Archiv der Kategorie: Spieleabende

02.07.2024: Keine Helden auf dem Jupiter

1. “Das Galileo-Projekt”

Nix mit Terraforming Mars. Der Mars ist bereits besiedelt und ist die Ursache, dass wir es hier mit zweierlei Währungen, den roten vom Mars und den blauen von der Erde, zu tun haben. Damit rücken wir dem Jupiter bzw. seinen vier größten Monden zu Leibe. Aber nicht mit zukunftsvisionären Produkten und Projekten a la TM, sondern abstrakt mit Commandern und Robotern. Diese beiden Kategorien liegen als Karten in der Tischmitte. Wählen wir daraus einen Commander aus, bekommen wir Liquidität (und weitere Vergünstigungen an Geld, Einfluß oder Entwicklung), wählen wir einen Roboter aus, verlieren wir Liquidität, stärken dafür aber unsere Entwicklungspotenz auf einem der Monde, die sich früher ebenfalls in Vergünstigungen und später in Siegpunkte ummünzt. Die Monde sind dabei abstrakte Kategorien, in denen wir unsere Entwicklung meist aufwärts, zuweilen aber auch wie in Kapillarröhren nach abwärts treiben können.

WPG-Wertung: Moritz: 3 (ich möchte das Spiel nie wieder spielen! Kein einziges Spielelement macht Spaß; die übliche Siegpunkt-Melange, verwirrend, unintuitiv, sperriges Handling, kein Aufbaugefühl), Aaron: 3 (ich schließe mich Moritz vollinhaltlich an; kein neuer Aspekt, ein relativ einfaches Spiel, aufgebläht mit künstlichen Dingen, die keinen Spaß machen; die Iconographie ist nicht gelungen, die Währungs-Unterscheidung rot-blau ist ein Scheiß, die Zufälligkeit der Karten verhindert entscheidended Planungen), Günther: 7 (es ist ein konstruktives Aufbauspiel, in dem man verschiedene Schienen fahren kann) , Walter: 6 (da die Entscheidungsfreiheit sehr begrenzt ist – entweder besorgt man sich Liquidität oder man gibt sie aus -, braucht man nicht zu denken, wenn man nicht dran ist: am Westpark ist das ein erheblicher Vorteil).

2. “Zero Hero”

Auf den Tisch liegen vier Kartenpaare (in sieben Farben mit Zahlen von 0 bis 4), die Geld kosten. Unterschiedlich viel, was durch Münzen am Kopfende angezeigt wird. Wer am Zug ist, kauft sich entweder ein Paar, übernimmt es farbsortiert in seine private Auslage und legt den Kaufpreis in Münzen additiv zu den bereits dort liegenden Münzen am Kartenkopf. Anstelle der entnommenen Karten werden vom verdeckten Stapel zwei neue Karten dort hingelegt, deren Einstandspreis jetzt das Doppelte der entnommenen Karten beträgt. (Habt Ihr mitgerechnet?)

Alternativ zum Kartenkaufen kann man sich pro Zug eine Münze von Kopfende eines beliebigen Kartenpaars nehmen. Liegen dort fünf oder mehr Münzen, darf man sich sogar gleich zwei Münzen nehmen. Dadurch gehen die Kaufpreise der zuweilen unerschwinglich teuren Karten peu-a-peu wieder nach unten.

Was bringt die private Auslage? Wer am Ende von einer Farbe nur genau 1 Karte hat, bekommt den Zahlenwert als Siegpunkte gutgeschrieben. Wer von einer Farbe genau 3 Karten hat, bekommt das Produkt der beiden höchsten Zahlenwerte als Siegpunkte gutgeschieben. Wer eine andere Anzahl als 1 oder 3 Karten einer Farbe gesammelt hat, bekommt nichts, gar nichts.

Wer die meisten Nullen gesammelt hat, bekommt zusätzlich noch 5 Siegpunkte.

Manche Karten haben einen Nebeneffekt, der wirksam wird, wenn man die Karte nimmt: so kann man eine Münze bekommen, eine weitere Karte vom verdeckten Nachziehstapel ziehen oder aus der offenen Auslage eines Mitspielers eine Karte entnehmen oder eine Karte hinzufügen. Welchen Effekt das beim dortigen Spieler auslöst, der ja genau 1 oder 3 Karten einer Farbe haben muss, um überhaupt zu punkten, kann sich jeder selber ausmalen. Pfui!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (Nullinger), Günther: 5 (wegen „Freeman“ [falls ich das richtig verstanden habe]), Moritz: 3 (läppisch), Walter: 3 (fast 2, wegen der Pfui-Effekte).

19.6.2024: Gärtnern mit Gedächtnis

1. “Botanicus”

Vor zwei Monaten erstmals gespielt (ohne Aaron) und inzwischen alles, einschließlich Spielname wieder vergessen. Dafür war diesmal Aaron wieder dabei.

Das Graben und Rechen und Blumenpflanzen ist gleich geblieben. Nur das „Singen ein Lied“ ist ist ausgeblieben. Und anstatt dass die Enkel sich an den vielfältigen konstruktiven Aktivitäten, die sie mit ihren Workern ausführen dürfen, erfreuen konnten, mussten unsere beiden siegpunktgeilen Operations-Research-Freaks natürlich bei jedem Zug alle Wege durchrechnen, wie sie ihre Gartenzeilen und Gartenspalten in optimaler Weise bepflanzen und begießen konnten und en passant auch noch die mannigfachen Siegpunkte einstreichen konnten, die überall herumliegen.

