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27.07.2022: Naturkosmetik im Bois de Bologne

1. “Living Forest”

In unserer WPG-Runde bei BGA schon dreimal gespielt, sollte das frisch gekürte Kennerspiel-des-Jahres auch mal in der Realität am Tisch seine Qualitäten zeigen.

Lassen wir wie gewohnt das Thema beiseite, nur Moritz wollte über die Naturgeister, den geweihten Baum und den Flammengeist aufgeklärt werden.

Die WPG-Runde mit „Living Forest“ aus der Vogelperspektive

„Living Forest“ ist ein Deckbuilding-Spiel mit einem Can’t Stop Mechanismus. Jeder Spieler bekommt das gleiche Potenzkartendeck, die in den Kategorien

  • Weitere Potenzkarten kaufen
  •  Bäume kaufen
  •  Feuer kaufen
  •  Schritte auf einem Kreiskurs absolvieren
  •  Heilige Blumen präsentieren

unterschiedliche Stärken aufweisen.

Wir dürfen von unserem verdeckten Kartendeck beliebig viele Karten ziehen und aufdecken. Allerdings gibt es auch böse Karten darunter, und wenn wir beim Aufdecken die dritte böse Karten gezogen haben, ist zwangsweise Schluss, und wir büßen danach auch noch eine unserer zwei Aktionsmöglichkeiten pro Zug ein (Potenzkarten kaufen, Bäume kaufen …).

Gegen die bösen Karten gibt es zwei Hilfsmittel: 1) gute Karten (die erst durch Nachkaufen ins Spiel kommen) und 2) Neutralisierer. Wer genug gute Karten und/oder Neutralisierer auf der Hand hat, kann u.U. sein gesamtes Kartendeck offenlegen und nutzen; das ist gegen Ende des Spiels durchaus keine Seltenheit.

Nach dem Kauf von Karten kommen entsprechend viel Flammen ins Spiel, die weggekauft werden müssen, bevor sie überhandnehmen und jeden von uns mit zusätzlichen bösen Karten überschwemmen. Das Wegkaufen hat aber auch einen Vorteil, denn es erfüllt eine der Siegbedingungen: Sobald ein Spieler zwölf Flammen oder zwölf Bäume gekauft oder in seinen aufgedeckten Karten zwölf „Heilige Blumen“ präsent hat, ist das Spiel zu Ende. Ist man der einzige Spieler, dem dies geglückt ist, so hat man gewonnen; haben mehrere Spieler zugleich dieses Ziel erreicht, gibt es Tiebreak-Regelungen. In jedem Fall bietet das Aneignen von Flammen eine große Chance zum Sieg, denn wenn die Mitspieler nicht konsequent dagegen arbeiten, fallen einem die Flammen gleich massenweise in den Schoß.

Die „Bäumestrategie“ kann man hingegen mehr oder weniger ungestört von den Mitspielern fahren, es sollten sich nur nicht zu viele Spieler um die wenigen Karten mit hohem Bäume-Potential streiten. Und natürlich sollten die eigenen Potenzkarten mit Baum-Potential öfters mal in glücklicher Kombination auftreten.

Wer auf die „Heiligen Bäume“ setzt, ist absolut davon abhängig, dass am entscheidenden Zeitpunkt zum Spielende seine Blumenkarten alle rechtzeitig auftauchen, bevor die bösen Karten ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Ein gewisser Vorrat an Neutralisierern kann hier das Zünglein an der Waage spielen.

Bleibt noch der Kreiskurs zu erwähnen, auf dem wir optional unser Schrittepotential abwickeln können. Wir landen dabei jeweils auf Feldern, die uns erlauben, eine der Standardaktionen (Potenzkarten kaufen, Bäume kaufen …) durchzuführen. Dann ist es natürlich ein gefundenes Fressen, wenn wir in einer Kategorie gerade besonders viele starke Karten gezogen haben und dann die zugehörige Aktion einmal als Standard und ein zweites Mal via Kreiskurs ausführen dürfen.

Das ist eigentlich schon Genug des Vorteils, sich über den Kreiskurs zu bewegen. Wer bei seinem Vorwärtsgehen aber auch noch einen Mitspieler überspringt, darf ihm eine Siegpunkt-Bonuskarte klauen. Pfui! Musste das sein?? Erstens ist Klauen unethisch und chaotisch und zweitens ist damit eine böse Tür zur Kingmakerei geöffnet. Das hatte „Living Forest“ nicht nötig.

Die wohlgeordnete Baumschule in „Living Forest“

Es ist ein schönes Spiel, alles funktioniert, alles ist rund. Viele spielerische Elemente sind zu einem harmonischen Gesamtwerk zusammengefügt. Es gibt keine Sackgassen, für alle problematischen Situationen sind Weichmacher eingebaut. In unseren Aktionen haben wir haben viele Freiheitsgrade und können dabei mehrere grundsätzlich verschiedene Schienen fahren. In den Augen eines jugendlichen Hausmanns- und Vielspieler, der mehr als nur anspruchslose Famlienspiele des Jahres spielen möchte (aber auch solche), ist „Living Forest“ ein angenehmes Exemplar in seiner Sammlung.

Die geschmäcklerischen alten Westpark-Gamers haben dazu aber noch eine andere Sicht.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ich habe das Spiel jetzt 5 mal gespielt, dabei kam es mir von Mal zu Mal uninteressanter vor; die Rumzählerei macht keinen Spaß, auf die Siepunkte der anderen zu achten ist lästig, und das Klauen im Kreiskurs absolut unschön; der Wiederspielreiz scheint mir nicht allzu hoch zu sein), Günther: 5 (die Möglichkeiten für Kingmakerei sind negativ; dass wir am Ende immer alle dicht beieinander landen, ist wohl zu viel Symmetrie und Nivellierung im Spielablauf geschuldet), Moritz: 4 (durch den Zufall der Karten beim ersten Ziehen ist fast schon die Schiene vorgegeben, in der man sich entwickeln muss. Der Feuermechanismus ist interessant, sonst kaum noch was. Es gab wenig, über das ich hätte nachdenken können, deshalb habe ich mich gelangweilt), Walter: 6 (das Spiel ist konstruktiv und spielerisch, Zufall und Planbarkeit stehen in einem ausgewogenen Verhältnis, als alte Hasen sollten wir an diesem gefälligen sauberen Spieldesign nicht allzu scharf herumkritteln).

2. “Paris”

Zum Thema laut Regelheft: „Paris befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Verwandlung in eine der schönsten Städte der Welt.“ Wir sind Immobilieninvestoren und dürfen dabei mithelfen.

Die Rotunde von „Paris“

Auf einer sehr hübschen Konstruktion einer Spielbrett-Rotunde finden wir sechs Bezirke von Paris mit je sechs Bauplätzen. Jeder Bauplatz hat eine wohlgeordnete Wertigkeit, die in jedem Bezirk gleichförmig die Werte 1 bis 5 und 8 einnehmen. Pro Zug baut jeder Spieler jeweils irgendwo auf einem dieser freien Bauplätze (kostenlos; die jeweilige Position wird vom verdeckten Stapel zufällig gezogen) ein Gebäude und schickt dann einen seiner Agenten irgendwohin auf den Weg zu einer glücklichen Investition. Er kann

  • einen Agenten aus seinem Büro in das Eingangstor zu einem beliebigen Bezirk schicken. Das kostet nichts, im Gegenteil, dafür bekommt ein Spieler sogar einen nicht zu verachtenden Betrag.
  • einen bereits am Eingangstor eines Gebietes stehenden Agenten auf ein freies der dort bereits gebauten Gebäude stellen. Das kostet jetzt Geld: je höherwertig das Gebäude, desto höher der Preis.
  • einen bereits auf einem Gebäude stehenden Agenten auf ein höherwertiges Gebäude in demselben Bezirk setzen. Claro, dafür muss man die Differenz der Wertigkeiten bezahlen.
  • den Bebauungsplan in einem Bezirk um einen – noch höherwertigeren – Sonderplatz erweitern (das kostet Ressourcen) und dann seinen Agenten daraufsetzen (das kostet nochmals Geld).
  • einen Agenten auf den Place de l’Étoile setzen. Das kostet nichts und bringt auch nichts ein, aber dafür darf ein Agent später von dieser Stelle aus auf ein beliebiges freies Gebäude in einem beliebigen der sechs Bezirke versetzt werden (natürlich zum entsprechenden Preis).

Und wofür macht man das alles? Bei Spielende werden die Mehrheiten in jedem Bezirk prämiert. Dazu werden die Gebäudewertigkeiten aller Agenten eines Spielers für jeden Bezirk addiert und diese Summen mit denen der Mitspieler verglichen; wer die höchste Summe aufweist, bekommt viele Siegpunkte, der Zweite bekommt die Hälfte und der Dritte nur noch ein Viertel. Wie hoch die jeweilige Höchstprämie in jedem Bezirk ist, wird erst während des Spiels ausgekaspert, so dass nicht sogleich mit dem Spielbeginn ein Run auf die besten Plätze einsetzen kann.

Neben dem Bauplan von Paris ist das wichtige Spielelement eine Leiste von 30 Bonusplättchen. Sie gewähren Geld, Ressourcen und eine ganze Latte von weiteren Vergünstigungen, vor allem aber prämieren sie bestimmte Kombinationen von Positionen der Agenten eines Spielers mit Siegpunkten. Manche Plättchen gibt es nur einmal, wer zuerst kommt, mahlt (nicht nur zuerst sondern als einziger), manche Plättchen gibt es mehrfach, so dass sich mehrere Spieler, aber in keinem Fall alle,  diese Vergünstigungen aneignen können.

In den Besitz eines Bonusplättchen kommt man, wenn man seinen Bonusmarker daraufstellt. Bewegen darf man den Bonusmarker immer dann, wenn man vorher seinen Agenten auf eines der Gebäude mit der Wertigkeit 1 bis 3 gestellt hat. Bei jeder Bewegung dieses Markers darf man ihn um beliebig viele Stellen in vorwärts Richtung versetzen. Die besten Boni gibt es am Ende, es verlockt also, so schnell wie möglich in die vordersten Regionen zu positionieren, aber danach gibt es kein Zurück mehr; es ist ein Feilschen mit sich selbst, ob man die Bonusplättchen langsam Schritt für Schritt abgrasen will oder gleich auf den dicken Siegpunktereibach am Ende zugeht.

Paris entsteht, Paris leuchtet. Wer die lukrativsten Bonusplättchen erwerben, seine Agenten en passant entsprechend positionieren und in den Bezirken bei den Mehrheiten glücklich agieren konnte, gewinnt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (viel zu kleinteilig, nix Schlechtes, aber der Spielablauf ist ein dröges Kucken, Rechnen, Machen), Günther: 6 (reines Mitspielerchaos), Moritz: 8 (mir gefällt die fluide Situation, es ist interessant und der Spielausgang ist offen), Walter: 5 (der ganze Zauber dreht sich finalmente ausschließlich um Konkurrenz beim Zugriff auf die besten Plättchen und um chaotisch-kingmakerische Mehrheitsbildung; zudem erfährt der Spielfluss in den letzten Runden keine dynamische Steigerung mehr, sondern er flaut – wenn die Spieler ihr Geldpulver überwiegend verschossen haben – ziemlich ab. Oder besteht gutes Spiel etwa darin, sich in den ersten drei Vierteln des Spiels bei jeder Gelegenheit mit Geld einzudecken, um damit im letzten Viertel alle Mehrheiten zu knacken? Das ist des Spielspaßes zu wenig.)

20.07.2022: Druiden im Schwarzen Turm

1. “Return to Dark Tower”

„Dark Tower“ aus den 80er Jahren des vorigen Jahrtausends hat einen Nachfolger erhalten. Abenteuerlich wie bisher, jetzt aber kooperativ.

„Turm und Szenerie in „Return to Dark Tower“

Jeder Spieler besitzt eine Figur mit unterschiedlichen Eigenschaften. Wir bewegen uns unabhängig voneinander frei durch ein freies Gelände. Allein die Bewegung stärkt pro Runde unsere Kampfkraft und unseren Geist. Über allfällig anstehende Aufräumungsarbeiten (Totenschädel Beiseite-Schaffen) und „Reinforce“-Tätigkeiten in ausgewählten Lokalitäten gewinnen wir weitere Stärken und Hilfsmittel, die wir für das erfolgreiche Bestehen des finalen Entscheidungskampfes benötigen. Aber bevor es dazu kommt, tauchen immer mal wieder mystische Unholde auf, die es zu bekämpfen gilt, bevor sie und über den Kopf wachsen.

