Archiv der Kategorie: Spieleabende

13.02.2019: Barbara in Teotihuacan

1. “Teohihuacan: Die Stadt der Götter”

Günthers Spiel lag noch von letzter Woche hier am Westpark auf der Couch, entweder als Info-Quelle für den Session-Report oder um uns dieses Spielemonster doch tatsächlich noch einmal antun. Bis auf den Hausherrn war die Belegschaft total disjunkt von der letzter Woche, was lag also näher, als die Gelegenheit gleich beim Schopfe zu packen und “Teotihuacan” nochmals auf den Tisch zu bringen, um die Anzahl der Wiederholungstäter möglichst klein zu halten.

Moritz war dafür und Aaron nicht dagegen. Er biss in den sauren Apfel, den er sich schon bereitgelegt hatte, als er einstens einer ersten Runde paralysierter Teotihuacanisten vom Nebentisch aus zuschauen musste. Wenig Spiel, viel Arbeit war damals sein Eindruck, von dem er auch heute keinen Deut abweichen wollte.

Diesmal verlief das Spiel glücklicherweise ganz anders als letzte Woche. (Das ist doch ein Zeichen für ein gutes Design!) Damals sind wir über die Spielfelder geschlendert und haben uns nur so en passant mit den notwendigen Rohstoffen eingedeckt. Entsprechend langsam kam der Pyramidenbau vorwärts. Diesmal ging alles sehr viel schneller vor sich. unverzüglich wurde mit dem Bau der Pyramide begonnen, und wir hatten auch blitzschnell – nach zweieinhalb Stunden – die zweite Eklipse noch nicht vollendet, da war sie auch schon fertig, das Spiel zu Ende und Aaron erlöst.

Moritz hatte sogleich die Zeichen der Zeit erkannt. Als Startspieler mit ausreichend Gold ausgestattet, ging er gleich in der ersten Runde die beiden höchst profitablen Technologien an: die Zusatzressource für das Arbeiten in Wald, Steinbruch oder Goldmine und das geschenkte Fortschreiten bei einem beliebigen Tempel ansehen für jeden Baustein in der Pyramide. (Sich letzteres so früh wie möglich zuzulegen, erscheint fast als eine Killerstrategie. Mögen uns Teotihuacan-Experten doch bitte eines Besseren belehren!)

Moritz eiste auch als einziger den vierten Pöppel-Würfel los (Aaron und Walter hofften, mit ihren nur drei Würfel schneller die begehrten Alterungen abschöpfen zu können) und ging konsequent die Rohstoffe mit drei eigenen Würfeln an. Massen von Ressourcen fielen ihm dabei in den Schoß; zugleich kam er durch den zusätzlichen vergebenen Alterungsprozess trotz seiner vier Würfel noch schneller in die ewigen Jagdgründe als seine Konkurrenten. Mit großem Vorsprung wurde er Sieger!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (insgesamt extrem langweilig, kein Spannungsbogen, elende Fummelei und Fieselei; nur Schweiß, keine Steigerung; super Solitär-Spiel, was die anderen machen, ist schnurzegal), Moritz: 7 (bei jedem Zug gibt es – leider – sehr viele Abhängigkeiten, von denen man leicht einige übersehen kann; fast eine Rosenberger-Maschinerie; man hat aber tatsächlich auch taktische Möglichkeiten gegen die Mitspieler), Walter: 7 (bleibt; der Pöppel-Würfel-Zugmechanismus spielt sich wirklich sehr schön, auch wenn der Psalmist Recht hat mit seiner Erkenntnis:

und wenn es hoch kommt, so ist es doch nur Mühe und Arbeit gewesen

 

2. “Barbara”

Aaron brachte die Spiele-Erfindung eines Autoren-Freundes mit, die erst noch hoppelt. Ein Party-Spielchen für möglichst viele Teilnehmer. Es gibt Kärtchen und es gibt Würfel. Und es gewinnt das Team, das am schnellsten „Barbara Schöneberger“ sagen kann.

Na ja, nicht ganz, aber Aaron hat mir verboten, mehr davon zu verraten. Es ist ja überhaupt noch nicht entschieden, wer gewinnt und wie man gewinnt. Daran wird es dereinst liegen, ob die „Barbara“ erfolgreich sein wird oder nicht.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

3. “Ohanami”

Für Nicht-Japanologen unter uns Deutschen hat Doris Dörrie mit ihrem Film „Hanami“ einen bleibenden Eindruck von der Kirschblüte in Japan hinterlassen. „Ohanami“ scheint die englische Version dieser Kirschblüte zu sein. Das gleichnamige Spiel von Steffen Benndorf hat allerdings wenig mit Kirschen oder Blüten zu tun, auch wenn einige Graphiken das suggerieren möchten; es ist ein ausgewachsenes, abstraktes Kartenspiel.

Jeder Spieler bekommt drei mal acht Karten auf die Hand, auf denen die Zahlen von 1 bis hoch-genug aufgedruckt sind. Davon darf er jeweils zwei Karten behalten, die anderen muss er nach bekannter Drafting-Weise an seine Mitspieler weitergeben. Die beiden behaltenen Karten darf / muss er vor sich auslegen, und zwar an ein bis drei Stapeln. Die Karten dürfen oben oder unten an einen der vorhanden Stapel angelegt werden oder es wird mit ihnen ein neuer Stapel angefangen. Die Zahlen auf den Karten müssen mit vorhandenen Zahlenkarten eines Stapels eine streng aufsteigende Zahlenreihe bilden. Karten, die nicht an den Anfang oder an das Ende der Stapel eines Spielers passen, müssen wirkungslos abgeworfen werden.

Dieses Zwei-Karten-Auswählen-und-Ablegen wird jetzt mit den Karten fortsetzt, die man von seinen Mitspielern bekommen hat, so dass jeder Spieler am Ende eine Menge Karten in den maximal drei Spalten vor sich liegen hat.

Diese Stapelkarten werden gewertet: Jede blaue Karte liefert – von der ersten Runde an – drei Siegpunkte, jede graue (oder grüne ?) Karten liefert sieben Punkte, aber erst ab der zweiten Runde, und in der Schlusswertung liefern alle roten Karten zusammen Siegpunkte gemäß ihrer Gesamtzahl nach der bekannten arithmetischen Reihe: 1, 3, 6, 10 …

WPG-Wertung: Aaron: 6 (ein leichtes Gefühl von „6 nimmt!“), Moritz: 5 (keine Spannung, kein Reinreißen der Gegner, es fehlt ein Schaubild über die Verteilung der Farben, so wie beim „Flaschenteufel“, würde es maximal noch 1 mal spielen wollen), Walter: 6 (mag Kartenspiele mit Gesamt-Abhängigkeiten, würde es gerne noch einmal spielen, um es besser zu spielen).

30.01.2019: Teotihuacan – Die Stadt der Götter

1. “Teotihuacan”

Ein Workerplacement-Spiel der neueren Art. Vieles ist anders, alles ist gut.

„Teotihuacan“ – es muss ein guter Zug gewesen sein!

Wir laufen mit unseren drei Pöppeln (Würfeln) um das Spielfeld herum, besorgen uns Ressourcen, erhöhen unsere Effizienz, verschaffen uns Privilegien, bauen an der gemeinsamen schönen Stufenpyramide und steigen in der Gunst der Tempelgötter.

Das Besondere, Schöne und Spielerische daran ist der Zugmechanismus. Wir können einen beliebigen unserer Würfel-Pöppel um beliebig 1, 2 oder 3 Felder vorwärts ziehen und dann die Zielfeld-spezifische Aktion ausführen. Eigentlich sind zwei, wenn nicht gar drei Aktionen möglich:

  • die Basis-Aktion ist “Kakao ernten”, auf Kapitalisten-Deutsch: Geld einnehmen. Dies ist auf allen acht Feldern möglich.
  • die sakrale Aktion ist “beten”: d.h. unsere Potenz in einem der drei Tempel erhöhen und dazu noch einen variablen Profit einstreichen
  • die Haupt-Aktion besteht aus Ressourcen-Nehmen, Pyramide-Bauen und den üblichen Workerplacement-Effekten.

Soweit ist alles noch ziemlich normal. Das Ganze wird erst spannend durch eigene und fremde Pöppel, die bereits auf dem Zielfeld stehen. Je mehr verschiedene Mitspieler dort sind, desto höher ist der Kakao-Ertrag. Stehen wir alleine auf einem Feld, gibt es nur eine einzige Einheit. Das wäre dann ein Zug, denn man nur im größten Notfall tun würde. Stehen aber z.B. bereits drei verschiedenfarbige Pöppel dort, dann bekommen wir für unseren vierten Pöppel, der auf dieses Feld zieht, gleich 4 Kakao-Einheiten. Damit können wir schon ein paar unserer weiteren Aktionen finanzieren.