Es hätte ein vergnügliches Stundenvergnügen für alle sein können, aber so war es ein dreistündiges Rechenvergnügen für die beiden Freaks und ein ebenso langes Zuschauern und Wundern der beiden SPIELER darüber, wie man ein gefälliges, lockeres Blumenspiel in eine todernste Examensaufgabe verwandeln kann.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (nicht schlecht, wenn man es in einer Stunde über die Bühne bringt, das hunderttausendste Worker Placement-Spiel ohne ein einziges neues Spielelement), Günther: 7 (1 mehr; von der Originalität her nicht der Brüller, aber innerhalb seiner Nicht-Originalität ist das Spiel 7 Punkte wert), Moritz: 7 (1 Punkte mehr; das Spiel spielt sich relativ flott, es besitzt jede Menge Konkurrenz und erfordert eine flexible Strategie), Walter: 5 (in der 4er Runde 1 Punkte weniger; ich würde das Spiel nur noch mit Zeituhr spielen, wo am Ende die Siegpunkte eines jeden durch die verbrauchte Zeit dividiert werden; dann kann Günther den ganzen Abend über einem einzigen Zug brüten, und seine Mitspieler würden ihn nicht mit schälen Augen ansehen, sondern ganz im Gegenteil, jede verdenkte Sekunde würde sie mit Freude darüber erfüllen. wie der Siegpunkt-Quotienten des Konkurrenten asymptotisch auf Null schrumpft.

2. “Passt nicht”

Das lockere kleine Mau-Mau-Sammeln-Abschießen-Spiel haben wir vor einer Woche zu dritt ohne Moritz gespielt, diesmal war er dabei.

WPG-Wertung: Moritz schloss sich mit 6 Punkten der allgemeinen Meinung vom Westpark an (kleines Spielchen, ganz nett, als Spielprinzip OK).

3. “That’s not a hat”

Memory mit Ringelpiez. Jeder hat eine Karte mit einem Begriff vor sich liegen. Die Karte ist verdeckt, aber zu Spielbeginn kennt jeder seinen Begriff und die Begriffe aller Mitspieler. Dann kommt eine einzige weitere Karte mit einem neuen Begriff ins Spiel. Sie landet bei einem der Spieler, der sie gegen die vor sich liegende Karte austauschen und die ausgetauschte Karten an den rechten oder linken Nachbarn (die Richtung wechselt unregelmäßig, ist aber jeweils vorgeschrieben) weiter geben muss. Bei der Weitergabe muss man laut und deutlich sagen, welcher Begriff auf der Rückseite abgebildet ist.

Der so beschenkte Spieler kann die Karte annehmen oder aber mit der Bemerkung: „That’s not a …“ ablehnen. Wer im Unrecht ist, bekommt einen Strafpunkt.

Fallbeispiel: Wenn sich in einer beliebig (!) großen Spielerschar jeder Spieler ganz konsequent nur jeweils drei – allerdings wechselnde – Karten merkt, nämlich seine eigene Karte und die jeweils eine Karten seiner beiden Nachbarn, und sich vom sonstigen Geschehen am Tisch nicht ablenken lässt, dann haben wir eine Dead-Lock-Situation: das Spiel geht ohne Fehler unendlich weiter. Doch offensichtlich können nicht alle Spieler auf Dauer diese Konsequenz aufbringen, oder das eine oder andere Gedächtnis lässt auch mal in Minutenschnelle nach.

Es gibt keine Strategie und keinen Spielspaß. Beim richtigen „Memory“ kann man sich mit jedem Spieler, vor allem aber mit seiner vierjährigen Enkeltochter freuen, wenn sie sich das Duplikat gemerkt hat und zielsicher danach greift. Soll ich mich hier etwa darüber freuen, wenn ein Spieler durch einen Gedächtnisfehler den Dead-Lock auflöst?

WPG-Wertung: Aaron: keine Wertung, Günther: keine Wertung (wir sind nicht die Zielgruppe), Moritz: 3, Walter: 2 (das Spiel funktioniert, aber Gedächtnisspiele haben ab einem gewissen Alter bzw. ab einem gewissen Demenzgrad keinen Reiz mehr).

12.06.2024: Mau Mau mit Darwin

1. ” Passt n1cht!”

Der Spielmechanismus besteht aus drei Komponenten:

1) Unverkennbar ist ein Mau-Mau (Uno) darin enthalten: jeder Spieler bekommt einen Kartenhand und legt jeweils eine in Zahl oder Farbe passende Karte auf den gemeinsamen Ablagestapel, bis der Erste keine Karten mehr hat. Dann ist das Spiel zu Ende; der Final-Spieler hat vielleicht noch nicht gewonnen, aber er erhält – im Gegensatz zu seinen Mitspieloern – keine Minuspunkte für Restkarten in seiner Hand.

2) Die zweite Komponente ist ein Karten-Sammel-Spiel. Sofern ein Spieler keine Karte auf den Ablagestapel legen kann, will oder MUSS, darf er eine Karte aus der Hand in farbreinen Privatstapeln vor sich ablegen. Diese Karten zählen bei Spielende als Pluspunkte.

3) Ein Kampf gegen die Auslage der Mitspieler. Deren private Ablagestapel sind nämlich nicht geschützt. Wenn eine der oben liegenden Karten auf den gemeinsamen Ablagestapel passt – und man keine andere passende Karte in der Hand hat – muss man diese schöne Pluskarte dorthin ablegen. Die Mitspieler können versuchen, eine solche Karte auf den Ablagestapel zu legen, die den nachfolgenden Mitspielern die dicksten Pfründen aus ihrer Ablage schießt.

Diese drei Komponenten sind sehr gut miteinander verwoben, der befürchtete simple Mau-Mau-Mechanismus ist absolut untergeordnet. Ein zur Kartenhand passendes „gutes Spiel“ ist noch in weiter Ferne, aber es scheint es zu geben.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (der Wiederspielreiz ist gegeben; auch als Absacker), Günther: 6 (ein hübsches Familienspiel, einfach und locker), Walter: 7 (kurzweilig und lustig, zum Warming Up sehr gut geeignet, lebt von der Schadenfreude).