So plätschert unsere Entwicklung zwischen friedlichen und kriegerischen Aktivitäten locker und repetitiv dahin, bis wir die Bedingung für das Finale erreicht haben. (Bei uns musste Walter dafür 100 Einheiten Kampfstärke aufgesammelt haben.) Dann geht es Knall auf Fall: Jeder stürzt sich auf das letzte Monster, investiert – solange er überleben kann – alle Kampfkraft, alle Geister, alle Hilfsmittel und alle Hilfskräfte darauf, das Monster klein zu kriegen, und wenn einer von uns schlussendlich stärker ist als das geschwächte Monster, so ist das Spiel zu Ende und wir haben alle miteinander gewonnen. Wo nicht, so haben wir halt alle verloren.

Dieses Kick-Starter-Spiel hat seinen erklecklichen Preis. Gut 220 Dollar darf man hinblättern. Dafür bekommt man aber auch eine Menge Material, die nur in 2 Spieleschachteln untergebracht werden kann:
1 Turm, 4 Helden mit jeweils eigenem Spielbrett, ungezählte Schatzkarten, ungezählte Zauberkarten, ungezählte Ausrüstungskarten, ungezählte Begleiterkarten, ungezählte Feindkarten, ungezählte Vorteilsplättchen, Kriegermarker, Spirit-Marker, 8 Beschädigungsmarker, 3 Quest-Marker, ungezählte Spezialmarker und ungezählte Spezialkarten. Warum sich die Hilfsmittel für Freund und Feind in so vielen verschiedenen Kategorien inkarnieren, das ist für einen unbedarften Spieler nicht zu erkennen. Ist auch nicht so wichtig und ist mir beim Spielen auch gar nicht aufgefallen, erst jetzt hinterher beim Schmökern im Regelheft.

Der bemerkenswerteste Teil des Spielmaterials ist ein gewaltiger Turm, der in der Mitte des Spielplans steht und mittels einer eigenen App von außen gesteuert wird. Er blinkt situationsorientiert rot auf, gibt lustige oder auch beängstigende Geräusche von sich, markiert gute und (meist) böse Positionen und spuckt die Totenschädel aus, die wir ständig aufräumen müssen, um nicht darüber zu stolpern.

Moritz mit seiner schönsten Potenz

Man wird dem Spiel sicher nicht gerecht, wenn man es als alternder, nüchterner Mathematiker (anM) angeht. Man muss es mit den Augen eines Moritz, eines jungen, kreativen, phantasievollen Künstlers sehen. Dann läuft einem die Beschreibung bei BBG wie Öl durch die Kehle. Hier ist sie:

Das coolste Spiel (anM: für mich ist das „1830“), das jemals auf den Planeten kam (anM: als göttliches Geschenk vom Himmel gefallen?), erschien erstmals vor etwa 38 Jahren, mit einem elektronischen Turm, der aufleuchtete, Musik spielte und irgendwie ein episches Fantasy-Abenteuerspiel mit seiner hochmodernen technologischen Zauberei betrieb. Dieses Spiel war „Dark Tower“ (anM: Ich kenne dieses Spiel leider nicht).

Wir möchten Ihnen das gleiche Gefühl der Ehrfurcht
(anM: vor wem oder was?) und Verwunderung (anM: über das rote Blinken im schwarzen Turm?) vermitteln und die Grenzen dessen verschieben, was ein Brettspiel tatsächlich leisten kann (anM: mein Gott, welche Brettspiel-Grenzen haben die Autoren denn jemals erfahren?).

Nach 3 Jahren sorgfältiger Arbeit
(anM: an seinem absolut geilen „Friedrich“ hat Richard Sivél sogar 20 Jahre lang gearbeitet) eines Teams aus zwei Dutzend Designern, Ingenieuren und Künstlern (anM: 24 Ingenieure und Entwickler riechen eher nach Schweiß als nach Esprit und ihr Produkt riecht eher nach Bomber als nach Jäger) freuen wir uns, Ihnen ein Spiel zu präsentieren, das an dieses längst vergangene Wunder (anM: für ein neugeborenes Kind ist jeder Witz ein Wunder) erinnert, aber letztendlich anders ist als jedes Spiel, das Sie jemals erlebt haben (anM: Wenn das hübsche Weib ihren Bauersmann nicht mehr ins Heu schickt, sondern in den Wald, ist es dann etwas „anderes“?).

„Return to Dark Tower“ ist ein Spiel für 1 bis 4 Helden
(„heroes“: anM: nun ja, so heißen die Pöppel hier, und zuweilen auch anderswo), die epische Quests unternehmen, furchterregende Feinde („fearsome foes“: anM: meine Enkeltochter hat Angst vor Ameisen) bekämpfen und gegen die drohende Dunkelheit des Titelturms ihren Mut auf die Probe stellen („test their mettle“: anM: Ich habe in diesem Spiel Runde für Runde lediglich Kampfkräfte für meine Figur gesammelt und sie in geeignete Momenten mit den entsprechenden Eigenschaften von Plastik-Gegnern verglichen. Glücklicherweise fast immer zu meinen Gunsten). Jetzt mit kooperativem und kompetitivem Spiel. Entworfen von Rob Daviau und Isaac Childres – Designern der beiden bestbewerteten Spiele aller Zeiten bei Board Game Geek („highest rated games of all time“: anM: Spricht das jetzt für die Urteilsfähigkeit von BGG? Oder für deren Geschmack?) – zusammen mit Noah Cohen, Brian Neff und Justin D. Jacobson, bieten die optimierten Regeln („streamlined“: anM: Wer hat denn vorher die non- streamlined Regeln veröffentlicht?) den Spielern schwierige Entscheidungen darüber, wann sie weiterkommen wollen ihr Ziel zu erreichen, Ressourcen zu sammeln, mit Bedrohungen fertig zu werden oder aufzusteigen („difficult choices“: anM: Da gab es nicht viel zu entscheiden, schon gar nicht schwierig; die Spielerentscheidungen ergeben sich mehr oder weniger zwangsläufig aus den wechselnden Situationen heraus).

Jeder Spieler kontrolliert einen einzigartigen Helden
(„unique“: anM: Mein Gott, muss denn ein simples „unterschiedlich“ gleich als einmaliges „einzigartig“ apostrophiert werden)

Wählen Sie in der App virtuelle “Karten” aus dem einzigartigen Deck jedes Feindes
(anM: schon wieder „unique“. Mir reicht es jetzt mit den Superlativen.)

‘Return to Dark Tower‘ stellt ständig neue Herausforderungen. Der Gegner innerhalb des Turms, der Plan, auf den Turm zuzugreifen, und die Gruppe von Feinden, denen Sie gegenüberstehen, können in Tausenden von Kombinationen gemischt und kombiniert werden.“


Moritz hatte mit seiner Familie und wohl auch im Alleingang schon zig dieser Kombinationen durchexerziert, bis er uns jetzt eine weitere davon vorsetzte. Mit absoluter Kompetenz konnte er die App bedienen, ihre Äußerungen verstehen und das Spiel leiten. Bravo! Natürlich kannte er auch als einziger von uns die Fallen, in die wir hätten fallen können, wenn wir von ihm nicht so umsichtig geführt worden wären.

Das ist ja zugleich auch die Crux von solchen kooperativen Spielen: einer spielt und die anderen vertrauen und folgen ihm. Blind am besten. Die vier Köche, die sich hier um den Brei bemüht haben, waren nicht besser als der eine Chefkoch. Es waren keine vier Denker mit Gehirnschmalz gefordert, um hinter die Geheimnisse eines gemeinsamen Problems zu gelangen, sondern lediglich drei Handlanger, die Figuren bewegen und Ressourcen aufnehmen bzw. ausgeben sollten.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (ich hatte gedacht, dass der Turm mehr kann und dass die App mehr bringt), Günther: 8 (keine echten „WPG-Punkte“, sondern eher Nostalgie-Punkte), Moritz: 7 (der Turm ist super gemacht), Walter: 6 (wenn ich mehr Phantasie hätte, mehr Freizeit und mehr Lust an technischem Kinderspielzeug, könnte ich mir – vielleicht – noch eine weitere Solo-Partie vorstellen. Glücklicherweise macht am Westpark ja schon das Zusehen Freude.)

2. “Druids”

Kartenspiele gibt es wie Sand am Meer. Stichkartenspiele ebenfalls: Es gibt verschiedenen Kartenfarben und Kartenwerte und Kartenanzahl; es gibt Trümpfe oder auch keine, man muss Farbe bedienen oder auch nicht, man kann mit den meisten oder mit den wenigsten Stichen gewinnen, mit den Augen, die man dabei kassiert und mit Sonderkombinationen; man bekommt Prämien, wenn man genau oder mindestens so viele Stiche macht, wie angesagt. Und was dergleichen noch so denkbar ist.

„Druids“ ist nun ein Stichkartenspiel aus 60 Karten in 5 Farben mit den Werten von 1 bis 12 plus 5 Sonderkarten. Zu einem Durchgang erhält jeder Mitspieler 14 Karten auf die Hand, die restlichen Karten werden beiseite gelegt. Es gibt keine Trumpf-Farbe, die höchste Karte in der ausgespielten Farbe macht jeweils den Stich.

Die verschiedenen Farben in jedem Stich werden jeweils der Größe nach sortiert (niedrigste nach oben) und danach in den Stichbesitz eines Spielers übereinandergelegt. Am Ende eines Durchgangs zählt für jeden Spieler die Summe der Werte in den obersten Karten jeder Farbe als Pluspunkte.

Besonderheit: Jeder Spieler darf höchstens 4 der 5 Kartenfarben in seinem Stichbesitz haben. Hat er nach einem gewonnenen Stich von allen 5 Farben mindestens eine Karte vor sich liegen, so ist ein Durchgang sofort beendet und der entsprechende Spieler enthält Minuspunkte.

Die 5 Sonderkarten sind einmal die Karte, die den Startspieler kennzeichnet und vier Karten, die als Joker (ohne Stichpotential) jederzeit zugegeben werden können. Zwei Karten davon zwingen der Spieler, der den Stich gemacht hat, die Farbe mit dem höchsten Minimalwert aus seinem Stichbesitz abzuwerfen.

Der Spielwitz besteht also darin,
a) Stiche zu gewinnen, in denen die Minimalwerte der verschiedenen Farben möglichst hoch sind.
b) Wenn man bereits hohe Minimalwerte ausliegen hat, Stiche mit niedrigeren Minimalwerten zu vermeiden.
c) Niedrige Karten einer Farbe in Stiche zuzugeben, die ein Gegner macht.
d) Hohe Karten einer Farbe in Stichen der Gegner loszuwerden, falls von dieser Farbe bereits niedrige Minimalwerte enthalten sind.
e) Die fünfte Kartenfarbe zu vermeiden.

Wie man dazu im Detail vorgeht, ist uns nach dem ersten Kennenlernen noch nicht klar. In jedem Fall ist die Schadenfreude größer als die Freude. Wir haben gelacht.

WPG-Wertung: Aaron: 6, Günther: 6, Moritz: 6 (als Stichkartenspiel ist es originell), Walter: 7 (auch wenn es von uns noch nicht beherrscht wird, so ist es doch eine Herausforderung.)

13.07.2022: Das wunderbare Manitoba

Wenn ein amerikanischer Autor / Verlag sein Spiel in Mecklenburg ansiedelt und dann die Eingeborenen in Lederhosen herumhopsen und Maibäume aufstellen lässt, bekommt er dann von der Kritik Punkt-Abzüge? Das mag jeder halten wie er will, uns ist echtes oder falsches Flavor ohnehin schietegaal? (To whom it may concern.)

1. “Manitoba”

„Manitoba“ – Aaron erklärt auf der sommerlichen Terrasse am Westpark


Wo auch immer. Auf einer gegebenen, in Hexagons aus 5 verschiedenen Farben aufgeteilten Manitoba-Fläche sind 5 Ressourcen (Beeren, Bisons, Pferde, Kanus und Adlerfedern) in genau diesen Farben abgelegt, pro Feld 1 Ressource. Dorthin platziert im Laufe des Spiels jeder Spieler ein paar wenige seiner „Crees“ (Pöppel), sammelt das jeweils auf seinem Standhexagon lagernde Gut ein und lagert es in seinem Beeren-, Bison-, Pferde- oder Kanus-Stadl. Adlerfedern sind Jocker.

Ein Spieler darf mit seinem Cree auch erst noch einen Schritt zur Seite (bzw. vorwärts, rückwärts) tun, bevor er das dort vorhandene Gut aufliest. Das erspart neu einzusetzende Crees, und diese sind eine rare Manpower. Ist die nähere Umgebung allerdings bereits abgegrast – und unter Mithilfe der Mitspieler geschieht das sehr schnell – dann bleibt einem nichts anderes übrig als einen seiner Crees aus seinem Dorfplatz neu einzusetzen – oder ganz auf die entsprechende Einnahme zu verzichten.

In – wenige Schritte – voraus erkennbaren Runden wird der Besitz eines jeden Spieler in einem seiner Stadl honoriert (und anschließend weggeräumt). Dabei werden die gesammelten Quanten an Beeren, Bisons, Pferden oder Kanus nach unorthodox skalierten Maßstäben honoriert.

