Archiv der Kategorie: Spieleabende

08.02.2017: Tresore in „Vaults“

1. “Saami”
Auch auf der Messe 2017 in Nürnberg wurde „Saami“ noch nicht veröffentlicht. Mit Mitarbeitern des Verlages sowie auch unter der Hand dreht Aaron unverdrossen an den Schräubchen seines Zweitlingswerkes. Wir drehen mit.

Nach dem aktuellen Design bleiben die Belohnungen für die Boykotteure bis fast zum Ende jeder Runde verborgen. Kein Wunder, dass sich heute alle drei Mitspieler mehr oder weniger gleichmäßig an die öffentlich bekannten Siegpunkt-Belohnungen für die erfolgreiche Bekämpfung der Naturkatastrophen heranmachten. Entsprechend gleichförmig schritten sie auf der Siegpunkteleiste voran, und entsprechend dicht lagen sie nach der Schlusswertung beieinander. Etwas unbefriedigend.

Wenn man das Kernstück des Spiels, nämlich die gegensätzlichen Interessen für Erfolg oder Misserfolg bei der Bewältigung von Herausforderungen, zur Geltung kommen lassen will, müssen die Konsequenzen des jeweiligen Ausgangs von Anfang an klar bekannt sein. Nur Harakiri-Spieler werfen ihr gesamtes Schicksal in eine Waagschale, von der sie nicht wissen, ob am Ende der Himmel oder die Hölle Belohnung sein wird.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Vaults”

“Vaults”: Welche Potenzen besitzt Humphrey Kindle’s Bande und welchen Tresor könnte sie damit knacken?

In diesem Kickstarter-Projekt von 2015 sind wir Gangsterbosse, rekrutieren Bandenmitglieder und besorgen uns Werkzeuge, bis wir stark genug sind, Tresore zu knacken und uns deren Inhalt einzuverleiben. „Tresore“ sind dabei offen ausliegende Karten, die in drei Kategorien (nennen wir sie jetzt: Kraft, Technik und Erfahrung) jeweils definierte Zahlen-Anforderungen für ihre Überwindung stellen. Wir, unsere Mitglieder und unsere Werkzeuge besitzen in den gleichen Kategorien jeweils bestimmte Zahlenwerte, und wenn wir in Summe in allen Kategorien größere Werte als ein Tresor aufweisen, können wir ihn knacken.

Welche Schätze uns damit zufallen, ist zufallsabhängig. Schwer zu knackende Tresore beinhalten natürlicherweise auch höherwertige Inhalte, aber jeder Tresore kann u.U. auch mit nur Nieten gefüllt sein. Dann haben wir unsere Mannschaft vergeblich werkeln lassen.

Immerhin behalten wir in der Regel unsere Mannschaft bei und können sie im nächsten Zug sofort auf den nächsten Tresor loslassen. Nur bei Fehlschlägen kann es passieren, dass ein Teil von uns ins Gefängnis wandert.

Drei zu knackende Tresore liegen jeweils offen aus. Statt in den öffentlichen Tresorräumen auf Raub auszugehen, dürfen wir lukrative Schätze auch bei unseren Mitspielern an Land ziehen. Hier sogar ohne Fehlschlag-Risiko. Und ohne jede negative Konsequenz, es sei denn in der Sympathie des Mitspielers. Es soll ja lustig sein.

Wie rekrutieren wir Mannschaft und Werkzeuge? Wir ziehen sie einfach eine nach der anderen von einem verdeckten Stapel.

Damit auch noch mehr spielerische Effekte geboten werden, besitzt jedes Bandenmitglied eine individuelle Fähigkeit, z.B. „ziehe gleich noch einmal“ oder „tausche ausliegenden Tresore aus“. Und es gibt auch noch ein potentes “Disrupt” Kartendeck, z.B. “Knacke mit deiner Mannschaft jeden beliebigen Tresor”, um weitere Variabilität ins Spiel zu bringen.

Die richtigen Karten gezogen, bei den Tresoren auf keine Nieten gestoßen, von den Mitspielern nicht bestohlen worden zu sein, und schon haben wir gewonnen. So geschah es mit Walter, der gleich von Start weg mit potenten Mitgliedern ausgestattet worden war, keine einzige Niete zog, und mit dem Inhalt von vier Tresoren das Sieglimit überschreiten konnte. Helmut, der beim Knacken dreimal Fehlschläge einstecken musste, bedauerte, dass er bei seinem letzten Versuch nicht Walter angebohrt hat. Er hatte geglaubt, das Schicksal hätte ihm dafür noch einen Zug länger Zeit gelassen …

WPG-Wertung: Aaron: 5 (es funktioniert, aber wer schlecht würfelt, zieht auch schlechte Karten), Helmut: 7 (ganz nett, unbalanciert, aber das ist hier Methode, die Beschreibung der Spielregeln ist ziemlich problematisch), Walter: 5 (nicht stimmig, die kalkulatorischen Anforderungen passen nicht zu den zufälligen Erfolgen beim Knacken und Klauen).

538 Kickstarter-Geldgeber wurden im Regelheft namentlich erwähnt. Und auch 39 Tester. Was musste man in „Vaults“ eigentlich testen?

25.01.2017: Maria sackt in Petersburg ab

Aaron musste sich vom Autorentreff in Ruppichteroth erholen, Peter werkelt mittwochs regelmäßig an seinem Forschungsauftrag in Bamberg, und Horst bringt den Innendienst auf Vordermann. Günther kann eigentlich immer, nur diesmal war ihm zu wohl und er hatte sich aufs Eis begeben. Zwölf Spangen im Unterschenkel versuchen, ihm in den nächsten Wochen wieder auf die Beine zu helfen. Gute Besserung!

1. “Maria”

Das Politik-Tableau von „Maria“

Immerhin haben heute noch zwei gestandene Wargamer ihren Weg zum Gastgeber am Westpark antreten können. „Friedrich“ war angesagt worden, aber Moritz war noch klüger, er brachte Friedrichs jüngere Schwester „Maria“ mit, beide nicht mehr ganz jung, beide vom gleichen Vater Richard Sivél.

„Friedrich“ lag schon 8 mal am Westpark auf dem Tisch und konnte auf Anhieb Begeisterung auslösen. „Maria“ war erst einmal, kurz nach ihrem Erscheinungsjahr 2009, hier. Da sie aber nur zu dritt gespielt werden kann, und wir damals eine Viererrunde waren, musste Moritz seine Neuerwerbung unverrichteter Dinge wieder mit nach Hause nehmen. Jahrelang ruhte sie da jungfräulich in seiner Spiele-Schatzkammer. Heute packte er die Friedrich-Ankündigung beim Schopfe und küsste stattdessen „Maria“ aus ihrem Dornröschenschlaf. Wir durften sie auspöppeln.

Leider hatte er keine Zeit gefunden, sich mit den Spielregeln zu beschäftigen. So mussten wir uns aus dem Stegreif durch ein zwar logisches, teilweise auch bereits bekanntes, in vielen Maria-Details aber neuartiges und komplexes Regelwerk einarbeiten. Glücklicherweise verstand Helmut als Experte von „Lieber bairisch sterben“ sofort den Kampfmechanismus. Auch bewies er ausreichend abwartende Geduld bei den Elementen, die in der Stegreif-Einführung gar nicht klar rüberkommen konnten, sonst wären wir heute spielerisch im Nirwana gelandet.

„Friedrich“ und „Maria“ sind beides historische Kriegsspiele im mitteleuropäischen Raum. Beide basieren thematisch auf den ewigen Kriegshandlungen zwischen Preußen und Österreich als Hauptakteuren, Franzosen, Sachsen und dem Reich als Nebenakteuren, sowie ein paar Nachbarländern als Beiwerk.

Topologisch sind beide Spielbretter sehr ähnlich: es sind geographisch getreue Landkarten von der Ostgrenze Frankreichs bis zur Westgrenze Polens; Städte und Dörfer, Festungen und Armeequartiere sind mit Straßen und Wegen verbunden. Darauf ziehen die Generäle der verschiedenen Kriegsparteien, erobern feindliche Städte, um damit Siegesbedingungen zu erfüllen, rückerobern eigene Städte, um die gegnerische Erfüllung wieder rückgängig zu machen, sichern sich ab, requirieren neue Armeen, und versuchen, die ihnen gegebenen Mittel je nach Lage und Aufgabenstellung optimal einzusetzen.

In „Friedrich“ muss der Alte Fritz nur lange genug überleben und seine Feinde im Zaum halten, um Sieger zu werden; seine Feinde hingegen hätten gewonnen, wenn sie eine Anzahl vorgeschriebener Städte erobert haben. In „Maria“ gewinnt jede Partei durch das Erobern von Städten.

Der Kampfmechanismus ist in beiden Spielen identisch. Und zwar äußerst elegant! Jede Partei erhält pro Runde eine definierte Anzahl von „Taktik-Karten“ eines (fast normalen) französischen Kartenspiels; die kann sie zurückhalten und sammeln, bis sie genügend zur Verfügung hat, um den Gegner an einer passenden Stelle anzugreifen. Dann spielt man bis zur bitteren Neige die Karten einer Kartenfarbe solange auf den Gegner aus, bis der nichts mehr dagegensetzten kann. Allerdings sollte man sich dabei kann nicht verspekuliert haben. Der Gegner kann nämlich parieren und seinerseits durch das Ausspielen seiner Taktik-Karten zurückschlagen. Wessen Karten am Ende in Summe die meisten Augenzahlen besitzt – zuzüglich eines Wertes für die eingesetzten Generäle – hat gewonnen. Der Gegner verliert Armeen – bis zur totalen Ausschaltung – und muss sich mit seinen Rest-Armeen zurückziehen.

In beiden Spielen benötigen Generäle im Ausland einen eigenen Tross, der sie versorgt. Der Tross muss immer in greifbarer Nähe, sonst geht eine Armee unter. Die Vernichtung eines feindlichen Trosses ist ein vorzüglicher Coup, um eine leichtfertig dahintrabende feindliche Truppe schnellstens zur Heimkehr zu veranlassen, wenn sie damit nicht sogar gleich tödlich getroffen wurde.

„Maria“ ist eine Weiterentwicklung von „Friedrich“, in der das „einfache“ Karten-Kampfgeschehen durch eine Reihe von lang- und mittelfristigen „politischen“ Entscheidungen aufgebauscht wurde, die alle einen direkten Einfluss auf das Kartenmanagement haben. Jeder Spieler kann in jeder Runde eine Taktik-Karte dafür opfern, damit er irgendwann mal pro Runde eine Taktik-Karte mehr oder ein Gegner eine Taktik-Karte weniger bekommt. Wem das frühere Karten-Kämpfen zu „roh“ war (war es aber nicht!), kann jetzt von langer Hand eine Schädigung seiner Gegner herbeiführen.

In „Maria“ bekommen die Österreicher auch noch zwei Husaren-Truppen zur Verfügung, mit der sie feindliche Armeen von ihrem Tross abschneiden können. Ein Balance-Element für Maria Theresia, damit sie ihren Gegnern, das freie Herumtollen auf österreichischem Staatsgebiet etwas erschweren kann. Dieser Störfaktor hat aber nur eine begrenzte Wirkung, da die vom Tross abgeschnittenen Armeen durch den Einsatz von Taktik-Karten diesen Husaren-Eingriff neutralisieren können.

Fazit, das klare, eindimensionale Taktieren mit den Taktik-Karten (sowie das vieldimensionale Taktieren mit Generälen, Trossen, Angriffen und Rückzügen), ist durch ein politisches Karten-Klimbim aufgepäppelt und zerrissen worden. Für manche Spielerseelen ist die längerfristige Karten-Planung ein positives Element, für andere dagegen eher ein Interruptus. Selbst ein Richard Sivél konnte es nicht allen rechtmachen.

In unserem Spiel führte Moritz die Maria mit ihren Österreichern, Helmut die Preußen, die Sachsen und die Pragmatische Armee, und Walter die Franzosen mit den bayrischen Hilfstruppen. Die französischen Bayern suchten ihr Heil in den Bierstädten von Budweis bis Pilsen, die französischen Franzosen hingegen vernachlässigten die ihnen zustehende Beute in Luxemburg und Belgien. Nachdem sie auch noch zwei blutige Schlachten in Österreich und bei Trier verloren hatten, krochen sie auf dem Zahnfleisch zu Kreuze. Preußen und Österreich lieferten sich Runde für Runde an der Neisse wohlkontrollierte Scharmützel. Nachdem Österreich aber seine Kräfte massiv bei der Abwehr der Bayern verpulvert hatte, konnte es den Preußen nicht mehr genügend entgegensetzen. Knall auf Fall durchbrachen Helmuts Preußen die schlesischen Linien, erreichten ihre Kriegsziele und beendeten die Karten-Schlacht als Sieger.

WPG-Wertung: Helmut: 9 (ganz, ganz toll. Fürchtete nach der etwas konfusen Einführung schon das größte Regel-Durcheinander, doch die klare Logik der Spielzüge brachten beim learning by doing schnell ausreichend Linie ins Spiel; “es gibt keinen Grund, nicht 9 Punkte zu vergeben”), Moritz: 9 (elegantes Design, war von den Maria-spezifischen Erweiterungen sehr angetan), Walter: 8 (wäre ohne den Interruptus glücklicher gewesen).