2. “Darwin’s Journey”

(Nicht zu verwechseln mit dem aktuell zum SdJ-nominierten „Auf den Wegen von Darwin“.)

Aaron hat zum Basisspiel „Darwin’s Journey“ (siehe Report vom 29.11.2023) eine Erweiterung mitgebracht: wir reisen nicht mehr zu den Galapagos Inseln sondern ins Feuerland. Die Landkarte ist nicht so wichtig, alle Elemente des Grundspiels wie Fahren (zu Land wie zu Wasser), Entdecken, Entdeckungen Verkaufen, Kompetenz-Erweiterung oder Korrespondenzen mit Gott und der Welt sind erhalten geblieben. Neu sind mehrere Schiffe und mehrere Trapper, die nach und nach an verschiedenen Stellen ins Spiel kommen. Eine Chance für die Zurückgebliebenen.

Auf den Reisen müssen wir „Abenteuer“ bestehen: auf an bestimmten Stellen der Reise zu ziehenden Karten stehen zufällige Bedingungen, zu welchen Kosten wir uns welche Vergünstigungen einhandeln. Vieles kostet unweigerlich „Zeit“, und ein hohes Zeitkonto setzt sich wie Bremsbacken zwischen Ruder und Räder. Da wollte man den Freaks, die schon hundertmal mit der Beagle durch die Galapagosinseln gesegelt sind, eine neue Herausforderung geben, habt aber nur den Selten-ein-Spiel-mehrmals-Spielern Knüppel zwischen die Beine geworfen. Kein gutes Design-Prinzip.

Nach gut zwei Stunden hatten wir nur etwa die Hälfte der vorgeschriebenen Runden absolviert. Einvernehmlich brachen wir ab.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (1 Punkt weniger als das Basisspiel; das Spiel ist langsamer geworden; ich hatte eine zusätzliche Strategie erwartet, es kamen aber nur mehr Zwänge zu den bisherigen Strategien hinzu; die hohen Zufälle bei den Abenteuern passen nicht zum [konsequent planerischen] Rest, auch die Zeiteffekte sind nicht konstruktiv), Günther: 8 (bleibt; hat Verständnis für die neuen Elemente der Erweiterung als Futter für Darwin’s Vielspieler), Walter: 6 (1 Punkt weniger als das Basisspiel, die Fülle an Setzmöglichkeiten wurde noch einmal durch Zufalls- und Bremseffekte erweitert; das ist nicht ganz stimmig, es sei denn, der Zufall würde am Westpark durch eine entsprechende erhöhte Lockerheit gepaart. Aber da wäre der Westpark nicht Westpark …).

05.06.2024: Funkenschlag

1. “Funkenschlag”

In der Hochphase der abendfüllenden 18xx-Spiele bei den Westpark-Gamers, vor knapp 20 Jahren, schuf der geniale Spiele-Autor Friedemann Friese ein Spiel, das zwar nicht im Eisenbahn-Aktien-Milieu angesiedelt ist, aber die wichtigsten Elemente dieser Spielefamilie in sich trägt, übertragen auf den Ausbau von Elektrizitätsnetzen. Wir waren sofort begeistert und stellten das Spiel unverzüglich an der Spitze aller unserer damals schon weit über fünfhundert gespielten Spiele.

Ich will es jetzt nicht näher beschreiben, in unserem Review vom 6. März 2006 steht alles drin. Und es ist sogar noch alles richtig. Nur ein letzter Satz daraus: „Gerade die richtige Dosierung von massiven Investitionen und von konsequenter Enthaltsamkeit ist eines der Erfolgsgeheimnisse für den Sieg in “Funkenschlag”. Ein vorzüglich ausbalanciertes, intelligentes und zugleich sensibles Wirtschaftsspiel.“ Voller freier Entscheidungen nach wenigen aber doch komplexten Entscheidungskriterien gegen die eigenen Alternativen und gegen die Konkurrenz. Nochmals ein Dank an Friedemann Friese.

Günther hatte diesen Oldtimer für heute ausgewählt, weil unser Sammeltrieb für Spiele nachgelassen hat, weil Regale, Keller und Speicher voll damit sind, und wir auch mit vereinten Kräften nicht mehr jede Woche ein marktfrisches Spiel auflegen können oder wollen. Für eine 4er Spielerrunde von zusammen ca. 250 Jahren gilt leider auch der Prediger-Spruch: „Nichts Neues unter der Sonne“.

Wertung: Aaron reduzierte seine früheren 8 Punkte auf 7 (mich macht es nicht mehr an, pfriemeliche Rechnerei zu Städten und Ressourcen, die Versteigerung der Kraftwerke ist gut, aber es gibt Besseres), Günther und Walter blieben bei ihren 9 Punkten, obwohl die Spieldauer mit 4 Stunden in unserer schnelllebischen Zeit etwas kürzer sein könnnte; Moritz vergab ebenfalls 9 Punkte (sehr thematisch, sehr realistisch, die thematischen Mechanismen erklären das Spiel).

Beim Thema „thematisch“ hakte Aaron ein: „Das Spiel hat überhaupt kein Thema, es ist rein abstrakt.“ Dazu noch einen Satz aus dem 2006er Review: „Die Spielidee ist überzeugend umgesetzt, beim Erwerben und Betreiben von Kraftwerken denkt man … an E.on und RWE, an den schwarzen Himmel über Rhein und Ruhr, an Biblis und Tschernobyl und an die grünen Davids, die mit ihren optimistischen Windschleudern die Welt in Bewegung halten wollen.“

28.05.2024: Kamele und totschießen

1. “They Live: The Card Game”

„A cooperative adventure board game based on the cult movie. Use your Kick Ass dice & custom sunglasses to find the hidden enemy within.“ So steht es auf der Schachtel. Moritz kannte offenbar das Movie und ist von zugehörigen Brettspiel-Adaptionen grundsätzlich fasziniert.