Wollen wir die Hauptaktion ausführen, müssen wir Kakao bezahlen, und zwar abhängig von der Anzahl der verschiedenfarbigen Pöppel, die bereits dort stehen. Falls wir unbedingt eine bestimmte Ressource brauchten, auf dem betreffenden Feld aber einige Mitspieler stehen und stehen und stehen, kann es ganz schön in den Kakao gehen, bis wir hier zum Zuge kommen.

Die Anzahl von Ressourcen (Holz, Stein oder Gold), die wir auf einem Ressourcenfeld bekommen, ist von zwei Faktoren abhängig:

  • Von der Anzahl unserer eigenen Pöppel-Würfel, die wir auf dem Feld haben.
  • Von der Augenzahl, die unsere Pöppel-Würfel dort haben.

Je mehr Pöppel und je höher die Augenzahl, desto größer die Ausbeute.

Und damit kommen wir zu einem anderen wichtigen Mechanismus in “Teotihuacan”: Mit jeden Zug, den ein Pöppel-Würfel tut, wird seine Augenzahl um 1 erhöht. Mit niedrigen Pöppen auf Ressourcen ausgehen, ist ein ziemliches Pyrrhus-Geschäft. Niedrige Einheiten sind eher zum Beten zu gebrauchen.

Hat ein Würfel die Augenzahl 6 erreicht, so geht er mit großem Pomp in die ewigen Jagdgründe ein und hinterlässt seinen Nachkommen ein erkleckliches Erbe an Siegpunkten, Geld, Tempel-Potenz und ähnlichem. Zugleich ist die Anzahl gestorbener Pöppel ein Faktor, mit dem später in der Eklipsenwertung die ausgeschütteten Siegpunkte multipliziert werden.

Ich will hier jetzt nicht die weiteren Effekte von Tempelbau, Verzierungen und Eklipsen alle aufzählen. Das Regelheft umfasst 24 ausreichend instruktive, intensiv bebilderte Seiten, in denen alles dargestellt wird. Nur zum Spielgefühl: Einerseits spielt jeder für sich, lässt seine Würfel „altern“ und sterben, besorgt Kakao und Rohstoffe und plant, an welchen Felder er kleckern und wo er klotzen will. Andererseits sind Kosten- und Nutzen aller Züge durchaus abhängig von den Positionen der Mitspieler, was zwar manchmal reines Mitspielerchaos sein kann, aber durchaus auch vernünfig kalkulierbar und beherrschbar ist.

Natürlich darf man in „Teotihuacan“ denken, sollte es auch, doch die einzelnen Züge sind leicht, übersichtlich, erfordern wenig Regel-Merkleistung und halten keine unvorhersehbaren Überraschungen bereit. Wenn Aaron es einmal nur vom Nebentisch aus sehen konnte und den Eindruck bekam, „es sah nach viel (Solitär-) Arbeit und Grübelei aus“, so mag das zwar in der Tendenz stimmen, doch auch bei jedem Zug jedes Mitspielers kann man mitdenken und an seiner eigenen Zugplanung feilen, so dass diese fremde Denkzeit nicht als verloren angesehen werden muss.

WPG-Wertung: Günther: 8 (schön, rund, zügig, hohe Variabilität), Horst: 7 (tolles Spiel, gute Autorenleistung, für mehr Punkte müsste man mit den Würfeln aber auch würfeln dürfen …), Walter: 7 (gelungenes, dynamisches Workerplacement-Spiel, für mehr Punkte hätte man ein paar der absolut unnötigen Querwirkungen weglassen müssen, u.a. auch die Richtungsorientiertheit der „Verzierungen“).

Außer Konkurrenz:

Am Wochenende war meine Schwägerin aus Ungarn da. Schon im Vorfeld hatte sie sich ein „Programm“ gewünscht. Gleich am ersten Tag legte ich ihr ein „AZUL“ vor. Wir spielten es – zuerst viermal in einer dreier Runde, dann noch achtmal nur zu zweit – mit wachsender Begeisterung. Sie brauchte kein weiteres Programm, keine Oper und kein Sternerestaurant. Drei Tage lang gierte sie schon gleich nach dem Abendessen auf die nächste AZUL-Session. Zu zweit. Zehnmal pro Abend. Anschließend durfte sie mein Exemplar auch mit nach Ungarn mitnehmen. Ich wünsche ihr dort die gleichen begeisterten Mitspieler.

23.01.2019: Mystisches Graben im reichen Hafen

Lange Diskussion vor, während und nach des Spielabends, was eigentlich „Strategie“ im Vergleich zu Taktik ist. Was dazu im Internet angeboten wird, ist teilweise widersprüchlich und fand keine einhellige Zustimmung. Günther rutschte beim Wort „Strategie“ immer sofort auf das „Gewinn-Strategie“-Gleis, was innerhalb der Spiel-Theorie wenig Freiheiten offenlässt. Die anderen sahen in ihrer Strategie eher eine “Vorliebe”, einen freien Ausprobier-Luxus, den man sich hin und wieder halt auch mal gönnen kann.

Ist Schach jetzt ein Strategiespiel oder „nur“ ein Taktik-Spiel. Man wählt zwar willkürlich eine Eröffnung, geht also in Richtung des Ausprobier-Luxuses, hinterher ist aber alles Taktik: auf jeden Zug des Gegners wird mit dem Bilderbuch Gegenzug reagiert. Freiheitsgrad für kreative neue Wege sind in der Größenordnung von Null.

1. “Mystic Vale”

Aaron bei der „Ernte“ in „Mysic Vale“

Eine neue Variante von Deckbuilding: Die Herausforderung besteht nicht mehr darin, durch Nehmen und Ablegen von Karten unser Kartendeck in die gewünschte Richtung zu optimieren, sondern durch Hinzunehmen von Teileigenschaften unser vorgegebenes Deck von 20 Karten so aufzupäppeln, das wir uns damit optimale „Einkaufsbedingungen“ für die nächsten Teileigenschaften sowie für ausgesprochene Siegpunkt-Karten schaffen.

Eine hübsche Fertigungsidee steckt in den Teileigenschaften: Sie sind als durchsichtige Folien mit aufgedruckten Eigenschaften realisiert. Dies Folien werden in die Schutzhüllen der Standard-Karten des Decks eingesteckt, so dass man jederzeit immer alle Eigenschaften einer Karte auf einen Blick erkennen kann, und diese Karten mit allen ihren Funktionserweiterungen immer noch als gut hantierbare Einheit vorliegen.

Wir spielen unser Deck konsequent von Anfang bis Ende durch. Wenn alle Karten verbraucht sind, mischen wir sie und spiele sie erneut von Anfang bis Ende.

Für einen Zug können wir beliebig viele Karten unseres Decks aufdecken und alle darin enthaltenen Einkaufsoptionen ausnutzen: Manna (= Geld) sowie verschiedene Symbole für entsprechende Forderungen auf den einzukaufenden Zuwachskarten. Natürlich muss in diesem Aufdecken ein Can’t Stop-Effekt eingebaut sein: Manche Karten besitzen ein „Feuersymbol“, und maximal 3 Feuersymbole dürfen in den zu nutzenden Karten enthalten sein. Hat man bereits 3 Feuersymbole aufgedeckt, dann muss man entweder sicherheitshalber aufhören, oder man zieht mit Risiko beliebig viele Karten einzeln nach. Taucht dabei ein viertes Feuersymbol auf, hat man verkackt, der Zug ist vorbei und man bekommt als Entschädigung lediglich eine Einheit Manna.

So zieht man fröhlich durch sein Kartendeck, geht ein kalkuliertes Risiko ein oder nicht, kauft mit den sichtbar gewordenen Einkaufmöglichkeiten das, was von der offenen Auslage auf dem Tisch möglich oder individuell erstrebenswert ist, überlegt kurz, welche der eigenen Karten man damit aufpäppeln will, und schon ist der nächste Spieler an der Reihe.

Viele der erworbenen Erweiterungskarten besitzen Nebeneffekte, die einen Einfluss auf Siegpunkte und Potenz der nächsten Züge haben. Doch ist es kaum möglich, hier eine sichere „Strategie“ (oder ist es nur eine „Schiene“) zu fahren, zu unsicher ist das zukünftige Angebot, und hat man sich erst mal ein paar hoffnungsvolle Eigenschaften zugelegt, ist das Spiel auch schon zu Ende. Gott-sei-Dank.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (blitzschnell erklärt [das war ohne Zweifel auch eine Leistung von Helmut, der genau wusste, wieviel Detail-Information bis zu welchem Zeitpunkt jeweils nötig war!], ), Günther: 6 (als Dominion-Fachmann und Liebhaber würde er es gerne noch ein paarmal spielen, um die inneren Abhängigkeiten der Karten kennenzulernen und so besser in den Griff zu kriegen, aktuell hat er noch keinen Durchblick über eine zielführende Strategie), Helmut: 7 (flott, wenig down time, ein neuer Blick auf den Deckbuilding-Mechanismus), Walter: 6 (spielt sich leicht, aber von der Hand in den Mund, erheblicher Zufallseinfluss, und ein „to have a plan“ steht noch hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen).