2. “Sankt Petersburg”

Eine weitere Stunde wollten Helmut und Moritz noch spielen, ein Absacker war gewünscht. „Bluff“ unter drei Experten ist langweilig, auch „Abluxxen“ entfaltet seine Schönheiten erst in einer größeren Runde. „Verflixxt!“ ward gewogen und für die aktuelle Stimmung als zu leicht empfunden. „Sankt Petersburg“ bekam den Zuschlag, das gute, alte Original-StP, und zwar als ABSACKER! Und das ging gut.

Jeder kannte die Regeln, jeder konnte sich am einfachen und schnellen Spielaufbau beteiligen. Nur die Expansion-Karten für die 5-Mitspieler-Version mussten aussortiert werden. Wilhelms Dermaleinst-Gabe von festen Abacus-Geldscheinen erleichterte die Geschäfte.

Locker, flüssig und schnell wurden sie abgewickelt. Alle wussten mit Geld, Kartenlimit, Upgradern und den vielen hübschen taktischen und strategischen Elementen von „Sankt Petersburg“ umzugehen.

Moritz gewann. Er hatte die Refinanzierung mittels Handwerkerkarten geradlinig bis weit über die Hälfte der Spieldauer durchgezogen, konnte recht früh den Baumeister-Upgrader aktiveren, der ihm eine reichlich sprudelnde Geldquelle unter den Adeligen sicherte, und konnte auch recht früh die Hofmeisterin auf seine Seite ziehen, so dass neben dem Geld auch noch regelmäßig erklecklich viele Siegpunkte auf seinem Konto anfielen. Bei der Schlussabrechnung blieben ihm sogar noch 60 Rubel nicht mehr ausgebbares Barvermögen übrig.

Walter hatte sich gleich in der Anfangsphase sehr stark bei den Handwerkern eingekauft. Auch seine frühe Sternwarte wurde konsequent für weitere Handwerker eingesetzt. Dann allerdings nahm er zu früh sein Engagement hier zurück. Auch verwechselte er die Effekte von Hofmeisterin und Zarin: die erstere ist in der Anfangsphase Gold wert, die letztere erst dann, wenn das Geld seine enorme Anfangsbedeutung verloren hat.

Als jüngster Mitspieler war Helmut in der ersten Runde der Startspieler bei den Handwerkern. Aber anstatt mit den billigen 3-Rubel-Holzfällern zu beginnen, kaufte er den einzigen ausliegenden 9-Rubel-Bauern, dessen teuer erkaufter Vorteil ein einziger Siegpunkt pro Handwerkerrunde war. Moritz und Walter hielten die Luft an, aber Helmut war kein Anfänger, den man mit guten Ratschlägen vor Schaden bewahren musste. Vielleicht lag darin ja eine Methode. Lag aber nicht. Die Mehrausgaben von 6 Rubel konnte er bis zur letzten Runde nicht mehr reinholen. In geldlicher Hinsicht verzeiht Sankt Petersburg keinen Fehler.

Erst beim Zusammenräumen fiel auf, dass der Bauer gar nicht zur Original-Ausstattung gehört, sondern eine Expansion-Karte der 5-Mitspieler-Version ist. Wir hatten sie beim Aussortieren übersehen. Hallo Helmut, Dein Start-Ziel-Handicap verdankst Du also lediglich einem Flüchtigkeitsfehler von uns allen. Sankt Petersburg ist unschuldig.

WPG-Wertung: Helmut blieb mit seinen 8 Punkten exakt im bisherigen Durchschnitt (eigentlich nur 7 Punkte, aber ich habe das Spiel immer sehr gemocht, 1 Sympathiepunkt).

18.01.2017: Aarons Insel und Martins Schiffe

Wenn man das letzte Spiel aus dem Eigenverlag des begnadeten Martin Wallace in der Hand hat, und weiß, dass der Autor seine Zelte in Europa abgebrochen und sich für immer nach Neuseeland begeben hat, dann ist das doch ein Grund, mal etwas über Neuseeland nachzulesen.

Es ist ein Inselstaat im südlichen Pazifik, bestehend neben vielen kleineren Inseln aus einer nördlichen und einer südlichen Hauptinsel, die von Touristen gewöhnlich in einer Achter-Schleife durchreist werden. Die Amtssprache ist Englisch (wer hätte das gedacht?), daneben Maori, aber auch noch die neuseeländische Gebärdensprache! Damit können alle gleichzeitig reden, ohne sich ins Wort zu fallen.

Staatsoberhaupt ist Königin Elisabeth.

Neuseelands „Human Development Index“ (Index der menschlichen Entwicklung, HDI) beträgt 0.913 … Hoppla, was ist denn der HDI?
Hier die Formel:

Dabei ist:
LE = Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt
BNEpk: Bruttonationaleinkommen pro Kopf
DSD = Durchschnittliche-Schulbesuchsdauer
VSD: Voraussichtliche Schulbesuchsdauer

Man sieht auf den ersten Blick, wenn die Menschen eines Landes durchschnittlich 85 Jahre alt werden, eine Kaufkraft von 75 Tausend Dollar pro Jahr in der Hand haben, in ihrer Jugend 15 Jahre zur Schule gegangen sind, und als heute gerade schulpflichtig gewordenes Kind 18 Jahre lang gehen müssten, so hat das Land den HDI von 1,0.

Übrigens: Deutschland hat einen HDI von 0,915 und liegt damit ganz knapp vor Neuseeland

1. “Loot Island”

Aaron wollte mal wieder die vorletzte Version seiner Eigenentwicklung vor der Vorstellung auf der Messe in Nürnberg am Westpark testen lassen. Alle machten ohne Zögern bereitwillig mit.

Wir graben immer noch nach Schätzen. Wie im richtigen Leben finden wir immer noch große oder kleine Schätze, wie im Märchen sind viele unsere Schätze immer noch verflucht, und wir müssen einen Teil unserer Energie dafür aufwenden, diese Flüche zu bannen.

In Zusammenarbeit mit „What’s Your Game“, dessen Devise es ist, Spielerfrust bereits beim Design möglichst zu vermeiden, hat Aaron eine ganze Reihe von Spielelementen eingeführt, wie den Flüchen besser beizukommen ist. Sie sind heute schon eher so etwas wie Handelsware, die man nur richtig behandeln muss, damit sie sich unter unseren Händen in Gold verwandelt.

Im jetzigen Zustand bietet „Loot Island“ mal wieder eine gerade richtige Mischung aus Mitspielerchaos und Planungsmöglichkeiten resp. Planungsanforderungen. Es gab eine Menge Spielspaß, nicht zuletzt durch die Super-Schätze, die wir selber gefunden haben und durch die relativen Semi-Nieten, die den Mitspielern zufielen.

Eine Stunde lockeres Denken, lockeres Agieren, lockeres Glück.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Ships”

Sheep-Pulk in „Ships“ zwischen dem Zeitalter der Wickinger und der Hanse

Mit diesen Spiel wollte Marin Wallace die Geschichte der Schifffahrt zu spielerischem Leben erwecken. Sehr hübsch hat er deshalb um den Spielfeldrand herum Bilder von typischen Schiffen ihrer Zeit drapiert, angefangen von phönizischen Galeeren bis zum Schlachtschiff „Lexington“. Doch das ist fast alles, was uns an Schifffahrtshistorie mitgeben wird. Mit diesem Thema gibt er uns sogar ein falsches Bild vom Spielablauf und den Aktionen, die wir durchführen können und müssen, um ein gutes Spiel zu machen.

Eher haben wir es hier mit einer Herde von Schafen zu tun. Alle unsere Schafe bewegen sich in einem einzigen Pulk, in dem gekennzeichnet ist, wem welches Schaf gehört. Gemeinsam, mehr oder weniger dicht beieinander, ziehen wir den vorgezeichneten Kreislauf. Wir Spieler sind die Hunde und drängen unsere Schafe auf immer neue und bessere Weidegründe. Die vorderen Schafen müssen zuweilen Weidezäune durchbrechen, bekommen dann allerdings als Erster die saftigsten neuen Gräser zum Fressen. Die Hinteren müssen sich schicken, den Anschluss nicht zu verpassen. Den Letzten beißen die Hunde, oder er wird einfach geschlachtet.

Verlassen wir also die Ships-Terminologie und bleiben wir weiter bei der Sheep-Terminologie, so gebären unsere Schafe immer wieder neue Schafe auf dem aktuellen Weidegrund, bis sich das erste dazu entschließt, den Zaun zu durchbrechen und den nächsten Weidegrund zu betreten. Das Durchbrechen kostet Energie (in Form von „Navigationsmarkern“), aber wenn auf dem aktuellen Weidegrund bereits viele Schafe beisammen sind, erzeugen sie einen solche Druck, dass die Zäune schon fast von selber umfallen. Nur wer einsamer und extremer Vorreiter sein will, muss sich dafür mit reichlich Innovations-Energie ausstatten.

Wer einen Weidezaun durchbricht, bekommt eine recht hohe Siegpunkt-Belohnung, anschließend erfolgt eine Bilanzierung des gesamten Herdenbestandes. Die Schafe auf dem noch aktuellen Weidegrund bleiben ungeschoren; für Schafe auf einem Weidegrund zurück muss der Besitzer einen Siegpunkt bezahlen („Hundeobolus“). Für Schafe auf zwei Weidegründen zurück, sind sogar zwei Siegpunkte Strafe fällig, anschließend werden diese Schafe von den wilden Tieren der Umgebung gefressen.

Ich hoffe, dass sich den Spielekennern von Wallace’ “Ships” bei dieser Ver-Schaf-ung jetzt nicht die Haare sträuben. Ich will diese Projektion auch nicht weiter treiben, selbst wenn für die weiteren, recht abstrakten Aktionen und Abläufe, die in „Ships“ präsentiert sind, mindestens genauso gut auch korrespondierende Elemente aus der Schafzucht passen würden. Also zurück zur Original-Terminologie.

Für jedes neu gebaute oder bewegte Schiff darf der Spieler entscheiden, ob es ein Handels- oder ein Kriegsschiff ist (Futterschaf oder Wollschaf!). Der einzige Unterschied zwischen beiden ist, dass der Spieler hinterher im einen Fall einen eckigen Handelsstein, im anderen Fall eine runde Eroberer-Scheibe auf ein definiertes Feld im aktuellen Wirtschaftsgebiet legen darf. Für die Handelssteine erhält er Waren (Korn, Öl, Wein, Metall oder Tuch), für die Scheiben bekommt er Geld, Siegpunkte, Zusatzaktionen und andere Vergünstigungen.

Waren müssen in der privaten Vorratskammer platziert werden. Wer hier keinen Platz hat, muss sie augenblicklich für einen Spottpreis verscherbeln. Geld kommt in den Tresor; wer hier keinen Platz hat, muss es augenblicklich zum relativ reelen Kurs von 2:1 in Siegpunkte verwandeln. Indirekt wirkt sich hier ein weiterer Unterschied zwischen der Wahl von Handels- oder Kriegsschiff aus: bei jedem Kriegsschiff wird das Fassungsvermögen von Vorratskammer bzw. Tresor um eine Einheit vergrößert, bei einem Handelsschiff tut sich in dieser Beziehung nichts.

Eine sehr pfiffige Idee in „Ships“ ist die Verwendung der Handelssteine. Sie sind nämlich nicht nur zum Ablegen innerhalb der Wirtschaftsgebiete gedacht, sie markieren auch die Aktionen, die ein jeder Spieler ausführen darf. Und wenn die Steine für Aktion oder Handel erst einmal platziert sind, dann bleiben sie an Ort und Stelle liegen, bis sie explizit wieder zurückgeholt werden. Das muss man rechtzeitig tun. Wer nämlich am Zug ist und alle seine eckigen Steine „verspielt“ hat, dem bleibt nichts anderes übrig, als einen „freien“ Zug zu opfern, um die Steine eines Gebietes wieder zurück in seine Verfügungsmasse zu holen; der restliche Aktionsspielraum geht verloren.

Was kann man in „Ships“ noch alles tun?

  • eine der ausliegenden Sonderkarten nehmen, die ähnliche Vergütungen erbringen bzw. Aktionen erlauben, wie sie auch sonst im Spiel gegeben sind, nur etwas mehr, etwas billiger, etwas mächtiger.
  •  Geld von der Bank einziehen. Einer der schlechtesten Züge überhaupt.
  •  Navigationsmarker nehmen. Ein damit gefülltes Portemonnaie ist Gold wert.
  •  Waren verkaufen. Alles hat seinen Preis: Tuch bringt das meiste Geld, Gewürze die meisten Siegpunkte, und Öl schmiert einen Zusatzzug.