Es geht ums schnellere Totschießen, die Guten gegen die Bösen und umgekehrt.

Auf dem Tisch liegen pro Mitspieler zwei Aktionskarten, die Waffen, Munition, Heilung, Lokalitäten und bösartige übermächtige Monster – gleichwohl für die Gs wie für die Bs – darstellen. Mit mehreren glücklich gezogenen Waffen und passenden Munitionskarten kann man ein bis drei Leben auslöschen, ein einziges böses Monster kann es auf einen Schlag mit deren sechs tun. Effizienzfaktor 1 : 20!

Anhängig von der Zahl übriger Leben dürfen sich die Spieler von den Aktionskarten bedienen. Der Spieler mit den meisten Leben zieht als Letzter und bekommt dementsprechend die Arschkarten, die ihn unweigerlich in die unteren Lebensbereiche versetzen. So hangeln sich die Spieler Runde um Runde mit ihren Restleben nach unten, bis zum Schluss nur noch einer übrigbleibt. Der Sieger.

Die Bs kennen sich, die Gs nicht, und beide Parteien sollen irgendwie untereinander kooperieren. Aber wie? Indem man eigene Leben opfert, um die Totschlagstärke der Monster zu reduzieren, so dass das arme Mitspielerwürstchen, das schlussendlich nolens-volens diese Monsterkarte aufnehmen muss, weniger Leben lassen muss? Oder indem man freiwillig ein ganzes Monster auf sich nimmt? Oder indem man einem Mitspieler eine nützliche Aktionskarten lässt oder wegnimmt? Man weiß ja gar nicht, bzw. sollte es nicht wissen, ob der Nachbar zur gleichen oder zur gegnerischen Fraktion gehört, und wer die individuelle Unterstützung zu offensichtlich praktiziert, muss zweifelsfrei ein B sein.

Moritz als B, der ja wusste, dass Walter ebenfalls B war, wollte schnell ein bisschen G-B-Spannung ins Spiel bringen und ließ gegen Günther und Aaron eine bösartige Verdächtigung nach der anderen los. Aber wenn man gegen den unverdächtigen Zug einer unverdächtigen Person einen leidenschaftlichen Verdacht ausspricht, macht man sich – nach einem kurzen Überraschungsmoment – unverzüglich selber verdächtig. So waren Aaron und Günther blitzschnell klar und sicher, dass Moritz ein B war, und sie taten dies auch lautstark kund. Jetzt redete sich Moritz um Kopf und Kragen, um seine Unschuld zu beteuern. Aber wie könnte ein B durch irgendwelche Killeraktionen auch beweisen, dass er ein G ist?!

Walter saß bei Moritz verbaler Agitation hilflos daneben und wusste nicht, wie er seinen eigenen G-Status erhalten könnte. Moritz beipflichten oder dementieren? Er hätte ihm ja gerne geholfen, aber jedes Milligramm Unterstützung hätte auch ihn selber als B entlarvt. So fühlte er sich gedrängt, selber auf Moritz zu schießen, der in der kritischen Phase mit vereinten Schüssen von Freund und Feind im Nu erledigt war. Da waren es nur noch drei.

Aaron hatte nun die meisten Leben, aber gegen gleich zwei Monsterkarten, die nun erschienen und zusammen 11 Leben auslöschten, hatte er keine Chance und musste als zweiter ins Gras beißen.

Jetzt, im vorletzten Zug, hatte Walter das Arschkarten-Prinzip verstanden und ließ sich auf 4 Leben gegenüber den 6 von Günther runterfallen. Deshalb durfte er in der letzten Runde von den letzten vier ausgespielten Aktionskarten die zwei harmlosen wählen und Günther hatte keine Chance gegen die übrig gebliebenen zwei Monsterkarten mit einer vereinigten Totschlagskraft von 9. Gut gespielt, oder?

WPG-Wertung: Aaron: 3 (eine taktische Perle, interessante Mechanismen, geiles Spielgefühl, nur in der Mischung ein rechter Scheiß), Günther: 4 (es hat mir ebenfalls nicht gefallen), Moritz: 5 (kurz und chaotisch), Walter: 2 (Wenn es einen taktisch-strategischen Ausbau des Angriffs- und Verteidigungspotentials gäbe, wenn es subtile Mittel gäbe, um Bs von Gs zu unterscheiden, wenn die Monsterpotenz um Größenordnungen reduziert wäre, wenn die Nebenkriegsschauplätze – wie die Erfüllung von sekundären Siegbedingungen – praktikabler wären, dann könnte aus dem Spiel vielleicht noch etwas gemacht werden. So nicht! Und die hier jetzt – notwendigen?  zumindest praktizierten! – lautstarken Ablenkungs- und Verdächtigungsmanöver der (des) Spieler(s) gehen mir auf den Keks.)

2. “Mini Rails”

Das hübsche klein Eisenbahn-Aktienspiel ohne Eisenbahnen und ohne Aktien lag bei uns schon 2017 und 2018 mit ansehnlichem Erfolg auf dem Tisch. Aaron hatte damals eine 9 vergeben und Moritz bildete mit 5 Punkten („keine Strategie, nur Taktik”) das Schlusslicht.

Als Innovation, als kurzes und kurzweiliges Spiel konnte das Spiel auch heute punkten, nur leicht reduziert.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (ein Punkt weniger, aber immer noch ein phantastisches Spiel), Günther: 7 (bleibt), Moritz: 4 (vollkommen blöd [WS: wohl eine Replik auf den Durchfall von „They Live“), Walter: 7 (bleibt; wollte erst einen Punkt weniger vergeben, weil die massige Interaktion ausschließlich in Kingmakerei besteht, doch das bemerkenswert Innovative, das Spielerische und die Kürze sprechen für das Spiel.)

