Archiv der Kategorie: Spieleabende

05.02.2025: Die fröhliche Wissenschaft

1. “Sankoré”

Wir lassen die hochmittelalterliche Universität Sankoré in Timbuktu glänzen.

Wo liegt denn Timbuktu? Auch ohne ausgeprägte geographische Ignoranz muss ein Normal-Sterblicher dazu das Internet bemühen. „Timbuktu, auch «Perle der Wüste» genannt, liegt im Norden des westafrikanischen Landes Mali. Neben drei großen Moscheen gibt es in der historischen Wüstenstadt jahrhundertealte Friedhöfe und Mausoleen. Seit 1988 zählen sie zum Weltkulturerbe der Unesco.“ – Wahrlich eine große Vergangenheit.

Weiterhin ist „Timbuktu“ eine bekannte Bridge-Konvention: schwacher Ein- oder Zweifärber gegen eine starke künstliche Eröffnung des Gegners.

In Bridge-Kreisen geht dazu aber noch ein hübscher Witz um.
A priest and an Aussie sheppard were competing against each other in a quiz.
After all the normal questions were finished it was a tie so the quizmaster asked them both to, within a minute, come up with a poem that included the word “Timbuktu”
After a minute the priest was first to recite his poem:

I was a father all my life,
I had no children, had no wife,
I read the bible through and through
on my way to Timbuktu.

The audience were delighted and were prepared to declare the priest winner of the quiz when the sheppard jumped up and recited his poem:

When Tim and I to Brisbane went,
we met three ladies cheap to rent.
They were three and we were two,
so I booked one and Tim booked two!”


Zurück zum Spiel von Fabio Lopiano und der Universität. Wir betreiben vier ehrwürdige Fakultäten: Astronomie, Mathematik, Jura und Religion. Wir schreiben Studenten ein, richten Kurse ein, lassen unsere Studenten die Kurse absolvieren und graduieren sie früher oder später.

Dabei benötigen bzw, produzieren wir Salz. Geld und Bücher, je nach Fakultät, und errichten im weiten Land Gebäude, die alleine oder in Konkurrenz zu den Mitspielern Mehrheitsprämien einbringen, mit denen wir in der Schlussabrechnung punkten.

Wie das alles zusammenhängt, wo wir Lorbeeren einheimsen und wo diese lediglich schlapp vor sich hin welken: ich habe es vergessen und vielleicht auch nie verstanden.

Günther brauchte anderthalb Stunden, um das Spiel zu erklären. Das geht ja noch. Wir brauchten simultan dazu aber auch noch mindestens eine Stunde, um das Spiel sehr diffizil und undurchsichtig aufzubauen. Aber wir spielten es drei Stunden lang bis zur bitteren Neige, und Günther konnte mit wachsender Begeisterung Objekt um Objekt für seinen Siegpunktsegen einheimsen, in der Gunst steigen, Bücher schreiben und sie so in der Bibliothek einreihen, dass seine Kreise auch noch am eifrigsten kreißten.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (liegt mir nicht, repetitiv, sehr schlecht gelöste Grafik, bei der Aktionen und ihre Effekte sehr schlecht übersehbar bleiben), Günther: 7, Walter: 4 (die Idee ist schön, das Material ebenfalls, ansonsten aber kaum Interaktion und lediglich ein Gießkannenrun um die einträglichsten Plätze.)

2. “Schrödingers Katzen”

Für die Nicht-Physiker unter den Spielern eine kurze Einführung von Wikipedia: „Schrödingers Katze bezeichnet ein populär gewordenes Gedankenexperiment aus der Anfangszeit der Modernen Physik, in dem das Weiterleben einer Katze, die sich in einem geschlossenen Kasten befindet, von einem durch die Quantenmechanik beschriebenen Vorgang abhängt.“

Dieser Titel, wenn er denn nicht vom Verlag kommt, ist zumindest ein kleiner Hinweis auf den Intellekt der drei Autoren. Ansonsten ist alles hundertprozentig vom genialen „Bluff“ geklaut und adaptiert. Anstelle des Würfels hat jeder Spieler eine Anzahl Karten in der Hand, die eine lebendige bzw. eine tote Katze zeigen, bzw. einen leeren Käfig oder Heisenbergs Unbestimmtheit. Wir müssen uns nur wie bei „Bluff“ hochschrauben in der Schätzung, wie viele lebende oder tote Katzen (welche „Augenzahl“) es insgesamt unter allen Karten („Würfeln“) der Spieler gibt.

Wir dürfen wie bei Bluff auch eine Anzahl Karten offen auslegen und mit den restlichen Karten „nachwürfeln“ – d.h. sie gegen neue Karten vom Stapel austauschen. Alle Bluff-Effekte sind vorhanden, und sonst gar nichts.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (hart an der Grenze zum Plagiat, der Charme fehlt hinten und vorne), Günther: 6 (wenn man „Bluff“ nicht kennt), Walter: 3 (wenn man „Bluff“ kennt).

19.02.2025: Das Chaos mit der Paranoia

1. “Jump Drive”

Moritz hatte Andrea, die beste aller seiner Ehefrauen mitgebracht, und wir waren gespannt, was sie zu Tom Lehmanns in der BGA überzeugenden Solitärspiel (am Tisch weniger überzeugend) sagen würde.

WPG-Wertung: Andrea 5 (durchschnittlich, in der Online-Version 1 Punkt mehr), Moritz: 4 (ich finde es nach wie vor öde).

2. “Paranoia: The Uncooperative Board Game”

Moritz durfte sein mitgebrachtes Spiel ohne Widerspruch auf den Tisch legen, obwohl er gleich einräumte: „Es ist ein Chaos-Spiel“!

Was ist denn ein Chaos-Spiel? Da fragen wir doch mal die KI.
“In der Mathematik ist es ein mathematisches Experiment aus der Chaosforschung und der fraktalen Geometrie.” Das war nicht gemeint, aber weiter heißt es: “Im allgemeinen Sprachgebrauch ist es ein sehr unstrukturiertes oder hektisches Gesellschaftsspiel, mit ständig wechselnden Regeln, unerwarteten, zufälligen Ereignissen oder der Notwendigkeit schneller und flexibler Reaktionen darauf. Solche Spiele haben oft einen hoher Spaßfaktor durch Durcheinander: Die Spieler müssen oft aufeinander reagieren oder sich gegenseitig beeinflussen.“

Und was ist Paranoia? – Dazu wieder die KI: „Paranoia ist ein psychischer Zustand, der durch übermäßiges Misstrauen, Angst und das Gefühl gekennzeichnet ist, verfolgt oder bedroht zu werden – oft ohne eine reale Grundlage.“

Und was ist Moritz seine Paranoia? Die Basis ist “ein düsterer, dystopischer Roman des belarussischen Autors Viktor Martinowitsch, der das Leben in einem Überwachungsstaat beschreibt.“ Im Spiel laufen wir miteinander und/oder getrennt durch offene oder zu öffnende Kammern, werden von Bots verfolgt und bekämpft und müssen einzeln oder im konkurrierenden Verein schnell genug wechselnde Aufgaben lösen.