Ein Spieler darf auf diese Honorierung auch verzichten, um sein gesammeltes Gut erst in einer späteren Runde werten zu lassen, weil er noch ein paar weitere Beeren, Bisons … dazu ernten möchte, und damit die Bereiche von überproportional steigender Skalierung ausnutzen kann.

Nicht alle diese Züge sind a priori erlaubt, manche muss man sich durch Emporsteigen auf den vier Pfaden des „Visionsplanes“ erst erwerben.

Das Bemerkenswerteste (im positiven Sinne) des Spiels ist der Zug-Mechanismus. Es gibt ein „Totem“ bestehend auf 5 übereinander gestapelten Scheiben in genau den 5 Farben der Ressourcen. Der aktive Spieler wählt beliebig die Scheibe mit der Farbe, auf deren korrespondierenden Manitoba-Hexagon er einen seiner Crees ernten lassen will. Er hebt dann diese Scheibe und alle darüber liegenden Scheiben vom Totem ab und legt sie in einen temporären Bereich. Nachdem er seinen Zug ausgeführt hat, dürfen alle Mitspieler eine eigene Sekundär-Aktion basierend auf einer beliebigen Scheibe im temporären Bereich ausführen.

Natürlich liegt es im heimlichen Bestreben eines Spielers, so wenige Scheiben wie möglich vom Totem abzuheben, möglichst nur die oberste Scheibe, um damit den Aktionsradius seiner Mitspieler zu begrenzen, u.U. vielleicht sogar auf Null, wenn z.B. nur ein einziges Gut dieser Farbe in Manitoba vorhanden ist, und dieses vom aktiven Spieler selber kassiert wird. Aber ein wirklich wirksames Verfolgen diese Miesnickeligkeit lässt sich nur schwer realisieren, es liegt zu oft im Konflikt mit anderen, lukrativeren Zügen.

Moritz gewann mit nur genau 1 Punkt Vorsprung vor Günther und einem klaren Vorsprung vor Aaron und Walter – ein deutliches Zeichen für ein planbares Spiel, das in der Punkte-Vergabe Spiel auch nicht nach einem Gießkannenprinzip vorgeht.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (die Idee für den Zug-Mechanismus ist gut, auch wenn sie noch leichte Unschärfen besitzt; die Geschwindigkeit, mit der sich das Spiel spielt, wiegt seine Schwächen nicht auf; allein schon die Ressourcen-Knappheit ist ein unnötiges Glückselement), Günther: 6 (der „Visionsplan“ und ein paar weitere Spielelemente sind wenig relevant), Moritz: 7 (das Spiel ist nicht uninteressant, für mehr Punkte ist es allerdings nicht innovativ genug), Walter: 5 (rund mit Ecken, der (lendenlahme) Run auf die Punktausbeute ist ein rechtes „Gefrickel“ [Moritz-Terminologie]).

2. “Eine wunderbare Welt”

Wir sind weder in Mecklenburg-Vorpommern noch in Manitoba. Der Verlag schreibt schlicht: „Ihr lenkt die Geschicke eines expandierenden Imperiums. Entwickelt euch schneller und besser als eure Konkurrenten“! Uns am Westpark reicht das, nur Moritz vermisst etwas Thema, in dem er Phantasie und Emotionen auslassen kann.

„Eine wunderschöne Welt“ – Spielmaterial.

Der Titel erinnert an „7 Wonders“, davon sind auch wesentliche Teile des Spielprinzips abgekupfert. Wir sammeln Produktionskarten, die Rohstoffe und Punkte liefern. und mit Rohstoffe erwerben wir weiterer Produktionskarten. Diese Karten können bei Bedarf auch als Rohstoff eingesetzt werden, bei “7 Wonders” entspricht das dem Verscherbeln zu Geld.

Es gibt das bekannte Karten-Drafting, anhand dessen wir uns aus einem Set von 7 Karten Stück für Stück heraussuchen, um daraus unser Imperium zu bauen. Und jeder Spieler bekommt wie bei „7 Wonders“ im Startaufbau eine individuelle Produktionskarte, die (auf der A-Seite) einem jeden Spieler schon sehr deutlich in die Schiene drückt, in der er sich entwickeln soll, wenn er Chancen auf den Sieg haben will.

Als Schienen sind 5 Kategorien gegeben, sie tragen die Namen Baumaterial, Energie, Wissen, Gold und Erkundung, aber mnemotechnisch sind sie sehr viel besser durch die zugehörigen Farben grau, schwarz, grün, gelb und blau identifiziert. Wir haben das Spiel gespielt, ohne auch nur einen einzigen Blick auf diese Kategorienamen zu werfen. Genauso wenig haben uns die Namen der Karten interessiert. Namen wie „Industriekomplex“, „Panzerdivision“ (für Energie!), Quantengenerator oder „König Salomos Minen“ zeigen auch keinerlei Auseinandersetzung mit Thema und Technik an, höchstenfalls dies, dass Autor/Verlag routiniert-mechanisch im Internet nach einigermaßen klingenden Begriffen gesucht haben. Das Spiel ist nicht von einem leidenschaftlichen Spieleautor erfunden worden, der eine Idee, einen Traum für die Spielergemeinde realisieren wollte, sondern von einem umsatzorientierten Unternehmer, der lediglich mit plagierend-adaptierten Elementen auf einen fahrenden Zug aufsprang, um dort sein kleines Geschäft zu erledigen.

Moritz gewann mit mehr als doppelt so vielen Punkten wie Günther als Zweiter. Er erreichte genau 100 Punkte und wurde damit nach dem Regelheft als „lebender Gott“ apostrophiert. Nichts gegen deinen tollen Sieg, lieber Moritz, nichts gegen dein zweifelsohne konsequentes, erfolgsorientiertes Vorgehen; aber du hast selber unverzüglich zugestanden, dass dich die Startaufstellung mehr oder weniger auf diese Schiene gedrückt hat. Die „Asiatische Förderation“, die a priori zwei gelbe Kaufkräfte besitzt, die in der Schlussabrechnung den Besitz von gelben Karten honoriert, ausgerechnet eine Kartenfarbe, von der auch noch die meisten Karten im Kartendeck sind – mehr als die anderen punkte-trächtigen Karten grün oder blau -, und deren intra-spezifische Produktion (also gelb für gelb) am höchsten von allen Farben ist, ist als – gekonnt gefahrene – gelbe Schiene nicht zu toppen. Es sei denn, die Mitspieler würden – die eigene Siegchance aufopfernd, oder kingmakerisch sich absprechend – dagegen arbeiten. Aber selbst unser Meister im Analysieren von Besitzstand und Ambitionen der Konkurrenz bekannte: „Die ausgewählten Karten der Mitspieler beobachten wird man wohl nicht. Da sind die fertigen und begonnenen Karten wichtiger …“

Ein Spiel, in dem Günther mit der halben Punktezahl an der zweiten Stelle landet, hat in Bezug auf Planbarkeit und Ausgewogenheit erhebliche Schwächen.

WPG-Wertung: Aaron:4 (die Hälfte der Punkte von „7 Wonders“, reines, abstraktes Farbensammeln; gegen Mitspieler zu spielen (wie in der grünen oder roten Strategie von „7 Wonders“) ist nicht gut praktizierbar), Günther: 8 (ein schnelles Spiel, schnell erklärt, es gibt viele Möglichkeiten zu verfolgen), Moritz: 8 (ein Spiel für die Gewinnpunkt-Maximierung, so etwas macht immer Spaß), Walter: 5 (zu abstrakt, zu zufällig, zu solitär, zu schweißtreibend und zu wenig spielerisch).

06.07.2022: Pfisters Segensee

1. “Boonlake”
Schon wieder so ein Schinken.

Wir besiedeln die unbevölkerte Region um den „Boonsee“. Wir urbanisieren die Landschafts-Hexagons, bringen Rinder ein, bauen Häuschen, Produktionsstätten und Siedlungen, ziehen Projektkarten und kaufen sie in unsere Auslage oder verscherbeln sie, um flüssiger zu werden, und wenn wir das lang genug, sehr repetitiv praktiziert haben, dann können wir auch mal ein Wertungsplättchen bezahlen und uns dafür die Erträge, die bei unseren sonstigen Aktionen sehr sparsam fließen, gleich in einer gewissen Potenz zuschwappen lassen.

“Boonlake”: Günther erklärt Aaron ein Regeldetail

Bemerkenswert aber nicht ganz neu ist das „Aktionstableau“, über das wir unsere Aktionen steuern. Hier liegen 7 Aktionsplättchen in Reih und Glied, von denen wir für unserem Zug jeweils eines auswählen dürfen und es danach wieder ganz unten in der Reihe einordnen. Je höher das Plättchen in der Reihe liegt, des höher ist ein „Bewegungsbonus“ für einen Marker in Richtung Spielende. Wenn wir das vom Vorgänger gerade soeben genutzte wieder abgelegte Plättchen nehmen, ist dieser Bonus ganz klein und müssen wir sogar noch einen Strafzins hinlegen.

Auf den Aktionsplättchen wird angegeben, ob wir Landschafts-Hexagons legen, Rinder einbringen, Produktionsstätten bauen, Häuschen oder Siedlungen upgraden und/oder Projektkarten ziehen und kaufen oder verscherbeln dürfen. Und nachdem wir das getan haben, dürfen auch unsere Mitspieler für UNSER Aktionsplättchen ein paar Aktionen ausführen.

Um Projektkarten zu kaufen, müssen wir (viel) Geld und (viele) Ressourcen hinblättern. Vier verschiedene Sorten von Ressourcen gibt es. Mittels unserer Produktionsstätten – von denen wir zu Spielbeginn nur eine haben – werden uns Ressourcen geschenkt, weitere zwei Ressourcen bringen uns unsere beiden Kanus ein, die wir beliebig zu den gewünschten Quellen bugsieren dürfen (nur das Rückwärtsfahren kostet Geld). Da die Projektkarten aber viel kosten, müssen wir trotz einer Hand voller Projektkarten ganz schön darben und leiden, bevor wir uns eine nach der anderen leisten können.

Und irgendwie, irgendwo bringt alles Siegpunkte ein.

Zwei Stunden erklärte Günther die Spielregeln, und hinterher wussten wir immer noch nicht alles, unabhängig davon, dass wir schon wieder vergessen hatten, was er uns in der ersten Stunde erklärt hatte. Zudem waren die 165 Projektkarten in ihren Voraussetzungen und Wirkungen immer noch ein großes unbekanntes Buch. Aaron fragte verzweifelt: „Und wo kriege ich jetzt die Männer her?“ und Günther konnte nur korrigierend rückfragen: „Meinst du die Frauen“?

Nach anderthalb Stunden hatten wir die Hälfte des Spiels absolviert. Das erste Viertel davon noch interessiert und forschend, was da auf uns zu kommen könnte, das zweite Viertel schon eher wie ein Goldhamster in einem sich nur ganz langsam drehenden Laufrad. Günther hatte schon gleich am Anfang versprochen, dass wir nach jedem Viertel abbrechen durften. Das erste Viertel hatte bereits gereicht, das zweite Viertel war unsere freiwillige Dreingabe an das Design, dann brachen wir ab. Aaron tröstete uns mit einer Text aus BGG: dort hat man dreieinhalb Stunden für die ersten beiden Viertel gebraucht, bevor man abgebrochen hatte. Wohlgemerkt, beides in einer Dreierrunde!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (plus 1 Fleißpunkt; ich fühlte mich in meinen Aktionen ständig behindert, weil mir dies oder jenes fehlte oder nicht erlaubt was; Spielspaß für die mögliche Planung ist nicht gegeben; ich habe kein Gefühl dafür, ob es hier verschiedene Strategien gibt. Warum gibt es hier so viele Rädchen? Ist das ein Zeichen dafür, dass der Autor damit die Schwächen des Designs zukleistern musste?), Günther: 6 (ein komplexes, nicht schlechtes Aufbauspiel, bei dem man einiges hätte weglassen können [WS: müssen“), Walter: 5 (wir wursteln uns wieder durch das Regelwerk, ohne den Wald vor lauter Bäumen sehen zu können)

30.06.2022: Hype um eine Astropolis

„Dune Imperium“ : Spielbrett mit Arbeitsplätzen

1. “Dune Imperium”

Es soll eine berühmte Romanreihe dazu geben (kenne ich leider nicht) und auch eine aktuelle Kinoverfilmung (kenne ich ebenfalls nicht, habe auch nicht nachgeschaut). Vor zwei Jahren kam auch schon eine (amerikanische?) Vorgängerversion des Spiels heraus, aber Corona hat ihm damals die SdJ-Lorbeeren vermasselt. Jetzt könnte es für diese Ehrung klappen, denn bis in die Auswahlliste der letzten Drei zum „Kennerspiel des Jahres“ hat es schon gereicht.