3. “Tuareg”

Wir beladen unsere Kamele mit Waren (Karten), die wir aus dem Markt (offener Stapel) oder aus dem Lager (Handkarten) beziehen, und wer am – recht schnell herbeigeführten – Schluss von einer Warenart die meisten Karten transportiert hat, bekommt dafür Siegpunkte. Die Zweiten oder Dritten gehen leer aus.

Sonderkarten wie Esel, Dieb und Landkarten können ebenfalls ein paar Siegpunkte liefern.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (hoher Zufallseffekt), Günther: 5 ([WS: Hielt sich wie immer mit sachlichen Qualitätsaussagen zurück]), Moritz: 6 (für das, was es ist, ist es OK; mit wenig Karten ein interessantes Spiel gemacht), Walter: 5 (der Kampf um Mehrheiten ist nicht ganz mein Fall).

Aaron hatte mit diesem Spiel einen Test gemacht. Vor 12 Jahren lag dieses Spiel mit Horst (!) in einer Fünferrunde auf dem Tisch und war glatt durchgefallen. Moritz und Walter hatten nur je 1 (einen!) Punkt vergeben, Aaron und Günther deren 3. Claro: In einer Fünferrunde geht das Spiel noch schneller über die Bühne, da muss man jeden Strohhalm ergreifen, den der Zufall einem zuschustert und die erzielten Mehrheiten sind noch weniger beherrschbar.

4. “San Juan”

Alle 10 Jahre kommt diese „klassische“ Kartenadaption von „Puerto Rico“ auf den Tisch. Heuer also zum dritten Mal. (1994 hatten wir ausgelassen, weil dieses Spiel da noch nicht erschienen war.) Immer noch schön und gut.

WPG-Wertung: Moritz als Don-Juan-Neuling reihte sich mit 8 Punkten in die Riege der Zustimmer ein.

22.05.2024: Anno dazumal

1. “Anno 1800”

„Anno 1800“ war zuerst ein Videospiel, von Ubisoft entwickelt und 2019 veröffentlicht. Offensichtlich erfolgreich, denn KOSMOS hat den „weltweiten Erfolgsautor für anspruchsvolle Strategiespiele“ Marin Wallace engagiert, um die Mechanismen in ein Brettspiel einzugießen.

Immer noch geht es um die „industrielle Revolution im 19. Jahrhundert“, und wie immer ist das Thema für den Spielablauf absolut schnurz.

In einem reinrassigen Worker-Placement-Spiel setzen wir unsere grünen, blauen und roten Arbeiter ein, um weitere grüne, blaue und rote, und zusätzlich noch lila und blassblaue Arbeiter zu erzeugen. Die werkeln dann an 44 verschiedenen Arbeitsplätzen, um in einem dreistufigen Produktionsprozess Rohstoffe (Holz, Kohle, …), einfache Produkte (Würste, Champagner, …) oder komplexe Produkte (Glühlampen, Kanonen, …) herzustellen.

Wir erzeugen auch „Handelsplättchen“, mit denen wir fremde Produktionsstellen anzapfen können und wir erzeugen „Erkundungsplättchen“, mit denen wir unsere Region erweitern, Doppelzüge bezahlen und andere Aufgaben erledigen.

Wenn unsere Arbeiter „erschöpft“ sind – oder unsere benötigten Produktionsplätze belegt sind, oder warum auch immer -, holen wir sie zurück in die Ausgangsstellungen – jeder Spieler asynchron nach eigenen Gutdünken – und setzen sie anschließend wieder neu ein.

Pro verwendeten Arbeiter bekommen wir auch noch einen Pass, der Siegpunkte einbringt, wenn wir ihn mittels Rohstoffen / Produkten / Plättchen losgeworden sind. Wer alle Pässe losgeworden ist, bekommt dafür noch ein paar weitere Siegpunkte und leitet das Spielende ein.

WPG-Wertung: Aaron: 6-7 (Tüftelei mit fraglichem Wiederspielreiz, der Spannungsbogen stimmt nicht, ein Ticken zu lang), Günther: 5-6 (bemängelte weniger das Spiel als das falsche Spielerverhalten: sie bemühen sich zu wenig, schnell mal eben die Pässe loszuwerden), Walter: 5 (keine aggressive Interaktion, jeder werkelt friedlich vor sich hin; das ständige Scannen der eigenen Möglichkeiten unter Ausnutzung von einträglichem Fremdgehen ist die einzige Herausforderung des Spiels, ora et labora sine gaudio).

Günther spielte überraschend schnell und akzeptierte die Maxime, dass es beim ersten Spielen mehr ums Kennenlernen als um das Gewinnen geht. Deshalb wurde er hinter Aaron auch nur Zweiter. Mal sehen, wann er das nächste Mal diese Maxime akzeptiert. Wir haben trotzdem 2 1/2 Stunden im Jahre 1800 gearbeitet.

15.05.2024: Unterirdisch

Nach einer Stunde Palavern über das richtige Braten von Rindersteaks, sowie über die Gründung von neuen politischen Gruppierungen mit irrwitzigen Zielvorgaben und über die schwachsinnigen Slogans auf den Wahlplakaten ALLER Parteien, für die sie auch noch Millionenbeträge aus Steuergeldern kassieren, ging es ans Spielen.

1. “Underwater Cities”

Günther durfte eine Stunde lang die Regeln wiederholen, die wir uns vor fünf Jahren schon einmal angetan hatten. (Warum hat es eigentlich so lange gedauert?!) Er hatte das Spiel auch schon im Vorfeld angekündigt und Walter war eingedenk der definitiven Geschmacksänderungen unserer älteren Herren sowie von Aarons damaliger Kritik “das Spiel ist unheimlich zäh, die Langsamkeit hat extrem genervt, diese Herumoptimiererei ist ohnehin nicht mein Fall“) etwas skeptisch. Doch Aaron lenkte ein: „Zu viert, mit zwei Optimierern, reiße ich mich nicht um solche Spiele, zu dritt [mit nur einem Optimierer] ist das alles noch halbwegs erträglich.“

Jeder entwickelt seine Unterwasserwelt, legt Städte an, verbindet sie mit Tunnels (oder zeitlich umgekehrt), bestückt sie mit Fabriken für Brot und Arbeit, upgradet alle möglichen Dinge, und freut sich wenn alles schön grünet und blüht.