Gleich zu Beginn konnte keiner von uns ungestraft auch nur eine einzige seiner Aktionskarten spielen. Weil Walter das zu doof vorkam, spielt er halt eine Karte und wurde systemgemäß abgestraft. Andrea war gewarnt und tat NICHTS, gar nichts – auch das ist ein zulässiger Zug -, und wurde damit Sieger der ersten Runde.

Nachdem wir gut zwei Stunden gespielt hatten und immerhin schon ein Drittel des Spiels geschafft hatten (Günther war noch bei seinem ersten Sechstel), begann Walter demonstrativ mit einem Design-gerechten dolce-far-niente und ohne Einwände brachen wir ab.

Mehr möchte ich jetzt zu diesem Spiel nicht zum Besten geben.

WPG-Wertung: Andrea: 6 (ich mag solche Spiele. Es hat Flavour und Atmosphäre), Günther: 4 (es war lustig, aber in all den Stunden habe ich keinerlei Entwicklung gesehen; ich möchte es nicht noch einmal spielen), Moritz: 6 (ich kenne das zugehörige Rollenspiel und kann deshalb die Spielzüge goutieren; für das, was es ist, ist es etwas zu lang), Walter: 4 (es funktioniert; doch was ich zum Spielen als Zeitvertreib – „passatempo“, nicht „divertimento“ – meine, habe ich erst kürzlich kundgetan).

3. “Bluff”

Andrea wollte sich trotz genossener Paranoia-Atmosphäre zum Abschluss noch etwas Spielerischeres gönnen, unseren Jahrhundert-Absacker “Bluff“. Seit Jahrzehnten beliebt, war er selbst in den letzten vier Monaten immerhin noch zweimal auf den Tisch gekommen (von insgesamt 225mal in diesem Jahrtausend).

Im Nu war Andrea ausgeschieden und durfte „mit Spaß“ dem Würfelkampf der drei Männer zusehen. Moritz gewann. Im zweiten Durchgang war es genau umgekehrt. (Fast.)

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

12.02.2025: Kuscheln nach der Patience

1. “Jump Drive”

Dieses Spiel von Tom Lehmann hat uns schon oft in der Boardgame-Arena erfreut, zumindest zum Warming Up oder als Absacker. Jetzt hat es Günther erstmals als reales Kartenspiel auf den Tisch am Westpark gebracht.

Eigentlich „spielen“ wir es nicht, vor allem auch nicht gegeneinander, sondern wir versuchen, aus den uns mehr oder weniger zufällig zugeteilten Karten solitär jeder für sich das Beste daraus zu machen.

Pro Zug dürfen wir eine Entwicklungskarte und dazu entweder eine Planetenkarte oder eine Militärkarte offen auslegen. E- und P-Karten kosten Geld, d.h. pro Einheit eine der Restkarten, die wir noch auf der Hand haben; für M-Karten müssen wir die geforderte militärische Stärke besitzen. Jede Karte bringt Geld (neue Karten vom Stapel) und/oder Stärke und/oder Rabatt bzw. Stärke für den Erwerb weiterer Karten. Dazu enthalten manche Karten Symbole, die vor allem in die Siegpunktrechnung pro Karten eingehen, die ja überhaupt der Zweck des Spiels ist.

Jeder Spieler bekommt zu Beginn 5 Karten. Damit muss man natürlich haushalten. Kauf man sich z.B. gleich im ersten Zug einen „Bergbauroboter“ und eine „Künstlerkolonie“ für je 1 Einheit, ist man die beiden ausgelegten Karten plus je 1 Karte für die Kosten los, bekommt keine neue Karte und kann lediglich versuchen, mit der einen letzten Karte dem Hungertod zu entkommen.

Sehr viel besser ist man dran, wenn man gleich am Anfang die „Kometenzone“ zugeschustert bekommen hat und sie zusammen mit der Startbonuskarte „Erkundungsteam“ auslegt. Da ist man zwar gleich sein gesamtes Kartenpotential los, aber man bekommt (allein) dafür in jeder Runde 4 neue Karten und kann sich nach höheren Lorbeeren umsehen.

Später schwelgt man im Ertrag aller seiner Karten und weiß gar nicht mehr wohin damit, denn man darf  immer nur maximal 10 Karten auf der Hand haben.

So muss ein jeder Spieler abwägen, ob er in Karten (am Anfang natürlich) oder in Siegpunkte (gegen Ende natürlich), in militärische Stärke oder in die paar siegpunktträchtigen Symbole investiert.

Das Ende kommt ganz schnell und – für alle außer bis auf den Sieger – überraschend herbei, und das ist einer der großen Vorteile dieses Spiels.

WPG-Wertung: Günther: 8 (besonders für die Online-Variante, schnell und konstruktiv), Moritz: 4 (es gibt keinerlei Strategie, lediglich ein bisschen Taktik, getragen von sehr viel trügerischer Hoffnung), Walter: 6 (auch in einer fröhlichen Runde kann man sich zuweilen eine Wettrennen-Patience leisten).

2. “Genesia”

Ein archaisches Ausbreitungsspiel. Alle  Spieler haben identische Heimatgebiete, die sternförmig um einem gemeinsamen Zentralgebiet „Genesia“ anliegen. Alle Gebiete sind in Felder eingeteilt und jedes Feld enthält eine Zahl für die Siegpunkte, die man am Spielende bekommt, sofern man das Feld besetzt hat. Die Felder ganz unten an der Heimatbasis sind billig, die Felder neben dem Zentralgebiet sind schon ansehnlich, am lukrativsten aber sind die Felder in Genesia selber.

Per Geld und/oder Handkarten bezahlen wir das Wachstum und die Bewegungen unserer Bevölkerung. Nach jeder der drei Runden bekommt jeder Spieler, der auf einem Feld mindesten zwei seiner Pöppel stehen hat, dort kostenlos ein Schloss dazu.