Ein gigantisches Räderwerk ist da zusammengebastelt. Hunderttausend verschiedene Ressourcen und Hilfsmittel gilt es zu erwerben (na ja, vielleicht sind es nur gut 6), 22 verschiedene Arbeitsplätze gibt es (vielleicht habe ich mich verzählt), um sich darüber diese Ressourcen zu beschaffen, und 91 „Imperium-Karten“ gibt es, die als Motor oder Treibstoff unsere Aktionen in Bewegung bringen. Am Anfang besitzt jeder Spieler 10 „leichte“ Stücke davon, muss sich hiervon aber durch geschicktes, gekonntes bzw. zufällig gebotenes Deck-Management eine potentere Sammlung anlegen, um später auch die süßeren Früchte des Spiels erreichen zu können. Diese Karten werden portionsweise wrap around durchgespielt.

Was gibt es alles an Ressourcen? Unter anderem:

  • „Spice“: man erhält es an verschiedenen Arbeitsplätzen, und man benötigt es, um bestimmte Arbeitsplätze belegen zu dürfen.
  • Wasser: man erhält es an verschiedenen Arbeitsplätzen, und man benötigt es, um bestimmte Arbeitsplätze belegen zu dürfen.
  • Geld: man erhält es an verschiedenen Arbeitsplätzen, und man benötigt es, um bestimmte Arbeitsplätze belegen zu dürfen.
  • Imperium-Karten: man zieht sie – wie schon gesagt – wrap around von seinem Deck, pro Runde 5 Stück, und erhält weitere an verschiedenen definierten Arbeitsplätzen. Man benötigt sie, a) um in der Auswahlphase spezifische Arbeitsplätze belegen zu dürfen und b) um in der Nach-Auswahlphase damit Zusatz-Kampfstärke zu erhalten und vor allem, um weitere Imperium-Karten zu kaufen.
  • Reguläre Truppen: man erhält sie an verschiedenen Arbeitsplätzen, und man benötigt sie, um damit in den pro Runde ausgeschriebenen Kampf zu ziehen.
  • Intrigen-Karten: man erhält sie an verschiedenen Arbeitsplätzen, und sie sind extrem hilfreich, den jeweiligen Rundenkampf – überraschend – zu gewinnen.
„Dune Imperium“ : Spielmaterial. Ja, die „Agenten“ (Worker zum Placen) sehen noch etwas blass aus.


Um diese 6 Ressourcen (und ein paar mehr) einzeln mit 22 Arbeitsplätzen zu korrelieren, gibt es rein rechnerisch 132 Möglichkeiten. Da aber verschiedene Ressourcen an einen Arbeitsplatz gekoppelt sind und einige Ressourcen sogar mehrfach, gibt es eine Unzahl von Kombinationen, die man für ein gutes Spiel erkennen und im Auge behalten sollte. (Rosenberg, ick hör dir trapsen …). Gibt es hier eine beste Strategie? Diese auch noch korreliert mit den fünf oder mehr Imperium-Karten, die man jeweils auf der Hand hat? Moritz kennt sie, Günther ahnt sie, Aaron verfolgt sie, Walter versucht es erst gar nicht.

Wie schon angedeutet, gibt es außer der semi-friedlichen Konkurrenz um die besten Arbeitsplätze für Ressourcen, Positionen und Siegpunkte pro Runde auch einen semi-kriegerischen Kampf. Hieran beteiligt man sich mit seinen regulären Truppen (die danach alle ins Gras beißen), mit Hilfstruppen, die man über bestimmte Arbeitsplätze generiert, mittels zurückbehaltener Imperium-Karten und mittels Intrigen-Karten, die einem unversehens (unversehens vor allem für die Mitspieler) ein additives Truppen-Kontingent bescheren.

In jedem Kampf werden 3 Belohnungen (Siegpunkte und Ressourcen) ausgeschrieben. Die Mehrheiten entscheiden. Wer am meisten Kampfstärke eingebracht hat, erhält die wertvollste Gabe, der zweite erhält die zweitwertvollste Gabe usw.

Moritz beteiligte sich am häufigsten im Kampf und wurde schlussendlich – auch mit weiteren guten Spielzügen sowie ein bisschen Glück – Sieger. Walter beteiligte sich nur einmal ganz am Anfang im Kampf, verlor dabei alle seine regulären Truppen ohne damit bei den Mehrheiten punkten zu können (die via Imperium- und Intrigen-Karten gewonnenen zusätzliche Kampfstärken der Mitspieler wurden ihm einfach um die Ohren gehauen). Er verlor damit auch die Lust an weiteren Kämpfen, wurde mit seinem weiteren, wie gewohnt leicht orientierungslosen Arbeitereinsatz aber NICHT Letzter. Fazit: Kämpfe zu gewinnen, kann Vorteile bringen, muss aber nicht unbedingt sein; wichtiger ist es wohl, den expliziten Kampfhanseln den Sieg nicht zu allzu leicht zu machen. Und dazu ist es sicherlich keine schlechte Strategie, hier seine Mitspieler die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen: „Hannemann, geh du voran, du hast die größten Stiefel an“.

“Dune Imperium“ : Einer (?) der „Mentaten“ für den „Landsraad“ (Begriffe nur für Eingeweihte, ansonsten Flavour. Auch hier sollte Moritz für seine Luxus-Ausstattung noch einen Maler einsetzen.)


WPG-Wertung: Aaron: 5 (wir haben 3 Stunden gespielt, nach 2 Stunden war das Spiel aber schon ausgelutscht, das Thema ist rein abstrakt, könnte auch heißen: „Wir pinkeln in den Swimmingpool“), Günther: 5 (Die Intrige ist zu mächtig, hier gibt es zu viele Manipulationsmöglichkeiten; dagegen sind die Möglichkeiten für ein effizientes Deckbuilding eher zu gering) Moritz: 9 (thematisch sehr gut umgesetzt, spannend, Material und Regel sind sehr gut strukturiert), Walter: 5 (von der Konstruktion her 8, aber irgendwie/irgendwo kennt man das alles doch schon; für ein Planungsspiel gibt zu viele Zufallseinflüsse, schon allein die zufällige Reihenfolge der gezogenen Imperium-Karten schiebt da ein Riegel vor; soll das jetzt alles nur ein gewaltiges Herumwurstel-Spiel sein, in dem jeder Spieler sein Glück auf seiner eigenen Schiene versuchen und finden kann? Die deutsche Spielergemeinde wird es wissen).

2. “Moon Adventure”

Klingt wie „Tiefseeabenteuer“, ist auch vom gleichen Autor und vom gleichen Verlag, besitzt ein ganz ähnliches Material und einen ähnlichen Aufbau, ist aber ganz anders.

Auf dem Tisch wird eine freie Strecke aus Weg-Plättchen mit verdeckt darunter liegenden Schätzen (oder Nieten!) aufgebaut. Per Würfel bewegen wir uns hinab, nehmen Schätze auf, kehren wieder um, und hoffen, rechtzeitig wieder an den Anfang zurück zu gelangen, bevor uns die Luft ausgeht.

Bei „Tiefseeabenteuer“ spielt jeder für sich; jeder geht sein eigenes Risiko ein, wie tief er sich allein in die See hinabwagt, um noch lebend, aber reichlich mit Schätzen beladen, wieder auftauchen zu können. Die Mitspieler können einem einsamen Hasardeur ein bisschen an den Wagen pinkeln, indem sie möglichst viel vom gemeinsamen Sauerstoff-Vorrat selber verbrauchen.

Im „Moon Adventure“ spielen wir kooperativ. Die gemeinsame Ausbeute an Schätzen entscheidet am Ende, ob wir alle gewonnen haben oder nicht. Alle müssen wir aber lebend wieder auftauchen, sonst haben wir ebenfalls verloren. Wir müssen gemeinsam planen, an welchen Stellen der Strecke wir Sauerstoff-Generatoren einbauen, um auf Hin- oder Rückweg dort die Vorräte wieder aufzufüllen. Wir müssen einem Spieler zu Hilfe kommen und ihm von unseren Sauerstoff-Vorräten etwas abgeben, wenn er seine letzte Pulle für das gemeinsame Ziel der Schatzaufnahme, für den Generatorbau oder ähnliches ausgegeben hat.

Während „Tiefseeabenteuer“ ein gelungenes Konkurrenzspiel nach dem Can’t Stop-Mechanismus ist, ist „Moon Adventure“ ein gelungenes gemeinsames Knobelspiel, bei dem a priori- und heuristische Planung zusammenspielen. Und am Ende entscheidet der Zufall, ob die mitgebrachten Schätze gut und gültig, oder nur fauler Nietenzauber waren.

Immerhin bemerkenswert, dass man nach fast den gleichen Konstruktionsprinzipien so unterschiedliche Spiel-Charaktere herstellen kann.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (2 Punkte weniger als „Tiefseeabenteuer), Günther: 6 (die Kooperation funktioniert; das Knobeln, um aus den schwierigen Situation herauszukommen, hat richtig begeistert), Moritz: 7 (interessante Knobelei), Walter: 5 (richtig: Knobelei, aber wie lange bleibt der Spaß erhalten, mit den begrenzen Mitteln die richtigen/wichtigen Züge zu tun?).

22.06.2022: Sonnenbrillen

Wir Westpark-Gamer sind keineswegs ein eingefleischter Männerverein. Wenn wir in unseren Archiven graben, so finden wir unter den bisher 35 Mitspielern immerhin 9 Mitspielerinnen. Aber irgendwie machen sie sich rarer als diese Quote vermuten lässt. Bei einigen haben die Mutterpflichten brutal zugeschlagen, eine schreibt am laufenden Band Romane, eine begleitet den besten aller Ehemänner ständig zu seinen Ausgrabungen von alten Mumien, eine fängt Ganoven – nicht nur jetzt zur Zeit des Elmauer G7 – und eine andere fängt Grillen.

Heute hat uns mal wieder Andrea beehrt. Vor fast drei Jahren, am 27.11.2019 war sie das letzte Mal bei uns; aber sie zählt zur ganz alten (jungen) und eifrigen Garde: bereits vor 24 Jahren hat sie uns zum ersten Mal beehrt und damals mit „Die Macher“ gleich einen ganz dicken Brocken vorgesetzt bekommen.

Heute gab es leichtere Kost.

1. “Top Ten”

Ein Favorit für den Titel „Familien-Spiel des Jahres 2022“. Letzte Woche zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Wir waren damals nur zu viert, und Günther hatte bemängelt, dass die kooperative Lösung der gestellten Aufgabe wohl erst ab 6 Mitspielern eine akzeptable Herausforderung sein wird. Aber brauchen wir überhaupt eine Herausforderung, wenn wir uns schon an der Phantasie beim Erfinden von Begriffen zu gegebenen Kriterien und beim Zuordnen ihrer Relevanz erfreuen und sogar belustigen können?

Heute waren wir zu fünf, also schon fast an Günthers Minimumzahl. Den ersten Durchgang haben wir verloren. Vielleicht hat Walters „Stichel“ dazu beigetragen, der als Mitbringsel bei einem Zurück-Gebiemt-Werden in ein prähistorisches Zeitalter wohl nicht von mittlerem Nutzen, sondern eher von überhaupt keinem Nutzen ist. Genauso wenig wie Aarons Kugelschreiber.

Im zweiten Durchgang war Moritz zweimal in der Lage, alle fünf Antworten fehlerfrei in die richtige Reihenfolge zu bringen, und auch Andrea schaffte dies in ihrem Durchgang als Kapitän. Grandioser kooperativer Sieg! Ich habe eine größere Herausforderung nicht vermisst, auch wenn (oder weil) es mir bei „Top Ten“ überhaupt nicht darauf ankommt, gegen das Spiel zu gewinnen.

WPG-Wertung: Keine Änderung für ein 6,8 Punkte Spiel.

2. “They Live: Assault on Cable 54”
(Auf gut Deutsch: „Sie leben: Angriff bei Kabel 54“. Oder so ähnlich.)

"They Live": Moritz beim eleganten Kampfwürfeln
“They Live”: Moritz beim eleganten Kampfwürfeln


Moritz hatte das Spiel mitgebracht, einen nagelneuen Kick-Starter, der als Adaption eines von ihm geschätzten Kinofilmes entwickelt worden war. Der Film erschien bereits 1988. Außer Andrea und Moritz kannte ihn keiner von uns, wahrscheinlich auch kaum einer unserer Leser. Da darf man doch mal im Internet nachschauen, was dazu berichtet wird.

Ein Stadt wird – ohne dass es die „normalen“ Bürger wahrhaben – von einer Bande unkenntlicher Invasoren heimgesucht, die an allen Ecken und Ende lauter böse Sachen treiben: Überfälle, Schlägereien, Menschenraub, Vergewaltigung und was man sich noch alles Verbrecherisches ausdenken kann. Einer der Gutmenschen stößt zufällig auf mehrere Kartons mit „Sonnenbrillen“, und als er eine davon aufsetzt, entdeckt er den ganzen Horror und seinen Verursacher: lauter Monster mit hässlichen Fratzen. Er berichtet diese Erkenntnis seinen Freunden, aber die wenigsten von ihnen sind bereit, ihm das zu glauben. Die meisten weigern sich auch strikt, überhaupt durch die Brille zu schauen.