Die einzelnen Züge werden über Worker-Placements gesteuert, die jeweils verschiedene Entwicklungsrichtungen zulassen und innerhalb des Spiels eine gewisse (erhebliche) Konkurrenz darstellen. Ohne ein freies Feld für Städtbau oder für Tunnelbau kann ich die entsprechenden Objekte nicht bauen, und bei freien Feldern benötige ich auch noch die für jedes Objekt unterschiedlichen geforderten Ressourcen, die ebenfalls nur auf wenigen definierten Placements zu haben sind.

Zusätzlich zum Platzieren eines Workers darf ich auch noch eine von meinen drei Handkarten ausspielen, die genauso wie die Placements Ressourcen liefern, Bautätigkeit erlauben und ähnlichen Schnickschnack. Hierbei gibt es eine Besonderheit: den Segen einer Handkarte darf man nur nutzen, wenn diese Handkarte die gleiche (abstrakte) Farbe aufweist, wie der (abstrakte) Untergrund des Placements, auf dem ich meinen Worker untergebracht habe. Bei unterschiedlichen Farben verfällt dieser Segen.

Ein Vorteil dieses Mechanismus: Ich brauche für meinen Zug u.U. nicht alle möglichen Placements abzuchecken, sondern nur diejenigen, für deren Farbe ich auch eine Handkarte besitze. Das fördert die Geschwindigkeit mit der Entscheidungen gefällt werden können. Auch unser Optimierer Günther war heute erträglich schnell. In drei Stunden hatten wir in konstruktiver Kontemplation das für 80 bis 150 Minuten vorgesehene Spiel absolviert. Am Westpark fast eine Rekordzeit. Und die Zeit verging wie im Flug.

Spiel-philosophischer Diskussionspunkt bei Spielende: Die Handkarten werden in drei verschiedenen, sich in der Wirkung steigernden Stapeln auf den Markt gebracht. Ist diese Dreistufigkeit jetzt ein „spielmechanisch schwaches Designelement“ oder darf man dieses Detail kritiklos befriedigt zur Kenntnis nehmen? Aaron war der Meinung, dass der – von uns sehr geschätzte – Autor Vladimír Suchý es sich noch etwas mehr Denkschmalz hätte kosten lassen sollen, um Mechanismen zur Steigerung der Dynamik zu erfinden. Günther ist in solchen Diskussionen immer auf der Seite des Autors und verteidigte das in vielen anderen Spielen ebenfalls eingeführte Prinzip. Ist es ausschließlich eine Geschmacksfrage?

WPG-Wertung: Trotz Kritik und Gegenkritik blieben wir alle bei unseren Punkten: Aaron und Walter bei 7, Günther bei 8.“

24.04.2024: Thematisch Silber schürfen


Wann sind Spiele “thematisch”?

Diese Frage kann man natürlich untereinander erörtern, aber warum sollte man dazu nicht eine objektive Instanz fragen? ChatGPT zum Beispiel. Hier die Antwort:

„Natürlich ist die Definition von “thematisch” subjektiv, und jeder Spieler kann dies anders empfinden. Für mich persönlich ist ein Spiel thematisch, wenn der überwiegende Teil der Handlungen und Komponenten im Spiel in Bezug auf das Thema begründbar und korrekt im technischen oder historischen Sinn ist. Dabei geht es darum, dass der Spieleautor ein Thema auswählt, es recherchiert und dann die ausgewählten Aspekte konsequent in einem Spiel umsetzt. Die Mechanismen im Spiel sollten dem Thema folgen und es bestmöglich repräsentieren. Während des Spielens sollten meine Gedanken sich wirklich um das Thema drehen und nicht um abstrakte Abläufe oder Ressourcen. Es geht darum, in die Welt des Themas einzutauchen und sich von den Spielmechanismen mitreißen zu lassen.“

Frage am Westpark: „Ist 1830 thematisch“? Einhelliige Antwort: Ja! Wir fühlen uns als Direktoren und Aktionäre von Eisenbahn-Gesellschaften, wir verbinden Städte, wir freuen uns oder leiden mit dem technischen Fortschritt, der bessere Lokomotiven auf den Markt bringt und unsere alten verschrotten lässt, und wir lauern ständig darauf, wie wir durch Aktivitäten auf dem Aktienmarkt selber reicher werden und eine Konkurrenz ggf. in den Ruin getrieben werden kann.

In diesem Sinne fanden wir unsere letzten Spiele “Bier-Pioniere” oder „Botanicus“ nicht thematisch. Material und einige Abläufe sind zwar aus dem Thema geschöpft, doch unsere Gedanken sind weder beim Bierbrauen noch in der Gärtnerei, sondern wir hantieren mit abstrakten Ressourcen um Siegpunkte.

Wie steht es damit nun in:

1. “Kutná Hora : Stadt des Silbers”

Der anerkannte Verlag „Czech Games Edition“, von dessen zahlreichen Spielen schon vier bei uns den Titel „Spiel des Monats“ bekamen, hat sich für dieses Spiel mit dem Silberabbau von Kutná Hora beschafft.

Wir agieren im Bergbau, graben tiefer und sterniger; wir kaufen Grundstücke, reichen Baugenehmigungen ein und bauen – in Konkurrenz – Gildehäuser sowie öffentliche Gebäude. Wir mehren unsere zünftigen Einkommensquellen, erwerben uns Reputation – damit wir alles billiger erhalten können -, lassen Patrizier singen, bauen am Dom der heiligen Barbara und können alles früher oder später in Siegpunkte ummünzen.