Es gibt für jeden viel Raum und entsprechend wenig Streit. Sogar in der Spielregel steht, dass es in der ersten (von drei) Runden wohl keinen Kampf gibt. Und in der zweiten Runde besser wohl auch nicht, denn wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. So könnten wir uns fast über drei Runden lang nur liebenswürdig aneinanderreibend ausbreiten.

Sofern ein Spieler aber doch einen besseren Platz an der Sonne erstreiten will, darf er loslegen. Der Kampf wird linear gerecht und billig abgewickelt: jede Kampfpartei räumt im Kampfgebiet zweier benachbarter Felder gleichmäßig ihre Leute ab, bis am Ende nur noch eine übrigbleibt.

Dabei hat der Startspieler der letzten Runde hier einen natürlichen Nachteil: Als Erster muss er seine Leute verteilen, und die Nachfolger können dementsprechend ablesen, ob und wo er Eroberungsgelüste hat: Sie können ihm dann erstens aus dem Weg gehen – dann stehen seine massierten Truppen vor einem Niemandsland, in das sie nicht einmarschieren dürfen – und zweitens können sie ihre Truppen an seinen Schwachstellen positionieren und seine paar Manschgerl mit der Mütze erschlagen.

So ähnlich war es auch bei uns. Moritz als Startspieler der letzten Runde hatte sämtliche – hoch dotierten – Felder des Zentralgebietes besetzt und seine Mannschaften dort ordentlich konzentriert. Er sah wie der sichere Sieger aus. Bis Günther an die Reihe kam. Der zog seine gesamte verfügbare Mannschaft auf ein einziges zum Zentralgebiet benachbartes Feld zusammen und begann von dort den Vernichtungskampf. Wenn Moritz nicht – zufällig – eine Verteidigungskarte gehabt hätte, die es ihm erlaubte, als Verteidiger Leute aus benachbarten Felder zu Hilfe zu holen, wäre es sein Waterloo geworden. So aber konnte er wenigstens einen Teil von Genesia halten. Zum Sieg reichte es ihm aber nicht.

WPG-Wertung: Günther: 6 (glücklicherweise gibt es nicht zu viel Kampf; allerdings sollte man im Endkampf nur maximal die Nachbarfelder erobern dürfen, aber keinen Komplettdurchzug machen dürfen), Moritz: 6 (das Kampfsystem ist unschön, da wären sogar Würfel besser gewesen), Walter: 5 (Wenn der – unschöne – Kampf nicht wäre, dann wäre das Spiel auch nur so eine Art Verteilungs-Patience).

05.02.2025: Fischen auf den Hebriden

1. “Tiny Epic Game of Thrones”

Ein Ausbreitungs- und Kampfspiel für Clans in einer sehr gedrängten Geographie, die einem  schlanken Britannien nachempfunden ist. A la Trump mit Geld oder a la Putin via Invasion müssen uns ausbreiten, mit neutralen Clans Allianzen schmieden, gegen Mitspielerclans und deren Allianzen kämpfen und über diese oder jene Entwicklung Siegpunkte einheimsen. Selbst der Tod unseres Häuptlings bringt uns noch Siegpunkte ein.

Eigentlich ganz einfach, denn jedem Spieler stehen in insgesamt sechs Runden nur je zwei Aktionen zur Verfügung. „Vermehrung“ ist eine solche Aktion, im Nu abgewickelt, „Bewegen“ bzw. „Verschiffen“ sind zwei weitere Aktionen, über die man ebenfalls nicht viel Denkschmalz verschwenden muss. Noch schneller geht das „Eintauschen“ von Eventkarten in Geld. „Allianzen Schließen“ ist etwas komplizierter, aber auch noch zu schaffen.

Das Komplizierteste sind die hunderttausend verschiedenen Eventkarten, von denen jeder Spieler quasi jederzeit vier Stück auf der Hand hat und über der Aktion „Event“ realisieren kann. Ihre Effekte bewegen sich im gleichen Aktionsrahmen, nur kombiniert, etwas umfangreicher und perfider.

Die möglichen Aktionen sind hier so locker hingeschrieben, sie sind aber nicht frei wählbar. Eine wird per Platzierungsbrett entschieden, wo außer für den Startspieler einer Runde schnell die besten bzw. benötigsten Aktionen belegt sind. Die andere Aktion wird per Würfel entschieden, wobei sogar selbst der Startspieler äußerst limitiert sein kann, auch wenn hier ein paar Weichmacher eingebaut sind.

Aaron war hoch im Norden der britischen Insel angesiedelt und konnte mangels passender Aktionsauswahl kaum einen Schritt weg von den Hebriden ins Gelobte Land tun. Günther und Walter werkelten ganz im Süden links und rechts von Cornwall und bemühten sich redlich und abgesprochen, sich gegenseitig nicht ins Gehege zu kommen, was sich in dem sehr beschränkten Raum gegen Schluss des Spiels aber nicht mehr aufrechterhalten ließ. Unser Matador Moritz startete in Midlands, ließ sich vorsätzlich etwas zurückfallen, um in der ersten Wertungsrunde den Ultimus-Bonus einzustreichen, und rupfte nur hier und da gezielt unserem zweiten Matador Günther ein paar Federn aus. Doch sein Rückstand war zu groß, er konnte sich in den verbleibenden Runden nicht mehr nach vorne und aufs Treppchen schwingen.

Günther baute Runde für Runde seinen Vorsprung aus und war schon fast dabei, seine Mitspieler zu überrunden, da trafen ihn in der letzten Runde drei Schicksalsschläge, geschlagen von seinen drei Mitstreitern, und er wäre fast wieder bei den Leuten gewesen. Nur einen Punkt hinter ihm (fast so gut wie vor ihm) landete Walter, der von solchen Kriegsspielen ja überhaupt nichts versteht. Lag das an seinem Startpunkt Cornwall, an der sehr dichten Grundbesiedelung, die a priori keine hochfliegenden Pläne und Planungen aufkommen lässt, an der zähen Aktionsauswahl oder daran, dass die Wölfe vom Westpark keine Schafe reißen?

WPG-Wertung: Aaron: 5 (der Würfelmechanismus gefällt mir gar nicht, damit verliert man noch mehr Flexibilität, die ohnehin schon sehr begrenzt ist), Günther: 6 (es gibt eine Reihe von strategischen und taktischen Möglichkeiten), Moritz: 7 (in der tollen kleinen Spieleschachtel ist ein vollwertiges Brettspiel drin), Walter: 6 (selbst das dolce Vita in Cornwall kann Lorbeeren tragen).