Es ist alles rund und schön, was in „Ships“ zusammengebastelt ist. Alles kann konstruktiv gespielt, aber viel mehr noch als eine große planerische Herausforderung angesehen werden, denn überall stößt man auf Engpässe. Mal hat man keinen Platz in der Vorratskammer, mal fehlt das Korn für ein Kriegsschiff oder ein Navigationsmarker für den nächsten Fortschritt. Für bestimmte Aktionen muss man Geld bezahlen, auch das ist immer knapp, besonders da der eigene Tresor nur ein geringes Fassungsvermögen hat. Und natürlich gehen die eckigen Handels-/Aktionssteine aus und man muss Züge verpulvern, um sie wieder zurückzuholen.

Alles ist perfekt ausbalanziert. Alles funktioniert. Alles ist gut. Wer sich zwei bis drei Stunden lang an einem einzigen Spiel mit Ackerbau und Schiffzucht laben möchte, ist mit „Ships“ bestens bedient.

Für mich ist das Spiel eine zu große intellektuelle Herausforderung. Ich kann weder die Formel lösen: Ist (n – delta) Runden vor Schluss das Reaktivieren von e1 toten Ecksteinen aus dem Handelsgebiet A besser als das Reaktivieren von e2 zirkulierenden Ecksteinen aus meine Aktionskeller, noch kann ich beurteilen, ob der Platz in meiner Vorratskammer oder in meinem Tresor mehr wert ist, und ob ich in nächster Zeit Wein besser verwenden kann als Öl. Drei Stunden lang. Und drei Stunden lang denen hinterherlaufen, die das besser verstehen, ist auch nicht gerade mein Fall.

Die Industrie mit ihrem Segen wurde von keinem von uns geschätzt. Wir haben ihren Effekt alle noch nicht verstanden. Auf die Nützlichkeit der Tauschbörse, ein weiteres sehr hübsches Spielelement, sind wir auch erst in den letzten Zügen gekommen. OK, OK, Wallace schreibt selber: “it will take a few plays to master”. „Ships“ bietet außerordentlich viel. Grabt nur danach!

WPG-Wertung: Aaron: 8 (es hat mir von Stunde zu Stunde besser gefallen, eine hübsche Mischung aus Planung & Aufbau mit Interaktion bzw. Konkurrenz), Günther: 7 ([ohne Worte; was hat ihn wohl gehindert, 8 oder gar 9 Punkte zu vergeben?]), Walter: 7 (fast ein 8 oder 9 Punkte-Spiel, eine große Herausforderung an ein ständiges Balanzieren von Optionen, Notwendigkeiten und Mitteln, aber die lange Spieldauer ist für die zwar vielseitigen, schlussendlich aber doch repetitiven Spielzüge ein erhebliches Manko).

11.01.2017: Great Western Trail

Was macht Spaß? Lassen wir die von der Evolution herausgearbeiteten biologischen Späße wie Flirten, Liebelei und Sex mal außen vor, so werden von einigen Westpark-Gamers mindestens noch Sport, Musik, Fotografieren, Kochen, Lesen, Analysieren und Forschen, sowie PC-Spielereien als Freude bzw. Spaß bringende Freizeitgestaltung praktiziert.

Und was macht beim Brettspielen Spaß? Hier hat natürlich jedes Individuum seine eigenen Vorlieben. Die Welt spielt Monopoly, Moritz mag Spiele mit Themen, Günther mag Planung und Organisation, Horst Würfeln und Wuseln und Peter „gutes deutsches Spielgut“. Aaron und Walter mochten vor dreißig Jahren die neuen abendfüllenden Spiele, für die Avalon Hill ein Pionier war. Und alle zusammen mögen wir Eisenbahnspiele mit Aktien.

Die heutigen komplexen Workerplacement-Spiele machen aber zumindest den beiden Senioren keinen Spaß mehr. Wir sind doch schon in Rente! Wir möchten am Spieltisch doch keine Arbeiter mehr beauftragen, keine Erbsen mehr zählen, und keine umfangreichen Excel-Tabellen mehr im Kopf durchrechnen. Kein Blut, Schweiß und Tränen sind angesagt. Eine spritzige Spielidee und die Interaktion miteinander, das macht Spaß.

Bei Wikipedia findet man den Satz: „Ein häufiger Begleiter des Spaßes ist die Forderung, ihn zu vermeiden.“ Könnte das denn das Motto der heutigen Generation von Spieleautoren sein? (Hallo Ihr Autorenfreunde, Ihr seid alle explizit davon ausgenommen!)

Jetzt also Spaß beiseite!

1. “Great Western Trail”

„Great Western Trail“ : Was soll ich jetzt tun?

Das Spiel hat 2016 in Essen riesigen Anklang gefunden und bekam innerhalb der Spielbox-Spielergemeinde sensationell gute Noten. Es ist auch alles rund und schön, professionell designed, gut ausbalanciert, hübsch ausgeführt und gefällig produziert.

Dem Thema nach sind wir Viehzüchter, treiben unsere Rinderherden von Texas nach Kansas City, wo wir sie in Waggons aufladen und auf die Reise zu den Verbrauchsstädten im Westen senden. Durchschnittlich sieben mal pro Kopf und Spiel, bringen wir unsere Herde in Kansas City an, immer wieder auf dem gleichen Weg, für den es abschnittsweise immer zwei Alternativen gibt.

Pro Zug dürfen wir mit unserer „Herde“ ein bis vier Felder vorwärts gehen, wobei die Anzahl der zurückzulegenden Felder auf dem Spielbrett von Runde zu Runde wächst. Bei Spielbeginn gibt es nur ein paar wenige öffentliche Felder (Dorf-Plättchen) auf dem Spielplatz, wo wir anhalten und unsere großen oder kleinen Geschäfte erledigen können. Im Spielverlauf bauen (legen) alle Spieler weitere Dorf-Plättchen an beliebigen Stellen der Gesamtstrecke, die dem jeweiligen Besitzer eigene Geschäfte ermöglichen, insgesamt aber die zurückzulegende Felderanzahl erhöhen und damit das Vorwärtskommen für alle Spieler verlangsamen.

Als „Geschäfte“ dürfen wir auf jedem Feld feldspezifische Aktionen durchführen:

  • Rinder kaufen (fünf verschiedene “teure” Rinderrassen stehen zur Auswahl)
  • Rinder verkaufen (auf jedem Feld wird eine bestimmte Rasse verlangt)
  • Mitarbeiter (Cowboys, Handwerker oder Ingenieure) einstellen
  • Dörfer bauen
  • die Eisenbahnstrecke von Kansas-City zu den Verbrauchstädten ausbauen
  • Zertifikate erwerben (die über gewisse Engpässe hinweghelfen)
  • Gefahrenstellen beseitigen (bringt Siegpunkte ein und räumt lästige Felder innerhalb der Wegstrecke nach Kansas City ab)
  • Handel mit den Indianern treiben (bringt Siegpunkte und hilft beim Erfüllen von Aufträgen)
  • Hilfsaktionen durchführen (Das besteht anfangs nur darin, einen Dollar von der Bank einzustreichen. Pro Rinder-Lieferung in Kansas City können wir unser Repertoire an Hilfsaktionen aber erweitern, was später eine gewisse Unabhängigkeit von den feldspezifisch vorgesehenen Aktionen einbringt).

Ein wesentliches Spielelement ist die Kartenhand, mit der jeder Spieler auf die Reise geht. Aus seinem Kartendeck, das zu Spielbeginn aus vierzehn „billigen“ Rindern von vier verschiedenen Rassen besteht, nimmt sich jeder Spieler für seinen nächsten Zug vier Karten auf die Hand. Damit bestreitet er seinen Zug, insbesondere das lokale Verkaufen von Rindern, um zu Geld zu kommen. Man muss für seinen Zug keine Rinderkarten aus der Hand verbrauchen, aber es schadet in der Regel nicht, sie auszugeben, weil man umgehend nach jedem Zug seine Kartenhand wieder auf vier auffüllen darf. Ganz im Gegenteil, durch geschicktes Abgeben und Nachziehen von Rinderkarten kann / sollte man dafür sorgen, dass die „Herde“, die man in Kansas City abliefert, einen möglichst hohen Wert hat. Und den hat sie, wenn alle Rinderkarten in der Hand unterschiedlich sind. Nur unterschiedliche Rassen werden gezählt und bestimmen die Reichweite gegen Westen, bis wohin unsere Rinder im Waggon maximal transportiert werden können.

Je größer die Entfernung, desto mehr Siegpunkte wirft unsere Herde ab. Dabei gibt es kleine Randbedingungen zu beachten: Jede Westernstadt darf nur einmal beliefert werden. Und wenn die Zugstrecke, die wir inzwischen gebaut haben, nicht bis zu unserem Zielbahnhof reicht, müssen wir für den letzten Teil der Reise auch noch Weggebühren an die Bank zahlen.

So drehen wir also gleichmäßig mit unseren Rindern unsere Runden vom Start zum Ziel und zurück, bauen Dörfer, heuern Mitarbeiter an, verlängern unsere Eisenbahnstrecke, pflegen unsere Rinderkartenhand und liefern möglichst hohe, oder zumindest passende Rindermengen ab. Wir können langsam gehen um die Aktionen möglichst vieler Zwischenfelder zu nutzen, oder schnell, wenn die Herde in unserer Kartenhand bereits optimal besetzt ist.

Und wofür brauchen wir die Mitarbeiter?
Cowbows schaffen uns erhebliche Preisnachlässe beim Rinderkauf, mit Handwerkern können wir schneller bessere Dörfer bauen, und mit Ingenieuren beschleunigt sich der Ausbau unserer Eisenbahnstrecke.

„Great Western Trail“ bietet eine Menge Strategien, nach denen wir unser Spiel gestalten können, z.B.

  1. mittels Cowboys die reichsten Rinderherden in unserer Kartenhand zu haben;
  2. mittels Handwerkern alle unsere Dörfer gebaut und hochgerüstet zu haben;
  3. mittels Ingenieuren die gewaltigen Punktesummen ganz am Ende der Eisenbahnstrecke einzustreichen;
  4. mit Aufträgen zu spekulieren und die Auftragsbedingungen (Indianerhandel / Gefahrenstellen) zu erfüllen suchen;
  5. mit wenigen Zwischenstops schnelle Runden zu drehen, um durch die damit hinzugewonnen Hilfsaktionen eine deutlich gesteigerte Spielpotenz zu gewinnen.

Beim ersten Spielen ist natürlich noch nicht klar, welche dieser Strategien am erfolgversprechendsten ist. Nach dem ersten Augenschein zu urteilen, scheint das Spiel aber gut ausbalanciert zu sein, d.h. alle Strategien könnten den Sieg bringen. Wichtig ist nur, dass man sich auf bestimmte Richtungen konzentriert, weil die progressive Siegpunktausschüttung den Zuwachs am Ende jeder Fahnenstange besonders belohnt. Wer überall ein bisschen dabei ist, landet auch bei der Siegpunktausschüttung, in der 11 ( ELF) verschiedene Besitz- und Ausbaustände bewertet werden, im Mittelmaß.

Alles ist schön, alles ist gut durchdacht, alles ist konstruktiv an diesem Spiel. Der Hype in Essen und gemäß der Spielbox-Wertung ist durchaus verständlich. Wir haben aber leider auch ein paar gewichtige Haken gefunden. Z.B. besitzt das Spiel fast keinerlei Interaktion. Sehr gut kann es ein Spieler ganz alleine spielen, dabei beliebig viele Mitspieler simulieren, und für jeden eine eigene Strategie wählen. Hinterher kann er sich an der Erkenntnis freuen, welches die beste Strategie war.

Was bei uns aber am wenigsten angekommen ist, war der ungeheure Zeitverbrauch. Eine Stunde dauerte allein der Spielaufbau mit der Erklärung der Elemente. Eine knappe weitere Stunde brauchten wir für die Erklärung der weiteren Elemente und des Spielablaufs insgesamt. Immerhin gilt es, ein Regelheft mit 16 Seiten didaktisch wunderschön aufgebauten Regeln zu erarbeiten. Zweieinhalb Stunden dauerte dann unser Spiel, was ziemlich genau der Angabe auf der Spielschachtel entspricht, was für das sich wiederholende Spielgeschehen aber doch recht happig ist. Eine weitere halbe Stunde dauerte das Wegräumen des vorzüglichen Spielmaterials zurück in die Schachtel. Ersteres und Letzteres wird auch nicht bedeutend kürzer, wenn man das Spiel schon ganz genau kennt. Heute also insgesamt 5 Stunden Western-Unterhaltung. In dieser Zeit hätten wir schon ein komplettes „1830“ über die Bühne gebracht.

WPG-Wertung: Aaron: 6 ([bis 7], wegen der langen Dauer, ein braves Spiel, das keine Fehler bestraft), Günther: 7 ([bis 6], es hat Spaß gemacht, ich könnte es noch ein paarmal spielen, weil man hier vieles ausprobieren kann), Horst: 8 ([und ab zur letzten U-Bahn]), Walter: 7 (es gibt viele Schienen, auf denen man gut fahren kann, aber zum Gewinnen erfordert jede eine elende Optimierung, würde es – mit Spaß – allein deshalb noch einmal spielen, um extreme Spielweisen zu testen).