2. “Carson Hill (= Diggers)”

Aaron hat seit letzter Woche wieder an ein paar Schräubchen seiner Erfindung gedreht. Als Merker für die Geschichte dieses Spiels:

  • Es gibt jetzt 6 anstelle von bisher nur 5 Schächten.
  • Jeder hat nur 6 Handkarten anstelle von 7 in der letzten Woche; allerdings darf er nach dem Passen seine Restkarten behalten, bekommt 6 neue dazu und darf sich dann aus dieser Gesamtzahl seine 6 Favoriten heraussuchen.

Meiner Meinung nach, die sicherlich nicht weit weg von der Gesamtmeinung am Westpark liegt, ist das Spiel, so wie es jetzt ist, perfekt.

Helmut hatte allerdings eine Regel missverstanden und fühlte sich mit seiner Kartenhand vom Schicksal nicht gut bedacht. „Spiel ist auch eine charakterbildende Maßnahme: man lernt, Frust auszuhalten“. Das gilt wohl generell und sollte keineswegs vom Charakter von „Carson Hill“ abgeleitet sein.

WPG-Wertung: keine Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

3. “Puerto Rico: Das Kartenspiel”

Die offizielle Überarbeitung eines hochgelobten, hochverdienten Kartenspiels.

Bereits 7 Reports und Strategie-Analysen gibt es dazu bzw. für die namensgleichen Vorgänger auf unserer Internetseite. Wir haben im Durchschnitt 9 Punkte vergeben, Aaron ist sogar mit einer 10 dabei. In unserer ewigen Besten-Liste liegt das Spiel an elfter Stelle. Kann mir einer klären, warum das Spiel bei uns noch nie „Spiel des Monats“ war?

Keine neue WPG-Wertung, aber die bisherige hohe Punktzahl dürfte auch für diese überarbeitete Version keine Einbußen bekommen haben.

16.01.2019: Mit “Lift Off” ad fontes

1. “Lift Off”

Szenerie von „Lift Off“

Wir transportieren Nutzfrachten in den Weltraum und gewinnen damit Siegpunkte. Die wesentliche Tätigkeit des Spiel ist es, die Utensilien zusammenzukratzen, die benötigt werden, um solche Raumtransporte durchzuführen. Im Einzelnen sind dies:

    • Eine Rakete; a priori hat jeder Spieler eine; per “Missionskarten” können es auch mehrere werden.
    • Einen Laderaum genügender Kapazität. Zu Beginn des Spieles können wir nur eine einzige Gewichtseinheit transportieren. Diese Kapazität müssen wir im Laufe des Spiels unbedingt erweitern.
    • Ein der Nutzlast entsprechendes Ingenieurwissen, das zu Spielbeginn noch bei Stufe 1 liegt, bis zum Spielende aber – um eine Siegchance zu haben – auf 3 bis 4 angehoben sein muss.
    • Ein der Nutzlast entsprechendes Technik-Niveau, das durch Technik-Karten in den Farben rot, gelb und blau erworben wird.
    • Einen Auftrag oder mehrere Aufträge über die zu transportierende Nutzlast.
    • Geld, denn jeder Transport kostet viel Geld.

Was bringt ein Transport ein? Selten bekommen wir Geld dafür, das müssen wir uns anderweitig besorgen. Grundsätzlich gibt es dafür Siegpunkte, ad hoc allerdings nur in beschränktem Maße, eher als Trostpreis für die hohen Aufwendungen. Die kleineren Nutzlasten bringen Technik-Karten sowie die Erlaubnis, verschiedenfarbige Technik-Karten ineinander umzutauschen, sie erhöhen die Einkommensklasse, vor allem aber erlauben sie den Ausbau der Rakete und die Erhöhung unseres Ingenieurwissens. Die größeren Nutzlasten sind insbesondere in der Schlusswertung wichtig und schütten massig Siegpunkte aus für die Bilanz unseres Gesamt-Transportes sowie für unseren Ausbau an Wissen und Technik.

Jetzt wäre alles so wunderschön, wenn wir unsere Missionen frei planen und darüber entscheiden dürften, in welcher Reihenfolge wir uns in welcher Reihenfolge entwickeln wollen: Erhöhung unserer Potenzen an Einkommen, Know-how und Transport, geeignete Nutzlasten auswählen usw. Das ist aber leider so nicht vorgesehen. Unsere Aktionsfreiheit wird mittels „Missionskarten“ kanalisiert, auf ihnen sind die aktuell erlaubten Aktionen aufgezeichnet. Nur mit den zugehörigen Missionkarten dürfen wir all das tun, was wir so gerne tun würden. Wir verfügen pro Runde über drei davon; sie werden uns rein zufällig zugeteilt, zwei davon dürfen wir nutzen. Das ist eine arge Fessel; wenn man z.B. nicht die nötige Technik hat, Transporte durchzuführen, dann bleibt alles still und arbeitslos am Boden. Das tut besonders am Anfang recht weh tun, wenn man noch nicht weiß, dass in „Lift Off“ bei allen Spielern irgendwann mal irgendetwas knapp ist und die Fortschrittsgeschwindigkeit ständig variiert und dabei enorme Spannweiten aufweist.

Später erkennt man, dass Nichts-Tun und Herumhocken-Müssen gar nicht so schlimm ist; man hortet halt die Aufträge für den späteren Ausbau seines Transportunternehmens und spart sich die relativ teuren Geldausgaben für die einfache Transporte. Und bekanntlich stinkt Geld nicht. So erging es Aaron, der in den ersten drei Runden keine einzige Technik-Karte erwerben konnte und deshalb keinen einzigen Transport durchführen durfte. Doch als er dann richtig flügge wurde, schwamm er in gehortetem Geld und Aufträgen. Am Ende war er der „gefühlte Sieger“. Der „ungefühlte Sieger“ wurde Günther, aber erstens ist das ja sein Markenzeichen, zweitens war er der Spielbesitzer und drittens hatte er das Spiel als einziger bereits schon einmal gespielt.

Moritz kam sehr gut aus den Startlöchern; er hatte recht bald sein regelmäßiges Einkommen auf den Höchststand gebracht, seine Rakete konsequent ausgebaut und investierte fleißig in die Raumstation. Im Mittelspiel holten ihn die natürliche Sperrigkeit der Aktionen aber wieder ein; er musste sich mit der Bronzenen zufrieden geben. Walter war auch dabei.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (nichts Neues, der übliche Super-Pepp von HiG ist nicht drin; zuviel Gedöns. [Trotzdem 7 Punkte!]), Günther: 7 (fast 8, das Spiel ist geradlinig, im Aufbau keineswegs komplex), Moritz: 7 (das Spiel ist locker, aber weder exzeptionnel noch schlecht; man spürt die [erfahrene] Handschrift von HiG: die Siegpunkte-Verteilung ist gerecht), Walter: 6 (für die lange Spieldauer zu wenig planerische Durchsichtigkeit, in den Missionskarten steckt viel Zufälligkeit, genauso wie auch im Benefit der durchzuführenden Aufträge, eine Linie für optimales Spiel ist nicht erkennbar, und die Linie für normal-gutes Spiel ist trivial)

2. “Diggers”
Vor sieben Jahren stellte uns Aaron mit „Diggers“ ein wunderschönes, kleines, pfiffiges Kartenspiel vor, das auf Anhieb gute Noten bekam. Mit Glück bekommen wir eine gute Kartenhand, doch dies bringt uns alleine nicht weiter. Übersicht und Planung in Kooperation / Konkurrenz mit unseren Mitspielern ist erforderlich, um die Karten in unserer Kartenhand an den gerade richtigen der angebotenen Anlegestellen anzulegen, woraus Siegpunkte generiert werden.

In Zusammenarbeit mit “What’s Your Game?” ist daraus ein ausgewachsenes Brettspiel, „Loot Island“, entstanden, mit einem riesigen Überbau an Schätzen und Flüchen, der allein schon für sich eine eigene Herausforderung darstellt. Jedem Tierchen sein Pläsierchen.

Jetzt hat Aaron sich wieder auf seine ursprüngliche, genau das Westpark-Gamer-Feeling treffende Spielidee aus Witz und Interaktion besonnen, möchte sie noch etwas schleifen und polieren, vielleicht auch etwas an der Balance zwischen Glück und Können drehen, und das Ganze als kleines, windschnittiges Kartenspiel präsentieren.

Fast eine Stunden lang haben wir uns an einem einzigen Spiel erlabt, mit sehr viel Interaktion keine Sekunde Langeweile. Wir sind schon mal gespannt.

Noch keine WPG-Wertung.