2. “Fischen”

Ein Stichkartenspiel. Offiziell soll es etwas mit Deckbuilding zu tun haben. Richtig daran ist: jeder hat 8 (in späteren Runden 9, 10, 11 oder 12) Karten in der Hand, und spielt jeweils eine davon zu einem Stich aus. Man muss bedienen und die höchste Karte bzw. der höchste Trumpf macht den Stich. Soweit Stichkartenspiel.

Die Karten eines Stiches zählen a) als Siegpunkte und b) sind sie es, mit der man die nächste Runde bestreiten muss. Wer hohe Karten in seinen Stichen einkassieren konnte, hat für die nächste Runde einen gewissen Vorteil. Aber nur bedingt. Denn wer nicht genügend Karten stechen konnte, darf seine nächsten Karten vom Nachziehstapel ziehen, und dort gibt es via gewolltem Design deutlich stärkere Karten. Es geht für jeden Spieler also um das Abwägen, ob er einen Stich und damit sofort ein paar Punkte macht, oder ob er lieber auf einen Stich verzichtet, um später über die Karten vom Nachziehstapel seinen Reibach zu machen. – Sofern ihm die Chance für diese Alternative überhaupt geboten ist. Deckbuilding gleich Null.

Es kommt aber noch schlimmer. Im Kartenspiel sind Sonderkarten enthalten, die man jederzeit zugeben darf, auch wenn man eine ausgespielte Farbe bedienen müsste. Damit ist erstens das planmäßige Kalkulierten vom Abspielen einer Kartenhand unmöglich gemacht, und anstelle eines Stiches erhält man z.B. nur Dreiviertel davon, noch dazu das schlechtere, denn die beste Karte wird sich der Sonderkartenspieler natürlich selber aneignen. Damit gerät das Deckbuilding sogar noch unter Null. Mit einer Sonderkarte kann man sogar das Ausspielrecht zum nächsten Stich sichern; damit wird die Planbarkeit der Kartenhand noch weiter ausgehebelt.

Diese böse Kritik schreibe ich jetzt als Bridgespieler. Der anerkannte Spieleautor Friedemann Friese möge es mir verzeihen. „Fischen“ ist nicht für unsereiner gedacht, sondern als „„Bier- und Bretzelspiel“, ein Spiel mit wenigen Regeln und Strategien sowie einem hohen Maß an Zufall und einem lockeren Thema. Die KI definiert diesen Begriff als: „ein Spiel, das leicht zugänglich und vor allem auf Spaß und Geselligkeit ausgerichtet ist. Es eignet sich besonders gut für zwanglose Spielabende mit Freunden, bei denen weniger die strategische Tiefe oder komplexe Spielmechaniken im Vordergrund stehen, sondern vielmehr der gemeinsame Spaß am Spielen, die lockere Atmosphäre für entspannte Abende mit Gummibärchen und Chips.“

Meine persönliche Abneigung gegenüber chaotischen Kartenspielen nur zum Zeitvertreib möchte ich mit einer (Ab-)Qualifikation von Schopenhauer unterstreichen: „Das Bier- und Bretzelspiel ist eine Form der Zeitverschwendung und Ausdruck geistiger Trägheit. Menschen, die sich diesem Kartenspiel hingeben, neigen dazu, ihre wertvolle Lebenszeit mit bloßer Zerstreuung zu vergeuden, anstatt sich mit sinnvollen Tätigkeiten wie philosophischem Nachdenken, Bildung oder kreativen Tätigkeiten zu beschäftigen. Weil sie keine Gedanken auszutauschen haben, tauschen sie Karten aus. O, klägliches Geschlecht!“

WPG-Wertung: Aaron: 7 (für das, was es ist: einfaches Stichspiel mit Chaos), Günther: 6 (als Chaos-Spielchen), Moritz: 7 (originell, ich würde es noch einmal spielen), Walter: 3 (für meine Restlebenszeit muss ich mit Zeitvertreibern vorsichtig umgehen).

3. “Wer macht jetzt Schluss?”

Aaron hat von einer seiner Spieleautorenreisen die fast fertigen Regeln eines neuen Kartenspiels mitgebracht. Es strotz voller origineller Ideen. Wo man hinschaut sitzt alles. Fraglich ist allein, ob man der Willkür eines Spielers oder dem Zufall das Herbeiführen des Spielendes überlassen soll. Na ja, auch an der Punktewertung darf man noch ein bisschen drehen, das hat unsere Begeisterung für die zahlreichen gelungenen Mechanismen aber nicht geschmälert.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

22.01.2025: Scherzen mit den Karolingern

1. “Carolingi”

Der Großvater ist gestorben und die Enkel von dreierlei Söhnen kämpfen um die Vorherrschaft im Frankenreich. Ein rechtes Entwicklungs-, Ausbreitungs- und Kriegsspiel, wie so viele in unserer small World. Mit unseren wohlgewählten zwei Aktionen pro Zug müssen wir Leute zeugen bzw. zwischen den Ämtern Nobiles, Verfügungsmasse und Krieger-Gesandte jonglieren, sie aufs Spielbrett bringen, Länder in Besitz nehmen, aufständische Rotten unterdrücken, Truppen bewegen und Krieg führen. Letzter wird ganz logisch und übersichtlich ohne Würfel oder schmerzliche Sondereffekte abgewickelt. Beim Eintritt von Hungersnöten sollten wir uns auch soweit entwickelt haben, dass wir unser Personal ernähren können. Alles rund, alles wie gehabt.

Doch der Verlag war zum Scherzen aufgelegt. Gerade in unseren kriegerischen Zeiten wollte er kein konsequentes Eroberungsspiel auf den Markt bringen, sondern eine eher lockere (? na ja !) Auseinandersetzung mit dem Zufall.

  1. Die gewählten Aktionen der Spieler werden (als Holzplättchen) in ein Säckchen geworfen und blind gezogen. So kann man – mit Glück – einem Gegenspieler noch schnell ein Land wegnehmen, bevor der zum Trumpfmarsch bläst.
  2.  Wenn wir Pech haben, wird von uns das Kampfplättchen aus dem Säckchen gezogen, bevor wir mit unseren Truppen in das vorgesehene Kampfgebiet ziehen konnten. Dann bleiben unsere stolzen Krieger alle Etappenhasen.
  3. Ab und zu strömen in zufällig nominierte Länder die Truppen ein, die alle Spieler vorsorglich oder keck in Außenbereichen stationiert haben. Zum unglücklichen Zeitpunkt kann das unsere Expansionsambitionen ganz schön dezimieren.
  4. Wann die Hungersnöte ausbrechen ist ebenfalls nicht sicher vorhersehbar. Konnten wir uns vorher noch entwickeln, müssen wir evtl. keine Federn lassen. Kommt die Not ohne Brot, ist die Hälfte tot. So ungefähr.