Gesellschaftskritik: Viele Menschen ähneln diesem Profil. Ihr Urteil über die Welt steht fest. Eine neue Sichtweise wird erst gar nicht zugelassen. Sie sind also die perfekten Opfer für die Lügen, die sie umgeben. Doch alles einfach hinzunehmen ist der falsche Weg. Am Ende gibt der Film eine Warnung ab: Man sieht eine Frau, die Spaß im Bett mit einem der Monster hat. Auch wenn die Wahrheit manchmal offensichtlich ist, lassen sich viele weiter von der Elite bumsen und haben noch Freude daran.

Warum der vielen Worte? Weil zu den Spielregeln von „They Live“, auch wenn sie über 20 Seiten gehen, nicht viel zu sagen ist. Würfeln, um besser zu werden, würfeln, um Hilfsmittel zu erwerben, würfen, um den Endkampf zu gewinnen.

Wir Spieler werden verdeckt eingeteilt in „Normalos“ und „Invasoren“, tun aber alle das Gleiche: Wir wandern – jeder nach einem individuellen Gesetzbuch – durch die Stationen der Stadt und treffen dabei auf böse Szenen, die durch die unsichtbaren Invasoren angestellt wurden. Mit eleganten Kampfwürfeln mischen wir uns in das Geschehen ein und werden dabei je nach Kampfausgang stärker oder schwächer. Als Sieger bekommen wir in der Regel auch noch gute oder bösen Accessoires, von denen wir die guten im eleusischen Speicher für den Endkampf deponieren sollen. Auch hier tun die Invasoren das Gleiche, nur sind sie eher bestrebt, die bösen Accessoires zu deponieren.

Aber was ist schon gut, und was ist schlecht? Jetzt kommen die Sonnenbrillen ins Spiel. Bei unserem Umherschweifen durch die Stadt erhalten wir immer mal wieder eine Sonnenbrille zugeteilt, und wenn wir sie aufsetzen, erkennen wir, welche Accessoires gut (oder böse) sind, und wenn wir auf dem gleichen Feld wie ein Mitspieler stehen und erfolgreich gegen ihn gekämpft haben, erkennen wir mittels dieser Sonnenbrille auch, ob er selber gut ist oder böse.

Zum Endkampf begeben wir uns dann alle auf ein definiertes Feld und führen mit unseren eleganten Kampfwürfeln und den gespeicherten Accessoires einen multiplen eleganten Würfelkampf gegen gleich eine ganze Reihe von Invasoren. Schlussendlich haben wir Normalos alle gewonnen. Oder alle verloren. Mit den Invasoren ist es genau umgekehrt.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Thema sagt mir leider gar nichts), Andrea: 6 (der Film war charmant, und das Spiel hat ihn liebevoll umgesetzt), Günther: 4 (das Ganze ist nur ein narratives Thema, nichts für mich), Moritz: 6 (spielerisch nicht ganz überzeugend, aber das Thema stimmt), Walter: 4 (bei dem gewaltigen Material ist das Spiel für 56 Euro ganz schön billig, aber im Grunde ist es mehr oder weniger nur ein reines Würfelspiel).

15.06.2022: Die Spiele des Jahres

Die Liste der Nominierten für die Wahl zum “Spiel des Jahres 2022” ist erschienen, und siehe da: Günther hatte sie alle bereits in seinem Besitz. Gratulation! Das zeigt doch ein feines Gespür für die Linie der Jury und für den aktuellen Trend der Spieleentwicklung. Vielleicht sogar für das, was ein gutes Spiel ausmacht. Wir werden sehen. Heute hat er gleich alle drei Nominierten mitgebracht.

1. “Scout”

Wir sind Zirkusdirektoren. Haha! Wir könnten auch verfeindete Banden aus der Westside-Story sein. (Apropos „Westside“: Wäre das nicht ein geiler Spiele-Titel, und lägen damit die Spielabläufe nicht geradezu auf der Hand?) Jedenfalls wollen wir zu den Zirkusdirektoren kein Wort mehr verlieren; genau soviel tragen sie nämlich thematisch zu den „Scout“s bei.

“Scout” auf der Terrasse am Westpark

Jeder Spieler erhält eine Kartenhand bestehend aus 11 (oder 12) Karten, auf denen jeweils zwei verschiedene Zahlen zwischen 1 und 10 übereinander abgebildet sind. Die Kartenhand darf nicht mehr gemischt oder sortiert werden; der Spieler darf lediglich zu Beginn des Spieles entscheiden, ob er von seiner Kartenhand die obere oder die untere Zahl verwenden will. Danach besteht jede Kartenhand aus Abschnitten von zwei oder mehr zusammenpassenden Karten (gleichartig oder lückenlos aufsteigend) und leider auch aus ein paar Einzelkarten.

Der Startspieler legt eine beliebige Einzelkarte oder einen beliebigen Abschnitt passender Karten in die Tischmitte. Von nun an geht es reihum im Uhrzeigersinn weiter: Jeder Spieler darf einen beliebigen Ausschnitt bzw. eine Einzelkarte aus seiner Kartenhand in die Tischmitte auslegen – sofern seine ausspielbare(n) Karte(n) höherwertig sind (ist) als das, was gerade auf dem Tisch liegt – oder er muss eine der (Rand-)Karten vom Tisch auf seine Hand nehmen.

Die aufgenommene Karte darf ein Spieler an einer beliebigen Stelle in seiner Kartenhand einordnen. Das ist der eigentliche Clou des Spiels: durch geschickte Wahl von passenden Karten vom Tisch – auch wenn man vielleicht einen Kartenausschnitt auslegen könnte – kann man seine Hand aufwerten, Einzelkarten zu Sequenzen verbinden und Sequenzen verlängern, so dass man möglicherweise seine letzten Karten alle auf einmal auf den Tisch legen und damit eine Spielrunde siegreich beenden kann.

Gewonnen hat, wer im Laufe des Spiels die meisten Kartenauslagen toppen konnte, von wem die meisten Karten seiner Tischauslage aufgenommen wurden und wer schlussendlich noch die wenigsten Karten auf der Hand hat. Alles zusammen als Summe und Differenz.

„Scout“ spielt sich wie „Mau Mau“ – jeder legt reihum Karten ab, bis einer keine mehr hat.

Es spielt sich wie „Rommee“ – jeder nimmt reihum eine Karte auf seine Hand oder legt passende Kartenkombinationen ab.

Es spielt sich wie „Tycho“ – die spielbaren Karten müssen immer (gleich oder) höher sein, als das, was bereits auf dem Tisch liegt.

Es spielt sich wie „AbluXXen“ – man profitiert erheblich davon, wenn man bessere Kombinationen ablegen kann als der Vorgänger, und Kartenpflege für den großen Coup am Ende ist ein notwendiges, ständig zu beachtendes Ziel für den Sieg.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (genau so viel wie „AbluXXen“), Günther: 8 (seit langer Zeit mal wieder ein überdurchschnittliches Kartenspiel), Moritz: 5 (3 Punkte weniger als „Abluxxen“), Walter: 6 (2 Punkte weniger als „Abluxxen“; die Freiheitsgrade für jeden Spielzug sind gegenüber „AbluXXen“ erheblich eingeschränkt und das fröhliche Mitspielerchaos beim gegenseitigen Abluchsen von Kartenauslagen ist nicht gegeben).

2. “Cascadia”

Cascadia ist eine Region im pazifischen Nordwesten des nordamerikanischen Kontinents. Hier leben offensichtlich Tiere: Bären, Hirsche, Füchse, Lachse und Bussarde. Jeder Spieler hat die Aufgabe, für sich eine Cascadia-Region aus Landschafts-Hexaplättchen aufzubauen und dort die verschiedenen Tiere in den besthonorierten Konfigurationen anzusiedeln. Bären werden nur honoriert, wenn ein Paar davon beieinander ist und sich innerhalb ihrer Hexaumgebung kein weiterer Bär befindet. Hirsche müssen in Gänsemarsch-Linien angeordnet werden, Füchse bringen umso mehr Punkte, je mehr fremde Tierarten um sie herum angesiedelt sind, Lachs wollen insgesamt in einer zusammenhängenden Welle positioniert werden und Bussarde mögen keinen einzigen weiteren Bussard in ihrer Umgebung.

Gespielt wird, indem reihum jeder Spieler aus 4 paarweise offen ausliegenden Gruppen von Landschafts-Hexagonplättchen + Tier sich eine Gruppe auswählt und in seine Landschaft einbaut. Beschwernis: Tiere dürfen nur auf für sie vorgesehene Hexaplättchen gelegt werden. Zuweilen hat man keinen Platz für ein gerade angebotenes Bärenweibchen, zuweilen (meist) gibt es kein Bärenweibchen für ein freies Bären-Hexaplättchen neben dem Männchen.

Nebenambition: die Hexaplättchen weisen insgesamt 5 verschiedene Landschaftstypen auf. Am Ende wird bei jedem Spieler von jedem Landschaftstyp das größte zusammenhängende Gebiet gewertet. Es gilt also bei der Auswahl der Gruppe Hexagon/Tierart nicht allein darum, für jede Tierart, mit der man punkten will, ein freies, richtig platzierbares Hexaplättchen zu bekommen bzw. die richtig platzierten Hexaplättchen mit der entsprechenden Tierart zu bevölkern, man sollte auch darauf achten, dass sich das jeweils zu erwerbende Hexagon zu einer kompakten Region  anfügen lässt. Quartett hoch drei.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (wohlwollend! „Gott sei Dank ist das Spiel zu Ende“, Spannungsbogen gleich Null, solitär, es kommt mir vor wie ein 1000 teiliges Puzzle einer Mondlandschaft [WS: Habe ich das richtig notiert?]), Günther: 6 (keine Interaktion, jeder knobelt vor sich hin, vielleicht für eine Spieler-Familie geeignet, aber nichts für mich), Moritz: 7 (ein bisschen langweilig, hat mir aber trotzdem Spaß gemacht, es gibt einiges zu planen), Walter: 5 (Die Punktezählerei am Ende ist reziprok zur Komplexität des Spiels).

3. “Top Ten”

Ein kooperatives Partyspielchen.

Reihum ist jeweils ein Spieler der „Kapitän“ und erhält ein Kärtchen mit einer Text-Aufgabe, zum Beispiel: „Sie lebten glücklich und zufrieden, bis … Beende die Geschichte von »überhaupt nicht wie im Märchen« bis »wahrlich wunderschön«!“. Zugleich erhält jeder Spieler, einschließlich dem Kapitän, eine Zahlenkarte von 1 bis 10.

Der Kapitän liest die Aufgabe vor, und jeder Mitspieler muss eine Antwort dazu geben, und zwar von der Art, dass ihr Inhalt der ihm zugewiesenen Zahl auf der Skala von 1 bis 10 zwischen den vorgegebenen Extremen (hier von »überhaupt nicht wie im Märchen« bis »wahrlich wunderschön«) entspricht. Ein Spieler, der die 1 bekommen hat, wird vielleicht sagen: »Ein alter Esel fraß die ganze, von ihm so heiß geliebte Pflanze«, ein Spieler mit der 10 kann vielleicht sagen »bis sie beide ins Paradies aufgenommen wurden«. Doch was sagt man, wenn man z.B. eine 5 oder 6 zugewiesen bekommen hat?

Die Aufgabe des Kapitäns ist es nun, die gegebenen Antworten entsprechend der Skala der Aufgabenstellung zu ordnen. Eine richtige Reihenfolge wird abgehakt, eine falsche Reihenfolge liefert für alle zusammen Minuspunkte.

Moritz schaffte es auf Anhieb, die Begriffe „Schnorchel“, „Badehose“, „Bibel“, „Laptop“, „Kartenspiel“ „Dicke Jacke“ „Skischuhe“ und „Ski“, unter der Prämisse: „Was nimmst du mit in den Skiurlaub? Von »wenig hilfreich« bis »super nützlich«“, fehlerfrei in die richtige Reihenfolge zu bringen. (Wir haben die Aufgabenstellung in unserer Vierer-Runde erschwert, indem jedem Spieler 2 Zahlen zugewiesen wurden und er entsprechend 2 Antworten geben musste.)

Walter versagte schon bei der Einordnung von „Tatort“ (Rückfrage: „in München“?) in die Beliebtheitsskala von Fernsehsendungen. Ist „Tatort“ jetzt beliebt, weil es jeden Sonntag in der ARD gezeigt wird, oder ist es durchschnittlich, weil in allen deutschen Fernsehprogrammen ununterbrochen Krimis gezeigt werden?