28.12.2016: Weihnachten in Sankt Petersburg

Zwischen den Jahren durften Familienväter und Opas mit Kind und Kegel, d.h. alles was spielen kann (Milo) oder was an Spielern interessiert ist (Valentina), am Westpark antreten.

Familiäre Runde im Sankt Petersburg

Moritz brachte St. Petersburg mit allen Schikanen mit. Freiwillig verzichteten wir auf die Erweiterungen „Aufträge“ und „Ereigniskarten“, aber sonst nahmen wir alles Gebotene mit, obwohl Sabina erst in das Gesamtsystem eingearbeitet werden musste. Aber mit ein bisschen Hilfestellung in den ersten Runden kann eine kompetente Spielerin auch in dieses recht komplexe Spiel mit Freude und Genuss einsteigen.

Die Erweiterungen, insbesondere die Hürden, zwingen zu einer Diversifizierung des Engagements, was dem bereits in der Basis-Version sehr gelungenen Spiel noch zugute kommt. Moritz wusste, dass der Markt die Kohle bringt, war hier unangefochten Herr im Haus und ging damit auch in der Punktewertung schnell in Führung. Aber Milo blieb ihm mit Bauwerken und ihrer reichlichen Siegpunkte-Ausschüttung immer dicht auf den Versen. Walter war ohne rechte Strategie ins Spiel gegangen, war auf einmal von einer erklecklichen Anzahl Adeligen umgeben und konnte mit Sternwarte und Schwarzem Markt problemlos seine Ahnengalerie vervollständigen. Leider war in der allerletzten Upgrader-Auslage kein einziger Adeliger dabei, so dass er mit nur 9 verschiedenen Adeligen abschließen musste. (War das nun ein Designfehler des Spiels oder nur ein normales Adelsrisiko? [Keine ernsthafte Frage!]) Mit all den nachgeholten Prämien in der Schlusswertung konnte er aber immerhin noch mit Moritz gleichziehen, der allein durch 2 Dollar Barvermögen mehr das Tie-Break für sich entscheiden konnte.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt, zu fünft allerdings nur eine knappe 6), Günther: 9 (wurde nicht gefragt), Horst: 7 (wurde auch nicht gefragt), Milo 7 (die Karten in der unteren Bietauslage sollten keine Plätze belegen), Moritz: 8 (bleibt), , Sabina: 8 (“beim ersten Mal spielen ist die Vergabe und der Einsatz von Geld und Punkten noch recht undurchsichtig, ab der Mitte wusste ich, wohin der Hase läuft”), Walter: 8 (bleibt, mit Tendenz zu 9).

Drei Stunden haben wir mit weihnachtlichem Non-Druck und Non-Tempo “St. Petersburg” genossen. Dann blieb noch eine Stunde übrig für unseren Standard-Absacker “Bluff”, das zweimal Sabina als Siegerin sah.

Wir wünschen unseren Freunden und Lesern, und darunter vor allem allen Mit-Freude-Spielern, ein glückliches Neues Jahr.

21.12.2016: Kreuze und Kringel in Salem

Die USA sind, was die Verfolgung und Hinrichtung von „Hexen“ betrifft, keinesfalls so unschuldig, wie die alten Europäer dies auf den ersten Blick vermuten. Im Jahre 1692 kam es in dem kleinen Dorf Salem an der Ostküste schlagartige zu extensiven Hexenverfolgungen, bei der innerhalb eines Jahres 20 Beschuldigte hingerichtet, 55 Menschen unter Folter zu Falschaussagen gebracht, 150 Verdächtigte inhaftiert und weitere 200 Menschen der Hexerei beschuldigt wurden.

1957, also vor nur ca. 60 Jahren, wurde die als Hexe gehängte Ann Pudeator für unschuldig erklärt. Am 5. November 2001 unterzeichnete die Gouverneurin von Massachusetts die Unschuldserklärung für die fünf letzten Frauen. Der HErr sei ihnen und ihren Mördern gnädig.

1. “Salem”

„Salem“: Lösungsmatrix eines ungenannt bleiben wollenden Hexenjägers

Diese Salemer Hexenprozesse hat der Spieleautor Joshua Balvin als Thema für sein Spiel gewählt. Da ich grundsätzlich sowohl gegen Spiele mit Atombomben und Metatoten, also auch gegen Spiele zum Thema Hexenverfolgung bin, weil in Letzteren die Hexenmorde der christlichen Kirchen verharmlost und die verbrecherischen Verleumdungen einen harmlosen, spielerischen Hintergrund bilden sollen, werde ich mich jetzt von der Salem-Terminologie trennen und das Spiel so abstrakt darstellen, wie es sich in Wirklichkeit auch spielt.

Innerhalb einer verdeckten 7 mal 7 Matrix gibt es in jeder Reihe und in jeder Spalte genau je 3 Kringel und 4 Kreuze. Sie sind nach einem reinen Zufallsverfahren darauf verteilt worden, und die Aufgabe der Spieler ist es, für jedes Feld der Matrix herauszufinden, ob es ein Kreuz oder einen Kringel enthält.

Welches Rüstzeug, welche Techniken gibt es dazu? Wir habe die Regeln nicht genau verstanden und nicht genau eingehalten; selbst der geniale Regelerklärer Moritz war außerstande, die zehn dick-bedruckten Seiten englischer Regelanweisungen aus dem Stregreif fehlerfrei vorzutragen, zu übersetzen und gleichzeitig zu interpretieren. Glücklicherweise ist Detailtreue auch nicht lebensnotwendig, um einen Eindruck von diesem Deduktionsspiel zu bekommen, das zu einem Drittel aus statistisch gestützten Vermutungen und zu zwei Dritteln aus konsequent erarbeiteten Schlussfolgerungen besteht.

Jeder Spieler bekommt gleich zu Beginn die Verteilung von Kreuzen und Kringeln auf einer kompletten Zeile offengelegt. Jeder Spieler natürlich die von einer anderen Zeile. Die Felder der nicht-offengelegten Zeilen werden reihum den Mitspielern zugewiesen, bis mehr oder weniger alle verteilt sind. Die Spieler dürfen bei den “adoptierten” Feldern aber nicht nachschauen, ob diese Kreuze oder Kringel enthalten.

Reihum darf jetzt jeder Spieler auf ein beliebiges Feld der Matrix deuten und den zugehörigen Feldbesitzer fragen, welche Informationen er dazu preisgeben will. Der Besitzer hat drei Antwortmöglichkeiten, die er wrap-around verwenden muss:

  1. Er deutet auf ein beliebiges, frei zu bestimmendes Feld und sagt: “Hier ist das gleiche Symbol wie auf dem abgefragten Feld.”
  2.  Er deutet auf ein beliebiges, frei zu bestimmendes Feld und sagt: “Hier ist ein ungleiches Symbol wie auf dem abgefragten Feld.”
  3.  Er deutet auf zwei weitere beliebige, frei zu bestimmende Felder und sagt: “Insgesamt gibt es auf diesen drei Feldern 0 [, 1, 2 oder 3] Kreuze.”

Da der Besitzer von adoptieren Feldern evtl. noch nicht weiß, welches Symbol auf dem fraglichen Feld abgebildet ist, darf er es sich zu diesem Zwecke anschauen.

Bei 7 Abfragen muss aus jeder Zeile genau ein Feld abgefragt werden. Danach geben alle Spieler eine informatorisch leicht verschmierte Summenauskunft darüber, wieviele Kringel auf den 7 abgefragten Feldern abgebildet sind. Anschließend muss jeder Spieler zu einem jedem der abgefragten Felder die verdeckte Aussage machen, ob es einen Kringel enthält oder nicht. Richtige Aussagen liefern Pluspunkte, falsche Aussagen Minuspunkte.

Die Aussagen werden allerdings nicht sofort verifiziert, sondern insgesamt vier mal müssen solche 7er Abfragen getätigt und die Kringel-Aussagen getroffen werden, bis die gesamte Matrix aufgedeckt, die Richtigkeit erkannt und die Siegpunkte verteilt werden.

Nach der ersten 7er Abfrage ist das Ganze noch eine ziemliche Raterei; nach der zweiten 7er Abfrage hat jeder Spieler aber schon soviel Querbeziehungen in seine Lösungsmatrix eintragen können, dass seine Aussagen schon mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit richtig sind. Danach wird alles praktisch richtig gewußt.

Walter jubilierte als erster über die vollständigen Sicherheiten, die er in seiner Lösungsmatrix entdeckt hatte. Aaron folgte in geringem Abstand. Nur Moritz tat sich da noch schwer. Walter war allerdings auch der Erste, der erkennen musste, dass einige seiner Schlussfolgerungen falsch gewesen sein mussten, und dass damit seine gesamte Lösungmatrix obsolet war. Was jetzt tun? Dafür gibt es im Prinzip nur die Sudoku-Rettung, wenn man dort die erste Inkonsistenz entdeckt: Alles ausradieren und von vorne anfangen.

In Salem gibt es allerdings kein Ausradieren. Es gibt auch keine praktikable Möglichkeit, die Fragen und Antworten sowie die zugehörigen Schlussfolgerungen zurückzuverfolgen und/oder wieder vorwärts zu drehen. Das wäre erst ganz am Ende des Spiels möglich. Bis dahin muss man wie ein bescheuerter Sudoku-Spieler ein Feld nach dem anderen taxieren, die Inkonsistenz der bisherigen Eintragungen bedauernd zur Kenntnis nehmen und hilflos aber hoffnungsvoll weiterraten.

Der am langsamsten und am sichersten schlussfolgernde Moritz besaß am Ende die wenigsten Inkonsistenzen in seiner Lösungsmatrix und hatte dementsprechend gewonnen. Glückwunsch zu seiner Logik und seiner Statistik!

WPG-Wertung: Aaron: 3 (nach zuerst 5, Riesenbrimborium für ein reinrassiges Deduktionsspiel, möchte es nicht noch einmal spielen, nichts hat ihn daran gereizt, für die eingebauten Zufallseffekte ist es viel zu lang), Moritz: 6 (es funktioniert, ist vom Design her in Ordnung, besitzt aber keine Steigerung. Ich habe Zweifel, ob ich das dringend tausendmal spielen müsste. [AbN: Die habe ich auch!]), Walter: 4 (eigentlich akzeptabel, aber wer sich einmal vertan hat, muss bis zum Ende des Spiels auf seinen Fehlern herumreiten, eine Aufdeckung der Fehlschlüsse oder der Fehlinformation der Mitspieler ist leider nicht möglich, das ist für mich das größte Manko).

Aaron fand bei BGG einen Kommentar zu einer 1-Punkte-Wertung, die er uns nicht vorenthalten wollte:
„This is a 7 player fragile deduction activity (I don’t see the game here) where in the first two rounds players start guessing 50/50 odds to earn points. In the 3rd and 4th round, enough information has been revealed that all players simultaneously have everything they need to guess correctly (barring math mistakes) to earn points. There is little to no player choice in this game. Assuming players are of equal logic skill, you could have the same experience guessing the result of a coin flip twice and then calling it a day.
The components are awful. Brown and orange are similar, the tokens are teeny and the pencils don’t have erasers.”

Dem schließt er sich vollinhaltlich an. Ich auch.

2. “Via Nebula”

Der FCB hatte Red Bull bereits mit 3:0 in die Schranken verwiesen, als wir nach dem Salem-Abenteuer anfangen konnten, uns über den Rest des Spielabends zu orientieren. Martin Wallace bekam mit seinem “Via Nebula” nochmals die Ehre.

WPG-Wertung: Moritz reihte sich unisono in die 7-Punkte vom Westpark ein (eines der liebevollsten Spiele von MW. Zur Spielidee hat er bei seinem eigenen “Age of Steam” Anleihen genommen. Es gibt ein paar taktische Überlegungen, die im Prinzip aber banal sind. Ein echtes Familienspiel, wenig Konkurrenz, wenig Miesnickeligkeit; die Spezialeffekte der Aufträge bringen einen gewissen Pepp hinein. [AbN: der Pepp reichte, um Moritz zum Sieger zu küren.])

3. “Tiefseeabenteuer”

Ebenfalls ein Spiel, das bereits letzte Woche am Westpark gefallen hatte. Heutige Erkenntnis: “In einer 3er Runde darf man tiefer tauchen als in einer 4er Runde.” Banal oder trivial?

Das Spiel ist schnell (+), stimmig (+), enthält ein eingebautes, kalkulierbares Würfelrisiko (+) und ist höchst interaktiv (++).

WPG-Wertung: Moritz vergab mit 7 Punkten einen Punkt weniger als die Unisono-Runde von letzter Woche (fast 8 Punkte, aber dafür fehlt ein bisschen Originalität).

14.12.2016: Via Nebula zu den Elements in der Tiefsee

Interaktion ist für uns ein wichtiges Qualitätsmerkmal für ein gutes Spiel. Dabei kommt es häufiger zu kontroverser Einschätzung, ob eine konkrete Spieleigenschaft jetzt „Interaktion“ oder nur „Mitspielerchaos“ ist. Letzteres ist keinesfalls positiv, bestenfalls als indifferent einzustufen. Was ist der Unterschied?