Dank dieser Unvorhersehbarkeiten spielten wir schneller, lockerer und lustiger als gewöhnlich. Moritz gewann nicht, obwohl er der anerkannteste Krieger unter uns ist. Er jammerte nicht einmal. Walter wurde wie erwartet Letzter, konnte seinen Privatkampf mit den falschen Zügen zur richtigen Zeit und dem richtigen Zufall zur falschen Zeit aber mit soviel guter Laune absolvieren wie noch nie.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (man hat unheimlich viele Baustellen, d.h. notwendige Züge auszuführen, um Unheil zu verhindern), Günther: 6 (nicht mein Thema; und für das, was es sein soll, ist es unglücklich designet. [WS: Hast Du den Scherz vom Verlag übersehen?], Moritz: 5 (es gibt einige El Grande-Mechanismen; das Tempo fehlt; die Chaoselemente haben zu viel Frustrationspotential; 80% Frustrationserlebnisse und nur 20% Erfolgserlebnisse. [WS: Was ein rechter Krieger ist, der kennt keinen Scherz]), Walter: 6 (überschaubare Mechanismen; das gewollt Scherzhaft-Unberechenbare des Designs ist mir auch erst hinterher beim Protokollieren bewusst geworden).

2. “Incal Infinite”

Ein echtes kooperatives Puzzlespiel. Auf dem Tisch liegen 6 Locations im Kreis, denen per Zufall eine uns unbekannte Ordnungszahl zwischen 1 und 7 zugeordnet wurde. Wir Spieler müssen diese Reihenfolge herausfinden, d.h. einer von uns muss vor dem allzu schnell herbeiseilenden Spielende die Lösung kundtun und die einzelnen Ordnungszahlen in der richtigen Reihenfolge aufdecken.

Wann darf ein Spieler eine Ordnungszahl aufdecken? Die Spieler laufen sequentiell den Kreis der Locations ab, und wenn einer an einer Location Halt macht und dort genau die individuell geforderten Kartenkombinationen liegen, darf er die Ordnungszahl aufdecken. Natürlich darf er sein Wissen niemandem verraten.

Wie kommen die Karten dorthin? Indem jeder Spieler, wenn er an einer Location Halt macht, von seiner Kartenhand passende Karten dort ablegt. Irgendwann wird die geforderte Kartenkombination schon erfüllt.

Es gibt noch ein Schmankerl: An einer weiteren freien Location darf man außergewöhnliche Dinge tun: Karten von Locations verschieben oder – hört, hört! – sein Wissen über bereits aufgedeckte Ordnungszahlen tatsächlich an einen anderen Spieler weitergeben.

Genau darin liegt die Strategie (!?) des Spiels. Es geht gar nicht darum, dass jeder ein paar Ordnungszahlen aufdeckt. Nur Einer, genau Einer muss alles wissen, und das geht nur, wenn ihn die anderen unterstützen, indem sie im richtigen Rhythmus und in der richtigen Quantität an den Locations Karten ablegen, so dass der auserwählte Alles-Wissen-Soller die geforderten Lektionen lernt. Oder es wird auch noch ein zweiter Etwas-Wissen-Soller erwählt und bei seiner Wissensaufnahme unterstützt, der zu gegebener Zeit über die Schmankerl-Location sein Wissen an den AWS weitergeben soll.

Und wer soll der AWS bzw. der EWS sein? Natürlich die beiden Spieler, die als erste Ordnungszahlen aufdecken konnten. Danach heißt es für die anderen nur noch: Unterstützen, unterstützen! Wie auch immer!

Lägen alle Handkarten – vier pro Spieler – offen auf dem Tisch, dann wäre es ein dickes Puzzle und alle würden sich gegenseitig beim Planen der Reihenfolge für die abzulegenden Karten überschreien. Da dies aber nicht der Fall ist und wir Westparker noch unter der Genickstarre der vielen gespielten Deduktionsspiele leiden, wo gegenseitiges Karten-Verraten verboten ist, spielten wir „Incal Infinite“ relativ schweigsam, höchstenfalls unter allgemeinem Kopfschütteln, wie denn dieses Spiel überhaupt funktionieren soll. Wir hatte ja noch keine Strategie. Wir waren ja auch noch Anfänger. Daher die schlechten Noten.

WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 4, Moritz: 7, Walter: 5.

3. “Schräge Vögel”

Zwei Stapel Karten liegen mit der Rückseite auf dem Tisch. Auf jeder Rückseite sind zwei Ziffern zwischen 1 und 9 angegeben. Auf der Vorderseite ist es genau eine von den beiden.

Wer am Zug ist, darf einen der beiden Stapel auswählen, davon die oberste Karte nehmen und a) die Karte umdrehen und vor sich in nach Ziffern geordneten Stapeln auslegen oder b) die Karte verdeckt einem beliebigen Mitspieler weitergeben, der dies in seiner Auslage tun muss. Bei Spielende zählen alle Karten in allen ausliegend Ziffernstapeln als Pluspunkte, aber nur, wenn der Stapel eine ungerade Anzahl von Karten enthält.

Jeder Spieler versucht natürlich, möglichst viele Karten in seinen Ziffernstapeln unterzubringen, dabei aber bei Spielende eine ungerade Anzahl davon zu haben. Und man versucht, bei den Gegenspielern die einträglichsten Stapel zu neutralisieren, indem man sie auf eine gerade Anzahl Karten bringt.

Dabei gibt es drei Unsicherheitsfaktoren:

  1. Wann ist Spielende? Gibt es zu meinen Lieblingsstapel, auf dem gerade eine gerade Anzahl Karten liegt, noch eine passende Karte? Entsprechende Fragestellung zu den dicken Stapeln der Mitspieler mit ungerader Kartenzahl.
  2. Kann ich diese Karte überhaupt erwischen? Wird sie mir auf einem der beiden Stapeln angeboten?
  3. Welche der beiden Ziffern von der Rückseite steht auf der Vorderseite?

Wer Lust hat, kann kurz vor Spielende ausrechnen, welche Ziffern noch offen sind. Wer keine Lust hat, spielt einfach drauflos.