Das Regelheft hat sich viel Mühe gegeben, die einzelnen Aktivitäten thematisch zu begründen, Günther hat sie in seiner wie immer kompetenten ausführlichen Erklärung aber alle überlesen dürfen. Es ist doch egal, vielleicht sogar von selber einsehbar, dass ein tieferes Graben im Bergwerk eine höhere Ausbeute findet und dass unser Gildenhaus mehr einbringt, wenn es neben Bürgermeisteramt und Kirche steht. In jedem Fall sind die Mechanismen und die Siegpunktausschüttungen, mit den wir es zu tun haben, abstrakt, ausschließlich abstrakt. Es ist zwar ersichtlich, dass die Preise steigen, wenn die Bevölkerung wächst und dass sie fallen, wenn die Produktion steigt, aber man staunt nur über darüber, wie diese Effekte ausgelöst werden, und wie so manche brave Aktion eines Mitspielers uns ungewollt-gewollt die Preise verhagelt. Und im Bergwerk finden wir kein Silber, für das wir im nächsten Wirtshaus eine Runde ausgeben dürfen, sondern Einheiten auf unserem Sternenkonto, die erst sich erst am Spielende via Mehrheiten in Siegpunkten auswirken.

Aaron: „Es wäre ein Wunder, wenn es nicht auch noch [abstrakte] Zielvorgaben gegeben hätte.“

Vergessen wir das Thema. Günther: „Alle komplexen Spiele sind gleich!“.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ich habe selten so ein seelenloses Spiel gespielt; die Preis-Interaktion – für Rohstoffe und Gebäude – ist ungewollt bis zufällig), Günther: 6 (ich bin von diesem Spiel nicht ganz überzeugt), Moritz: 6 (ich hatte keine Strategie und keinen Plan – na ja, ein bisschen Reputation kann ja nicht schaden -, sondern ich habe mich immer nur nach den aktuellen Gelegenheiten gerichtet. [WS: Es hat zum Sieg gereicht.]), Walter: 6 (alles ist rund und schön, aber undurchsichtig und abstrakt; für ein erfolgreiches Spiel ist man davon abhängig, dass Mitspieler ähnliche Interessen verfolgen, aber nicht zu intensiv).

Thema Wartezeit:
Walter bemängelte, dass jeder Spieler beim Schürfen im Bergwerk aus einer Anzahl zufällig gezogener Bergwerksplättchen sich eines aussuchen darf. Das kostet Wartezeit, die alle Mitspieler ertragen müssen. Wartezeig sei grundsätzlich ein negatives Element im Spieldesign. Von Günther kam dazu erheblicher Widerspruch. Er schwelgt ja wo immer es geht in seinen Auswahl- und Optimierungsmöglichkeiten, und dass die Mitspieler darob warten müssen, hat ihn noch nie gestört. Aaron beschwichtigend: „Das Spiel hat ohnehin viele Wartezeiten.“ – Offiziell spielt man die 5 Runden á 5 Entscheidungsmöglickeiten in 2 Stunden. Am Westpark sind das natürlich eher vier…

17.04.2024: Botanici

1. Der jüngere “Botanicus”

Ein neues Spiel von Hans-im-Glück musste sich unser HiG-minded Günther natürlich sofort zulegen. Vielleicht schimmert vom einstigen Glanz dieses Hauses ja noch etwas durch.

Wir sind Gärtner und ziehen Blumen. Pflanzen, Düngen und Gießen sind die wichtigsten Tätigkeiten in unseren Beeten. Dazu müssen wir unseren einzigen Aktionsstein in Konkurrenz zueinander Tag für Tag in eine von vier Workerplacement-Positionen (täglich abwechselnd) bringen und uns damit auf den zugehörigen Entwicklungsschienen vorwärtsbewegen, die uns diese Tätigkeiten erlauben. Mit unterschiedlichen Quantitäten und teilweise auch gemischt.

Beim Pflanzen sind unsere Blumen gelb und bekommen mit jedem Gießen eine andere Farbe, erst rot, dann grün, dann blau. (Eine etwas unlogische Farbgebung: Frisch gepflanzte Blumen sind normalerweise grün und bekommen erst später eine Farbe. Was sich der Graphiker hier gedacht hat, bleibt sein Geheimnis.)

Jeder Spieler hat den gleichen fast-rechteckigen Garten mit fünf bis sechs Beeten pro Zeile und Spalte. Für bestimmte erzielte Blumen-Farbkombinationen in den Zeilen bekommt man während des Spiels Siegpunkte; für vollständig gefüllte Spalten bekommt man am Ende Siegpunkte.

Ein paar Schnörkel für weitere Siegpunkte sind ebenfalls noch eingebaut. Alles brav und schön und als Spielmechanismus mehr oder weniger bekannt. Als Gärtner fühlen wir uns nicht, auch wenn wir eine entsprechende Figur durch unsere Felder bewegen und nur in ihrer unmittelbaren Umgebung gärtnern dürfen.

WPG-Wertung: Günther: 6, Moritz: 6 (ausgereiftes Familienspiel), Walter: 6 (für meine Enkelin geeignet).

2. Der erfahrene “Botanicus”

Kein anderes Spiel, sondern das gleiche „Botanikus“, nur um die Regeln für Fortgeschrittene erweitert. Moritz reagierte zuerst abweisend, als Günther gleich eine Spiel-Wiederholung ansteuerte, aber mit den noch unbekannten Expertenregeln konnte er seiner unersättlichen Neugier doch etwas Nahrung geben.