09.01.2019: Spiele und Arbeite

Kritik ist oft genug keine Wissenschaft, sondern ein Handwerk, wozu mehr Gesundheit als Geist, mehr Fleiß als Fähigkeit, mehr Gewohnheit als Begabung erforderlich ist.
La Bruyère (1645-1696)

1. “AZUL”

Moritz hatte seinen Sohn Milo mitgebracht, der zwar auch schon für anspruchsvolle Spiele kompetent ist, für den wir heute aber gerne auf Spiele-Klassiker (neuerer Art) zurückgriffen.

„AZUL“ ist so einer. Umwerfend gut. Das Material ist hübsch. Mit den gerade richtig griffigen, gerade richtig bunten Spielsteinen zu spielen, besitzt zweifellos sogar einen psychisch-therapeutischen Effekt. Jede Menge Interaktion. Jede Menge Vorausplanung. Jede Menge Vorsicht und Risiko. Gerade richtig viel Glücksanteil. Jede Menge Schadenfreude beim Hineinreißen eines unbedachten Hasardeurs in eine Fehlfarbe.

Das Spiel sieht ganz einfach aus und ist auch für Wenig-Spieler sofort spielbar. Aber es enthält auch Fallen, die ein Sieger unbedingt vermeiden sollte. Und wenn einer gewinnt, kann er sich berechtigt bei sich und den Seinen mit seiner Übersicht brüsten, während die Zweiten-Sieger mit der gleichen Berechtigung nach Hause gehen können und alles auf den Glücksanteil schieben können.

Ein großer Wurf! Vielleicht der größte innerhalb der letzten paar Jahre.

WPG-Wertung: Milo vergibt 8 Punkte. Walter erhöht seine Punkte von 8 auf 9, fast 10, aber unser abendfüllendes „1830“ soll doch noch einen kleinen Vorsprung behalten.

Heute war ich in einem Buchladen am Marienplatz. Offensichtlich will dieses Geschäft auch vom anhaltenden Spiele-Boom in Deutschland profitieren. In einer Krusch-Ecke neben der Eingangstür lagen ein paar Spiele aus. Direkt ins Auge stechend ein Stapel „Sebastian Fitzek Safehouse“. Das ist nach einem realen Krimi zusammengeschustert und passt in jedem Fall in einen Buchladen. Vielleicht wurden hier aber nur die unverkäuflichen Spiele des letzten Jahres verramscht. Der andere Stapel war „AZUL“. Kann es sein, dass dieses Superspiel des Jahres 2017/18 ebenfalls bereits auf dem Verramsch-Haufen gelandet ist? Oder möchte der Buchladen mit diesem „Spiel des Jahres 2018“ seinen Spieleverkauf ankurbeln. In beiden Fällen scheint mir – unmaßgeblichem Kritiker – die zweite Alternative die richtigere zu sein.

2. “Terraforming Mars: Kolonien”

Milo bei der Kolonial-Arbeit

Nach dem “Spielen” mit “AZUL” war das “Arbeiten” mit Terraforming Mars angesagt. Bei der ersten Begegnung vor anderthalb Jahren mit dem TM-Basis-Spiel gab es nur eine verhaltene Zustimmung, „zu lang, zu breit und zu solitär“ war eine Wertung. Inzwischen ist es – dank Günthers eifrigen Protegierens – mit 9 mal Gespielt-Worden auf den 11. Platz unserer – mehr als eintausend Einträge enthaltenen – ewigen Spiel-Frequenz-Liste angelangt.

Diesmal brachte Günther die “Kolonien-Erweiterung” mit. Anstelle eine der üblichen Karten aufzudecken und zu bezahlen dürfen wir jetzt auch eine „Kolonie“ gründen oder mit einer Kolonie Handel treiben. „Kolonien“ sind abstrakte Gebilde außerhalb des Spielbretts; sie liefern eine einzige, fest vorgegeben Ware, z.B. Eisen, Titan, Pflanzen oder auch Bargeld. Ihre Gründung kostet einen festen Betrag in Geldeinheiten. Das Handel kostet ebenfalls einen fest vorgegebenen Betrag, der aber auch mittels Titan oder Energie-Einheiten entrichtet werden kann.

Effekte:

  • Noch mehr Karten: je nach Vorliebe kann das positiv oder negativ bewertet werden.
  • Größere interne und externe Abhängigkeiten von eigenen und fremden Zügen (Karten): mehr Interaktion, mehr Konkurrenz, was grundsätzlich positiv ist; dafür können einem jetzt die Spieler aber auch besser in die Suppe spucken; das macht höchstenfalls dem Spuckenden Spaß.
  • Mehr Freiheit und Flexibilität innerhalb den Aktionen: uneingeschränkt positiv. (Die zweifellos erhöhte Wartezeit auf das Ende der Zug-Entscheidung eines Spielers wollen wir hier mal außer Acht lassen.)
  • Ein paar der gegen Spielende hin normalerweise nutzlos erzeugten Energieeinheiten kann immerhin noch beim Handeln eingesetzt werden: positiv.

Günther kam diesmal mit seiner Mars-Besiedelung ausnahmsweise nicht aus den Pötten. Dafür bewies er aber bei den Kolonien ein überaus glückliches Händchen. Zugleich konnte er sich konkurrenzlos Massen von siegpunkt-trächtigen Tieren auf seinen Karten aufladen und in der Endauswertung damit ungezählte Schritte nach vorne machen. Moritz hielt schon die Luft an. Er hatte im Prelude mit dem Helion-Konzert ein Super-Start-Unternehmen zugeteilt bekommen. Damit begann er unverzüglich mit einer Wärmeproduktion von 3 Einheiten pro Runde, und durfte zugleich jederzeit Wärme als Geldeinheit benutzen. Das kam schon fast einer Erlaubnis zum Geld-Drucken gleich. Kein Wunder dass er immer warm und flüssig war. Mittels der finalen Auszeichnungen landete er am Ende doch noch knapp vor Günther auf dem ersten Platz.

Vielleicht lag es an Milo, vielleicht am Neuen Jahr: ohne jeglicher Hetzerei oder Ketzerei ging eine friedliche WPG-Session mit Entspannung und konstruktivem Schweiß zu Ende.

WPG-Wertung: Milo vergibt 7,5 Punkte. [Aaron wird sie auf 8 auf- oder auf 7 abrunden müssen].

19.12.2018: Von Ceylon bis Indonesien

Aaron teilte mit, dass er vom Finanzamt als „Liebhaber“ anerkannt worden sei. Günther fragte, ob er jetzt seine Kondome absetzen könne. Leider ist genau das Gegenteil der Fall: er darf jetzt Materialen und Spesen nicht mehr absetzen. Dafür braucht er aber – bis auf Weiteres – die Erträge seine Lendenleistung nicht mehr zu versteuern.

1. “Ceylon”

Aaron hinter “Ceylon”
Wir pflanzen und ernten Tee. In Ceylon, einem Land, das aus hexagonalen Feldern besteht. Abhängig von der “geographischen” Höhe, in der unsere Plantagen stehen, gibt es schwarzen, grünen oder weißen Tee. Wir ziehen mit unserem Pöppel durch die ceylonische Landschaft, bauen Plantagen, ernten sie ab und verkaufen den Tee . Bei der Ernte dürfen wir uns von allen an unseren Pöppel angrenzenen Plantagen bedienen; in einer Hexa-Landschaft sind das maximal immerhin 7 Plantagen. Allerdings fasst unser Lager nur 5 Tee-Einheiten. Was zuviel ist, verfällt.

Wir dürfen auch von den Plantagen unserer Mitspielern ernten. Dafür bekommen sie aber jedesmal einen Siegpunkt. Man muss jönne könne!

Beim Verkaufen müssen wir ausliegende Aufträge mit genau definierten Tee-Mengen und vorgegebenen Tee-Farben erfüllen. Als Erlös bekommen wir entweder Geld oder Siegpunkte.

Geld brauchen wir zunächst mal für die Anlage von Plantagen, recht bald aber auch, um die sonstigen bonus- und siegpunkt-trächtigen Sonderaktionen zu finanzieren:

  • Wir schreiten auf der Technologie-Achse fort und erhalten Siegpunkte, wenn wir hier ein gewisses Niveau erreicht haben. Der größte Effekt trifft hier allerdings den Führenden: Er gewinnt jedes Mehrheiten-Tie-Break an den Quellen, an denen die Siegpunkte sprudeln.
  • Wir finanzieren Ratsmitglieder und erhalten den jeweiligen Bonus, den sie vergeben: mehr Geld beim Standard-Inkasso, Siegpunkte plus (etwas) Geld beim Tee-Verkauf, Siegpunkte für jedes Fortschreiten auf der Technologie-Achse, usw.

Der entscheidende Motor für den Spielablauf sind Aktionskarten, die uns Säen, Ernten, Verkaufen oder Sonderaktionen erlauben. Jeder Spieler hat drei davon auf der Hand, jede Karten erlaubt eine von zwei verschiedenen Aktionen, die Auswahl sollte also nicht allzu eingeschränkt sein. Ist sie zuweilen aber doch.