Noch lange nach Spielende und weit nach Mitternacht diskutierten wir über mögliche Strategien. Das Auszählen der Restkarten bei Spielende ist geblieben – wenigstens für die Lustigen. Ansonsten wird es wohl das Beste sein, JEDE aufgenommene Karte in seinen EIGENEN Stapel einzureihen, egal ob damit eine gerade oder eine ungerade Anzahl herauskommt. Erstens kommt es sowieso anders zweitens als man denkt. Damit wird das Spiel aber trivial bis öde. Na ja, ist es auch.

Aaron fragte, ob das Spiel besser wäre, wenn jeder Spieler noch eine weitere Auswahlkarte vor sich liegen hätte, die er anstelle der zuletzt gezogenen Karte bei sich ablegen oder einem Mitspieler geben könnte. Einhellige Meinung: ja.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (klein aber fein), Günther: 5 (Kneipenspiel), Moritz: (war schon in der vorletzten U-Bahn), Walter: 5 (lockerer Nobrainer).

18.12.2024: Fische im Fjord


Nachtrag zu einem Spieleabend vom letzten Jahr.

1. “Saltfjord”

Ein Workerplacementspiel, bei dem wir unsere individuellen Placements sequentiell aufbauen und bei dem die Worker mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften kommunales Eigentum sind: es sind Würfel, die pro Runde einmal für alle ausgewürfelt werden, und wo sich jeder Spieler pro Zug einen nehmen und entsprechend der Farbe und Augenzahl agieren darf.

Die Placements liegen auf einer 6 x 6 Matrix (jeder Spieler hat eine), von der 7 „Arbeitsplätze“ vordefiniert sind, die anderen müssen erst mittels Ressource Holz gebaut werden. Auf dieser Matrik fuhrwerken wir waagrecht von links nach rechts oder senkrecht von oben nach unten bis zum jeweiligen Rand bzw. bis zu einem dort schon platzierten Würfel herum und dürfen alle Produktionsstätten nutzen, die wir dabei überstreichen. Meist bekommen wir irgendwelche Ressoucen, die wir fürs Weiterbauen oder zur Erfüllung von Aufträgen nutzen, die uns Siegpunkte und bei jedem Runde Sonderaktionen gewähren.

Natürlich müssen wir auch fischen, d.h. mit unserem Kutter in den Fjord starten und ihn möglich vollgeladen wieder am Hafen ausladen. Fische sind das billigste Material im Spiel, aber es ist auch leicht zu besorgen und kann mit entsprechendem Drauf-Geld (Drauf-Fisch) in jedes höherwertige Material umgewandelt werden.

Weiterhin gibt es vier Technologiespuren, bei denen sich zu engagieren erhöht unsere Effizienz in den Folgeaktionen, insbesondere beim Fischen.

Alles ist rund und schön, alles ist konstruktiv, alles ist gut ausbalanciert. Vieles kostet Ressourcen, die der Natur der Sache nach knapp sind. Nur Fischen kostet nichts.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (komischer Glücksfaktor in den unterschiedlichen Startplättchen), Günther: 7 (ein Standard-Aufbauspiel mit minimaler Konkurrenz; ich würde es gerne nochmal spielen), Walter: 7 (ordentliche Mischung aus Zufall und Können, überschaubare Aktionen und Effekte; ich möchte gerne noch einmal die absolute Fisch-Strategie ausprobieren).

15.01.2025: Die Jagd nach dem Seti im 21ten Jahrhundert

1. “SETI”

In seiner neuesten Spiele-Erfindung führt uns der tschechische Spielautor Tomáš Holek in die Weiten unseres Sonnensystems: wir fliegen zu den Planeten und ihren Monden, verbrauchen dafür Geld und Energie und heimsen Materialien für den Punktsieg ein.

Sehr hübsch ist die Idee für die Simulation der Drehung der Planeten um unsere Sonne. Dadurch kommen sie der Erde mal näher, mal weiter; mal ist eine Expedition zu ihnen teuer und mal liegen sie direkt vor der Haustür.

Mit Multifunktionskarten gestalten wir unser Astronautenleben. Jede Menge davon wandert durch unsere Hände und wir können sie in vier verschiedenen Richtungen nutzen: für Einheiten vom Basis-Material, als Richtungsgeber für Signale, als Einkommenskategorie oder wir kaufen sie und nutzen ihre Effekte. Letzteres ist ein bisschen Perlen vor die Säue werfen: da hat sich der Autor hunderte von astronomischen Details ausgedacht und Effekte dazu erfunden, und bis auf ganz wenige werden sie schlichtweg als Basismasse verheizt.

Mir kam das Spiel am Anfang vor wie eines der üblichen gigantischen Optimierungsspiele unseres Jahrhunderts – nicht mein Fall -, dann habe ich Gefallen und Anerkennung gefunden für die enorme astronomische Leidenschaft, die in das Design eingegangen ist, schlussendlich hat aber doch wieder der Eindruck einer Siegpunkte-Gießkanne in einem kolossalen Räderwerk von Optionen überwogen.

Noch dazu ist es schade, dass in diesem überwiegend konsequent zu planenden Entwicklungsspiel mit dem Kampf um die Sektorenmehrheiten ein unglücklicher Zufall ins Spiel kommt: alles oder (fast) nichts ist hier die Devise. Sollte dieses gewollte Chaos-Geschehen dem Spiel den Charakter aufdrücken? Sollten wir weniger planen, sondern einfach drauf los unsere Signale ins All schicken?

WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Material ist schön, doch im Grunde ist es ein kleiner Engine-Builder mit viel Drumrum herum, es hat bei mir keine Astronomengefühle ausgelöst; diese Art von Zugoptimierung ist nicht mein Fall), Günther: 7 (mit Tendenz zu 6, die Belohnung für das Scannen ist unstimmig), Moritz: 7 (schönes Design, viele Möglichkeiten mit viel Tiefe), Walter: 7 (die Planetenscheiben mit der Drehung um die Sonne gefallen mir außerordentlich, auch wenn das darin enthaltene Potential nicht ausgenutzt wurde; von Idee und Design her 10 Punkte, leider nicht von spielerischen Genuss, da spielt sich das Spiel wahrscheinlich netter in der Solitär-Variante).