Nach Wikipedia bezeichnet Interaktion „aufeinander bezogenes Handeln zweier oder mehrerer Personen“. Eine gewisse Ordnung muss also innerhalb der „Wechselbeziehung zwischen Handlungspartnern“ stecken. Dahingegen ist Chaos ist „ein Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung“.

Beispiele: Die Moleküle in einem Gas befinden sich in einem Chaos-Zustand. Ihre Bewegungsfreiheit ist durch die Existenz der Mit-Moleküle zwar eingeschränkt und ihre tatsächliche Bewegung wird davon auch beeinflusst, aber ein logisch erstrebtes bzw. erstrebenswertes Ziel lässt sich nicht ausmachen. Dahingegen ist das Verhalten verschiedener Tierarten an einer Wasserquelle von einem Höchstmaß an Interaktion bestimmt. Die Gefährlichen und die Stärkeren dürfen zuerst ran, die Schwächeren müssen ihren Durst in eine Relation zum Wasservorrat und zur Nähe und dem Hunger der Fressfeinde bringen, bevor sie ran dürfen oder sich ran drängeln. Sie könnten sich aber zusammentun …

Bleibt noch die Frage offen, ob die Bewegung der Samenzellen in Richtung Eizelle besser mit Mitspielerchaos oder mit Interaktion zu bezeichnen wäre.

1. “Via Nebula”

Szenerie in “Via Nebula”

Ein großes Spielbrett mit Hexagon-Einteilung liegt auf dem Tisch. Einige Felder sind unbegehbare Felsen, einige sind Rohstoffquellen für verschiedene Rohstoffe, und etwa die Hälfte sind weiße Nebelfelder, die wir in unseren Zügen nach und nach „erkunden“, d.h. in grüne Wiesenlandschaft umwandeln dürfen. Dazwischen liegen ein paar Bauplätze, auf denen wir unsere Häuser errichten sollen. Die Bauplätze sind allen zugänglich und können auch aus der Luft betreten werden. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer zuerst fünf Häuser errichtet hat, leitet damit das Spielende ein.

Zum Bau eines Hauses müssen wir eine wohldefinierte Kombination von Rohstoffen zu unserem Bauplatz tragen. Die Entfernung von Quelle zu Bauplatz spielt keine Rolle. Der Transport einer Rohstoffeinheit kostet immer genau eine Aktion.

Der Weg dieses Rohstoff-Transportes muss über freie Wiesenflächen gehen, wir müssen uns u.U. erst einen Hexagon-Wiesenweg von den Quellen zu unseren Bauplätzen bauen. Diese Wege sind für jedermann nutzbar. Es spart natürlich Züge, die Wege der Mitspieler mitzubenutzen, doch legen diese uns nicht freiwillig grüne Wiesen auf unseren Weg. Früher oder später muss immer irgendwo einer – meist zum Allgemeinwohl – damit beginnen.

Von den Rohstoffquellen sprudelt zu Spielbeginn nur ein geringer Teil. Die überwiegende Zahl von ihnen müssen wir erst erschließen, indem wir als eine Aktion einen unserer Arbeiter hinschicken. Dafür gibt es sogar Siegpunkte. Unser Arbeiter muss aber solange auf seiner Quellen sitzen bleiben, bis alle darauf entdeckten Rohstoffe abtransportiert sind, von uns oder von den Mitspielern.

So besteht die Herausforderung des Spiels darin,

  • die bestgelegensten Bauplätze ausfindig zu machen und für uns zu reservieren,
  • die bestgelegensten Rohstoffquellen zu erschließen, und zwar sind das diejenigen, mit Rohstoffen, die wir selber brauchen und zugleich diejenigen, wo möglichst schnell viele Mitspieler für ihre eigenen Bauzwecke zugreifen, so dass unser Arbeiter für neue Erschließungen wieder frei wird,
  • nur die unbedingt notwendigsten Transportwege bauen, für den Rest aber uns von den Mitspielern bedienen lassen.

Alles ist gut, alles ist konstruktiv, alles liefert Siegpunkte, alles nützt allen, manche nützen halt alles noch ein bisschen mehr, schneller oder günstiger.

Ein schönes, sauberes, braves Brettspiel aus der begabten Feder des Spiele-Routiniers Martin Wallace. Ein hübsches Weihnachtsgeschenk für die gesamte spielende Familie, einschließlich aller schulpflichtigen Kinder. Offiziell sollten sie 12 Jahre alt sein, aber diese Messlatte stimmt wie gewöhnlich auch hier nicht. Stabiles Material, klares Design, frohe Farben. Frohes Fest.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (ruhiges Design, schnell erklärt, schnell und locker runtergespielt), Günther: 6 (für alle ein separates Grübeln und am Ende haben wir alle ähnlich viele Siegpunkte; lockeres Runterspielen macht des Spiel eher zu einem Würfelspiel), Helmut: 6 (interessantes Design, gut ausbalanciert, aber zu kleinteilig: viele kleine Informationen, die man alle berücksichtigen muss, wenn man das Spiel perfekt spielen will, und wenn man das auch tatsächlich tut, dauert das unakzeptabel lang, jedoch entspricht das Abbrechen von Überlegungen nicht meinem Charakter), Walter: 7 (konstruktiv, besonders für Aus-dem-Bauch-heraus-Spieler geeignet).

Dank Helmuts cogitus interruptus und Günthers alea iacta volutaria haben wir den Nebligen Weg ruhig und locker in der angegebenen einen Stund Spielzeit bewältigt.

2. “Tiefsee-Abenteuer”

Zwei bis sechs Spiele würfeln jeweils ihren Pöppel über einen gemeinsamen wohldefinierten Tauchgang in die Tiefe. Auf jedem Feld, das sie sich erwürfeln, liegt ein Schatz – sofern ihn nicht bereits ein Mitspieler an sich genommen hat. Diesen Schatz dürfen sie mitnehmen oder liegen lassen, ganz nach Belieben. Je mehr Schätze ein Pöppel transportiert, desto langsamer kommt er vorwärts. Zugleich verbraucht er auch mehr Sauerstoff, je mehr Schätze er mit sich trägt. Schätze abwerfen gilt nicht: aufgehoben heißt mitführen, bis dass der Tod euch scheidet.

Jetzt kommt nämlich die Crux des Ganzen: Es gibt nur einen einzigen gemeinsamen Sauerstoffvorrat für alle. Und dieser ist knapp, vor allem dann, wenn jeder Spieler schon einige Schätze mit sich führt, sich dementsprechend nur noch langsam bewegt, zuweilen sogar stehenbleiben muss, und bei jedem Schritt einen erklecklichen Anteil Sauerstoff verbraucht. Z.B. wäre bei vier Mitspielern, wenn jeder drei Schätze transportiert, bereits nach je zwei Schritten der gesamte Sauerstoffvorrat verbraucht. Und schnell kommt man mit drei Schätzen unterm Arm auch nicht mehr vorwärts: durchschnittlich nur ein einziges Feld pro Zug!

Also darf man nur wenige Schätze an sich nehmen, möglichst gar keine auf dem Weg nach unten, wo die wertvolleren Schätze liegen, und dann heißt es ruck-zuck wieder nach oben. Doch die bösen Mitspieler können einem auch einen Strick durch diese einfache Rechnung machen, in dem sie mehr oder weniger Selbstmord begehen, d.h. den Sauerstoffverbrauch durch ungebremstes Zuladen von Schätzen auf ein Maximum und die Bewegung auf ein Minimum bringen. Bei uns gab es nur wenige erfolgreiche Tauchgänge. Aber alle waren voller Lust und Risikofreude. Gerade darum waren sie ja nicht erfolgreich.

Das Spiel ist kurz und kurzweilig, Spannung und Spielspaß sind überraschend groß. Nach der ersten Runde über drei Durchgänge schlossen wir sofort mit Lust und Laune eine zweite Runde an.

Der gemeinsame Sauerstoffvorrat ist die gewaltige Interaktion des Spiels. Wenn der nicht wäre, so wäre der Rest eine autistische Can’t-Stop-Würfelei.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (macht Laune, viel Interaktion), Günther: 8 (Gaudispiel mit erheblichem Schadenfreudepotential), Helmut: 8 (toll [nachgefragt: diese Bewertung war nicht als Verarschung gemeint!]), Walter: 8 (als Absacker sehr gut, zum Warming-Up sogar noch besser geeignet).

3. “First Class”

Helmut Ohleys neuestes Eisenbahnspiel ohne Gleise und Verbindungen, stand zum zweiten Mal auf dem Programm.

Günther kannte sich aus und hatte auch einen Peil. Es besorgte sich gleich im ersten Durchgang hinreichend Geldmittel um den Ofen seiner Dampflok nicht kalt werden zu lassen. Damit konnte er sehr flexibel seinen gesamten weiteren Aufbau bestreiten, kam nie in Engpässe und übertraf tatsächlich die 200 Siegpunkten, die hier als Grenzwert für gutes Spielen gelten.

Aaron wollte zuerst ebenfalls den Dampflok-Weg gehen. Er war aber Letzter in der Startreihenfolge, eine für dieses Vorhaben unglückliche Position, die er auch nie durchbrechen wollte, und so waren ihm die Lok-Felle von Anfang an davon geschwommen. Er verlegte seinen Schwerpunkt auf Waggonketten und landete dicht hinter Günther auf dem zweiten Platz.

Helmut als „First Class“-Neuling hatte einen überraschend guten Start. Schon in der ersten Runde besaß er einen 12er Waggon mit Siegpunkt-Verdoppler. Doch in den weiteren Runden schwächelte er. Warum wohl? Wahrscheinlich hatte er das Spiel verstanden und jegliche Lust an weiterer Excel-Programmierung über Mittel, Quellen, Ketten und Klassen verloren.

Walter als Zweiter in der Startreihenfolge wollte sich diesmal ebenfalls in Günthers bewährter Lok-Strategie tummeln. Doch es reicht nicht, sich möglichst viele Lok-Karten anzueignen, sie müssen auch die richtigen Effekte besitzen. Seine Lok-Karten waren überwiegend Lok-Beweger; damit hätte er seine Dampflok wohl bis nach Wladiwostok schieben können. Da ihm aber in seinen – am Ende vier (!) – Sonderaufträgen gerade die Standard-Lok-Bewegungskarten honoriert wurden, und er demnach auch auf diese Aktionskarten aus sein musste, stand seine Lok jeweils schon am Ende ihres Streckenausbaus, bevor die Lok-Effekte zum Einsatz hätten kommen können. Sie verpufften ohne jeden Nutzen. Dumm gelaufen.

Wie immer lange und kontroverse Diskussion über den Anteil an Interaktion in diesem Spiel. Ein bisschen konkurrierendes Zugreifen bei den Aktionskarten ist alles. Kein rationiertes Trinken an der einzigen Wasserquelle im Nationalpark, sondern ein Vollsaufenlassen, solange der Vorrat reicht. Für Günther absolut ausreichend, für den Rest der Welt deutlich zu wenig.

Die langen Kettenzüge, von denen jeder Spieler dreimal pro Spiel einen planen und durchführen kann, lösten ebenfalls unterschiedliches Ge-/Missfallen aus. Nicht alle finden es in einem Mehrspieler-Szenario angemessen, minutenlang nur zuzuschauen, wie ein Mitspieler die Effekte der Effekte von den Effekten seiner Effekt-Planung nutzt, um seinen solitären Spielaufbau explodieren zu lassen. Eine Beschneidung der nutzbaren Effektebenen würde den spielerischen Charakter gewiss fördern. Aber Günther fand auch für diese Design-Zumutung eine Lösung: man muss die Genialität der Kettenzüge seiner Mitspieler konsequent verfolgen und so bewundern, als wären es die eigenen, dann wird es dabei nie langweilig. Diese Möglichkeit hatten wir in den zwanzig Jahren Spielen am Westpark bisher offensichtlich total übersehen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt, aber der Spieleindruck wurde gefälliger) , Günther: 8 (bleibt), Walter: 7 (bleibt, aber der gefällige Spieleindruck nimmt ab), Helmut: 4 (wohlwollend, nicht mein Spiel, Null-Interaktion, Null-Dramatik).

4. “Elements”

Helmut war schon auf dem Weg zur U-Bahn, als Günther noch ein kleines 2-Personenspiel aus seiner Tasche zog. Abwechselnd setzte jeweils ein Spieler aus und die beiden anderen spielten eine Partie gegeneinander.

Eigentlich besteht das Spielmaterial aus lediglich 16 Karten, jeweils zwei mit den Zahlen von 1 bis 5 und mit sechsen der Zahl 6. Könnte leicht durch ausgewählt Karten aus einem Skatblatt bereitgestellt werden. Die weiterhin der Schachtel beigefügten hölzernen Sterne als „Siegpunktmarker“ hätte man sich glatt sparen können, eine Strichliste oder Streichhölzer bzw. Pfennige aus Omas Schublade hätten es auch getan.