Der Spieler wählt eine Karte, spielt sie aus und führt eine der beiden aufgedruckten Aktionen aus. Das Besondere daran ist, dass jetzt alle Mitspieler die zweite, nicht ausgeführte Aktion auf der ausgespielten Aktionskarte ausführen dürfen. Das geht natürlich nicht immer. Wenn ein Spieler z.B. ein volles Tee-Lager hat, kann er nicht ernten; wenn er ein leeres Warenlager hat, kann er nichts verkaufen. Und was dergleichen Handicaps mehr sind, die der aktive Spieler natürlich mit Vorliebe bei seiner Aktionsauswahl beachtet hat. Wer diese Aktion nicht nutzen kann, was zweifellos ein Nachteil ist, darf sich immerhin zwei Geldeinheiten nehmen oder seinen Pöppel zwei Schritte weit bewegen. Auch nicht schlecht.

Am Ende des Spiels werden zusätzlich zu den per Tee-Verkauf bereits erzielten Siegpunkten progressiv steigende Mengen an zusätzlichen Siegpunkten für Mehrheiten ausgeschüttet: Mehrheiten gibt es bei der Anzahl der Tee-Plantagen in jedem der vier Gebiete Ceylons, für die höchste Position auf der Technologie-Achse und für das meistes Restgeld. Beispielsweise bringt eine einzige Rupie mehr als die Mitspieler am Ende in einer 4er Runde 10 anstelle von 6 Siegpunkten. Und wer auf der Technologie-Achse führend ist, braucht in jedem Gebiet Ceylons nur genauso viele Tee-Plantagen wie seine Mitspieler, um für jede „Gleich-Mehrheit“ vier Punkte mehr zu kassieren. Hier ist eine scharfe Kalkulation unter Betrachtung des Mitspieler-Besitztums und der Mitspieler-Potenzen gefragt. Günther schaffte das weitaus am besten. Na klar!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (gut ausbalanziert, gefällig, kurze Spielzeit, reichlich Interaktion), Günther: 6 (nichts Neues unter der Sonne), Walter: 6 (spielt sich sehr schön, ideal für Spieler, die gerne überall vorne sein wollen und können und entsprechend das Potential ihrer Mitspieler unter Kontrolle halten; mir persönlich wäre eine Siegpunktausschüttung nach absolutem, individuellem Besitztum lieber).

2. “Stockastic”

Wir kaufen Aktien von 1 bis 4 Gesellschaften und überlassen sie dem Spiel von Zeit und Markt. Wer am Ende das meiste Kapital erwirtschaftet hat, ist Sieger.

Ob die Konjunktur einer Firma gut oder schlecht ist, wird durch Hoch- oder Runter-Marker angezeigt. Die Marker werden pro Runde zufällig gezogen und verdeckt jeder Gesellschaft zugeordnet. Am Ende der Runde werden sie aufgedeckt und bewirken ein Steigen oder Fallen des zugehörigen Aktienkurses.

Für ein bisschen Geld kann man sich diese Marker ansehen und danach entsprechend entscheiden, ob man die zugeordnete Gesellschaft kauft oder nicht.

Während seines Zuges kann man sich auch „Gerüchte-Karten“ zulegen, die man einer beliebigen Gesellschaft zuschustern kann, wonach der Kurs dieser Gesellschaft ebenfalls steigt oder fällt.

In zwei Spielphasen kann man Aktien auch von Mitspielern kaufen oder verkaufen. Das wurde von uns in echter WPG-Manier kein einziges Mal praktiziert. Wie geht nochmal das Sprichwort? „Wer Lust hat zu tauschen, hat Lust zu betrügen“! In einem auch nur mittelmäßig planbaren Wirtschafts-SPIEL sind in solchen unwägbaren Situationen Tauschaktionen einfach unsinnig.

OK, wir kaufen also, warten ab, informieren und oder manipulieren ein bisschen: Am Ende hat einer gewonnen. Zur Demonstration eines Bruchteils dessen, warum und wie sich Aktienkurse bewegen, ist das Spiel sicherlich geeignet. Für Schüler mit echten wirtschaftspolitischen Ambitionen auf dem Aktienmarkt ist es hingegen viel zu eckig.

Dass man aber bereits in der ersten Spielrunde abgekackt hat, wenn man sich bei der Wirtschaftsentwicklung auf sein Glück verlassen hat und dabei verlassen wurde, musste Walter erfahren. Dumm gelaufen oder schlecht gespielt!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (zu viel Chaos, das Spiel ist nicht planbar), Günther: 4 (die Mechanismen funktionieren. [AbN: Das ist wohl das einzige Positive, was dir dazu eingefallen ist?]), Walter: 4 (ein Lehrspiel für die Mittelschule über Marktmodelle und die zugehörige Statistik).

3. “Coffeetopia”

Da Günther beim Kauf von „Stockastic“ auf der Spiel-2018 in Essen schon mal in Indonesien gelandet war, nahm er mit „Coffetopie“ gleich auch noch „Indonesia’s Official Souvenir“ mit.

Jeder Spieler bekommt ein identisches Set von fünf „Aktionskarten“. Jeweils eine davon wählen wir – ohne nachlegen – aus und bestreiten damit unseren Zug.

  1. Mit der “Income”-Karte bekommen wir eine Geldeinheit.
  2. Mit der “Contract”-Karte ziehen wir aus der offenen Auslage einen Export-Auftrag, für den wir eine genau definierte Menge roter, grüner und/oder blauer Kaffeebohnen (Karten) abliefern sollen.
  3. Mit der “Export”-Karte erfüllen wir den Export-Auftrag, nachdem wir mindestens die genau definierte Menge und Farbe an Kaffeebohnen (Karten) in unserem Speicher haben.
  4. Mit der “Trade”-Karte tauschen wird eine bereits geerntete Kaffeebohnen-Karte von einer Farbe in eine andere. (Damit das geerntete Set natürlich zu dem bereits gezogenen Export-Auftrag passt.)
  5. Mit der “Rest”-Karte tun wir nichts, sondern wir nehmen alle abgelegten Aktionskarten wieder auf die Hand.

Und wie ernten wir? Indonesien ist in drei Kaffee-Regionen unterteilt. Hier wachsen regelmäßig in zufälliger Menge rote, grüne und blaue Kaffeebohnen. Mit jeder ausgespielten Aktionskarte entscheiden wir als Nebeneffekt, in welcher Kaffee-Region wir tätig werden. Alle dort ausliegenden, sich ggf. auch angesammelt habenden Kaffeebohnen werden gerecht an alle dort anwesenden Mitspieler verteilt.

In diesem stets gleichen rhythmischen Ablauf von Saat und Ernte, von Auftrag entgegennehmen und erfüllen, läuft das Spiel ab. Kleines Problem: Unser Kaffeebohnenspeicher ist nur sehr begrenzt. Wenn er voll ist, müssen wir vor der nächsten Ernte entweder einige Bohnen entfernen oder wir können die neue Ernte nicht unterbringen. Das erschwert das Erfüllen von Aufträgen. Dagegen gibt es aber ein Hilfsmittel: Durch das Erfüllen bestimmter Aufträge wird unser Speicher erweitert. Lebensnotwenig, bzw. siegnotwendig. Aber trivial.

Manche Aufträge besitzen aber noch geilere Effekte. Z.B. gibt es den REWARD: “You may complete any Export Card form the Market at the end of your turn, if your Warehouse is full”! Mensch Meier, jetzt brauchen wir uns um nichts mehr zu kümmern: Die Kaffeebohnen flattern von alleine in unseren Speicher, reichlich! Und bei vollem Speicher gibt es mehr oder weniger immer erfüllbare Aufträge auf dem Markt. Aber hallo: Was ist denn der “Markt”? Ist das “nur” die Sammlung von Aufträgen, die ich mir bereits angeeignet habe (so hätte das Aaron gerne sehen), oder ist das die offene Auslage für alle (so hätte das Walter gerne gesehen, denn er hatte diesen Super-Auftrag erfüllt und erfreute sich im Dolce-fa-niente). Im gesamten Regelheft ist das Wort “Markt” nicht erklärt. Nicht nur deswegen brachen wir ab.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (es funktioniert, ist aber langweilig und macht – nicht zuletzt auf Grund von Regeldefiziten – keinen Spaß), Günther: 4 (so ganz daneben ist es ja nicht; es lebt von den Eigenschaften auf den erfüllten Karten), Walter: 3 (außer den entweder trivialen oder aber extrem unausbalancierten Effekten auf den Karten besteht das Spiel nur aus einem stupiden, linearen Wiederholen gleichartiger Vorgänge.)

02.01.2019: Die letzte Stunde von Delphi

Maximilian Thiel alias Bauldric & Friends was here. Mit einem nagelneuen Prototyp. „Delphi“ als Lokalität, ja überhaupt ganz Griechenland ist nicht wichtig. Es hätte auch Atlantis oder irgendein Wolkenkuckucksheim sein können. Thematisch werden vor allem religiöse Aktivitäten betont. (Achtung, Maximilian, „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ Für Orthodoxe steht bereits „Amun Re“ auf dem Index!)