6.12.2024: Tea Time

1. “Tea Garden”

Ein Deck-Building-Spiel. Jeder fängt mit dem gleichen Kartendeck an, zieht pro Runde wrap around jeweils 4 zufällige Aktionskarten daraus hervor und bestreitet damit seine Aktionen. (OK)

Jede Aktionskarte besitzt zwei Effekte: einen reinen Zahlenwert, um höherwertige Aktionen damit durchzuführen, und ein Symbol, das für Nebenaktionen bzw. Nebenbedingungen benötigt wird. (OK)

Die Währung sind Teeblätter, die wir einmal pro Runde automatisch aus unseren Plantagen ernten, als Aktion aber auch zwischendurch mal ernten können.
Die Teeblätter wirken aber auch wie Aktien: Sie können am Rundenende in ihrem Wert steigen oder fallen, je nachdem, ob wir sie fermentiert haben oder nicht. (OK)

Als weitere Aktion können wir entweder weitere Teeplantagen bauen, Tee in definierte Menge und Qualität verkaufen oder eine zusätzliche Aktionskarte erwerben (OK).

Jede zusätzliche Aktionskarte besitzt einen höheren Zahlenwert als das Ausgangsdeck und auch mehrfache oder potentere Symbole. Und ist bei Spielende auch Siegpunkte wert. (OK)

Jede neu erworbene Aktionskarte wird sofort auf die Hand genommen und kann in der gleichen Runde eingesetzt. (+)

Aktionskarten können beliebig gebündelt eingesetzt werden, wobei sich dann ihre Zahlenwerte addieren. (+)

Insgesamt dürfen wir maximal 4 Züge pro Runde tun. Wenn wir unsere Aktionskarten bereits vorher alle eingesetzt haben (z.B. gebündelt), so können wir nur entsprechend weniger Züge tun. (OK)

Wir dürfen beliebig viele Aktionskarten zurückhalten, um sie in den nächsten Runden einsetzen zu können. (+)

Die Symbole auf den Aktionskarten erlauben uns, einen Bildungsschritt auf der Universität zu tun (OK), auf dem Fluss einen Schritt weiter zu segeln (OK) oder Teeschalen zu produzieren (OK).

Alles bringt Vorteile in Form von Teeblättern, Tee-Vergütung, Aktionsstärke, Verdoppler, Kaisernähe und Siegpunkten. Dieses Prinzip hat Vorteile, weil die Varianz der Spielelemente überschaubar bleibt (+); sie hat aber auch Nachteile, weil damit umfangreiche Kettenzüge gebildet werden können, deren Ausrechnerei und Optimierung auf den Spielfluss und die Spielfreude drückt. (-)

Aaron erinnerte sich an einen Spruch des genialen Spieleautors Alex Randolph vom Ende des letzten Jahrhunderts: „Ein Spiel ist dann fertig, wenn man nichts mehr weglassen kann.“ Die Devise der heutigen Spieledesigner scheint zu sein: „Ein Spiel ist erst dann fertig, wenn man nichts mehr hinzufügen kann.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Deckbuilding ist schön, die Regeln sind einfach und klar; leider hat man keine Chance, die 1000 eigenen Aktionsmöglichkeiten für den nächsten Zug durchzurechnen, wenn man nicht dran ist. [auch wenn man dafür viel Zeit zur Verfügung hat]; für das, was es ist, ist es ein Ticken zu lang), Günther: 7 (die Regeln sind überschaubar, die Interaktion ist zugegebenermaßen gering), Walter: 6 (Idee und Konstruktion sind schön und auch mehr Punkte wert, doch das immer umfangreicher werdende Planen und Durchführen der vielen Haupt-, Neben-, und Freien-Züge gegen Ende des Spiels  wird lästig).

Auch wenn die Währung Teeblätter sind, wir neue Teeplantagen anlegen und unseren Tee verkaufen, ist das Thema „Tee“ nur zu einer marginalen Spanne ausgereizt. Nichts kommt vor von Düngung, Schädlingsbekämpfung oder Krankheiten, Erntearbeitern, Lagerung, Verpackung, Marketing und Vertrieb, Umweltschutz und Wassermanagement. Der Spieleautor Tomáš Holek hätte bei Wikipedia bloß mal „Tee Plantage“ einzugeben brauchen, um jede Menge Elemente aufgezählt zu bekommen, die er in sein Spiel hätte integrieren können, um wirklich eine Teegeschichte daraus zu machen.

27.11.2024: Dreikampf im All


1. “Arcs”

Ein Wettkampf im Weltraum. Die Planeten, Sonnensysteme oder Galaxien, auf denen wir uns bewegen, sind bedeutungslos, wir haben die Astrographie um uns herum kein einziges Mal wahrgenommen.

Man kann es als Kriegsspiel spielen, auf Teufel komm‘ raus aufrüsten und den Gegner kurz- und kleinschlagen, nur leicht gebremst durch die eleganten Kampfwürfel. Bringt aber nichts, gar nichts – zumindest nichts, wenn man es so falsch spielt, wie wir es getan haben und die erschlagenen Helden (Raumschiffe) nicht als Beute in sein Walhall bringen darf. Man kann bzw. sollte es aber auch als Aufbauspiel spielen und sich mittels Einflusses und Sicherung jede Menge Prämienkarten aneignen, die Hoffnung auf Majoritäten und Teilhabe am dosierten Siegpunktsegen geben.

Bemerkenswert ist der Zugmechanismus. In der Theorie war er die Verlockung, die Aaron zum Kauf dieses Spiels veranlasst hat; in der Praxis war er für alle Mitspieler aber nur ein rechter Scheiß!

Wie bei einem Stichkartenspiel erhält jeder Spieler aus einem gemischten Kartendeck sechs Aktionskarten in vier Farben mit Zahlen zwischen 2 und 6 zugeteilt. Jeder spielt reihum eine davon aus und führt die damit zulässigen Aktionen aus. Der Startspieler darf jede beliebige Aktionskarte ausspielen und ALLE darauf angezeigten Aktionen (Raumschiffe bauen, bewegen, damit kämpfen und sie ggf. reparieren, Ressourcen eintreiben, oder – wie oben erwähnt – Prämienkarten zuerst beanspruchen und dann auf seine Seite schaffen) ausführen. Weiterhin darf er eine Besitztumskategorie auswählen, die am Ende einer Hauptrunde prämiert wird. Sorry, frei in der Wahl der Kategorie ist der Startspieler nicht, sie ist eindeutig durch die ausgespielte Karte vorgegeben. Der Startspieler darf nur wählen, ob er die ausgespielte Kategorie prämieren lassen will oder nicht.

Jeder nachfolgende Spieler darf eine beliebige Aktionskarte aus seiner Hand spielen. Er darf aber nur dann ALLE Aktionen darauf ausführen, wenn er eine Karte der gleichen Farbe mit einer höheren Zahl ausspielt. Wenn er sozusagen den Stich gewinnt.  (Er würde dann sogar neuer Startspieler.) Andernfalls darf er nur EINE einzige Aktion davon ausführen.