An jeden der beiden Kontrahenten werden sechs Handkarten ausgeteilt. Reihum agiert nun jeder gemäß folgenden Möglichkeiten:

  • Er wirft eine Karte mit dem Zahlenwert 6 aus der Hand ab. Weg damit.
  • Er legt eine seiner Handkarten offen auf den öffentlichen Stapel.
  • Er nimmt die oberste Karten des offenen Stapel an sich und legt sie zu seinem Privat-Stapel. Dort bleibt sie bis zum Spielende liegen. Der Zahlenwert dieser (und aller weiterer) Karten, die er vor sich liegen hat, zählt zur Summe für seine Handkarten.
  • Er “klopft”, d.h. er löst eine Wertung aus: Wenn die Summe der Zahlen auf seinen Handkarten plus derjenigen in seinem Privatstapel gleich oder niedriger ist als die Summe der Zahlen im öffentlichen Stapel hat er gewonnen. Aber nur unter der Bedingung, dass die entsprechende Summe der Karten seines Kontrahenten entweder kleiner ist als seine eigene Summe, oder größer als die Summe im öffentlichen Stapel.

Es geht also darum, die Summe seiner Handkarten zunächst mal ausreichend zu drücken, dann aber, wenn man an das Limit herankommt, nicht zuviel gedrückt zu haben, sondern noch mehr „Augen“ in der Hand zu haben als der Kontrahent. Eine hübsche antagonistische Herausforderung. Schon vom Ablegen der ersten Karte an ein Maximum an Interaktion.

In insgesamt 12 Zweikämpfen, mit jeweils anschließendem Undo für die letzten entscheidenden Züge und einer gemeinschaftlichen Analyse über besseres Spiel mit offenen Karten haben wir die Geheimnisse von „Elements“ noch nicht annähernd entschlüsseln können. Aber es gibt welche, und genau darin liegt der Charme dieses kleinen, einfachen Spiels.

WPG-Wertung: Aaron: 7 , Günther: 7, Walter: 7 (mit Tendenz zu 8)

DinxCon 2016

dinxVom 25.-27. November fand auch dieses Jahr wieder die DinxCon in Brixen (Südtirol) statt, ein vom Spieleverein Dinx aus Bozen organisiertes „laaaanges Spielewochenende“. Ich durfte zum ersten Mal dabei sein.

48 Stunden Spielen waren angesagt, nur kurz unterbrochen von ein paar Stunden Schlaf und Essenspausen (meine Netto-Spielzeit betrug rund 30 Stunden). Der Spieleverein hatte dieses Jahr insbesondere für Vielspieler vorgesorgt und eine bemerkenswerte Auswahl guter Spiele zusammengestellt.

Hier eine kurze Übersicht der von mir gespielten Spiele inklusive einer ersten Bewertung:

1. Azuchi Castle (Sungwoo Hyun, Baccum)

Schon bei den Westpark Gamers gespielt, wo es gar nicht gut ankam. Ein weiterer Versuch mit einer anderen Spielergruppe sollte zeigen, ob nicht doch etwas in diesem angeblichen Geheimtipp aus Essen 2016 steckt. Kurz gesagt: nein. Zu glückslastig, zu eindimensional und mit einer sehr gekünstelten Endebedingung. Es bleibt bei meinen 4 von 10 Punkten.

2. Via Nebula (Martin Wallace, Space Cowboys)

Anders als Martins Treefrog-Spiele ist Via Nebula eingängiger und fast schon familientauglich. Angetan bin ich von der eleganten Konstruktion aus Konkurrenz und (aufgenötigter) Zusammenarbeit. Solide 8 von 10 Punkte.

3. Tiefe Taschen (Fabian Zimmermann, Fobs Games)

Hier zeigte sich, dass die Zusammensetzung der Gruppe entscheidend für den Spielspaß ist. Bei den Westpark Gamers durchgefallen, kam es in Brixen deutlich besser an. Ich bleibe bei meinen 6 von 10 Punkten.

4. Weltausstellung 1893 (J. Alex Kevern, dlp games)

Dieses Spiel kommt daher wie ein einfaches Familienspiel, hat es aber in sich. Die Kartenauslage will gut studiert sein und die Zugmöglichkeiten auf ihre Auswirkungen abgeprüft werden. Schnell hat man den optimalen Zug übersehen oder das Spiel beschleunigt. Eigentlich nicht schlecht, wenn keine Grübler am Tisch sitzen, aber die positiven Elemente werden durch die Unplanbarkeit der chaotischen Auslageänderungen viel zu sehr überlagert. 6 von 10 Punkten.

5. Terraforming Mars (Jacob Fryxelius, Schwerkraft-Verlag)

In Essen dieses Jahr blitzschnell ausverkauft, war meine Erwartungshaltung entsprechend groß. Wir haben es mit einem Aufbauspiel zu tun, das streckenweise an Race for the Galaxy erinnert. Auch hier gilt es, zumindest eine grobe Ahnung davon zu haben, welche Ausbaukarten überhaupt im Spiel sind. Ansonsten spielt es sich ähnlich zahm; jeder scheffelt Siegpunkte und am Ende hat einer irgendwie gewonnen. Meine hohen Erwartungen wurden nicht erfüllt: 6/10.

6. Flamme Rouge (Asger Harding Granerud, Lautapelit.fi)

Vor genau 30 Jahren erschien „6-Tage Rennen“ von Werner Toncar als Werbespiel bei Holtmann. Mit wenigen Elementen wurde hier die Radrenn-Situation sehr schön simuliert und ein spannendes Spielgefühl erzeugt. Und dieses Jahr erschien bei Lautapelit ein mehr als würdiger Nachfolger. Jetzt haben wir es zusätzlich zur Planung der eigenen Sprints noch mit Steigungen und Schussfahrten zu tun und wer den Anschluss zum Peloton verloren hat muss extra stark in die Pedale treten, um wieder im Windschatten mitfahren zu können. Sehr schön. 8 von 10 Punkten.

7. Oben und Unten (Ryan Laukat, Schwerkraft-Verlag)

Wie so oft hat auch hier Ryan Laukat sein Spiel ausgesprochen stimmig illustriert. Was anfangs nach einem normalen Worker-Placement-Spiel aussieht, ist zusätzlich angereichert mit kleinen Abenteuern, die man erlebt, sobald man seine Arbeiter in den Untergrund schickt. Hier ist noch einmal viel Arbeit in die mehr als 200(?) Szenenbeschreibungen eingeflossen, die einerseits für ein wenig mystische Stimmung sorgen, andererseits aber durch deren zufällige Auswahl und sehr unterschiedlichen Effekte auch mal frustrieren können. Aber solide 7 von 10 Punkten bekommt es schon.

8. First Class (Helmut Ohley, Hans im Glück)

Ursprünglich als Russian Railroads Kartenspiel geplant, bietet First Class doch seinen ganz eigenen Reiz, obwohl die Nähe zu RR nicht zu übersehen ist. Leider verwendeten wir versehentlich statt des 2. Kartensatzes den 3. und erst danach den 2., was zu merkwürdigen Effekten führte. Das Spiel verzeiht diesen Spielfehler offenbar nicht, denn ein Spieler hatte auf eine reine Bahnlinien-Ausbaustrategie gesetzt und gewann damit haushoch. Klar, wenn die wertvollen Bahnstrecken des 3. Satzes zu früh ins Spiel kommen. Vielleicht nicht ganz fair, aber ich bleibe bei meinen nur 6 von 10 Punkten.

9. Krazy Wordz (Dirk Baumann, Thomas Odenhoven, Matthias Schmitt, fishtank)

Okay, ich hatte ja schon die Erfahrung gemacht, dass dieses Spiel nicht in allen Runden zündet. Diesmal hatte ich das Glück in einer lustigen 6er-Runde zu spielen und entsprechend ausgelassen ging es zu. Trotzdem gab es eine neue Erkenntnis für mich: Man hat schlechte Chancen, wenn man als einziger in der Runde aus einem anderen Sprachraum kommt und sei es nur, wenn sich um den Unterschied zwischen Hochdeutsch und südtiroler Dialekt handelt. Die Wortassoziationen sind bemerkenswerter Weise sehr unterschiedlich. Obwohl ich haushoch verloren habe, bleibt es bei meinen 8 von 10 Punkten.

10. Tlastfreidayhe Last Friday (Antonio Ferrara, Sebastiano Fiorillo, Heidelberger Spieleverlag)

Ein Spiel, das kurzzeitig für heftige Diskussionen innerhalb der Spiele-Autoren-Zunft sorgte. Darf ein Spiel thematisch und vom Cover her eine Nähe zu einem realen Anschlag (Utøya, 2011) haben? Muss man hier eine Triggerwarnung mitliefern? Ich war mir da selber nicht so sicher und daher froh, das Spiel spielen zu können. Vordergründig handelt es sich um eine „Scotland Yard“-Variante mit dem Unterschied, dass 4 Runden gespielt werden und in Runde 1 und 3 ein Wahnsinniger die übrigen Spieler jagt und in den Runden 2 und 4 sind die Rollen getauscht: jetzt jagen die Gejagten den Wahnsinnigen. Die Runden 2 und 4 sollen Pepp in die Sache bringen aber so richtig zünden wollte das Spiel bei uns nicht. 6 von 10 Punkten.

11. Escape Room: The Game (n/a, Noris Spiele)

Im Unterschied zu den ebenfalls dieses Jahr in Essen erschienen Exit-Spielen muss hier kein Spielmaterial zerstört werden. Trotzdem kann man auch hier jedes Szenario nur einmal spielen, denn sobald man die Lösung kennt, war’s das. Hier bekommen wir aber einen „Decoder“ mit dem Spiel geliefert, in den zur Lösung eines Rätsels 4 von 16 Schlüsseln in der richtigen Reihenfolge und der richtigen Orientierung eingesteckt werden müssen, um der Lösung einen Schritt weiterzukommen. Die Szenarien selbst bestehen aus Umschlägen in denen diverse Papierunterlagen stecken, die es zu analysieren gilt. Und hier durfte ich mich gleich beim 1. Szenario ausklinken: Normalerweise kann ich ohne Lesebrille auch kleinere Schrift noch lesen aber hier waren die Informationen so klein wiedergegeben, dass ich keinerlei Chance hatte, mitzurätseln. Trotzdem war das Szenario nach 40 Minuten geknackt (der Decoder zählt nach dem Start die Zeit runter und die Spieler haben 60 Minuten Zeit, das Rätsel zu lösen). Gefällt mir besser als die Exit-Spiele: 6 von 10 Punkten.

12. Cottage Garden (Uwe Rosenberg, Edition Spielwiese)

Dieses Spiel stellt so etwas dar wie die Mehrspieler-Version von Uwes „Patchwork“. Die Mechanismen sind sehr ähnlich, alles ist schnell erklärt und geht flott von der Hand. Leider gibt es eine Falle für Erstspieler verursacht durch die Freiheiten bei der Bewegung der 6 Siegpunktmarker, die jeder Spieler besitzt. Hier verschenkt man leicht mal 1/3 seiner möglichen Siegpunkte, wenn man nicht aufpasst. 6 von 10 Punkten.

13. Die vergessene Welt (Ryan Laukat, Schwerkraft-Verlag)

Noch ein Laukat-Spiel kam kurz vor Ende der Con auf den Tisch. Da ich dieses Arbeiter- und Kämpfer-Einsetzspiel schon kannte, wollte ich sehen, ob es möglich ist, auch ohne jeglichen Kampf nur durch den Ausbau eigener Provinzen zu gewinnen. Kurz und knapp: kann man nicht. Die zufällige Auswahl an Provinz- und Staatskarten bringt nicht genug Flaggen, um mit denjenigen Spielern, die regelmäßig Titanen besiegen, mithalten zu können. Weiterhin solide 6 von 10 Punkten.

14. Tragedy Looper (BakaFire, Z-Man Games)

Schon vor Monaten hatte mir Peter begeistert von diesem Deduktionsspiel erzählt, das so anders sei, als alles was er bisher gespielt habe. Jetzt ergab sich die Möglichkeit, quasi als krönenden Abschluss der Con für mich, dieses Spiel auch einmal auszuprobieren. Schon der Einstieg war ungewöhnlich: Wir Spieler wurden vom Mastermind mit einer Situation an vier Orten konfrontiert und bekamen die Aufgabe, 5 Tage zu überleben ohne die (uns nicht bekannten) weiteren Endebedingungen auszulösen. Jeder der 3 Spieler bekam einen Satz Aktionskarten und eine 1-seitige Beschreibung, welche Szenarien und welche Rollen es gibt. Außerdem erfuhren wir, dass am 1, 3 und 5 Tag jeweils ein „Incident“ geschehen würde. Mit diesen dürftigen Informationen legten wir los. Ich glaube nach dem 3. Tag teilte uns das Mastermind mit, dass wir gescheitert seien und nun der nächste von insgesamt 3 „Loops“ begänne. Also alles wieder zurück auf Anfang. Dieses Mal hatten wir schon eine gewisse Ahnung, was da eigentlich auf dem Spielplan geschieht und welche Personen welche Rolle innehaben könnten. Trotzdem scheiterten wir auch diesmal. Beim 3. und letzten Loop waren wir uns aber schon relativ sicher, was eigentlich gespielt wird und konnten vor allen Dingen das Blatt mit der Beschreibung der Szenarien richtig lesen. Und siehe da, am 5. und letzten Tag lebten wir immer noch und hatten auch die Endebedingung nicht getriggert und damit gewonnen. Ein Spiel anders als alles, was ich bisher gespielt habe und in der richtigen Gruppe ein Super-Spaß. 8 von 10 Punkten.