Für einen Prototypen bewundernswert viele und schöne Masse in „Die letzte Stunde von Delphi“

Wir beten, meditieren, opfern, verrichten Tempeldienst, gehen in die Druidenschule, erwerben Schriftrollen, errichten Opferstätten und Manna-Steine, und das alles, um Material zu erwerben, das wir später in „Avatare“ (Wikipedia: „körperliche Manifestation eines Gottes“) für Schaffenskraft, Schönheit, Fruchtbarkeit, Zauberei, ewiges Leben und Ähnliches umsetzen.

Die Aktivitäten manifestieren sich durch ein „Manpower Placement“, in das ein pfiffiger Bag-Building-Mechanismus eingebaut ist. Man darf seine Pöppel nicht einfach auf die gewünschte Aktivität setzen, man muss dazu die richtige Kombination von bunten Aktivitätsscheiben besitzen und einsetzen. Diese Scheiben werden pro Runde in einer wachsenden Stückzahl zwischen 4 und 8 aus einem privaten Säckchen gezogen; nur entsprechend der gezogenen zufälligen Auswahl darf ein Spieler seine Züge tun.

Am Ende einer Runde kommen alle Aktivitätscheiben wieder zurück in das Säckchen, zusätzlich einige aktions-spezifisch gefärbte weiteren Scheiben. Jäger und Sammler haben schnell ihr Säckchen voll und sind damit dem Zufall ausgeliefert, der sie die richtige, meist aber auch die falsche Scheibenauswahl aus dem Säckchen ziehen lässt. Erfahrene Spieler nutzen die zahlreichen im Spiel gebotenen Möglichkeiten, gezielt einzelne Scheiben für immer und ewig aus dem Säckchen zu entfernen. Die Restscheiben sind dann leichter kalkulierbar.

„Die letzte Stunde“ : Delphi brennt schon lichterloh. Zumindest in den Außenbezirken. Wir sehen „wie am Horizont eine Feuersbrunst wütet“. Maximilan hat zwar die Spielregeln noch nicht fixiert, aber die Thematik ist im Stile der biblischen Erzählung von Sodom und Gomorrha auf einer ganzen DIN-A4-Seite bereits eindringlich dargelegt. Trygonen auf Chimären (oder umgekehrt) fordern uns auf, binnen einer Stunde, d.h. mittels Aktionen mit einem Gesamtzeitwert von 60 Minuten-Einheiten unsere eigene Haut zu retten.
Wer aktuell am wenigsten Zeiteinheiten verbraucht hat, ist jeweils am Zug. Man darf jederzeit passen, egal an welcher Stelle man steht. Dann ziehen nur noch die anderen, egal wie weit vorne sie stehen.

Üblicherweise denkt man, vorzeitig zu passen wäre ein Nachteil und müsste durch einen Bonus ausgeglichen werden. In „Delphi“ ist es gerade umgekehrt. Wer vorzeitig passt, muss als „Strafe“ noch eine zusätzliche Zeiteinheit bezahlen. Das ist aber sehr sinnvoll, denn in einer bestimmten – von Maximilian heute nur ansatzweise angewendeten – Taktik könnte man sich nämlich mittels Minimalzügen plus Passen beliebig weit zurückfallen lassen, um anschließend das gesamte Placement-Spektrum eine erhebliche Anzahl von Runden für sich ganz alleine nutzen zu können.

Ein gelungenes Spielelement sei hierbei noch erwähnt: Wenn das Spiel in die Endphase gerät, kommt eine geile Pendeluhr zum Einsatz. Jeder Spieler hat ab diesem Zeitpunkt für jeden Zug, d.h. für die Entscheidung, an welchem Placement er seine Manpower zu platzieren gedenkt, nur noch eine Minute Zeit. Hat er innerhalb dieser Zeitspanne seinen Mann noch nicht platziert, so rückt er in der Zeitleiste um eine Minute vorwärts. Dann ist der Spieler mit dem jetzt geringsten Gesamt-Zeitverbrauch an der Reihe. Es kann natürlich auch der gleiche Spieler sein.

„Delphi“ bietet eine ganze Reihe von Strategien und Taktiken, schneller und mehr Atavare auf die Seite zu schaffen als die Mitspieler. Eine genaue Beobachtung von deren Besitzstand und deren Ambitionen ist für den Sieg zweifellos notwendig. Dazu muss man natürlich die verschiedenen Effekte der Placements genau kennen, genauso wie die verschiedenen Atavare und ihre Preis/Leistungs-Änderungen im Verlaufe eines Spiels. Es gibt viel zu beachten. Ohne Maximilans engagierte, gut einstündige Einführung wäre für uns Uneingeweihte der Einstieg in das Spiel sehr mühsam gewesen. So war er es auch, aber es hat Spaß gemacht. Besonders natürlich für den Gastgeber, der diesen Jahrmarkt als fünftes Rad am Wagen mit pythagoräischem Abstand und sokratischem Gleichmut drei Stunden lang betrachten und seine Pflichten als Chips-, Gummibärchen- und Crossis-Nachfüller stressfrei erfüllen konnte.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase. Grundsätzlicher Eindruck: Eine schöne Spieleidee und hübsche Mechanismen für Freaks, die gerne auch einhundertmal das gleiche Spiel spielen, um immer tiefer in die Materie einzudringen und als Experten gegen Experten bestehen und gewinnen zu können. Nach Westpark-Gamers-Geschmack könnte man zur Vereinfachung einige Spielelemente ersatzlos weglassen, ohne dass darunter das Gesamt-Spielgefühl leiden würde.

12.12.2018: AuZtralien mit Charakter

1. “AuZtralien”

Aktionsboard und Spielbrett in „AuZtralien“
Ähnlich wie beim „Darien Apocalypse“ von letzter Woche müssen wir uns in „AuZtralien“ ein Land aus hexagonalen Flächen untertan machen: Rohstoffe aneignen, Verbindungen bauen und Farmen errichten. Dafür werden wir am Ende mit Siegpunkten belohnt. Und ähnlich wie letzte Woche werkeln wir drei Stunden in diesem Szenario, bis das Ende erreicht ist und der Sieger feststeht. Doch welch ein Unterschied!

Die Rohstoffe liegen nicht verdeckt sondern offen in der Landschaft herum; wir können gezielt, und sogar in einer gewissen Konkurrenz zueinander darauf zusteuern, um sie uns anzueignen.

Acht verschiedene Aktionen stehen uns zur Verfügung, von der Ressourcen-Beschaffung, dem Strecken- und Farmbau bis zur Beschaffung von Hilfskräften und militärischer Ausrüstung – richtig: gekämpft muss früher oder später auch werden! Die Aktionen haben unterschiedliche Potenz, sie kosten auch unterschiedlich viele Aktionspunkte, und gemäß einen wohlbekannten aber sehr stimmigen Mechanismus darf immer derjenige Spieler den nächsten Zug machen, der bis dahin die wenigsten Aktionspunkte verbraucht hat.

Dass im Gegensatz zu „D.A.“ hier keine Schimmelreiter herumhoppeln und unsere Aktionen unterbinden, ja sogar ganze Erdteile lahmlegen, ist für ein Design des Meisters Martin Wallace ja wohl selbstredend.

Und jetzt kommen wir zum Pfiff des Spieles: Sobald wir eine bestimmte Menge von Aktionspunkten verbraucht haben, d.h. sobald jeder Spieler in friedlicher Weise das Terrain abgesteckt hat, in dem er seine Siegpunkte zu machen gedenkt, kommen böse Gestalten in Spiel, die an definierten Punkten des Spielbrett auftauchen und sich auf die nächstbeste menschliche Behausung stürzen. Für deren Bekämpfung sollten wir rechtzeitig militärisch aufgerüstet haben. Mit einem gewissen Aufwand, evtl. auch unter der Inkaufnahme von Verlusten, können wir sie einzeln eliminieren, bevor sie großen Schaden anrichten. Dafür bekommen wir am Ende sogar Siegpunkte.

Hier haben wir in unserem ersten Spiel leider ein wesentliches taktisches Element übersehen: Da sich die Unholde grundsätzlich immer auf die nächstliegende Farm stürzen, kann man rechtzeitig „Opferfarmen“ errichten, mit denen man die Bösen von sich weg und auf die Niederlassungen der Mitspieler ablenkt. Auch kann man mittels Zeppelin einen noch schlafenden Unhold vorzeitig aufwecken, so dass er aktiv wird und ebenfalls dem nächstliegenden Mitspieler an die Wolle geht. Dieses indirekte Kampfsystem zum Schädigen der Mitspieler ist ein sehr gelungenes mächtiges Spielelement in AuZtralien. Wir werden es beim nächsten Mal sicherlich ausgiebig nutzen.