Kleiner Trost: Wer nur Luschen auf der Hand hat, darf zwei Karten davon ausspielen und wird dann in der nächsten Runde Startspieler. Immerhin kostet dieses Privileg eine ganze Karte und damit einen ganzen Zug, und mit Luschen ist man das Startspielerprivileg sogleich wieder los.

So eine Art Stichkartenspiel ist statistisch vielleicht „gerecht“, wenn man eine ganze Nacht lang tausend Austeilungen spielt. Bei fünf Runden und nur jeweils sechs Karten ist dieses Zufallsprinzip untragbar: ungerecht, lähmend, einschnürend und für den/die Loser frustrierend.

Walter hatte a priori keinen Bock, sich um das Chaos der Prämienkarten zu scheren. Er schlug um sich, wo immer er konnte. Auf der Andromedaseite konnte er Aaron mit großen eigenen Verlusten eliminieren; als er sich gegen Spielende aber auch noch auf der Magellanseite über Günther hermachte, wurde er selber eliminiert. Beides ohne böses Blut. Und auch ohne jeden Punktgewinn.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (mit Tendenz zu 4; ohne den Kartenmechanismus 7), Günther: 5 (nicht so richtig mein Spiel, die Karten und das Kampfsystem sind unglücklich), Walter: 4 (von einem Spiel, das mir gefallen soll, erwarte ich komplette Regeln, nach denen ich meine Taktik ausrichten kann, das ist hier wie bei vielen ähnlichen Spielen heutzutage Fehlanzeige).

2. “Slide”

Jeder Spieler hat vor sich ein vier mal vier Quadrat mit verdeckten Zahlenkarten von 1 bis 10. Alle wählen pro Zug eine davon aus und legen sie offen in die Mitte. Anschließend wählt reihum jeder eine Karte aus der Mitte und schiebt sie nach dem Prinzip von „Das verrückte Labyrinth“ (Otto Maier Verlag) offen in sein Kartenquadrat ein.

Wenn auf diese Weise bei Spielende alle Spieler alle ihre 16 Karten aufgedeckt und ein vier mal vier Quadrat mit offenen Karten vor sich liegen haben, patten sich alle benachbarten Karten mit gleichen Zahlen aus; die übrig gebliebenen Karten zählen entsprechend der aufgedruckten Zahl als Minuspunkte.

Offene Frage: Ist unser Spielausgang, bei dem unser mathematisches Genie Günther mit über 30 Minuspunkten weit abgeschlagen Letzter wurde, ein Zeichen für den übergroßen Zufallseinfluss von „Slide“? Oder zeigt das nur, dass Günther sich mehr hätte darum kümmern sollen, gute Karten an den richtigen Stellen für sein eigenes Quadrat zu ergattern, und weniger darum, Walter dessen Ziele zu vermasseln?

WPG-Wertung: Aaron: 6 (man hat wenig Einfluss), Günther: 6 (geschätzt), Walter: 6 (topologisch spielerisch, dosiert zufällig, vor allem schnell).

20.11.2024: Die drei mutigen Abenteurer und das geheimnisvolle Reich

1. “Dragon Down”

Es waren einmal drei unerschrockene Abenteurer namens Joseph, Wolfgang und Ludwig, die machten sich auf, um eine geheimnisvolle Welt voller Wälder, Wiesen, Berge und Höhlen zu erkunden. Wolfgang hatte eine uralte Schatzkarte gefunden, die den Weg zu unermesslichen Reichtümern aufzeigte. So hatte er seine Genossen herbeigerufen, um gemeinsam die Schätze zu suchen und unter sich aufzuteilen.

Sie kamen an den Rand eines dichten, verwunschenen Waldes. Die Bäume flüsterten alte Geschichten und das Moos leuchtete im Mondlicht. Bald begegnete ihnen ein sprechender Elch, der ihnen von den Gefahren der Region erzählte, und von den gefährlichen Prüfungen, denen sie sich unterziehen mussten. Er warnte sie vor Monstern, die die Berge bewohnten, sowie vor bösen Geistern und wilden Tieren, die in den tiefen Höhlen lauerten. Er erwähnte aber auch große Belohnungen, die für die Erfüllung von Missionen auf sie warteten. Zum Abschied brachte jedem von ihnen eine Gabe, die ihnen beim Bestehen der Gefahren helfen sollten. Joseph bekam eine magische Rüstung, die ihn unverwundbar machte, Ludwig bekam ein mächtiges Schwert, und Wolfgang erhielt ein leuchtendes Amulett, mit dem er sich in die Luft schwingen und an jeder Stelle des Waldes sicher wieder landen konnte.

Es dauerte auch nicht lange, da entdeckten sie in der Ferne die ersten Schätze. Aber alle waren wohl bewacht von furchterregenden Monstern. Schon im Vorfeld hatten sie erkannt, dass mit denen nicht gut Kirschen-Essen war, und dass es in jedem Fall besser war, sich vor ihnen zu verstecken oder gar Reißaus zu nehmen, als den Kampf aufzunehmen.

Doch die Reichtümer zogen sie immer mehr in ihren Bann und machte sie leichtsinnig. Nach drei Tagen wurden Joseph und Wolfgang unversehens von drei Orcs aus ihrem Versteck hervorgezerrt und in einem kurz-und-schmerzlosen Gemetzel niedergemacht. Aus den ewigen Jagdgründen heraus konnten sie dann beobachten, wie Ludwig alleine weiter durch die Wildnis irrte. Und wenn er nicht gestorben ist, so irrt er noch heute.

Coda: Für das Entdecken von geheimen Wegen, für das Finden von Schätzen und Missionen, für das Auftreten in Menge und Art von Monstern, für das erfolgreiche Verstecken vor ihnen, für den Kampf mit ihnen und für eine ganze Reihe weiterer Effekte gibt es jeweils eigens hergestellte Würfel, die die Entscheidungen herbeiführen.

WPG-Wertung: Moritz: 8 (Das Spiel ist eine wunderschöne Adaption von „Magic Realm“ (Avalon Hill, 1979), in dem der Autor Scott DeMers alle wesentlichen Mechanismen beibehalten aber handlicher und spielbarer gemacht hat).

2. “Bluff”

Günther wurde mit 12 (von 14) unvermuteten Zweien aus dem Spiel gekickt, Moritz konnte sich in Unterzahl noch gegen Walter durchsetzen. Gegen dessen blind gesetzte (Immer-)Vier hatte Moritz eine Fünf gesetzt. Was tun, wenn ein Stern unter dem Becher war?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.