Jetzt bekommt jeder Spieler einen topologisch anderen, asymmetrischen Garten. Die Bewegung unseres Gärtners – später bekommen wir sogar noch einen zweiten dazu – werden teurer, d.h. wir müssen uns deshalb regelmäßig auch stärker um die Aufbesserung unserer Kasse bemühen. Jeder Spieler erhält zu Beginn und im Laufe des Spiels auch noch Karten mit individuelle Zielvorgaben für eine individuelle Siegpunktausschüttung. Und die tierischen Gartenmitbewohner, die wir in der Familienversion als reine Siegpunktlieferanten betrachten können, bekommen für die Experten noch eine zusätzliche strategische Bedeutung.

WPG-Wertung: Moritz: 7 (die Expertenversion ist viel interessanter; bemerkenswert für HiG, dass sie ein Spiel auf den Markt gebracht haben, das sowohl in der Familie gespielt werden kann, als auch für anspruchsvolle Spieler reizvoll ist; die Spieldauer ist kurz und perfekt), Günther: 7 (ich schließe mich Moritz vollinhaltlich an), Walter: 6 (das Spiel ist nicht besser, nur komplexer geworden; kein einziges spielerisches Element ist dazugekommen, für meine Enkelin aktuell noch nicht geeignet; mein Dabeisein bei den Operation Research Analysten vom Westpark ist nicht erfüllender geworden).

Aaron war heute nicht dabei, aber auf eigene Gefahr und Rechnung würde ich seine Wertung für „Botanicus“ genauo so wie seine von letzter Woche für „Bier-Pioniere” einschätzen: „Keine Wertung für Spiele, die mir überhaupt nicht gefallen, stumpfsinniges Optimierungspuzzle, kein Thema [WS: Zumindest kam wohl bei keinem Mitspieler das Gefühl auf, Gärtner zu sein])“

3. “5 nimmt!”

Vor Moritz‘ vorletzter U-Bahn wollten wir uns noch Irgendeinen kleinen Absacker gönnen. Warum nicht dieses gefällige kleine Spiel, das zu unserem zehn am häufigsten aufgelegten Spielen gehört?
Walter schlug vor, die Expertenversion zu spielen, wo man Karten auch an den Beginn einer Reihe legen darf, ohne gleich die Reihe kassieren zu müssen. Damit wird der Zufall der Kartenverteilung gemildert und jeder Spieler darf sich ein paar mehr Gedanken darüber machen, in welcher Reihenfolge er seine Kartenhand abspielen möchte. Aber Günther ist ein entschiedener Gegner dieser Version und argumentierte mit unserer Absacker-Situation. Kein überflüssiges Denken mehr nach Mitternacht. Auch Moritz schlug in diese Kerbe, dagegen konnte Walter natürlich nicht anstinken.

In unserer 3er Runde zeigte sich aber schon nach zwei Durchgängen die Schwäche des Spiels, nämlich dass man mit einer bestimmten Kartenhand vom Schicksal schwer gebeutelt wird. Friedlich brachen wir ab und entließen Moritz zu seiner U-Bahn.

Keine neue WPG-Wertung für ein hervorragendes 8-Punkte-Spiel. Walter würde seine 9 Punkte aber nur noch für die Expertenversion vergeben.

10.04.2024: Oldtimer

Wann ist ein Spiel ein „Oldtimer“. Bis ins vierte Jahrhundert vor Christus brauchen wir wohl nicht zurückzugehen (wie für „Go“), auch nicht bis ins sechste Jahrhundert nach Christus (wie für „Schach”). Für uns zählen schon die ersten Preisträger vom „Spiel des Jahres“ zu den Oldtimern. Sie haben ein definitiv anderes Design als die Spiele der modernen Modetrends und versorgen uns mit deutlich spartanischerem Spielmaterial. Heute haben wir uns mal wieder zwei dieser Oldtimer zu Gemüte geführt.

1. “Yspahan”

Vor 18 Jahren hat es das Licht der Welt erblickt und bei uns gleich sehr gut gepunktet. Um es genau zu sagen: nach der „Bayesian Wertung“ ist es in der ewigen Bestenliste vom Westpark die Nummer 1.

10 mal lag es bei uns auf dem Tisch, das letzte Mal vor 13 Jahren. Inzwischen ist es der Favorit von meinem Sohn und seiner Familie, inklusive seiner 9-jährigen Tochter. Vom Westpark inspiriert! Ein erfreulicher bleibender Wert unserer Datenbank.

Auch heute hat uns das Spiel um Basare, Kamele, Gold und Siegpunkte sehr gut gefallen. Sehr rund in den Regeln, ausbalanciert in Planung bzw. Strategie und Taktik versus Zufall, übersichtlich und spielerisch.

WPG-Wertung: Auch wenn wir heute nicht mehr alle unisono die hohen 9 Punkte vergeben würden, verdient es doch einen Spitzenplatz unter den guten Spielen dieser Welt.

2. “Wikinger”

Ein Jahr jünger als „die Wikinger“ und nur dreimal bei uns auf dem Tisch, gehört es vom Charakter und Feeling doch in die Reihe der goldenen Spiele aus dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts.

Jeder kämpft mit Inselteilchen, einem Anfangs-, beliebig viele Mittel- und einem Endstück, die er in einem topologischen Puzzle so in seine Region einbauen muss, dass er genügend Geld für notwendige Investitionen zusammenbekommt, schlussendlich natürlich die meisten Siegpunkte, aber auch genügend Nahrung (Fische) für sein Volk, Schutz gegen die bösen Wikingereinfälle, und Bootsleute, die seine Nordmänner auf die zugehörigen Arbeitsplätze verteilen.

Bemerkenswert und hübsch ist das Auswahlrondell, nach dem ein jeder Spieler Inselteil und Nordmann-Funktion aussucht.

WPG-Wertung: Die 8 Punkte, die jeder von uns damals vergeben hat, wurden nicht zur Diskussion gestellt.