Seine Fehleinschätzung wurde ihm dann sogar auch noch um die Ohren gehauen. Eine latente Gefahr des Spiels, wenn einzelne ehrgeizige Spieler sich nicht nur an der Phantasie und Kreativität ihrer Mitspieler erfreuen können, sondern das Spiel auch noch unbedingt gemeinsam gewinnen wollen, d.h. weniger Minuspunkte einstreichen wollen, als insgesamt Text-Aufgaben zu lösen sind.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (wenn ich Party-Spiele mögen würde, dann sogar 8), Günther: 6 (bis 7, als Partyspiel ab 6 Personen, für 4 Personen etwas zu einfach zu lösen, daher als SdJ (Familienspiel) weniger geeignet), Moritz: 7 (Kommunikations-Vergnügen), Walter: 7 (ich würde es gut mit meiner Schwester und ihrer Familie spielen können).

4. “My Gold Mine”

Zum Abschluss des Abends wurde noch ein Absacker benötigt. Günther konnte noch ein viertes neues Spiel am Westpark auflegen. Sogar eines, das ebenfalls in der Auswahlliste zum SdJ aufgeführt wurde: „My Gold Mine“.

Wir befinden uns in einer Goldmine, 4 Felder vor dem Ausgang; 4 Felder hinter uns befindet sich ein Drachen, der uns fressen will.

Als Zugoption können wir an Ort und Stelle bleiben und vom offenen Goldstapel eine Karte (= ein Siegpunkt) an uns nehmen oder wir können vom verdeckten Exit-Stapel eine Karte aufdecken und entsprechend der Aufschrift ein oder zwei Schritte in Richtung Ausgang gehen.

Auf dem Goldstapel gibt es auch Karten mit 2 Siegpunkten auf einmal; dafür muss man aber einen Schritt zurück in Richtung Drachen gehen. Aber 2 Siegpunkte + 1 Schritt zurück und als nächstes 1 Exit-Karten mit 1 Schritt vorwärts ist arithmetisch absolut gleichwertig wie stehen bleiben und 2 mal je einen Siegpunkt nehmen.

Und was ist mit dem Drachen? Richtig: im Goldstapel gibt es auch Drachenkarten. Wenn eine solche nach oben kommt, geht der Drache einen Schritt nach vorne auf uns zu. Kommt darauf gleich wieder eine Drachenkarte zum Vorschein, so geht der Drache noch einen Schritt weiter. Kommt er dabei auf ein Feld eines Mitspielers, der so leichtsinnig oder so goldgierig war, nur 2 Feld zwischen sich und dem Drachen zu lassen, so wird dieser gefressen; zumindest verliert er jeglichen Goldbesitz, den er bis dahin angesammelt hat. (Da das Spiel aber über mehrere Runden geht, kann man als Gefressener immer noch auf die Zukunft setzen.)

Man spürt die Kritik am einfältigen Design, aber Günther schmetterte jedes Argument mit der Bemerkung ab: „Es ist doch ein Gaudi-Spiel“. Es ist eine „Gaudi“, dass die Siegpunkte mehr oder weniger exakt gleichförmig in Einzelschritten vergeben werden. Es ist eine „Gaudi“, dass sich das Risiko einer Drachenannäherung absolut nicht lohnt, sondern dass man exakt genauso viel abstaubt, ob man erst Siegpunkte schürft und dann vorwärts geht oder umgekehrt. Es ist auch eine Gaudi, dass es Exit-Karten gibt, mit denen man den Platz mit einem beliebigen Mitspieler tauschen kann. Claro, Gaudi hat mit Plan, Logik und Gerechtigkeit im Spieldesign absolut nichts zu tun.

Gaudi wäre eine Exit-Karten von dem Typ gewesen: „Du darfst von einem beliebigen Mitspieler bis zu 5 Siegpunkte klauen“ oder „Du hast gewonnen!“. Aber so viel Gaudi wollten die fünfhundert Spielautoren auch wieder nicht einbauen.

Günther verteidigte auch vehement den „Can’t stop“-Charakter des Spiels. Aaron und Walter fanden gar nichts davon: alles gleichförmig, alles linear, keine Extra-Belohnung für „Extra-Risiko“, nichts von einem Stop-Mechanismus. Aber vielleicht ist uns dieser Charakter vor lauter Gaudi-Lachen unbemerkt im Halse stecken geblieben.

WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 6, Moritz: 6, Walter: 2 (im doppelten Sinn “Nichts” Neues unter der Sonne).

11.05.2022: Lieber rot als tot

1. “Die Rote Kathedrale”

KOSMOS seine “Rote Kathedrale” war in ihrem 460 Jahre langen Leben noch nie “rot”, genauso wenig wie die “Rote Kapelle” vor 80 Jahren, die auch keineswegs ein Ableger von ihr war. Aber “rot” ist außer einer hübschen Farbe halt auch noch ein Schlag-, Reiz-, Propaganda- und Werbe-Wort, das hier im Spieltitel absatzfördernd eingesetzt wurde.

Die wunderschöne Basilius-Kathedrale in Moskau

Das Spielgeschehen dreht sich um die wunderschöne Basilius-Kathedrale am Roten (sic!) Platz in Moskau, und wir arbeiten als fleißige Handwerker daran, das Bauwerk fertig zu stellen. Stockwerk für Stockwerk ziehen wir in fünf Baulinien das Gebäude nach oben.

Dazu müssen wir Rohstoffe und – für die Verzierungen – Gold und Edelsteine besorgen. Der Mechanismus dafür ist die bemerkenswerteste Idee des Spieles. Ein Markt-Rondell in der Mitte des Spielbretts besteht aus 8 Sektoren; in jedem dieser Sektoren gibt es kostenlos einen bestimmten Rohstoff, wir müssen ihn uns nur erwürfeln. Dazu liegen um das Rondell herum 5 Hexa-Würfel mit aktuell wohldefinierten Augenzahlen, die angeben, wie weit wir mit dem jeweiligen Würfel ziehen können. Wir dürfen uns einen beliebigen davon aussuchen und mit ihm vorwärts ziehen. Die auf dem gelandeten Markt-Segment angebotene Rohstoffart dürfen wir uns für nix und wieder nix in unser Lager übernehmen.

Das Quantum an Rohstoffen wird durch die Anzahl von Würfeln bestimmt, die nach unserem Zug am entsprechenden Segment liegen, im Minimum nur der eine, mit dem wir gerade gezogen sind, im Maximum drei, die maximale Würfelkapazität eines jeden Segmentes.

Natürlich ist es schön, wenn am Zielort bereits Würfel liegen, aber das Leben ist kein Wunschkonzert; wenn wir z.B. Steine brauchen, dann können wir froh sein, wenn wir überhaupt mit einem der fünf Würfel auf dem Steinbruch landen können; es nützt es uns dann wenig, wenn wir mit einem anderen Würfel die doppelte oder dreifache Ration an Holz erzielen könnten.

Einer ungebremsten Rohstoffjagd ist noch ein weiterer Riegel vorgeschoben: Unsere Lagerkapazität ist begrenzt. Wenn wir es vollgepfropft haben, dann können wir die ggf. mehrfache Ernte auf einem lockenden Marktsegment nicht mehr einstreichen, sondern müssen sie einem Mitspieler überlassen.

Damit wir aber flüssiger agieren können, bieten alle Marktsegmente noch zusätzliche eigene Vorteile: wir dürfen weitere Rohstoffe kaufen, wir dürfen Rohstoffe ineinander oder in Geld umtauschen, oder wir dürfen auf der Fortschrittsleiste (Siegpunktleiste) vorwärts ziehen. Und Ähnliches. Rund und schön.

Final-Szenerie beim Bau der “Roten Kathedrale”

So plätschert das Spiel vor sich hin, wir erwerben Rohstoffe, vollenden Bauabschnitte der Roten Kathedrale, schmücken sie mit Verzierungen und heimsen Siegpunkte und Geld ein. Alles läuft beinahe in friedlicher Koexistenz ab. Erst am Ende fließt noch einmal reichlicher Punktesegen für geschickt geplante oder sich zufällig ergebende Mehrheiten in jeder Baulinie. Das übliche Mehrheiten-Gerangel. Ist es statistisch bereits bewiesen, ob es besser ist, in wenigen Linien der Erste und in allen anderen der Letzte zu sein, oder ist es besser überall mitzumischen und fast überall wenigstens der Zweite zu sein? Sicherlich gibt es dafür kein allgemeingültiges Rezept, aber bei gegebenen Rahmenbedingungen sollte das entsprechende Vorgehen schon determiniert sein.

Unser Spieltheorie-Meister Günther vergaloppierte sich. Er sicherte sich in einer der teuersten Baulinien die Mehrheit, und wunderte sich, dass hinterher kein weiterer Spieler Lust hatte, sich hier großartig zu engagieren. So musste er den Bau mehr oder weniger alleine hochziehen; Aaron und Walter teilten sich am Ende für einen Appel und Ei die beträchtlichen Punkte für den geteilten Zweiten. Günther wurde Letzter.

Aaron kam schwer aus den Startlöchern. Geldknappheit machte ihm zu schaffen. Aber durch geschickte (Mehrheits-)Beteiligungen war er am finalen Punktesegen überall dabei und wurde sicherer Zweiter.

Walter als Startspieler konnte sich gleich im ersten Zug die doppelte Menge an Ziegeln aneignen, und kurz darauf zweimal hintereinander die dreifache Menge an pekuniären Ressourcen auf seinem Konto verbuchen. Danach fühlte er praktisch an keiner Stelle mehr einen Engpass. Ein frühzeitiger Diamantenbonus, den er aus der kleinen Portokasse bezahlen konnte, sicherte ihm auch noch die Möglichkeit, bei den unvermeidlichen Verzierungen den jeweiligen optionalen Fortschritts-Bonus mitzunehmen.

Warum ich das schreibe? Wenn Walter Erster und Günther Letzter wird, dann kann das Spiel keinen Raum für geniale strategische Planung besitzen. Der Würfel entscheidet sehr viel, das nicht konsequent kalkulierbare Mehrheiten-Chaos bringt den Rest. Punkte- und Geldsegen für fertig gestellte Bauabschnitte fallen gleichmäßig über alle herab. Noch dazu sind hier für alle Mitspieler die Zugriffsmöglichkeiten gleichgeschaltet.

Ist die Rote Kathedrale am Ende doch nur ein verkompliziertes Würfelspiel?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (der Basis-Mechanismus ist schön; das Würfel-Rohstoff-Rondell ist leider sehr glückslastig und [bei Aarons sprichwörtlichen Würfelglück] ein Frust-Element, die Lagerbeschränkung ist gut ausbalanziert; das Mehrheiten-Prinzip erfordert naturgemäß einige Erfahrung), Günther: 7 (nette Mechanismen, auch wenn ein gewisser Frust unvermeidlich ist), Walter: 6 (konstruktiv, übersichtlich, flexibel, kein Raum für Miesnickeligkeiten, aber auch eine gewisse Erbsenzählerei; glücklicherweise nicht zu lang, sonst könnte der schöne Rohstoff-Beschaffungsmechanismus leicht in repetitive Langweile ausarten).

Gemeinsame Schlussfolgerungen

1) Halte immer eine Handbreit Diamanten unter dem Kiel.

2) Gönne Deinen Mitspielern den Verzierungsbonus. Wenn sie diesbezüglich ihr – sehr begrenztes – Pulver verschossen haben, kann Dich keiner mehr am eigenen Absahnen hindern.

3) Hebe Deine Fenster-Verzierungen vorwiegend für den Endspurt auf, d.h. für die Mehrheiten-Zünglein an den Waagen.

2. “Diggin'”

Aaron bastelt wieder (immer) an einem neuen Spiel. Ein Paper & Pencil-Game. Wir würfeln und notieren mit einem gewissen Freiheitsgrad wählbare Kombiationen in unseren Spielerbogen.
Viele Ansätze und Ideen sind gut, aber das Spiel enthält aktuell noch eine Reihe von Design-Sünden, die unbedingt ausgemerzt werden müssen.

1) Zu viel Frust und zu wenig Lust, und zwar unabhängig von der möglichen Miesnickeligkeit der Mitspieler.

2) Der Motor des Ganzen sind doch die ohne Progression gewürfelten zufälligen Würfelaugen. Warum ist darum herum noch so ein undurchschaubarer Schnickschnack mit schwer kontrollierbaren Abhängigkeiten angesammelt?

3) Das Schlimmste überhaupt: Man kann NICHT denken, wenn der Startspieler am Zug ist. Ungeduldig warten wir auf dessen Entscheidung, aus 4 Würfeln das Beste für sich und das Schlechteste für die Mitspieler auszuwählen.  Und wir sind dabei in unseren nachfolgenden eigenen Kombinationmöglichkeiten von seiner Entscheidung abhängig. Wenn das wenigstens simultan vor sich ginge, dann wären wir abgelenkt, und dann würde das nicht so weh tun. So aber ahnen wir den Frust, der auf uns zukommt, und müssen über die gesamte Denkzeit des Startspieler hinweg hilflos unsere böse Vorahnung ertragen.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

3. “Bluff”

Zum ersten Mal haben wir erkannt und auch praktiziert, dass selbst die einleitenden, nichts-sagenden, fast provokativen 1-mal-die Eins-Eröffnungen angezweifelt werden können. Erfolgreich.