In damit ging ein laaanges Spielewochenende zu Ende. Dank perfekter Organisation und toller Location war es wunderbar und ich freue mich schon auf die DinxCon im nächsten Jahr.

30.11.2016: Trump am Westpark

1. “Trump: the Game”

trumpthegameClaro, dass dieses 28 Jahre alte, unscheinbare Spiel nach dem spektakulären Sieg seines Namensgebers wieder überall ausgegraben werden würde. Bei Boardgamegeek überschlugen sich in diesem November die neuen Bewertungen mit 1 Punkt (Demokraten) und 10 Punkten (Republikaner). Günther war natürlich auch im Besitz der Erst-Edition dieses Spieles und grub es aus den untersten Schichten seines Archivs hervor, um es am Westpark zum Besten zu geben.

Natürlich geht es um Geld, um viel Geld. Die kleinste Einheit ist 10 Millionen Dollar. Mit 400 Millionen Barvermögen fängt jeder Spieler an. Auf den ersten Anschein wirkt das Spiel wie ein verkapptes Monopoly. Der Rand eines quadratischen Spielbretts ist in Spielfelder aufgeteilt, auf denen Immobilien liegen. Wir würfeln, ziehen entsprechend der Augenzahl mit unserem einzigen Pöppel um das Spielbrett herum und lösen Käufe, Verkäufe sowie Mieteinnahmen aus. Doch außer dem vielen Geld ist alles anders als bei Monopoly.

Die herumliegenden Immobilien gehören – wie zu erwarten – zunächst mal niemandem. Wer mit seinem Pöppel darauf landet, kann es auch nicht kaufen und muss keine Miete bezahlen. Er bewirkt lediglich, dass die BANK 10 Millionen in den Tresor dieser Immobilie hineinstecken muss. Es sind andere Felder, über die ein Immobilienhandel ausgelöst wird. Wer hier mit einem Pöppel landet, kann ein beliebiges Gebäude vom Spielbrett (u.U. sogar solche, die im Besitz eines fremden Spielers sind) aussuchen und zur allgemeinen Versteigerung anbieten.

Bei der Versteigerung macht jeder Spieler geheim ein erstes Gebot. Wenn weiters kein Spieler eine „Trump-Karte“ mit „Outside Investor“ zum Erhöhen seines Gebotes spielt, war’s das dann auch schon, und das Gebäude geht an den Meistbietenden. Spielt ein Spieler eine „Outside Investor“-Karte, kann jetzt reihum mit Geld oder weiteren Investor-Karten beliebig oft und beliebig hoch gesteigert werden. Alles ganz normal. Es gibt „Trump-Karten“ mit der Aufschrift „You’re out of the bidding“, wenn man die gegen einen Mitspieler spielt, ist er aus dem Bietprozess draußen, sein Gebot ist obsolet, er darf es wieder einpacken. Allerdings kann er seinerseits eine „Trump-Karte“ mit dem Text „I’m back in the bidding“ spielen, dann ist er wieder ganz normal dabei.

Woher stammen die „Trump-Karten“, die ein Spieler spielen kann? Richtig, außer dem Würfelzug mit seinem Pöppel darf Spieler innerhalb seines Zuges auch noch jeweils eine „Trump-Karte“ von einem verdeckten Stapel ziehen. Außer den bereits genannten Sonderkarten sind auf diesen Karten zum überwiegenden Teil Mieteinnahmen verzeichnet, die ein Spieler erhält, wenn er bestimmte Gebäude oder Gebäude-Kombinationen besitzt.

Diese Trump-Karten kann ein Spieler entweder in seiner Hand sammeln und erst am Spielende sequentiell einlösen, oder er kann sie einzeln innerhalb seines Zuges ausspielen und ihren Effekt nutzen, solange das Eisen heiß ist.

Sind alle Gebäude, acht Stück sind es insgesamt, in Spielerhand, wird das Spielende eingeleitet. Jeder Spieler spielt und nutzt reihum seine Trump-Karten, wobei jetzt nur noch diejenigen für Mieteinnahmen einen besonderen Sinn machen. Da manche Mieteinnahmen nur für einen bestimmten Kombinationsbesitz gelten, können die Spieler in dieser Phase beliebige „Deals“ machen, um diese Besitzbedingungen zu erfüllen und gemeinsam an die Prämie heranzukommen, z.B. „Leih’ mir für eine Runde dein Hotel, dann bekommst Du 50 Millionen Dollar von mir.“, oder „Verkaufe mir die Miteinnahmen-Karte für die Airlines, du bekommst dafür 20 Millionen Dollar.“ Eigentlich alles linear und rechtschaffen. Nach dem Regelheft muss man alle geschäftlichen Verabredungen auch brav einhalten.

Und was ist nun der berühmte „Trump-Effekt“? Bei uns kam er nicht vor, weil wir nicht darauf aus waren, und weil auch die richtigen Karten-Kombinationen nicht zusammenkamen. Mit der Trump-Karte „Force the sale“ kann man einen Spieler zwingen, sein eigenes Gebäude zu ver- bzw. ersteigern. Wenn ein auf diese Weise herausgeforderter Spieler eine erkleckliche Summe hingeblättert hat, um sein eigenes Gebäude zu behalten, und wenn dann der nächste Spieler nochmals eine solche Force-the-Sale-Karte gegen das gleiche, inzwischen erheblich wertvoller gewordene Gebäude spielt, könnte ein Spieler u.U. seine gesamte Liquidität allein für die Erhaltung seines Besitzes investieren müssen. Der übernächste Spieler könnte dann mit einer „You’re out of the bidding“-Karten dafür sorgen, dass der Spieler sein wohlgehütetes Besitztum doch noch für einen Appel-und-Ei verscherbeln muss. Oder man wendet die Trump-Karte „Zwangstausch“ auf ihn an und tauscht sein bestes Pferd im Stall gegen einen lahmenden Klepper. „Millions of dollars can be won or lost in seconds“ – heißt es im Regelheft, aber zutreffender ist wohl der andere Satz“ It’s not whether you win or lose but whether you win!“

WPG-Wertung: Aaron: 2 (das ist die Trump-Version vom „Spiel des Lebens“), Günther: 4 (ein Pluspunkt für die 90er Jahre, in denen das Spiel entstanden ist; komisch ist die Endphase mit der absoluten Freiheit bei der Definition von Deals), Walter: 4 (einschließlich eines Pluspunktes für die Aufmachung; es muss nicht noch einmal sein, aber es ist schon bemerkenswert, was auf der Monopoly-Seite des Atlantiks alles geboren wird.)

2. “Tragedy Looper”

Aaron hat das Spiel am Wochenende auf der DinxCon in Brixen kennengelernt, es mit Begeisterung gespielt und sich sofort ein eigenes Exemplar bestellt. Heute ist es angekommen und landete sogleich auf dem Spieltisch am Westpark. „Ein Spiel anders als alle anderen Spiele.“

Bei der Regeleinführung tat Aaron sehr geheinmnisvoll. Bei fast jeder Detailfrage kam nur eine ausweichende Antwort; wir sollten das alles wohl erst während des Spiels selber herausfinden. Offentlich geht es um eine Deduktion.

Es gibt einen „Main-Plot“ und bis zu drei „Sub-Plots“, in welcher Zusammensetzung wir damit konfrontiert werden, blieb offen. Es gibt acht „Rollen“, von der Key-Person über den Killer bis zum Friend und eine noch größere Anzahl von „Charakteren“, z.B. einen Doktor mit Patienten, einen Polizei-Offizier mit einem Informer, und was man sich noch so alles vorstellen kann. Ob sie alle auftreten, irgendeine eine Rolle oder gar welche Rolle sie spielen, das bleibt ein Geheimnis. Vielleicht ist das sogar das Geheimnis, das wir „Protagonisten“ herausfinden sollen. Ich habe die Aufgabestellung eigentlich bis zum Schluss nicht verstanden, aber ich gestehe, dass ich in aller Regel die erste Zeile eines Overview-Bogens vom Tragedy-Looper-Kaliber bereits vergessen habe, wenn ich irgendwo in der Mitte angelangt bin. Vom Ende, mit den „Incidents“ und „Effects“ ganz zu schweigen.

Ein Mastermind-Spieler versucht uns Protagonisten innerhalb der fünf Durchgänge eines „Loops“ abzumurksen, und wir versuchen das zu verhindern. Er spielt verdeckt insgesamt drei Karten mit „Intrigue“, „Paranoia“, „Goodwill“ oder „Movement“ auf einzelne Charaktere oder Örtlichkeiten. Und wir spielen ebenfalls je drei Karten mit „Goodwill“, „Forbid Intrigue“ oder „Movement“. Was dann passiert, welche Person sich wohin und wozu durch die insgesamt vier Örtlichkeiten bewegt, das steht in den Sternen. Und was die einzelnen Personen mit den angesammelten Intrigues, Goodwills und Paranoias anfangen, ebenfalls. Na ja, manches steht auch im Overview-Bogen, aber was soll so ein Bogen, wenn man weder Einblick noch Überblick noch Durchblick hat.

Es gibt ein „Player’s Handbook“, mit 44 Seiten, das man wohl gründlich gelesen haben sollte, bevor man sich in die Tragödie begibt. Und es gibt ein 40 seitiges „Mastermind’s Handbook“, mit einer großen Warnung auf dem Deckblatt: „Wer Protagonist sein will, darf dieses Buch NICHT lesen.“ Das sollte also offensichtlich nur der böse Gegenspieler lesen. Ich schaue auch jetzt beim Protokoll-Schreiben nicht hinein. Nicht, weil ich noch einmal in meinem Leben ein Protagonist sein möchte. Das bin ich glücklicherweise jeden Tag, aber nicht in der Tragedy. Gott-sei-Dank.

Nach dem ersten Durchgang des ersten Loop war die „Loss condition“ (was immer das ist, und welche das jetzt auch immer gewesen war) bereits eingetreten, offensichtlich waren wir alle tot und der Loop (oder ein Durchgang) zu Ende. Wir hätten zum zweiten Loop oder zum zweiten Durchgang antreten dürfen. Aber wir verzichteten weise auf den nächsten Loop der Reise.

Aaron musste nicht zur vorletzten U-Bahn, sondern mit dem Auto zum Bahnhof, um seine Frau abzuholen. Im Abspann konnte Günther noch mitteilen, dass er solche Knobeleien im Prinzip sehr mag, aber nicht als Spiel, wo vielleicht sogar noch ein ungeduldiger Gastgeber zum nächsten Zug (move) drängt. Er mag solcher Knobeleien in ruhigen Stunden, wo er kontemplativ über Aufgabenstellung und Lösung meditieren, und sie zur in einer harmonische Konstruktion verbinden kann.

Noch keine WPG-Wertung.

23.11.2016: Railways bis zu Morgengrauen

1. “1846 – The Race for the Midwest”

„1846“ - Upgrades bei den Großen Seen
„1846“ – Upgrades bei den Großen Seen

Schon in der Vorwoche hatte Moritz für unsere heutige Runde mal wieder ein 18xx-Spiel vorgeschlagen, das brandneue „1846“. Ausgerechnet Moritz, der für diese Spiele mit nur 7 Punkten kleckert, während alle anderen mit 10 Punkten klotzen. „Ich wollte Euch mal wieder eine Freude machen!“ Wie zuvorkommend! Alle waren sofort Feuer und Flamme dafür.

Erst die angesagte Spieldauer von fünf Stunden ließ die Müter etwas abkühlen. Aaron und Günther recherchierten im Internet, verteilen Analysen zu den Unterschieden gegenüber der „1830“, und verschickten an jeden Mitspieler das 24-seitige Regelheft mit der Verpflichtung sich darauf vorzubereiten. Schließlich wollten wir uns die mindestens eine Stunde Einführung sparen.

Es ist immer wieder erstaunlich und faszinierend, was sich die liebhaberischen Väter neuer 18xx-Kinder alles einfallen lassen, um ihr Kind nicht nur anders, sondern auch besser aussehen zu lassen als die Brüder und Schwestern. Selbstverständlich werden auch lokale historische Gegebenheiten in das veränderte Spieldesign eingewoben. Zumindest propagiert solche das Regelheft. Darauf wollen wir hier aber nicht eingehen.