In unserer ersten, von solchen taktischen Winkelzügen eher freigebliebenen Partie hat Günther gewonnen, weil er am höchsten aufgerüstet hatte und – mit etwas Würfelglück – die meisten Unholde abknallen konnte. Moritz konnte mit seiner extensiven Landwirtschaft nur den zweiten Platz belegen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (es hat sich diesmal besser gespielt als letzte Woche in Brixen, die lange Spieldauer nervt etwas, allerdings ist das Spiel keineswegs repetitiv), Günther: 6 (das Farmen-Bauen ist etwas schwerfällig), Moritz: 7 (mir hat’s gefallen; das Spiel ist solide designed, wir hatten leider ein unglückliches Szenario mit zu vielen Kängurus, das ging zu Kosten der Spannung), Walter: 7 (lästig viele Hilfszüge, z.B. für die Ressourcen-Beschaffung; dafür können wir mit kleinen Zügen – die richtige Farm an der richtigen Stelle zum Ablenken der Unholde – große Wirkungen auslösen; spielerisch, kämpferisch, höchst schadenfreudig).

2. “Qwixx : Characters”

Jede tolle Erfindung ist 1 Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration. Vor 6 Jahren hat Steffen Benndorf entsprechend viel Transpiration investiert, um eine hübsche neue Würfelspielidee zu gebären. Seitdem geht es nur noch darum, mit deutlich weniger Schweiß den Preis heiß zu halten: jedes Jahr eine Expansion.

Letztes Jahr waren die „Characters“ dran: jeder Spieler bekommt einen individuellen Charakter zugeteilt, mit dem er sein Würfelglück aufpolieren kann. Z.B. darf „Tina Turner“ eine geworfene Augenzahl 3 in eine 4 verwandeln oder umgekehrt, und „Miss Take“ darf im Falle eines (echten oder willkürlich postulierten!) Fehlwurfes eine beliebige Zahl in ihrem Tableau ankreuzen. Auch wenn das Gros der Westpark-Gamers es auf Anhieb nicht wahrhaben wollte: Diese Charakter können niemals ausbalanziert sein, ein Charakter ist zwangsläufig stärker als der andere. Effekt: das lockere, flüssige Spiel mit den Würfeln wird a) um eine unnötige Denker- oder eine Miesnickel-Option erweitert und damit lästig verlangsamt und b) das ausgleichende Gesetz der großen Zahl wird durch eine unnötige systematische Schiefe aus den Angeln gehoben.

Sicherlich mag es Spieler geben, denen so etwas gefällt. Zudem ist die reine Qwixx-Idee ja von Haus aus so robust, dass sie auch mit einer solchen Kakophonie noch leben kann. Wir vom Westpark würden sie jedenfalls nie wieder einsetzen. Auch unser Würfel-Experte Horst würde hier – noch ungefragt – ein Veto einlegen.

WPG-Wertung: Keine neuen Noten für ein 7,2 Punkte-Spiel; die Charaktere sind unisono durchgefallen.

05.12.2018: Beten für die Neue Welt

1. “Darien Apocalypse”

Wir sind Schotten und besiedeln die Neue Welt. Die Aktionen, die wir dafür / dabei ausführen dürfen / müssen, sind alle wohlbekannt: Uns einschiffen, hinübersegeln, ausladen, Land erkunden, Holz und Steine finden, Sägewerke und Steinbrüche einrichten, Gebäude bauen resp. erweitern, ernten, handeln und Geschäfte machen, d.h. unsere Waren verkaufen, neue Schotten anheuern, „Shares“ kaufen und mit diesem oder jenem Ergebnis unserer Aktion Siegpunkte machen. Nichts Neues in der Neuen Welt.

Friedliche Schotten und drei böse Apokalyptiker im Wartezustand

Neu, zumindest in dieser Ausprägung neu, ist, dass die Neue Welt aus vier Erdteilen besteht, und wenn wir z.B. Land erkunden, dürfen wir das mit einer einzigen Aktion in jedem der vier Erdteile. Deshalb sollten wir unsere Schotten möglichst überall verbreitet haben, damit wir unsere Aktionen auch weidlich ausnützen dürfen. Andererseits müssen wir sie in mancherlei Hinsicht auch konzentriert beieinander haben, denn für die meisten Gebäude brauchen wir mehrere Materialen, und ein einzelner Schotte kann halt nur einen einzigen Holzbalken tragen.

So könnten alle unsere Aktionen friedlich (aber auch recht langweilig) zwischen Diversifizierung und Konzentration ausbalanziert sein, wenn nicht in jeder Runde in zufälliger Anzahl und an zufälligen Orten „Apokalyptische Reiter“ auftauchen würden,

  • die für eine Runde einen ganzen Erdteil blockieren und jede Aktion darauf unterbinden.
  • deren “Schatten” bis zum Ende des Spiels einzelne Aktionen unterbinden.
  • die “Calamities” auslösen, z.B. Gebäude vernichten, erkundetes Land wieder zur Wüstnis machen oder ganze Schiffe mitsamt Mäusen und Schotten untergehen lassen.

Wir können versuchen, die bösen Wirkungen der eukalyptischen Reiter zu mildern: durch beten. Doch wie im richtigen Leben sind dieses Gebete nur effizient, wenn sie tüchtig mit Silberlingen angereichert sind. Glücklicherweise und im Gegensatz zum richtigen Leben bleiben diese Silberlinge aber im Opferstock liegen, falls unsere Gebete nicht erhört wurden. Sie dürfen dann zur Effizienzsteigerung des nächstens Gebetes ohne Schmälerung erneut herangezogen werden.

Wir haben die genauen Effekte dieser Gebete nicht richtig gehandhabt. Wir haben immer nur mit einem anstatt mit bis zu vier Würfeln gebetet, und wir haben die Zusatzbelohnung für erfolgreiches Beten übersehen. So hat die übliche Westpark-Gamers-Mentalität zugeschlagen und kaum einer war bereit, eigene Aktionen und Silberlinge zu opfern, um für alle die Reiter mit ihren Schatten abzuhalftern. So häuften sich Schatten auf Schatten, Calamity auf Calamity, und wir gingen frustriert in diesen Blockaden unter.

Aber selbst wenn wir diesen Regelfehler und (leider) noch viele andere richtig gespielt hätten, eine Erleuchtung wäre das Spiel trotzdem nicht geworden. Außer vielleicht bei Moritz, der grundsätzlich gute bis sehr gute Noten vergibt, wenn sich auf dem Spielbrett möglichst viele Orcs herumtummeln, die alle bekämpft werden können und müssen. Allerdings lieber mit dem Schwert als mit Gebeten.

Unsere Zeitverhältnisse: eine gute Stunde Einführung, aber danach hatten wir die Regeln längst noch nicht intus. Insbesondere die Auswirkungen der Reiter, ihrer Schatten und der Calamities sowie der Schutz gegen ihre verschiedenen Effekte in einem oder in allen Erdteilen benötigten ein ständiges Nachfragen bei Moritz und Nachblättern im Regelheft. Die Ragnar Brüder wollte mit ihrer verwickelten Lösung einfach die Bedeutung von silber-unterstützten Gebeten ins Bewusstsein der Bevölkerung bringen. Gespielt haben wir dann noch gut vier Stunden, und die vorletzte U-Bahn war schon längst über die Allianz-Arena hinaus, als Moritz mit gut 20 Punkten hinter den Chimären unser relativer Sieger wurde.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (das Spiel funktioniert, aber höchstens halb so gut wie AuZtralia, es ist deutlich weniger elegant und mehr glückslastig), Moritz: 8 (die Idee mit den vier Welten finde ich gut), Walter: 4 (nach vielen bekannten und wenigen neuen Ideen wird hier in der üblichen Weise gewerkelt; wenn das Spiel nach einer knappen Stunden vorbei wäre, würde es 6 Punkte bekommen; aber 4 Stunden lang möchte ich hier keinen zweiten Versuch wagen).

28.11.2018: Tudor und Tar’aram

Aaron war als Autoren-Kompetenz im Ösi-Land und traf dort ein altes Mütterlein, das auch gerade ein Spiel erfunden hatte und es gerne zu Markte getragen hätte. Als erstes erklärte sie Aaron, dass sie das Spiel doch wohl patentieren müsse. Von der Ehrlichkeit der handelnden Verlage beim Prüfen ihrer Spielidee war sie nicht zu überzeugen. Aaron empfahl ihr dann, einfach die Regeln niederzuschreiben, sie einem Freund zu zeigen, und sie dann gemeinsam zu unterschreiben. Skeptischer Einwand: „Ich habe ja nur alte Freunde! Was ist wenn der dann stirbt?!“

1. “Tudor”

Anstelle bei Louis Quatorze sind wir diesmal bei Henry Eighth (dem „Verteidiger des Glaubens“ mit den 7 Frauen) und versuchen uns hier in die höchsten Adelskreise hineinzuintrigieren.