Walter war mit 4:2 gegen Günther im Endspiel. Mit kleinen feinen Bluffs, die aber wegen extrem kontraproduktiver Würfe seiner Mitspieler nicht akzeptiert wurden, hatte Günther seine Würfel eingebüßt. Er ist aber auch in Unterzahl immer noch ein angsteinflößender Gegner. In einem eingeschüchterten Blackout zweifelte Walter 1 mal die Fünf an, obwohl er selber eine 5 unter dem Becher hatte. Da Günther nur ebenfalls eine Fünf gewürfelt hatte, kostete dieser Ausrutscher nur einen Würfel.

Beim 3:1-Stand fing Walter mit 1 mal die Eins an. Günther wusste, dass er nur eine einzige Chance hatte: er musste einen von Walters 3 Würfeln finden und – unabhängig von seinem eigenen Würfel, geblufft oder nicht – auf 2 mal diese Zahl setzen. Er probierte es mit der Drei und Walter hatte tatsächlich eine Drei unter dem Becher. Was tun?

Hinterher ist man klüger. Anzweifeln wäre die beste Gegenstrategie gewesen, denn Günthers letzter Würfel war nur mit Ein-Drittel-Wahrscheinlichkeit eine Drei oder ein Stern. Aber Walter vertraute auf seine Macht durch Masse, legte seine Drei heraus und würfelte mit zwei Würfeln nach. Um NOCH EINE Drei zu würfeln war die Wahrscheinlichkeit ebenfalls zwei Drittel.

Günther fing an zu frohlocken. Er hatte nämlich geblufft und selber keine Drei sondern eine Eins gewürfelt. Jetzt standen seine rechnerischen Chance zum Erreichen der nächsten Runde auf acht Neunteln, also bei knapp 90 Prozent.

Walter machte ein langes Gesicht. Aber als er seinen Nachwurf-Becher hob, lagen zwei Sterne darunter. Gewonnen! Wenigsten der eine.

So viele spannenden, überraschenden, ständig mit spielerischen Bluff- und Rechenwürze angereicherten Szenen bietet das Spiel-des-Jahren 1993.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

04.05.2022: Was für ein Ding “The Thing”!

1. “The Thing”

Moritz in seinem Phantasy & Fiction-Element

Moritz schlug das Spiel vor. Kurzer Wortwechsel zu Beginn: “Eine super Umsetzung des Films!” Aaron: “Das muss nicht unbedingt gut sein!” Moritz: “Ein legendärer Film!” Anmerkung bei Nachschrift: “Muss das dann besser sein?”

Pöppel und Hunde in “The Thing”

Schauen wir uns erst mal an, was im Internet zum Film steht.
“Unter die Mitglieder einer antarktischen Forschungsstation mischt sich ein Alien, das die Forschungsarbeit sabotiert und die Gruppe systematisch infizieren und damit auf seine “böse” Seite ziehen will. Das Alien ist nicht erkennbar, vor allem ist später auch nicht erkennbar, welches Mitglied der Gruppe bereits infiziert ist und damit die böse Rolle mitspielt. Der Stromgenerator wird sabotiert, Vorräte werden zerstört, die ganze Station wird Stück für Stück unbrauchbar. Hunde laufen herum und erhöhen das Infektionsrisiko.

Bald würde in der gesamten Station tödliche Kälte herrschen und das Alien könnte überdauern, bis die Rettungsmannschaft eintrifft. Die Gruppe beschließt, die gesamte Station in die Luft zu jagen. Am Schluss treffen die letzten beiden Überlebenden zusammen und haben sich bis zuletzt argwöhnisch im Auge, sehen aber ohnehin dem offensichtlich sicheren Tod im Eis entgegen. Die Frage, ob einer der beiden Männer vom Alien infiziert worden ist, bleibt für den Zuschauer offen.

Die Kritik schreibt dazu: “Der seine Horroreffekte perfekt setzende Film wurde in erster Linie eine Demonstration der verblüffenden Möglichkeiten der Tricktechniken des modernen Hollywood-Kinos. Doch angesichts der damit produzierten Ekelszenen, Blutorgien und Leichensezierereien mag man solche Trickkunst kaum würdigen. Der Regisseur begnügt sich mit der Sensation; innere Spannung und ironische Brechungen kommen zu kurz.”

Zum Spiel. Wir Spieler begeben uns (unseren Pöppel) frei wählbar in die verschiedenen Räume der Forschungsstation, um dort Schäden zu reparieren, Essen zu kochen, Generator und Heizung für Licht und Wärme zu betreiben, sowie nach Waffen und Hilfsmitteln zu suchen, mit denen wir infizierte Mitglieder identifizieren und unsere Kampf-Chancen gegen sie erhöhen können. Vor allem aber müssen wir die Radar-Station funktionsfähig kriegen, den Hubschrauber holen und ALLE Gesunde vollständig damit abtransportieren.

Die Aktionen, die wir tun können:
1) an Ort und Stelle Schäden beseitigen.
2) die Funktion des jeweiligen Raumes nutzen.
3) oder auch einfach bösartigerweise Sabotage anstellen.

Die Aktionen wählen wir mittels Karten, die wir verdeckt dem “Leader” geben, der sie sammelt, mischt und zufällig den einzelnen Personen zuteilt, die sich in der Forschungsstation aufgestellt haben. Es ist nicht so, dass jeder von jedem Typ Aktionskarte mindestens eine auf der Hand hält; wer Pech hat, hält als “Gutmensch” nur Sabotage-Karten oder ggf. als “Böser” nur Reparier- oder Nutz-Karten.

Wer in einem Raum ohne Schaden eine “repair”-Karte zugeteilt bekommt, hat nix zu tun, die Karte verfällt. Wer in einem schadhaften Raum eine “use”-Karte zugeteilt bekommt, kann ebenfalls nix ausrichten, der Schaden muss zuerst beseitigt werden. Wer aber gar eine Sabotage-Karte ausgeteilt bekommt (von einem bösen Mitspieler eingebracht oder als Zusatzkarte unter die Aktionskarten gemischt), muss nolens volens den Schaden tun.

Haben zwei Spieler absichtlich oder unabsichtlich den gleichen Aktionsort gewählt, müssen sie ein definiertes Identifizierungsritual ausführen. Dabei kann es geschehen, dass ein “Gesunder” von einem “Bösen” infiziert und unverzüglich “umgedreht” wird.

Ein aufmerksamer Spiel-Logiker kann jetzt natürlich fragen, warum ein Spieler sich überhaupt zu einem anderen Mitspieler zugesellen sollte? Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens braucht man zwei Personen, um einen der bösen herumlaufenden Hunde zu fangen; zweitens verstärkt sich die Wirkung von Aktionen überproportional mit der Anzahl der Anwesenden; drittens liegt das Sich-Zugesellen natürlich im Bestreben der “Bösen”, andere zu identifizieren, und die Guten können nicht verhindern, dass sich ein nachziehender Böser ihnen zugesellt. Das einzige Mittel dagegen ist die Spielerreihenfolge im Auge zu haben. Der “Leader” zieht immer als Letzter, und diese Rolle kann man gewollt auf sich nehmen.

Jetzt Schluss mit der Regel-Präsentation. Moritz brauchte in einem einigermaßen strukturierten Vortrag anderthalb Stunden, um uns mit dem Spiel vertraut zu machen. Bei uns wurde Günther der Alien. Als erstes infizierte er Aaron, dann Walter. Moritz blieb als einziger Gutmensch übrig. Selbst mit den Händen voller Maschinengewehre und Flammenwerfer wäre es ihm nicht gelungen, einen intakten Hubschrauber zu betreten und zu flüchten. Günther ließ ihn noch ein paar Runden drehen, bis er auch ihn zu sich (uns) in die ewigen Jagdgründe hinüberzog.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (es geht in die Richtung eines Party-Spiels, sehr viele Zwänge, sehr viele chaotische Elemente), Günther: 5 (als Startup-Alien hatte ich eine klare Strategie und Taktik), Moritz: 8 (die Mechanismen stimmen, vor allem fasziniert mich die Umsetzung des Films), Walter: 4 (alles Zufall; ich habe keinerlei Peil für ein gutes taktisches oder strategisches Vorgehen).

Am nächsten Morgen studierte Aaron noch einmal die Regeln und fand einen gravierenden Fehler in unserer Handhabung:

“1) Uns war gestern dieser merkwürdige Mechanismus aufgestoßen wonach die Zuordnung der Aktionen zu den Charakteren zufällig erfolgt. Dies ist falsch! Der Leader deckt zuerst die oberste Aktionskarte auf und weist dann diese Aktion einem Character zu. Damit gibt es dort also gar kein Glückselement und stattdessen bekommt die Rolle des Leaders noch mehr Gewicht (nach der Spielreihenfolge jetzt also auch noch die Entscheidung, wer was macht).

2) Die „Schadens-Token“, die das Thing mitführt, nachdem es entdeckt wurde (oder sich selber offenbart hat), wirken in den Räumen auch als Sabotage. Der Thing Spieler kann also gezielt Räume sabotieren, auch wenn dort dann später kein anderer Spieler hingehen sollte. Das macht das Thing allerdings noch stärker als es sowieso schon ist.

Ich ziehe damit meine Wertung von gestern erst einmal zurück, da das Spiel grundlegend anders funktioniert als wir es gestern gespielt haben. Ob es wirklich besser ist bezweifle ich allerdings wegen Punkt 2.”

2. “Prinz & Prinzessin”

Obwohl das Spiel letzte Woche durchgefallen war, versuchten wir es in einer Vierer-Runde noch einmal. Vielleicht würde Moritz uns hier in die Geheimnisse von Prinz&Prinzessinnen-Lust&Spaß einführen können.

Sein erstes Statement: “Ich bestehe auf’s Reden”, d.h. wir sollten alle zum Kartentausch laut ein von uns verpöntes: “Ich bin die Prinzessin und suche den Fisch” – oder so ähnlich – von uns geben, denn “das ist ein wesentliches Spielelement” & “das ist genau das Interessante daran“. Geschmäcker sind verschieden. Das, was bei uns am Westpark überhaupt nicht ankommt, soll vom Autor also als Kernelement in das Spiel hineindesaint worden sein?

Tatsächlich: Moritz fing an und rief in die Runde: “Ich bin der Prinz, wer ist die Prinzessin”. Unabhängig davon, was Moritz gesagt hatte oder gesagt hätte meldete sich Walter als Prinzessin. Die einzige gesicherte statistische Aussage zu dem Spiel ist doch wohl, dass man umso mehr Punkte machen kann, je häufiger man tauscht. Jetzt war Walter aber in Wirklichkeit der “böse Zauberer” und Moritz der “gute Zauberer”; und schon konnte sich Moritz triumphierend ob seiner erfolgreichen Gewinnstrategie einen Siegpunkt zugute schreiben.

In der nächsten Runde fing Aaron lautstark an und rief: “Ich bin der Prinz, wer ist …” oder so ähnlich. Walter bedachte wieder – ohne Aarons Aussage auch nur zu verinnerlichen – die statistischen Gewinnaussichten und meldete sich sogleich unter dem gewünschten Namen. Und siehe da, Duplizität der Ereignisse, statistisch schon etwas außerhalb des normalen Rahmens, Aaron war die gute Hexe, Walter die böse, und Aaron konnte einen Siegpunkt verbuchen.

Man registriere das Spiel-Design: Bevor Günther auch nur den ersten Muckserer von sich geben konnte, hatten Moritz und Aaron bereits je einen Siegpunkt – ein Drittel zum Gesamt-Sieg – verbuchen können. Auch im Weiteren spielte der Zufall sein Spiel, die nächsten beiden Runden dauerten ebenfalls nur 1 bzw. 2 Züge und Aaron konnte sich zwei weitere Siegpunkte gutschreiben. Das Spiel war – Gott-sei-Dank – zu Ende.

Es schloss sich eine Diskussion über diese Gaudi-fördernde (? in welchen Spieler-Kreisen?) marktschreierische Lügerei an. Hat man taktische Vorteile, wenn man schreit oder nicht? Moritz bestand darauf, dass man “wie beim Poker” nach einer gewissen Erfahrung seine Mitspieler “lesen” könne. Er erbot sich sogar, eine Excel-Tabelle aufzustellen, nach der man als Person X mit der Wahrscheinlichkeit p sich als Person Y ausgeben und mit der Wahrscheinlichkeit q nach der Person Z fragen soll. Diese Tabelle sollte dann die Siegchancen des Marktschreiers gegenüber einem Schweiger signifikant erhöhen.