Wesentliche Unterschiede der „1846“ gegenüber unserer Best-of-all-Ever „1830“ sind u.a.:

  • Auf die 10 Privatgesellschaften wird nicht mehr geboten. Stattdessen wählt sich jeder Spieler reihum aus einer jeweils eingeschränkten Auswahl eine Private aus. Das geschieht solange, bis alle Privaten genommen wurden. Erst dann decken die Spieler ihre gewählten Privaten auf und zahlen dafür. – Ein akzeptables Verfahren, aber die Freiheiten und die Taktiken der „1830“ um die richtigen Privaten und vor allem um den „Priority Deal“ sind dahin.
  •  Gesellschaften floaten schon, wenn das Director Share verkauft ist. Das gezahlte Geld geht in die Gesellschaft. Zur weiteren Finanzierung dürfen die Gesellschaften ihre Aktien an die Bank verkaufen. Das scharfe Kalkulieren der eigenen Börse, genauso wie das Feilschen um Beteiligungen entfällt.
  •  Es gibt vier statt drei Fortschritt-Phasen, in denen Züge verschrottet werden und Eigenschaften von Privaten verfallen.
  •  Zur Finanzierung von Zwangsloks darf eine Gesellschaft bei Bedarf ihre eigenen Aktien notverkaufen. Erst wenn auch dieser Erlös nicht reicht, muss der Direktor mit seinem Privatvermögen einspringen. Die Möglichkeiten, als Direktor bankrott zu gehen, sind fast eliminiert. Dafür würde ein Spiel bei einem solchen Bankrott auch nicht beendet werden: der Bankrotteur dürte weiterhin zusehen, wie die restlichen Spieler lustig weiterspielen.
  •  Gesellschaften müssen für Private immer den vollen Preis zahlen. Einem Ausblutenlassen einer Gesellschaft, bevor man sie einem Mitspieler vor die Füße wirft, ist damit ein deutlicher Riegel vorgeschoben.
  •  Der Verkauf von Minderheits-Aktien hat keinen Einfluss auf den Aktienkurs. Dieser Kurs sinkt nur dann, wenn der Direktor Aktien verkauft, und auch dann nur um genau eine Stufe. Die Spannung mit dem „Priority Deal“ beim Verkaufen „geiler“ Aktien ist total eliminiert, genauso wie das taktische Kaufen und Verkaufen von Aktien zur Kursmanipulation.
  •  Loks werden „ausgephast“, sprich sie fahren ein letztes Mal nach Anbruch der Phase, in der sie ausgemustert werden. Der technische Fortschritt schlägt also nicht so brutal zu, und Gesellschaften können die Finanzierung modernerer Züge risikolos bis zum letzten Augenblick aufschieben.

Aarons Fazit: „Alles in Allem also eher ein zahmer 18xx-Vertreter, bei dem es am meisten darauf ankommt, die richtigen Privaten mit den richtigen Gesellschaften mit den richtigen Einstiegskursen und den richtigen Strecken zu kombinieren.“ Alle sahen das genauso Die Robber-Barons mit ihren bösen kapitalistischen Machenschaften sind außen vor, die soliden Empire-Builders bleiben unter sich.

Unser beschleunigter Einstieg in eine neue 18xx-Welt wurde allerdings vom Münchener Verkehrsverbund torpediert. Der Bus, mit dem Moritz gewöhnlich zum Westpark fährt, war ausgefallen, und Moritz mit den ganzen Spielutensilien, traf erst eine Viertelstunde später ein.

Nach dem Spielaufbau und der Verteilung des nagelneuen Materials auf dem Tisch fehlten auf einmal fünf Aktien-Shares: drei Präsidenten und zwei Normal-Shares. Könnte es sein, dass ein Stanzbogen zu wenig in die Spieleschachtel eingelegt worden war? Wir suchten, staunten, suchten nochmal, wunderten uns – und stellten dann Ersatz-Shares her. Problemlos, aber es hatte nochmals 20 Minuten gedauert. Bis wir die vermissten Karten unter dem Spielplan fanden: mit ihrer fabrikneuen Glätte waren sie darunter gerutscht, bevor es ein Spieler auch nur wahrgenommen hatte.

Startspieler wurde Walter. Günther als Letzer in der „offiziellen“ Bankrunde durfte als Erster bei den Privaten zugreifen. Da er den geringen Einfluss auf die noch freien öffentlichen Linien fürchtete, wählte er die geographisch unabhängigen Mail-Contract und Meat-Packing-Company. Aaron griff bei der Indepenent „Michigan Southern“ zu, frei nach dem Motto: „Ein guter Go-Spieler spielt bei sich selbst.“, Moritz engagierte sich in Ohio und bei den Lakes, und Walter suchte sein Glück mit der Independent „Big 4“. Wenn man noch keine Ahnung hat, wie in „1846“ der Hase läuft, wo die ersten Pflaumen reifen und wo später die großen Gewinne gemacht werden, ist man bei der Auswahl 1 aus 6 in jedem Fall überfordert. Die Gesellschaften könnte man genauso gut rein zufällig verteilen.

Die Big-4 legt einen Ausbau nach Südwesten nahe, und so startete Walter mit der Illinois Central, Moritz gefiel der alte„1830“er Glanz der NYC, Aaron begann mit der Grand Trunk in der Nähe seiner Michigan, und Günther bekam die B&O, die in „1846“ aber keineswegs die Potenz von „1830“ hat.

Mit zwei Tiles pro Operation-Round und mit von Start weg zwei Operation-Rounds pro Bank-Runde, kam der Streckenbau zügig voran. Alle Gesellschaften forcierten auch unverzüglich den Lokomotiven-Einsatz, so dass Günther, als er mit seiner B&O zum ersten mal zum Einsatz kam, sich schon mit 3er Zügen eindecken konnte. Damit war auch die zweite Phase erreicht, grüne Update-Tiles standen zur Verfügung, und blitzschnell war ein Verkehrsnetz entstanden, das mehr oder weniger lückenlos den gesamten Midwest-Raum umfasste. Alle Linien waren mit allen anderen zusammengestoßen, hatten sich ergänzt oder blockiert, waren mit Token reserviert oder mit Nebenstrecken umgangen worden.

„Blitzschnell“ ist hier etwas euphemistisch ausgedrückt. Es bezieht sich lediglich auf die Anzahl der Runden die es brauchte, um den beschriebenen Entwicklungsstand zu erreichen. Aber jede einzelne Runde dauerte länger als ein komplettes „1830“ mit der Computer-Unterstützung von Helmut Ohley! Per Stoppuhr gemessen vergingen 19 (NEUNZEHN) Minuten und 44 Sekunden, bis Walters drei Mitspieler mit ihren vier Gesellschaften eine einzige Operation-Round durchgeführt hatten, und er mit seiner Illinois Central am Zug war. Inzwischen hatte Rostow gegen Bayern München zwei Tore geschossen und Manchester City gegen Mönchengladbach ausgeglichen. Was soll ein „1846“ Spieler auch anderes tun, als sich der Sportschau zuzuwenden, wenn er ansonsten zwanzig Minuten lang teilnahmslos nur den Erbsenzählereien seiner Mitspieler zusehen kann?

Es ist nicht spannend, was hier abgeht. Nach dem ersten Drittel des Streckenbaus sind die Fortschritte eher linear und langweilig. Es gibt kein New York mit dem sprunghaften Anstieg der Einnahmen. Jeder Städte-Update einer jeglichen Stadt in jeder Phase bringt die identischen 10 Dollar mehr ein, und da fast alle Gesellschaften von solchen Updates profitieren – einige hier, andere dort – gibt es auch keinen Ehrgeiz, hier noch irgendwelche Schnäppchen zu finden.

Nur Moritz hatte sich etwas zu spät auf die Socken gemacht und war von einer Ost-West-Passage mit den ausgelobten Zusatzeinnahmen abgesperrt worden. Verzweifelt bat er seine Mitspieler um Bauvorschläge, wie doch noch irgendwo-irgendwie die Verbindung herzustellen sei. Matt-in-einem-Zug-Lösungen gab es nicht, er musste schon mit einem Dreizüger rechnen, und richtig, nach zwei Operation-Rounds stand er auch schon vor der Erfüllung seines Herzenswunsches. Da – oh Schreck – fehlte genau das grüne Streckenteil, das er zum Anschluss brauchte; beide Teile waren schon an anderer Stelle verbaut. Großes Klagen und Anklagen seinerseits. Entschuldigung und Beschwichtigung der Ratgeber: „Damit muss man rechnen … Man kann doch nicht alles vorhersehen … Außerdem kann man die verbauten grünen Teile ja gegen braune austauschen, da stehen sie dann wieder zur Verfügung …!“ Moritz musste sich zwei weiteren Malocher-Runden unterziehen. Wie lange das – in Minuten ausgedrückt – dauert, ist ja bekannt. Er ging schon auf Mitternacht zu.

Moritz hatte das gewünschte grüne Streckenteil gerade ausgebaut und erwartungsvoll zur Seite gelegt, als Walters Blick darauf fiel und ihn der Hafer stach. Als echte oder vermeintliche Zukunftsinvestition, vielleicht aber auch nur aus Bosheit, nahm er das begehrte Stück und baute es an einer Nebenstrecke bei sich im Südwesten ein. Danach wäre es fast zum Eklat gekommen! „Unter diesen Umständen habe ich keine Lust mehr, weiterzuspielen.“ (Walter hatte übrigens schon seit einer geschlagenen Stunde dazu keine Lust mehr! Fast ein geschenkter Spielabbruch!)

Da griffen die Weiterspiel-Gierigen Aaron und Günther ein. Mit Akribie wiesen sie nach, dass das inkriminierte Stück Walter nur einen sehr fraglichen Zukunftsvorteil bringen würde. Mit Engelszungen überredeten sie ihn, diesen Bauzug rückgängig zu machen. Keine Rede davon, dass man bei den 18xx-Spielen nicht nur FÜR SICH, sondern auch GEGEN DIE ANDEREN baut. Walter ließ sich breitschlagen. Das Spiel ging weiter.

Noch über eine Stunde! Moritz bekam von Günther noch die ausgelutschte B&O zugeschustert, konnte Aaron seine NYC überlassen, und floatete noch die Erie. An der Einlaufsreihenfolge änderte sich dadurch nichts. Schon nach der Hälfte des Spiels hatte sich abgezeichnet, dass Günther gewinnen und Aaron Zweiter werden würde. Was denn sonst!

Moritz verpasste nicht nur die vorletzte, sondern auch die letzte U-Bahn nach Hause. Aaron machte ihm den Taxi-Chauffeur. Günther und Walter diskutierten noch bis fast zum Morgengrauen die Eigenleistung der „1846“ innerhalb der 18xx-Familie. Günther predigte einem Ungläubigen.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (eine 18xx-Einstiegsversion), Günther: 9 (grundsätzlich bekommen alle 18xx-Spiele eine 9, nur die Königin „1830“ bekommt eine 10, Einsteigermodell), Moritz: 5 (zu clumsy, ohne dass es geil ist), Walter: 5 (5 Stunden Erbsenzählen! Wo ist der Gag, da es doch nur darauf ankommt – wie Aaron richtig bemerkt hat – die richtigen Privaten mit den richtigen Gesellschaften mit den richtigen Einstiegskursen und den richtigen Strecken zu kombinieren? Und dies ist nichts als eine ewige kleinkrämerische Rechnerei. Mit einer Computer-Unterstützung für die Strecken- und Geld-Verwaltung könnten es 8 Punkte werden, so aber nicht).

Zwei meiner verehrten Mitspieler, erfahrene „1830“-Spieler, haben hier konstatiert, dass „1846“ für Einsteiger in die 18xx-Familie geeignet ist. Woher kommt dieser Eindruck, der meines Erachtens total falsch ist? Das ist doch nur eine Zeitungsente!

  • Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn man vier statt drei Spielphasen noch einführt!
  •  Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn man neben den normalen Strecken auch noch zusätzlich eine Ost-West-Passage auslobt!
  •  Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn man alle Gesellschaften auf einmal aufeinander logehen läßt, anstatt sie in wohldosierten Abständen floaten zu lassen!
  •  Es ist nicht “einsteigerisch”, wenn man neben den immobilen Privaten auch noch mobile “Independent Railroads“ einführt, die mit Gleisbau und Operation sogleich in den öffentlichen Gesellschaftstrubel eingreifen.
  •  Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn eine Gesellschaft zwischen 40 und 150 Dollar, also innerhalb einer Spannweite von 350% beliebig gefloatet werden kann, anstatt wie bei „1830“ zwischen 67 und 100 Dollar, also innerhalb einer Spannweite von nur knapp 50%!
  •  Es ist nicht „einsteigerisch“, wenn der Präsident die volle, die Hälfte oder gar keine Dividende ausschütten darf, und der Aktienkurs je nach der Höhe der ausgeschütteter Dividende in Relation zum Aktienkurs um 1 Stufe fallen oder bis zu 3 stufen steigen kann! Wie einfach hier hier hingegen ein “Alles oder nichts”?!

In “1846“ wurde ein potenter Kater kastriert und anschließend zu einem Tiger aufgeblasen. Die Aufforderung „teach me, tiger“, ist dann schon eher ein Hohn!

Lieber fünfmal mit „1830“ pleite gehen, als einmal in „1846“ gewinnen. Ersteres ist ganz leicht, das hat jeder Spieler mehr oder weniger selber in der Hand; letzteres ist sehr schwer, denn da steht Günther davor, wie der Erzengel mit dem Flammenschwert vor der verschlossenen Paradiestür.