum zu einem zähen Stellungskampf ausartete.
Hans führte die Österreicher und die Reichsarmee. Mit seinen 5 österreichischen Generälen und ihren 30 Armeen kam er noch einigermaßen flott über die Runden. Doch die winzige Reichsarmee mit ihrem einzigen General und der einzige Kampfkarte, die ihr pro Runde zustand, forderte sein strategisches Genie heraus. An seinen militärischen Operationen nagte er fast so lange wie Pompejus vor Philippi. Und mit dem gleichen Erfolg. Als er die Reichsarmee abgeben mußte, war es nur noch ein armseliger versprengter Haufen ohne Moral und Ziel. – In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister! Oder auch nicht!
Im Mittelteil der Spieles konnte Walter mit Karo von der schwedischen und Pik von der russischen Seite her “Friedrich” erhebliche Verluste beibringen, aber es reichte für ihn selbst nicht einmal zu Pyrrhus-Siegen, es waren eher Pyrrhus-Niederlagen. Doch Friedrich war geschwächt und mußte auf ungünstigem Karo-Gelände die Eroberung der letzten freien Siegpunkt-Städte durch Östererreicher verhindern. Ein Entsatz-Angriff auf die ungeschützen Städte auf böhmischem Boden hätte hier noch mal das Blatt wenden können, doch er warf alle seine Truppen an die schlesische Front – und unterlag. Elisabeth von Russland war noch nicht gestorben, Frankreicht hatte Kanada noch nicht an die Briten verloren und die Schweden hatten noch keinen Separatfrieden geschlossen. Die Geschichte war wieder einmal umgeschrieben worden.
Zum ersten Mal stellte sich bei uns die Frage, ob “Friedrich” nicht einen deutlichen “Kingmaker-Effekt” in sich trägt. Wenn Preussen am Ende ist, kann es seine restlichen Truppen einseitig gegen irgendeinen Gegner aufmarschieren lassen und damit allen anderen Spielern das Tor zu einem ungehinderten Sieg öffnen. Das ist wohl wahr. Doch “Friedrich” gelingt es, selbst bei den dicksten Pazifisten noch die letzten kriegsspielerischen Hormone zu aktivieren, so daß sie den Eroberungs- oder Durchhaltekampf bis zum letzten Tropfen Blut hinauszögern, und dabei gegen jedermann einen fairen Kampf liefern. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, warum das so ist, aber es ist so!
Daß es noch dazu an keiner Stelle seinen spielerischen Charakter verliert, macht es für mich zum besten Kriegsspiel deutscher Produktion.
WPG-Wertung: Zum sehr hohen WPG-Durchschnitt von 8,7 Punkten vergab Hans auch noch 9 Punkte (“weil Preussen eine Chance hat”)