Denker über der Materialschlacht von „Tudor“

Zu Beginn bekommt jeder Spieler zwei Ringe. Mittels Ringen bekommen wir Karten. Mittels Ringen oder Karten dürfen wir die Adelsleiter hinaufklettern und bekommen dafür bunte Plättchen. Sind wir weit genug hinaufgeklettert bekommen wir neue Ringe und dafür Siegpunkte.

Die Farben der Ringe und ihre Position auf unserer Fingerhand bewirken unterschiedliche Vorteile, darüber darf/muss man sich vom Start weg und von Ring zu Ring ernsthafte Gedanken machen.

Für die Plättchen bekommen wir ebenfalls Siegpunkte, je mehr gleichfarbige Plättchen desto besser. Einzel-Plättchen dürfen wir begrenzt in Schritte vorwärts/seitwärts umsetzen.

In Gang gehalten wird das Ganze durch Höfelinge, die wir auf Manpower-Placement-Areals (MPA) zur Karten-Erzeugungs- bzw. Karten-Nutzung einsetzen. Zur Aktivierung dieser Höfelinge müssen wir (wenigstens einer der Mitspieler) zusätzlich einen Lord auf das MAP setzen.

Da das Platzangeobt auf den MPAs beschränkt ist, können alteingesessene Höflinge hier von Neuplatzierten verdrängt werden. Damit ist ein bisschen Interaktion gegeben. Der Rest ist Schweigen.

Man kann über jeden Zug lange grübeln. Fast wie bei Robbo Ralley: Die falsche Farbe für Karten oder Ring gewählt, und schon ist der Riesen-Raibach-Zug futsch. Da haben wir am Westpark für die intellektuell doch beherrschbaren Einzelzüge – Karte(n) nehmen oder ausgeben – doch tatsächlich stundenlang gegrübelt. Mehr als drei Stunden lang. Dahingegen kam uns die 1 ¼ Stunde Einführung schon kurz wie eine Liebesnacht vor.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (1 Punkt weniger als für das „Forum Trajanum“; very much ado about nothing, da grübelt man bis zu Schluss rum um nichts und wieder nichts), Günther: 6 (die Regeln sind durchsichtig, sprich nicht komplex, die Sonderregeln [z.B. die verschiedenen Vergünstigungen der Ring-Positionen] sind eher undurchsichtig), Moritz: 4 (macht mich nicht an), Walter: 5 (schon wieder ist in dieser geringen Punktzahl auch noch ein Punkt für die Ingenieursleistung enthalten; ein Ablauf wie in einem Ameisenhaufen [in dem ich allerdings noch nicht war]).

Günther war verzweifelt: „Welche Qualtitäten muss ein Spiel denn haben, um am Westpark noch Punkte zu bekommen?“ Wir werden zweifellos älter, reifer, weiser, aber Interaktion, Dynamik, klare Spielziele, Positionen die angreifbar sind, die man aber auch verteidigen kann (und muss), das wären doch schon ein paar Kriterien … Im Grunde also ein stinknormales „1830“.

2. “tar’aram”

Auf einer karierten Fläche sind feste und bewegliche Hinternisse gegeben. Wir müssen mit unseren zwei Pöppeln von der Startlinie bis zur Ziellinie orthogonal vorwärts ziehen. Für die Bewegung spielen wir aus unserer Kartenhand mit fix drei Karten die gustierte Kombination aus, mit der wir a) einen unserer Spielsteine b) einen beliebigen Spielstein eines Gegners oder c) eines der beweglichen Hindernisse um – je nachdem – 1, 2 oder 3 Felder bewegen.

Man braucht ja nicht viel Phantasie, um den chaotischen Ablauf dieses Spiels vorauszusehen. Kein Spieler kann gewinnen, wenn alle gegen ihn spielen. Kann es eine Taktik sein, möglichst nicht aufzufallen und ggf. aus dem Hintergrund irgendwann mal eine Reihe guter Überraschungszüge zu tun? Wohl kaum! Wenn die Mitspieler aufpassen, gewinnt keiner! Wenn alle sehr aggressiv spielen, d.h. wenn immer es geht, irgendwelche gegnerischen Steine nach hinten zu ziehen, hat das Spiel kein Ende. Q.e.d.

Als Spiel im Spiel ist ein Ratemechanismus eingebaut. Jeder Spieler muss seinen fünf Karten A bis E geheim jeweils eines von 8 Symbolen zuordnen (alles höchst thematisch ägyptische Götter, Pharaonen und Hieroglyphen). Wenn man die Zuordnung seines rechten Nachbarn errät – jeder Versuch dazu ist ebenfalls einer der möglichen Züge, die man mit seinen Handkarten machen kann – dann werden die zukünftigen Handkarten alle mächtiger, d.h. man kann mit ihnen als Doppelzug bewegliche Hindernisse und anschließend noch eigene Steine versetzen. – Na ja, vielleicht hat ein Spiel dann doch einmal ein Ende. Q.e.d.

Wir haben das Spiel auf Moritz’ Vorschlag hin mit der Love–Hate-Variante angereichert. Jeder Spieler bekommt verdeckt eine Love-Karte zugeteilt, die ihn mit einem Mitspieler verbandelt, dessen Plus-Punkte am Ende sind auch seine Pluspunkte. Und er bekommt eine Hate-Karte zugeteilt zu einem Mitspieler, dessen Plus-Punkte sind am Ende seine Minuspunkte. Walter war mit sich selbst in Liebe verbandelt (aus diesem Alter ist er schon heraus) und mit Moritz in Hass (dazu war ihm ebenfalls nicht zu Mute). Günther hingegen war Walter mit Hass zu getan und bekam auch gleich zu Beginn die richtigen Karten auf die Hand, um nach wenigen Zügen Walters beide Steine bis an die Startlinie zurückzudrücken. Diese Love-Hate-Kombination gab Walter den Rest. Er setze jetzt seine gesamte Potenz dafür ein, Moritz zu befördern und ihm alle Steine aus dem Weg zu räumen. In einer Rekordzeit konnte Moritz das Spiel siegreich beenden. – Zugegeben, nach einer logischen Love-Hate-Technik hätte Walter besser einen beliebigen anderen Spieler ausgesucht. Aber ihm war halt danach. Dürfen wir nicht auch im Alter noch Gefühle haben?

WPG-Wertung: Aaron: 5 (mit Walter kann man so ein Spiel sogar in 10 Minuten über die Bühne bringen; das Mastermind-Spiel-im-Spiel ist ein Witz, ein störender Fremdkörper), Günther: 3, Moritz: 3, Walter: 2 (Karten spielen für Kingmaker oder Ärgerzüge mit ausschließlich dem Chaos zu verdankendem Sieger ist nicht mein Fall).

Aaron fragte etwas pikiert den Spielverderber Walter, was ihm denn an Barrikade (einem Spiel mit offensichtlich ähnlichem Prinzip) besser gefalle. Hier die Liste:

  • Meine Pöppel gehören mir, niemand darf sie bewegen.
  • Ich würfele und habe danach einen eindeutigen Zug; ich muss meine Kartenhand nicht danach analysieren, welchen Brandherd ich jetzt damit bekämpfen will resp. welche Ärgerzüge damit möglich sind.
  • Ich kann nicht nur mickrige 1-3 Schritte vorwärts gehen, wobei ich hier oft genug schon für einen einzigen Schritt von Hindernissen ausgebremst bin, sondern 1-6 Schritte. Und mit einer 6 darf ich nochmals würfeln. Da geht alles viel schneller.
  • Ich habe 4 Pöppel und brauche nur einen einzigen ins Ziel zu bringen; das ist viel spritziger als das dröge Herumhantieren mit dem letzten Einzelpöppel.

Und jetzt kommen die wichtigsten Punkte:

  • Es ist immer spannend, teils taktisch, teils vom hübschen Würfelzufall abhängig, welche Seilschaften sich bei Barrikade auf beiden Seiten der Zielgeraden einfinden. Eine koordiniert ziehende Pöppelschar hat immer die Möglichkeit, selbst einen erheblichen Vorsprung eines Einzelspieler auf der anderen Seite wettzumachen.
  • Ein einsamer Spieler oder eine Zweier-Seilschaft kann von einer ganzen Pöppel-Bande leicht noch von hinten eingeholt und somit mit ihr vereinigt werden. Dann ergibt es einen hübschen, harten Überlebenskampf bis zum Ziel.
  • Die taktischen Gewissensprobleme innerhalb einer Seilschaft sind äußerst spannend: Werfe ich kurz vor dem Ziel meinen Mitspielerkameraden noch heraus, um die wenigen letzten Schritte – vom eigenen Herausgeworfen-Werden ungefährdet – alleine zu versuchen, oder lasse ich ihn bei mir, weil wir zusammen deutlich schneller sind?
  • Bei allen Zügen brauche ich immer nur an mich zu denken! Jeder gute Zug fördert – rational nachvollziehbar – in erster Linie meine eigenen Vorteile. Absolut Kingmaker-frei!

Reicht das?