Selbst unser Mathematiker Günther, der aus der Spieltheorie heraus solche Wahrscheinlichkeits-Matrizen zur Genüge kennt, schlug sich auf Moritz’ Seite. Vergeblich brachte Walter vor, dass die jeweilige Suchfrage – wenn “richtig”, d.h. unsystematisch vorgegangen wird – Null Relation mit der Wirklichkeit hat, und dementsprechend auch GAR NICHTS zu den Siegchance beitragen kann. Aber er blieb ein einsamer Rufer in der Wüste.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Spiel ist mit einem zufälligen Ausgang zu Ende, bevor man ein (Teil-)Wissen über die Karten-Personen-Verteilung erworben hat und ausnutzen kann), Günther: 4, Moritz: 5, Walter: 3 (ein reines Zeit-Totschlagen, und so viel davon habe ich nicht mehr!)

3. “Kameloot”

Eine Art Quartett-Spiel, vollgepackt mit Chaos-Elementen. Das Spiel besteht aus 6 verschiedenen Kartenarten, auf denen die Zahlen 2 bis 7 aufgedruckt sind. Alle Spieler sind zufällig den Fraktionen A oder B zugeteilt. Wer am Zug ist, zieht seine Kartenhand vom verdeckten Stapel auf 4 Karten auf und legt dann beliebig viele davon offen in eine seiner Sammlungen. Eine Sammlung ist vollständig, wenn sie – abhängig von der Kartenart – aus 2, 3 … oder 7 Karten besteht.

Besonderheit 1: Es zählen nicht nur die Karten in den eigenen Sammlungen, sondern auch die in denen der Mitspieler, die zur gleichen Fraktion gehören. Es bringt also nichts ein, 5 wunderschöne 6er Karten in seine Sammlung zu legen und auf die erfüllende 6te zu warten: wenn ein Mitspieler diese Karte auf der Hand hat und sie zeitlich vor uns auslegt, wird die Sammlung vollständig und gehört dem Mitspieler, also dem, er als letztes eine oder mehrere zugehörige Karten auslegen konnte.

Besonderheit 2: Die Karten in einer vollständigen Sammlung zählen als Siegpunkte. Allerdings gehören sie nicht dem, der sie vervollständigt hat, auch nicht anteilig entsprechend den beigesteuerten Karten, sondern sie werden einzeln reihum im Uhrzeigersinn unter den Mitspielern der gleichen Fraktion verteilt. Dabei bekommen auch diejenigen Mitspieler etwas ab – genauso viel wie die anderen –, die überhaupt KEINE Karte zu Vervollständigung der Sammlung beigetragen haben. Einziger Vorteil des Vervollständigers: das Verteilen fängt bei ihm an, so dass er mindestens genauso viele Karten bekommt, wie die Mitspieler, und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch (maximal) eine Karte mehr als die Letzten in der Verteilungsrunde.

Alle Karten haben aber noch einen Nebeneffekt, und jeder Spieler kann bei seinem Zug wählen, ob er Karten in seine Sammlungen gibt oder (exklusiv) eine Karte auf den Ablagestapel gibt und stattdessen deren Nebeneffekt ausnützt. Nebeneffekte können sein: Die eigene Fraktion zu wechseln, einen fremden Spieler zu zwingen, die Fraktion zu wechseln, eine seiner Sammlungen mit einer Sammlung eines beliebigen Mitspielers zu tauschen, aus dem Ablagestapel alle Karten einer Kartenart herauszusuchen und in seine Sammlung übernehmen, und dergleichen mehr, was einer linearen Quartett-Sammeltechnik zuwiderläuft.

Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht, wie man das Spiel gut spielt. Ganz sicher kann man taktisch gut oder schlecht ablegen und tauschen; man kann in der Auswahl seiner Sammlungskarten und in der Anzahl der jeweils dort liegenden Karten taktisch vorgehen. Und natürlich kann man beim Nutzen der Nebeneffekte – soweit sie einem das Schicksal in die Hände gegeben hat – geschickt oder weniger geschickt vorgehen. Beim ersten Kennenlernen des Spiels haben wir uns einfach den zufälligen Ereignissen hingegeben und waren öfters gelustet als gefrustet. Das ist doch schon mal ein Pluspunkt für ein Gaudi-Spiel.

Vielleicht steckt im Verteilungsmechanismus ein Bug. Er ist zu gleichförmig. Am Ende hatten 3 von 4 Spielern exakt die gleiche Punktzahl. Da gab es natürlich dreifache Freude, anstatt nur eine bei nur einem Sieger. Aber ist das gut? Wofür soll man sich dann anstrengen, wenn die eingebaute Gleichmacherei hinterher alles wieder nivelliert?

WPG-Wertung: Aaron: 6 (die Gleichmacherei könnte ein Problem sein), Günther: 6 (machte sich Gedanken über eine mögliche Fraktions-Strategie), Moritz: 6 (lockeres Sammelspiel), Walter: 6 (gelungenes Chaos-Spiel, das nicht mehr verlangt und nicht mehr verspricht, als es hergibt).

4. “Bluff”

Endlich mal wieder ein reales Bluff am realen Spieltisch.
Moritz ging mit 4 :2 gegen Günther in das Endspiel. Aber er überschätzte seinen Würfelbecher. Mit seinen Vorgaben 4 mal die Fünf, 2 mal Stern und 3 mal Fünf verlor er jedes Mal einen Würfel.
Im Endspiel 1 : 1 wandte er die überlegene Immer-4-Strategie an. Ausgerechnet gegen Günther, der als Erfinder der Immer-5-Strategie mit deren Schwächen am besten zurechtkommt.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

27.04.2022: Wasserwirtschaft für die Prinzessin

1. “Wasserkraft”
Von der Farbgebung her erinnert die Aufmachung an die schon bald legendäre Trilogie Ruhrschifffahrt – Haspelknecht – Kohle & Kolonie. Vom Spielmaterial ebenfalls: Jede Menge Männchen, Baggerchen, Betonmischerchen, Mauerchen, Turbinchen, Wassertröpfchen, sowie Plättchen für dies und das. Natürlich auch Geld.

“Wasserkraft” mit Material und Spielbrett nach der Spielvorbereitung.

Szenerie ist eine vernetzte Flusslandschaft mit Stauseen. Wir sind Unternehmer der Wasserwirtschaft und müssen Mauern bauen, um das Flusswasser aufzufangen und die Fassungskraft unserer Stauseen zu erhöhen, wir bauen Wasserkraftwerke, die uns schlussendlich Gewinne erwirtschaften sollen, und wir bauen Turbinen, über die wir das Wasser aus den Stauseen auf unsere Wasserkraftwerke leiten, damit sich auch was dreht.

Es gibt eine Menge Konkurrenz. Wichtig ist erst einmal, an den strategischen Punkten der Flussland, d.h. wo voraussichtlich das meiste Wasser hinkommen wird, als Erster zu bauen. Das erste kleine Mäuerchen an einem Stausee bewirkt, dass der ganze See mir gehört und das Wasser daraus nur von mir genutzt werden kann.
Das ist nicht ganz richtig: Jeder Stausee hat zwei Bereiche. Einen oberen, bei dem das Flusswasser als erstes ankommt und einen unteren, das als zweites drankommt. Oben zu bauen ist teurer, deshalb ist man verleitet, zuerst die unteren Mauern zu bauen. Wenn aber ein böser und inzwischen reichgewordener Mitspieler später die obere Mauer baut, ist einem mehr oder weniger das Wasser abgegraben und die eigenen Turbinen und Kraftwerke bleiben hier nutzlos stehen.

Staumauern sollte man rechtzeitig erhöhen, damit das ankommende Wasser auch komplett aufgefangen werden kann und nicht einfach über die Staumauer hinwegschwappt und in darunter liegende Stauseen weiterfließt.

Es gibt aus der Startaufstellung heraus drei “öffentliche” Stauseen, aus denen jeder Spieler Wasser fließen lassen kann. Hier ist es wichtig, gegebenenfalls der Erste zu sein, der das Wasser fließen lässt, denn der Wasservorrat ist begrenzt und was weg ist, ist weg.
Zur strategischen Planung gehört es unbedingt, Kraftwerke und Turbinen so zu bauen, dass das Nutzwasser beim Betrieb in die “richtigen” – sprich die eigenen – darunterliegenden Stauseen abgeleitet wird, damit wir es von dort aus ein zweites Mal für unsere darunter liegenden Kraftwerke nutzen können.

Bauen und Betreiben der Wasserwirtschaft erfolgt mittels Arbeiter-Pöppeln, die auf ein Worker-Placement-Tableau gesetzt werden. Wer zuerst kommt, kann billig setzen und wirtschaften, wer später kommt, muss mehr Arbeiter und ggf. auch noch Geld für die gleiche Aktion einsetzen, und wer noch später kommt, geht leer aus, d.h. er kann bestimmte Aktionen in dieser Runde überhaupt nicht ausführen. Das ist Standard bei diesem Genre.

Zum Bauen werden “Bagger” und “Betonmischer” verlangt. Die sind grundsätzlich sehr knapp. Sie werden auf eine “Bauscheibe” gelegt, wo sie für 6 Bauaktionen blockiert sind; erst danach kommen sie in unseren Vorrat zurück. Ein nicht ganz neues Spielelement, aber hübsch in den gesamten Spielablauf integriert.

Eingebaut ist auch eine grundsätzliche Asymmetrie: jeder Spieler hat eine besondere Eigenschaft, die ihn beim Bauen, beim Betreiben oder bei den Erlösen Vorteile bringt. Ob das nötig war, sei dahingestellt, dass hier alles ausbalanciert ist, darf bezweifelt werden. Es ist aber alles doch nur ein Spiel.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (wohlwollend, Günther zuliebe; es geht schleppend los, zu wenig ist machbar, mehr Frust als Lust), Günther: 7 (mindestens; es ist doch klar, dass man mit der umfangreichen Mechanik am Anfang überfordert ist), Walter: 7 (8 Punkte für die Konstruktion; reichlich Interaktion, viel Handlungsfreiheit, viele taktische Optionen, die leider natürlich auch auf die Denkzeit gehen; das Wasser-Abgraben ist ein hübscher Kampfmechanismus, der böse Überraschungscoups erlaubt. Kampf und Überraschung in einem Spiel ist immer gut)

2. “Prinz & Prinzessin”
Die Wasserkraft hatte uns verausgabt, zur mentalen und physischen Regeneration kam das kleine Dödelspiel gerade recht.

Jeder Spieler bekommt eine Personenkarte auf die Hand. Damit ist er entweder König, Königin, Prinz, Prinzessin, gute Hexe, böse Hexe und noch einige weitere Charaktere.

Wer am Zug ist, kann seine Karte mit einem beliebigen Spieler tauschen. Wenn er zufällig der Prinz ist und der getauschte Spieler die Prinzessin, bekommen beide einen Punkt. Andernfalls passiert nix. Wenn er zufällig die böse Hexe ist und der getauschte Spieler die Prinzessin, so bekommt er einen Punkt und die Prinzessin nix.
So gibt es ein ganze Latte von Tauschkombinationen Person x gegen Person y, die dem einen Punkt einbringen und dem anderen in der Regel nix.

Auf dem Tisch liegen ebenfalls noch verdeckt vier Personenkarten, gegen die man seine eigene Personenkarte tauschen kann; ein Effekt wird damit aber nicht ausgelöst.

Jedes mal, wenn ein Punkt vergeben wird, ist eine Runde zu Ende; die Karten werden neu gemischt und verteilt. Das ganze Spiel ist zu Ende, wenn ein Spieler 3 Punkt kassiert hat.

Kann man hier versuchen, eine Übersicht über die Karten in den Händen der Spieler zu gewinnen, um gezielt die Person zu wissen, für die man aus der eigenen Personenkarte heraus den Siegpunkt zu bekommen? Man kann; es liegt aber wohl nicht im gewollten Spieldesign. Oder es funktionierte in unserer Dreierrunde nicht. Bevor man auch nur ahnen konnte, wo der Hase im Pfeffer liegt, hatte ein Spieler mehr oder weniger zufällig den punkteträchtigen Tausch abgewickelt und die Runde war zu Ende.

Nach dem Regelheftchen kann man den Spielablauf auch noch ein bisschen akustisch aufpeppen, indem jeder Spieler vor seinem Tausch sagt: “Ich bin Person x (Prinz, Prinzessin, …), wer ist Person y (…).” Nachdem aber sowohl der Fragende als auch die Antwortenden dabei beliebig lügen dürfen, wurde uns nicht klar, welcher Nutzeffekt für jeden dabei herausspringen sollte, außer einem – bei uns in der Regel nicht goutierten – Dödeleffekt. Wir haben uns diesen Lustgewinn erspart.

WPG-Wertung: Für dieses Gaudi-Spiel können wir in einer 3er Runde keine Punkte vergeben. Walter würde es allerdings auch in einer größeren Runde nicht noch einmal spielen wollen.